TCT DEUTSCH BAND 2 AUSGABE 2 www.tctmagazine.com
GENERATIV GEFERTIGTES PKW-SCHWENKLAGER INNOVATIVE LÖSUNGEN MITTELS 3D-DRUCK BEI DER HIRSCHVOGEL TECH SOLUTIONS
BAND 2 I AUSGABE 2
ISSN 1751-0333
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Todd Grimm tgrimm@tagrimm.com
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PRODUKTION Sam Hamlyn
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LEITARTIKEL
NACH ALLEN REGELN DER KUNST
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usik und Mathematik sind scheinbar zwei verschiedene Welten, jedoch tatsächlich geistesverwandt. Als ich zur Schule ging, wurde meiner Freundin von einem Lehrer gesagt, wenn sie Musikerin werden wolle, müsse sie auch Mathematik beherrschen. Als altkluge Elfjährige, die von uns als Wiedergeburt der Spice Girls träumte, betrachtete ich das als billigen Trick, damit sie ihre Hausaufgaben machte. Dennoch habe ich seine Worte nicht vergessen und teile seit Kurzem seine Auffassung. Über dieses Thema begann ich während der letztjährigen Additive Manufacturing Users Group Conference grundlegender nachzudenken, als Jason Lopes, damals bei Legacy Effects, über die Bedeutung des Fachs Kunst als Ergänzung zu den MINT-Fächern (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik) referierte. Die Kunst ebenso wie die naturwissenschaftlich und mathematisch geprägten Fächer zu fördern, ist elementar, um das Beste aus den auf diesen Seiten beschriebenen Technologien und Anwendungen herauszuholen. Es ist schön und gut, Materialeigenschaften, Hardwarespezifikationen und Algorithmen in- und auswendig zu kennen, aber ohne kreatives Denken gewinnt man damit keinen Blumentopf. Beispiele für die Verbindung von Kreativität und Logik begegnen einem überall: bei den Chirurgen im Team von Ollie Burley, die innerhalb der Grenzen klinischer Vorschriften erfinderisch geworden sind, um durch Operationen Leben zu verändern (S. 11), oder in dem einzigartigen Konstruktions- und Designansatz von Studio RAP (S. 38). Gerade erst diesen Monat wurde ich
gebeten, als Jurorin eines studentischen Wettbewerbs zu fungieren, bei dem es um 3D-Druck mit PEEK, einem bekanntermaßen schwierigen Material, ging. Um diese Herausforderung zu überwinden, braucht es Wissen über das spezifische Medium. Die Aufgabe liegt aber auch darin, über die Lehrbücher hinaus zu blicken, um etwas bisher nicht Praktikables zum Funktionieren zu bringen. Die Aussage des Lehrers war vielleicht buchstäblicher gemeint in dem Sinne, dass die Musik in ähnlicher Weise wie die Mathematik das Verständnis von Konzepten voraussetzt, aber im Kern birgt sie eine Botschaft für uns alle. Insbesondere wenn wir in unserer Branche, die typischerweise als Reich der Laborkittel und schweren Maschinen angesehen wird, mehr junge Leute anziehen wollen, benötigen wir ein Gleichgewicht aller dieser Fächer, um die wachsende Qualifikationslücke zu schließen und die Fertigung anders anzugehen. Das gilt für die TCT Awards, die kreativen Anwendungen eine eigene Kategorie widmen neben Innovationen in Industrie, Gesundheitswesen, Luft- und Raumfahrt sowie Innovationen vom Design bis zur Fertigung – alle sind gleichermaßen wertvoll. Egal welche Funktion Sie in dieser Branche erfüllen, machen Sie sich die technischen Grundlagen zu eigen, aber vergessen Sie nicht Kunst und Kreativität – Sie werden vielleicht überrascht sein, was Sie erschaffen können.
LAURA GRIFFITHS STELLVERTRETENDE CHEFREDAKTEURIN
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BAND 2 | Ausgabe 2
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TITELSTORY
ARCHITEKTUR
8. GENERATIV GEFERTIGTES PKW-SCHWENKLAGER
20. ADDITIVE FERTIGUNG UND DER ARCHITEKT
Laura Griffith berichtet, wie moderne Technologien die Rolle des Architekten verändern.
Innovative Lösungen mittels 3D-Druck bei der Hirschvogel Tech Solutions.
MedIZIN
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10. WIEDERHERSTELLENDE CHIRURGIE Ein Blick auf das Wachstum bei patientennaher additiver Fertigung in Krankenhäusern.
12. ALLES FÜR DIE FÜSSE
Stellvertretende Chefredakteurin Laura Griffiths stellt 3D-gedruckte orthopädische Einlagen auf die Probe.
3D scannEN
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15. GEHEN MIT ROBOTERTECHNIK
Reporter Sam Davies berichtet, wie eine akademische Forschungsgruppe 3D-Scannen für die Anfertigung maßgefertigter Exoskelette anwendet.
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23. BÜNDNIS FÜR NEUE BAUTECHNOLOGIE
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Sam Davies Reportage über das Konsortium, das ein hybrides Fertigungssystem für Bauprozesse in großem Maßstab entwickeln will.
REVERSE ENGINEERING
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25. WAS GIBT ES SONST NOCH NEUES?
Weitere Meldungen zu den Schwerpunkten dieser Ausgabe
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16. EINER WIE DER ANDERE
Wie ein Oldtimer-Liebhaber mit 3D-Technologie einen Delage Type S Motorblock nachgebaut hat.
26. DURCHGEHENDE MUSTER IN AKTUELLEN MELDUNGEN Todd Grimm spricht über AF-Trends.
meSSTECHNIK
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19. FRAGEN UND ANTWORTEN: ANDREW CUFFLEY, GOM UK
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Einige Fragen an Andrew Cuffley, Geschäftsführer von GOM, zu 3D-Messtechnik in der Industrie 4.0.
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GENERATIV GEFE PKW-SCHWENKL INNOVATIVE LÖSUNGEN MITTELS 3D-DRUCK BEI DER HIRSCHVOGEL TECH SOLUTIONS
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HIRSCHVOGEL TECH SOLUTIONS
ls Marke der Hirschvogel Automotive Group steht die Hirschvogel Tech Solutions als kompetenter Dienstleister zur Bauteilentwicklung und Generativen Fertigung zur Verfügung. Durch die Kombination der Leistungsbausteine Bauteilentwicklung, Generative Fertigung und Werkstoffe/Schadensanalyse unterstützt das Unternehmen seine Kunden mit einem optimal aufeinander abgestimmten Kompetenzpaket, wenn es darum geht, innovative Produkte und hoch belastbare Komponenten zu entwickeln. Die Hirschvogel Tech Solutions ist damit Innovationspartner und Lösungsanbieter in vielen Anwendungsbereichen weit über die Massivumformung und die Automobilindustrie hinaus.
AUSGANGSSITUATION / HERAUSFORDERUNG
Die Entwicklungen der Hirschvogel Tech Solutions erfolgen immer auf Basis eines ganzheitlichen Ansatzes; die gesamte Prozesskette steht dabei im Fokus der Überlegungen. Dadurch sind innovative und technisch anspruchsvolle Lösungen wirtschaftlich realisierbar. Um attraktive Lösungen und die Potenziale der Generativen Fertigung voll ausschöpfen zu können, ist es zielführend, mittels Methoden der Bionik von der Natur über Jahrmillionen entwickelte Strukturen technisch nutzbar zu machen.
5 GENERATIV GEFERTIGTES PKW-SCHWENKLAGER
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5 BAUTEILSTRUKTUR MIT
BELASTUNGSGERECHTEN STÜTZEN
SLM®-LÖSUNG
Schwenklagerentwicklung Umgesetzt wurde dieser Ansatz an dem Beispiel eines Schwenklagers, bei dem die Masse im Halsbereich im Vergleich zu der konventionellen Ausführung um 40% reduziert werden konnte. Dabei werden alle an das Bauteil gestellten Anforderungen unter Berücksichtigung der gegebenen Einbausituation eingehalten. Hierbei kamen entsprechend entwickelte Methoden und spezifisch angepasste CAx-Systeme zum Einsatz. Bereits bei der Bauteilauslegung wurde die spätere Fertigung konstruktiv so berücksichtigt, dass eine Herstellung ohne vielfach notwendige zusätzliche Stützstrukturen im Inneren des Bauteils realisiert werden konnte. In der Entwicklung wurden zunächst verschiedene Varianten auf Basis von Lösungen aus der Natur entwickelt, bewertet und schließlich diejenige ausgewählt, die die gegebenen Randbedingungen am besten erfüllen konnte. Dies wurde durch entsprechende Nachrechnungen belegt. Durch geschickte Wahl der Baulage kann das fast 600 mm lange Bauteil auf einer SLM®500 problemlos gefertigt werden. Dabei ist es auch gelungen, das Bauteil stützstrukturarm herzustellen und speziell im Innenbereich auf Stützstrukturen zu verzichten. Dies führt insgesamt zu einem geringen Nacharbeitsaufwand. Die Überprüfung der mitgebauten Zug- und Kerbschlagproben ergab eine Übereinstimmung mit den prognostizierten Werten.
TitELSTORY
ERTIGTES LAGER ZUSAMMENFASSUNG
Generativ gefertigtes PKW-Schwenklager Als weltweit operierender Automobilzulieferer mit langjähriger Erfahrung in der Serienfertigung entwickelt Hirschvogel Tech Solutions Bauteile auf Basis eines ganzheitlichen Ansatzes und unter Berücksichtigung der gesamten Prozesskette der generativen Fertigung. Die Firma verfügt über eine hohe Entwicklungskompetenz im Leichtbau sowie in der Anwendung bionisch-orientierter Designs. Mit Hilfe des SLM® Verfahrens können Materialeinsparungen von 40 % gegenüber der konventionell gefertigten Ausführung, erzielt werden, und die stützstrukturarme Fertigung führt zu einer Reduzierung des Nachbearbeitungsaufwands.
5 WERKZEUG MIT INNENKÜHLUNG
UNTERNEHMENSPROFIL
Hirschvogel Automotive Group Als weltweit operierender Automobilzulieferer mit rund 5.300 Mitarbeitern in neun Werken auf drei Kontinenten entwickelt, produziert und vertreibt die Hirschvogel Automotive Group hoch belastbare Bauteile für die Automobilindustrie und andere Branchen. Die Vision des Unternehmens ist es, stets besser zu werden und kompetente Antworten auf immer neue Fragen zu geben, die mit den wachsenden Anforderungen entstehen. Entsprechend viel Herzblut steckt in jedem der Produkte. Die Hirschvogel Automotive Group leistet mit ihrer Entwicklungskompetenz als kreativer Entwicklungspartner einen aktiven Beitrag zur Erreichung der technischen und wirtschaftlichen Ziele ihrer Kunden.
5 GREIFER MIT FERTIGUNGS- UND
BELASTUNGSGERECHTER STRUKTUR
5 SPRÜHDÜSEN
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WIEDERHERSTELLENDE CHIRURGIE TEXT: DANIEL O'CONNOR UND LAURA GRIFFITHS
EIN BLICK AUF DAS WACHSTUM BEI PATIENTENNAHER ADDITIVER FERTIGUNG IN KRANKENHÄUSERN.
