MAG TCT DEUTSCH BAND 3 AUSGABE 2 www.tctmagazin.de
DIE SCHRANKE DURCHBRECHEN DIE NEUROCHIRURGISCHEN PRODUKTE VON RENISHAW SPIELEN EINE SCHLÜSSELROLLE BEI EINER MEDIKAMENTENSTUDIE ZU DER PARKINSON-KRANKHEIT
MEDIZIN
INSPEX
ARCHITEKTUR
Entwicklungen aus dem 3D-Druck im Gesundheitswesen
Messtechnik, 3D-Scanning, Reverse Engineering und mehr
Brücken bauen, Bauhaus und Riesendrucker
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Editorial
VON DER PLASTIKGABEL BIS ZUR BEKÄMPFUNG VON PARKINSONSYMPTOMEN
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or ein paar Wochen telefonierte ich mit einem Freund, den ich seit Jahren nicht mehr gesprochen hatte. „Was machst du denn jetzt eigentlich beruflich?“ fragte er. „Ich schreibe für ein Magazin, in dem es um 3D-Druck geht.“ – „Echt? Es gibt ein ganzes Magazin nur über 3D-Drucker?“ Wie viele andere Menschen hörte er „3D-Druck“, und dachte nur an Desktop-Maschinen, mit denen sich Hobby-Techniker Plastikfiguren für Kriegsstrategiespiele drucken. Wenn man beruflich nicht damit zu tun hat, kann es einem leicht entgehen, dass sich die additive Technologie mittlerweile in zahlreichen Industrien eine große Scheibe der Fertigung abschneidet und etwa beim Flugzeug- oder Automobilbau schon eine bedeutende Rolle spielt. Ich kann ihm das fehlende Wissen nicht vorwerfen – schließlich war ich mehr oder weniger auf dem gleichen Wissensstand, der sich erst dann erweiterte, als ich die Staffel der Serie „Grey’s Anatomy“ mitverfolgte, in der ein 3D-Drucker für das Krankenhaus angeschafft wurde. Mit diesem wollte Serienheldin Dr. Grey menschliche Organe drucken; nach dem ersten Testlauf der Maschine präsentierte sie ihren erwartungsvollen Kollegen allerdings nur eine 3D-gedruckte Plastikgabel. Wie in der echten Welt also: Das Potenzial ist vorhanden, aber man kann nicht von null auf ein 3D-gedrucktes menschliches Herz springen. Herausforderungen gibt es immer. Manchmal liegen diese in der Nachbearbeitung, denn so schnell der 3D-Druck auch ist, nützt die Geschwindigkeit wenig, wenn danach noch stundenlang per Hand an der rauen Oberfläche nachgefeilt werden muss. Andere schlagen sich mit anfänglich hohen Kosten herum, und rätseln, wie man den Sprung zur Massenproduktion schaffen kann, wie man die Qualität sichert und Standards erstellt, wenn sich mitunter eins von zehn Teilen als Fehldruck herausstellt. Beim eben erwähnten Bioprinting gibt es zurzeit noch Schwierigkeiten,
lebendiges Material zu drucken, das seine Struktur auf Dauer beibehalten kann und im Körper funktioniert. Allerdings gibt es außer dem gedruckten Organ noch viele andere Anwendungen im medizinischen Bereich, von denen wir in dieser Ausgabe einige näher ins Auge fassen. In unserer Titelstory geht es um ein Medikamentenverabreichungssystem, das mit 3D-gedruckten Teilen arbeitet und in einer klinischen Studie zur Behandlung der Parkinson-Krankheit verwendet wurde. Ebenso schauen wir uns die Planung einer komplexen Kiefer-OP in 3D-Software und ihre anschließende Durchführung mithilfe von individualisierten 3D-gedruckten Schienen an. Ein weiterer Schwerpunkt ist die Anwendung des 3D-Drucks in der Architektur – das 3D-gedruckte TINY [BAU]HAUS schlägt hier den Bogen von den Anfängen der Bauhaus-Kunstbewegung vor 100 Jahren direkt ins Jetzt und Hier. Außerdem: eine kürzlich in Shanghai errichtete additiv gefertigte Brücke, und das LASIMMProjekt für 3D-Baudruck im ganz großen Maßstab. Außerdem gibt es ein Feature über Inspex, eine Marke der Rapid News Group, die die Bereiche 3D-Scannen, Messtechnik und Inspektionstechnologie umfasst. In den Artikeln gehen wir unter anderem auf die neuesten Handheld-Scanner und die Scantechnik bei Ford ein. Abschließend möchte ich noch auf unsere deutschsprachige TCT Magazin-Website www.tctmagazin.de hinweisen, die seit Kurzem in vollem Gange läuft. Hier lesen Sie die aktuellsten Neuigkeiten und Entwicklungen aus dem Bereich additive Fertigung. TCT Deutsch ist ebenfalls auf Facebook und Twitter als @TCTMagazin vertreten.
SANDRA TSCHACKERT REDAKTIONSASSISTENTIN
3.2 / www.tctmagazin.de / 03
BAND 3 AUSGABE 2 ISSN 1751-0333
IMPRESSUM CHEFREDAKTEUR
Daniel O’Connor e: daniel.oconnor@rapidnews.com t: + 44 1244 952 398 STELLVERTRETENDE CHEFREDAKTEURIN
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Samuel Davies e: samuel.davies@rapidnews.com t: + 44 1244 952 390 REDAKTIONSASSISTENTIN - TCT DEUTSCH MAGAZIN
Sandra Tschackert e: sandra.tschackert@rapidnews.com t: + 44 1244 952 381 NEWSDESK
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Sam Hamlyn Tracey Roberts
Matt Clarke
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Duncan Wood VP INHALT, STRATEGIE UND KOOPERATIONEN
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BPA Worldwide Membership TITELSEITENBILD: CHRIS MARSHALL / MINT MOTION
BAND 3 | Ausgabe 2
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TITELSTORY 6. DIE SCHRANKE DURCHBRECHEN
INSPEX
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18. SCANNEN ZUM MITNEHMEN
Sam Davies im Gespräch mit Renishaw über eine aufsehenerregende ParkinsonMedikamentenstudie.
Daniel O’Connor freut sich über einen innovativen 3D-Scanner, der tatsächlich handlich ist.
MEDiZIN 10. IM FOKUS: DAS 3D PRINTING CENTER OF EXCELLENCE VON J&J
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12. VIRTUELLE CHIRURGIE, PHYSISCHE NUTZEN
Wie kann 3D-Druck Patienten mit Gesichtsschädeldefekten ihr Gesicht zurückgeben? Ein Artikel von Daniel O’Connor.
13. PORÖS UND HOCHSTABIL
Sandra Tschackert beschreibt die Vorteile der additiv gefertigten Wirbelimplantate von Nexxt Spine.
14. UND WAS GIBT ES SONST NOCH NEUES? Aktuelles im Bereich 3D-Druck aus der Medizinbranche
19. DIE CORACLES VON IRONBRIDGE
Sam Davies erfährt mehr über die traditionsreiche Boote, die mithilfe von 3D-Scannern wiederbelebt werden.
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Laura Griffiths erfährt mehr über die verändernde Kraft von 3D- Druck im Pharma- und Medizinbereich.
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VERPACKUNG
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16. ADDITIVE FERTIGUNG IN DER VERPACKUNGSBRANCHE
Welche Innovationen im Verpackungsbereich gibt es, die über Prototypen hinausgehen? Ein Bericht von Elisabeth Skoda.
20. FORD SCHALTET BEIM SCANNEN EINEN GANG HOCH Die Produktivität steigern und einen effizienten Herstellungsprozess sicherstellen: Ford optimiert Scanprozesse für das Motorprototyping mit Central Scanning.
21. WEITERE NEWS INSPEX
Das Neueste aus dem INSPEX-Bereich.
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ARCHITEKTUR 23. SIM-SA-LASIMM
3D-Druck im großen Stil: Sandra Tschackert erfährt mehr über das LASIMM-Projekt.
24. WO DER INGENIEUR AUFHÖRT, FÄNGT DER ARCHITEKT ERST AN Kleines Haus, große Wirkung. Daniel O’Connor hat sich das Tiny (Bau)Haus, ein Projekt von DUS und Aectual, angesehen.
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26. BRÜCKEN BAUEN
Sam Davies berichtet über eine rekordverdächtige 3D-gedruckte Brücke in Shanghai.
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DIE SCHRANKE TEXT: SAM DAVIES
ANSCHLIESSEND AN EINE VOR KURZEM GEFILMTE BBCDOKU MIT DEM TITEL „THE PARKINSON’S DRUG TRIAL: A MIRACLE CURE?” SPRACH REDAKTIONSASSISTENT SAM DAVIES MIT RENISHAW ÜBER DIE DORT GEZEIGTE MEDIKAMENTENVERABREICHUNGSTECHNOLOGIE UND DIE DAHINTERLIEGENDE INGENIEURLEISTUNG.
