K o rea nisc he K u nst un d K ul tur
J ahrg ang 3, N r. 3 Her bs t 20 08
Jahrgang 3, Nr. 3 Herbst 2008
Das Joseonwangjo-Sillok Essenz der koreanischen Chronographie ISSN 1975-0617
KOREANISCHER SCHÖNHEITSSINN
Jangdo
© Seo Heun-kang
J
angdo ist ein kleiner ornamentaler Dolch mit Scheide. Er wurde nicht nur zur Selbstverteidigung und für Fleisch und Früchte verwendet, sondern auch für viele andere Alltagszwecke. Die Jangdo wurden verschiedenartig dekoriert und dienten daher nicht nur praktischen Zwecken, sondern hatten auch schmückende Funktion. In früheren Zeiten trugen alle erwachsenen koreanischen Männer und Frauen einen solchen Dolch bei sich. Die Männer trugen ihn entweder an der Schleife ihrer Jacke oder am Gürtel, wobei die Dolchscheide mit einer Schnur aus Seidenfäden an der Gürtelschlaufe befestigt wurde. Frauen knüpften ihn an den Gürtel ihres Unterkleides oder trugen ihn wie die traditionellen Makramee-Schmuckanhänger Norigae am Oberteil der Tracht. Die Tradition, diesen Dolch zu Selbstschutz- und Schmuckzwecken zu tragen, entstand während der Goryeo-Zeit (918-1398) und verbreitete sich während der Joseon-Dynastie (1392-1910). Damals gab es den Brauch, Jangdo zur Hochzeit oder zum Eintritt ins Erwachsenenalter zu schenken und zwar mit dem Wunsch,
den Empfänger vor jeglichem Unheil zu bewahren. Allerdings benutzten Frauen den Schmuckdolch ironischerweise auch zur Selbsttötung, wenn ihre Keuschheit und Ehre bedroht wurde. Daher gilt Jangdo als ein Gegenstand, der für die Moral der Frauen von Joseon steht und ihre Entschlossenheit symbolisiert, ihre Keuschheit bzw. das Treuegelöbnis gegenüber ihrem Gatten unter allen Umständen zu wahren. Der Dolchgriff und die Scheide wurden meist aus Silber oder Nickel hergestellt, aber auch aus Materialien wie Gold, Rotkupfer, Jade, Bernstein, Rinderknochen, Elfenbein, Koralle und Bambus. Der Jangdo wurde mit Dekor verschiedener Art und Form geschmückt, wobei die Ornamente besonders prachtvoll waren, wenn der Dolch als Schmuckanhänger auf der Brust getragen wurde. Auf die Klinge, die gewöhnlich aus Stahl gefertigt wurde, gravierte man je nach dem persönlichen Geschmack Schriftzeichen oder Muster ein. Es gab auch eine JangdoVariante mit silbernen Stäbchen, die bei Mahlzeiten außer Haus verwendet wurden um zu prüfen, ob das Essen vergiftet war.
Koreanische Kunst und Kultur
Jahrgang 3, Nr. 3 Herbst 2008
Das Joseonwangjo-Sillok , die Annalen der Joseon-Zeit , die aus 1.893 Einzelkapiteln auf 133.986 Seiten bestehen, sind historische Aufzeichnungen über die Regentschaft der einzelnen Könige und des allgemeinen Lebens des Volkes der Joseon-Zeit (1392-1910). Sie umspannen einen Zeitraum von 472 Jahren in Folge. Diese bemerkenswerte Sammlung von Chroniken, die viel zum Verständnis der Joseon-Zeit beiträgt, wurde 1997 ins Weltdokumentenerbe der UNESCO aufgenommen.
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Fotos: Seo Heun-kang
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Das Joseonwangjo-Sillok
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Essenz der koreanischen Chronographie 8
Bedeutung und Kompilationsverfahren Park Hong Gab
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16 Pflege und Aufbewahrung des Joseonwangjo-Sillok Shin Byung Ju
22 Neuer Wert in der Digital-Ära Shin Myung-ho 68
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FOKUS
IMPRESSUM
Seoul im Wandel zu einer Stadt des Designs
Herausgeber The Korea Foundation 2558 Nambusunhwanno, Seocho-gu Seoul 137-863, Korea
Seoul Design Headquarters
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PRÄSIDENT Yim Sung-joon REDAKTIONSDIREKTOR Hahn Young-hee CHEFREDAKTEURIN Ahn In-kyoung KUNSTDIREKTOR Kim Ji-yeon DESIGNER Han Su-hee REDAKTIONSMITGLIEDER Heo Jae-hoon, Yi Jun-sung REDAKTIONSBEIRAT Cho Sung-taek, Han Kyung-koo, Han Myung-hee, Jung Joong-hun, Kim Hwa-young, Kim Moon-hwan, Kim Youngna
INTERVIEW Kim Keum Hwa
Die Große Mudang, die den Groll der Menschen auflöst und Glück verbreitet | Cho Yong-ho 44
KUNSTHANDWERKER Park Sung Kyu
Beständiges Leder, geprägt mit dem Geist des Meisters 50
| Chae Euibyoung
MEISTERWERKE
Rendezvous um Mitternacht: Brennende Liebe und Abschiedsschmerz KUNSTKRITIK
Ein Musikfestival, das die graue Stadt erfrischt: Das Seoul Frühlingsfestival der Kammermusik | 60
WERBUNG CNC Boom co,. Ltd Towercrystal Building, 1008-1, Daechi 3-dong, Gangnam-gu, Seoul, Korea Tel: +82-2-512-8928 Fax: +82-2-512-8676
Park Yongwan
KOREA ENTDECKEN Brian Barry
Buddhaschaft, die durch Pinselstriche aufblüht 64
| Shim Eenbo
AUF DER WELTBÜHNE Kim Hee-jin
Eine Tänzerin mit Gesten, die für unaufhaltsamen Aufstieg stehen Jang Seung-heon
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| Na Tae-joo
Subskription/Korrespondenzanschrift:
Andere Gebiete inkl. Korea The Korea Foundation Diplomatic Center Building, 2558 Nambusunhwanno, Seocho-gu, Seoul 137-863, Korea Tel: +82-2-2046-8583 Fax: +82-2-3463-6086
KÜCHE
Pasanjeok: Launch-Rindfleisch-Spieße
SUBSKRIPTION Vierteljährlich herausgegeben Preis für Jahresabonnement: Korea 18.000 Won, Luftpost in Deutschland und Österreich 32 EUR (einschließlich Porto) Preis für Einzelheft: Korea 4.500 Won, Deutschland und Österreich 8 EUR (einschließlich Porto)
Deutschland und Österreich The Korea Foundation Berlin Office c/o Botschaft der Republik Korea Stülerstraße 8-10, 10787 Berlin, Germany Tel: +49-(0)30-260-65-458 Fax: +49-(0)30-260-65-52 E-mail: koreana@kf.or.kr
UNTERWEGS
Gongju: Harmonie von Bergen, Fluss und Kultur 76
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Cho Insoo
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Herausgabezweck: ideell
| Paik Jae-eun
BLICK AUS DER FERNE
Als wir alle noch miteinander verwandt waren: Das Dano-Fest in Gangneung | Jan Dirks
Koreana Internet Webseite http://www.koreana.or.kr
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LEBEN
Mountainbiking und BMX: an erster Stelle bei koreanischen Radsportlern 87
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REISEM IN DIE KOREAMISCHE LITERATUR
Kim Aeran Humorige Fantastereien zur Überwindung von Traumata Lauf, Vater, lauf!
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Das Joseonwangjo-Sillok Essenz der koreanischen Chronographie Die Joseon-Zeit (1392-1910) war ein Zeitalter der Aufzeichnungen. Im Mittelpunkt steht das Joseonwangjo-Sillok (Annalen des Joseon-Reiches ), eine Sammlung von Aufzeichnungen über die Geschichte des Königreiches Joseon. In Joseon wollte man durch Schaffung eines systematischen Verfahrens der Chronographie die Geschichte ohne Verzerrungen objektiv festhalten und bewahren. Die Annalen von Joseon enthalten die Geschichte von 25 Regentschaften über einen Zeitraum von 472 Jahren (1392-1863), begonnen mit dem ersten König der Joseon-Dynastie, König Taejo (reg.1392-1398), bis zum 25. König, König Cheoljong (reg.1849-1863). Im Folgenden seien diese Annalen unter verschiedenen Aspekten betrachtet und danach gefragt, auf welche Weise sie heute noch zur Anwendung kommen.
Die Titelseite und ein Blatt aus dem Sejong-Sillok , den Annalen von König Sejong , die die Regentschaft von König Sejong (reg. 1418-1450), dem vierten König der Joseon-Dynastie, dokumentieren. Die Chronik enthält detaillierte Aufzeichnungen über alle Worte und Taten des Königs. König Sejong ist besonders bekannt für den kulturellen, naturwissenschaftlichen und technischen Fortschritt, der unter seiner Regentschaft erreicht wurde, darunter v.a. die Entwicklung des koreanischen Alphabets Hangeul. © Gyujanggak Institute for Korean Studies
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Bedeutung und Kompilationsverfahren Das Joseonwangjo-Sillok war eine Anleitung für Könige, die Geschichte der Vergangenheit als Spiegel für richtiges Regieren in der Gegenwart zu nehmen. Es war eine Lehre, die den Regenten dazu anhielt, angesichts der Bewertung durch die Nachwelt auf sich selbst und die eigene Regentschaft zurückzublicken. Betrachten wir diese enormen historischen Aufzeichnungen, die einen Zeitraum von fast 500 Jahren erfassen, die Philosophie, auf der sie basieren, und die Art und Weise der Kompilation etwas genauer. Park Hong Gab Leiter der Forschungs- und Kompilationsabteilung, National Institute of Korean History
Die Annalen des Joseon-Reiches sind ein Meisterwerk der Chronographie, das die Regentschaft von 25 Königen über eine Zeitspanne von 472 Jahren dokumentiert. Die Aufzeichnungen sind bis heute in ihrer Originalform erhalten. © Seo Heun-kang
aut Wörterbuch meint „Sillok“ „Aufzeichnungen über die Errungenschaften während der Regentschaft eines Königs und darüber hinaus aller anderen Tatsachen“. Aber es gibt auch eine zweite Bedeutung, nämlich „Aufzeichnungen von allen Tatsachen, so wie sie sind“. Dewegen ist es nicht falsch, wenn man eine Aufzeichnung, die sich nicht auf einen einstigen Monarchen, sondern auf eine Privatperson oder ein Ereignis bezieht, „Sillok“ nennt. Aber die Sillok, die vor dem modernen Zeitalter geschrieben wurden, sind generell historische Aufzeichnungen über Könige oder Reiche.
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Kompilationsinstitut für Annalen, nicht länger existierte und diese beiden Annalen daher nicht nach den strengen Vorschriften der Joseon-Zeit verfasst wurden. Außerdem wurde die Geschichte durch die japanische Kolonialmacht stark verdreht dargestellt, was den Wert dieser Aufzeichnungen als Sillok stark mindert. Diese Punkte berücksichtigend sind unter dem Begriff „Joseonwangjo-Sillok“ daher die Aufzeichnungen von 472 Jahren, also die Zeitspanne ab dem ersten König, König Taejo (reg.1392-1398) bis zum 25. König, König Cheoljong (reg.1849-1863), zu verstehen.
Geschichte des Joseonwangjo-Sillok Den Beginn des Sillok bilden die beiden Annalen über den Kaiser des YangReiches (502-557), die von Zhou Xingsi während der Beichao- und NanchaoDynastie (420-581) in China geschrieben wurden. Nach dem Sui-Reich (581-618) und Tang-Reich (618-906) wurden für jeden Regenten Annalen angefertigt. Diese Annalen hatten Vorbildcharakter für alle weiteren Annalen, die in China verfasst wurden und übten auch Einfluss auf Korea aus, wo man ab der Goryeo-Zeit (918-1392) mit der Kompilation historischer Aufzeichnungen begann. Leider gingen die Annalen des Goryeo-Reiches wegen der häufigen Angriffe auf das Goryeo-Reich und der Unruhen im Lande verloren. Im Joseon-Reich gab es vom ersten König Taejo (reg.1392-1398) bis zum letzten König Sunjong (reg. 1907-1910) insgesamt 27 Könige, deren Annalen erst posthum verfasst wurden. Es ist aber etwas problematisch, die Annalen von König Gojong (reg. 1863-1907) und Sunjong (reg. 1907-1910) als Sillok zu bezeichnen, da während der japanischen Besatzungszeit das Chunchugwan, das
Aufnahme ins Weltdokumentenerbe der UNESCO Das Joseonwangjo-Sillok ist Koreas Nationalschatz Nr. 151 und gehört zugleich zum Weltdokumentenerbe der UNESCO. Das Weltkulturerbe der UNESCO umfasst hauptsächlich Bauwerke. Um diese Einseitigkeit zu korrigieren, wurden 1997 etwa zwanzig Dokumentenerben von der UNESCO aufgenommen. Das Joseonwangjo-Sillok wurde zusammen mit dem koreanischen Alphabet Hangeul als Weltdokumentenerbe registriert. Für die Aufnahme der Annalen des Joseon-Reiches ins Weltdokumentenerbe gibt es eine ganze Reihe von Gründen, von denen hier nur einige aufgezählt seien: Das JoseonwangjoSillok stellt weltweit die längsten Aufzeichnungen über eine Dynastie (472 Jahre) dar, wobei die historischen Gegebenheiten der jeweiligen Zeit mit einem Blick zu erfassen sind und die Annalen im Vergleich zu anderen historischen Dokumenten als wahrheitsgetreuer und vertrauenswürdiger gelten können. Zudem sind sie in gutem Zustand bis heute vollständig erhalten. Außerdem wurden
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Metalllettern verwendet, um die vier Ausgaben der Annalen zu drucken. Sie stellen unschätzbares Material für Forschungen über die Geschichte der einzelnen Länder Nordostasiens und deren Beziehungen untereinander dar. Die Länder des konfuzianischen Kulturkreises haben alle Annalen verfasst. Es gibt aber noch einen Grund warum gerade das Joseonwangjo-Sillok als Weltdokumentenerbe anerkannt wurde. In China gibt es die Annalen der MingDynastie, die aus 2.909 Kapiteln bestehen, und die Annalen der QingDynastie mit insgesamt 3.000 Kapiteln. Aber die Gesamtzahl der Schriftzeichen dieser beiden Annalen beträgt nicht einmal die Hälfte der des JoseonwangjoSillok . In den Annalen der Ming- und Qing-Dynastie wird nur über die Politik der beiden Reiche berichtet. Aber im Joseonwangjo-Sillok findet man auch ausführliche Informationen über Gesellschaft, Kultur, Wirtschaft, Militär, Außenpolitik, Sitten und Gebräuche usw. Auch in Japan wurden für kurze Zeit vom Ende des 9. bis Anfang des 10. Jahrhunderts Annalen herausgegeben, und zwar das Mundeokhwangje-Sillok (japanisch: Mundoku-Tenno Jitsurok ; Annalen von Kaiser Mundeok) und das Samdae-Sillok (japanisch: Sandai Jitsuroku ; Annalen der drei Generationen) In Bezug auf Inhalt und Länge sind diese historischen Kompilationen zwar hervorragend, aber die Originale sind leider verloren gegangen. Außerdem begann man auch nach dem 18. Jahrhundert in Vietnam Annalen zu verfassen wie das Daenamsingnok (Annalen des großen Südreiches ). Die Annalen werden nicht als „Sillok“ sondern als „Singnok“ bezeichnet, um eine Überschneidung mit dem Namen des zweiten Kaisers zu vermeiden. Inhalt und Kompilationsweise sind jedoch mit
© Yonhapnews © Seoul Museum of History
Rohfassung der Aufzeichnungen, die die Sagwan-Chronisten über alle Worten und Taten des Königs anfertigten. Beim Ableben des Königs wurden diese Dokumente und damit in Zusammenhang stehende Materialien zu Annalen der jeweiligen Regentschaft kompiliert und dem Joseonwangjo-Sillok einverleibt. Heutzutage sind noch 161 Bände der ursprünglichen Notizsammlungen erhalten.
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Das Joseonwangjo-Sillok umfasst historische Aufzeichnungen von 472 Jahren, also die Zeitspanne ab dem ersten König, König Taejo (reg.1392-1398) bis zum 25. König, König Cheoljong (reg.1849-1863). Es ist ein äußerst umfangreiches Werk, das aus insgesamt 888 Büchern in 1.893 Kapiteln besteht. Die Aufzeichnungen beziehen sich nicht nur auf die Politik, sondern auch auf verschiedene andere Inhalte wie Außenpolitik, Wirtschaft, Gesellschaft, Kultur usw. 1
1~2 Stets befand sich einer der Sagwan-Chronisten an der Seite des Königs, um überall und jederzeit detaillierte Notizen über Worte und Taten des Regenten anzufertigen. Die Sagwan begleiteten den König nicht nur im Palastalltag, sondern auch, wenn er den Palast verließ, sei es zu offiziellen Zwecken oder zum Vergnügen. © Gimm-Young Publishers, Inc.
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dem des „Sillok“ identisch. Da die Aufzeichnungen sich aber weitgehend auf die Politik am Königshof beschränken, sind diese Annalen inhaltlich stark begrenzt. Man kann nur über die Detailliertheit der Aufzeichnungen und den schier monumentalen Umfang des Joseonwangjo-Sillok staunen, das z.B. auch
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die Kommentare der Chronisten über bestimmte Ereignisse oder Personen also historische Abhandlungen, beinhaltet. Das Joseonwangjo-Sillok , das von großem gesellschaftlichen, kulturellen und geistigen Wert ist, wurde in Anerkennung dieses Wertes zu Recht von der UNESCO ins Weltdokumentenerbe aufgenommen.