6 VOR DER OPERATION: PATIENT MIT GROSSER KREBSGESCHWULST
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m 1. Oktober 1971 startete Godfrey Hounsfield Warf im Londoner Atkinson Morley Krankenhaus ein neues Gerät. Zuvor hatte seine Erfindung Röntgenaufnahmen aus verschiedenen Winkeln angefertigt, um das Gehirn einer Kuh ‚scheibchenweise‘ abzubilden. Im Atkinson Morley Krankenhaus jedoch veränderte er die Welt der Humanmedizin für immer, indem er an einem Patienten einen CT-Scan durchführte, um die Diagnose einer Hirnzyste zu unterstützen. Hounsfields Arbeit am CT-Scanner brachte ihm den Ritterschlag ein, und 1979 erhielt er den Nobelpreis für Physiologie oder Medizin. Später sagte Sir Godfrey darüber: „Jede Entdeckung birgt die Saat zukünftiger weiterer Erfindungen. Es gibt viele Entdeckungen, die wahrscheinlich gleich um die Ecke darauf warten, dass sie jemand zum Leben erweckt. Könnten das vielleicht Sie sein?“ Jemand, der die Saat der von Sir Geoffrey entwickelten CTTechnologie fruchtbar machte, indem sie mit dem 3D-Druck verband, um eine weitere medizinische Revolution zu ernten, ist Andy Christensen. Christensen gründete im Jahr 2000 Medical Modeling. Die Gründung basierte auf dem Gedanken, dass medizinische Bildgebungsverfahren nicht nur für die Diagnostik herangezogen, sondern auch in der klinischen Behandlung genutzt werden sollten. In seiner Eröffnungsrede zur TCT Show 2014, kurz nachdem Medical Modeling von 3D Systems aufgekauft worden war, sagte Andy Christensen: „Der 3D-Druck stellt eine ideale Technologie zur Herstellung CT-basierter Modelle dar. Diese Modelle sind nicht nur dafür da, ins Regal des Chirurgen gestellt zu werden, sondern können Zeit und Geld sparen und manchmal auch Leben retten.“ Seit der von Medical Modeling geleisteten Pionierarbeit am Druck anatomisch korrekter Modelle für Diagnostik und Operationsplanung haben Krankenhäuser auf der ganzen Welt den 3D-Druck eingeführt. In Japan sind bestimmte Modelle für die onkologische Diagnostik jetzt sogar über den staatlichen Gesundheitsdienst erhältlich.
WAS BEDEUTET PATIENTENNAH?
Die Society of Manufacturing Engineers (SME), die zusammen mit TCT die RAPID + TCT veranstaltet, veröffentlichte in den USA vor Kurzem ein Weißbuch mit dem Titel „Physicians as
OLLIE BURLEY UND P. KZYAS WÄHREND EINER PLANUNGSSITZUNG 010
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Manufacturers: The Rise of Point-of-care (POC) Manufacturing“ über das Aufkommen der patientennahen Fertigung. Der Bericht zeigt auf, dass die Krankenhäuser bestrebt sind, Fertigungsvorgänge an den Pflegeort zu verlagern, um Vorteile wie kürzere Lieferzeiten, Qualitätskontrollen vor Ort, eine bessere Patientenberatung und die Teamkompetenz der Ärzte zu nutzen. Von diesen POC-Fachleuten geben 96% an, dass sie 2018 eine Zunahme der Nutzung medizinischer Anwendungen in den Bereichen additive Fertigung (AF) und 3D-Druck (3DP) erwarten. Laut Materialise, dem führenden Anbieter medizinischer 3D-Druck-Software, hat die Zahl der Krankenhäuser, die seine Mimics-Technologie verwenden, in den USA um 3.200% zugenommen. Einer anderen Statistik zufolge verfügen inzwischen 16 der 20 führenden Krankenhäuser in den USA über eine 3D-DruckStrategie. Vorreiter bei diesen Strategien ist aufgrund ihres schieren Druckvolumens die Mayo Clinic. Der in Rochester, Minnesota ansässige Gesundheitsdienstleister druckte 2017 mehr als 700 anatomische Modelle. Jonathan M. Morris, MD, Associate Professor für Radiologie/ Co-Director des 3D Anatomic Modelling Lab an der Mayo Clinic, war Hauptredner beim Day Zero zur Eröffnung des TCT Asia Summit 2018. Mit einer Geschwindigkeit von 1.000 Meilen pro Stunde begeisterte er die Anwesenden mit seiner Leidenschaft für die Verbesserung des Lebens und der Vielfalt der präsentierten lebensverändernden 3D-Druck-Anwendungen. Das Drucklabor von Dr. Morris an der Mayo Clinic nimmt im POC-Bericht der SME dank ihres beträchtlichen Umfangs eine besondere Stellung ein: eine Investition von 1 Million USD mit einem Radiologen in Vollzeit, zwei Technikern, VollzeitSegmentierern und weiteren Mitarbeitern vor Ort. Wenngleich die Rendite des 3D-Drucks rein finanziell schwer zu messen sein mag, können 3D-gedruckte Modelle und Führungen dazu beitragen, die Zahl der in einem Operationssaal benötigten Geräte zu verringern und Krankenhausaufenthalte potenziell zu verkürzen. Setzt man die Kosten für einen Krankenhaustag
MedIZIN
3 3D GEDRUCKTE BOHRSCHABLONENPLATZIERUNG in den USA mit grob 2.000 USD pro Tag und Patient an, sind die potenziellen Kosteneinsparungen dank des 3D-Drucks und der fähigen Chirurgen phänomenal. In Großbritannien steckt das POC-Konzept noch in den Kinderschuhen: Das Maxillofacial and 3D Printing Laboratory am North Manchester General Hospital ist eines von nur drei 3D-Drucklaboren im Land. Das Team entwirft patientenspezifische Implantate, Prothesen und medizinische Führungen und stellt sie vor Ort mit hauseigener Technik im 3D-Druck her. Diese Technologie konnte sich jüngst beweisen, als das Team einen Patienten mit einem umfangreichen bösartigen Tumor im Oberkiefer, der auch auf die Haut der Wange übergegriffen hatte und bis kurz unter das rechte Auge reichte, behandelte. Unter der Leitung von Ollie Burley, einem im Bereich der wiederherstellenden Chirurgie forschenden Mediziner und Leiter des Maxillofacial Laboratory, und P. Kyzas, Facharzt für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie (MKGC) und Wegbereiter des Fortschritts in diesem Bereich, wurde mithilfe der Software Mimics, ProPlan und 3-Matics von Materialise eine radikale Operation und Rekonstruktion geplant. Die durchgeführten CT-Scans umfassten den erkrankten Bereich sowie das Becken, aus dem der Knochen für die Geschichtsrekonstruktion gewonnen werden sollte. Die patientenspezifischen medizinische Modelle, Schnittlehren und Transplantationsführungen für beide Regionen wurden gedruckt, um klare Anhaltspunkte zu erhalten, wo erkranktes Gewebe entfernt werden musste, wie viel Knochen genau für die Transplantation benötigt wurde und an welcher Stelle die Arterie wieder mit dem Gefäßnetz verbunden werden sollte. „Früher mussten wir mehr Knochen als benötigt entnehmen, um sicherzugehen, dass das Material zum Auffüllen reicht“, so Burley. „Jetzt haben wir eine Führung, die wir an der Hüfte anlegen und an der entlang wir schneiden können, und wir können sicher sein, dass bei der Transplantation dieses Materials ins Gesicht alles millimetergenau passt.“ Für diese Art chirurgischer Intervention gibt es keinen Leitfaden, und der Eingriff erforderte vom Team einiges an Phantasie und Tüftelarbeit zur Anpassung der Software. Der Eingriff war ein Erfolg, und wie Kyzas berichtet, geht es dem Patienten hervorragend: Er kann nach wenigen Wochen bereits wieder kommunizieren und gehen.
„Die Gestaltung, die Konturierung und die Designarbeit, die uns die Software ermöglicht hat, haben für den Patienten Erstaunliches bewirkt“, erklärte Burley. „Das kosmetische und funktionelle Ergebnis der Operation wäre ohne die Verwendung der 3D-Technologie erheblich ungünstiger gewesen.“
DIE GESCHWINDIGKEIT BEGRENZENDE FAKTOREN
Aufsichtsbehörden wie die Food and Drugs Administration (FDA) in den USA können durchaus ein Grund sein, weshalb Krankenhäuser beschließen, hausinterne Fertigungssysteme einzurichten. Während die FDA Dr. Morris anatomische Modelle in der Mayo Clinic nicht kontrolliert, würde sie die Klinik als Medizintechnikunternehmen betrachten und regulierend eingreifen, sollte diese beginnen, 3D-Druck als Dienstleistung für andere Krankenhäuser und über Staatsgrenzen hinweg anzubieten. Materialise hat vor Kurzem als weltweit erstes Unternehmen die FDA-Zulassung für Software für den 3D-Druck anatomischer Modelle zum diagnostischen Gebrauch erhalten. Im August 2017 verkündete die FDA, dass diese Art von Software als Medizinprodukt der Klasse II eingestuft wird und eine Zulassung benötigt. Die Software Materialise Mimics inPrint dient zur Operationsplanung und zur Anfertigung physikalischer Modelle für diagnostische Zwecke, aber auch für das Patientenmanagement, die Behandlung und die Kommunikation zwischen Chirurgen. Die FDAZulassung unterstützt den Aufbau von Einrichtungen für den patientennahen 3D-Druck in Krankenhäusern. Ein weiteres Nadelöhr für den 3D-Druck im Krankenhausbereich hängt mit der Technik selbst zusammen. So verfügt Dr. Morris zwar über eine Fülle von Hardware, Software und Material für den 3D-Druck, aber er sagt, man brauche mehr medizinische Werkstoffe, besser für mehrere Materialien und Farben geeignete 3D-Drucker und vor allem zuverlässige Segmentierungslösungen. Dies sind offenbar die Hürden, die 3D-Technologien zu überwinden haben, und sobald es ihnen gelungen ist – wer weiß? Vielleicht wird dann der 3D-Druck in Krankenhäusern so allgegenwärtig sein wie Sir Godfreys CT-Scanner.
