«Der One-fits-all-Ansatz ist längst überholt»
Immobilienbewirtschafter – Die Digitalisierung ist auf breiter Front in der Schweizer Immobilienwirtschaft angekommen, ergab eine Umfrage des SwissPropTech-Magazins bei vier ausgewiesenen Experten. Doch bei der Umsetzung der digitalen Transformation gibt es noch Optimierungspotenzial.
Von Roman Bolliger – Fotos: zVg
5 Fragen
an Mitglieder des Swiss Circle zum Stand der Digitalisierung im Bereich der Immobilienbewirtschaftung
1
Welches sind die Erfolgsfaktoren einer modernen Immobilienbewirtschaftung?
2
Wie schätzen Sie den Digitalisierungsgrad der Schweizer Bewirtschafter ein?
3
Welches sind die Low Hanging Fruits in der Digitalisierung der Immobilienbewirtschaftung? Wie kann man innert kurzer Zeit viel erreichen?
4
Welche digitalen Themen fordern Ihre Unternehmung besonders?
5
Kann mit Digitalisierung die Marge im Bewirtschaftungsgeschäft gesteigert werden? Wenn ja, weshalb?
ANDREA CRISTUZZI Inhaberin und Geschäftsführerin Cristuzzi ImmobilienTreuhand AG
1. Erfolgsfaktoren. Die Immobilienbewirtschaftung lebt von der Fachkompetenz der Mitarbeitenden in einer Vielzahl von Bereichen: Mietrecht, baufachliche Themen, Verhandlungsgeschick, Menschenkenntnis und Freude am Kontakt. Letztlich haben der Eigentümer und der Mieter vor allem mit dem Menschen zu tun; er oder sie macht den Unterschied im Erleben eines positiven Kundennutzens. Dies, gepaart mit sehr effizienten Abläufen im Hintergrund, die es ermöglichen, eine grosse Anzahl von Mandaten zu betreuen, sind der Garant für ein erfolgreiches Geschäftsmodell in der Immobilienbewirtschaftung.
2. Digitalisierungsgrad Der Digitalisierungsgrad ist fortgeschritten, aber wir sind klar noch nicht so weit, wie ich es persönlich gerne sehen würde. Vor allem die mietrechtlichen Vorgaben im Zusammenhang mit postalischer Zustellung bestimmter Unterlagen sind ein Hemmschuh bei der Digitalisierung der kundenseitigen Prozesse. Weiter ist die Liegenschaft nun einmal ein Objekt mit physischen (= analogen) Herausforderungen und Problemen. Selbst die digitalisierteste Bewirtschaftung ist darauf angewiesen, dass vor Ort auf der Liegenschaft analoge Dienstleistungen von Unternehmern, Hauswarten etc. getätigt werden. Natürlich kann sich aber die Kommunikation mit diesen Anbietern noch weiter digitalisieren.
3. Low Hanging Fruits. In unserem Betrieb haben wir die Kreditorenverarbeitung gerade vollständig digitalisiert und stellen fest, dass sich viele Automatismen bei wiederkehrenden, einfa-
chen Rechnungen direkt durch das System abwickeln lassen. Damit sparen wir Zeit unserer Mitarbeitenden. Digitale Wohnungsrundgänge zählen bei uns mittlerweile fast zum Standard – sie sparen viele Besichtigungstermine vor Ort ein.
4. Herausforderungen. Für mich ist die Anbindung der externen Dienstleister an unsere Systeme ein Dauerthema. Zwar gibt es sehr viele digitale Lösungen im PropTech-Bereich, die innovativ und gut sind, sich aber nur bedingt an die mächtigen Bewirtschaftungssysteme anbinden lassen. Wenn da ein Medienbruch entsteht, ist der gesamte Digitalisierungsgewinn leider nur eingeschränkt vorhanden.
5. Mehrwert. Die Marge kann definitiv gesteigert werden. Wir können mit der Digitalisierung von Backend-Prozessen die Effizienz erhöhen und damit mit gleichen Ressourcen mehr Mandate betreuen. Weiter können sich unsere Bewirtschafter eher um die wirklich wichtigen Themen im Kontakt mit Eigentümern und Mietern kümmern, statt wertvolle Zeit für administrative Arbeiten zu verbrauchen.
DR. BRUNO BÄCHI CEO H&B Real Estate AG1. Erfolgsfaktoren Bei einer modernen Immobilienbewirtschaftung sind aus meiner Sicht ein lösungsorientierter Leistungsansatz, sprich Probleme lösen oder nicht entstehen lassen, die professionelle Beratung der Kunden in operativen Themen des Immobilienmanagements, kompetente Teams mit Kundenfokus sowie ein sich stetig entwickelnder Prozessansatz mit zunehmender Digitalisierung die wichtigsten Erfolgsfaktoren.
