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Startups: Flexible Flächen gefragt
Einfach reingehen, einstöpseln und loslegen
Flächenbedarf – PropTechs haben vollkommen andere Ansprüche an Büroflächen als etablierte Unternehmen – und langfristige Mietverträge stehen in krassem Gegensatz zu ihrer Firmenphilosophie, die auf Beweglichkeit und Schnelligkeit beruht. Vermieter müssen umdenken.
Von Susanne Osadnik – Fotos: Depositphotos.com
Für gewöhnlich hat sie es mit wesentlich grösseren Flächen zu tun. Rund 160 Quadratmeter zu vermieten, sind für Gabriela Brandenberg, Head of Office und Retail SPG Intercity Zurich AG, die Ausnahme – und das wird auch künftig so bleiben. Doch aktuell gibt es selbst im professionellen Vermietungsgeschäft von SPG Intercity Zurich das eine oder andere Abweichen von der Norm. Denn die Corona-Krise beeinflusst bisher geltende Vermietungsregeln. «Zurzeit können viele Unternehmen nicht sagen, wie sich ihr Flächenbedarf entwickeln wird», sagt Brandenberg. «Das hängt zum einen damit zusammen, dass niemand exakt einschätzen kann, wann die Pandemie unter Kontrolle ist, zum anderen, wie stark das Wirtschaftswachstum danach ausfallen wird.»
Chancen für Startups
Zudem sei fraglich, ob sich Homeoffice dauerhaft durchsetzen und der Flächenverbrauch ändern wird. Geprüft werde bei gleichbleibendem Flächenbedarf auch eine andere Nutzung der künftigen Büroflächen, etwa für den Austausch unter den Mitarbeitenden. In dieser Phase des Abwartens und eventuellen Umorientierens versuchten Unternehmen vereinzelt, Flächen unterzuvermieten, um Mietkosten zu sparen - was für andere Marktteilnehmer Chancen biete, die sich ihnen ohne Corona nicht eröffnet hätte», berichtet Brandenberg: «Kürzlich haben wir eine solche Fläche an ein Startup untervermietet, das sich unter normalen Umständen eine AAA-Lage nicht hätte leisten können. Die Flächen sind komplett möbliert und technisch auf dem neuesten Stand.» Die Mietlaufzeit liege mit zweieinhalb Jahren in einem Zeitrahmen, der junge Unternehmen, die nicht wissen, wie und wann sie expandieren werden, nicht zu lange bindet. Der Anspruch von Startups an Büroflächen: Kein Um- oder Ausbau, keine Renovierung – und gerne ein günstiger Mietzins. Einfach reingehen, Laptop einstöpseln und loslegen. «Genauso schnell und unkompliziert wie sie einziehen, möchten sie wieder ausziehen», so Brandenberg. Dass sich daraus ein neuer Trend für die Zeit nach Corona und eventuell leer stehende Flächen in Innenstadtlagen ableiten liesse, sieht Brandenberg indes nicht.
Hochschulnähe gefragter als die Innenstadt
Auch David Schoch, Leiter Research bei CBRE, geht davon aus, dass Startups nicht wesentlich zur Kompensation möglichen Büroleerstands in den Städten beitragen werden. «Grosse Flächen, wie sie Banken oder Versicherungen anmieten, kommen für die jungen Gründer gar nicht infrage.» Selbst weit entwickelte Startups hätten selten mehr als 50 Mitarbeiter: «Dafür braucht niemand Büroflächen von 1.000 Quadratmetern und mehr.» Zudem seien mit solchen Anmietungen langfristige Mietverträge verbunden; doch Gründer bevorzugten relativ kurzfristige Verträge, um flexibel zu bleiben. «Investoren lernen erst langsam, mit Startups und ihren Bedürfnissen im Hinblick auf Flächenbedarf umzugehen», sagt Schoch. «Betreiber von flexiblen Büroflächen und vereinzelt auch grosse Liegenschaftsbesitzer mit eigener Verwaltung haben sich dieser Situation am ehesten anpassen können, indem sie bis fast auf Monatsbasis (unter-)vermieten.» Schoch geht davon aus, dass Startups sich weiterhin im wissenschaftlichen Umfeld von Hochschulen respektive Gründerinstitutionen oder in Randlagen ansiedeln werden. «Der Stücki-Science-Park in Basel etwa bietet zum Beispiel inspirierende Atmosphäre, den Austausch mit Gleichgesinnten, flexibel ausbaubare Büros und Labors», sagt Schoch. «Das ist vermutlich attraktiver als ein isoliertes Büro in der Zürcher Innenstadt.» Dass dort demnächst Tausende Quadratmeter Bürofläche infolge von mehr Homeoffice brach liegen werden, könne er sich ohnehin nicht vorstellen: «Wir gehen von einem verminderten Flächenverbrauch von rund zwei Prozent aus.»
Gemäss CBRE ist der «Effekt der Telearbeit – das heisst, mobile Arbeit und Teleheimarbeit – viel komplexer als die einfache Tatsache, dass Mitarbeitende einen Teil ihrer Arbeitswoche nicht am Unternehmensstandort arbeiten.» Einzubeziehen wäre u.a. die Fähigkeit des Arbeitgebers, die reduzierte Zeit im Büro in einen Minderbedarf an Schreibtischen umzuwandeln - denn Telearbeit sei nicht gleichmässig über die Woche verteilt. In die Prognose bezieht CBRE rechnerisch auch den sogenannten «Entdichtungseffekt» mit ein, der dadurch entsteht, dass Firmen sich immer weiter von den traditionellen Privat- oder Einzelbüros entfernen und mehr Raum für die Zusammenarbeit und «Activity Based Working»-Konzepte zur Verfügung stellen, was die Flächennachfrage mit zwei Prozent positiv beeinflusst. «Diese Änderungen werden aber nicht sofort eintreten», sagt Schoch. «Firmen haben bestehende Mietverträge und andere Verzögerungen in den Entscheidungsprozessen, die neue Arbeitsweisen nur allmählich erlauben. Während sie schrittweise Anpassungen vornehmen, werden durch das Wirtschaftswachstum Tausende neuer Arbeitsplätze geschaffen.» Davon wird auch die PropTech-Szene profitieren. Aus Sicht von Fredy Hasenmeile, Leiter Economic Research Credit Suisse, ist der Strukturwandel in vollem Gange und nicht mehr umkehrbar. Damit ginge auch eine Kapitalumverteilung zugunsten der PropTechs einher. «Die Zahl der Pilotprojekte ist zwar in der Corona-Krise gesunken, sagt Hasenmeile. «Aber dieser Rückschlag ist nur der ersten Unsicherheit durch Corona geschuldet und nicht existenzgefährdend für die Branche.»
Lieber unter Gleichgesinnten
Dass die PropTech-Szene nach überstandener Krise expandieren wird, steht für Hasenmeile ausser Frage, doch bezweifelt er, dass damit ein stark erhöhter Flächenbedarf im städtischen Umfeld einhergeht. Zum einen würden viele PropTechs im mittleren Erfolgsbereich bereits von grossen Firmen übernommen; zum anderen geselle man sich als Startup lieber zu Gleichgesinnten – dorthin, wo man viele andere Gründer mit ähnlichen Interessen finde. «In der Innenstadt von Zürich werden wir auch künftig nur vereinzelt Startups sehen», so Hasenmeile. «Das wird vom Flächenverbrauch nur ein ‹Tröpfchen› auf den heissen Stein sein.» •
PropTechs bevorzugen Flexibilität – bei Büroflächen wie Mietvertragslaufzeiten.
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