Hintergrund Der Mensch hat bereits vor der Erfindung von Schriftzeichen Aufzeichnungen hinterlassen. Kulturelle Spuren sind leicht zu finden, man braucht nur die einfachen Muster oder die Darstellungen von Tieren oder Fischen, die sich auf alten Wandmalereien oder Steinen finden, zu betrachten. Daran ist zu er-
kennen, dass der Mensch schon lange vor der Erfindung von Schrift oder Papier Interesse an Aufzeichnungen hatte. Die Aufzeichnungskultur entwickelte sich in Korea schon sehr früh und ihre Spuren sind an vielen Orten verstreut zu finden. Besonders in den ostasiatischen Ländern, in denen der Konfuzianismus die Regierungsideologie darstellte, war das Interesse an der Geschichte deutlich ausgeprägt, weil man davon ausging, dass die Geschichte der Vergangenheit als ein Spiegel für die Gegenwart und Zukunft fungiere. Deswegen kommt das Wort „Gam (鑑)“, das „Spiegel“ bedeutet, in den Geschichtsbüchern der Kulturkreise, die chinesische Schriftzeichen verwenden, sehr oft vor. Das wahrheitsgetreue Aufzeichnen der Handlungen des Regenten ohne Ausschmückungen oder Weglassungen an sich hatte die Funktion, die Ausübung der absoluten Macht in Grenzen zu halten. In Korea und China gab es das Daegan- und Sagwan-System, das die Königsmacht im Zaum hielt. Durch das Daegan-System (ein Organ, das dem König bei seinen Regierungsgeschäften beratend und korrigierend zur Seite stand) konnte zu Lebzeiten des Königs ein regulierender Einfluss ausgeübt werden, während das SagwanSystem (Hofchronisten, die für die Sillok-Aufzeichnungen zuständig waren) für die posthume Bewertung der Regentschaft zuständig war. Alle Könige fürchteten das Sagwan-System mehr. Diese Tatsache wird dadurch belegt, dass sogar Yeonsangun (reg.1494-1506), der als einer der grausamsten Herrscher der Joseon-Zeit gilt, einmal sagte: „Ich fürchte mich am meisten vor den geschichtlichen Aufzeichnungen.“ In der Vergangenheit wurde das historische Bewusstsein des Ostens vom Konfuzianismus beherrscht. Nach dem
konfuzianischen Verständnis von Geschichte wird man durch die Geschichte, die man hinterlässt, von den Nachfahren bewertet und zugleich lebt man in der Gegenwart immer in dem Bewusstsein, dass die Augen der Nachfahren auf einen gerichtet sein werden. Der Konfuzianismus setzte keinen Gott an oberste Stelle, statt dessen wurde einer möglichen Verabsolutierung der Macht durch eine Art religiöse Ehrfurcht, die dem Geschichtsbewusstsein immanent war, ein Riegel vorgeschoben. Das stellte auch die grundlegende Motivation für das Verfassen von Annalen dar. Auch der konfuzianische Gedanke, dass den historischen Beispielen stärkeres Gewicht zukommt als der Logik, war ein wichtiger Beweggrund, möglichst gerechte und genaue Annalen zu schreiben. Annalen sind keine Geschichtsbücher, die in einer bestimmten Zeit von bestimmten Personen mit Absicht geplant und verfasst wurden, sondern Chroniken, die kompiliert wurden, wenn es einen Königswechsel gab und sich die Aufzeichnungen mit der Zeit angesammelt hatten. Dass es überhaupt möglich war, über den langen Zeitraum von 472 Jahren die Geschichte aufzuzeichnen, ohne auch nur einen einzigen Tag undokumentiert zu lassen, ist nur durch das starke konfuzianische Geschichtsbewusstsein zu erklären. Die SagwanChronisten haben sich unter Bedrohung von Leib und Leben bemüht, objektive und korrekte Darstellungen zu hinterlassen, was nur auf Grundlage dieser alles durchdringenden Geschichtsauffassung möglich war. Methode und Prinzipien der Sillok-Aufzeichnungen Als König Taejo, der Gründer des Joseon-Reiches, 1408 starb, gab sein Sohn und Nachfolger König Taejong (reg.
1400-1418) im Jahr darauf (1409) den Hofbeamten ein Sillok über Taejo in Auftrag. Es regten sich zwar Gegenstimmen mit dem Argument, dass die Regierungszeit von Taejo noch zu sehr Gegenwart sei und die Hauptakteure seiner Zeit noch am Leben seien, weshalb man den Plan verschieben solle. Aber dasTaejoSillok wurde unter der starken Hand von König Taejong verwirklicht und so der Grundstein für das JoseonwangjoSillok gelegt. Die Sagwan-Chronisten schrieben die Sacho , die erste Niederschrift aller Ereignisse, die sich in der Nähe des Königs ergaben, und die die Grunddaten für die späteren Annalen darstellten. In der Joseon-Zeit dokumentierten acht Sagwan abwechselnd alles, was sich um den König herum abspielte. Nach seinem Tod leiteten sie alle Unterlagen an das Sillokcheong, ein nach dem Tod des Königs eingerichtetes provisorisches Büro für Annalen, weiter. Die Protokollbücher aller Behörden und auch persönliche Unterlagen wurden beim Erstellen der Annalen mitberücksichtigt. Wenn ein König starb, wurde zunächst ad hoc eine provisorische Institution eingerichtet, nämlich das Sillokcheong. Diesem Büro gehörten verschiedene Personen an, von Beamten höchsten Ranges bis zu neu eingestellten Mitarbeitern. Gleichzeitig wurde eine erklärende Anleitung verfasst, in der Inhalt und Vorgehensweise genau festgelegt wurden. Diese Anleitung bestimmte den Umfang der Unterlagen, die für das reguläre Verfassen der Annalen anzubringen waren, die während der Regierungszeit des verstorbenen Regenten erlassenen Befehle und erledigten Staatsgeschäfte, die Vorstellung der zwischenzeitlich verschiedenen Staatsdiener von Rang, genaue Angaben zu Datum und Wetter, Personalangelegenheiten,
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überprüft und korrigiert wurde, bevor man sich an die orthodoxe Endfassung machte. Durch diese Arbeitsaufteilung und das dreistufige System wurden zwar auch Rechtschreibfehler und Auslassungen vermieden, wichtiger war aber, dass dadurch die inhaltliche Objektivität der Annalen in noch höherem Maße gewährleistet wurde. Außerdem wurden alle Arbeiten, die im Sillokcheong erledigt wurden, protokolliert und getrennt aufbewahrt. Diese Bücher sind unter der Bezeichnung Sillokcheonguigwe , Protokolle des Sillokchong , erhalten geblieben. Nach der Fertigstellung der Annalen wurden die Erstfassung und die korrigierte Zweitfassung unter fließendem Wasser gewaschen. Dieses Verfahren, „Secho“ genannt, diente zwar auch dazu, das Papier noch einmal wiederverwenden zu können, es
war aber in erster Linie ein Mittel, den Herstellungsprozess der Annalen geheim zu halten. Das Joseonwangjo-Sillok folgt in Struktur und Format im Großen und Ganzen folgendem Schema: 1. In der Regel wurden die Berichte eines Jahres in einem Kapitel zusammengefasst, in einigen Fällen umfasste ein Kapitel aber auch Einheiten von ein bis zwei oder sechs Monaten. Im Seongjong-Sillok (Annalen von König Seongjong ) entspricht unabhängig von der Länge der Berichte ein Monat einem Kapitel. 2. Zu Beginn der Annalen werden die persönlichen Daten des Königs festgehalten: Name, Rufname, Eltern und Geburtsdaten, Anmerkungen zu Kindheit, Jugend und Bildung, Prozess der Ernennung zum Kron-
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Dokumentierungsmethode der Berichte und Vorschläge von Behörden und zuständigen Beamten, Petitionen und öffentliche Angelegenheiten aus den Provinzen, Rechtsstreitereien usw., d.h. eine breite Palette von Staatsangelegenheiten. Darüber hinaus wurden subjektive Stellungnahmen der Chronisten zu bestimmten Ereignissen oder Personen mitberücksichtigt. Danach wurden die Beamten unter der Leitung eines Generaldirektors, der die Gesamtverantwortung für die Anfertigung der Annalen übernahm, in verschiedene Kammern eingeteilt. Auf diese Weise wurde ein System für das Schreiben der Annalen konstituiert, das nach Zeitabschnitten eingeteilt war. In jeder Kammer wurde über den Zeitabschnitt, der zugeteilt worden war, berichtet, wobei die Rohfassung noch einmal
1 Eins der Originale des Joseonwangjo-Sillok wurde 1913, in der Zeit der japanischen Besatzung Koreas, außer Landes gebracht. Als Resultat verschiedener Anstrengungen von koreanischer Seite zur Rückgabe der Dokumente wurden 2006 Teile der Chronik nach 93 Jahren von den Japanern an Korea zurückgegeben. Die Historiker sind mit der Prüfung der Aufzeichnungen befasst.
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prinzen; war der König adoptiert, wurden seine leiblichen Eltern und der Prozess der Adoption festgehalten. Am Ende der Annalen wurde oft ein Anhang beigefügt, der meist aus auf den König bezogenen Materialien besteht. 3. Die Annalen sind zwar chronologisch geordnet, aber im Sejong-Sillok und Sejo-Sillok wurden zur Chronik der Zeit auch Inhalte über Geographie, Astronomie usw. hinzugefügt. Im Danjong-Sillok (Danjong, reg. 1452-1455) wurden Berichte über die im Jahre 1704 erfolgte posthume Zuerteilung der Königswürde an den 1455 von König Sejo verdrängten Kronprinzen Nonsan als König Danjong beigefügt, wodurch die Mängel der chronologischen Darstellung ausgeglichen wurden. 4. Bei den Datenangaben werden die
der im Gebirge Odae-san im Kreis Pyeonchang, Provinz Gangwon-do, gelegen ist, wurde am 11. August 2006 eine feierliche Zeremonie anlässlich der Rückgabe der von Japan außer Landes gebrachten Annalen veranstaltet.
© Newsbankimage
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2~3 Im Tempel Woljeong-sa,
Daten in folgender Reihenfolge angegeben: Regierungsjahr des Königs, Jahreszeit, Monat, Tag. Zu Beginn des Joseonwangjo-Sillok wurden zusammen mit den Monaten auch die Jahreszeiten angegeben, aber in der Späten Joseon-Zeit wurde diese Angabe meistens ausgelassen. 5. Der Übergang des Datums und des Inhalts wurde jeweils mit einem Kreis markiert. Im Text selber werden keine Freifelder zwischen den einzelnen Wörtern gelassen, aber bei Königsnamen sparte man ein Feld aus. Waren besondere Erklärungen nötig, wurden die entsprechenden Anmerkungen in kleiner Schrift verfasst. Im Vergleich zu den Annalen der Frühen Joseon-Zeit haben die Chroniken der Späten Joseon-Zeit stärker politischen Charakter, sind weniger vielfäl-
tig und inhaltlich magerer. Es gibt zwar auch Diskussionen, dass die Annalen verdrehte Inhalte enthielten und Bewertungen, dass die Berichte einseitig auf die herrschende Schicht ausgerichtet seien, aber das ist ein Resultat des Zeitalters der Monarchie und hat nichts mit den Grenzen der Annalen an sich zu tun. Wichtig ist v.a. der Punkt, dass die Annalen-Tradition in Korea die tausend Jahre von Beginn der Goryeo-Zeit bis zum Ende der Joseon-Zeit umfasst und dass darunter das Joseonwangjo-Sillok bis zum heutigen Tag gut erhalten ist. Es dürfte schwierig sein, irgendwo auf der Welt ein Dokumentenerbe zu finden, das sich in Umfang und Genauigkeit mit dem Joseonwangjo-Sillok vergleichen lässt. Das Joseonwangjo-Sillok ist daher von immensem historischen Wert.
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Pflege und Aufbewahrung des Joseonwangjo-Sillok Die Annalen des Joseon-Reiches , das Joseonwangjo-Sillok , sind bis zum heutigen Tag vollständig und in gutem Zustand erhalten geblieben. Das war Dank verschiedener Bemühungen zum umfassenden Schutz dieses historischen Schatzes möglich wie z.B. systematische Ausschaltung von internen oder externen Risikofaktoren, Schutz vor Schädlingsbefall und Feuchtigkeit usw. Befassen wir uns mit den Prinzipien und den wissenschaftlichen Überlegungen, die hinter Schutz und Aufbewahrung der Annalen stehen. Shin Byung Ju Professor für koreanische Geschichte, Konkuk University
Diese Karte aus dem Jahre 1872 zeigt die geographischen Gegebenheiten und die Lage der Aufbewahrungsstätte in den Jeoksang-Bergen, Kreis Muju-gun, Provinz Jeollabuk-do, wo ein vollständiges Originalset des Joseonwangjo-Sillok aufbewahrt wurde. © Shin Byung Ju
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© Choi Hang-young
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1 Die Aufbewahrungsstätte im Gebirge Jeongjok-san befindet sich in der westlichen Region der Insel Ganghwa-do, die heute administrativ der autonomen Stadt Incheon untersteht. Nach dem Tode eines Königs wurden die Annalen seiner Regentschaft in mehrfacher Ausfertigung kompiliert und in den jeweiligen Aufbewahrungsstätten gelagert.
2 In der Aufbewahrungsstätte im Gebirge Odae-san, die 1606 angelegt wurde, wurde ein Originalset des JoseonwangjoSillok bis zum Ende der Joseon-Dynastie im Jahre 1910 aufbewahrt. 1913 brachten die japanischen Besatzer diese Ausgabe der Annalen nach Japan. Die Lagerstätte wurde auf Grundlage historischer Aufzeichnungen nachgebildet.
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er Inhalt des JoseonwangjoSillok , der Annalen des JoseonReiches , ist zwar von hohem Niveau, aber auch die Pflege und Aufbewahrung der Chronik verdient Beachtung, da sie sehr systematisch, ins Detail gehend und wissenschaftlich basiert ist. Um die Schriften sicher für die Nachwelt zu bewahren, wurden in Gebirgsregionen spezielle Archive gebaut. Daneben wurde ein Schutztempel errichtet, um die Annalen im Notfall zu schützen. Die Annalen selbst wurden in der Aufbewahrungsstätte in speziellen Truhen aufbewahrt, wobei Kräuter vor Insekten und Feuchtigkeit schützten. Zur unablässigen Überprüfung und Pflege gehörte auch, die Schriften alle zwei, drei Jahre im Wind zu lüften und in der Sonne zu trocknen. Diesen besonderen und nachhaltigen Bemühungen ist es zu verdanken, dass das JoseonwangjoSillok über lange Zeiten hinweg in seinem ursprünglichen Zustand erhalten blieb.