2. Digitalisierungsgrad. In der Bewirtschaftung werden viele Stammdaten, Prozesse und Informationen für ein erfolgreiches Immobilienmanagement geführt. Daher ist die Digitalisierung dieser Elemente ein Muss. Der Digitalisierungsgrad hat stark zugenommen. Digitale Daten aus der Bewirtschaftung stehen zunehmend auch für Managementinformationssysteme
(MIS) zur Verfügung, die digitale Anbindung von Mietern, Eigentümern und diversen weiteren Anspruchsgruppen nimmt stetig zu und es kommen immer mehr digitale Instrumente und Produkte für einzelne Prozesse und Aufgaben der Immobilienbewirtschaftung zur Anwendung. Natürlich besteht noch Luft nach oben – etwa für Optimierungen bis hin zum komplett digital unterstützten Bewirtschaftungsansatz mit weitgehender Einbindung aller Anspruchsparteien.
3.
Low Hanging Fruits. Ein rascher Einstieg beginnt mit der Einführung von Einzellösungen. Digitale Tools für die Wiedervermietung, Elemente der Mieterbetreuung (elektronisches Abnahmeprotokoll, Meldeportal für Mieter), digitales Kreditorenmanagement sind einzelne erste Etappen der Digitalisierung. Sukzessive können auch einzelne Dokumente digital geführt werden. Dabei gilt es, als Firma erste wichtige Digitalisierungslösungen zu implementieren. In einer nächsten Phase steht die Integration dieser Tools in ein Gesamtsystem an. Die Einführung eines umfassenden elektronischen Dokumentenmanagements ist die Basis für einen ganzheitlichen Ansatz, in welchem der Grossteil der Prozesse digitalisiert wird.
4.
Herausforderungen. Uns fordern insbesondere zwei Themen: Erstens benötigt die Umstellung auf digitale Lösungsansätze hohe Ressourcen. Die zeitliche Beanspruchung unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter während der Phasen der Einführung von digitalen Lösungen ist enorm hoch. Zudem sind digitale Lösungen teuer und finanziell gilt es, eine ökonomisch tragbare Roadmap zu erstellen. Zweitens sind viele digitale Tools noch in einer Startphase und nicht ausgereift. Der Zeitpunkt der Einführung ist genau zu prüfen, nicht dass aufgrund der noch nicht optimal nutzbaren Tools bei den Anwendern grössere Unzufriedenheiten entstehen.
5. Mehrwert. Es ist wie bei allen Systemeinführungen. In der Phase einer Systemumstellung kann kaum zusätzliche Rendite erwirtschaftet werden. Es geht viel mehr darum, die hohen Kosten der Digitalisierung zu decken, um die Rendite nicht weiter zu verwässern. In einer längeren Frist bietet die Digitalisierung sicherlich Möglichkeiten, dass die optimal digitalisierten Bewirtschaftungsfirmen Qualitäts-, Effizienz- und Kostenvorteile bringen und sie ihren Marktanteil und auch ihre Rendite verbessern können.
HANS-ERICH MEIER
Inhaber und Geschäftsführer
EBV Immobilien AG
1. Erfolgsfaktoren. Entscheidend für den Erfolg sind vor allem gut ausgebildete Mitarbeitende mit der Bereitschaft, die Immobilie als Gesamtes zu sehen. Es braucht keine reinen Spezialisten, denn dadurch besteht die Gefahr der eingeschränkten Sicht auf die Zusammenhänge in der Bewirtschaftung, welche selbst durch Teambildung allein nicht wettgemacht werden können. Generalisten mögen im Rahmen von einfachen Bewirtschaftungsmandaten richtig sein, aber sobald die Bewirtschaftung aufgrund von gemischten Nutzungen, Grösse oder Komplexität der Liegenschaft umfassende Anforderungen stellt, sind sie schnell überfordert. Ein weiterer Faktor sind motivierte Mitarbeitende. Hier ist mit Blick auf die Digitalisierung entscheidend, dass sie nicht zu reinen Bedienern der digitalen Infrastruktur werden. Gut ausgebildete, aber vor allem motivierte und durch die Firma in Entscheidungen miteinbezogene und geforderte Mitarbeitende können eher mit den sich schnell verändernden Arbeitsprozessen umgehen.
2. Digitalisierungsgrad. Bei den Themen Finanzen, Buchhaltung, Mietverträge, Wohnungsvermarktung ist der Digitalisierungsgrad eher hoch, bei der Handhabung mit technischen Unterlagen der Liegenschaften eher klein.