6 VON LINKS NACH RECHTS:
- ÜBERSICHT ÜBER DAS IMPLANTATDESIGN - PLATZIERUNG DER PLATTE - GEPLANTE TRANSPLANTATION AUS DEM BECKEN
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ALLES FÜR DIE FÜßE TEXT: Laura Griffiths
EIN BLICK AUF 3D-GEDRUCKTE SCHUHEINLAGEN
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chon seit ich zehn Jahre alt war und meine Maße für ein neues Paar Hush Puppies für die Schule genommen wurden, waren mir mein mangelhaft ausgebildetes Fußgewölbe und meine einknickenden Knöchel – auch bekannt als „Knicksenkfuß“ – schmerzlich bewusst. Siebzehn Jahre später: Meine von einem ähnlichen Fluch geplagte Mutter kam neulich vom Arzt mit orthopädischen Einlagen Typ 08/15, Größe 38, die er aus einem Stapel in seinem Schreibtisch gezogen hatte, und mit guten Ratschlägen für mich. Das ist kaum die Geschichte, die mir vorschwebte, als ich mir einen von meiner Mutter inspirierten Artikel ausmalte –
53D-GEDRUCKTE
PHITS-EINLEGESOHLEN
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einer Frau, die mehr Paar Schuhe besitzt als eine mittlere ClarksFiliale – aber um ihrem Schicksal vielleicht zu entgehen, begann ich mich näher mit orthopädischen Einlagen zu befassen. Orthopädische Einlagen werden im Schuh als Einlegesohlen getragen, um Fuß- und Knöchelprobleme zu korrigieren. Genau wie Ohrenprobleme oft mit Symptomen in Nase und Rachen einhergehen, kann eine Fehlstellung oder Anomalie des Fußes zu Problemen mit den unteren Gliedmaßen bis hoch zu den Knien, der Hüfte und dem unteren Rücken führen.4 Die Bandbreite reicht von Standardeinlagen von der Stange bis hin zu individuell auf der Grundlage patientenspezifischer Daten angepassten Medizinprodukten. Das Marktforschungsunternehmen Technavio sagt voraus, dass der weltweite Markt für Schuheinlagen zwischen 2017 und 2021 jährliche Wachstumsraten von knapp 7% verzeichnen wird, wobei 3D-Technologien dabei eine bedeutende Rolle spielen werden. Der Grund hierfür ist, dass Unternehmen wie Podfo, Wiivv und RS Print derzeit die kreativen Möglichkeiten dieser Technologien nutzen, um datenbasierte kundenspezifische Schuheinlagen anzubieten, die genauer passen und zu besseren Behandlungsergebnissen führen. Um vergleichen zu können, begann ich begann meine Suche mit einem Paar rezeptfreier Schuheinlagen aus einem Ladengeschäft, das im mittleren Preisbereich lag und etwa 30 GBP kostete. Die Einlagen waren relativ bequem und schienen ihre Aufgabe zu erfüllen, aber sie passten einfach nicht richtig, und nachdem ich sie einige Tage getragen hatte, begannen sie im Schuh zu wandern und leichte Schmerzen zu verursachen. Ich beschloss, in der Conwy Physio Clinic in Wales bei Ruth Partridge vorbeizuschauen, einer staatlich anerkannten Physiotherapeutin mit Bachelorabschluss und Mitglied des
MEDIZIN
6 IN DIE GITTERSTRUKTUR
EINGEBETTETE KORREKTUR
britischen Berufsverbandes CSP, um herauszufinden, ob 3D-Druck die Antwort sein könnte. Die Klinik hat sich auf Physiotherapie und Sportverletzungen spezialisiert und ist eine von nur einer Handvoll medizinischer Einrichtungen in Großbritannien, die mit Phits entworfene individuelle Schuheinlagen aus dem 3D-Drucker anbieten. Phits ist die High-End-Lösung von RS Print, einem Gemeinschaftsunternehmen von rs scan und Materialise. Die Klinik bietet seit 2014 Fußscantechnik an. Damit ist sie in ihrer Region einzigartig und besetzt eine Nische in der Versorgung ganz normaler Patienten, Sportbegeisterter, aber auch der Wanderer in der Region. „Dadurch wird unser Angebot vielfältiger“, erklärt Ruth Partridge. „Wir können mehr Leistungen anbieten, die Leute kommen extra wegen eines Fußscans oder wegen Einlagen zu uns, und natürlich können wir, wenn eine andere Untersuchung in unserem Haus einen entsprechenden Befund ergibt, die Patienten selbst versorgen, anstatt sie woanders hin überweisen zu müssen. Uns steht also ein breiteres Spektrum von Werkzeugen zur Verfügung.“ Das Verfahren selbst beginnt mit einer körperlichen Untersuchung, um den Grad der Flexibilität und der Steife zu bestimmen, sowie mit einigen Fragen zur Lebensweise, um sicherzustellen, dass man die richtige Lösung bekommt, ob man nun ambitionierter Läufer oder beruflich den ganzen Tag auf den Beinen ist. Als Redakteurin verbringe ich den Großteil des Tages am Schreibtisch sitzend, benötigte also keine speziellen Laufschuhe, beschrieb jedoch leichte Schmerzen in den Knien und Unterschenkeln. Bei den meisten Menschen passen beide Füße in eine bestimmte Standard-Schuhgröße, sind aber höchstwahrscheinlich von der Dynamik her nicht gleich, und ich bilde da keine Ausnahme. Mein linker Fuß ist viel steifer und benötigt daher im Vergleich zum rechten einen anderen Grad der Korrektur. Der Scanvorgang dauert etwa 20 Minuten. Zunächst steht der Patient auf der Messplatte, die mithilfe von Sensoren mit einer Messrate von 500 Hz dynamische Druckwerte liefert. Dann geht der Patient auf der Platte hin und her, um eine genaue Ganganalyse zu ermöglichen. Es braucht einige Anläufe, bis genügend Bilder jedes Fußes erfasst wurden, um ein digitales Gesamtprofil zu erhalten. Dieses enthält Informationen über Druckpunkte und darüber, auf welchem Teil des Fußes man bei einem Schritt aufsetzt, ob Anzeichen einer übermäßigen Pronation vorhanden sind usw. Diese Daten stehen dann dem Therapeuten oder Arzt direkt zur Verfügung, der sie auf dem Bildschirm betrachten und mithilfe eines einfachen Designassistenten ein Paar individueller Schuheinlagen maßgenau nach den Informationen aus dem Scan entwerfen kann. Anschließend werden die Einlagen zur Fertigung in Auftrag gegeben und können dem Patienten innerhalb von zwei Wochen für 199 GBP geliefert werden. „Der Fußscan lässt sich sehr leicht durchführen und der nachfolgende Designvorgang ist recht intuitiv“, beschreibt Partridge die unkomplizierte Einführung der Technologie in der Klinik. „Es ist wie bei allem: Wenn man den Ablauf erst einmal gewohnt ist, geht es ganz einfach.“
DIE ERSTEN SCHRITTE
Das Verfahren wurde erstmals in den 1980er Jahren von Jempi Wilssens entwickelt, dem Gründer von rs scan, einem Rekordathleten und Ingenieur, der Menschen helfen wollte, verletzungsfrei zu bleiben. Der erste Scanner wurde aus einem modifizierten Fotokopierer gebaut und in Wilssens’ kleinem Sportschuhgeschäft in
MIT SLS AUS PA 12 GEDRUCKTE EINLAGEN
Belgien installiert. Im Jahr 1994 wurde auf Anforderung des Geschäftsführers von Adidas, der das Unternehmen als erste Sportmarke der Welt zum Anbieter von Schuhen ohne Verletzungsrisiko dank Fußmessung machen wollte, ein neues Fußscan-System entwickelt. Mit dem kommerziellen Interesse nahmen auch die klinischen Anwendungen zu, und als Folge davon wurde 1998 rs scan International gegründet. „[Wilssens] erkannte die Notwendigkeit eines orthopädischen Hilfsmittels, wenn ein Schuh nicht genug Unterstützung oder nicht die richtige Passform bot, und schuf daher eine Schuheinlage auf der Basis eines Algorithmus, den er aus den Fußscan-Daten ermittelte“, erläutert Tom Peeters, Markenverantwortlicher von Phits Insoles. „Es war eine gute Einlage, wie die britische Marine wissenschaftlich nachgewiesen hat, und als er den kompletten Prozess digitalisieren wollte, wurde er auf den 3D-Druck aufmerksam. Er begann zu experimentieren, fand jedoch recht bald heraus, dass er einen sehr soliden Partner benötigen würde, um zu expandieren und die Sache auf eine gesunde ökonomische Basis zu stellen. An diesem Punkt traf er zufällig bei einem Forschungsprojekt auf Materialise, woraus die erstmalige Erforschung und Entwicklung des 3D Drucks für orthopädische Einlagen resultierte.“ Beide gründete zusammen 2014 das Gemeinschaftsunternehmen RS Print, was zur Entwicklung von Phits führte. Seitdem hat das Unternehmen circa 30.000 Menschen weltweit mit individuellen Einlagen aus Produktionsstätten in Europa und Nordamerika beliefert. Orthopädische Einlagen von Phits besitzen eine Gitterstruktur, die durch selektives Lasersintern (SLS) aus dem besonders festen und haltbaren Polyamidwerkstoff PA 12 gefertigt wird. Das bedeutet, dass die Produkte den beim täglichen Tragen auftretenden Kräften widerstehen und darüber hinaus viel länger halten als herkömmliche Einlagen, die in der Regel aus Gummi oder Kork gefräst werden. Außerdem sehen sie viel eleganter aus, und wenn die Textilauflage nach einigen Jahren Verschleißerscheinungen zeigt, kann der Patient die Einlagen einfach neu beziehen lassen, ohne dass die Korrektur neu hergestellt werden muss. „Die Einlage wird dadurch viel kompakter und leichter, nicht so massiv wie eine von Hand gemachte Einlegesohle“, erläutert Partridge. „Ein großer Teil der Korrektur wird beim Drucken in die Orthese integriert, sodass sie leicht in die Schuhe der Leute passt. Das erhöht die Verwendung. Es ist ja schön und gut, Einlagen für die Schuhe4
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MEDIZIN zu haben, aber wenn man sie nicht trägt, weil sie nicht in die schicken Schuhe passen, könnte man es genauso gut lassen. Aus orthopädietechnischer Sicht ist das tatsächlich der größte Vorteil und der Hauptgrund, aus dem wir umgestellt haben. Wir bekamen nämlich Rückmeldungen, dass die handgefertigten Einlagen den Träger einfach zu weit aus dem Schuh hoben. Wenn die Korrektur beispielsweise an der Ferse ansetzte, konnte diese schließlich aus dem Schuh rutschen. Das passiert mit den 3D-gedruckten Einlagen nicht, weil sie schön schlank sind.“ Phits hat die drei Kernmärkte Gesundheitswesen, Sport und Arbeitskleidung identifiziert. Inspiriert durch die sportlichen Aktivitäten in der Umgebung hat das Unternehmen Schuheinlagen speziell für Sportarten wie Skifahren, Radfahren und Golf entwickelt. Skilangläufer, Weltmarathonläufer, Profiradfahrer und andere haben bereits von diesen Produkten profitiert, und angesichts der steigenden Nachfrage können es nur noch mehr werden. „Für jedem dieser spezifischen Anwendungsbereiche gibt es eigene einzigartige Spezifikationen und unterschiedliche Merkmale“, so Peeters. „Es geht darum, die Bedürfnisse und Anforderungen und dann auch die Charakteristika bestimmter Bewegungen bei einer bestimmten Sportart oder Aktivität zu verstehen.“
4 DER ARZT VERWENDET DIE DATEN DES DYNAMISCHEN
FUSSSCANS, UM DIE ORTHOPÄDISCHE EINLAGE ZU ENTWERFEN