Aufbewahrung in den Bergen Wenn ein neues Sillok für einen Regenten abgeschlossen wurde, führte man im Chunchugwan, im Amt für Annalen-Kompilation, eine Einschreinungszeremonie durch. Danach wurde jeweils ein Exemplar des Sillok im Amt für Annalen-Kompilation in Seoul aufbewahrt, und alle weiteren Exemplare in den jeweiligen Aufbewahrungsstätten in den Provinzen. Am Anfang der JoseonZeit (1392-1910) wurden die Annalen im Chunchugwan in Seoul und in den Provinzzentren Chungju, Jeonju, Seongju aufbewahrt. Aber es kam die Meinung auf, dass in den Provinzen die Gefahr des Verlustes durch Brand oder Raub zu groß sei. In der Tat kam es in der Annalen-Aufbewahrungsstätte von Seongju in der Zeit von König Jungjong (reg.1506-1544), dem 11. König der Joseon-Dynastie, zu einem Feuer, als man versuchte, eine Taube zu fangen. Die Imjinwaeran-Invasion der Japaner (1592-1598) zeigte, dass die AnnalenAufbewahrungsstätten, die sich in Ortschaften mit vielen Einwohnern und hohem Durchgangsverkehr befanden, großen Gefährdungen ausgesetzt waren. Die Lagerstätten an den Hauptwegen nach z.B. Seoul, Chungju oder Seongju, auf denen die Invasoren einbrachen, fielen den Bränden während der Kämpfe zum Opfer und die Annalen gingen in Flammen auf. Zum Glück konnten die Chroniken in der Aufbewahrungsstätte von Jeonju trotz einigem Auf und Ab gerettet werden, weil KonfuzianismusSchüler wie Son Hong-rok und An Ui die Schriften unter hingebungsvollem Einsatz ins Gebirge Naejang-san verlegten. Wegen diesen Erfahrungen wurden die Annalen-Archive nach dem Krieg
zen bestimmt. Dieses System wurde bis zum Untergang des Joseon-Reiches beibehalten. In der Nähe der Lagerstätten wurden Schutztempel errichtet, um die Annalen noch sicherer vor Gefahren zu schützen. Gründliche Pflege und Inspektion Die Annalen an sich sind Zeugnis für die Vortrefflichkeit der ChronographieKultur der Joseon-Zeit, aber es ist auch von Interesse, dass für die nachhaltige Pflege der Dokumente das Seollokhyeongjian verfasst wurde. Im Seollokhyeongjian wurde der Zustand der Annalen festgehalten, wenn das Archiv notwendigerweise geöffnet werden musste, also z.B. bei der Einschreinung einer neuen Annale, beim Trocknen in Sonne und Wind, für Nachschlagezwecke oder bei anstehenden Renovierungsarbeiten. Das Seollokhyeongjian fungierte also als Protokollbuch über den Zustand der
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Dokumentensammlung. Das Seollokhyeongjian enthält Angaben über den Zeitpunkt der Öffnung des Archivs, die Sorte und Anzahl der Annalen in jeder Lagerstätte und Truhe, die Liste aller entsandten Sagwan (Hofchronisten, die für die Sillok-Aufzeichnungen zuständig waren) und Zuständigen usw. Das Protokollbuch gibt nicht nur Aufschluss über die Annalen, sondern auch über die ununterbrochen durchgeführten Inspektions- und Aufbewahrungsarbeiten. Ein gutes Beispiel für die strenge Pflege der Annalen sind die regelmäßig durchgeführten Trocknungsarbeiten. Durch diese Trocknung in Wind und Sonne wurde dem Papier die Feuchtigkeit entzogen, was Verwesung und Schädlingsbefall vorbeugte und die Annalen über lange Zeiträume zu bewahren ermöglichte. Die Trocknung wurde meistens an einem klaren und besonders glücksverheißenden Tag im
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in steil ansteigenden Bergen angelegt. Man hatte am eigenen Leibe erfahren, dass die Annalen in Regionen mit guten Verkehrsverbindungen nicht 100%-ig zu schützen waren, da Kriegs-, Feuerund Diebstahlgefahr sehr groß waren. In den schwer zugänglichen Bergen waren Pflege und Aufbewahrung zwar unvergleichlich schwieriger, dafür war aber eher gewährleistet, dass die Dokumente der Nachwelt erhalten blieben. Nach der Imjinwaeran-Invasion wurde in Joseon ein Annalen-Aufbewahrungssystem mit fünf Archiven betrieben: Ein Exemplar der Annalen wurde im Amt für Annalen-Kompilation in Seoul gelagert und vier weitere jeweils in der Manisan-Aufbewahrungsstätte in der Provinz Ganghwa-do, in der Myohyangsan-Aufbewahrungsstätte in Yeongbyeon, Provinz Pyeongan-do, in der Taebaeksan-Aufbewahrungsstätte in Bonghwa, Provinz Gyeongsang-do und in der Odaesan-Aufbewahrungsstätte in Pyeongchang, Provinz Gangwon-do. Später wurde die Myohyangsan-Aufbewahrungsstätte in der Zeit der Auseinandersetzungen mit der chinesischen Qing-Dynastie (1616-1636) in die von Gebirgen umringte Jeokseongsan-Aufbewahrungsstätte in Muju, Provinz Jeolla-do verlegt, um die Annalen vor Zerstörung zu schützen. Die Manisan-Aufbewahrungsstätte in Ganghwa-do wurde durch die zweite Mandschu-Invasion Byeongjahoran (1636-1637, Angriff des Qing-Reiches) schwer beschädigt. Der Brand von 1653 führte dann dazu, dass die Annalen 1660 in die in der Nähe liegende JeongjoksanAufbewahrungsstätte verlegt wurden. In der Späten Joseon-Zeit wurden Jeongjoksan, Jeokseongsan, Taebaeksan und Odaesan als Archive in den Provin-
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Einzelheiten über die Lagerstätten und die Aufbewahrungstruhen
Aufbewahrungstruhen Ölpapier - Die Annalen wurden mit einer Schicht Ölpapier bedeckt, um sie vor Feuchtigkeit und Wasser zu schützen.
Papier - Qualitativ hochwertiges Papier wurde zwischen die einzelnen Bände der Annalen gelegt, um ein Aneinanderkleben zu verhindern.
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Rotes Einschlagtuch - Die Annalen wurden für zusätzlichen Schutz in ein rotes Tuch eingeschlagen. Die Farbe Rot gilt als Schutz vor bösen Kräften und Geistern. blisher
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Kräutersäckchen - Heilkräuter wie Brenndolden und Kalmus wurden in die Truhen gelegt, um die Annalen vor Schädlingsbefall zu schützen.
Lagerstätten
Fenster - Große Fenster sorgten für angemessene Ventilation, während Fensterläden vor direkter Sonneneinstrahlung und Feuchtigkeit schützten.
Dach - Die Dächer waren im Vergleich zu anderen Gebäuden steil und hingen weit über, um gegen Regen und Schneeanhäufungen zu schützen.
Boden - Der Boden der Lagerstätten wurde erhöht angelegt, um gegen die Feuchtigkeit aus dem Erdboden zu schützen und zusätzliche Luftzirkulation zu gewährleisten.
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Frühling oder Herbst durchgeführt. Für diese Arbeit wurde extra ein Sagwan mit dem entsprechenden Befehl des Königs entsandt. In dem Buch Hanwongosa wird der Prozess der Trocknungszeremonie genau beschrieben: Alle zwei Jahre werden die Annalen in ihren jeweiligen Aufbewahrungsstätten der Trocknungszeremonie unterzogen. Der vom König gesandte Sagwan öffnet die Tür des Annalen-Archivs. Dabei ist das schwarze Zeremoniengewand Heukdallyeong zu tragen. Vor dem Öffnen des Archivs sind vier große Verbeugungen zu absolvieren. Nach dem Öffnen der Tür sind die Truhen genau in Augenschein zu nehmen. Danach werden sie geöffnet und es kann mit dem Trocknen begonnen werden. Sin Jeong-ha (1681-1716), ein Gelehrter der Späten Joseon-Zeit, leitete im Herbst 1709 die Trocknungszeremonie der Annalen-Aufbewahrungsstätte in Taebaeksan. Er dokumentierte das Geschehen in seinen Reiseskizzen und Gedichten. In seinem Reisebericht Taebaekgiyu wird die Trocknungszeremonie konkret beschrieben: Um die Annalen-Aufbewahrungsstätte wurde ein Zaun errrichtet. Auf der östlichen Seite des Zauns befindet sich ein Gebäude, in dem sich der Beamte während der Trocknungszeremonie aufhält. In der Aufbewahrungsstätte steht ein Beamter, der ständig von einem Mönchen beobachtet wird, Wache. Will man die Aufbewahrungsstätte öffnen, muss man sich zuerst vier Mal verbeugen, dann das Schloss öffnen und sich genau umschauen. Die Trocknungszeremonie dauerte drei Tage und das Wetter war immer sehr klar. Es wurden die Annalen aus 36 Truhen getrocknet. Nach der Trocknungszeremonie werden
die Annalen wieder in die Truhe gelegt, in den ersten Stock der Aufbewahrungsstätte gestellt und wieder wie vorher eingeschreint. Obwohl die Annalen-Aufbewahrungsstätten sich in steilen, nur schwer zugänglichen Bergen befanden, hielten es die damaligen Beamten für eine große Ehre, dorthin gesandt zu werden. Die Sagwan-Chronisten sahen es als ihre besondere Pflicht an, die Staatsdokumente allen Strapazen zum Trotz gut zu bewahren und zu pflegen. Die Beamten in der Provinz empfingen die von der Zentralregierung entsandten Chronisten mit großer Gastfreundschaft. Die Bewahrung der Annalen wurde also zur damaligen Zeit als äußerst wichtige Angelegenheit betrachtet. Im Gyujanggak in der Seoul National University werden heutzutage Seollokhyeongjian -Protokollbücher für ca. 500 der insgesamt 1.893 Annalen-Kapitel aufbewahrt. Die Eintragungen über die Trocknungszeremonie machen dabei den größten Teil des Inhalts aus. Daran ist noch einmal ersichtlich, mit welcher Genauigkeit die Annalen gepflegt wurden. Die Truhen Die Annalen wurden für die ewige Bewahrung in Truhen gelagert. In einer Truhe wurden ca. 15-20 Annalen aufbewahrt. Damit die einzelnen Bände nicht miteinander in Kontakt kamen, wurde jeweils ein Papier dazwischen gelegt. Abschließend wurden die Annalen in ein rotes Tuch eingeschlagen. Dadurch wurde nicht nur eine wasserdichte Lagerung, sondern auch zugleich Schutz vor bösen Kräften gewährleistet. Um Schädlinge und Feuchtigkeit abzuwehren wickelte man Heilkräuterpulver
aus Brenndolden (Cnidium officinale) und Kalmus (Acorus calamus var. angustatus) in ein Tuch und legte es in die Truhe. Die Brenndolde ist ein Heilkraut, dessen Wurzel und Stängel beruhigende, schmerzlindernde und stärkende Wirkung haben. Kalmus wird in der traditionellen koreanischen Medizin ebenfalls als Heilkraut verwendet. Diese beiden Heilkräuter spielten eine entscheidende Rolle dabei, die Annalen vor Schäden zu bewahren und in ihrer ursprünglichen Form zu erhalten. Die Truhen wurden aus leichten Hölzern wie z.B. Weiden, Paulownien, Linden usw. gefertigt. Um Fäulnis vorzubeugen und die Annalen sicher aufzubewahren, hat man die Oberfläche der Truhen mit Ottchil, dem Saft des Lackbaumes, versiegelt. Die Truhen hatten Griffe und vier Beine und waren außen mit Eisen- oder Messingbeschlägen, Kiefernharz usw. verziert. Nachdem die Annalen in die Truhe gelegt worden waren, wurde die Truhe gut versiegelt und mit einem Schloss versehen. Selbst die Personen, die für die Pflege der Annalen zuständig waren, durften die Truhen nicht öffnen. Nur der Sagwan-Chronist, der die entsprechende Erlaubnis des Königs besaß, hatte das Recht, die Truhe zu öffnen: als so wertvoll wurden die in den Aufbewahrungsstätten gelagerten Annalen erachtet. Weil die Aufbewahrungsstätten in der Späten Joseon-Zeit in möglichst sicheren Orten angelegt wurden und die Menschen von damals sich unablässig und bis ins Detail um ihre Prüfung und Pflege kümmerten, können wir das Original der Annalen des Joseon-Reiches auch heute noch vollständig in den Händen halten. Herbst 2008 | Koreana 21
Neuer Wert in der Digital-Ära Das Joseonwangjo-Sillok erfährt eine Renaissance. Durch die Digitalisierung und den Start des Internetservices können nicht nur Experten, sondern auch Durchschnittsbürger die Annalen bequem nutzen. Betrachten wir die Anwendungsbereiche und Möglichkeiten des Joseonwangjo-Sillok , das früher eine in chinesischen Schriftzeichen abgefasste Annalensammlung über die Geschichte der Joseon-Zeit war, heute aber als Quelle für verschiedene Contents eine Neubewertung erfährt. Shin Myung-ho Professor für koreanische Geschichte, Pukyung National University
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Mit der Digitalisierung des Inhalts des Joseonwangjo-Sillok und seiner Übertragung aus dem klassischen Chinesischen ins Koreanische ist es auch Schülern möglich, die gewünschten Informationen schnell und einfach zu finden. © Imageclick
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Inspiration für historische TV-Serien Sucht man Informationen über die Hauptfigur der historischen TV-Serie Heo Jun , wird man leicht fündig über die Annals of the Dynasty of Choso˘n in Korean Translation in CD-ROM , die eine Sammlung von Dokumenten über die Palast-Apotheke, in der die Hofärzte von Joseon arbeiteten, enthält, oder in der im Internet zur Verfügung stehenden koreanischen Übersetzung des Joseonwangjo-Sillok . Wenn man das Suchwort „PalastApotheke (naeuiwon)“ eingibt, werden innerhalb von ein bis zwei Sekunden 689 Suchergebnisse angezeigt. Mit anderen Worten: man braucht nur einige Sekunden zu investieren, um alle Informationen über Ursprung und Geschichte, Systeme, Mitarbeiter usw. der PalastApotheke der Joseon-Zeit zu erhalten, und zwar über einen Zeitraum von ca. 500 Jahren. Das ist aber noch nicht alles. Unter den Dokumenten finden sich auch unerwartete Schätze wie z.B. der Satz „Niemand kennt meine Krankheit besser als Jang Geum.“ Dieser Satz war ebenfalls in den 689 Suchergebnissen
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enthalten. Weil mit der Vervollständigung der koreanischen Übersetzung gleich mit der Digitalisierung begonnen wurde, ist es möglich geworden, in Sekundenschnelle alle Informationen über 500 Jahre Geschichte der königlichen Hofapotheke von Joseon abzurufen und interessante Funde zu machen. In dieser Hinsicht ist die TV-Serie Dae Jang Geum ein Ergebnis der Digitalisierung des Joseonwangjo-Sillok . Die Serie Der König und ich war in Korea sehr populär und ist ebenfalls ein Werk, in dem die verschiedenen Personen und Episoden, die im Joseonwangjo-Sillok festgehalten wurden, mit der Fantasie verschmelzen. Hauptfigur dieser TV-Serie ist Kim Cheo-seon (?-1505), ein Eunuch, der in der JosonZeit vom fünften König, Munjong (reg. 1450-1452), bis zum zehnten Regenten, Yeonsangun (reg. 1494-1506), insgesamt sechs Königen diente. Um das ganze Stück aufzulockern und die Romanze zu betonen, wurde die Frauengestalt Eoeuludong mit ins Spiel gebracht. All diese Figuren sind im JoseonwangjoSillok dokumentiert.
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ie koreanische TV-Serie Dae Jang Geum ist eine der repräsentativsten historischen Seifenopern, die die Koreawelle ausgelöst hat. Diese Serie verdankt ihre Entstehung einer kleinen Entdeckung. Der Regisseur von Dae Jang Geum , Lee Byung Hoon, der damals noch für die Produktion der Serie Heo Jun zuständig war, stieß während der Recherchen über den königlichen Hofarzt Heo Jun (1539-1615) auf eine sehr interessante Aufzeichnung. Es handelte sich um folgende Äußerung von König Jungjong (reg.1506-1544): „Niemand kennt meine Krankheit besser als Jang Geum.“ In der JoseonZeit hatte der König einen persönlichen Leibarzt, warum sollte dann Jang Geum, die eine Art Krankenschwester war, die Symptome des Königs besser kennen? Diese Frage führte zu Nachforschungen über Dae Jang Geum, die schließlich in der gleichnamigen TV-Serie mündeten. Die Serie ist Resultat einer im Joseonwangjo-Sillok zufällig entdeckten Anmerkung über Seo Jang Geum, eine aus dem niederen Volk stammende heilkundige Frau, die am Königshof lebte.
1 Die historische TV-Serie Dae Jang Geum (Jewel in the Palace ), wurde von einer einzigen Zeile aus dem Joseonwangjo-Sillok inspiriert: „Niemand kennt meine Krankheit besser als Jang Geum.“ Die Serie hat stark zur globalen Verbreitung von Hallyu, der so genannten Korea-Welle, beigetragen. 2 Die historische TV-Serie Heo Jun basiert auf der Lebensgeschichte von Heo Jun (1539-1615), des gleichnamigen legendären Arztes der Joseon-Zeit. Über Heo Jun, der als Leibarzt des Königs und der königlichen Familie im Palast lebte, finden sich eine Reihe von Anmerkungen im Joseonwangjo-Sillok . 3 Der Film Der König und ich wurde vom Leben des Clowns Gonggil inspiriert, der laut dem Joseonwangjo-Sillok wegen seiner aufrichtigen, jedoch disrespektierlichen Bemerkungen gegenüber dem König bestraft wurde. 4 Der Film Singijeon , in dem es um die Entwicklung des Singijeon, einer Art von Raketenwerfer aus der Joseon-Zeit, geht, basiert auf einer Fülle historischer Details, die in den Annalen des Joseon-Reiches zu finden sind.
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5 Die Comicbuch-Serie Joseonwangjo-Sillok hat den Inhalt der Annalen auf eine leicht verständliche Weise aufbereitet, die Kinder wie Erwachsene gleichermaßen anspricht.
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Das Nationalinstitut für Koreanische Geschichte hat Ende 2007 das Joseonwangjo-Sillok Online-ServiceProjekt abgeschlossen. Durch die Digitalisierung des gesamten Originals aus der Aufbewahrungsstätte Taebaek-san ist es nun möglich geworden, die Annalen für die Ewigkeit zu bewahren. Außerdem kann man die chinesische Fassung, die koreanische Übersetzung und ein Foto der entsprechenden Seite des Originals des Joseonwangjo-Sillok gleichzeitig auf den Bildschirm abrufen und miteinander vergleichen.
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Eoeuludong, die zur Zeit von König Seongjong lebte, ist wegen ihrer außerehelichen Liaisons bekannt. Ihr Mädchenname war Park und sie stammte aus einer adligen Familie. Sie wurde mit einem Mann aus der Königsfamilie verheiratet. Nachdem Eoeuludong von ihrem Gatten verstoßen worden war, entsagte sie Rang und Namen und ging freie Liebschaften ein, die die Konventionen sprengten. Ihr Leben fand ein tragisches Ende. Über Eoeuludong, deren Name für die Libertinistinnen der Joseon-Zeit steht, finden sich über hundert Dokumente im JoseonwangjoSillok . Diese Aufzeichnungen geben
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1 Besucher betrachten Originalausgaben des Joseonwangjo-Sillok , die bei einer Sonderausstellung zu sehen waren.