3. Low Hanging Fruits. Die Herausforderung besteht darin, die Mitarbeitenden in den Prozess der Umstellung auf digitale Arbeitsprozesse miteinzubeziehen, sei es bei der Ausarbeitung der Digitalisierungsstrategie oder der Wahl der Systeme. Dazu zählt, die aktuellen Arbeitsprozesse zu analysieren, die zeitintensivsten auf ihre Digitalisierungstauglichkeit zu prüfen und zu eruieren, wie und mit welchen Mitteln diese Prozesse möglichst schnell umgesetzt werden können, und so nach und nach gemäss der Digitalisierungsstrategie die weiteren Prozesse umzusetzen.
4. Herausforderungen. Das Handhaben und das möglichst umfangreiche Erfassen der technischen Unterlagen, wie beispielsweise bearbeitbare Gebäudepläne und Haustechnikunterlagen, ist herausfordernd, ebenso die laufende Aktualisierung der Vermietungsunterlagen wie
Pläne und Schnittstellen bei kommerziell und gewerblich genutzten Liegenschaften. Dies ist für die Bewirtschaftung von gewerblich und kommerziell genutzten Liegenschaften von grosser Bedeutung. Die Organisation der digitalen Ablage ist wichtig, damit daraus auch ein wirklicher Mehrwert und Zeitersparnis für die Mitarbeitenden und somit für die Firma resultieren.
5. Mehrwert. Durch das Eliminieren von physischer Datenerfassung mittels geeigneter Schnittstellen zwischen den Systemen und der physischen Archivierung entsteht ein Mehrwert. Mittels heutiger Technologie besteht die Möglichkeit des Zugriffs auf die Daten, im Rahmen der Berechtigungsmatrix, von überall her. Digitalisierung sollte nur dort erfolgen, wo sie sinnvoll und bedienungsfreundlich ist und nur in einem überschaubaren Umfang.
MARTIN FREI, Chief Digital Officer VERIT Immobilien1. Erfolgsfaktoren. Eine moderne Immobilienbewirtschaftung muss heute sehr flexibel und anpassungsfähig sein. Der One-fits-all-Ansatz ist längst überholt. Es gilt, die verschiedenen Bedürfnisse der Kunden mit massgeschneiderten Lösungen zu erfüllen und dabei die Kosten für das «Customizing» möglichst gering zu halten. Dazu braucht es eine gut durchdachte und robuste IT-Landschaft, welche den gehobenen Ansprüchen der Kunden gerecht werden kann. Immer wichtiger wird auch die digitale Zusammenarbeit aller involvierten Parteien. Medienbrüche und unstrukturierte Daten (z.B. E-Mail oder physische Post) sind Zeitfresser und Kostentreiber. Wir versuchen daher, eine integrative IT zur Verfügung zu stellen, bei der verschiedenste Plattformen und Tools über Schnittstellen miteinander kommunizieren und Daten in strukturierter Form möglichst automatisiert weiterverarbeitet werden können.
2. Digitalisierungsgrad Mitte der 2010er-Jahre starteten viele grössere Bewirtschaftungsfirmen mit ihren Digitalisierungsinitiativen. Mittlerweile haben sie erste Meilensteine erreicht und eine digitale Basis gelegt. Jedoch ist die digitale Transformation ein sehr umfassender und
langwieriger Prozess und zudem sehr kostenintensiv. Kleinere und mittlere Bewirtschaftungsfirmen bedienen sich deshalb meist bei den Angeboten von PropTechs, welche gute Ende-zu-Ende-Lösungen für einzelne Teilbereiche in der Bewirtschaftung abdecken. PropTechs bieten hier eine gute Möglichkeit, wie firmenübergreifend skaliert und somit die Kosten für den Einzelnen verringert werden können. Die Kunst ist jedoch, diese Lösungen in die eigene IT-Landschaft zu integrieren, sodass keine Medienbrüche entstehen und Prozesse nahtlos ineinander übergehen.
PropTechs haben hier einen wertvollen Beitrag geleistet. Nichtsdestotrotz glaube ich, dass noch sehr viel Potenzial in der Digitalisierung der Immobilienbewirtschaftung steckt und wir in den kommenden Jahren eine weitere Professionalisierung sehen werden. Es ist sehr hilfreich, wenn sich Standards herauskristallisieren und nicht jede Unternehmung das Rad selbst neu erfinden muss. Offene und standardisierte Schnittstellen sind dabei der Schlüssel. Das bringt die ganze Branche voran.