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ls die Teilnehmer dem Kamerateam vorgestellt werden, gibt es darunter einen, der sich manchmal stundenlang unkontrolliert auf dem Boden windet. Andere haben sich seit Jahren ohne Hilfe keine Socken selbst anziehen können. Dann gibt es noch diejenigen, die solch einer Zukunft und der damit verbundenen Belastung in die Augen schauen müssen. Bis zu zehn Millionen Menschen weltweit leben mit der Parkinson-Krankheit. Diese Krankheit tötet Dopamin-Zellen ab, die eine wichtige Rolle im Putamen spielen – einem Teil des Corpus Striatum im menschlichen Gehirn, wo Signale ausgesendet werden, die körperliche Bewegungen vereinfachen. Bis jetzt wurde kein Heilverfahren für die Krankheit gefunden. Leute mit dieser Diagnose werden damit sterben und Tag um Tag wird es ein kleines Bisschen schlimmer. 2012 begann im englischen Bristol eine klinische Studie von GDNF (glial cell line-derived neurotrophic factor) zur Behandlung und Heilung des Morbus Parkinson. Es gab 41 Teilnehmer, jeder davon zuerst verzweifelt, dann erwartungsvoll, dann gestärkt, aber letztendlich entmutigt. Nachdem die Teilnehmer bereits eine Reihe von Arztgesprächen durchlaufen hatten, kam jeder einzeln an und setzte sich in den Operationsstuhl – bereit, sich einer komplexen Gehirn-OP zu unterziehen, bei der das von Renishaw für den North Bristol NHS Trust gefertigte Medikamentenverabreichungsgerät neuroinfuse in das Hauptorgan
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5 CHIRURGISCHE PLANUNG IN DER NEUROINSPIRE-SOFTWARE. BILDQUELLE: RENISHAW
des menschlichen Nervensystems implantiert wurde. Das Verabreichungssystem besteht aus einem additiv gefertigten Titan-Port mit vier individuellen Kanälen, die an vier Katheter angeschlossen sind. Diese werden in das Putamen des Gehirns eingesetzt. Der Port wird dann am Schädel befestigt und das Knochenmaterial wächst um ihn herum. Nur das obere Ende des Ports, an dem ein Hilfsmittel zur Infusion des Medikaments angeschlossen wird, ragt aus der Haut hervor. Der Port ist 3D-gedruckt und wurde bearbeitet, um die notwendigen Oberflächen zu erzielen – ein schönes Finish am sichtbaren Ende, und am Teil unter der Haut ein angerautes, das die Integration in die Haut und den Knochen ermöglicht. Titan wurde aufgrund seiner Bio- und MRT-kompatibilität als Material dafür gewählt. Die Chirurgen nutzen MRT-Scans,
um den Einsatzort der Katheter zu überwachen. Dieser Prozess wurde zunächst in der chirurgischen Planungssoftware neuroinspire von Renishaw entworfen. Die Softwareplattform erlaubt es Ärzten, MRT- und CT-Scandaten miteinzubeziehen und sie miteinander zu kombinieren, wodurch sie das Weichgewebe im Gehirn und das Hartgewebe um das Gehirn herum abschätzen können. Von dort aus können die Chirurgen dann den Bereich erkennen, auf den sie abzielen wollen, sowie die Bereiche, die sie lieber vermeiden würden – das erzählte Paul Skinner, General Manager bei der Neurological Products Division von Renishaw, gegenüber TCT. „Sie platzieren CAD-Bilder der Katheter und des Ports in die richtige Position für den jeweiligen Patienten und planen dann die ganze Operation
TITELSTORY
DURCHBRECHEN
Moleküle werden ins Organ übergehen. Aber das Gehirn hindert große Moleküle am Eindringen, verhindert so also das Eindringen von Giftstoffen, was im Normalzustand gewünscht ist, aber wenn man das Gehirn einer Therapie unterziehen will, dann müssen die Stoffe aus dem Blutkreislauf ins Gehirn kommen. Wenn das nicht möglich ist, muss ein anderer Weg her.“ Über mehr als ein Jahrzehnt von Forschung und Entwicklung in der Neurowissenschaft hinweg hat ein Team mithilfe der Technologie von Renishaw diesen Weg gefunden. Jeden Monat mussten die Teilnehmer in der GDNFStudie für ihre Infusionen ins Krankenhaus zurückkommen, wobei die Chirurgen den neuromate-Roboterarm und seine präzisen Zielfähigkeiten zur Unterstützung dabeihatten. In den ersten neun Monaten der Studie bekam die Hälfte der Teilnehmer ein Placebo, während die andere Hälfte das tatsächliche Medikament erhielt. Während der zweiten neunmonatigen Phase wurde bei allen Patienten GDNF injiziert, da die Ärzte entschieden hatten, dass es aus ethischer Sicht unrecht wäre, die Patienten einer Gehirn-OP auszusetzen, wenn sie das GDNF-Medikament nie erhalten würden.4
5 DER NEUROMATE-ROBOTERARM. BILDQUELLE: RENISHAW
BILD: CHRIS MARSHALL / MINT MOTION
innerhalb der Software – sie würden also vier Katheter genau an die gewünschte Stelle setzen und sich diese Stelle im Gehirn anschauen, aber auch den Weg dorthin von der Außenseite des Schädels aus, unter Vermeidung von Blutgefäßen und anderen kritischen Strukturen.“ Ein Blutgefäß zu treffen würde mit hoher Wahrscheinlichkeit in einem Schlaganfall beim Patienten resultieren. Die Darstellung der Scandaten durch die neuroinspire-Software sieht oft aus wie ein Rankengewächs, durch das Chirurgen einen digitalen Slalomlauf absolvieren müssen, um das Gerät auf sichere Art und Weise zu implantieren. Die Prozedur trägt ein hohes Risiko mit sich, aber für die Parkinson-Krankheit und andere Gehirnerkrankungen wie Tumore oder Demenz müssen Therapeutika direkt in das Organ infundiert werden, um die beste Chance auf eine bedeutsame Auswirkung zu erzielen. „Das Gehirn hat einen Mechanismus, mit dem es große Moleküle davon abhält, aus dem Blutkreislauf in das Gehirn zu dringen – das wird ‚Blut-Hirn-Schranke’ genannt“, erklärt Skinner. „Bei jedem anderen Organ des Körpers kann man etwas in den Blutkreislauf geben, und die
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TITELSTORY
5 HIER WIRD DEMONSTRIERT, WIE
DAS GDNF-MEDIKAMENT DURCH DAS NEUROINFUSE-GERÄT IN DAS PUTAMEN EINGEFÜHRT WIRD
Die erste Hälfte der Studie verlief nicht ganz ohne Probleme. Eine Implantation des Verabreichungssystems war inakkurat und daher wurde eine nicht ausreichende Dosis des GDNF in das Putamen verabreicht. Gleichzeitig hatte sich bei fünf Teilnehmern der Titan-Port gelockert. Die schiefe Implantation war auf Benutzerfehler zurückzuführen und eine zweite OP war deshalb nötig; bei den lockeren Ports lag es aber an Renishaw, eine Lösung zu finden. „Zu diesem Zeitpunkt musste sich der Port vollständig auf Knochenintegration verlassen, also war nichts festgeschraubt“, so Skinner. „Wir fügten dem Port ein weiteres Teil hinzu, das tatsächlich am Schädelknochen festgeschraubt war – es war also während des Zeitraums, in dem die Integration in den Knochen passierte, bereits festgeschraubt. Davor wurde es mit Druck fixiert; ein Loch wurde gebohrt und der Port wurde hereingedrückt. Unsere Lösung war, Stützbeine daran anzubringen, die auf die Schädeloberfläche festgeschraubt wurden, damit der Port während des Heilungsvorgangs stabil blieb.“ Alle zwei Monate durchliefen die Patienten Baseline-Tests, um ihren Fortschritt beurteilen zu können. Sie legten etwa einen Finger auf die Nase, drehten ihre Hände um oder berührten Punkte an beiden Enden eines Tisches so schnell wie möglich. Es gab ermutigende Anzeichen. Als die Studie ihren Höhepunkt erreichte, konnten e i n i g e Te i l n e h m e r ihren Daumen und kleinen Finger zusammenlegen, andere konnten joggen, und eine Frau berichtete, dass ihre Tremores komplett aufgehört hatten. 2014 hatte der Pharmagigant Pfizer eine exklusive Lizenzvereinbarung mit MedGenesis (den Inhabern von GDNF) erreicht, um das Medikament voranzubringen. Aus Hoffnung wurde langsam eine Erwartungshaltung. Jeder der 41 Teilnehmer war bei der gleichen Telefonkonferenz dabei, in der die Ergebnisse der Studie angekündigt wurden. Man hatte bei den Teilnehmern, die in den ersten neun Monaten GDNF erhielten, eine 20-prozentige Verbesserung im Vergleich zur Placebo-Gruppe benötigt. Der Unterschied betrug lediglich 6%. Die Teilnehmer durften kein GDNF
mehr erhalten und mussten sich auf ihr vorheriges Medikament umstellen. Kurz darauf beschloss Pfizer, sich aus jeglicher neurowissenschaftlichen Forschung zurückzuziehen und somit nicht mehr an der Weiterentwicklung von GDNF mitzuarbeiten. In der Gruppe herrschte enttäuschte Stimmung, aber durch ihren Mut und ihre Hingabe an die Sache hatten sie zumindest einen Fuß in die Tür bekommen. Dank dieser Studie wissen sie, dass eine komplexe Prozedur erfolgreich durchgeführt werden kann; sie wissen, dass GDNF eine positive Auswirkung auf Menschen mit ParkinsonKrankheit haben kann; sie wissen, dass das Medikamentenverabreichungssystem funktioniert. So müssen es die Ärzte, Teilnehmer und Konzernvertreter sehen. Die neurologischen Produkte von Renishaw werden inzwischen bei über 18 zusätzlichen Parkinson-Erkrankten in Schweden und Finnland angewendet, wobei ein anderes, von Herantis Pharma entwickeltes Medikament (CDNF) infundiert wird. Es ist eine weitere Studie für das Vereinigte Königreich geplant, in der das Gerät Chemotherapie an Kinder mit Gehirntumoren verabreichen wird. Die aus diesen Programmen entstandenen Daten werden Renishaw bei ihrem Anstreben der CE-Kennzeichnung und Genehmigung durch die FDA helfen, bevor neuroinfuse dann auf den Markt gebracht wird. „Wir können unser System genehmigen lassen, aber es braucht ebenfalls Medikamente, die zur direkten Verabreichung ins Gehirn genehmigt sind“, betonte Skinner. „Anfänglich wird unser Markt in pharmazeutischen Unternehmen angesiedelt sein, die für ihre Medikamente Studien durchführen wollen, um sie genehmigen zu lassen – wir planen deshalb, unsere Systeme für die Verwendung in klinischen Studien zu verkaufen. Sobald sie genehmigt sind, werden wir sie in Verbindung mit dem genehmigten Medikament vermarkten, um damit Patienten überall in der Welt behandeln zu können.“ MedGenesis bemüht sich zurzeit um Investition für eine weitere GDNFStudie. Die Studie von Herantis Pharma läuft weiter. Währenddessen ist Renishaw sich sicher, dass seine neurologischen Produkte im Laufe der Zeit kommerzialisiert werden können. Und Millionen Menschen rund um die Welt drücken die Daumen – soweit sie können – und hoffen, dass bald noch mehr Schranken durchbrochen werden.