Aufschluss darüber, wie sehr die Frauen in der Joseon-Zeit in ihrer Bewegungsund Handlungsfreiheit eingeschränkt waren. Umfassend und objektiv lässt sich zudem feststellen, wie Frauen wie Eoeuludong, die für Freiheit und Bruch mit den Konvention standen, eingeschätzt wurden. Die Aufzeichnungen sind zudem reich an historischen Episoden, die sich für Neubearbeitung und Dramatisierung anbieten. Mit dem Start des Internet-Service zum Joseonwangjo-Sillok ist es für die Zuschauer möglich geworden, die historischen TV-Serien aus verschiedenen Blickwinkeln zu betrachten und sie aktiv
2 Teile des Joseonwangjo-Sillok , die im Gyujanggak Institute for Korean Studies an der Seoul National University aufbewahrt werden.
zu genießen, statt den Inhalt nur passiv aufzunehmen, denn sie können die Handlung der Serien mit den entsprechenden authentischen Aufzeichnungen im Joseonwangjo-Sillok vergleichen. Historische Aufzeichnungen und Fantasie Das gilt nicht nur für die TV-Serien. Das Joseonwangjo-Sillok wird in der ganzen Kulturindustrie als „Contents total“ und „Quelle mit Mehrzweckanwendung“ genutzt. Das heißt, dass ein bestimmter Content des Joseonwangjo-Sillok kettenreaktionsartig verbreitet und verwendet wird, wodurch ein Synergieeffekt
aufführten. Sucht man im JoseonwangjoSillok Dokumente über dieses Stück, braucht man nur das Suchwort „Clown“ oder „Schauspieler“ einzugeben. Unter den Suchergebnissen gibt es Aufzeichnungen über den Schauspieler Gonggil, die sich folgendermaßen lesen: „Gonggil trägt die Analekten auswendig vor: ‚Der König muss wie ein König sein und der Diener muss wie ein Diener sein. Der Vater muss wie ein Vater sein und der Sohn muss wie ein Sohn sein. Wie könnte ich etwas essen, auch wenn es noch so viel Getreide gibt, wenn der König nicht wie ein König ist und der Diener nicht wie ein Diener?‘ Der König war der Meinung, dass diese Worte respektlos seien, verabreichte ihm eine Prügelstrafe und verbannte ihn.“ Als Autor Kim Tae-ung diesen Inhalt las, fragte er sich: „Vor welchem Hintergrund konnte es überhaupt dazu kommen, dass ein Clown sich vor dem König so viel herausnahm?“ Er zerbrach
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sich den Kopf darüber, wie er die Beziehung zwischen den beiden Figuren, dem König, der die Erde beherrschte, und dem Clown, dem Niedersten aller Beherrschten, am besten interpretieren sollte. Resultat war das Szenario des Theaterstücks You , dem dann ein Film und ein Buch folgten. Man kann nur über das scharfe Auge des Autors, der den im Joseonwangjo-Sillok nur einmal erwähnten Hofclown Gonggil entdeckte und die Figur mit Leben füllte, staunen. You ist das repräsentativste Beispiel dafür, wie Kraft der IT-Spitzentechnologie die verschiedenen Contents des Joseonwangjo-Sillok im Theater-, Film- und Bücherbereich Anwendung fanden. Der Film Singijeon , der nach Abschluss der Dreharbeiten am 4. September 2008 anläuft, beruht ebenfalls auf einem Motiv aus den Annalen, nämlich der Waffe „Singijeon“, die 1448 zum ersten Mal im Sejong-Sillok , den Annalen von König Sejong , erwähnt wurde. Singijeon ist
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entsteht. Das repräsentativste Beispiel ist das Theaterstück You , das vom „Clown Gonggil“, einer historischen Figur aus dem Joseonwangjo-Sillok , handelt und großen Erfolg erzielte. Das Theaterstück You wurde im Jahr 2000 zum ersten Mal auf der koreanischen Bühne aufgeführt. Das auf der Geschichte der Joseon-Zeit basierende Stück mit seinen originären Figuren und seinem rührenden Inhalt wurde zu einem der erfolgreichsten Theaterstücke überhaupt. Es wurde mit bedeutenden Preisen vom Koreanischen Theaterverband wie „Theaterstück des Jahres“, „Dramapreis“ und „Preis für beste Darstellung“ ausgezeichnet. Der Erfolg im Theater setzte sich im Kino fort. Der Film The King and the Clown , der auf dem Theaterstück You basiert, kam 2005 in die Kinos und zog 12,3 Millionen Zuschauer an, was ihn zum absoluten Kassenschlager in der koreanischen Filmgeschichte machte. Das ebenfalls 2005 veröffentlichte Buch You führte als Bestseller die Erfolgsgeschichte fort. Der eigentliche Grund für den Siegeszug von Theaterstück, Film und Buch war aber die Entdeckung der interessanten historischen Gestalt des „Clown Gonggil“ im Joseonwangjo-Sillok . Wie bereits Jang Geum aus Dae Jang Geum wurde auch der Clown Gonggil durch einen Zufall entdeckt. Kim Taeung, dem Verfasser des Theaterstücks You , war bekannt, dass die traditionellen theatralischen Stücke „lustige Sketche“ enthielten. Bei den diesbezüglichen Recherchen stieß er auf den Clown Gonggil. Ein Clown war in der Joseon-Zeit ein Unterhaltungskünstler, also eine Art Schauspieler. Damals gab es unter den Clowns der Zeit auch einige, die im Palast vor dem König lustige Sketche
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eine raketenartige Feuerwaffe der Joseon-Zeit, eine Verbesserung der Waffe Juhwa, die von Choi Mu-seon (?-1395) in der Goryeo-Zeit erfunden wurde. Der Film beschreibt, wie König Sejong die Entwicklung der neuen Kriegswaffe vorantreibt, um das Joseon-Reich angesichts der Aggression des chinesischen Ming-Reiches (1368-1644) zu einem zur Selbstverteidigung fähigen Staat zu machen, und die damit in Zusammenhang stehenden Konflikte. Dieser Film wurde auf Grundlage zahlreicher Informationen aus dem Joseonwangjo-Sillok produziert und mischt auf meisterhafte Weise auf Basis der historischen Tatsachen die internationalen Strömungen und die gesellschaftlichen Mechanismen der Zeit. Das Joseonwangjo-Sillok wird auch durch Bücher verschiedener Genres verbreitet. Das Comicbuch Joseonwangjo-Sillok sticht besonders ins Auge. Band 1 erschien im Jahr 2003, 2011 soll die Comicserie JoseonwangjoSillok abgeschlossen werden. Die Serie war ursprünglich dafür gedacht, Kindern den Inhalt des Joseonwangjo-Sillok auf leicht verständliche und interessante Weise näher zu bringen. Bislang konnten bereits über 200.000 Exemplare verkauft werden und auf Grund der Nachfrage der Eltern hat man jetzt auch eine Comicserie JoseonwangjoSillok für Erwachsene herausgegeben. Die Veröffentlichung des Joseonwangjo-Sillok in Comicform hat mit der landläufigen Meinung, dass Geschichtsbücher schwer verständlich seien, aufgeräumt. Der Comic bietet Durchschnittsbürgern und besonders der jungen Generation die Gelegenheit, sich leichter mit der Geschichte anzufreunden. Dies beweist, dass das Joseonwangjo-Sillok ein Content ist, der über
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die Generationen hinweg alle anspricht. In der Geschichtsabteilung der Buchhandlungen sind leicht Bücher zu finden, die über Bildungsphilosophie und -methodologie, über die Frauen im Königspalast, deren Leben und Liebe sich im Verborgenen abspielte, und über die Hofintrigen berichten. Aber es wurden auch Bücher, die nur seltsame Begebenheiten mit fraglichem Wahrheitsgehalt thematisieren, veröffentlicht und ziehen großes Interesse auf sich. Es ist zu hoffen, dass diese faszinierenden Motive in Zukunft als kreative Stoffe für die Kultur-Contents-Industrie verwendet werden können, die solcher Anregungen bedarf. Die digitale Renaissance Was wäre, wenn man das Joseonwangjo-Sillok nicht ins Koreanische übersetzt und digitalisiert hätte? Wie hätte man dann zum Beispiel vorgehen müssen, um für Fernsehserien wie Heo Jun oder Dae Jang Geum zu recherchieren? Das Original des Joseonwangjo-Sillok ist eine riesige Annalensammlung aus 888 Büchern in 1.893 Kapiteln. Das macht in Seiten gerechnet 133.968 Stück, in Schriftzeichen 189.867.695. Die gesamten Annalen wurden in chinesischen Schriftzeichen verfasst. Das heißt mit anderen Worten, dass jemand, der die chinesischen Schriftzeichen nicht fließend beherrscht, die Annalen nicht richtig verstehen kann. Selbst Fachleute, die die altchinesischen Zeichen gut beherrschen, können pro Tag höchstens fünfzig Seiten lesen. Will man alle 133.968 Seiten des Joseonwangjo-Sillok lesen, bräuchte man dafür ca. sieben Jahre. Wenn man im Original des Joseonwangjo-Sillok Erklärungen über die Palast-Apotheke heraussuchen will,
bräuchte ein Fachmann etwa sieben Jahre. Aber durch die CD-Rom Version des ins Koreanische übersetzten Joseonwangjo-Sillok oder durch die Internetausgabe kann jeder in ein bis zwei Sekunden die gesuchten Informationen herausfiltern. Wenn man die Geschwindigkeit der Datenverarbeitung betrachtet, kann man sagen, dass die Digitalisierung im wahrsten Sinne des Wortes ein Wunder vollbracht hat. Die Artikel im Original des Joseonwangjo-Sillok geben Informationen zur Geschichte, wichtigen Personen, Systemen aller Bereiche wie Politik, Militärwesen, Diplomatie, Wirtschaft, Gesellschaft, Kultur u.ä. der JoseonZeit, und auch historische Daten über Astronomie, Naturwissenschaft, Medizin, Technik, Geographie, Yin und Yang, Divination, Literatur, Volkserzählungen, Musik, Kunst, Religion, Gedankengut, Moral, Ethik, Sitten und Gebräuche, Volksstimmung, gesellschaftliche Zustände u.ä. Besonders auffällig ist, dass wie in den Zeitungen von heute über alle möglichen gesellschaftlichen Erscheinungen der damaligen Zeit bis ins Detail berichtet wird, von den Reden und Handlungen des Königs über die Vor- und Nachteile politischer Maßnahmen bis hin zu Informationen über das Privatleben einer Person. Das Joseonwangjo-Sillok stellt ein fast vollständiges historisches Kaleidoskop, das fast 500 Jahre Geschichte des Joseon-Reiches umfasst, dar, und kann unter diesem Aspekt zu Recht als Schatz und Fundgrube historischkultureller Contents betrachtet werden, die Seltenheitswert hat. Bevor das Joseonwangjo-Sillok ins Koreanische übersetzt und digitalisiert wurde, war der enorme Umfang der Informationen von Vor- und Nachteil
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Dank des Einsatzes des verstorbenen Dr. Lee Woong-geun ist der Gesamtinhalt des Joseonwangjo-Sillok heute im CD-Format erhältlich. Dieses 1995 abgeschlossene Mammut-Projekt war durch Investitionen in Höhe von etwa fünf Milliarden Won (umgerechnet über 31 Mio. Euro) und 100.000 Personantage Arbeit von Spezialisten möglich. Das National Institute of Korean History betreibt zudem eine Webseite, die jedem Internetnutzer bequemen Zugang zum Gesamtinhalt der Annalen des Joseon-Reiches bietet.
zugleich. Wie bereits erwähnt, war es zeitaufwändig und mühsam im Orginal des Joseonwangjo-Sillok die benötigten Informationen herauszusuchen. Hinzu kommt, dass seit 1910 die Unterrichtsstunden für chinesische Schriftzeichen in den Schulen drastisch gekürzt wurden und seit 1960 die Zahl der Experten, die die chinesischen Zeichen im Original des Joseonwangjo-Sillok lesen können, extrem zurückgegangen ist. Daraus folgte, dass das Original selbst für auf koreanische Geschichte spezialisierte Wissenschaftler kein einfach anzugehendes Forschungsobjekt darstellte. Um diesen Mangel zu überwinden, hat man ein Projekt gestartet, in dessen Rahmen das Original in den 26 Jahren von 1968 bis 1993 ins Koreanische übersetzt wurde. An diesem Überset-
zungsprojekt, dem größten und erfolgreichsten Projekt der koreanischen Koreanistik nach der 1945 wiedererlangten Unabhängigkeit des Landes, waren etwa 3.000 Wissenschaftler beteiligt. Darauf folgte gleich die Digitalisierung des Joseonwangjo-Sillok , um der Bevölkerung die Annalen leichter zugänglich zu machen. Die koreanische Übersetzung des Joseonwangjo-Sillok besteht aus insgesamt 413 Büchern. Geht man von 100 Seiten Lektüre pro Tag aus, bräuchte man vier Jahre und drei Monate, um das ganze Werk durchzulesen. Selbst bei genauem Lesen würde man das zuerst und später Gelesene durcheinander bringen, so dass es sehr schwierg ist, den gesamten Inhalt überschaubar zu erfassen, da der Kapazität des Gehirns eine Grenze gesetzt ist. Um
das Joseonwangjo-Sillok effektiv und effizient erforschen zu können, war die Digitalisierung der Annalen dringend notwendig. Daher wurde im April 1994 das „Komitee zur Herausgabe der CD-ROM-Version des JoseonwangjoSillok “ gegründet. 1995 wurden die drei CDs, die alle 413 Bücher der koreanischen Übersetzung des JoseonwangjoSillok enthalten, fertig gestellt. Auf CD kann man nicht nur Töne, sondern auch andere Datenformen wie Buchstaben und Videos speichern. Auf eine Scheibe mit nur 12cm Durchmesser können über 300 Millionen Buchstaben gespeichert werden. Außenmaße und Datenformat der CDs folgen dem ISOStandard, was die Möglichkeit ihrer Anwendung überall auf der Welt gewährleistet.
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Die digitalen Informationen auf den CDs lassen sich effektiver als die analogen der Printvariante handhaben. Sucht man etwas im Buch, muss man im Inhaltsverzeichnis oder im Register nachschlagen. Die Suche in CD-Büchern ist im Gegensatz dazu viel einfacher. Die Suchgeschwindigkeit ist zudem hoch, man gelangt schnell an die relevante Stelle und kann die gewünschte Information effektiv anwenden. Bei umfangreichen Werken mit vielfältigen Inhalten wie den Annalen des Joseon-Reiches sind Funktionen und Effektivität des Mediums CD unschlagbar und unentbehrlich. Da das Joseonwangjo-Sillok chronologisch geordnet ist, werden die einzelnen Artikel nach Jahr, Monat und Tag aufgeführt. Daher hat man die CD entsprechend der Chronologie des Joseonwangjo-Sillok mit einer Suchfunktion nach Jahreszahlen versehen. Mit einem einfachen Mausklick kann auch ein Computerneuling die Informationen, die er braucht, einfach finden. Verglichen mit der analogen Methode, bei der man das gewünschte Buch im Regal sucht, herausnimmt und durchblättert, ist die digitale Methode zugänglicher und anwendungsfreundlicher. Das Joseonwangjo-Sillok für jedermann Das Nationalinstitut für Koreanische Geschichte hat nach drei Jahren das im Jahre 2005 gestartete Projekt OnlineService des Joseonwangjo-Sillok für jederman erfolgreich abgeschlossen. Seit Dezember 2007 kann man auf der Joseonwangjo-Sillok-Homepage (http://sillok.history.go.kr) den Originaltext in chinesischen Schriftzeichen, Abbildungen des Originals und die koreanische Übersetzung abrufen. Auch wurden neue Services hinzugefügt und
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Heutzutage findet sich eine breite Palette von Veröffentlichungen aller Art wie Geschichtsbüchern, Romanen, Bildungsbüchern, Lehrwerken, und Büchern über Lebenstechnik, die auf dem in den Annalen enthaltenen Wissensschatz der koreanischen Vorfahren und der professionellen Chronographie des Joseonwangjo-Sillok beruhen.
der Joseonwangjo-Sillok-Online-Service vollendet. Besonders hervorzuheben ist, dass alle Fotos vom Original des JoseonwangjoSillok aus der Aufbewahrungsstätte Taebaek-san in digitale Form konvertiert wurden, was es ermöglicht, die Annalen für die Ewigkeit aufzubewahren. Die chinesische Fassung, die koreanische Übersetzung und ein Foto der entsprechenden Seite im Original des Joseonwangjo-Sillok können gleichzeitig auf einen Bildschirm abgerufen und miteinander verglichen werden. Ein Register zu den in den Annalen erwähnten Personen mit Angaben zu Stand, Hauptamt und Rang sowie die Genealogie der Königsfamilie erleichtern die Suche nach Informationen zu historischen Personen. Die Digitalisierung und der Internetservice zum Joseonwangjo-Sillok haben in vielerlei Hinsicht positive Ergebnisse gebracht. Besonders erwähnenswert ist, dass das Joseonwangjo-Sillok , das bisher nur Fachleuten mit Kenntnis der chinesischen Schriftzeichen zugänglich war, nun in der koreanischen Übersetzung übers Internet allen Bürgern zur Verfügung steht. Dadurch stieg das allgemeine Interesse an den Annalen und ihre Beliebtheit in der Bevölkerung. Auch konnte sich der Wissens- und Kulturbereich in Korea dadurch stark entwickeln. Das alles ist Resultat der Verbindung der hochmodernen Daten-
verarbeitungstechnologie mit den Contents des Joseonwangjo-Sillok . Offene Contents Um diesem positiven Effekt Nachhaltigkeit zu verleihen, ist es zunächst notwendig, die selbst für Spezialisten schwer zu verstehenden Fachbegriffe des Joseonwangjo-Sillok leichter verständlich zu machen. Außerdem muss man mit der Entwicklung der modernen Datenverarbeitungstechnologie versuchen, die mit dem Joseonwangjo-Sillok in Zusammenhang stehenden Contents zu erforschen und zu verbessern. Hier sollte man sich an Augenhöhe und Bedürfnissen der Nutzer orientieren, da das Joseonwangjo-Sillok durch das Internet der ganzen koreanischen Bevölkerung und der ganzen Welt zugänglich ist. Man sollte sich nicht nur mit der koreanischen Übersetzung zufrieden geben, sondern sich in Hinblick auf ausländische Nutzer auch Gedanken über eine Übersetzung in verschiedene Fremdsprachen machen. Wenn man Schritt für Schritt die historischen Contents, die sich im Joseonwangjo-Sillok verbergen, der Augenhöhe und den Erwartungen der koreanischen Bevölkerung und der Weltbewohner entsprechend erfolgreich entwickelt, wird im Wissenschafts-, Kultur- und Geschäftsbereich ein noch größeres Wunder geschehen, als es durch die Digitalisierung bereits geschehen ist.