3. Low Hanging Fruits. Leider gibt es so etwas wie Low Hanging Fruits in der Digitalisierung nicht. Das ist harte Arbeit, die viele Jahre Zeit und Ausdauer sowie viel Geld und Ressourcen benötigt. Es ist vor allem wichtig, dass eine digitale Gesamtstrategie erarbeitet wird, welche das Big Picture im Fokus behält. Eine Abkürzung oder Beschleunigung der digitalen Transformation kann nur dann erzielt werden, wenn man fertige Lösungen, die jemand anderes bereits entwickelt hat, selbst im eigenen Unternehmen einführt. Meist sind dies Lösungen von etablierten Softwareunternehmen (oder eben auch von PropTechs), welche einen Teilaspekt der Prozesse in der Immobilienbewirtschaftung digital abbilden und somit eine schnellere Einführung gewährleisten können. Das bedeutet auch, dass man eine gewisse Prozesshoheit abgibt respektive auslagert und Abhängigkeiten zu Softwareherstellern und PropTechs aufbaut. Manchmal ist das zweckdienlich, manchmal aber auch aus strategischen Gründen nicht erwünscht. Jede Bewirtschaftungsunternehmung muss für sich selbst den besten Kompromiss finden.
4.
Herausforderungen. Wir sind in der Immobilienbewirtschaftung immer mehr mit Splitmandaten konfrontiert. Das bedeutet, dass mehrere Bewirtschaftungsfirmen ein Portfolio eines Eigentümers bewirtschaften. Dabei stellt eine Bewirtschaftungsfirma (administrativer
Partner) die ERP-Software zur Verfügung, sodass alle weiteren Bewirtschafter ebenfalls auf dem gleichen ERP arbeiten müssen (technische Bewirtschaftung). Dies hat zur Folge, dass digitale Prozesse komplett auseinandergerissen werden und nun firmenübergreifend mitunter auf Fremdsystemen Daten und Dokumente ausgetauscht werden müssten. Diese Prozesse digital und firmenübergreifend umzusetzen und zu koordinieren, ist sehr aufwendig und mit grossen IT-Kosten verbunden. Das ist vermutlich der Grund, warum die Branche in diesem Bereich der Digitalisierung etwas hinterherhinkt. Wir sind dabei, digitale Lösungen aufzubauen, die es ermöglichen, auch Splitmandate komplett digital zu führen (auch wenn ein fremdes ERP verwendet wird). Dies ist ein Novum in der Branche –aber wir sind überzeugt davon, dass dies der richtige Weg ist.
5. Mehrwert. Die Digitalisierung hat mehrere Grundpfeiler. Ein essenzieller Fokus besteht darin, durch Automatisierung eine Effizienzsteigerung zu erzielen. Isoliert betrachtet wäre die Aussage vermutlich richtig, dass durch effizientere und schlankere digitale Prozesse in der Bewirtschaftung mehr Marge erwirtschaftet werden könnte. Wenn man jedoch die Projektkosten für digitale Initiativen, die hochqualifizierten Fachkräfte für Projekte und den Unterhalt sowie die neuen Lizenz- und Wartungskosten für digitale Lösungen mit einrechnet, so entsteht eine differenziertere Sicht, die auch zu einem anderen Resultat kommt. Im Moment, da die gesamte Branche mitten in der digitalen Erneuerung steckt, sind die Kosten für die digitale Transformation eher überproportional gross, sodass – vorübergehend – weniger Marge beim Bewirtschaftungsunternehmen verbleibt.
Hinzu kommt, dass mit steigendem Digitalisierungsfaktor auch Begehrlichkeiten seitens der Eigentümerschaft geweckt werden. Die Anforderungen von z.B. institutionellen Eigentümern haben in den letzten Jahren stark zugenommen, wobei die Honorare gleichzeitig tendenziell eher abgenommen haben. Die Marge bei den Bewirtschaftungsfirmen kann positiv beeinflusst werden, wenn neue digitale Leistungen – im Kundeninteresse – auch entsprechend zusätzlich vergütet werden. Wenn das Leistungspaket der Bewirtschaftung stetig vergrössert wird, ohne dass das Honorar mitwächst, nimmt der Margendruck zwangsläufig weiter zu.
Am Ende des Tages müssen die Gesamtkosten für eine Leistung «Bewirtschaftung» kalkuliert und marktfähig gehalten werden. ∙
Mehr über die Digitalisierung der Immobilienbewirtschaftung erfahren Sie am Kongress
The Big Handshake.
SwissPropTech
«Der strategische Fit muss gegeben sein»
Finanzierung – Investitionen in PropTechs versprechen ein ansehnliches Renditepotenzial – vorausgesetzt, die Geschäftsidee setzt sich durch. SwissPropTech-Magazin sprach mit Schweizer Venture-Kapital-Gebern über ihre Motivation, sich in im Markt für Property Technology zu engagieren, sowie über die Kriterien, nach denen sie ihre Entscheidung für ein finanzielles Engagement fällen.
Von Roman Bolliger – Fotos: zVg
Fragen 5
1 Warum investieren Sie in Immobilien-Start-ups?
2 Die PropTech-Szene ist ja ständig in Bewegung. Wie schaffen Sie es, den Überblick zu behalten?
3 Inzwischen gibt es bereits über 300 PropTechs in der Schweiz. Welche Kriterien sind f ür Sie persönlich f ür eine Investition entscheidend?