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IM F KUS: DAS 3D PRINTING CENTER OF EXCELLENCE VON J&J TEXT: LAURA GRIFFITHS
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ie Brüder Robert, James und Edward Wood Johnson gründeten die Firma Johnson & Johnson mit dem Ziel, die ersten massenproduzierten antiseptischen chirurgischen Verbände und Nahtmaterial herzustellen, 50 Jahre, bevor der 3D-Druck überhaupt erfunden wurde. Heute ist die Firma eine führende Kraft im medizinischen, pharmazeutischen und Endverbrauchermarkt und ein Vorreiter bei hochmodernen Technologien im Gesundheitswesen. Laut J&J ist der 3D-Druck ist nur eine der Technologien, die bei einigen Herausforderungen und Chancen im Gesundheitswesen helfen kann, insbesondere bei der individualisierten Pflege. Deshalb hat das Unternehmen sein J&J 3D Printing Center of Excellence (CoE) erschaffen, ein Netzwerk von Entwicklungszentren und kollaborativen Labors auf dem neuesten Stand der Technik, das mit führenden Forschungsuniversitäten und in allen Schlüsselindustrien von J&J arbeitet. Im Gespräch mit TCT erklärte Sam Onukuri, Leiter des J&J CoE, wie dieser Ansatz es der Firma erlaubt, Produkte viel schneller zu entwickeln, zu testen und zu kommerzialisieren. „Ich beschreibe das Johnson & Johnson 3D Printing Center of Excellence oft als einen Knotenpunkt für Innovation, der
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unsere Angebotsbreite und unseren Maßstab nutzt, um die Art und Weise, wie Johnson & Johnson Gesundheitslösungen mithilfe von 3D-Druck schafft, weiterzuentwickeln“, erklärt Sam. „Wir investieren in Weltklasse-Leistungsfähigkeit im 3D-Druck, sodass wir zusammen mit Patienten, Verbrauchern und Anbietern Innovationen direkt vor Ort schaffen können“. Das CoE ist auf Primäranwendungen spezialisiert, darunter chirurgische Werkzeugherstellung, individualisierte Metall- und Polymerimplantate und andere Medizinprodukte, personalisierte Medikamente, Ophthalmologie und Bioprinting, aber auch auf Nischenbereiche wie z.B. gedruckte Elektronik und Mikro-3DDruck. In so ziemlich jedem Bereich, in dem man sich 3D-Druck vorstellen kann, ist J&J eifrig mit dabei, und Vorteile gibt es reichlich. Schnelle Produkteinführung, Zugang auf Anfrage, Effizienz bei der Herstellung, innovative Designmöglichkeiten und, vielleicht am wichtigsten, Patientenanpassung und -personalisierung zeigen sich als enorm wertvoll für die Patienten. „Der 3D-Druck kann wirklich alles verändern, wenn es um Personalisierung geht“, fährt Sam fort. „Er erlaubt uns, angepasste Werkzeuge und Behandlungen zu erschaffen, ob das ein Verbraucherprodukt wie die neue Neutrogena MaskiD ist, oder ein individuell entworfenes orthopädisches Implantat. Produkte und Instrumente können auf eine Art hergestellt werden, die
Medizin bei großvolumiger, subtraktiver Herstellung nicht möglich ist. Mit 3D-Technologie schaffen wir die Fähigkeiten, neue Lösungen weltweit schneller und effizienter zu liefern, sogar in abgelegene Regionen.“ Ein Bereich, in dem J&J durch 3D-Technologien den größten Wert für Patienten erkennt, ist in patientennaher klinischer Pflege. Wenn man medizinischen Mitarbeitern im Haus oder vor Ort Zugang zu Technologien gibt, können diese etwa patientenspezifische anatomische Modelle zur chirurgischen Planung und Patientenaufklärung nutzen, oder aber personalisierte Instrumente und Implantate für Operationen und personalisierte Schienen oder Exoskelette für die postoperative Pflege. Das Resultat: Ein besseres Erlebnis für Patienten und für Chirurgen. „Wir führen Point-of-Care Studien in mehreren Ländern durch, um 3D-gedruckte anatomische Modelle und OPSchablonen zu liefern“, erklärt Sam. „Das ist ein spannender Bereich, den wir aus kommerzieller Sicht anführen, und wo wir uns von der Produktorientierung zu einem lösungsorientierten Modell hinbewegen, welches in Echtzeit und auf Anfrage Konnektivität mit sowohl dem Patienten als auch dem Gesundheitsdienstleister bietet.“ Personalisierte chirurgische Instrumente und Produkte wie die TRUMATCH Titan-3D-Implantate von J&J für Verwendung bei Gesichtsrekonstruktionen gibt es bereits im echten Leben, aber J&J führt auch frühe Entwicklungen bei zukunftsorientierteren Bereichen wie dem Bioprinting an. Der Prozess arbeitet mit „Biotinten“ und druckt mit lebendem Gewebe komplexe Strukturen für die Herstellung, Reparatur und Regeneration von menschlichen biologischen Strukturen. Während wir auf funktionierende 3D-gedruckte Organe noch einige Jahre warten müssen, hat J&J ein kollaboratives Labor mit AMBER – dem von der irischen Science Foundation geförderten Institut am Trinity College Dublin – etabliert, um eine neue Art von 3D-Bioimplantaten zu entwickeln, die kranke Gelenke regenerieren können, statt sie zu ersetzen. Das Ziel ist es, eine „Toolbox“ von Biomaterialien zu entwickeln, die für eine Reihe von Anwendungen verwendet werden kann und im Vergleich mit aktuellen Metall- und Polymerlösungen bessere Resultate bieten kann. „Vor ein paar Jahren herrschte unglaubliche Begeisterung für das Bioprinting, als es Nachrichten aus der akademischen Forschung über das Potenzial für 3D-gedruckte Organe gab. Das ist definitiv ein faszinierender Forschungsbereich, aber noch nicht Realität“, kommentierte Sam. „In der nahen Zukunft schauen wir uns bei Johnson & Johnson eine breite Auswahl von Anwendungen an, bei denen das Bioprinting dem Patienten potenziell einen Mehrwert einbringen könnte, während wir an komplexeren Geweben und Strukturen für zukünftige Innovationen arbeiten.“ J&J hat mit einem Mikro-3D-Druckprozess bereits eine ähnliche Technologie in der Entwicklung seiner Neutrogena MaskiD genutzt. Dabei handelt es sich um eine personalisierte Hydrogel-Gesichtsmaske, die mit Zellulose aus dem Johannisbrotbaum und Rotalgen hergestellt wird und mit einer Kombination aus fünf Hautpflege-Zutaten 3D-gedruckt wird. Das Produkt wurde dieses Jahr eingeführt und nutzt Patientendaten von einer 3D-Mobiltelefonkamera, um eine individualisierte Hautpflegelösung zu kreieren. Neben neuen Technologien sind Partnerschaften ebenfalls ein wichtiger Teil des strategischen Fahrplans von J&J. Allein im Bereich 3D-Druck ist die Firma mehr als 50 strategische Kollaborationen weltweit eingegangen – mit Technologiefirmen, akademischen
SHOWN:
SAM ONUKURI, LEITER DES J&J’S COE
Instituten, Krankenhäusern und Regierungsbehörden. Diese dienen dazu, das Expertenwissen der führenden Akteure im Fachbereich zusammenzuführen und so die Produktplattformen voranzutreiben. Ein Partner ist etwa die 3D-Druckfirma Carbon aus dem Silicon Valley, mit der sich J&J zusammenschloss, um chirurgische Instrumente für die Orthopädie zu entwickeln und deren Digital Light Synthesis-Technologie zu nutzen, oder HP, mit denen J&J im Jahr 2016 zusammenarbeiteten, um Instrumentation und Software für patientenspezifische Gesundheitsausrüstung zu personalisieren. Das Unternehmen tätigte außerdem eine Reihe von strategischen Übernahmen, darunter von Emerging Implant Technologies GmbH, einem deutschen Hersteller von 3D-gedruckten Titan-Zwischenwirbel-Implantaten für Wirbelkörperverblockung – das Unternehmen wurde an Bord gebracht, um die Fähigkeiten von J&Js Orthopädiefirma DePuy Synthes zu erweitern. „Es ist unsere Mission, mit einigen der Spitzen-Intellekte weltweit zusammenzuarbeiten“, fügt Sam hinzu. „Mit einem extensiven Netzwerk von Partnern zu arbeiten erlaubt es uns, an der vordersten Front zu bleiben, wenn es darum geht, 3D-Druck über unseren gesamten Geschäftsbereich hinweg miteinzubeziehen.“ Vor dem Hintergrund von bereits auf den Markt gebrachten maßgeschneiderten medizinischen Lösungen und Verbraucherprodukten sagt J&J, dass sie in jedem dieser Bereiche weiter innovieren werden, mithilfe einer starken Zufuhr von Produktionen und Anwendungen – auch im pharmazeutischen Bereich. Letztendlich, sagt Sam, geht es darum, mit 3D-Druck einen besseren Draht zu Patienten und Verbrauchern zu schaffen. Dafür gibt es eine ganze Reihe von aufkommenden Technologien und Entwicklungen, die das möglich machen können. „Wir können nun beobachten, wie komplexere Materialien in das digitale Ökosystem integriert werden – mit dem Internet der Dinge, der Sensortechnologie, Mobilnetzwerken – das wird Verbrauchern und Patienten die das Leben einfacher machen“, fasst Sam zusammen. „Für Medizinprodukte wird die Vielseitigkeit von Materialien, inklusive biokompatibler und bio-gedruckter Materialien, ein Auslöser für echte Veränderung sein. Und das Mikro-Drucken – mit kleinen, hochpräzisen Funktionalitäten, die vielleicht in minimal invasiven Produkten genutzt werden können – ist ein weiterer Fortschritt im 3D-Druck, der die Landschaft verändern wird.“
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Medizin
VIRTUELLE CHIRURGIE, PHYSISCHE NUTZEN TEXT: DANIEL O’CONNOR
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wanzig Prozent der Bevölkerung leiden Schätzungen zufolge an einem bestimmten Grad von Gesichtsschädel-Defekt leiden. In der Mehrzahl davon ist eine kieferorthopädische Versorgung (Zahnklammern, Aligner-Schienen) ausreichend, aber in etwa 5% der Fälle ist eine korrektive Kieferoperation oder orthognathe Chirurgie nötig. Obwohl er Routine ist, ist der Prozess des Entfernens, Neuverformens und Verschiebens von Knochen, wie man sich vorstellen kann, recht komplex. Die neuesten Fortschritte in der Technologie, insbesondere in der 3D-Technologie, haben die Genauigkeit deutlich verbessern und die Operationsdauer reduzieren können. Zahnchirurg Deepak Krishnan von UC Health in Cincinnati operierte in diesem Fall an einer Patientin, bei der eine einseitige Lippen- und Gaumenspalte vorhanden war. Die Diagnose lautete: maxilläre Hypoplasie, mandibuläre Hyperplasie und Gesichtsasymmetrie, was zu Schwierigkeiten beim Kauen, und beim Sprechen sowie zu Entstellung führte. Ein Termin für eine doppelte Kieferoperation wurde festgesetzt, und dann mit dem VSP Orthognathie-Service von 3D Systems vorausgeplant. Die digitalen 3D-Modelle, welche als Grundlage des VSPSystems dienen, liefern Klinikern eine vollständigere Ansicht der an sich einzigartigen Anatomie jedes Patienten. Das erlaubt es dem leitenden Chirurgen, patientenspezifische anatomische Diskrepanzen genau zu visualisieren und zu analysieren, eine Vielzahl an Behandlungsmöglichkeiten für jeden Patienten zu erkunden, und potentielle Hürden in der Operation zu veranschaulichen, im Voraus zu erkennen und miteinzuplanen. Das Planen einer OP mit VSP Orthognathics beginnt mit dem Senden der medizinischen Bildgebungsdaten des Patienten an 3D Systems – diese Daten werden mithilfe von CT oder CBCTTechnologie erstellt – um ein digitales 3D-Modell der genauen Anatomie des Patienten herzustellen. Für diese Operation wurden Dentalmodelle ebenfalls auf einen CT-Scan überlagert,
5 VOR UND NACH DER OPERATION 4 DIE 3D SYSTEMS-SOFTWARE ZEIGT IN EINER VIRTUELLEN OP DIE ENDGÜLTIGEN POSITIONEN
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um den bestmöglichen Gebissschluss sicherzustellen. Die patientenspezifische 3D-gerenderte Anatomie wird dann online mit den biomedizinischen Ingenieuren von 3D Systems geteilt. Mithilfe von 3D-Software manipulieren diese dann das digitale Modell der Patientenanatomie in Echtzeit, und können so Patientendiskrepanzen analysieren, chirurgische Osteotomien simulieren, Knochenverschiebungen vollziehen und potenzielle Komplikationen bei der OP identifizieren. Die Platzierung der wiederaufbauenden Platten oder Knochentransplantate kann, wenn diese verschrieben sind, in VSP Online-Sitzungen ebenfalls genau simuliert werden. Dr. Krishnan plante die Operation mithilfe des VSP Orthognathie-Teams von 3D Systems, indem er die Abfolge der Manöver durchlief, die er vornehmen wollte, um der Patientin eine ideale anatomische Korrektur zu liefern. „VSPPlanungssitzungen sind unschätzbar wertvoll, wenn man die Anatomie und Einzelheiten des Patienten verstehen will“, so Dr. Krishnan. „Bei der Online-Sitzung fordert Dr. Krishnan jedes Manöver an und der Ingenieur von 3D Systems aktualisiert das digitale Modell in Echtzeit, um das gewünschte Resultat widerzuspiegeln. Am Ende der Sitzung war jedes chirurgische Update und Hindernis bearbeitet worden, sodass das von Dr. Krishnan geplante Resultat ermöglicht wurde.