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FOKUS
Seoul im Wandel zu einer Stadt des Designs Seoul befindet sich im Wandel. Bisher hat sich die Stadt hauptsächlich unter dem Druck der raschen Industrialisierung entwickelt, aber jetzt hat der Wandel zu einer schönen Stadt eingesetzt, in der Mensch und Natur harmonisch koexistieren. Die Stadt ist dabei, die Grünflächen auszuweiten, ihre lange Geschichte und ihr kulturelles Erbe wiederzuentdecken und sich zu einer dynamischen Stadt zu entwickeln, in der IT-Industrie und Kultur integriert sind. Erfahren Sie mehr über Seoul, das sich auf dem Weg zu einer internationalen Design-Stadt befindet. Seoul Design Headquarters | Fotos: Seoul Design Headquarters
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ir leben im Zeitalter der Marken. Von morgens bis abends werden wir mit unzähligen Marken konfrontiert, deren Produkte wir verbrauchen. Die Konsumenten kaufen nicht nur einfach Produkte, sondern erwerben auch Image und Wert der Marken, die dahinter stehen. Heutzutage beschränkt sich die Bedeutung von „Marke“ nicht mehr nur auf die Erzeugnisse von Unternehmen. Vielmehr präsentieren sich auch Staaten und Städte mit Marken, wobei das jeweilige Markenimage durch das Mittel Design in seiner Wirkung maximiert wird. Zukunftswissenschaftler haben schon seit langem betont, dass sich die zukünftige Wettbewerbsfähigkeit eines Staates aus der Effektivität des Designs herleiten wird. Während das 19. Jahrhundert eine Ära der Industrialisierung und das 20. ein Zeitalter der Information war, ist das 21. Jahrhundert, in dem alle Länder auf der Welt der uneingeschränkten Konkurrenz ausgesetzt sind, ein Zeitalter des Designs.
Schlüsselwort des Wandels: Design Heute, wo Design zu einem Wert und einem Kulturgut geworden ist, haben die fortgeschrittenen Weltstädte es bereits geschafft, sich durch auf ihre jeweiligen Charakteristika abgestimmten Strategien zu Marken zu entwickeln und Touristen aus der ganzen Welt anzulocken. Da derzeit die Wettbewerbsfähigkeit einer Stadt auch für die Konkurrenzfähigkeit des Staates steht, bemüht sich die koreanische Hauptstadt Seoul ebenfalls, sich zu einer „Stadt-Marke“ von Weltniveau zu entwickeln. Neue Entwicklungsstrategie ist dabei die so genannte Kulturwirtschaft (Culturenomics), in der Kultur wirtschaftlichen Mehrwert erzeugt. Alle Strategien der südkoreanischen Hauptstadt laufen auf das Schlüsselwort „Design“ hinaus. Grundlegende Richtung für die Gestaltung von Seoul ist, durch Design den Markenwert der Stadt zu steigern und mit diesem neuen Entwicklungsmotor die Wirtschaft anzukurbeln. Der derzeitige Bürgermeister von Seoul, Oh Se-hoon, hat seit seinem Amtsantritt im Jahr 2006 Design als Schlüsselwort verwendet und dementsprechende neue Strategien entwickelt und eingesetzt. Ziel ist, die Stadt Seoul, die bislang als so genannte „hard city“ mit Entwicklungsparadigmen wie Bauindustrie, Industrie, Funktion und Leistung galt, in eine kultur- und designorientierte „soft city“ zu verwandeln. In diesem Sinne wurden vier Visionen für Seoul aufgestellt: eine gesunde Ökostadt, deren Natur und Landschaft wieder zur Geltung kommt; eine elegante Kulturstadt, die in ihrer traditionsreichen Geschichte und Kultur wurzelt; eine dynamische Hightech-Stadt auf Basis einer weltweit führenden IT-Infrastruktur; eine wissensbasierte internationale Stadt von zehn Millionen hoch gebildeten Bürgern.
World Design Capital und Seoul Design Olympiad 2008 Das Stadt-Galerie-Projekt strebt danach, durch Kunstwerke an den verschiedenen Ecken und Enden der Stadt die Öffentlichkeit stärker mit Kunst in Berührung zu bringen. Diese Installation in der U-Bahn-Station Oksu in Seoul präsentiert den Passanten eine Diversität von Farben und Texturen.
Seoul wurde bei der Generalversammlung des Internationalen Dachverbandes der Industriedesigner ICSID (International Council of Societies of Industrial Design) am 21. Oktober 2007 zur World Design Capital 2010 bestimmt. Dieser Titel wird alle zwei Jahre an
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Das Design Seoul Projekt umfasst nicht nur die rein äußerliche Verschönerung des Stadtbildes, sondern auch die Gestaltung einer Stadt, die ein sicheres, bequemes und angenehmes Leben bietet, sich aber zugleich schick und schön präsentiert. Dazu gehört nicht nur die Erneuerung der Stadtlandschaft, sondern auch die Verbesserung des Verwaltungs- und des Dienstleistungssystems hin zu größerer Bürgerfreundlichkeit und –bequemlichkeit.
eine Stadt vergeben, die hauptsächlich auf Basis von Design Entwicklung erzielt und das Design immanente Potential effektiv genutzt hat. Das heißt, bei der Bewertung wird das Hauptaugenmerk darauf gelegt, wie umfassend die Wirkung des Designs auf städtischen Raum, Wirtschaft und Leben der Bürger ist. Nach der italienischen Stadt Turin, die im Jahre 2008 Pilotprojektstadt war, wurde Seoul als erste Stadt durch ein offizielles Bewertungsverfahren zum Träger des Titels „World Design Capital“ ernannt, weshalb diese Ehre von besonders großer Bedeutung ist. Dieser Titel weist auch darauf hin, dass nun das Zeitalter„Seoul - Welthauptstadt des Designs“ eröffnet wurde. Die Stadt Seoul schloss am 17. März 2008 mit dem ICSID eine Absichtserklärung (Memorandum of Agreement) ab, in der Rechte, Verpflichtungen und Interessen beider Parteien umfassend geregelt sind, um verschiedene Projekte im Rahmen von World Design Capital 2010 grundlegend auf den Weg zu bringen. Mit der Unterzeichnung dieser Absichtserklärung hat Seoul damit begonnen, verschiedene Projekte voranzutreiben, um bis 2010 ein dem Titel gerechtes Stadtbild zu schaffen und seinen Status als internationale Design-Stadt zu festigen. Die im Oktober 2008 stattfindende Seoul Design Olympiad 2008 ist ein internationales Design-Festival, das die südkoreanische Metropole organisiert, um sich zu einem internationalen Mittelpunkt des Designs zu entwickeln. Diese Design-Olympiade besteht aus den Veranstaltungszweigen Konferenz (Seoul Design Conference ), Ausstellung (Seoul Design Exhibition ), Wettbewerb (Seoul Design Competition ) und Festival (Seoul Design Festival ). Die Stadt Seoul will durch diese Veranstaltung ihr Image als World Design Capital präsentieren, Touristen anlocken und durch die Teilnahme internationaler Design-Unternehmen und prominenter Designer die neusten Trends, fortgeschrittensten Techniken und Know-hows vorstellen, was zur Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit der koreanischen Design-Industrie beitragen wird. Das Thema der Design-Olympiade „Design ist Luft (Design is Air)“ bringt zum Ausdruck, dass Design eine Energie ist, die uns zwar überall und jederzeit umgibt und die mit den verschiedenen Sinnen erfassbar ist, die aber auch der Luft gleicht, die sich nicht selbst in den Vordergrund stellt.
Symbole Seouls Seoul mit seinen rund zehn Millionen Einwohnern hat sich zwar zu einer internationalen Stadt entwickelt, besaß allerdings bisher kein Symbolsystem. Um diese Schwäche zu beseitigen, wurden anhand
1 Auch der Gwanghwamun-Platz, der über 600 Jahre das Herzstück Seouls bildete, erhält ein neues Gewand. Bis Juni 2009 wandelt sich der Platz, der bis vor kurzem noch von mehrspurigen Straßen geprägt war, in eine fußgängerfreundliche Zone.
2 Der Dongdaemun Design Plaza & Park, der am Standort des ehemaligen Dongdaemun Stadions entsteht, wird bei seiner Fertigstellung im Jahr 2010 Seouls Status als World Design Capital unterstreichen.
3 Im Rahmen des Hangang-Renaissance-Projekts werden an der ganzen Länge 1
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der Banpo-Brücke, die über den Fluss Han-gang führt, Lichter und Wasserfontänen für ein beeindruckendes Schauspiel sorgen. In den Uferparks in der Nähe entstehen verschiedene Freizeit- und Kutureinrichtungen.
von Studien, Bürgerumfragen und Meinungen von Fachleuten ein Symbol, eine Farbe und eine Schriftart entwickelt und auch gleich eingesetzt, die die Stadt repräsentieren sowie ihre Attraktivität und ihren Markenwert steigern sollen. Als Symbol der Stadt Seoul wurde das Tier „Haechi“ ausgewählt. Das löwenartige Maskottchen Haechi ist ein glück- und freudebringendes Fantasiegeschöpf. Es ist ein Wesen mit einem Horn am Kopf, einer Glocke am Hals und flügelartigen Federn unter den Achseln, dessen Körper mit Schuppen bedeckt ist. Es heißt, dass dieses Fabelwesen im Sommer an Gewässern und im Winter in Kiefernwäldern lebt. Seoul hat vor, das Maskottchen wie den Merlion von Singapur oder den Berliner Bären zu einem einprägsamen Symbol zu machen, das jedem unverzüglich die Stadt Seoul ins Gedächtnis ruft. Deshalb plant man, eine Haechi-Kulturstraße anzulegen sowie Haechi-Festivals am Ufer des Flusses Han-gang oder am Berg Nam-san zu veranstalten und Haechi konsequent als Fokusobjekt bei allen internationalen Marketing- und PR-Aktionen der Stadt einzusetzen. Das „Dancheong-Rot“, das zur Symbolfarbe von Seoul bestimmt wurde, ist das Rot aus dem bunten Muster Dancheong der traditionellen Bauwerke Koreas. Es ist eine der traditionellen fünf Grundfarben Koreas, die Farbe des Lebens und der Energie, die den Wunsch nach Gesundheit und Frieden ausdrückt. Es war auch die Farbe, die während der Fußball-Weltmeisterschaft 2002 die Seouler zu einer Einheit zusammengeschmolzen hat. Jede fortgeschrittene Weltstadt hat eine eigene Farbe, die für den
Charakter der Stadt steht. Berlin z.B. hat nach der Wiedervereinigung Deutschlands eine Symbolfarbe eingeführt und erfolgreich den Status einer Weltstadt wiedergewonnen und auch Städte wie Sydney und Yokohama haben eine für die Stadt typische Farbe gefunden, die zur Stärkung ihrer Wettbewerbsfähigkeit beiträgt. Bisher gab es für Seoul kein Konzept in Sachen Farbe, weshalb unüberlegt verschiedene Farben verwendet wurden, was ein ungeordnet und chaotisch wirkendes Stadtbild zur Folge hatte. Die Stadt Seoul plant, durch den Einsatz von Dancheong-Rot bei der Stadtgestaltung die Identität der Stadt, die seit über 600 Jahren Hauptstadt des Landes ist, zum Ausdruck zu bringen und zugleich ein einheitlicheres Stadtbild zu schaffen. Die Symbolfarbe soll bei der Gestaltung von öffentlichen Anlagen, FreiluftWerbetafeln, an den Uferanalgen am Fluss Han-gang sowie für öffentliche Verkehrsmittel wie Busse, Taxis und U-Bahnen verwendet werden. Die typische Schriftart von Seoul, der „Seoul-Font“, unterteilt sich in den „Seoul-Hangang-Font“, der dem Roman-Schrifttyp ähnelt, und den „Seoul-Namsan-Font“, eine Art Gothic-Schrifttyp. Der Seoul-Font spiegelt Traditionalität und Kulturgeist der Stadt wider, denen moderne Empfindsamkeit hinzugefügt wurde. Für die Entwicklung dieser Schriftart wurden Seonbi-Geist (Rechtschaffenheit der Gelehrten), die einfache Ästhetik der Leere sowie die traditionelle Schönheit der offenen Struktur der traditionellen Häuser Hanok und der Linienführung ihrer Dachziegel als grundlegende Motive angewendet. Es ist oft der Fall, dass hoch entwickelte Städte für die Festigung
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© JoongAng Ilbo
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ihrer Identität und Stärkung ihrer Marke eine typische Schriftart verwenden. Ein vorbildliches Beispiel ist die britische Stadt Bristol, die für die Verankerung ihres Konzepts „Bristol Legible City“ den dazu passenden Schriftyp „Bristol Transit“ entwickelte und damit ein eigenes Image-Profil gewonnen hat. Auch die japanische Stadt Yokohama verwendet bei der systematischen Neukonzipierung der Stadt eine bestimmte Schriftart, während in London der Font „New Johnston“ und in Paris „Parisine Office“ für die U-Bahn verwendet werden. Derzeit findet man den Seoul-Font auf den Hinweisschildern und
in den Bekanntmachungen des Rathauses und der verschiedenen Kommunalämter. In Zukunft sollen die Ausschilderung in öffentlichen Gebäuden, die Hinweisschilder für Fußgänger, die Uniformen der Bediensteten öffentlicher Einrichtungen, die Ankündigungen in den U-Bahnen, Hinweisschilder im Freien usw. mit dem Seoul-Font beschriftet werden. Jeder, der diese Schriftart verwenden möchte, kann sie von der Webseite der Stadt Seoul (http://www.seoul.go.kr) herunterladen. Die Stadt Seoul plant, am 9. Oktober, also am Hangeul-Tag (Tag der Bekanntmachung des koreanischen Alphabets Hangeul)
1 Das Stadt-Galerie-Projekt gibt verschiedenen Teilen der Stadt den Anstrich einer Kunstgalerie wie hier durch die Ausstellung der Werke von Schülern der Seoul National School for the Hearing Impaired, einer Schule für Gehörgeschädigte, an der Mauer derselben Schule.
2~3 Der„Seoul-Hangang-Font“ und der„Seoul-Namsan-Font“ wurden zu offiziellen
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© Choi Jun-keun
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Font-Standards bestimmt, die in Zukunft für öffentliche Beschilderungen aller Art wie z.B. in Behörden, für Informationstafeln und Hinweisschilder u.ä. genutzt werden.
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4 Haechi , Seouls neues Symbol und Maskottchen, ist ein mythisches Wesen, das Freude und Glück bringen soll.
5 Die zehn Farben, die zu den repräsentativen Farben Seouls gewählt wurden. Sie wurden von den Farben der traditionellen Steinmauern, Kiefern, traditionellen Dachziegeln, Gingkoblättern, der Farbe des Wassers des Flusses Han-gang, der Farbe von Dancheong usw. inspiriert. Das„Dancheong-Rot“ (unten Mitte) wurde zur symbolischen Farbe der Stadt Seoul gewählt.
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während der Design-Olympiade, den Seoul-Font aktiv bekannt zu machen, danach die Meinungen der Bürger zu sammeln, den Font technisch zu ergänzen, im Januar 2009 die Entwicklung des Fonts endgültig abzuschließen und ihn anschließend öffentlich bekannt zu geben.