ein neues Instrument für präzise Messungen an Ort und Stelle zu geben. Diese Entwicklungen zeigen nicht nur einen technologischen Wandel an, sondern deuten auch auf eine Veränderung der Geschäftsmodelle hin. Peeters sieht zwei mögliche Schienen; kleine und mittlere Podologen, die die Scantechnik intern installieren, sowie DER WEG IN DIE ZUKUNFT Weitere Größen in der Branche wie etwa HP erkennen den größere Orthopädiefirmen, die sich zum 3D-Druck hin orientieren. „Diese großen Prothetikanbieter müssen wirklich anfangen Nutzen. Im letzten Jahr etablierte der Technologieriese seine Plattform FitStation zusammen mit SuperFeet, einem Hersteller darüber nachzudenken, wie sie von der traditionellen Fertigung auf rezeptfreier Schuheinlagen. Geplant ist die Bereitstellung einer einen vollständig digitalisierten Prozess mit 3D-Druck umstellen Komplettlösung vom Scan bis zur Herstellung individueller können“, erklärt Peeters. „Natürlich wollen wir Schuheinlagen Schuheinlagen mithilfe der HP-Technologie Jet Fusion, die produzieren, aber das ist nicht unser Ziel. „Unser Ziel besteht darin, bereits in der NFL eingeführt wurde. Einen Schritt weiter geht der die Technologie, die Werkzeuge zur Bereitstellung der Einlagen in Großbritannien ansässige Anbieter technischer Lösungen KW anzubieten. Ob wir die Einlagen drucken und die einzelnen Praxen Special Projects, der sich vor Kurzem mit dem Einlagenhersteller damit beliefern oder den größeren Unternehmen Dienstleistungen Podfo und der Universität Newcastle zusammengetan hat, um bereitstellen, sie mit Knowhow unterstützen und die Umstellung einen Sofortservice für personalisierte Schuheinlagen aus dem begleiten – wir wissen, dass der Wandel kommen wird. Wir müssen 3D-Drucker ins Leben zu rufen. Ziel des teilweise von Innovate UK ihn annehmen und darauf vorbereitet sein, diese Menschen auf finanzierten Projekts ist die Entwicklung eines funktionierenden die nächste Ebene der Fertigung hin zu einem dauerhafteren und Verfahrens bis Anfang 2019. Kieron Salter, Geschäftsführer umweltfreundlicheren Verfahren zu leiten.“ Das Wichtigste aber ist: Funktionieren diese Produkte? Ich trage von KWSP, sprach vor Kurzem in einer Pressemeldung vom meine nun seit mehreren Wochen und habe Potenzial dieser Technologie, Zeit mich mit anfangs nur wenigen Tragestunden am und Entwicklungskosten bei der 6 3D-GEDRUCKTE ORTHOPÄDISCHE Tag allmählich daran gewöhnt. Sie sind bequem, Herstellung orthopädischer Einlagen EINLAGEN WERDEN NACH INDIVIDUELLEN robust, passen perfekt und ich bin mir zwar einzusparen und gleichzeitig Ärzten FUSSSCAN-DATEN MASSGEFERTIGT. nicht sicher, ob es noch zu früh für eine Aussage ist, aber die Schmerzen, die ich in den Knien und Unterschenkeln hatte, sind verschwunden. Im Unterschied zu dem Paar von der Stange, das sich unförmig und rau anfühlte, fügen sich diese Einlagen diskret in den Schuh ein und sind sogar so weit personalisiert, dass mein Name eingedruckt ist. – Das dient zwar keiner Funktion, ist aber ein nettes Beispiel für die Vorteile der individualisierten Massenfertigung. Als Beschäftigte in dieser Industrie nehme ich es manchmal als selbstverständlich hin, dass die technischen Anwendungen, die ich täglich sehe, ob 3D-gedruckte Schuheinlagen oder medizinische Modelle, nicht alltäglich sind. Als ich meine Einlagen abgeholt und einen kurzen Testspaziergang entlang dem Hafen von Conwy unternommen hatte, zeigte ich sie zu Hause meiner Mutter. Wären diese Technologien in der Arztpraxis leicht verfügbar „PHITS HAT DIE VERSORGUNG VON WELTWEIT gewesen, hätten die Vorteile zweifelsohne die ETWA 30.000 MENSCHEN MIT INDIVIDUELLEN Kosten überwogen. Wenn ihre Akzeptanz und Verfügbarkeit im Gesundheitssektor zunimmt, SCHUHEINLAGEN ERMÖGLICHT.“ werden vielleicht mehr Menschen in den Genuss dieser Vorteile kommen.
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3D Scannen
GEHEN MIT ROBOTERTECHNIK TEXT: SAM DAVIES
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e mehr Sie mit Ihrem Roboter gehen, desto schneller werden Sie gesund. Das hören die Nutzer von UnterschenkelExoskeletten in einigen ausgewählten Rehabilitationszentren rund um den Globus. Sie werden dazu verwendet, Menschen mit einer Querschnittslähmung wieder beim Laufenlernen zu helfen. Motoren erzeugen Kräfte wie Drehmomente, um das menschliche Bein über eine Schnittstelle mit Federelement zu bewegen. In der Regel gibt es jedoch Probleme mit der Passform und dem Komfort, die es den Patienten erschweren, die Reha durchzuhalten. Genau hier kommt eine Forschungsgruppe einer belgischen Universität ins Spiel. „Problematisch bei den Schnittstellen von Unterschenkel-Exoskeletten ist, dass sie rutschen: Das Antriebssystem versucht, ein Drehmoment auf das Bein zu übertragen, und die Schnittstelle versucht, das Bein zu bewegen. Da aber die Verbindung nicht perfekt ist, bewegt sich die Schnittstelle und rutscht über die Haut, ohne das Bein tatsächlich zu bewegen. Dieses Problem wollten wir lösen“, erläutert Kevin Langlois von der Forschungsgruppe für Robotik und Mehrkörpermechanik (R&MM) der Freien Universität Brüssel. „Unser Lösungsansatz bestand darin, die Interaktion mit dem Weichteilgewebe durch eine Interaktion mit Knochenvorsprüngen zu ersetzen. Aus diesem Grund haben wir uns der 3D-Scantechnologie zugewandt.“ Vor knapp einem Jahr begann R&MM ein Scansystem des Typs Artec Eva zu nutzen, um von den ‚Einheitsgrößen‘ wegzukommen und eine individuelle Passgenauigkeit zu erreichen. Die Forschungsgruppe erkennt hier eine Lücke in der bisherigen Forschungsarbeit, die sich größtenteils um die Betätigung und die Steuerung des Roboters drehte. Ein Exoskelett überträgt Energie vom Roboter auf den menschlichen Körper; wenn aber die Schnittstelle nicht richtig passt, geht ein Großteil der Energie verloren, und das bedeutet auch, dass Weichteilgewebe geschädigt werden und ein unangenehmes Brennen den Komfort beeinträchtigen kann. Ein einfacher zehnminütiger 3D Scan vom Knie bis zum Fuß bildet den ersten Schritt einer Lösung, die diese Probleme beheben soll. Nach der digitalen Erfassung der benötigten Informationen kann R&MM die Daten in der 3D Software Artec Studio
DAS UNTERSCHENKELEXOSKELETT VON R&MM MIT 3D-GEDRUCKTEN SCHNITTSTELLEN.
DER ARTEC EVA SCANNT IN NUR ZEHN MINUTEN DEN BEREICH VOM KNIE BIS ZUM FUSS
bearbeiten, die Orthese – in diesem Fall die Schnittstelle – passgenau für den Patienten entwerfen und sie im nächsten Schritt auf einem Ultimaker 3 drucken. Dieser Prozess gilt als viel schneller und kostengünstiger als die klassische Methode mit einer Gipsform und soll auch zu besseren Ergebnisse führen. Er ermöglicht R&MM die Entwicklung eines Exoskeletts, das mit den Knochenvorsprüngen des Beins interagiert: dem Malleolus, der Tibia und den Femurkondylen. Hierbei handelt es sich um Knochenvorsprünge an Knöchel, Schienbein und Oberschenkelknochen. Indem die Kräfte durch diese Bereiche eingeleitet werden, wird das Weichteilgewebe geschützt und eine steifere Verbindung erreicht. Menschen mit einer Querschnittlähmung kann so geholfen werden, schneller und sicherer lokomotorische Fähigkeiten wiederzuerlangen. Das Exoskelett, das ebenfalls von R&MM entwickelt wird, verfügt über ein Assistenzparadigma, das eine Reduktion der Leistung ermöglicht,
wenn der Patient unabhängiger wird. Es liefert anfangs ein Drehmoment von 120 Newtonmetern – dieselbe Stärke, die auf den Knöchel eines gesunden Menschen beim Gehen normalerweise einwirkt – und verringert diesen Wert, wenn die Gehfähigkeit zunimmt. Langlois gibt derzeit seiner Abhandlung über die Feinheiten und die möglichen Konsequenzen des Exoskelett-Projekts den letzten Schliff. Gegenüber TCT äußerte er die Erwartung, dass Roboterprodukte dieser Art auch in medizinfernen Bereichen Einzug halten werden, etwa bei Tätigkeiten, die das Heben schwerer Lasten erfordern. Außerdem hob er den Nutzen des ArtecEva-Scanners hervor, den er eigenen Schätzungen zufolge innerhalb eines ganzen Jahres nur 10 Stunden benutzt hat. Dass der Scanner immer nur kurz in Betrieb war, bezeugt die Geschwindigkeit und Präzision des Geräts, das als kleiner Baustein dennoch große Bedeutung hat. „Wir glauben, dass wir einen Weg gefunden haben, eine steifere Verbindung zum menschlichen Körper zu erzielen, und zwar durch die Interaktion mit Knochenvorsprüngen, die durch die die Verwendung individuell angepasster Lösungen auf der Grundlage von 3D-Scans möglich wird“, erklärt Langlois. „Das Hauptziel lag darin, die Migration zu verringern, um einen verbesserten Komfort und eine höhere Effizienz zu erreichen. Das Ergebnis ist bereits vielversprechend.“
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EINER WIE DER ANDERE TEXT: SAM DAVIES
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nfang des 20. Jahrhunderts, als die Automobilindustrie zu brodeln begann, bewies sich ein französischer Autohersteller namens Delage als würdiger Lieferant der Wohlhabenden und würdiger Sieger auf der Grand-Prix-Strecke. Seine Produktion zwischen 1905 und 1935 verschaffte ihm Legendenstatus unter Automobilenthusiasten. Autos wie der Delage Type S, der am Grand Prix von Frankreich 1914 teilnahm, werden seit mehr als 100 Jahren bewundert. Stuart Murdoch ist seit 1975 stolzer Eigentümer eines Delage Type S, aber 2014 brach der Motorblock um ein Auslassventil zwischen heißen, unter hohem Druck stehenden Abgasen und dem Kühlwassermantel im Motorblockgehäuse. Dadurch wurde der Wagen unbrauchbar. „Dieser Sprung war schwer zugänglich und topografisch komplex und konnte
DER DELAGE TYPE S WIEDER AUF DER STRASSE
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DER NACHGEBAUTE MOTOR DES DELAGE TYPE S
nicht repariert werden, ohne die Integrität des Blocks zu gefährden“, erläuterte der Leiter des Projekts zur Wiederherstellung des Motorblocks, Phil Guilfoyle. „Die Reparatur musste perfekt sein, ohne den umgebenden Bereich zu beeinträchtigen. Die Konstruktion des Motors machte den Zugang zum Sprung
sehr schwierig, und obwohl einige Alternativen erwogen wurden, war keine Reparatur möglich.“ Guilfoyle ist nicht nur Oldtimer-Fan, seit er denken kann, sondern auch begeisterter Anwender digitaler Technik im Rahmen seiner Tätigkeit als Industriedesigner. Die Gelegenheit, eine Leidenschaft mit
REVERSE ENGINEERING
seinem Beruf zu verbinden, ergab sich durch die mit der Wartung des Murdochs Delage Type S betraute Konstruktionsund Restaurierungswerkstatt „Up The Creek Workshop“ (UTCW). Guilfoyle und der UTCW baten Keech3D um Hilfe, einen An-bieter von WYSIWYG-Gussteilen, der 3D-Scan- und Modellierungsmöglichkeiten bereitstellte, sowie das CSIRO Lab22, ein Fertigungsforschungszentrum, das einen 3D-Drucker des Typs Voxeljet VX1000 für Sandformen sein Eigen nennt. Die gestellte Aufgabe, der Nachbau des Motorblocks, war aufgrund des Fehlens von Ersatzteilen, Konstruktionszeichnungen und anderen Motoren als Referenz kompliziert. Um das ausgefallene Gussteil schnell und kostengünstig nachbauen zu können, wurde der defekte Motor zerlegt und es wurden 3D-Scans und eine CAD-Modellierung durchgeführt. Guilfoyle und sein Team wollten nicht den Motorblock drucken, sondern nur die nötigen Formwerkzeuge, um den Block mit einer Methode und Materialien, die eine echte Replik ermöglichten, neu gießen zu können.