4 Nun gibt es auch immer wieder Gründe, weshalb Investments scheitern. Gibt es für Sie Killerkriterien bei einer Kapitalanlage in PropTechs?
5 Wer trifft in Ihrer Organisation letztlich den Investment-Entscheid?
Sandro Sulcis Co-CEO Avobis Group AG Claudio Rossi Head Ventures Avobis Group AG1 Die Avobis-Gruppe ist ein etablierter Akteur des digitalen Wandels in der Immobilienbranche in der Schweiz wie in Europa. Daher sind wir nicht nur Gründungsmitglied des Constructive Venture Fund, der in ganz Europa in PropTechStart-ups investiert, sondern wir entwickeln basierend auf unserer Datenkompetenz und mit dem Team aus Innovation und Ventures inhouse neue Firmen. Als Beispiel können wir hier Property Captain nennen, eine smarte, unabhängige Immobilien-Matching-Plattform mit dem umfassendsten Immobilienangebot und allem rund ums Thema Wohnen. Damit kombinieren wir analoges Immobilienfachwissen mit herausragender Technologie. Wir sind überzeugt, dass wir durch den Einbezug beider Faktoren für unsere Kundinnen und Kunden Mehrwert generieren können.
2 Durch den Constructive Venture Fund erfahren wir frühzeitig, was im Bereich Trends und Unternehmen in Europa geschieht. Das Investment-Management-Team screent jährlich über 5.000 Unternehmen und mit Dutzenden werden Meetings aufgesetzt, um Markt, Technologie und Geschäftsmodelle zu verstehen. Aber es ist schon so – die Branche wächst erfreulicherweise rasant, und viele der Business-Modelle wären es wert, unterstützt zu werden.
3 Avobis investiert grundsätzlich über den Constructive Venture Fund in PropTechs. Dabei ist es für uns wichtig, dass das Unternehmen in einem interessanten Markt tätig ist, weshalb Grösse und Wachstumsraten eine Rolle spielen. Das Team ist ebenfalls ein entscheidender Faktor bei der Auswahl, sowie auch das Produkt respektive die Lösung und die Relevanz für die jeweilige Zielgruppe.
4 Grundsätzlich folgen wir diszipliniert unserem abgestuften Investment-Prozess, welcher sicherstellt, dass nur die vielversprechendsten Unternehmen ausgewählt werden. Killerkriterien sind grundsätzlich all jene Kriterien, welche sich aufgrund des gesetzlichen Rahmens ergeben. Wichtig sind die positiven Kriterien, die ich bei der Antwort auf Frage 3 aufgeführt habe. Im Gegensatz zu Debt Investments geht es im Venture-Bereich um Konvexität, das heisst das Potenzial von Firmen in der Zukunft.
5 Um die Innovation als einen der strategischen Pfeiler stetig voranzutreiben, haben wir bei Avobis ein aus hochkarätigen Persönlichkeiten bestehendes externes und unabhängiges Innovation Board. Dieses prüft laufend neue, innovative Ideen und stellt gleichzeitig sicher, dass sie den gesetzlichen, ethischen und datenschutzrechtlichen Grundsätzen entsprechen. Die Entscheidung fällt jedoch schlussendlich das Gremium aus unseren beiden Co-CEOs und unserem Verwaltungsratspräsidenten.
Stéphane Bonvin CEO und Mitglied des Verwaltungsrates der Investis-Gruppe
1 Ich glaube, dass Innovationen am effektivsten und disruptivsten sind, wenn sie sich in ihrer Anfangsphase vom Unternehmen getrennt entwickeln können. Das ist unsere Art der Innovation.
2 Wir arbeiten mit Polytech Ventures Holding SA zusammen, an der wir Anteilseigner sind. Die Gesellschaft übernimmt die Marktbeobachtung f ür uns. Ich lese viel über das Thema und spreche mit meinen Kindern dar über, die immer auf dem neuesten Stand sind.
3 Wir investieren nicht nur in Start-ups, wir bringen auch selbst welche auf den Markt. Das Hauptkriterium f ür die Auswahl ist der betriebliche Bedarf unserer Gruppe und das Geschäftsmodell des Start-ups.
4 Bei der Entscheidungsfindung stellen wir sicher, dass folgende drei Kriterien erf üllt sind: erstens die Vision, die Strategie, zweitens das Team und drittens die Aus-
führung. Wenn eines dieser Kriterien fehlt oder nicht ausreichend vorhanden ist, investieren wir nicht. Darüber hinaus werden die Start-ups durch unseren Inkubator «Fusion» betreut und gecoacht, was unser Risiko deutlich verringert.