WIE DER OPERATIONSPLAN IN DEN OP-SAAL ÜBERTRAGEN WIRD
Nach der Online-Planungssitzung wurden die Aufbiss-Schienen von den biomedizinischen Ingenieuren von 3D Systems entworfen und mit einem SLA-3D-Drucker gefertigt. Diese verwendete Dr. Krishnan in der Operation, um die Knochenanatomie korrekt zu platzieren. Die SLA-Schienen werden vor ihrer Verwendung im OP-Saal vom Chirurgenteam sterilisiert. In der VSP-Planungssitzung entschied Dr. Krishnan, zunächst den Unterkieferknochen zu verschieben. Daher wurde eine zwischenzeitliche Schiene geschaffen, um die oberen und unteren Zähne miteinander in Verbindung zu bringen. Sobald der Unterkiefer in der OP positioniert wurde – den digital vorausgeplanten Manövern entsprechend – fixierte das Chirurgenteam ihn dort mit Platten und Schrauben. Nach der vorläufigen Schiene wurde eine zweite, endgültige Schiene benutzt, um den Oberkiefer am Unterkiefer auszurichten und so bei der Patientin den korrekten Gebissschluss zu erreichen. Dr. Krishnan sagt, dass das VSP-System es ihm ermöglichte, Zeit im OP-Saal zu sparen, indem er seine Bewegungen exakt vorausplanen konnte. „Die patientenspezifischen Schienen stellten sicher, dass die geplanten Manöver ausgeführt wurden, und minimierten die ‚Zimmerei’ während der OP“.
Medizin
PORÖS UND HOCHSTABIL TEXT: Sandra Tschackert
D
er in Noblesville, Indiana ansässige Medizinproduktehersteller Nexxt Spine installierte kürzlich seine fünfte Concept Laser Mlab-Maschine von GE Additive, um weiter im Markt für Wirbelimplantate Fuß zu fassen. Die Firma stellte nach ihrer Gründung 2009 mit herkömmlichen subtraktiven Herstellungsmethoden zunächst Spezial-Wirbelschrauben, -stäbe, und -platten her. 2017 wurde dann erstmals in additive Technologie investiert. Die Firma fertigt inzwischen additiv gefertigte Fusions-Wirbelimplantate, die vernetzte Mikrogitterstrukturen miteinbinden, mit dem Ziel, bessere Knochenleitung, -verankerung, und -verschmelzung zu erzielen. Alaedeen Abu-Mulaweh, Director of Engineering bei Nexxt Spine, sagt: „Wir nutzten den ersten Mlab hauptsächlich zu F&EZwecken, wurden uns aber bald bewusst, dass weitere Investition in additive Technologie uns einen Mehrwert einbringen könnte, nicht nur bei unserer allgemeinen Wachstumsstrategie, aber auch auf dem Level der klinischen Anwendung, mit der Fähigkeit, Implantate mit sehr komplizierten Mikro-Geometrien zu entwickeln, die die Heilung maximieren könnten.“ Die 3D-Technologie kommt vor allem beim Nexxt MatrixxSystem des Unternehmens zum Tragen – es handelt sich dabei um eine Serie von 3D-gedruckten, porösen Titan-Wirbelimplantaten, die additiv gefertigte Zellgerüststrukturen und hochdifferenzierte Oberflächenstrukturierungstechnologie miteinander verbinden. Während andere Hersteller im medizinischen Bereich additive Fertigung dazu nutzen, die trabekuläre (bälkchenförmige) Geometrie des Knochens nachzuahmen, entschied Nexxt Spine stattdessen, die Porosität von Zellen mit technischen Kerngrundsätzen zu kombinieren, um strukturell solide Produkte herzustellen, die die Knochenfusion fördern sollen. „Titan – ob porös oder nicht – ist physisch nicht in der Lage, biologische Umformung herbeizuführen, daher macht es nicht
viel Sinn, die strukturelle Zufälligkeit der Knochen mit additiver Technologie direkt nachzuahmen.“, erklärt Alaedeen. „Statt nur wie Knochen auszusehen, wurde Nexxt Matrixx unter Berücksichtigung der Funktionalität entworfen, um unsere Vision von der aktiven Ermöglichung der natürlichen Zellheilungskraft des Körpers zu erfüllen.“ Die Porosität des Materials fördert den Knocheneinwuchs in das Implantat, damit dieses besser hält und dem Patienten mehr Stabilität bietet. Beruhend auf Studien, die gezeigt haben, dass 300 μm oder mehr messende Poren die Gefäßneubildung erhöhen und unterstützen – was dann zur Knochenbildung führt – sind die Poren in den Gitterstrukturen der Implantate 300, 500 oder 700 μm groß. Weiters haben Studien gezeigt, dass texturierte Oberflächen aus Titanlegierungen eine positive Knochenreaktion hervorrufen, einschließlich einer erhöhten Differenzierung der Osteoblasten (Zellen, die für die Bildung von Knochengewebe verantwortlich sind) und Knochenintegration an der Oberfläche. All dies ist in das Design der Implantate eingeflossen. Stephan Zeidler von GE Additive, Hersteller der Mlab-Drucker, kommentierte: „Wir beobachten eine fortlaufende Annahme der additiven Fertigung in der Orthopädie-Industrie und eine begeisternde Umstellung von Forschung und Entwicklung auf Serienproduktion. Frühe Innovatoren wie Nexxt Spine skalieren auf, und es gibt ein bedeutsames Wachstum bei den Produktionsmengen.“ Laut der Firma wurden bislang mehr als 1.400 Nexxt Matrixx-Produkte bei Patienten implantiert. Wissenschaftliche Erkenntnisse mit soliden technischen Grundlagen zu kombinieren lohnt sich offenbar.
4 PRODUKTE DER NEXXT MATRIXX-SERIE 6 VERGRÖSSERUNGEN ZEIGEN DIE KOMPLEXE STRUKTUR
UND OBERFLÄCHENTEXTUR DER IMPLANTATE
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MEDizin
UND WAS GIBT ES SONST NOCH NEUES?
3D-GEDRUCKTES, FDA-GENEHMIGTES WIRBELSÄULENIMPLANTAT VON OSSEUS FUSION SYSTEMS ERFOLGREICH IMPLEMENTIERT
Die 3D-gedruckten, von der FDA genehmigten Titan-Wirbelsäulenimplantate von Osseus Fusion Systems wurden zum ersten Mal erfolgreich von Joseph Spine, einem Zentrum für Wirbelsäulen- und Skoliose-Chirurgie angewendet. Die Firma aus Texas erhielt im vergangenen August die Validierung für ihre lumbalen Zwischenwirbel-Fusion-Produkte, welche nun in die Praxis umgesetzt wurden.
UNYQ GIBT NEUEN 3D-GEDRUCKTEN SCHAFT FÜR BEINPROTHESEN BEKANNT Unyq, ein Entwickler von maßgeschneiderten medizinischen tragbaren Produkten, hat einen 3D-gedruckten Schaft für Beinprothesen bekannt gegeben, der ab sofort bestellt werden kann. Der Prothesen-Schaft ist der erste von mehreren Neuzugängen der tragbaren Prothesen-Linie des Unternehmens, die bis Ende 2021 erscheinen sollen. Das Portfolio von Unyq besteht zurzeit aus Prothesenabdeckungen, die Prothesen schützen und ihre Haltbarkeit verbessern sollen, und tragbaren Wirbelsäulenstützen. Die Prothese wird an den bestellenden Kunden angepasst und verspricht niedriges Gewicht, indem sie einen Großteil des Metallgehalts, der in traditionellen Prothesen zum Einsatz kommt, vermeidet. Der Schaft wird am Stumpf befestigt, soll die Kundenzufriedenheit steigern und zudem mithilfe von eingebetteten Sensoren die Kardio-Aktivität des Benutzers sowie die gelaufenen Schritte, verbrannten Kalorien, usw. erfassen. Der Schaft wurde ebenfalls auf ISO 10328 getestet – dieser Prozess untersucht die strukturelle Stärke von Unterschenkelprothesen.
AURORA UNTERZEICHNET KOLLABORATIONSVEREINBARUNG ZUR ENTWICKLUNG VON 3D-GEDRUCKTEN MEDIZINISCHEN IMPLANTATEN Die australische 3D-Druckfirma Aurora Labs hat eine Kollaborationsvereinbarung mit der University of Western Australia (UWA) und dem Royal Perth Hospital (RPH) zur Entwicklung von 3D-gedruckten Titan-Implantaten unterzeichnet. Das Ziel des Projekts ist es, Designs, Spezifikationen und Parameter für medizinische Implantate zu entwickeln, die mit dem S-Titanium Pro-Drucker von Aurora gefertigt werden. Die UWA will die Eigenschaften der Implantate optimieren, damit diese für das Einwachsen von Gewebe geeignet sind, und Materialien analysieren, die die beste Größe und Verteilung bestimmen, um konsistente Druckergebnisse zu erzielen. In der Zwischenzeit wird Aurora seine Maschinen und Betriebsstoffe zur Verfügung stellen und das RPH liefert Designs und Anwendungsberatung für Kraniologie-Platten. Die Parameter, die auf diese Weise entwickelt werden, liefern die Basis einer Gebrauchsanweisung für das Drucken von menschlichen Medizinimplantaten mit der Aurora-Technologie. Die Partner werden sich bei der Austrade um einen Innovation ConnectionsZuschuss über rund 26.000 AUD für das Projekt bewerben.
Diese Implantate werden mit dem zum Patent angemeldeten PI3xus-Prozess in volumenangepassten Serien mit MetallAdditive-Manufacturing gefertigt. Die Aries-Zwischenwirbel werden mit Biomaterialien und Knochenspan gefüllt und zwischen zwei Wirbeln eingesetzt, wo sie sich mit der Wirbelsäule vereinigen und helfen, Schmerzen zu vermeiden.
EMTEL NUTZT 3D-DRUCK BEI DER HERSTELLUNG VON DEFIBRILLATOREN Die Firma Emtel, ein polnischer Hersteller von elektronischen Medizingeräten, setzt 3D-Drucktechnologie bei der Herstellung von Defibrillatoren und Patientenüberwachungsgeräten ein. Das Unternehmen nutzt 3DGenceTechnologie für das Prototyping und die Herstellung von Endteilen. In einem Fall hatte Emtel das Prototyping eines Behälters für ein Patientenüberwachungsgerät bei einer externen Firma beauftragt, was die Kosten steigerte. Mit dem 3DGence ONE erreichte die Firma eine zehnfache Kostenreduktion und verkürzte die Produktionszeit von 30 auf 5 Tage. „Wir drucken mit einem 3DGenceDrucker eine Vielzahl von mechanischen Details, die ohne Verlust von Stärke oder Qualität einige der traditionellen Aluminium- und Kunststoffteile ersetzen könnten, die wir bisher in unseren Produkten verwendet haben“, so Wojciech Przybycień von Emtel. „Der Einsatz von 3D-Drucktechnologie erlaubt es uns, flexibler zu sein.“
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TEXT: ELISABETH SKODA
ADDITIVE FERTIGUNG IN DER VERPACKUNGSBRANCHE
I
m „Hauptberuf“ arbeite ich als Redakteurin bei TCTs Schwesterpublikation Packaging Europe, und bin auch als Korrekturleserin bei der deutschen Ausgabe von TCT tätig. Nun habe ich mir die Frage gestellt: Welche Rolle spielt die additive Fertigung in der Verpackungsbranche? Auf der Suche nach Antworten habe ich interessante Projekte gefunden, die 3D-Druck und Verpackung innovativ kombinieren – von Reverse Engineering für langlebigere Verpackungsmaschinen bis zu nachhaltigeren Kaffeebechern und kreativen Verwendungszwecken für Verpackungsmüll.