Anhand der CAD-Daten wurde die zu druckende Sandform konstruiert und von Gießereiingenieuren validiert, die mithilfe von Simulationstools überprüften, ob der Gussvorgang funktionieren würde. Das CAD-Modell wurde erfolgreich auf insgesamt 14 Formteile reduziert – wohingegen das Original aus 42 Bauteilen bestand – und auf der VX1000-Plattform in 300-MikrometerSandschichten gedruckt, die selektiv mit einem Bindemittel verklebt wurden. Dann wurden die Formen ausgepackt, von überschüssigem Sand befreit und das anschließende Gießverfahren reibungslos durchgeführt. Einschließlich des Drucks und der Nachbearbeitung waren die Formen innerhalb von drei Tagen bereit für die Gießerei. Diese benötigte weitere 48 Stunden, um die Formenkombination abzudichten, zu trocknen und zusammenzubauen. Im November 2016, nach neun Monaten Scannen, CAD-Modellierung, Formenkonstruktion und Reproduktion, war die Testphase abgeschlossen und der Delage Type S wieder fahrbereit, und
im nächsten Monat war Murdoch wieder mit seinem wertvollen Schatz vereint. Seither funktioniert der Motorblock problemlos, während das Auto hunderte Kilometer auf Landstraßen sammelt und zahlreiche Runden auf der Rennstrecke dreht. Ein Oldtimer wurde dank modernen Reverse-EngineeringMethoden wiedergeboren. „Der 3D-Sanddruck ist nahezu perfekt für eine solche hochwertige gusstechnische Anwendung mit geringem Durchsatz“, konstatierte Guilfoyle. „Er ist effizient und flexibel genug für Sonderanfertigungen, was für die Oldtimer-Restaurierung besonders relevant ist. Er kann unabhängig von schrumpfenden Restbeständen alter Teile und überliefertem Wissen Oldtimer-Fahrzeuge auf der Straße bewahren, und er ist extrem präzise, sodass neue Teile für den Zusammenbau mit verbliebenen Teilen konstruiert werden können. Der Voxeljet VX1000 ist immer noch der einzige 3D-Sanddrucker in Australien, und das CSIRO stellte den Zugang und das Fachwissen bereit. So konnten die Projektbeteiligten diese innovative Herangehensweise an ein Problem wählen, das so alt ist wie die industrielle Revolution.“
IN DEN DELAGE TYPE S EINGEBAUTER NEUER MOTOR Bildnachweis: PHIL GUILFOYLE
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MESSTECHNIK Bearbeitet von : LAURA GRIFFITHS
FRAGEN UND ANTWORTEN: ANDREW CUFFLEY, GOM UK WÄHREND EINES KÜRZLICH IN DER ZENTRALE VON GOM UK DURCHGEFÜHRTEN WORKSHOPS ERFUHR ICH, WIE DIE 3D-MESSTECHNIK-INDUSTRIE DIE GESAMTE PROZESSKETTE VOM DESIGN BIS ZUR FERTIGUNG BEEINFLUSST. HIER SPRICHT ANDREW CUFFLEY, MANAGING DIRECTOR VON GOM UK, ÜBER DIE TRENDS UND DARÜBER, MESSTECHNIK ERNST ZU NEHMEN. LG: Die Qualitätslenkung ist mehr als nur ein Vorgang am Ende des Fertigungsprozesses. Können Sie uns die Bedeutung und den Nutzen der Messtechnik als Teil der kompletten Fertigung erläutern? AC: Es ist nichts Neues für uns, Menschen – und sogar hochrangigen Mitarbeitern – zu begegnen, die das Messwesen nur als Kostenfaktor sehen; allerdings halten wir diese Einstellung zur verfügbaren Technologie für ziemlich kurzsichtig. Mithilfe von Vollfeldmessverfahren lässt sich ein umfassenderes Verständnis der Fertigungsprozesse gewinnen und am Anfang eines Zyklus, bevor Wert und hohe Kosten in den Prozess einfließen, eine angemessene Kontrolle erreichen. Die erweiterten Informationen über Komponenten und Werkzeuge können Ingenieure für die Entwicklung schlanker Prozesse nutzen. Ein Beispiel dafür ist die adaptive Bearbeitung, bei der die Bildauswertung von Teilen in einem Bearbeitungszentrum dazu führen kann, dass nur die benötigten Bereiche bearbeitet werden. Das spart nicht nur Zeit, sondern kann auch zur Herstellung hochwertigerer Teile führen. LG: Bei dem Workshop erfuhren wir, dass Hersteller wie Jaguar Land Rover beginnen, die Messtechnik ernst zu nehmen. Sieht GOM hierfür weitere Hinweise in der Branche? AC: Einige Kunden sagen uns, dass sie die Zukunft in der optischen Vollfeldmessung sehen und aktiv darauf hinarbeiten, taktile Koordinatenmesstechnik aus den Metrologiebereichen zu entfernen. Der Grund hierfür ist einfach, dass diese Verfahren weitaus schneller und mit einer viel größeren Abdeckung arbeiten können. Wir sehen taktile Koordinatenmessgeräte als Ergänzung zu optischen Methoden, aber je besser und je weiter zurück im Produktionsprozess bis in den Konstruktionsbereich hinein die Möglichkeiten unserer Technologie verstanden werden, umso eher wird akzeptiert, dass die Integration der Vollfeldmessung in die Planung des Prüfprozesses erhebliche Vorteile für die Einsparung von Kosten und Zeit bietet. LG: Welche Veränderungen oder Trends in der 3D-Messtechnik gibt es? Wie sehen Sie deren Entwicklung? AC: In einigen Anwendungsbereichen bestehen noch Herausforderungen, aber die Verbesserungen in der digitalen Verarbeitung und der Kameratechnik bedeuten, dass große Mengen an Messdaten erfasst und für Abfragen genutzt werden können. Die größten Veränderungen betreffen die Bereitstellung hochwertiger optischer Messungen durch automatisierte Messtechnik näher an den Produktionsbereichen. Es ist durchaus denkbar, dass innerhalb der nächsten fünf Jahre der Großteil unserer Installationen automatisiert sein könnte.
LG: Stellt die verstärkte Einführung moderner Produktionstechnologien wie zum Beispiel der additiven Fertigung eine Herausforderung für die bisherigen Messmethoden dar? AC: Die additive Fertigung hat in den letzten fünf bis zehn Jahren eine beträchtliche Expansion erlebt, und die Technologie wurde in diesem Zeitraum enorm verbessert. Das Leistungsspektrum der Systeme hat sich stark vergrößert, und wir sind häufig in Programmen aktiv, die Anwendern dabei helfen sollen, ihre Prozesse um die von uns präsentierten Ergebnisse herum zu entwickeln. Das ist ein Hauptvorteil der Vollfeldmessung gegenüber der Einzelpunktmessung. Spezielles Vorwissen über das Teil ist nicht erforderlich. Der Sensor erfasst Informationen anhand dessen, was er sieht. Bei einem herkömmlichen Koordinatenmessgerät muss der Bediener genau wissen, welche besonderen Geometrien benötigt werden, und alles muss genau entsprechend eingestellt werden. Bei additiv gefertigten Teilen kommt es, insbesondere in der Entwicklungsphase, häufig zu einer Verformung des Materials. Eine solche Tendenz ist mit einer begrenzten Anzahl von Messpunkten schwer zu erkennen. Die Technologie ist auch für uns sehr hilfreich, da sie uns gestattet, generische Referenzrahmen zusammen mit speziellen, direkt anhand unserer Messdaten gedruckten Halterungen zu verwenden, um Komponenten lagestabil zu halten. LG: Welche Rolle werden Fortschritte in der Messtechnik (wie die Robotik und die räumliche Annäherung der Messtechnik an die Werkhalle) in der Industrie 4.0 spielen? AC: Industrie 4.0 ist in aller Munde. Wir engagieren uns in diesem Bereich stark. Verarbeitete Daten werden immer häufiger direkt aus dem Metrologiesystem zurück in die Betriebsdatenerfassung eingespeist, und die Nutzung automatisierter Messtechnik nimmt zu. Die Prüfanforderungen können mit den CAD-Daten importiert werden, und ein automatisch erzeugtes Messprogramm kann einen Sensor am Messroboter nach Bedarf bewegen.