5 Zum einen ermitteln wir den Bedarf intern, zum anderen scannen wir den Markt, ob das Produkt bereits existiert oder nicht. Sind dann all die von mir zuvor genannten Kriterien erf üllt, wird das Projekt unserem Executive Board zur Entscheidung vorgelegt.
Dr. Ivo Furrer
Verwaltungsratsmitglied u.a. bei Bank Julius Bär & Co. AG und Fundamenta Group AG
1 Immobilien sind per se eine sehr interessante Anlagekategorie, wobei das Anlageobjekt als solches – rund um Immobilien – viele Stakeholder beinhaltet, welche miteinander in enger Verbindung stehen. Aus Sicht der damit verbundenen Wertschöpfungskette ergeben sich interessante Potenziale für Start-ups und damit potenzielle Investoren.
2 Als ehemaliger Präsident von Digitalswitzerland – der Standortinitiative zur Verbesserung der Rahmenbedingungen des digitalen Innovationsstandorts Schweiz –habe ich nach wie vor sehr gute Beziehungen in die «Szene». Gepaart mit meinem persönlichen Netzwerk – inklusive Swiss Circle –, habe ich regelmässig Gelegenheit, neue PropTech-Ansätze kennenzulernen.
3 Für mich entscheidend sind jeweils die konkrete Business-Idee, ihr Potenzial, insbesondere mit Bezug auf die Kundengewinnung, «Uniqueness» und die klare Vorstellung, durch welche Komponenten Erträge erzielt werden können, sowie die hinter dem Start-up stehenden Leute mit deren Fach-Know-how, unternehmerischer Kompetenz und Erfahrung im Aufbau von Unternehmen.
4 Im Umkehrschluss zu meinen Ausführungen zur Frage 3 ist die negative Beantwortung bezüglich eines der von mir geforderten Kriterien ein «Killerargument» gegen eine Investition. Schliesslich ist es so, dass eine «gute Idee alleine» in der Regel nicht reicht – die operative Umsetzung, insbesondere mit Blick auf die konkrete Kundengewinnung, ist ebenso wichtig … und dies nicht mit Marketing- und Werbemassnahmen, welche oft die Burn Rate, das heisst die Geschwindigkeit, mit der das Geld eines Unternehmens oder eines Investitionsprojektes aufgebraucht wird, zu stark belasten.
5 Als privater Investor treffe ich natürlich meine Investitionsentscheide alleine. In den Unternehmen hängen die Entscheide – je nach Grösse – von unterschiedlichen Prozessen ab. Zentral sind die Business-Idee und deren Verankerung in irgendeinem Fachbereich, der den Lead haben muss, oft unterstützt durch eine, wenn vorhanden, schlagkräftige M&A-Abteilung.
Marc Sponagel
Leiter Ökosystem Mieten, Kaufen, Wohnen bei Die Mobiliar
1 Seit vielen Jahren verfolgen wir bei der Mobiliar eine ambitionierte Ökosystemstrategie. In unseren beiden Fokus-Ökosystemen – KMU und Wohnen – spielen Start-ups eine wichtige Rolle, vor allem wenn es darum geht, den Kunden ein breiteres und kompatibles Angebotsportfolio anbieten zu können.
2 Über ein gutes Netzwerk und natürlich über unser M&A-Team, unseren eigenen VC-Arm «Lightbird» und das aktive Scouting, wenn wir Kundenbedürfnisse identifizieren, für die wir noch kein Angebot haben.
3 Ein Top-Produkt, ein starkes Gründerteam und natürlich ein ambitionierter, aber realistischer Businessplan.
4 Bei uns geht es selten um reine Kapitalanlagen; vielmehr muss der «strategische Fit» gegeben sein. Hier findet man auch mögliche Killerkriterien, wenn sich zum Beispiel ein Geschäftsmodell oder die Vision eines Start-ups nicht mit unserer übergeordneten Ökosystemstrategie vereinbaren lässt.
5 Die Geschäftsleitung und der Verwaltungsrat der Mobiliar.
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Stefan Schärer CEO, Founder und Verwaltungsrat bei Houzy AG1 Aus meiner Sicht hat die Immobilienbranche noch viel Potenzial, um durch die digitale Transformation effizienter, transparenter und qualitativ besser zu werden. Ausserdem glaube ich, dass ich diese Branche und ihre Prozesse durch meine digitale Plattform- und Datenerfahrung (Immoscout24, Immosparrow, Moneyhouse) der letzten 13 Jahre gut verstehe. Und last, but not least macht es Spass, mit jungen, motivierten Teams eine Branche voranzubringen
2 Den systematischen Überblick zu behalten, schaffe ich nicht, doch habe ich durch mein Netzwerk und meine PropTech-Beteiligungen guten Zugang zu relevanten News.