Design Seoul Projekt Durch das Projekt will man nicht nur die Stadt stilvoll herausputzen, sondern noch einmal mehr aus der Sicht der Bürger denken, damit die Bürger ein sicheres und angenehmes Stadtleben genießen können. Das Projekt umfasst neben der Gestaltung der Stadtlandschaft auch alle möglichen Detailelemente wie z.B. die Verbesserung des Personaleinsatz- und Verwaltungssystems und die Erneuerung des öffentlichen Verkehrssystems. Für die Durchführung dieses Projekts hat die Stadt Seoul im Mai 2007 das Hauptquartier des Design-Seoul-Projekts eingerichtet und im Mai 2008 die Design-Seoul-Richtlinien fertiggestellt, die die Grundlage für das Projekt darstellen. Im Rahmen des Hardware-Teils des Projekts wird das äußere Design der Stadt verbessert. Z.B werden das verwirrende Straßenbild mit den kreuz und quer hängenden Straßen- und Ladenschildern, die an Streichholzschachteln erinnernden viereckigen Gebäude und das insgesamt langweilige, keinen besonderen Charakter aufweisende Stadtbild erneuert. Das Design Seoul Projekt umfasst nicht nur die rein äußerliche Verschönerung des Stadtbilds, sondern auch die Gestaltung einer Stadt, die ein sicheres, bequemes und angenehmes Leben bietet, sich aber zugleich schick und schön präsentiert In diesem Sinne werden Unterprojekte wie das Namsan-Renaissance-Projekt oder das Hangang-Renaissance-Projekt initiiert, die den Seoulern die Wahrzeichen ihrer Stadt, den Berg Nam-san und den Fluss Han-gang, zurückgeben sollen; durch das StraßenRenaissance-Projekt sollen öffentliche Gebäude und Straßen ein neues Gesicht bekommen und das Stadt-Galerie-Projekt zielt darauf ab, durch Kunstwerke an den verschiedenen Ecken und Enden der Stadt den Seoulern mehr Möglichkeiten zu geben, Kunst und Kultur zu genießen. Um diese Projekte zu verwirklichen, wurde in den vergangenen zwei Jahren ein Masterplan ausgearbeitet. Mit der Umsetzung einiger Projekte wurde bereits begonnen, für Herbst 2008 wird mit ihrer Fertigstellung gerechnet. Bänke und Stühle, die durch eine Ausschreibung von den Bürgern selbst ausgewählt wurden, sind schon an verschiedenen Orten der Stadt zu finden. Außerdem werden im September 2008 zehn Design-Seoul-Straßen eingerichtet und in etwa einem Drittel der Selbstverwaltungsbezirke Seouls wird der Straßenhandel mit Verkaufsständen auf den Bürgersteigen reguliert. Ende 2008 werden auch neue, von Designern entworfene U-Bahnstationen gebaut. Die Verbesserung der Spazierwege entlang den alten Stadtmauern von Seoul und die Beleuchtungsinstallationen an den Brücken über dem Fluss Han-gang werden ebenfalls zu diesem Zeitpunkt abgeschlossen sein, so dass sich die Bürger auf ein neues Stadtbild freuen dürfen, das noch angenehmer
Die Seoul Design Olympiad wird am 10. Oktober 2008 eröffnet. Der Seoul Sportkomplex, der als Hauptveranstaltungsanlage dienen wird, und das Maskottchen Haechi.
und schöner ist. Die Umgestaltung der Umgebung des Han-gang Flusses und des Berges Nam-san wird ab 2009 sichtbar werden. Der Kern der Design-Stadt Seoul wird auf dem Platz entstehen, auf dem sich heute noch das Dongdaemun-Stadion befindet. Bis 2010 wird dort die Anlage „Dongdaemun Design Plaza & Park“ (provisorischer Name) gebaut, die eine dem Ruf von Seoul als Welthauptstadt des Designs entsprechendes Wahrzeichen sein wird. Dieses Bauwerk wird als Symbol der Stadt fungieren, das mit dem Opernhaus von Sydney und dem Guggenheim Museum in Bilbao vergleichbar ist. Die südkoreanische Hauptstadt wird das internationale Design-Festival Seoul Design Olympiad jedes Jahr abhalten, um Potential und Visionen der Design-Stadt Seoul weltweit bekannt zu machen. Der Software-Teil des Projekts bezieht sich auf die Überlegung, wie immaterielles Design in das Stadtverwaltungssystem integriert werden kann. Einfacher ausgedrückt: es wird angestrebt, dass die Beamten den Bürgern bessere Dienstleistungen auf effektivste Weise bieten. Das Konzept Design umfasst daher nicht nur das sichtbare Äußere, sondern auch den Inhalt. Eine internationale Stadt ist eine Stadt, die jeder auf der Welt besuchen möchte und die eine Kultur und Infrastruktur bietet, derer man sich erfreuen kann. Außerdem ist es eine Stadt, in der jeder einfach und sicher den Aufenthalt genießen und sich von Kultur und Umfeld faszinieren lassen kann. Seoul hat durch die Bemühungen in den vergangenen Jahren die Grundlage für das Stadtdesign geschaffen. Nun ist die Stadt dabei, sich auf dieser Grundlage auf einen weiteren Sprung nach vorne vorzubereiten und sich in eine Metropole zu verwandeln, die Geschichte und Tradition birgt, ein sicheres und bequemes Lebensumfeld bietet und ein angenehmes und schönes Stadtbild aufweist. Herbst 2008 | Koreana 37
INTERVIEW
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Kim Keum Hwa Die Große Mudang, die den Groll der Menschen auflöst und Glück verbreitet Kim Keum Hwa, ist die repräsentative Mudang Koreas. „Mudang“ ist eine Bezeichnung aus der koreanischen Volksreligion des Schamanismus und meint „Schamanin“. Kim, die seit ihrer Berufung zur Schamanin bereits über sechzig Jahre lang als Mudang lebt, konzentriert während der Exorzismus-Zeremonie Gut auch heute noch frohen Herzens ihre ganze Energie darauf, Glück an Orten des Elends zu verbreiten und den Groll der Menschen aufzulösen. Cho Yong-ho Leiter der Kulturabteilung der Zeitung The Segye Times Fotos: Ahn Hong-beom, Geumhwadang
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as Gut-Lehrhaus „Geumhwadang“ der „Nara Mansin (Koreas repräsentative Schamanin)“ Kim Keum Hwa (77, Trägerin des Titels „Wichtiges Immaterielles Kulturgut Nr. 82“) liegt am Fuße eines Berges auf der Insel Ganghwa-do, von wo aus man auf die Berge und das Meer hinausblicken kann. Die nach Süden gehende Seite im ersten Stock des Gebäudes besteht aus einer Scheibe Glas, so dass man einen ausgezeichneten Blick nach draußen hat. Die Landschaft scheint quasi durch die Glasscheibe hereinzudringen. Rechts erstreckt sich etwas verschwommen das Wattenmeer mit seiner ewigen Wiederholung von Ebbe und Flut, während der Blick nach vorne auf die kraftvoll fließenden Linien von großen und kleinen Bergen geht. Durch das große Glasfenster flutet die warme Morgensonne herein und erhellt den Raum bis zur Mitte der großen Holzbodendiele. Die Schamanin Kim sitzt in der schönen koreanischen Tracht Hanbok am Ende der Sonnenstrahlen und beginnt zu erzählen.
Die Große Mudang, die aus dem Nichts kam Kim Keum Hwa, als unerwünschte, nichts werte Tochter geboren, verbrachte ihre Kindheit in Armut. Mit 13 wurde sie verheiratet, d.h. eher verkauft. Sie hielt aber die Prügelei ihrer Schwiegermutter nicht lange aus, lief nach zwei Jahren davon und kehrte zu ihren Eltern zurück. Das Schicksal ließ sie unter der so genannten Berufungskrankheit zur Schamanin leiden. Mit 16 wurde sie in einem Naerim-Gut zur Schamanin geweiht und lebt seitdem als Mudang. Sie wanderte von einem Ort zum anderen, wo immer ein Gut veranstaltet wurde, und traf dabei einen Mann, mit dem sie
eine Weile zusammenlebte. Sie musste sich jedoch von ihm trennen, weil sie eine Mudang war. Seitdem sie das Schamanenkleid trägt, geht sie nur noch den Weg des Dienens, Glück zu verbreiten und die Menschen in ihrem Groll zu trösten. Nachdem Kim mit ihrer Teilnahme am National Folk Art Contest in den 1960er Jahren bekannt geworden war, wurde sie zur Spezialistin für den Schamanentanz Baeyeonsin-gut und den Daedong-gut (Guts zur Bitte um reichen Fischfang der Fischer am Gelben Meer in der Provinz Hwanghae-do) ernannt. Nicht nur in Korea, sondern auf den Bühnen der ganzen Welt ist sie mittlerweile ein Symbol für Schamanismus und Volkskunst Koreas. Im Jahr 2007 feierte sie ihr 60-jähriges Jubiläum als Mudang mit ihrer fünften Vorführung des Mansudaetak-gut (Gut zur feierlichen Weitergabe des Mudang-Postens an einen MudangLehrling), eines Gut, den eine normale Mudang kaum einmal in ihrem Leben ausführen kann. Wir fragten die Große Mudang, wie das Schicksal Koreas aussieht. „Wird schon alles gut gehen, wird schon werden. Zwar gibt es hier und da Beunruhigendes und die Erwartungen der koreanischen Bürger werden nicht alle erfüllt werden können, doch aller Anfang ist schwer und wir sollten positiv denken, alles wird besser werden. Ein koreanisches Sprichwort sagt: ‚Aus dem Vorratsraum kommt die Herzensgüte‘. Auch wir Schamanen könnten ohne Sorgen leben, wenn der Staat zu Frieden kommt, aber ich denke nicht, dass die wirtschaftliche Lage sich so schnell verbessern wird. Doch wir sollten positiv sein. Alles wird besser, wenn wir positiv denken.“ Herbst 2008 | Koreana 39
Eine traditionelle koreanische Mudang spielt eigentlich weniger die Rolle einer Wahrsagerin, die in die Zukunft schauen kann. Sie ist vielmehr eine Art Hohepriesterin oder Ratgeberin, die die Menschen in ihrem Schmerz und Leid tröstet, den Groll vertreibt und Glück verbreitet. Früher gab es in Korea in jedem Dorf eine Mudang, die von ganzem Herzen mitweinte und Trost spendete, wenn die Dorfleute sich an sie wandten, ihr ihr Herz ausschütteten und um Rat baten. Wenn die Feldarbeit drängte, packten die Mudang mit an und lebten von dem Getreide, das sie als Dank für ihre Hilfe bekamen. Jeder normale Mensch neigt normalerweise dazu, sich an übernatürliche Wesen zu wenden, wenn er in Schwierigkeiten gerät. Welche Worte der Hilfe die Mudang in einem solchen Fall den Menschen mit auf den Weg gibt, ist genauso entscheidend wie die Handlung des Arztes, der mit dem Skalpell in der Hand vor dem OP-Tisch steht. Jedes einzelne Wort von ihr kann nämlich die Zukunft eines Menschen verändern. Daher ist es für eine Mudang schwierig, jemanden zu trösten und ihm Worte der Heilung zu sagen, wenn sie nicht selbst Leid und Schmerz des Lebens voll erfahren hat. In dieser Hinsicht ist Kim Keum Hwa, die auf den verschlungenen Pfaden des Lebens viel zu leiden und zu erdulden hatte, eine Mudang, deren Leben sie dazu schulte, eine Große Mudang zu werden, die jedes Leid und jeden Schmerz des Menschen zu lindern und anzunehmen vermag.
Kinder hänseln mich und nennen mich ‚Mudang-Kind‘.“ [ ... ] Da flammte in meinem Herzen Trotz auf. Ich konnte nicht verstehen, warum eine Mudang von den Leuten so verfemt wird. Sie ist doch weder eine Verbrecherin, noch hat sie eine ansteckende Krankeit und sie schadet auch niemandem. (Zitat aus Bidankkot Neomse (Über die Seidenblume ), Autobiographie von Kim Keum Hwa)
Wenn ein Kunde kommt, muss ich mich vor den Bodentisch setzen und ihm auch wahrsagen. Tag für Tag strenge ich mich wahnsinnig an und verbrauche so viel Lebensenergie, dass mein Herz ausgewrungen zu werden scheint. Wenn ich mein Herz öffnen würde, würde ich feststellen, dass es vor lauter Sorgen und Schmerzen schwarz wie Kohle geworden ist. [ ... ] Eines Tages sagte mein Neffe mit betrübtem Gesicht zu mir: „Tante, die
Ein Gut für alle Menschen dieser Welt
Kim, aufgewachsen in der heute zu Nordkorea gehörenden Provinz Hwanghae-do, hat auch die Bitternis des Koreakriegs (1950-1953) am eigenen Leibe erfahren. „Während unsere Soldaten kamen und dann die nordkoreanischen Truppen wieder einmarschierten, wurde unser Dorf ganz zerstört. Da ich eine Mudang bin, litt ich zu dieser Zeit besonders stark unter großen und kleinen Schmerzen aller Art. Einmal wollte mich ein Soldat umbringen, weil er meinte, er sei in Schwierigkeiten, weil ich den Gut nicht richtig ausgeführt hätte. Er schleppte mich schließlich sogar auf einen Berg und wollte mich erschießen, doch als meine Mutter weinend schrie, alles sei nur ihre Schuld, da sie eine Mudang geboren hätte, und mich umarmte, bin ich gerade noch mal mit dem Leben davongekommen.“ Als sie an diesen Moment zurückdenkt, füllen sich ihre Augen gleich mit Tränen. Ihr schmerzhaftes Leben dürfte eine unvermeidbare Übung gewesen sein, die sie zur „Nara Mansin“ von heute gemacht hat.
Ihr Debüt als internationale Mudang gab sie mit ihrem Auftritt auf der amerikanischen Bühne im Jahr 1982 als Mitglied der koreanischen Kulturdelegation, die zum 100-jährigen Jubiläum der Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen Korea und den USA in die Staaten reiste. Die koreanische Delegation nahm sie zwar mit, doch man machte sich Sorgen, ob ihre Vorführung die
1 Kim Keum Hwa führt den Daedong-gut als Teil des Seohaean Pungeoje (Bittritual, bei dem der Meeresgott angerufen wird, die Fischer zu schützen und einen reichen Fang zu gewähren.) auf, das regelmäßig an der Westküste Koreas durchgeführt wird. Kim Keum Hwa ist nicht nur für ihre schamanistischen Rituale bekannt, sondern auch für ihr großes darstellerisches Talent, das die Zuschauer zum Lachen und zum Weinen bringen kann.
2 Poster für ein schamanistisches Ritual, das sie 2005 an der Universität Rom aufführte. Im Rahmen dieser Vorstellung hielt sie auch einen Jinhon-gut für den Papst ab, ein Bittritual, um die Seele des Verstorbenen in eine gute Welt zu geleiten.
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amerikanischen Zuschauer begeistern könnte, da Kim in ihrem Mudang-Aufzug leicht schäbig wirkte. Erst als die Zuschauer sich anschickten, ihre Plätze zu verlassen, konnte sie nach langem Hin und Her mit ihrer Vorführung beginnen. Als der Gut mit dem Tanz auf dem Messer seinen Höhepunkt erreichte, hielten die Menschen des fremden Landes alle ihren Atem an und schauten gebannt der Gut-Vorführung der Mudang Kim Keum Hwa zu. Im geselligen Teil in Anschluss an den Gut kamen alle freudig aufgeregt zusammen und boten eine Szene der großen Solidarität miteinander. Nach dieser erfolgreichen Gut-Aufführung verschob Kim ihren Rückflug nach Korea für mehrere Monate und stellte den Gut in den ganzen USA vor. Fremde Amerikaner nahmen die Mudang, die von weit angereist war, auf der Basis kultureller Offenheit vorurteilsfreier als ihre koreanischen Landsleute auf und teilten voller Freude ihr Glück mit ihr. Seitdem fliegt sie jedes Jahr in die weite Welt und trifft solche fremden aber im Geiste vertrauten Menschen. Unter ihren Schamanentöchtern, die durch
© TThe National Folk Museum of Korea
„Der Gut lehrt uns, uns stets in Vergebung und Trost zu üben, statt sich zu rächen. Das koreanische Volk ist von seiner natürlichen Veranlagung her gutmütig. Auch wenn ein anderer einen verletzt, schlagen die Koreaner nicht gleich zurück, sondern vergraben ihr verletztes Herz tief in sich und ertragen alles. Dafür lassen sie dann später einen großen Gut ausrichten und den tiefen inneren Groll so besänftigen. Rache ruft nur neue Rache hervor und bringt nur noch größeres Unglück.“
Kim zur Mudang berufen wurden, gibt es auch eine Deutsche, Andrea. Sie ruft Kim gelegentlich an und nennt sie wie eine kleine Tochter auf Koreanisch„Eomma! Eomma! (Mami! Mami!)“. Der Schamanismus gehört zu den traditionellen Religionen der Koreaner. Er wurde zwar durch die Japaner in der japanischen Kolonialzeit (1910-1945) und durch die Saemaeul-Undong-Bewegung (Bewegung Neues Dorf ) während der Industrialisierung in den 1970er Jahren lange unterdrückt und verachtet, doch ist das Bewusstsein heutzutage toleranter geworden. Religiöse Toleranz ist ebenfalls ein neuer großer Trend. Zum Gut kommen auch katholische Nonnen, unterhalten sich mit Kim und sagen nickend: „Der Prozess der Groll-Auflösung, bei dem man jedem ein mit Glück gefülltes Glas Wein gibt und Reiskuchen zusammen isst, ist sehr ähnlich wie eine katholische Messe.“ An der University of Rome wurde sogar ein Jinhon-gut, ein Gut zum Trösten der Seele der Verstorbenen, für den Papst gehalten. „Ich erklärte, dass es verschiedene Arten von Gut gibt. Da bat ein Herbst 2008 | Koreana 41
Professor der University of Rome um einen Gut für den Papst, damit seine Seele in eine gute Welt gehe. Als ich nach dem Gut jedem ein Glas Wein reichte, das Glück symbolisiert, machte er ein Kreuzzeichen, tauchte seine Finger in den Wein und spritzte ihn in alle Richtungen. Ein Gut ist ein fröhliches Fest, zugleich eine Zeremonie zur Groll-Auflösung und eine Tradition zur Ahnenverehrung. Der Gut ist eine Tanzzeremonie, bei der man Glück, Tugend und Essen teilt. Der Gut lehrt uns, uns stets in Vergebung und Trost zu üben, statt sich zu rächen. Das koreanische Volk ist von seiner natürlichen Veranlagung her gutmütig. Auch wenn ein anderer einen verletzt, schlagen die Koreaner nicht gleich zurück, sondern vergraben ihr verletztes Herz tief in sich und ertragen alles. Dafür lassen sie dann später einen großen Gut 42 Koreana | Herbst 2008
ausrichten und den tiefen inneren Groll so besänftigen. Rache ruft nur neue Rache hervor und bringt nur noch größeres Unglück.“ Aus Kim Keum Hwa, einer kleinen Mudang und Ratgeberin eines Dorfes, wurde nicht nur die repräsentative Mudang Koreas, die den Kummer vieler Menschen anhört, sondern auch eine Schamanin der Welt, die für Menschen in fremden Ländern ein Ohr hat und sie umarmt. In ihrer Autobiographie Bidankkot Neomse (Über die Seidenblume) sagt sie: „Eine Mudang sorgt für andere Menschen, betet ihr ganzes Leben lang für das Glück anderer bis ihre Knochen brechen und ihre Haut verschleißt, und trotzdem versagt man ihr die gebührende Anerkennung. Das ist das Schicksal einer Mudang.“ Nur wenn die Menschen in dringender Not sind, richteten sie sich bittend und bettelnd an Gott und eine
Mudang. Doch wenn die Not vorbei ist, ist es auch damit vorbei. Kims Gut wird trotzdem auch heute noch aufgeführt, um die Menschen in ihrem tiefen Groll zu trösten und überall in der Welt Glück zu verbreiten.