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ADDITIVE FERTIGUNG UND DER ARCHITEKT TEXT: LAURA GRIFFITHS
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ennen Sie den Ursprung des Wortes ,Architekt‘?“, fragte Eric Barendse, Designer und Forscher bei Studio RAP, während eines Telefonats letzten Monat. Ich habe Freude an einer Portion Etymologie. Ich stamme aus einer Stadt namens Widnes, die ihren Namen offensichtlich von den Wikingern erhalten hat, denen es die Form des als „breite Nase“ (wide nose) in den Fluss Mersey ragenden Landvorsprungs angetan hatte. Das ist nicht die allerschillerndste Geschichte, die die Entstehung eines Namens erzählt, aber ebenso, wie ich diesen geschichtlichen Hintergrund zu schätzen weiß, ließ mich auch die Herkunft des Wortes „Architekt“ darüber nachdenken, wie sich Wörter und ihre Bedeutungen im Laufe der Zeit verändern. Es leitet sich her von „arkhi“- und „téktōn“, was „oberster“/„erster“ und „Handwerker“ bedeutet, wobei letzteres nicht so genau zur Berufsbeschreibung eines modernen Architekten passt. Ich rief Eric nach einem Besuch in den Räumen des Studio RAP im „Innovation Dock“ des Rotterdamer Hafens an – einer Oase der technologischen Forschung und Kreativität, mit gewaltigen, für den 3D-Druck modifizierten Roboterarmen und Wasserdrohnen. Der Name „Studio RAP“ hat auch eine versteckte Bedeutung: Roboter, Architektur und Produktion, geanau das das setzt das Team in einem weiten Arbeitsfeld vom Funktionalen bis hin zum Schrägen oder Schönen ein. „Wir sind ein Architekturbüro, aber wir entwerfen nicht nur Gebäude, sondern entwickeln auch Technologie für deren Bau“, erklärt Barendse. „Was viele unserer Projekte sehr schwierig macht, ist, dass wir sie für eine Technologie entwickeln, die es noch nicht gibt. Anschließend entwickeln wir die Technologie, um den Entwurf zu verwirklichen.“
4 STUDIO RAP IM INNOVATION DOCK VON ROTTERDAM
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“DAZU BRAUCHT MAN WIRKLICH EINE ANDERE GEISTESHALTUNG, ALS SIE VIELEN ETABLIERTEN ARCHITEKTEN VERTRAUT IST.”
ARCHITEKTUR Moderne Konstruktions- und Fertigungstechnologien haben die Art und Weise, wie wir unsere Welt erschaffen, stark verändert. CAD- und Simulationswerkzeuge sorgen dafür, dass Designer Entwürfe konzipieren und verschiedene und verschiedene Kräfte darauf anwenden können, um zu testen, wie es einer Struktur in einer realen Umgebung ergehen wird. Cloud Computing sorgt dafür, dass komplette Konstruktionsteams Zugang zu denselben Daten haben und schnell miteinander kommunizieren und Probleme lösen können. Die additive Fertigung (AF) ist zwar auf Baustellen nicht alltäglich, jedoch in Architekturbüros eine bewährte Methode, um schnell präzise Maßstabsmodelle herzustellen, und wir sehen auch immer mehr Beispiele dafür, wie großformatige AF mit Beton für die Herstellung alternativen Wohnraums eingesetzt werden kann. Studios wie RAP begrüßen die Möglichkeiten verschiedener roboterbasierter Konstruktionsund Fertigungsprozesse wie Drahtschneiden, AF und Ziegelschichtung, um komplexe oder gebogene optimierte Konturen herzustellen, die mit klassischen Formwerkzeugen nicht erzielt werden könnten. „Es wird viel angefangen, manche Entwicklungen schreiten rasch voran, aber die Technologie ist für die Anwendung im großen Maßstab nicht ausreichend ausgereift“, kommentiert Barendse die Einführung der AF in diesem Bereich. „Das wird in den nächsten Jahren kommen, da bin ich mir ziemlich sicher, aber es wird im Kleinen beginnen.“ Neben der Design- und Beratungsarbeit hat das Studio eine Schwesterfirma, die ihre eigene Software namens RAPCAM entwickelt hat. Mit dieser können Konstrukteure 3D-Modelle in Code umwandeln, der von Industrierobotern verwendet werden kann. Die gesamte Kette ist digital verbunden, sodass zwischen dem CAD-Modell und der Produktion keine Daten verlorengehen. Eric Barendse begann im eigenen Hinterhof mit einem riesigen selbstgebauten 3D-Drucker, den er für Experimente mit Betondruck verwendete. Der Beton ist nicht von der Art, die man im Heimwerkermarkt finden würde, sondern besitzt eine etwas andere Konsistenz, die ihn für Extrusion geeignet macht, aber in den Niederlanden wurde das Material als geeignet für den Bau eingestuft. Mithilfe des 3D-Drucks kann das Studio eine Säule oder eine Wand innerhalb von Stunden entwerfen und bauen, was mit herkömmlichen Mitteln 12 Wochen dauern würde. Bei meinem Besuch im Studio fand ich Beispiele für Strukturen vor, die in einem ähnlichen Verfahren aus Lehm hergestellt wurden und die zeigen, wie die Technologie eingesetzt werden könnte, um hohle Strukturen zu drucken, die mit klassischen Materialien gefüllt werden, oder um interessante Farbverläufe zu schaffen, die durch die sichtbaren Druckschichten durchscheinen. Es gab auch einen Prototyp, der im Rahmen des Projekts „Circular Experience“ für das neue Gebäude von ABN Amro im Bankenviertel von Amsterdam erstellt worden war. RAP hatte für die Innenwände des dortigen Pavillons ein Design vorgeschlagen, das Holzleisten und Materialabfälle in einem parametrisch gesteuerten, roboterbasierten Herstellungsprozess wiederverwendet.4
5 MITTELS ROBOTERBASIERTER
ZIEGELSCHICHTUNG LASSEN SICH KOMPLEXE UND GEBOGENE STRUKTUREN SCHAFFEN
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„Es ist sehr effizient, aber auch sehr flexibel und schnell“, sagt Barendse über die verschiedenen Verfahren. „Man kann sehr schnell darauf reagieren, was jemand verlangt, und so werden viele Probleme mit dem Kunden vermieden. Dadurch verliert der Prozess viel an Langsamkeit und Frustration.“ Derzeit arbeitet das Studio mit Bruil zusammen, einer kleinen niederländischen Firma für Betonbau, die vor etwa drei Jahren auf das Unternehmen zukam und sich für Abfallvermeidung durch 3D-Druck interessierte. Dieser erschien Bruil als entscheidender Faktor für die Zukunft angesichts der sinkenden Zahl klassisch ausgebildeter Facharbeiter in der Industrie. Die Rolle der Architekten hat sich verändert. Waren sie einst Baumeister, so ist sein Job nun der Entwurf und die Planung eines Gebäudes oder einer Struktur. Man sieht ihn vielleicht auf der Baustelle mit Warnweste und Helm, aber es ist unwahrscheinlich, dass er sich an der materiellen Bautätigkeit beteiligt. Ohne diese praktische Erfahrung kann die Einführung und Nutzung der neuen Technologien eine Herausforderung darstellen. „Es gibt viel Neugier“, sagt Barendse. „Hauptsächlich bei den technisch orientierten Leuten. Viele Bauingenieure kommen mit einer Menge Ideen, wie sich Strukturen und Formen optimieren lassen, die zuvor nicht herstellbar waren. Vielen Architekten fällt es schwer, mit geeigneten Ideen aufzuwarten. Dazu braucht man wirklich eine andere Geisteshaltung, als sie vielen etablierten Architekten vertraut ist.“ Architekten müssen nicht nur an das Aussehen eines Gebäudes denken, sondern auch an die Funktionalität, die Sicherheit und die Wirtschaftlichkeit. Mit einem Mittel wie dem 3D-Druck wird diese Liste von Erwägungen noch länger: Optimierung, Materialverhalten, welches sind die besten Druckwege zur Senkung des Materialverbrauchs, welche Geometrien sind möglich und – was vielleicht am wichtigsten ist – ist es das beste Verfahren für dieses spezielle Projekt? „Es gibt auf breiter Ebene eine gewaltige, leuchtfeuerartige Explosion von Konturen, Formen, Bildern, Farben und Texturen, aber auf die Frage, weshalb man das tun sollte, habe ich bislang noch keine besonders gute Antwort gehört“, sagt Barendse über die die raffinierteren AF-Beispiele im Bauwesen, die 3D-BETONDRUCK ERMÖGLICHT ES 4 KONSTRUKTEUREN, STRUKTUREN INNERHALB VON STUNDEN ZU REALISIEREN
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Schlagzeilen machen. „Häufig sind diese Gebäude extrem gut optimiert und perfekt, aber wenn man vom technischen Aspekt absieht, stehen sie für nichts, es ist nichts dran oder ihre Bedeutung vermittelt sich nicht. Es gibt andere Wege, die viel billiger und dabei effizienter sind.“ Die Anfragen der Bauindustrie entwickeln sich in einem ähnlichen Tempo. Nicholas Mangon, Vice President des Bereichs AEC Strategy bei Autodesk, sprach vor Kurzem über die Notwendigkeit, die Größe mancher Städte bis 2020 zu verdoppeln. Das war bei der Eröffnung der neuen Produktionsstätte des Software-Riesen in Birmingham – einer Stadt, die er später in einem Tweet liebevoll als „riesige Baustelle“ bezeichnete. Fortschritte wie die Werksvorfertigung in kontrollierten Modulen (man stelle sich Zellen in einer Hightech-Produktionsanlage vor, in denen einzelne Blöcke gefertigt und dann auf der Baustelle in Position gebracht werden) oder transportable Robotersysteme für große AFTeile bieten möglicherweise Lösungen, um dieses Ziel in dieser kurzen Zeitspanne zu erreichen. Hierbei geht es nicht um Technologie als Tod des Zimmermanns, sondern darum, praktischer zu werden, um die Vorteile der Automatisierung, Nachhaltigkeit und darüber hinaus zu nutzen. Um effizient für diese Technologien zu entwerfen und zu planen, muss sich die Rolle des Architekten vielleicht erneut anpassen oder zu den Wurzeln der Schiffsbaumeister und Zimmerleute zurückkehren, für die das Wort einst stand.