REVERSE ENGINEERING GEGEN DEN VERSCHLEISS
Die Chocolate Factory in Rotterdam stand vor dem Problem, dass die Hochgeschwindigkeitsanwendungen beim Verpackungsprozess von Schokolade zu einem hohen Verschleiß einzelner Teile führten, und suchte nach Lösungen, um den Teilaustausch einfacher und schneller zu machen. Die Chocolate Factory verpackt maschinell eine Reihe an Schokoprodukten. Sobald die letzte Schokolade verpackt ist, hebt ein hakenförmiges Metallteil die
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Stangen an und schiebt sie zur nächsten Stufe auf dem Förderband. Aufgrund der großen Produktvielfalt muss die Maschine regelmäßig angepasst werden. Bei falscher Stangenzuführung kann sich das jeweilige Bauteil verklemmen und einknicken. Der Austausch dieses Bauteils und die Reparatur war kostspielig und zeitintensiv. Das Projekt in Zusammenarbeit mit Visual First startete mit der digitalen Produktion des Bauteils durch Reverse Engineering, also der Konstruktion eines 3D-Modells eines existierenden Bauteils. „Nachdem wir das Bauteil modelliert hatten, konnten wir mit diesem 3D-Modell Testdrucke auf unserem Leapfrog 3D-Drucker erstellen. Die ersten beiden Tests wurden mit den ColorFabb-Materialien XT und HT, starken, robusten Kunststoffen durchgeführt. Sie sind sehr gut für andere Anwendungen geeignet, aber für diese Maschine war die Materialflexibilität zu hoch und die Festigkeit, die nötig ist, um das Metall zu ersetzen, zu niedrig,“ erklärt Carl van de Rijzen von Visual First. „Auf der Suche nach einem festeren Material kamen wir durch die Zusammenarbeit mit dem DSV 3D Printing Exploration Lab mit Stratasys in Kontakt. Die Firma schlug ihr neues Nylon 12CFMaterial vor, ein mit Karbonfasern gefüllter Thermoplast. Stratasys schickte uns einen Druck des Bauteils, das sie an ihrem Standort in Deutschland auf dem Stratasys Fortus 450mc 3D-Drucker herstellen ließen. Das endgültige 3D-Druckteil war genau das Richtige. Das Material war extrem hart und steif, es war unbiegbar, und es bestand einen Test mit vier Paletten mit Schokoriegeln problemlos.“ Mit dieser Lösung wird eine Einsparung von 60% allein beim Bauteil erreicht, denn im Gegensatz zu Metallersatzteilen verursacht ein 3D-Druckteil keine Beschädigung der Maschine, wenn es bricht. Auch die Maschinenstillstandszeit ist kürzer, da das Bauteil nun innerhalb einer Woche anstatt wie früher innerhalb eines Monats geliefert wird. Diese Vorlaufzeit kann noch weiter reduziert werden, wenn ein 3D-Drucker vor Ort verfügbar ist.
„Wir planen, weiterhin mit DSV und Stratasys zusammenzuarbeiten, um den Druck weiter zu optimieren,“ sagt ein Sprecher von der Chocolate Factory. Wir wollen noch mehr 3D-gedruckte Teile einsetzen, nicht nur als Ersatzteile, sondern auch für Werkzeuge für zeitintensive Prozesse, wie etwa die Verpackung von kundenspezifischen Produkten. Die Möglichkeiten dieser Technologie sind enorm.“
EINE ALTERNATIVE ZU HERKÖMMLICHEN KAFFEEBECHERN
Coffee to go erfreut sich weiterhin steigender Beliebtheit, aber die Flut von Pappbechern mit Plastikbeschichtungen, die anstatt recycelt zu werden achtlos weggeworfen werden, wird mehr und mehr zum Problem. Die in Brooklyn ansässige Designagentur CRÈME hat mithilfe von 3D-Druck und Kürbissen eine ungewöhnliche Alternative zum herkömmlichen Kaffeebecher gefunden. Kürbisse sind schnell wachsende Pflanzen mit einer starken Außenhaut und einem fasrigen Fruchtfleisch. Getrocknet sind sie hart genug, um Flüssigkeiten aufzunehmen, ohne zu erweichen. Jun Aizaki, der aus Japan stammende Leiter der Agentur, ließ sich von der japanischen Praxis, quadratische Wassermelonen so anzubauen, dass sie stapelbar zu werden, inspirieren, und entwickelte die HyO-Tasse - eine Coffee-togo-Tasse aus getrockneten Kürbissen. Um die Kürbisse in die richtige Form zu bringen, lieferte ein 3D-Drucker die Lösung. Die Designer wählen die gewünschte Becherform und stellten mit dem Drucker eine Hohlform her, in die der
VERPACKUNG
Kürbis hineinwachsen kann. Derzeit ist das Verfahren noch zeitintensiv, Aizaki ist aber davon überzeugt, dass durch beschleunigte Trocknung und intensiven Anbau noch einiges an Zeitersparnis möglich ist. „Dank 3D-Druck können Formen so gestaltet werden, dass das Wachstum dieser Früchte in jede beliebige Form gebracht werden kann. Wenn die Früchte groß genug sind, um die Form zu füllen, werden sie einfach auf Maß geschnitten. Nach Gebrauch können sie dann auf den Komposthaufen geworfen werden. Die 3D-gedruckten Formen sind wiederverwendbar.“
KREATIVE NUTZUNG VON VERPACKUNGSMÜLL Wenn sich Verpackungsmüll vermeiden lässt, stellt sich wohin damit? Neben den Reyclingprogrammen gibt
doch nicht die Frage, Standardes auch
Initiativen, Verpackungsmüll zum Beispiel in Blumentöpfe und Parkbänke zu verarbeiten. Das Rotterdamer Designstudio The New Raw hat sich im Zuge des Print Your City! Projekts mit Aectual zusammengetan, um Kunststoffabfälle zu nutzen und daraus 3D-gedruckte Stadtmöbel herzustellen. Das erste Ergebnis dieser Zusammenarbeit ist die XXX-Bank, ein kreativ geformtes, 3D-gedrucktes Möbelstück für die Stadt Amsterdam, das im Jahr 2016 kreiert wurde. In Thessaloniki in Griechenland wurde das Projekt weitergeführt. Als Teil des „Zero Waste Future“-Programms in Zusammenarbeit mit Coca-Cola können sich Bürger im Zero Waste Lab aktiv am Recyclingprozess beteiligen und selbst Stadtmöbel entwerfen. Das Zero Waste Lab bietet eine eigene Recyclinganlage, die PP, PE und PET verarbeiten kann. Besucher haben dort die Möglichkeit, hautnah zu erleben, wie Recycling funktioniert. Die ersten Prototypen für Thessaloniki wurden im Sommer 2018 gedruckt. Die 3D-gedruckten Stadtmöbel verfügen über integrierte Zusatzfunktionen wie etwa
einem Fahrradständer, einem Topf für einen Baum oder sogar ein Mini-Fitnessstudio. The New Raw hat den Prozess rund um den 3D-Druck selbst entwickelt. „Wir verwenden einen Roboterarm von KUKA, der mit einem beheizten Schlauch an einen Extruder angeschlossen ist, um den Druck von komplexeren Formen zu ermöglichen. Wir verwenden verschiedene Düsengrößen (von 2 bis 8 Millimetern), um verschiedene Anwendungen zu ermöglichen“, erklärt Foteini Setaki, die Mitgründerin von The New Raw.
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TEXT: DANIEL O’CONNOR
SCANNEN ZUM MITNEHMEN
H
aben Sie schon mal einen Handheld-3D-Scanner benutzt? Es gibt da einen kleinen Haken, von dem Ihnen die Hersteller leider nicht erzählen, wenn sie ihr Gerät mit der Beschreibung „Handheld“ versehen – und der liegt darin, dass Sie wahrscheinlich einen sperrigen Laptop auf Ihrem schwächeren Arm balancieren müssen, während Sie um Ihr Scanobjekt herumlaufen. Auch wenn Ihnen dieser Balanciertrick gelingt, ist es doch schwierig, gleichzeitig den Bildschirm auf dem einen Arm zu beobachten und mit dem anderen das Objekt gleichmäßig zu verfolgen. Ich persönlich kann mir nicht gleichzeitig mit einer Hand auf den Kopf klopfen und mit der anderen kreisförmig über den Bauch streichen, also ist es – obwohl ich bei Fachmessen Leute beobachtet habe, die es perfekt draufhatten – unwahrscheinlich, dass ich diese Kunst erlernen werde. Als daher Anna Zevelyov, CEO und Mitbegründerin von Thor3D und dem neuen Projekt Calibry3D über das Produkt sagte: „Es hat einen Touchscreen, sodass man um das Auto herumlaufen kann, ohne dabei auf einen Computer zu schauen“, kamen mir nur bündelweise auf die Firma zugeworfene Geldscheine in den Sinn. Calibry3D gab den neuen 5.000-Euro-Handheld-Scanner bei der TCT Asia 2019 bekannt, und Anna erzählte mir, dass der Touchscreen noch nicht einmal die bahnbrechendste Eigenschaft ist. „Der neue Scanner kann im Preiswettbewerb mithalten und ist der erste Scanner in seiner Preiskategorie, der schwarze Gegenstände, glänzende Gegenstände, scharfe Gegenstände, Menschenhaar erfassen kann“, erklärt Anna. „Wir haben uns angeschaut, was die Industrie braucht; Aufgaben wie das Scannen von Metalllegierungen waren schon immer sehr schwierig, aber der Calibry-Scanner schafft das.“ Die Zielkundschaft von Calibry sind kleinere Unternehmen, Bildungseinrichtungen, Museen und insbesondere der Markt für das Scannen von Körperteilen, sowohl zu medizinischen als auch zu Designzwecken. Es gibt Märkte, sagt Anna, die bisher aufgrund der hohen Preise vom Scannen mittelgroßer bis großer Objekte ausgeschlossen waren. Ich wollte wissen, was sich nun auf dem Markt verändert hat, sodass Calibry meint, hochqualitatives Scannen zu einem solchen Preis anbieten zu können. „Bestimmte Arten von Kameras und Sensoren, die von 3D-Scannern benutzt werden, sind viel billiger und viel besser geworden“, so Anna.
