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FACHEDITORIAL

Paul Rosenstihl Vorsitzender der VAK-Arbeitsgruppe Winterdienst und -geräte

DIE TÜCKEN DES NOTBREMSASSISTENTEN UND WAS ZU TUN IST

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Es wird Herbst. Die letzten wundervollen, sonnigen Tage kündigen den Übergang zur winterlichen Jahreszeit mit Kälte, Dunkelheit und erschwerten Verhältnissen auf den Straßen an. Fahrzeuge werden von Sommer- auf Winterreifen umgerüstet. Die Kommunen und Städte stellen die Schneepflüge bereit und treffen alle möglichen Vorbereitungen für einen reibungslosen Winter.

ODER WAR DA NOCH WAS? Wir, der VAK als Vertreter der Arbeitsgeräte- und Kommunalfahrzeuge-Industrie, versuchen schon seit geraumer Zeit die Verantwortlichen des Bundes und der Länder auf eine nicht zu unterschätzende Problematik aufmerksam zu machen. Es geht um den überaus noblen und wirkungsvollen Notbremsassistenten. Er hat als Fahrerassistenz-System auf unseren Straßen Einzug gehalten. Für Lkw wurde er gesetzlich verankert. Das ist gut so. Allerdings hat die Gesetzgebung dabei eine Kleinigkeit übersehen.

Lassen Sie uns ein kurzes Szenario zeichnen: ein ganz normaler Tag im November 2020 in Berlin. Es ist kalt, windig und grau. Am späten Nachmittag fängt es an zu schneien. „Bitte Einsatzfahrzeuge zur Schneeräumung bereithalten“, so ähnlich lautet eine Anweisung der Einsatzleitstelle an die Fuhrparks und Bauhöfe der Stadt. „Unsere Fahrzeuge sind nicht einsatzbereit“, trudeln die Antworten nach und nach ein.

„Unsere Fahrzeuge sind nicht gesetzeskonform. Sorry, wir können nicht ausfahren“, lautet die Erklärung. Still schweben die Schneeflocken am Fenster des Einsatzleiters vorbei. Ihm wird schwindelig. Wenn es die ganze Nacht so weiter schneit, denk er, dann versinkt Berlin ohne Räumfahrzeuge im Verkehrschaos.

Das ist jetzt ein wenig trivial dargestellt, und man könnte argumentieren, dass sich so etwas in einem gut funktionierenden Land wie Deutschland nicht wirklich zutragen kann. Und doch ist es vom Prinzip her nicht abwegig. Das liegt an einem bestehenden Vakuum in der kürzlich erlassenen Gesetzgebung, mit dem sich der VAK beschäftigt. Schon seit November 2015 sieht eine EU-Verordnung vor, dass Fahrzeuge der Klassen M2, M3, und N3 mit einem elektronischen Fahrdynamik-Regelsystem, also einem Notbremsassistenten, ausgestattet sein müssen. Soweit so gut und so sicher. Für Deutschland möchte der Gesetzgeber diese Verordnung verschärfen. Das System soll nicht deaktivierbar sein. Das bedeutet Notbremsassistenz-Systeme in Kraftfahrzeugen über 3,5 Tonnen und bei einer Geschwindigkeit von über 30 km/h dürfen nicht ausgeschaltet werden. Ein Verstoß soll als Ordnungswidrigkeit mit Bußgeld eingestuft werden.

Diese Regelung dient natürlich dem Schutz aller Verkehrsteilnehmer, schließlich hilft der Bremsautomatismus nachweislich, Unfälle zu verhindern oder schwere Folgen zu reduzieren. Es gibt allerdings den oben gezeichneten „einsatz-relevanten“ Aspekt: Lkw der Fahrzeugklasse N3 ohne Allradantrieb, die der Pflicht von einem nicht ausschaltbaren Notbrems-Assistenzsystem unterliegen, sind nicht mehr als Winterdienst- bzw. Straßenreiniger-Fahrzeuge einsetzbar.

Würden solche Fahrzeuge Winterdienst- oder Straßenreinigungstätigkeiten wahrnehmen, würden sie gegen das Gesetz verstoßen. Es muss daher eine Regelung geschaffen werden, die es erlaubt, den Notbremsassistenten zu deaktivieren, wenn es sich um Fahrzeuge mit besonderer Zweckbestimmung handelt, wie in unserem Fall das Freiräumen oder Sauberhalten der öffentlichen Straßen. Und dafür machen wir uns beim Bundes- und bei den Landesverkehrsministern stark.

Wie sagt doch das alte Sprichwort: Gefahr erkannt, Gefahr gebannt. Das Problem wurde erkannt, und einen Lösungsvorschlag liefern wir. Jetzt müssen nur in den richtigen Etagen die richtigen Entscheidungen getroffen und durchgesetzt werden. Dann sind wir noch besser für den Winter gerüstet.

Bis dahin, genießen Sie den Herbst und bleiben Sie gesund.

Ihr Paul Rosenstihl

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