ARCHITEKTUR
BÜNDNIS FÜR NEUE BAUTECHNOLOGIE
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TEXT: SAM DAVIES
ie „3D Construction Printing“Konferenzen von 3D Printhuset, von Dänemark finanziert und als informative Veranstaltungen für Dänemark gedacht, lockte internationale Besucher an. Deswegen ist ihre Zukunft nun ungewiss. Beim zweiten Event im November in Kopenhagen begrüßte man ein Publikum von mehr als 240 Menschen, davon die Hälfte aus dem Ausland, die in den Genuss des Wissens von Industrieexperten und der Inszenierung des 3D-gedruckten Bürohotels „The BOD“ (Building-on-Demand – Gebäude nach Bedarf) von 3D Printhuset kommen wollten. Dieses 50 Quadratmeter große Gebäude wurde mit dem unternehmenseigenen Portaldrucker erbaut, der einen Bauraum von 8 x 8 x 6 Metern besitzt. Dazu wurde ein komplettes Vortragsprogramm geboten, während die Konferenz ihren Erfolg übertraf. Jetzt aber hat die dänische Regierung hat einen Schritt zurück gemacht, und 3D Printhuset steht ohne die finanzielle Unterstützung für die Veranstaltung weiterer Events da. Auch wenn die Zukunft der einzigen einschlägigen Konferenz für die 3D-Baudruck-Branche in den Sternen steht, gilt das keineswegs für die Zukunft des Marktes selbst. An mangelnden Versuchen wird es jedenfalls nicht scheitern. Zahlreiche Beispiele für 3D-gedruckte Baustrukturen, wie Fahrradbrücken und Buswartehäuschen, werden als geeignete Anwendungen vorgestellt, und es gibt sogar von EU-geförderte Projekte mit dem Ziel, neue Fertigungswerkzeuge bereitzustellen. XtreeE, eines der im letzten November in Kopenhagen vertretenen Unternehmen, ist Teil eines Konsortiums von zwölf Unternehmen, das mitten in einem 36 monatigen Projekt zur Entwicklung eines hybriden Fertigungssystems für Bauprozesse in großem Maßstab steckt. HINDCON (Hybrid INDustrial CONstruction) wird von der Europäischen Kommission im Rahmen des H2020-Programms finanziert und wurde im September 2016 ins Leben gerufen. Das 5 Millionen-Euro-Projekt bringt folgende Akteure zusammen: VIAS (Projektleitung); LafargeHolcim; Siemens Program and System Engineering SRL; Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik und Automatisierung (IPA); FUNDACIOcim;
ESTIA; Labor für Produktionstechnik und Automatisierung an der Universität Patras; SINTEF; Institution of Construction Sciences; ATANGA; XtreeE und LCA Consultants APS. Diese werden ihre Ressourcen und ihr Fachwissen in neun Schlüsselbereichen vereinen, die unter anderem die Entwicklung additiver Materialien; Druck und Robotertechnik; Fertigungs- und Bauprozesse sowie die Demonstration der All-in-oneMaschine umfassen. Den Bereich Fertigungsund Bauprozesse deckt größtenteils das Unternehmen XtreeE mit der Konstruktion einer Fußgängerbrücke ab, die das Potenzial der hybriden additiv-subtraktiven Fertigungstechnologie angemessen verdeutlicht. Im Vordergrund des Ansatzes von XtreeE steht die Baubarkeit, die durch eine „geeignete Materialmodellierung“ und die Optimierung des Zeit- und Kostenaufwands sowie des Material- und Energieverbrauchs berücksichtigt werden soll. Das Unternehmen hofft, durch diese Bemühungen zu einer leistungsfähigen Lösung für das Baugewerbe beizutragen. „Der Erfolg von HINDCON wird die Baubranche hoffentlich von der Relevanz der hybriden 3D-Betondruck-Technologien für die Schaffung von Mehrwert in spezifischen Anwendungsfeldern über-
zeugen“, sagte Justin Dirrenberger von XtreeEs Forschungs- und Entwicklungsabteilung TCT. „Klug genutzt könnten die Ergebnisse von HINDCON für die Fertigungstechnologie und methoden den frühen Anwendern in der Branche erhebliche Einnahmen bescheren.“ XtreeEs Entwurf eines demonstrativen Anwendungsfalls verlässt sich ganz auf die Entwicklung geeigneter Werkstoffe für additive Verfahren sowie entsprechender Druck- und Robotertechnologien und Steuerungssoftware, da das Projekt der Branche eine prozessorientierte Designstrategie propagiert. Neben der Pionierarbeit für eine neue Bautechnik möchte HINDCON auch eine Abkehr von einem Prozess bewirken, in dem erst nach dem Entwurf einer Struktur über die Baubarkeit nachgedacht wird. Auf der Website des Projekts steht zu lesen: „Das Design komplexer, leichter und optimierter Strukturelemente soll den Besonderheiten der additiven Fertigung in vollem Umfang Rechnung tragen.“ Zu diesen Besonderheiten gehören die Werkstoffe, der Bauvorgang und die Software. Die Entwicklung von AF-Materialien wird von LafargeHolcim überwacht und soll die Einhaltung von Qualitätsstandards sowie die erforderliche und im Bauwesen erwartete Robustheit gewährleisten. Sie müssen
4 BAU DES BÜROHOTELS
„THE BOD“ MIT DEM 3D-PORTAL-BAUDRUCKER VON PRINTHUSET
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ARCHITEKTUR
zementgebunden, für additive Verfahren geeignet und durch Verbundstoffe verstärkt sein. Währenddessen konstruiert und baut das Fraunhofer IPA Robotersysteme zur Realisierung der additiven und subtraktiven Prozesse. Zwei Endeffektor-Einheiten sollen Material hinzufügen und wegnehmen: ein Extrudersystem lagert Material an, während ein subtraktives Werkzeug Material wegnimmt und so die gebauten Strukturen nachbearbeitet. ESTIA ist zuständig für die Entwicklung der Software, die die All-inone-Maschine betreiben soll. Sie wird das verzweigte Kabelsystem und die additiven und subtraktiven Prozesse steuern und die CAD-, CAM-, Datenmanagement- sowie Pfadoptimierungs- und Simulationsmodule unterstützen. HINDCON berücksichtigt außerdem mögliche Belastungen für die Umwelt infolge der Entwicklung dieser Maschine. Bauschutt macht einen bedeutenden Teil der Überschussmaterialien aus, die öffentliche Deponien füllen. Daher erfolgt im Rahmen des HINDCON-Projekts eine ökologische Bilanzierung ‚von der Wiege bis zur Bahre‘, um sicherzustellen, dass der Verbrauch von Primärenergie und Frischwasserressourcen sowie die Emission von Treibhausgasen nicht übermäßig hoch sind. Nachdem die Umwelteignung des Vorhabens gesichert ist, wird HINDCON darauf hinarbeiten, die Technologie zu demonstrieren, sie zu replizieren und sie möglicherweise sogar auf andere Anwendungsfelder in anderen Industriebereichen zu übertragen. Das stellt jedoch bereits die nächste Hürde dar. „Auch die Technologie bei Projektende möglicherweise bereitsteht, muss der Markt für die Anwendungen erst noch geschaffen, entwickelt und gestärkt werden“, räumt
Dirrenberger ein. „Ein Teil der Arbeit des HINDCON-Konsortiums besteht darin, wichtige Akteure innerhalb der Branche zu überzeugen, auf der Grundlage dieser Technologie neue Praktiken zu entwickeln.“ Dieser gedankliche Prozess soll die Abkehr von Einheitslösungen fördern – ein Trend, der sich durch den gesamten AFSektor zieht und der offenbar auch im Markt für 3D-Baudruck gültig ist. „Niemand stellt das allerbeste Auto her, also weshalb sollte jemand den allerbesten 3D-Baudrucker herstellen?“, fragt Henrik Lund-Nielsen, CEO von 3D Printhuset. „Ich denke, es wird da draußen jede Menge 3D-Baudrucker geben, die sich jeweils mehr oder weniger gut für bestimmte Arten von Gebäuden oder Strukturen eignen.“ Diese Drucker werden wahrscheinlich entweder von einem Portalsystem oder einem Roboterarm geführt werden – wobei sich ersteres für anspruchsvollste Bauvorhaben wie „The BOD“ eignet und letzteres für kleinere Strukturen wie die Fußgängerbrücke, die HINDCON als Machbarkeitsnachweis hervorbringen wird. Nicht alle diese Drucker werden jedoch das Arbeitsergebnis eines Dutzends Unternehmen sein, von denen jedes sein Fachwissen einbringt und die sich wie im HINDCON-Projekt zusammenfinden. Die Allianz aus 12 europäischen Einrichtungen stellt eine einzigartige Herangehensweise dar und könnte in der
Folge großen Einfluss auf die Nutzung von 3D-Druck-Technologien im Bauwesen haben. Sie blieb nicht unbemerkt von 3D Printhuset, dem führenden Anwender und gleichzeitigen Pionier des 3D-Baudrucks. Trotz einiger Bedenken sieht LundNielsen die Zusammenarbeit zwischen Privatunternehmen und Forschungseinrichtungen ebenso als ermutigend an wie den Ehrgeiz von HINDCON, ein System der nächsten Generation bereitzustellen, das auf den von anderen Unternehmen der Branche bereits erreichten Fortschritten aufbaut. „Ob ich an das angewendete Konzept glaube? Ich denke, es könnte bessere Wege geben“, bekennt Lund-Nielsen. „Aber ich denke, jeder gemeinsame Ansatz, der die visionären Technologien des 3D-Drucks anwendet,sei es mit einem Druckroboter oder einem Portaldrucker, wird nützliche Ergebnisse liefern, zumal die Wissensinstitutionen und die bisher konventionell arbeitenden Baufirmen ihre Erfahrung und ihr Wissen über den Bedarf und die Anforderungen am Markt usw. einsetzen können.“ Diese Ergebnisse könnten für einen relativen Nischenmarkt, der am Scheideweg steht, ausschlaggebend sein. Der Wille besteht, den 3D-Druck in die Großfertigung von Bauelementen zu integrieren. Ob es einen Weg und – vielleicht noch wichtiger – einen Bedarf gibt, bleibt abzuwarten. Unternehmungen wie HINDCON werden jedenfalls ihr Möglichstes tun, um es zu ermöglichen.
5 INNENWAND VON „THE BOD“,
MIT EINER SCHICHTHÖHE VON 20 MM GEDRUCKT
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WAS GIBT ES SONST NOCH NEUES?
NEWS
ARCHITEKTUR
WEITERE MELDUNGEN ZU DEN SCHWERPUNKTEN DIESER AUSGABE
NORDAN AB INVESTIERT IN SPEZIALANFERTIGUNG EINES 3D-DRUCKERS FÜR DIE HERSTELLUNG VON FENSTERN UND TÜREN
MEDIZIN CRISPIN MELDET KOSTENEINSPARUNGEN VON 40% BEI GEDRUCKTEN ORTHOPÄDISCHEN EINLAGEN Europac 3D meldet eine starken Nachfrage bei Medizinunternehmen nach patientengerechten Teilen bei um 50 % reduzierten Stückkosten. Crispin Orthotics stellt mithilfe von 3D-Scans und 3D-Druck Produkte für den Patientenbedarf her. Die Modelle werden mit dem HP Jet Fusion 3D 4200 aus robustem, leichtem Nylon gedruckt, und zwar in erheblich kürzer Zeit und zu einem Bruchteil der Kosten von Spritzguss. Mark Thaxter, Geschäftsführer von Crispin Orthotics, kommentiert: „Die Fähigkeit, ein maßgefertigtes Produkt zu schaffen, das leicht, robust und auf bis zu 0,2 mm maßgenau ist, bietet dem Anwender klare Vorteile. Das Unternehmen profitiert außerdem von
der Geschwindigkeit des 3D-Drucks sowie von bis zu 40% Kosteneinsparung pro Teil, da es nicht mehr notwendig ist, dass mehrere Komponenten die Lieferkette und die Konfektionierung durchlaufen.“ John Beckett, Geschäftsführer von Europac 3D, fügt hinzu; „3D-Scans und Druck verschaffen uns größere Freiheit beim Design sowie die Möglichkeit, zu erschwinglichen Kosten gebrauchsfertige Teile herzustellen, was mit den bisherigen Fertigungsverfahren einfach nicht machbar ist.“
STRATASYS UND DASSAULT SYSTÈMES WERDEN ZULIEFERER DER PROTHETIK-INITIATIVE Stratasys und Dassault Systèmes sind eine Partnerschaft mit Easton LaChappelle, dem Gründer von Unlimited Tomorrow, eingegangen, um die Entwicklung von prothetischen Geräten zu transformieren. Durch die Partnerschaft wird Stratasys der exklusive Anbieter von
3D-Drucktechnologie für die Prothetik-Initiative und Dassault der exklusive CAD/CAE-Lieferant. LaChappelle gründete die Organisation in dem Bestreben, die häufigen Probleme bei der Anpassung, dem Gewicht und den Kosten von Prothesen, insbesondere bei Prothesen für Kinder, die zwischen 20.000 und 100.000 Dollar kosten können, zu überwinden. Unlimited Tomorrow wird mit seinen neuen Partnern zusammenarbeiten, um intuitive, skalierbare Modelle zu entwickeln, um maßgeschneiderte Geräte von Anfang bis Ende zu entwickeln.