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„Computer können Scans schneller verarbeiten und die Software ist heutzutage einfacher erhältlich.“ Anna hat eine Leidenschaft für das 3D-Scannen und das Produkt ihres Teams, aber die Inspex-Zone bei der TCT Asia 2019 zeigt, dass es ordentlich Konkurrenz gibt. Ganze 19 Scanner hatte Anna auf der Ausstellungsfläche gezählt. „Es gibt Messsonden, einen 3D-Scanner auf einem Tablet, eine Schwerindustrie-Maschine von Zeiss, einen CMM-Tracker, etwas am Ende eines Roboterarms, etwas das rotieren kann, Körperscanner … alle sind unterschiedlich, was ziemlich cool ist.“ Es ist erfrischend zu sehen, dass sich jemand so wohl dabei fühlt, wenn es der Konkurrenz gut geht. Das zeigt Zuversicht in die eigene Arbeit. Sogar eine scheinbare Bedrohung von den ganz Großen wie Sony, dessen Xperia XZ1-Smartphone kürzlich komplett mit 3D-Scannertechnologie herauskam, stört sie als CEO nicht – Scannen mit dem Mobiltelefon ist etwas, womit sie sich gut auskennt. „Das iPhone X verfügt über 3D-Gesichtserkennung und ist ein echter 3D-Scanner“, sagt Anna. „Apple hat gute Arbeit geleistet, aber: ein 3D-Einzelbild aufzunehmen und es mit einer Datenbank zu vergleichen, ist eine Sache – ein ganzes Objekt zu erschaffen, tausende von Einzelbildern aufzunehmen und daraus ein hochauflösendes Gitter zu erschaffen ist die andere. „Wenn Sie versuchen würden, auf unserem Niveau mit dem Smartphone zu scannen, wäre der Akku innerhalb von 5 Minuten leer. Das große Problem ist aber das Tracking: das Grundprinzip von Handheld-Scannern für 3D ist, dass je breiter das Sichtfeld ist, desto einfacher ist es zu verstehen, wo sich etwas befindet – das heißt Tracking. Das Problem mit einem breiten Sichtfeld ist, dass die Auflösung sehr niedrig ist; bei einer hohen Auflösung ist das Tracking viel schwieriger und man braucht einen Experten. Wenn daher ein Scanner für ein Smartphone gebaut wird, wird er mit einem sehr weiten Sichtfeld versehen – das hat das iPhone – und das heißt, dass die Auflösung des Scans 5 mm beträgt, während zu mir Leute kommen und nach einer Auflösung von 50 Mikrometern fragen. Kann man einen 3D-Scanner in ein Smartphone einbauen? Ja. Kann man damit die Ergebnisse kriegen, die man braucht, um etwas professionell mit dem 3D-Drucker zu fertigen, oder für die Messtechnik? Davon sind wir noch sehr weit entfernt.“
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DIE CORACLES VON IRONBRIDGE TEXT: SAM DAVIES
Ü
ber Jahrhunderte hinweg haben Menschen entlang des Flusses Severn kleine, runde Boote – sogenannte Coracles – genutzt, sowohl in kabbeligen als auch in stillen Verhältnissen. In der am Ufer der Severn gelegenen Stadt Ironbridge war die Familie Rogers seit dem frühen 19. Jahrhundert bis zum Tod von Eustace Rogers 2003 der Hauptanbieter der runden Boote. Die Einwohner nutzten die Boote beim Fischfang mit Netzen und bei der Jagd auf kleine Tiere am Flussufer, bei der Bergung von Leichen für die dortigen Behörden und um Fußbälle für den nahe gelegenen Shrewsbury Town FC zurückzuholen. Bei Fluten wurden mit den Coracles ebenfalls Hilfsgüter an Nachbarn geliefert. Die Menschen, die Coracles bauten und benutzten, haben ihr Vermächtnis über Generationen hinweg in die Geschichte von Ironbridge miteingewoben. Der Name der Stadt kommt von der 240 Jahre alten Eisenstruktur, die sich über den Fluss erstreckt und beide Seiten der Siedlung miteinander verbindet. Zwischen 2017 und 2018 stand die Brücke im Mittelpunkt eines 3,6-Millionen-Pfund English HeritageRestaurationsprojekts, und nun setzt man auch der Geschichte der Coracles, die darunter durchfuhren, ein Denkmal. Das Projekt wird vom Ironbridge Coracle Trust (ICT) angetrieben. Dieser beauftragte The 3D Measurement Company (T3DMC) damit, beim Reverse
Engineering eines alten Coracles zu helfen. T3DMC ist ein im 14km entfernten Bridgnorth ansässiger Dienstleister im Mess- und Scanbereich und hat acht tragbare 3D-Scansysteme im Angebot. Neben dem Vertrieb dieser Produkte kann das Unternehmen sie auch entsprechend den Bedürfnissen der Kundschaft in den Automobil-, Luft- und Raumfahrt-, Stromund Medizinsektoren anwenden. Bei dem Coracle erkundete T3DMC zwei Methoden der Datenerfassung – die Nutzung eines Laserscansystems oder das Streifenlichtscanning. Aufgrund der Zerbrechlichkeit des Coracles entschied sich die Firma für das AxeSystem von ScanTech, einen kontaktfreien Handheld-Laserscanner mit integrierter Photogrammetrie (Bildmessung). „Bei der Ausübung jeglichen Drucks würde sich das Coracle verformen oder verbiegen, also mussten wir auf unsere Erfahrung von einem Anwendungsstandpunkt aus zurückgreifen, um zu verstehen, wie man den Gegenstand am besten messen kann, ohne ihn anzufassen, und somit sicherzustellen, dass die Originalform beibehalten wird“, so Adam Stanley, Managing Director von T3DMC gegenüber TCT. „Laserscan-Ausrüstung kann besser mit unkooperativen Oberflächen umgehen als ein Streifenlichtscanner. Wir wollten potenziellen Schaden oder Markierungen am Coracle vermeiden, also war das Laserscan-System die perfekte Lösung.“ Das Axe-System hat ein Messvolumen von 420mm, 500mm Schärfentiefe und eine Exaktheit von bis zu 0,02mm, während die Bildmessung es dem Anwender erlaubt, eine 3D-Punktewolke zu erstellen, die die gesamten Scandaten genau positioniert. Ebenfalls wurde das System besser mit der dunklen Färbung des Coracles fertig, als es beim Streifenlichtscanner der Fall gewesen wäre – T3DMC war in der Lage, das Boot mit nur wenigen Referenzaufklebern zu
5 T3DMC SCANNT EIN MODERNES, AUS
KATTUN UND TEER GEFERTIGTES CORACLE
3E IN TRADITIONELLES CORACLE, DAS T3DMC
scannen, statt eine Lösung aufzusprühen, die den Kontrast der Oberfläche erhellt hätte. Gleichzeitig stellte ein intelligenter Feedbackmechanismus in der ScanViewerSoftware von ScanTech sicher, dass der Anwender sich im „Sweetspot“ befand, in genau der richtigen Entfernung vom Coracle, um die maximale Erfassungsrate und Genauigkeit zu erzielen. Die Daten befinden sich nun im Besitz des ICT, welches mithilfe von 3D-Drucktechnologie einen CoraclePrototyp erschaffen wird und sich darum kümmert, es mit zusätzlichem finanziellem Zuschuss als Bronzeguss fertigen zu lassen. Ein bedeutender Unterschied gegenüber dem Handwerk der Familie Rogers, die vor Ort Holz, Kattun, Teer oder Bitumen beschaffte, um die Boote zu bauen, aber ein Unterschied, der helfen wird, dem bleibenden Eindruck, den die Familie in der Geschichte von Ironbridge hinterlassen hat, ein Denkmal zu setzen. In den letzten 80 Jahren des Familiengeschäfts diente eine kleine Hütte, die man von der Iron Bridge aus erspähen konnte, als „Zentrale“. Das auf die Größe und das Gewicht des Kunden zugeschnittene in Auftrag gegebene Coracle konnte innerhalb zwei Wochen gebaut werden. Daran war ein Riemen befestigt, um das Boot über die Schulter geschnallt transportieren zu können. Das Coracle ermöglichte für lange Zeit die Ernährung der eigenen Familie. Es wird für immer ein Teil des historischen Ingenieurwesens bleiben. Mit ausreichender Finanzierung wird die Hütte der Rogers wiederhergestellt und als Endpunkt des Ironbridge Heritage Trails eröffnet werden. Dabei ist das durch Reverse Engineering geschaffene Coracle das Herzstück.
ALS REFERENZPUNKT VERWENDETE
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F RD SCHALTET BEIM SCANNEN EINEN GANG HOCH
W
ie alle Automobilhersteller sucht Ford stets nach neuen Wegen, die Produktivität zu steigern und einen effizienteren Herstellungsprozess sicherzustellen. Das Unternehmen strebt schnellere Produktionszyklen an, und zudem Abfallminimierung, Kostenverringerung und Verkürzung der Produkteinführungszeit. In den letzten fünf Jahren hat das Rapid Production-Team von Ford sich mit dem im Vereinigten Königreich ansässigen 3D-Scan- und Druckspezialisten Central Scanning zusammengetan, um seine Scan-Prozesse für das Motor-Prototyping und die Diagnostik zu optimieren. Mit dem Ziel, sich über bisherige Herausforderungen hinwegzusetzen, und sich rigider Scan-Techniken und Hacks wie etwa einem „mattierenden Spray“ für schwierige, glänzende Oberflächen zu entledigen, wollten die Ingenieure bei Ford das System aktualisieren. So soll ein effizienterer Weg geschaffen werden, akkurate und verfolgbare Bauteildaten zu erfassen. Dave Stokes, RP-Ingenieur im Rapid Product Development-Team von Ford, erklärte: „Unsere bisherigen Blaulicht-Scanner konnten kein schwarz erkennen, was ein Problem war, und die Größe der Kamera hielt uns davon ab, in beengte Räume einzudringen. Für einige Komponenten konnten
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wir einfach keinen effektiven Scan bekommen.“ Das Team begann mit einem ZEISS COMET L3D-Scanner und einer Drehplatte, welche dazu benutzt wurden, Komponentenmaße zu erfassen, und auf diese Weise Informationen für Anpassungen, Modifikationen und Verbesserungen zu erlangen. Im Vergleich mit vorherigen Lösungen benutzt der L3D-Projektor Blaulicht-LED-Technologie, was bedeutet, dass er bei Veränderungen des Umgebungslichts verlässlicher ist. Die Scans wurden mit den OriginalCAD-Dateien verglichen, um die Konformität zu testen und Probleme frühzeitig zu erkennen. Stokes sagt dazu: „Sobald das Bauteil gescannt und gegen das CAD-Design geprüft wurde, sind wir sicher, dass es zum Testen bereit ist und dass wir direkt in die Produktion gehen können, ohne Dummy-Teile zu benutzen. Es gibt so viele Teststufen, die man als Autohersteller durchlaufen muss und wenn man diese optimieren kann, spart das dem Unternehmen viel Geld ein.“ Ford dehnte seine Fähigkeiten noch weiter aus und investierte später in die Handheld-Scanner Artec Eva und Space Spider, die für die Arbeit im Prototyping und im Modellieren mit Ton verwendet werden. Die Scanner von Artec sind für ihre schnelle und genaue Datenerfassung bekannt und erlauben es Ford, komplexe Objekte an schwer erreichbaren Stellen zu scannen, sowohl vor Ort und extern, und garantieren schnelle, strukturierte und präzise Ergebnisse. Der Eva kann mit einer Reihe von Anwendungen umgehen und auf mittelgroße bis große Flächen angewandt werden, während der Spider auf kleinere Flächen fokussieren kann und dabei kleinste Details mit Präzision erfasst. Laut Ford macht die Benutzung von Handheld-3D-Scannern statt auf Stativen aufgebauten Scannern, zusammen mit projektorientierter Software, einen riesigen Unterschied bei alltäglichen Aufgaben.