3 Entscheidend sind für mich die folgenden vier Ts: Team 1 = Skillset und Mindset des Gründer; Team 2 = breite Abstützung durch Smart-Money-Investoren/Advisory Board (aber diese Advisors sollten eigenes Geld drin haben, sonst sind sie wenig wert); Technologie-Ansatz und Skalierungspotenzial inklusive Daten-Value; T ime-to-Market, Timing im Markt oder allgemein im Trend.
4 Gemäss den bereits skizzierten vier Ts gibt es einige Killerkriterien. So glaube ich zum Beispiel nicht an den Erfolg, wenn ein Gründerteam Geld sucht und selber noch in Corporate Jobs arbeitet. Das heisst, man muss nach dem Grundsatz «Burn the bridges» Eigenkapital einbringen oder suchen, im Sinne des «boot strapping» ganzheitlich auf externe Finanzierung verzichten und erst dann Investoren suchen.
5 Die Geschäftsleitung zusammen mit dem Verwaltungsrat. •
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SwissPropTech Magazin
News aus der Schweizer PropTech-Community
Startups mit Potenzial
Silodenken war gestern
«Gamechanger – und Motor für Veränderungen»
Property Technology – Das Interesse an innovativen Lösungen in der Bau- und Immobilienwirtschaft ist in den vergangenen Jahren deutlich gestiegen; die Relevanz der PropTechs für die Branche nimmt stetig zu – zu diesem Ergebnis kommt eine Kurzumfrage des SwissProptech Magazins bei renommierten Mitgliedern von Swiss Circle.
Interview: Roman Bolliger – Fotos: zVG
Anja Meyer CEO Smeyers AG1 RE LEVANZ W ir haben so mehr Zeit für unsere Kunden und den kreativen Teil unserer Aufgaben.
2 I NNOVATION D er digitale Prozess Interaktion Mieter zur Bewirtschaftung für alle Phasen und BIM als Plattform für alle Marktteilnehmer.
3 I NVESTMENTS W ir haben bereits unsere ganze Bewirtschaftung digitalisiert, die Handelsplattform Deal Estate aufgebaut und als Kleinaktionär in verschiedene Startups investiert.
4 I NFORMATION Über Bericht erstattung und direkte Kontakte innerhalb der Branche.
5 FRAGEN
1 RE LEVANZ W ie relevant sind PropTechs für Ihren Alltag als Immobilienakteur?
2 I NNOVATION Welche Innovation wird die Immobilienbranche am stärksten verändern?
3 I NVESTMENTS Investieren Sie oder Ihre Unternehmung bereits oder planen Sie das in der Zukunft?
4 I NFORMATION W ie halten Sie sich bezüglich Innovationen in der Immobilienbranche auf dem Laufenden?
5 Ö KOSYSTEME Sind Ökosysteme erfolgreicher als einzelne Anbieter von PropTech-Lösungen?
5 Ö KOSYSTEME W ir sehen in dieser Entwicklung ein sehr grosses Potenzial, insbesondere, was die Vertriebskanäle anbelangt. Ökosysteme können bereits heute weite Teile der Bevölkerung direkt erreichen.
Olivier Hofmann
CEO Wincasa1 RELEVANZ Für Wincasa sind PropTechs durchaus relevant. Das Trend- und PropTech-Scouting, also die auftragsbasierte und systematische Suche nach Lösungen auf dem Markt, erfolgt bei uns grundsätzlich auf Stufe unserer Muttergesellschaft, der Swiss Prime Site-Gruppe, und ihrem Bereich Corporate Ventures & Innovation. Wincasa selbst hat vor drei Jahren mit Streamnow eine PropTech-Firma übernommen und daraus unter anderem ein digitales Mieterportal entwickelt.
2 INNOVATION Meiner Meinung nach sind das vermutlich Artificial Intelligence (AI), Blockchain und Robotic Process Automation (RPA).
3 INVESTMENTS Ja. Wincasa investiert seit rund drei Jahren in diverse direkte oder indirekte Partnerschaften mit PropTechs –unter anderem in Streamnow.
Daniel Schneider Senior Partner Monoplan AG1 RELEVANZ Der Alltag wird nach wie vor sehr stark von den traditionellen Instrumenten und Werkzeugen sowie Marktteilnehmern geprägt. Allerdings nimmt sowohl das Interesse als auch die Relevanz von PropTech zu und ist zunehmend ein Gamechanger und Motor für Veränderungen.
2 INNOVATION Neben der Digitalisierung allgemein, welche in allen Bereichen Einzug halten wird, sind es auf der Planungsseite neben Building Information Modelling (BIM) das gesamte VR-Thema (Virtual Reality) –und generell glaube ich stark an das Thema Blockchain oder etwas, was daraus hervorgeht, weil es neben der Revolution des «Zugangs» zu diversen Themen auch Finanzierung und das Thema «Shared Economy» via Tokens beinhalten kann.