Der schwedische Fenster- und Türenhersteller NorDan AB hat in ein speziell konstruiertes AF-System investiert, das Fenster und Türen mit bis zu 1,5 Metern Breite und bis zu 2,5 Metern Höhe drucken kann. Im Frühling dieses Jahres wird das Unternehmen das spezielle 3D-Drucksystem installieren, nachdem es einen Vertrag mit BLB Industries AB, einem in Varnamo ansässigen Spezialhersteller von 3D-Druckern und Werkstofftechnik, abgeschlossen hat. Der von BLB extra konstruierte 3D-Drucker unterstützt zahlreiche verschiedene Polymere und Bioverbundstoffe. Diese Bioverbundstoffe bestehen zu einem großen Anteil aus nichtfossilen natürlichen Rohstoffen und Reststoffen aus der Forstwirtschaft oder landwirtschaftlichen Nebenprodukten wie Polymeren gemischt mit Holz, Kork, Stroh oder Hanffaser. Die Maschine kann Einzelteile in Größen von bis zu 1,5 Metern Breite und bis zu 2,5 Metern Länge herstellen. NorDan AB hat bereits erfolgreiche Tests mit Türen durchgeführt und plant die Herstellung von Prototypen sowie vertriebsfähigen Produkten.
BEHANDLUNG VON OHRENPROBLEMEN MITHILFE VON 3D-SCANS Dr. Ken Stewart vom Royal Hospital for Sick Children in Edinburgh nutzt 3D-Scans für die Konstruktion von Implantaten für Patienten mit einer Mikrotie, einer angeborenen Fehlbildung der Ohrmuschel. Nach erfolgreichen Bemühungen um Finanzmittel der Sick Kids Friends Foundation erwarb das Krankenhaus einen Scanner des Typs Artec Spider, um den Ablauf bei der Nachbildung der Ohrmuschel zu vereinfachen. Bei diesem Vorgang wird in der Regel das nicht betroffene Ohr des Patienten gescannt und dann gespiegelt, um ein Modell zu erstellen. Bei einer Patientin, Ellie, war diese Fehlbildung an beiden Ohren diagnostiziert worden. In ihrem Fall nahm Dr. Stewart bei der Schwester des Mädchens den Scan von, der die komplexe Struktur des Außenohrs und des Gehörgangs umfasst. Anschließend werden die Bilder in Artec Studio geladen, ausgerichtet und zu einem 3D-Modell vereinigt. Mit Leios wurde die Ohroberfläche überprüft, unnötige Elemente wurden entfernt und durch einen Versatz nach innen wurde die Dicke der Haut berücksichtigt. Im nächsten Schritt werden die Dateien ins Labor gesandt und auf dem Stereolithographiesystem Roland MonoFab in nur drei Stunden gedruckt. Das Ergebnis wird sterilisiert, versiegelt und in den Operationssaal gesandt, um als 3D-Modell zur Rekonstruktion der Ohrmuschel zu dienen.
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DURCHGEHENDE MUSTER IN AKTUELLEN MELDUNGEN
Grimms Kolumne
VON TODD GRIMM
TODD GRIMM ist ein treuer Anhänger der additiven Fertigung und hat im Vertrieb einiger der größten Unternehmen der Branche gearbeitet. Derzeit ist Tood als AF-Berater für AMUG tätig.
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tgrimm@tagrimm.com
uf der Bühne gebe ich oft einen Überblick über aktuelle Aktivitäten und die Trends, die sich aus den Meldungen ablesen lassen. Um eine sinnvolle und prägnante Bewertung der Aktivitäten in der additiven Fertigung (AF) zu präsentieren, braucht es viele Tage der Recherche. Ganz so sehr werden Sie sich wahrscheinlich nicht in die Meldungen zur AF vertiefen. Stattdessen picken Sie wohl aus den Meldungen der letzten Woche die Punkte heraus, die sich mit Ihren Bedürfnissen beschäftigen. Das ist verständlich, wenn so viel geschieht und es so viele Neuigkeiten aufzunehmen gilt. Für ein kürzlich durchgeführtes Seminar studierte ich Meldungen von über sechs Monaten, um meine „Was gibt es Neues“-Liste zu aktualisieren. Die Arbeit war anstrengend, aber auch sehr interessant. Sie war mühevoll, aber auch informativ. Ich brauchte sieben Stunden, um sechs Monate an Nachrichten durchzugehen, und dabei las ich nur die Überschriften und überflog den Text, um festzustellen, ob er in den professionellen AF-Markt passt. Trotz ganztägiger Recherche blieb keine Zeit für ein eingehendes Studium und eine gründliche Analyse. Eine solche durchgehende Recherchesitzung ist geeignet, aktuelle Trends zu offenbaren und zu verdeutlichen. Ich freue mich sagen zu können, dass fast alle Trends für AFAnwender positiv sind. Die vorteilhaften Trends umfassten sämtliche Aspekte der AF-Landschaft. Unternehmen greifen die Schwachstellen im Leistungsversprechen der AF auf, um die Einführung zu erleichtern, die Stabilität zu verbessern, die Produktivität zu erhöhen und die Grenzen der Machbarkeit zu erweitern. Wie tun sie das? Sie beschäftigen sich mit Dauer, Kosten, Qualität, Vorhersagbarkeit und Leistungsfähigkeit.
DIE TRENDS
Zwar ist der Hype gegenüber früheren Jahren stark zurückgegangen, jedoch werfen einige Unternehmen weiterhin mit Begriffen wie „Revolution“ und „Transformation“ um sich, um auf sich aufmerksam zu machen. Glücklicherweise war der Großteil der Ankündigungen sowohl praktischer als auch pragmatischer Natur: Sie gaben Einblick in Fortschritte und Durchbrüche bei dem Bestreben, die Einführung zu erleichtern und das Anwendungsspektrum zu erweitern. Hardware: Expansion in alle Richtungen – für jeden ist etwas dabei. 1. Lösungen für die additive Fertigung im Metallbereich sowie Lösungen aus China nehmen weiter rasant zu. 2. Neu erdachte Technologien (frühe Forschung) gehen einher mit zunehmendem Fortschritt (existierende Technologien). 3. Ein aufkommender Trend der Beschäftigung mit der Gesamtanlageneffektivität (GAE) bzw. Overall Equipment Effectiveness (OEE), der Standardkennzahl für die Anlagenproduktivität. 4. Wettbewerb macht Druck auf Preise, begleitet von Alternativen für eine kostengünstige Einstiegslösung. Software: Algorithmen sollen die AF zähmen. 1. Prozesswissen wird in Software eingebettet, um die AF
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vorhersagbarer und leichter nutzbar zu machen. 2. Es entstehen Tools für generatives Design, um die AF-Wissenslücke im Entwurfbereich auszumerzen. 3. Der Direktimport aus der CAD (ohne STL-Format) wahrt die Datenintegrität und beschleunigt den Ablauf. 4. Ein durchgehendes Workflowmanagement von den Daten bis zur Auslieferung unterstützt Verfahren, die mehrere Maschinen und Orte umfassen. 5. Kreative Strategien für den Schutz geistigen Eigentums nutzen die Möglichkeiten der AF. Materialien: Schaffung von Alternativen im Bereich Eigenschaften und Quellen. 1. Erweiterung der Palette von Metallen, Kunststoffen, Keramikwerkstoffen und anderen Materia-lien entsprechend anwendungsspezifischen Anforderungen. 2. Immer wieder kommen neue Player auf den Markt der AF-Werkstoffe. 3. Werkstoffe von Drittanbietern (offene Plattform) beherrschen das Gespräch. 4. Preisdruck durch den Wettbewerb und Vorstoß in die Fertigung, dadurch Preissenkungen und kostengünstigere Rohmaterialien. Prozess: Ausdehnung von Steuerung und Automatisierung auf den kompletten Prozess („End-to-End“). 1. Die Bereiche Prozessüberwachung und -steuerung werden weiter erschlossen. 2. Die Alternativen für automatisierte Nachbearbeitung nehmen zu. 3. „Kontinuierlich“ wird zum Wort der Stunde, bezogen auf Technologien, die Verzögerungen zwischen dem Aufbau der einzelnen Schichten vermeiden, und solche, die mehrere Vorgänge in der AM-Anlage kombinieren. Anwendungen: Auf dem Weg in die Produktion, oft mit zielgerichteten Lösungen. 1. Die Eroberung des Produktionsbereichs (Serienfertigung) geht weiter. 2. Immer mehr zweckbezogen konstruierte Anlagen und Technologien für eine spezifische Nische, Branche oder Anwendung. Geschäft: Mehr Player und größere Betriebe, wobei es im Kern um Kooperation geht. 1. Partnerschaften und Kooperationen dominieren; Unternehmen erkennen, dass die AF kein Einzelsport ist. 2. Große Namen (riesige globale Konzerne) dringen weiter in unsere aufstrebende Branche ein. 3. Beträchtliche Investitionen in die Erweiterung von Betrieben, um Kapazitäten und die globale Reichweite zu erhöhen. 4. Es erfolgen weiterhin Akquisitionen, und zwar, um erforderliche Technologien/Lösungen einzukaufen und direkt an Kundenfeedback zu kommen. Der letzte Trend ist die Verbreiterung der Qualifikationslücke. In unserer Industrie mangelt es an ausgebildeten AF-Profis in großer Zahl, die benötigt werden, um die einigermaßen oder hochgradig anspruchsvollen Anwendungen und Technologien zu beherrschen. Für Mitarbeiter mit diesen Fähigkeiten bedeutet das eine höhere Bezahlung. Für die Unternehmen, die diese Fähigkeiten brauchen, bedeutet es große Mühen, um die AF-Profis zu finden, zu schulen und zu halten, auf die sie angewiesen sind, damit der AF-Betrieb läuft. Fortschritt und Wachstum: So lässt sich die AF-Industrie zusammenfassend beschreiben. Die Trends zeigen, dass wir eine aufregende Zeit erleben, die an jeder Ecke Chancen bietet. Es gibt keine Anzeichen eines Abflauens, sodass alle Indikatoren zu einem gemeinsamen Fazit führen: Es werden sich weitere Chancen ergeben.
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