Stokes fährt fort: „Wir können sie zu jeder Zeit und an jedem Ort benutzen, und das macht einen großen Unterschied bei den Aufgaben, die wir in Angriff nehmen können, insbesondere außer Haus. Sie sind einfach zu benutzen und lassen sich viel schneller bedienen. Durch ihr Gewicht und ihre Größe können sie in viel schwierigere Räume eindringen, und das ist sehr nützlich, wenn man mit schwer erreichbaren Komponenten in Automobilen arbeitet.“ Während Mess- und Prüfverfahren oft als Ende des Fertigungsprozesses angesehen werden, wird das 3D-Scannen zunehmend über den gesamten Herstellungsprozess hinweg zum wertvollen Werkzeug. Diese Tatsache hat Ford erkannt, und entwickelt das 3D-Scannen daraufhin, den besten Weg
für die Herstellung neuer Produkte zu finden, und Probleme in der Herstellung frühzeitig zu beseitigen. „Wir scannen Komponenten jetzt während des Testens auf Abnutzung und Schäden“, so Stokes. „Scannen ist jetzt viel üblicher, da wir die Vorteile darin erkennen, schnelle und präzise Messungen vorzunehmen.“
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WEITERE NEWS
INSPHERE PRÄSENTIEREN IHR BASELINE SCHNELLVERIFIKATIONSSYSTEM FÜR HOCHWERTIGE HERSTELLUNG
SHINING 3D KURBELT MITHILFE NEUER SCAN-LÖSUNG DAS DIGITALE ZAHNARZTWESEN AN
Nach der Einführung der multifunktionalen Handheld-3D-Scanner der nächsten Generation EinScan Pro 2X und 2X Plus bei der Formnext hat das führende chinesische 3D-Scan-Unternehmen SHINING 3D sein Angebot nun noch einmal um einen neuen intraoralen 3D-Scanner erweitert. Der Aoralscan wurde dazu entwickelt, das digitale Zahnarztwesen anzukurbeln, indem das intraorale Scanerlebnis für Patienten, Kliniken und Techniker zugleich optimiert wird. Der Scanner erlaubt es Zahnärzten und Technikern, auf einfache Art und Weise hochqualitative digitale Abbilder zu erlangen und ist daher für eine Reihe von Anwendungen, unter anderem Implantation, Restoration und Kieferorthopädie, geeignet. Der Aoralscan verfügt über die neueste Streifenprojektions-Technologie, eine Reihe von intelligenten Scan- und Bearbeitungsfunktionen, eine reiche Auswahl an klinischen Tools und eine dentale Cloud-Plattform, um einheitliche Ergebnisse zu erzielen, während die Kommunikationseffizienz zwischen Zahnarzt und Patient sowie das Patientenerlebnis insgesamt verbessert werden. Die Einführung der Technologie baut auf dem Erfolg der aktuellen digitalen zahnärztlichen Lösungen von SHINING 3D auf, die bereits in über 70 Länder überall in der Welt verkauft wurden.
Die im Vereinigten Königreich ansässige Messtechnikfirma INSPHERE hat ihr BASELINE Schnellverifikationssystem für hochwertige Fertigung präsentiert. Das System wurde dazu entworfen, in unter einer Stunde Kontrollen bei Werkzeugmaschinen durchzuführen, um klare Daten über und Vertrauen in den mehrstufigen maschinellen Bearbeitungsprozess für Bauteile in der Luft- und Raumfahrtindustrie zu liefern. Unter Verwendung bestehender LasertrackerTechnologie kann BASELINE komplette Verifikation und Health Checks an Werkzeugmaschinen vornehmen, um ein dreidimensionales Bild der Werkzeugmaschinenplattform zu erzeugen und Fehler automatisch zu erkennen – dabei sind Expertenwissen und Schulung über die Messtechnik nicht nötig. Die Entwicklung wurde vom National Aerospace Technology Exploitation Programme (NATEP) unterstützt, einem 14,4 Mio.-GBP-Programm, das in Zusammenarbeit mit den Partnern Hexagon Manufacturing Intelligence, dem Nuclear Advanced Manufacturing Research Centre (Nuclear AMRC) und Rolls-Royce 40 Luft- und Raumfahrttechnologien in der britischen Versorgungskette vorantreiben soll.
WENZEL GROUP KÜNDIGT DIE 9000. INSTALLATION IHRER CMM-TECHNOLOGIE AN Der deutsche Messtechnik-Hersteller Wenzel Group hat in seinem 50. Geschäftsjahr die 9000. Installation seiner Messtechnologie bekannt gegeben. Diese folgt auf ein ergiebiges Jahr für das Unternehmen – Wenzel verzeichnete nach starken Verkaufserfolgen in den DACH- und EMEA-Regionen sowie Asien und Nordamerika fast 92 Mio. Euro Produktionsleistung. Zur wachsenden Kundschaft zählen Rolls Royce, Bentley und Magellan Aerospace.
Die 9000. Installation wurde bei voestalpine Krems GmbH in Österreich vorgenommen, wo auch die erste Messtechnikmaschine vor fast 40 Jahren verkauft wurde. Hier wurde bei voestalpine Krems die Wenzel LH 1512 3D Coordinate Measuring Machine (CMM) installiert, von der dir Firma sagt, dass sie bei der Optimierung von Betriebsprozessen helfen wird, und die Produktionsmenge für die Automobil-, Bau, Energie- und Wein-, und Obstindustrien erhöhen soll.
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FARO FÜHRT REVENG SCANTO-CAD-SOFTWARE EIN
CREAFORM GIBT ZWEI NEUE 3D-SCANNER BEKANNT Die 3D-Messtechnikfirma gab Ende April zwei neue Handheld-Scanner bekannt, die erstmals bei der Control Messe in Stuttgart vorgestellt werden. Der Go!SCAN 3D soll den Scan-Prozess für Produktdesigner und Techniker verbessern. Er verfügt über ergonomisches Design und vier Inline-Kameras für schnelleres 3D-Scannen und Farberfassung, und soll vollflächige Dimensionsmessungen auf einer breiten Auswahl von Oberflächen und Texturen ermöglichen. Der HandySCAN BLACK kombiniert Hochleistungs-3D-Scannen mit einer neuen, verbesserten Optik, mehrfachen blauen Lasern und ergonomischem Design. Wie auch der Go!SCAN beruht er auf seinen Vorgängermodellen und mehr als 15 Jahre Entwicklung durch Creaform. „Innerhalb des vergangenen Jahrzehnts haben sich Creaform-Technologien als Referenz für hochpräzise MesstechnikSysteme etabliert, auf die Sie vertrauen können, um zuverlässige Messungen durchzuführen und schneller qualifizierte Entscheidungen treffen zu können“, kommentierte Simon Côté, Produktmanager bei Creaform, anlässlich der Neuerscheinungen.
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Das führende 3D-Messtechnik und -Bildgebungsunternehmen Faro kündigte kürzlich eine neue Scanto-CAD-Softwarelösung für seine Scanner Faro Design ScanArm und Faro 8-Axis FaroArm an. Die neue Plattform, Faro RevEng, wurde dazu entworfen, sich mit Herausforderungen im Design und Reverse Engineering für eine Reihe an Branchen auseinanderzusetzen, inklusive des Automobilzubehörmarkts, der Denkmalpflege und Ingenieurdienstleistungen. Die Software ist mit fortgeschrittenen Algorithmen ausgestattet, welche die Bearbeitungszeit deutlich reduzieren sollen, und erlaubt es Benutzern, geometrisch akkurate Punktewolken mit klaren, lebensechten Farbdarstellungen der gescannten Objekte anzuzeigen und diese in ein hochqualitatives Gitter umzuwandeln. RevEng verfügt ebenfalls über Tools, mit denen man das Gittermodell zu weiteren Designzwecken bearbeiten und optimieren kann. Das Resultat kann dabei ein wasserdichtes Gittermodell oder eine für den 3D-Druck optimierte Gitterschale sein, oder aber eine Ansammlung von 2D- und 3D-Kurven, die in die CAD-Modellierstufe des Designprozesses einfließen.
SIEMENS UND INTERSPECTRAL ENTWICKLEN DEN „AM EXPLORER“
Die Siemens Gasturbinenniederlassung in Finspång, Siemens Industrial Turbomachinery AB, ging kürzlich eine Zusammenarbeit mit dem schwedischen Softwareentwickler Interspectral ein. Das Ziel ist es, ein 3D-Visualisierungswerkzeug zu entwickeln, das der beschleunigten Industrialisierung des Metall-AdditiveManufacturing dient. Das 3D-Visualisierungstool heißt AM Explorer und soll basierend auf der Inside Explorer-Software von Interspectral ein intuitives Werkzeug liefern, mit dem man mehr aus den erfassten Daten herausholen kann. CAD-Dateien, Daten von Sensoren und Kameras, Simulationen und Messtechnik-Systeme wie etwa Laser-Scanner und CT-Scanner können mit dem Werkzeug kombiniert und visualisiert werden. Ingenieure sollen die Daten auf intuitive Art und Weise filtern, navigieren, erkunden und analysieren können. Zudem kann man Anomalien identifizieren und zurückverfolgen, warum und wo im Herstellungsprozess diese aufgetreten sind. Thomas Rydell, Business Developer & Co-founder bei Interspectral, dazu: „Die Kollaboration mit Siemens repräsentiert den Anfang eines neuen und sehr aufregenden Segments für Interspectral. Das Projekt ist ein großartiges Beispiel dafür, wie unsere 3D-Softwareplattform Unternehmen, die mit komplexen 3D-Daten und digitalen Zwillingen arbeiten, einen Mehrwert bringen kann.“
Architektur
SIM-SA-LASIMM TEXT: Sandra Tschackert
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ei der Anwendung additiver Technologien im Bauwesen zählt vor allem eines: die Größe. Obwohl ich den Trend zum Tiny House, der sich in den letzten Jahren entwickelt hat, persönlich super finde, sind die meisten Bauprojekte auf einen größeren Maßstab ausgelegt, und dem muss sich auch der 3D-Baudruck anpassen. Hier könnte sich das LASIMM-Projekt als nützlich erweisen. LASIMM (= Large Additive Subtractive Integrated Modular Machine) ist ein Hybridsystem, das additive und subtraktive Fähigkeiten kombiniert und große Metallteile sowie Großbauteile für die Konstruktion 3D-drucken kann. Das Projekt erhält Förderung vom Horizont 2020-Förderprogramm der EU und wird von einem aus zehn Partnern bestehenden Konsortium angeführt, darunter das Softwareunternehmen Autodesk. Die Maschine an sich ist ein modular konfiguriertes All-in-OneSystem; dazu gehören industrielle Roboterarme, die der additiven Fertigung mit Aluminium und Stahl dienen, und ein spezialisierter Fräseroboter, der überflüssiges Material entfernt und so die letztendliche Oberflächenbeschaffenheit liefert. TCT sprach mit Kevin Hamilton, Technical Consultant bei Autodesk, über das Projekt. TCT: LASIMM gilt als das erste Hybridsystem seiner Art – sind Hybridtechnologien ein entscheidendes Element für die zunehmende industrielle Aufnahme des AM? KH: Die hybride Technik der Maschine verleiht ihr einen immensen Anreiz. Obwohl die Technologie wohl nicht alle vorhandenen Methoden in der gesamten Industrie ersetzen wird, gibt es spezifische Anforderungen oder Projekte, die immer von diesem Prozess profitieren werden. Bei der Produktion von großformatigen Bauteilen, vor allem in hoher Anzahl, ist es für eine Organisation wichtig, Sachen im echten Leben zu testen, bevor man in den Entwicklungsprozess investiert. Durch die Anwendung von additiven Fertigungsprozessen können diese Teile getestet werden, um vor der Produktion sicherzustellen, dass das Design stimmt.