Voller Dankbarkeit Glück verbreiten
Kim Keum Hwa bei der Aufführung des vollständigen Bittrituals Seohaean Pungeoje , das zum Wichtigen Immateriellen Kulturgut Nr. 82-2 bestimmt wurde. Dieses schamanistische Ritual gilt im Vergleich zu anderen Gut als besonders großartiges und dramatisches Schauspiel, da es den vom ganzen Dorf ausgerichteten Daedong-gut und den Baeyeonsin-gut umfasst, der auf einem Schiff auf dem Meer abgehalten wird.
Do-ol Kim Yong-ok, Philosoph und Arzt der traditionellen koreanischen Medizin, ist einer der Gelehrten, die Kim viel halfen. Do-ol brach in Tränen aus, als er Anfang der 1980er Jahre die Gut-Vorführung von Mudang Kim Keum Hwa sah und umarmte sie fest, als sie nach ihrem Tanz auf dem scharfen Messer von der Bühne kam. Damals war seine Umarmung für sie sehr peinlich und unangenehm, so dass sie plötzlich von ihm abrückte. Erst als sie später durch den Westen reiste, wurde ihr klar, dass das Umarmen Ausdruck einer herzlichen Begrüßung ist, bei der man mit dem anderen von Herz zu Herz kommuniziert. Do-ol verschaffte ihr die Gelegenheit, an der Korea University einen Sondervortrag zu halten, verfasste eigenhändig die Schrift auf der Eingangstafel von Geumhwadang, des Gut-Lehrhauses von Kim, und schrieb für ihre Autobiographie ein einleitendes Gedicht über sie. Hwang Suk-young, ein bekannter koreanischer Schriftsteller, lud Kim nach der Herausgabe seines Familienromans Janggilsan ein und veranstaltete einen Gut, um den tiefen Groll des Falken von Jangsangot, der in seinem Roman den Widerstand gegen die Unterdrückung symbolisiert, zu vertreiben. Er richtete auch einen Gut zur Bitte um die Wiedervereinigung Koreas am Drahtverhau am Imjin-Fluss an der innerkoreanischen Grenze aus. Erst durch Kim Keum Hwa wurde der Gut endlich von den vielen Vorurteilen, mit denen er behaftet war, befreit und konnte seinen Status zu einer Zeremonie, die eine heitere Stimmung mit viel Lebensenergie schafft und die Tugend der Solidarität präsentiert, erhöhen. Von wem aber wird die Schamanin getröstet, wenn sie erschöpft ist und sich einsam fühlt? „Mein Leben als Mudang ist sehr anstrengend und einsam und es gibt auch Bedauerliches. In meinem Leben gab es zu viel Leid und Unterdrückung, aber ich glaube trotzdem, dass ich in Bezug auf das Zeitalter viel Glück gehabt habe. Wir Schamanen dürfen in unserem Leben weder Ehrgeiz haben noch bestimmte Ziele verfolgen. Wir sind schon dankbar, wenn wir gesund sind und uns mit dankbarem Herzen, mit bedingungslos dankbarem Herzen, in unser Schicksal ergeben und wir sind froh, wenn wir auf diese Weise anderen Menschen helfen können; so leben wir.“ Unter die klaren Sonnenstrahlen, die in die Gut-Halle hineinfielen, mischte sich ein unangenehmer Geruch. Kim erklärte entschuldigend, dass es der Geruch von gegorener Sojabohnenpaste sei, die gerade im unteren Stockwerk zubereitet würde. Vor dem Besuch erzählte mir die Person, die mir Kim Keum Hwa vorgestellt hatte, dass die Schamanin jedem ihrer Gäste ein Essen anbiete. Es ist die warmherzige Rücksicht einer Frau, die Zeiten bitteren Hungers erlebt hat. Als ich meinen vollen Bauch beruhigend von Geumhwadang herunterkam, nahm der vorbeistreichende Herbstwind die weltlichen Gedanken in meinem Kopf mit sich. Herbst 2008 | Koreana 43
KUNSTHANDWERKER
Park Sung Kyu Beständiges Leder, geprägt mit dem Geist des Meisters Die Tradition des Lederkunsthandwerks ist überall auf der Welt zu finden, die Chilpi-Kunst, bei der Leder lackiert wird, jedoch nur in Korea. Die Tradition des Chilpi-Lederkunsthandwerks, die Mitte der Joseon-Zeit ausgestorben ist, wurde dank des Chilpi-Meisters Park Sung Kyu wieder lebendig und blüht unter seinen Händen erneut auf. Chae Euibyoung Freie Schriftstellerin | Fotos: Seo Heun-kang
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eder, das der Mensch bereits seit der Urzeit, als er noch als Jäger lebte, verwendet, ist zwar ein äußerst nützliches Material, aber empfindlich gegenüber Feuchtigkeit und Hitze. Um den Schwächen des Leders, das leicht verschimmelt und verfault, vorzubeugen, wurde die Lackiertechnik Otchil erfunden. Der Saft des Lackbaums Ot macht das Leder resistent gegen Fäulnis, Feuchtigkeit, Mottenbefall und Hitze. Auf der koreanischen Halbinsel wurde diese Lackiertechnik bereits seit der Bronzezeit bei der Lederverarbeitung eingesetzt und es entwickelten sich verschiedene Arten von Otchil-Techniken. Die alten Koreaner wussten, dass auf der Oberfläche des mit Lackbaumsaft lackiertem Leders eine robuste Schicht entsteht und das Leder so trotz ständiger Nutzung über lange Zeiträume konserviert wird und sogar mit Wasser reinigbar ist, und entwickelten die besondere Technik Chilpi.
Die Wiederbelebung des Chilpi-Kunsthandwerks Chilpi-Meister Park Sung Kyu war es, der die bis Mitte der Joseon-Zeit (17., 18. Jh.) aktiv gepflegte, aber dann ausgestorbene traditionelle Chilpi-Kunst Koreas wiederbelebt hat. Vor dreißig Jahren zog ihn die Chilpi-Kunst in ihren Bann und wurde zu seinem Schicksal. Er ist nun der einzige Chilpi-Meister in Korea. Park betont, dass es viele Länder gibt, in denen Lederkunsthandwerk gepflegt wird, aber dass Korea das einzige Land ist, in dem 44 Koreana | Herbst 2008
Leder lackiert, und mit Perlmutt und eingravierten Mustern verziert wird. Park Sung Kyu war eigentlich ein Najeonchilgi-Meister. Er hatte vor etwa vierzig Jahren in seiner Heimat Iksan in der Provinz Jeollabuk-do mit der traditionellen Perlmuttintarsien-Lackkunst Najeonchilgi begonnen, aber nachdem er in einem Museum zufällig ein Chilpi-Kunstwerk gesehen hatte, richtete sich sein Interesse auf Chilpi. „Etwa zehn Jahre, nachdem ich mit Najeonchilgi begonnen hatte, fiel mir bei einem Museumbesuch ein Relikt auf. Es war ein kleine viereckige Schatulle, auf der bei genauem Betrachten Nahtspuren festzustellen waren, was verriet, dass es sich um ein Lederprodukt handelte. Als ich das lackierte Kästchen betrachtete, war ich zuerst neugierig darauf, wie man so einen Gegenstand herstellt, aber dann bekam ich Lust, selbst solch ein Stück zu fertigen. Allerdings gab es damals keinen einzigen Chilpi-Handwerker und kaum Aufzeichnungen über die Technik, weshalb ich nicht wusste, wie ich anfangen sollte. Ich konnte keinen Lehrmeister finden und es gab auch nur sehr wenige ChilpiRelikte. Ich musste praktisch alles von der Pike auf allein erlernen. Ich habe bis heute unendlich viele Experimente gemacht, bin immer wieder gescheitert und habe mir dieses Kunsthandwerk auf eigene Faust angeeignet. Man kann sagen, dass ich auch heute noch dabei bin, die Chilpi-Kunst zu erforschen.“
Nahaufnahme von Lotus- und Arabeskendekor auf einer Truhe (71 Ă— 26 Ă— 71 cm)
Lackiertes Leder Auch Park Sung Kyu, der sich mittlerweile zu Recht als ChilpiMeister bezeichnen darf, scheiterte am Anfang nur zu oft bei der Herstellung dieser Lederkunsthandwerksstücke. Um eine dezente Farbe mit sanftem Glanz wie bei den traditionellen Relikten zu gewinnen, versuchte er sich zuerst an Lederschuhen. Entgegen seinen Erwartungen wurden die Schuhe hart und beim Tragen bekamen sie schnell Risse, so dass sie nicht mehr zu gebrauchen waren. „Wie viel Leder ich während meiner Experimente einfach weggeworfen habe, kann ich nicht mal schätzen. Ich habe ja diese Experimente aus Liebe zur Sache gemacht, aber meine Familie musste deswegen viel leiden. Ich konnte meinen starrköpfigen Ehrgeiz, die traditionelle Chilpi-Kunst Koreas wiederzubeleben und sie an die zukünftigen Generationen zu tradieren, nicht einfach aufgeben. Ich musste den einmal eingeschlagenen Weg einfach bis zu Ende gehen. Hätte ich mit der Chilpi-Kunst meinen Lebensunterhalt verdienen und reich werden wollen, dann hätte ich bestimmt schon längst damit aufgehört.“ Laut der Erklärung von Park Sung Kyu ist Chilpi zwar ein Lederkunsthandwerk, die einzelnen Verarbeitungsschritte wie Lackieren des Leders, Aufmalen der Muster und Dekorieren mit der traditionellen koreanischen Intarsientechnik Sanggam sind jedoch zum großen Teil mit der Perlmuttintarsien-Lackkunst Najeonchilgi identisch. „Zuerst wird aus Holz die Grundform des geplanten ChilpiStückes wie z.B. Möbel, Dokumentenschatullen, dekorative Kästen, Stempelkästchen usw. gefertigt. Diese wird dann lackiert, um das Holz vor Fäulnis zu schützen. Danach wird die Grundform mit Leder bespannt und wieder mehrmals lackiert, 1
1 Schränkchen mit Lotusblütenmuster (71×36×71cm) 2~6 Die Herstellung eines traditionellen Chilpi-Kunsthandwerksprodukts umfasst eine Reihe zeitaufwändiger Schritte. Zunächst muss ein hochwertiges, gut gegerbtes Leder ausgewählt werden. Danach wird eine Grundform aus Holz gefertigt, der mit dem Leder bespannt wird. Nachdem mehrere Schichten Lack aufgetragen worden sind, werden dekorative Muster angebracht. Zum Schluss wird die ganze Oberfläche noch einmal lackiert.
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wobei Farbe hinzugefügt, Muster aufgemalt und Perlmutt-Dekor angebracht wird. Nachdem alle Dekorschritte abgeschlossen worden sind, wird das Stück ein letztes Mal lackiert.“ Nach mehrmaligem Lackieren und aufwändigen, präzise ausgeführten Dekorationsarbeiten entsteht ein Chilpi-Kunstwerk von tiefer Schönheit und Glanz, das für Laien überhaupt nicht wie ein Gegenstand aus Leder aussieht. „Um ein langlebiges Produkt hoher Qualität herzustellen, muss man das Leder gründlich lackieren. Je mehr Lacksaft aufgetragen wird, desto widerstandsfähiger und straffer wird es.“ Ein solches von Park Sung Kyu gefertigtes Meisterwerk weist Feinheit und zugleich Eleganz und Vornehmheit auf. Die elegante dunkelbraune Dokumentenschatulle mit goldfarbiger Verzierung und das rote Schränkchen mit dem prachtvollen LotusblütenRankenmuster wirken überhaupt nicht aufdringlich, sondern sind voller dezenter Schönheit. Yeondangcho, ein Lotusblütenmuster mit fortlaufenden Blätterranken, wird von Park Sung Kyu gerne verwendet. Der als rein und heilig geltende Lotus symbolisiert im stark vom Buddhismus geprägten Korea einen erhabenen Geist, der sich von der weltlichen Gier und vom irdischen Chaos befreit hat. Es ist ein Muster, das gut zu Meister Park passt, der auch während der anstrengenden Arbeit immer ein gelassenes Lächeln auf den Lippen trägt.
Die Antwort liegt in der Tradition Park Sung Kyu fuhr an jeden Ort, wo es Chilpi-Relikte gab, nahm sie genauestens in Augenschein und entdeckte Methoden, mit der er die alten Kunstwerke exakt nachbilden konnte. „Da es keinen Lehrmeister gab, der mir die Technik hätte vermitteln können, war es für mich am wichtigsten, durch Sehen zu lernen
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und Methoden zu entwickeln.“ Das südkoreanische Militärmuseum (Korea Army Museum), das Chilpi-Exponate besitzt, war eines der Museen, die er am häufigsten besuchte und die Lederrüstung im Freilichtmuseum Andong Hahoe Folk Village wurde geradezu zum Forschungsgegenstand. „Normalerweise werden Rüstungen aus Eisen gefertigt, die Rüstung im Andong Hahoe Folk Village ist jedoch aus lackiertem Rindsleder. Laut alten Schriften ist Leder ein ideales Material für Rüstungen, nicht nur, weil es leicht ist und beim Bewegen keine Geräusche erzeugt, sondern auch, weil es widerstandsfähig genug ist, um Pfeile oder Kugeln abzuwehren. Eine Lederrüstung ist genau so stabil wie eine Rüstung aus Eisen.“ Park Sung Kyu verbrachte eine Zeit des autodidaktischen Lernens und der Erkenntnis, indem er allein im Lande herumreiste, Chilpi-Relikte unter die Lupe nahm, nach der Herstellungstechnik forschte und sie sich aneignete. Letztendlich wurde er 1992 für seine Chilpi-Schatulle beim Wettbewerb für traditionelles Kunsthandwerk mit dem Kulturminister-Preis gekrönt. Es war der Moment, in dem seine langjährige Hingabe die ersten Früchte zu tragen begann. Auch danach bemühte er sich mit allen Kräften, neue Chilpi-Werke herzustellen und Relikte nachzubilden. Park Sung Kyu hat es geschafft, z.B. folgende Chilpi-Relikte dem Original gleich zu rekonstruieren: Hwangchilmunseoham (goldene Dokumententruhe), die sich im Museum für Hamburgische Geschichte befindet, Injangham (Siegelschatulle) der königlichen Schatzkammer im Deoksugung-Palast, Seoryuham (Dokumentenschatulle) des Won Kwang University Museum, Gwanbokham (Kiste für die Aufbewahrung von Beamtenuniformen) des Korea Army Museum usw.
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Ein steter Geist Es gibt natürlich auch die negative Meinung, dass das Nachbilden eines historischen Relikts lediglich eine Bewahrung veralteter Techniken und Methoden ist. Park Sung Kyu jedoch hat Respekt vor der Weisheit der Vorfahren und betont, dass er sich auch weiterhin für die Nachbildung ihrer Werke einsetzen wird. Denn die traditionelle Chilpi-Technik ist eine Handwerkskunst auf hohem künstlerischen und technischen Niveau, die sogar mit der heutigen Technik nicht einfach nachahmbar ist. „Zumindest bei der Chilpi-Kunst ist es einfach die beste Methode, die Technik zu erlernen, indem man historische Kunstwerke betrachtet und sie nachbildet. Es ist zwar wahr, dass die moderne Technik fortgeschrittener ist als die alte, jedoch sind für die Herstellung von Chilpi-Waren traditionelle Technik und traditionelles Material einfach am besten. Z.B. verwendet man heutzutage immer mehr Sperrholz bzw. mitteldichte Faserplatten und weniger Naturholz. Diese Hölzer zersplittern und krümmen sich jedoch sehr leicht und halten daher nicht lange. Verwendet man moderne Klebstoffe, löst sich die Lederbespannung von der Grundform und das ganze Stück wird dermaßen ruiniert, dass es nicht mehr zu retten ist. Die traditionelle Fertigungsweise der Holzmöbelstücke ist viel genauer als die heutzutage. Deshalb versuche ich zwar, Design und Farben dem modernen Geschmack angepasst abzuwandeln und kreativer zu gestalten, aber in punkto Techniken und Materialien folge ich den altbewährten Methoden. Es ist mein vorrangigstes Prinzip, erst mit
Die Meisterwerke von Park Sung Kyu weisen präzise Elaboriertheit und gräziöse Verfeinerung zugleich auf. Die elegante dunkelbraune Dokumentenschatulle mit goldfarbiger Verzierung und das rote Schränkchen mit dem prachtvollen Lotusblüten-Rankenmuster wirken überhaupt nicht aufdringlich, sondern sind voller dezenter Schönheit.