4 INFORMATION Wie bereits erwähnt, wird dies bei uns systematisch durch den Mutterkonzern Swiss Prime Site mittels ihres Start-up Accelerator Programms, Innovationsworkshops, Company Building & Co-Creation-Projekte sichergestellt.
5 ÖKOSYSTEME Aktuell ist für uns die themenspezifische Zusammenarbeit mit Einzelanbietern zielführender. Der Aufbau von Ökosystemen ist ein laufender Prozess, der allerdings Zeit braucht und erst durch die Integration diverser Anbieter über eine oder mehrere Wertschöpfungskettenteile beziehungsweise Stufen die nötigen Mehrwerte erbringt. Ökosysteme haben aber definitiv Potenzial.
3 INVESTMENTS Ja, wir sind sowohl intern (BIM/VR) als auch extern mit strategischen Beteiligungen an diesen Themen. Darüber hinaus haben wir seit 2021 einen «Head of Digitalization» bei uns in der Firma.
4 INFORMATION Nicht wirklich professionell, sondern eher ad hoc und via Netzwerk.
5 ÖKOSYSTEME Am langen Ende werden es wieder Ökosysteme mit dem maximalen Mehrwert für die Nutzer sein, aber am Anfang sind es immer die kleinen «Heroes», die den Weg ebnen und Innovationen bringen.
Daniel Ducrey
CEO Mobimo Holding AG
1 RELEVANZ Wir verfolgen mit grossem Interesse das Innovationspotenzial der PropTechs, welche die Abläufe unserer Industrie hinterfragen und effizientere, digitale Entwicklungen anbieten.
2 INNOVATION Systeme, welche Kundenbeziehungen, vom Onboarding über die gesamte Begleitung aller Bedürfnisse bis zum Rückgabeprozess am Ende des Mietverhältnisses optimieren. Kundenzufriedenheit, Reaktivität und Effizienz steigerung müssen dabei die Kernthemen sein.
3 INVESTMENTS Ja, wir initiieren insbesondere in unseren Arealen einzelne Prozessoptimierungen, die diesem Anspruch
Beatrice Schaeppi
CEO Schaeppi Grundstücke Verwaltungen KG
1 RELEVANZ Wir interessieren uns immer wieder für PropTechs und deren Ideen. Ich schaue mir gerne innovative Ideen an, die unseren Alltag erleichtern können. Im Alltag sind sie insofern relevant, als dass wir bereits Lösungen mit PropTechs realisiert haben und diese uns einige Prozesse vereinfacht haben.
2 INNOVATION Sobald Prozesse vollumfänglich digital abgewickelt werden können, vereinfacht sich sehr vieles für alle Seiten (Mieter, Eigentümer, Bewirtschafter). Die E-ID sowie eine einfache rechtsgültige digitale Signatur wird viel verändern.
3 INVESTMENTS Wir gehören nicht zu den «First movern», sondern zu den «Smart followern». Dies auch bedingt durch unsere Grösse. Wir können es uns nicht leisten, auf das falsche Pferd zu setzen. Aber selbstverständlich haben wir auch Lösungen von PropTechs bei uns im Einsatz. Den PropTech-Markt und unsere Konkurrenz bzw. die
gerecht werden. Und wir behalten sowohl die Verhältnismässigkeit als auch die Rentabilitätsparameter im Zentrum der Analyse.
4 INFORMATION Wir fördern die interne thematische Diskussion und die Teilnahme unserer Mitarbeiter an den einschlägigen Foren und Seminaren.
5 ÖKOSYSTEME Effizienzsteigerungen kommen am Ende nur durch eine Abstimmung aller Elemente eines Prozesses zustande. Diese Abstimmung muss firmenspezifisch vorgenommen werden, beide Anbieterkategorien können dazu einen wertvollen Beitrag leisten.
grossen Akteure am Immobilienmarkt und deren Investitionen in PropTechs beobachten wir selbstverständlich immer. Ich persönlich bin investiert in ein PropTech, welches mich nach wie vor begeistert.
4 INFORMATION Ich versuche, sämtliche Immobilienlektüre zu lesen – was mir in letzter Zeit nicht mehr immer so gut gelingt.
5 ÖKOSYSTEME Es gibt sehr viele Innovationen und es gibt oft auch mehrere PropTechs im gleichen Bereich. Je nach Bedürfnis sucht man sich dann den besten Partner aus. Diesen bindet man in sein bestehendes Ökosystem ein. Andernfalls bezahlt man dann für Zusatzleistungen, die man gar nicht benötigt. Ich würde daher darauf tendieren, dass einzelne Anbieter erfolgreicher sind.