TCT: Warum können gerade die Fertigungs- und Bauindustrien am meisten von dieser Technologie profitieren? KH: Der Hauptgrund ist die Fähigkeit, große Teile zu produzieren. Die meisten großformatigen Maschinen dienen einem einzigen Prozess, entweder der Materialablagerung oder dem Schneiden, aber diese Maschine kann mehrere Prozesse. Sie ist einzigartig dank ihrer Größe, aber auch aufgrund der Anzahl der Industrien, die davon profitieren werden – inklusive Luft- und Raumfahrt, Bauwesen und Herstellung. Die Basis des additiven Systems besteht zurzeit aus zwei Robotern auf einer 8 Meter langen Spur, aber es können noch mehr Roboter hinzugefügt und die Spur erweitert werden, um letztendlich noch größere Teile zu drucken. TCT: Die Maschine wurde von einem Konsortium entwickelt – welcher Vorteil entsteht für LASIMM aus der Zusammenarbeit von verschiedene Industriepartnern? KH: Bei der heutzutage verfügbaren Technologie ist es unmöglich für eine einzige Firma, der Experte für alles zu sein. Besonders bei den Herausforderungen, denen das Bau- und Herstellerwesen gegenübersteht, wenn es um die Produktion großer Teile in großen Volumen geht. Eine Kollaboration war für den Erfolg des LASIMM-Projekts entscheidend, da jedes Mitglied des Konsortiums ein wesentliches Puzzleteil bei der Bewältigung der Herausforderungen darstellt. Es war eine großartige Erfahrung, mit allen Beteiligten zusammenzuarbeiten und aus ihren Fähigkeiten zu erlernen. Neben Autodesk bringen fünf andere Unternehmen, zwei Universitäten und zwei Forschungsinstitute ihr unerlässliches Expertenwissen in das Projekt mit ein. TCT: Was ist der nächste Schritt in der Entwicklung des Projekts und welche Auswirkungen der Technologie erwarten Sie in den kommenden Jahren? KH: Die Maschine wird nun getestet, indem DemonstratorTeile wie zum Beispiel große Auslegerbalken, Flugzeugpaneele und Windturbinenteile gefertigt werden. Diese wurden von führenden industriellen Endnutzern entworfen, um bis ans Limit der Fähigkeiten der Maschine zu gehen. In Zukunft wird das Konsortium möglicherweise anderen Endnutzern in der Industrie die Chance geben, die Maschine auszuprobieren und schauen, was sie damit schaffen können, wodurch wir diverse Ideen testen können. Der wahre Erfolg der Maschine ist die Fähigkeit zur Innovation.
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Architektur
wie Barack Obama empfangen. Für den Bau verwendete DUS seinen selbstentworfenen XL 3D-Drucker – eine riesige Maschine im FDM-Stil auf einem Gerüst, bei welcher zur Verbesserung der Geschwindigkeit und Schichtungsrate Kunststoffpellets in einen oberhalb des Extruders angebrachten Trichter geschüttet werden. DUS-Mitbegründerin Hedwig Heinsman erklärte mir, warum das 3D-gedruckte Haus ihrer Meinung nach auf solchen Anklang stößt: „Ein Dach über dem Kopf ist allgemein eines der Grundbedürfnisse und daher kann sich jeder damit identifizieren. Jeder hätte gern ein schönes Haus. Allerdings glaube ich auch, dass es die Fantasie und die Romantik anregt, in einem Haus zu wohnen, das schneller, kostengünstiger und mehr nach dem eigenen Geschmack gefertigt wurde.“ Aus den technologischen Erfolgen des 3D Print Canal House erwuchs Aectual, eine Firma mit dem Ziel, Gestaltungsfreiheit und individualisierte Architektur an die Massen zu bringen. „Wir wollten mit dem 3D-Drucken einen optimierten Prozess zur Aufstellung vor Ort liefern“, sagt Hedwig Heinsman weiter – sie ist nun Mitbegründerin und CCO bei Aectual. „Man sagt hier in den Niederlanden, dass eine Hausrenovierung ganz oben auf der Liste der Scheidungsgründe steht. Es ist so kompliziert und es gibt so viele Beteiligte, dass sie für einen Laien fast unmöglich zu organisieren ist. Aber jetzt, wo wir all diese digitalen Hilfsmittel haben und uns beim Online-Shoppen so wohlfühlen: Wie schön wäre es, einen Wintergarten oder einen Anbau einfach online zu bestellen?“ Das neueste Projekt von DUS und Aectual trifft direkt ins Herz der Architektenträume; es ist vom Bauhaus inspiriert, der Bewegung, die vor hundert Jahren an einer Kunstschule in Weimar entstand. Das im Namen der Deutschen Zentrale für Tourismus 3D-gedruckte „TINY [BAU]HAUS“ huldigt dem Geist des Bauhauses. Zu den Bauhaus-Grundsätzen gehören die Benutzung moderner Baustoffe, Modernismus und leichte Reproduzierbarkeit; all das wird vom 3D-Druck locker abgehakt. Das Tiny Bauhaus ist zu 80% 3D-gedruckt, wofür die XL-Robotic-Drucker von Aectual und nachhaltige Baustoffe verwendet wurden. „Unsere Fertigungsmethoden sind auf Abfallvermeidung hin optimiert, und wir setzen einen starken Fokus auf recycelte
Baustoffe“, erläutert Heinsman. „Wir arbeiten mit Kunststoffen aus Pflanzenmaterial (Flachs) und wiederverwertetem Plastik-Haushaltabfall. Zudem kombinieren wir oft neue Druckmaterialien mit allgemein bekannten Stoffen, und vereinigen so Innovation und Tradition. Auf diese Weise schaffen wir warme, tastbare Produkte. In diesem Fall haben wir unsere Aectual Floors (3D-gedruckte Kunststoffmuster mit Marmor-Terrazzo-Füllung) und Wandpaneele in Kombination mit Epoxid und wiederverwertetem Kunststoff benutzt.“ Aectual druckte die Fußböden, die inneren Wandpaneele, die Fassaden, die Möbel, und setzte das Ganze zusammen. Die Druckzeiten variieren je nach Produkttyp; Musterfußböden können mit bis zu 40 m² pro Stunde gedruckt werden, Wandpaneele mit ungefähr 1 m² pro Stunde. Komplett 3D-gedruckte Elemente wie die Wände benötigen keine Nachbearbeitung, und die Produkte aus Kombimaterial, wie das 3D-gedruckte Bodenmuster mit Terrazzo-Füllung, müssen geschliffen und poliert werden. Insgesamt dauert der Druck aller Teile nicht einmal drei Wochen. „Das Bauhaus führte zur Modernisierung der Architektur, zur Standardisierung und Massenproduktion, und nun treten wir in ein neues Zeitalter ein, welches uns individualisierte Massenproduktion ermöglicht“, so Hans Vermeulen, CEO von Aectual. „Wir befähigen Architekten wie das Studio DUS dazu, wahrhaft maßgeschneiderte Designs zu erschaffen.“ Vielleicht ist das Tiny Bauhaus deswegen so groß in den Nachrichten, weil es die einzigartige Fähigkeit besitzt, sowohl die physiologischen Bedürfnisse unten in der Maslowschen Pyramide zu erfüllen, und gleichzeitig auch das Segment „Selbstverwirklichung“ ganz an der Spitze.
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Architektur
BRÜCKEN BAUEN TEXT: SAM DAVIES
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on der berühmten Skyline bis zu den Kränen, die rund um die aus der Stadt herausführenden Straße hochragen, ist Shanghai ein architektonisches Meisterwerk, das nie vollendet scheint. Am Ende einer Woche in China bei der fünften Ausgabe der TCT Asia stand im Gespräch mit einem der Aussteller das Thema Bau im Vordergrund. Die Shanghai Construction Group (SCG), die für den Shanghai Tower verantwortlich ist – mit 632 Metern das dritthöchste Gebäude der Welt – hatte gerade eine 3D-gedruckte Brücke in einem Park in der Stadt errichtet. Die Firma Polymaker hatte dafür das Material zur Verfügung gestellt, ein zu 12,5% mit Glasfaser gefülltes ASA (Acrylnitril-Styrol-Acrylat). Die Brücke ist 15 Meter lang, wiegt 5.800 kg, kann bis zu 13 Tonnen standhalten und wurde mit dem eigenen gerüstbasierten Drucksystem von SCG gedruckt. Der Bauraum dieser Maschine misst 24 x 4 x 1,5 Meter, und das Material wird mit einem Druckkopf abgelagert, der von vier 600°C-Heißluftgebläsen unterstützt wird, um die maximale Haftung der Schichten zu erreichen. Das Druckbett besteht aus 16 einzelnen, 18 mm dicken Stahlplatten, die je 900 kg wiegen. 25 mm dickes Furnierholz wird auf den Stahl geschraubt und mit Leim bedeckt, darauf werden Pellets aus ASA gestreut, damit die erste Schicht aushärten kann. In einem Zelt, das auf 38°C angewärmt ist, werden in der Maschine Decken ausgebreitet, was die Kühlung des Materials verlangsamt. Die Brücke wurde in 35 Tagen gefertigt und in nur einem Tag aufgebaut – der 3D-Druck bietet hier also potenziell zusätzliche Zeiteinsparungen, während die Verwendung von Glasfasern die Steifigkeit eines ohnehin wärmebeständigen, feuchtigkeits- und UV-resistenten Material sicherstellt. Das Konzept hat sich bewiesen, und SCG sind bereit, ein weiteres, ähnliches Projekt zu starten. „Die Bauindustrie in China ist Billionen wert und wächst weiter jedes Jahr um 6%“, so Luke Taylor, Marketing Manager bei Polymaker, gegenüber TCT. „Die Chinesen nehmen neue Technologie sehr schnell auf, und es gibt eine Vielzahl von Gründen, warum SCG als staatliches Unternehmen gerne zum Pionier in Sachen großformatigem
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3D-Druck werden möchte. In erster Linie machen die steigenden Personalkosten in China sowie die ansteigende Komplexität der Bauprojekte neue Bautechniken nötig. Das Interesse an neuer Technologie und Baumethoden ist für eine Industrie von dieser Größe sehr wertvoll.“ So wie 3D-gedruckte Endnutzungsteile aus RapidPrototyping-Anwendungen erwachsen, gibt es auch hier die Motivation, die Schicht-auf-Schicht-Technik von architektonischen Modellen auf das tatsächliche Objekt zu übertragen. Obwohl ein großer Teil der Anwendungen wahrscheinlich in die Mitte fallen wird – indem kleine Strukturen für große Projekte gefertigt werden – gibt es doch Parallelen zu anderen Industrien, nämlich, dass die Entwicklung von geeigneten Materialien diesen Sprung überhaupt zu einer Möglichkeit machen. Ein Erfolg in einer Branche kann auch in eine andere überschwappen. Polymaker war hier zum ersten Mal an einem Projekt mit 3D-Druck in einem solch großem Format beteiligt, aber da die Firma das Potenzial von großformatigem Druck als „riesig“ einschätzt, hat sie sich verpflichtet, weitere Materialien zu entwickeln, die bei diesen Vorhaben helfen. Zurzeit in Arbeit befinden sich karbongefüllte Verbundwerkstoffe, die bei der Werkzeugherstellung zum Einsatz kommen sollen, um Windturbinenschaufeln zu fertigen. Der Sektor Nachhaltige Energie wächst in China ebenfalls weiter rapide an. Dennoch wird es an SCG und Kollegen liegen, die erfolgreiche Anwendung dieser Technologien herbeizuführen, und das mit Erfindergeist. Das Unternehmen baut Hochhäuser, Gemeindegebäude, Wohnhäuser, Brücken, und ist zudem der Hauptauftragnehmer für Shanghai Disneyland, wo Felswände, Statuen und Kunstholzbalken alle eigene Geometrien haben. In Shanghai passiert viel, und daher gibt es viel Potenzial, die Fähigkeiten des 3D-Drucks nutzbar zu machen – Fähigkeiten, die sich dank Unternehmen wie Polymaker stetig verbessern. Es ist daher nicht überraschend, dass der 3D-Druck in Shanghai dabei hilft, alles zu einem Ganzen zusammenzusetzen, und in ferner Zukunft vielleicht sogar dabei, den Himmel über der Stadt zu durchbrechen.