Bescheidenheit die Werke der Vorfahren nachzubilden und später dann mit meiner eigenen Technik einen neuen Zweig der Tradition auf den Weg zu bringen.“ Die Siegelschatulle des ehemaligen Präsidenten Roh Moo-hyun ist eines seiner Werke. Park Sung Kyu hatte eine völlig neuartige Viereck-Schatuelle gefertigt und keine kubusförmige wie sonst üblich. Er überzog die Grundform des Kästchens mit Leder und verzierte es mit Mustern, so dass die fertige Schatulle elegant und modern wirkte. Dahinter stehen der Park Sung Kyu eigene Stil und seine Beharrlichkeit, die traditionellen Werte und den traditionellen Geist weiter zu pflegen und dabei nach dem heutigen Zeitalter entsprechenden neuen Werten und einer neuen Ästhetik der Chilpi-Kunst zu suchen. Unter den Händen des Meisters, der die ausgestorbene ChilpiTradition wiederbelebt und sich ohne große Worte der Weitergabe der Technik widmet, verwandelt sich trockenes, raues Leder in ein stabiles, erstklassiges Chilpi-Produkt. Er ist es, der die in Vergessenheit geratene Tradition der Vorfahren und deren Geist wiederentdeckt hat und uns die Essenz des traditionellen Kunsthandwerks Koreas präsentiert. Unter seinen rauen und rissigen Händen entstehen auch heute noch elegante Chilpi-Qualitätsprodukte.
1 Kissen mit dem Motiv des phönixartigen Wundervogels Bonghwang. (35×35cm)
2 Dekoratives fünfteiliges Obst-Servierschalenset mit elaboriertem Wundervogel-Dekor (97×36×35cm)
3 Park Sung Kyu trägt dekorative Muster auf ein 1
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Chilpi-Kunsthandwerksstück auf. Meister Park dekoriert seine Arbeiten mit farbenfrohen Mustern oder Perlmutt-Intarsien.
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MEISTERWERKE
Rendezvous um Mitternacht Brennende Liebe und Abschiedsschmerz Genremaler Hyewon Shin Yun-bok (ca. 1758~nach 1813),
Wolhajeongin (Rendezvous um Mitternacht ), Späte Joseon-Dynastie, Mitte 18. Jh. Das Bild, das den schmerzhaften Moment des Abschieds eines Liebespaares nach ihrem kurzen Treffen im Mondschein thematisiert, fängt in einzigartiger Weise den flüchtigen Augenblick der natürlichen Gefühle von Liebe und Sehnsucht des Menschen ein. Cho Insoo Professor, School of Visual Art, Korea National University of Arts
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uf der rechten Seite steht ein Liebespaar, auf der linken Seite hängt der Sichelmond tief über einem Ziegeldach. In der Dunkelheit der Nacht treffen sich die beiden auf dem Weg. Der Mann ist ein Yangban, ein Adliger der Joseon-Zeit, was an seinem zylinderförmigen Herrenhut und dem langen, weißen Mantel zu erkennen ist. In seiner rechten Hand hält er eine Laterne, die linke steckt in den Falten des Mantels, aus dem er vielleicht etwas hervorholen möchte. Er trägt Lederschuhe, deren Spitzen und Fersen gelbgrün geschmückt sind. Aus der Fußstellung geht hervor, dass er sich zur rechten Bildseite zu bewegen gedenkt, also gehen möchte. Doch sein Gesicht ist in die entgegengesetzte Richtung gewendet, voller Bedauern und wortlos blickt er die Frau an. Die Frau ist eine Frau aus einem normal-bürgerlichen Hause, die ihren Kopf mit einem hellblauen Sseugaechima (Umhängekopftuch für Frauen) bedeckt hat und die boleroartige Jacke der traditionellen koreanischen Tracht Hanbok trägt, die mit lilafarbenen Armbündchen und Kragen geschmückt ist. Unter den bauschigen Falten ihres gelbgrünen Rockes schauen kleine Füße in dicken wattierten Stoffsocken hervor, die in lilafarbenen Lederschuhen stecken. Schüchtern hält sie den Kopf gesenkt, doch ihr Blick richtet sich unter dem Umhang verstohlen auf den Mann. Hinter den beiden erstreckt sich diagonal eine Steinmauer, die 50 Koreana | Herbst 2008
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von der Bildmitte aus nach links abgelenkt weitergeführt wird. Ganz links auf der Seite ist über der Mauer ein Fenster und darüber die Hälfte des Hausdaches zu sehen. Um den Sichelmond breitet sich dunkle Verschwommenheit, was die Mondsichel besonders weiß und leuchtend erscheinen lässt. Die Baumblätter darunter sind grün. Auf die Steinmauer schrieb Shin unter seinem Pseudonym „Hyewon“: „Der Mond steht tief, es ist nach Mitternacht, nur zwei Menschen allein wissen, was ihre Herzen bewegt.“
Geradeheraus und doch verfeinert Wolhajeongin ist ein Albumblatt aus dem Sammelwerk Hyewonjeonsincheop des großen Genremalers Hyewon Shin Yun-bok, der in der Späten Joseon-Zeit lebte. Das Hyewonjeonsincheop , das heute im Gansong Museum of Fine Arts aufbewahrt wird und Nationalschatz Nr. 135 ist, besteht aus dreißig Seiten. Über das Leben von Shin Yun-bok weiß man nichts Genaues. Seine Familie gehörte wohl dem mittleren Stand an und seine Vorfahren waren von Generation zu Generation als Maler tätig. Sein Vater Shin Han-pyeong (1735.?~nach 1809) war ein begabter Maler, der im Dienste des Königlichen Hofamtes für Malerei stand. Es geht zwar das Gerücht, dass auch Shin Maler im Hofamt für Malerei war, aber entlassen wurde, weil er unsittliche Bilder malte. Aber das ist nur ein Gerücht, das schwer zu glauben ist. Shin Yun-bok stellte das extravagante Leben der Oberschicht in detaillierter und eleganter Weise dar, wobei er die Liebe zwischen Mann und Frau zum Hauptthema nahm, was für die damalige Zeit sehr stark aus dem Rahmen fiel. In der Joseon-Zeit war der Neokonfuzianismus herrschaftsbegründende Staatsideologie und zugleich Maßstab für ethische Normen. Der Neokonfuzianismus betonte die hierarchische Ordnung zwischen König und Untertanen, Eltern und Kindern sowie Männern und Frauen. Die regierende Oberschicht der Adligen, Yangban genannt, hatte großen Respekt vor der Gelehrsamkeit und strebte das Ideal des wahren Gentleman an, indem sie sich um die Verfeinerung des Charakters und die Unterdrückung ihrer Leidenschaften bemühte. Auch Bilder mussten entsprechend belehrende und erzieherisch hochwertige Inhalte enthalten, die dem Neokonfuzianismus entsprachen. Deswegen wurden zu dieser Zeit Genrebilder, die die Vergnügungen eines extravaganten Alltagsleben auf direkte und realistische Weise darstellten, als vulgär und geschmacklos kritisiert. Genrebilder hatten das glückliche und gesunde Leben der Untertanen darzustellen und damit zu proklamieren, dass der Herrscher auf aufrichtige Weise regierte. Die Werke des talentierten Malers der Späten JoseonDynastie Kim Hong-do (1745~ca.1806) sind gute Beispiele dafür. In seinem Bild Byeotajak (Reisdreschen ) hält er mit einfachen und realen Pinselstrichen eine Szene fest, wie Bauern mit heiterer Miene arbeiten. Das Leben der niederen Untertanen, die ausgebeutet in Armut und Hunger lebten, bleibt verborgen. Zu sehen sind nur gesunde Bauern mit fröhlichen Gesichtern, was die Realität der Gesellschaft der damaligen Zeit idealisierend beschönigt. 52 Koreana | Herbst 2008
Doch Shin Yun-bok stellte die scheinheilige und hedonistische Lebensweise der adligen Yangban geradeheraus dar. Seine Bilder, die die Realität auf verfeinerte Weise zum Ausdruck brachten, erfreuten sich großer Popularität. Shin wird in der Tat das Leben der Yangban genau unter die Lupe genommen und in seinen Bildern exakt wiedergegeben haben. Er ließ reale Szenen so wahrheitsgetreu auf dem Papiere auferstehen, als spielten sie sich im Augenblick des Betrachtens vor den Augen ab, indem er vor dem Hintergrund von Bergen, Meer oder Gebäuden Menschen in verschiedener Haltung zeigte und feinste Gefühlsregungen mit einzigartiger Ausdruckstechnik, zum Beispiel durch klare deutliche Farben, darstellte. Die Reaktion der Betrachter war widersprüchlich: sie lehnten Shin Yun-boks Bilder zwar aus moralischer Sicht ab, genossen sie aber durchaus in visueller Hinsicht. Ihre Haltung dürfte ambivalent gewesen sein, da sie die Vergnügungen, die auf den Bildern dargestellt werden, einerseits moralisch ablehnen mussten, andererseits gefühlsmäßig aber auch den Wunsch verspürt haben dürften, sich einmal selbst so zu vergnügen.
Abschiedsschmerz nach heimlichem Treffen Betrachten wir einmal die Zeilen im Wolhajeongin etwas näher. Das Wort „Samgyeong“ meint genau die Zeit von 23.00 Uhr bis 01.00 Uhr. In der Joseon-Zeit herrschte in der Hauptstadt Hanseong zwischen 20.00 Uhr und 04.00 Uhr Ausgangssperre. Daraus ist zu schließen, dass sich das Liebespaar auf dem Bild während der Ausgangssperre, wo es vor den Blicken anderer verborgen ist, zu einem heimlichen Stelldichein getroffen hat. Zur Joseon-Zeit war es zudem erwachsenen Männern und Frauen aus der Oberschicht, die nicht miteinander verwandt waren, verboten, einander von Angesicht zu Angesicht zu sehen. Das entsprach den Vorschriften in den Lehrwerken des Konfuzianismus: „Männer und Frauen dürfen ab ihrem 7. Lebensjahr nicht an einem Ort zusammen sein.“ In Yangban-Häusern waren daher sogar die Räume in Räume für Männer (Sarangchae) und Räume für Frauen (Anchae) getrennt. Wenn Frauen aus Yangban-Familien ihr Haus verließen, wurden sie meistens in Sänften getragen, die von außen kaum einzusehen waren. Gingen sie zu Fuß irgendwohin, mussten sie ihr Gesicht mit einem Umhängekopftuch verdecken und von einer Dienerin begleitet werden. Daraus geht noch einmal hervor, dass die Frau auf dem Bild gegen die moralischen Normen ihrer Zeit verstößt und ihren Geliebten in der tiefen Nacht zu einem heimlichen Rendezvous trifft. Der Mann ist sehr jung, hat noch keinen Bartwuchs und stammt wahrscheinlich aus einer reichen Familie, was an seinem Aussehen zu erkennen ist. Auch die Frau, die ebenfalls prächtig gekleidet ist, kommt aus wohlhabendem Haus. Es könnte sein, dass die beiden Freunde aus Kindertagen sind oder die Frau die jüngere Schwester eines seiner Freunde ist, beide in Liebe zueinander entbrannten und sich jetzt heimlich treffen. Der mit dem Umhang bedeckte große Kopf lässt zudem die Vermutung zu, dass die Frau ein großes dekoratives Haarteil trägt, wie es
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in der Joseon-Zeit für verheiratete Frauen üblich war. In diesem Falle würde das Bild eine ehebrecherische Szene darstellen, bei der eine verheiratete Frau einen anderen Mann trifft. Jedenfalls kann man annehmen, dass solch geheime Stelldicheins im Hanseong der Zeit häufiger zu sehen gewesen sein müssen und daher von Shin bildlich festgehalten wurden. Der Text auf dem Bild stammt aus einem damals beliebten Sijo, einem Dreizeilengedicht. Darin geht es um folgendes: Auch nachdem ein Liebespaar zusammen die Nacht verbracht hat, fällt die Trennung schwer. Doch der Mann muss die Frau vor dem Morgengrauen verlassen und sie fragt ihn, wann sie sich wieder sehen können. Wenn dem so ist, dann ist die Szene auf dem Bild kein geheimes Rendezvous mehr, sondern stellt den schmerzhaften Moment des Abschiednehmens dar, nachdem sich das Paar getroffen und seine innersten Gedanken ausgetauscht hat. Das Bild fließt über vor der Traurigkeit der Frau, die sich von ihrem Geliebten verabschieden und um die Ecke nach Hause gehen muss, und der des Mannes, der seine Schritte in eine andere Richtung lenken und die Geliebte zurücklassen muss.
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Die menschliche Seele in einem kleinen Bild
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1 Dano Tag von Shin Yun-bok ist ein repräsentatives Genre-Gemälde aus der Joseon-Zeit, das Szenen darstellt, wie sie am traditionellen Festtag Dano zu sehen waren, der auf den fünften Tag des fünften Mondmonats fällt. Einige Frauen genießen am Fluss typische Bräuche dieses Frühlingsfestivals wie Schaukeln, Haarewaschen und Baden, was die neugierigen Blicke einiger junger buddhistischer Mönche anzieht, die durch eine Lücke zwischen den Felsen spähen.
2 Reisdreschen (27×22.7cm) von Kim Hong-do, einem Zeitgenossen von Shin Yun-bok. Während Shin oft romantische Liebeleien zwischen Edelmännern und Kurtisanen darstellte, tendierte Kim dazu, den Alltag der kleinen Leute mit ihren kleinen Freuden zu porträtieren, den er mit humoristischen Elementen lebhaft zum Ausdruck brachte.
Shin Yun-bok stellt auf effektive Weise den subtilen mentalen Konflikt der beiden Liebenden dar. Um die Freude des Treffens und die Traurigkeit des Abschieds gleichzeitig auszudrücken, verwendete Shin verschiedene Maltechniken. Shin zeichnete die Menschen zwar nur mit dünnen Pinselstrichen, doch durch die verschwommenen und schwachen Tuschelinien des Hintergrundes tritt das Paar um so deutlicher hervor. Die Menschen malte er auf der rechten Seite, den Hintergrund wie Haus oder Mond auf der linken Seite und in den leeren Raum in der Mitte schrieb er den Text. Durch die Farbstriche auf Kleid und Schuhen lässt Shin die Feinheit des Bildes noch lebendiger wirken. Der Sichelmond wurde übertrieben schief nach unten gezogen gemalt, was für die Gefühle des Paares steht. Shin Yun-bok zeigt in Wolhajeongin Treffen und Abschied der einander Liebenden, eine Szene, die unabhängig von Zeit und Ort tief an die Gefühle des Menschen rührt. Obwohl jeder Abschied aufs Neue schmerzt, treffen sich die Liebenden immer wieder, weil sie einander zu sehr vermissen. Es gibt wohl kein anderes menschliches Gefühl, bei dem der Schmerz desto stärker wird, je mehr man es unterdrückt, als die Sehnsucht. Das blinde Herz, das sich nach dem Geliebten verzehrt, obwohl es weiß, dass es nach dem Treffen einen schmerzhaften Abschied geben wird, ist ein Herz, das liebt. Liebe ist etwas so Wertvolles. Wolhajeongin ist zwar nur ein kleines Bild, es stellt aber die tiefen Gefühle des Menschen auf kompakte Weise dar. Herbst 2008 | Koreana 53
KUNSTKRITIK
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Ein Musikfestival, das die graue Stadt erfrischt: Das Seoul FrĂźhlingsfestival der Kammermusik Im Wonnemonat Mai fand ein kleines, aber inhaltlich kompaktes Festival statt, das eine Brise frischer Energie durch das trist wirkende Seoul blies. Das Seoul FrĂźhlingsfestival der Kammermusik (Seoul Spring Festival of Chamber Music ) durchflutete die Metropole mit warmem Sonnenschein und klassischer Musik. Park Yongwan Leitende Redakteurin der Monatszeitschrift Auditorium Fotos: Seoul Spring Festival of Chamber Music
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st es, weil ich in Seoul geboren und aufgewachsen bin? Manchmal habe ich die Stadt satt. Wenn ich von einer Geschäftsreise aus dem nahen Japan oder einem der weit entfernten europäischen Länder zurückkomme und der Flughafenbus in die Stadt einfährt, fühle ich mich jedes Mal von Seoul zutiefst enttäuscht. Zu viele Abgase, zu viele Menschen, zu trister Alltag. Doch wenn der Bus sich der GwanghwamunKreuzung oder dem Cheongyecheon-Fluss in der Innenstadt nähert, verliebe ich mich erneut in Seoul und seine Menschen. Im Chaos der Stadt spüre ich die Lebenskraft und in der Harmonie von Tradition und Moderne, die manchmal nicht so ganz zueinander zu passen scheinen, erkenne ich den Fortschritt. Unter der Maske der Ausdruckslosigkeit auf den Gesichtern der Passanten entdecke ich den gut versteckten Humor. Von außen gesehen mag Seoul etwas öde erscheinen, doch wenn man erst einmal in der Stadt ist, spürt man, wie sie voller Energie vibriert. Im Frühling, genauer gesagt im Mai, sprüht diese Millionenstadt äußerlich wie innerlich vor Vitalität. Es gibt zwar viele Länder, in denen der Monat Mai als „Königin der Jahreszeiten“ bezeichnet wird, aber in Korea und in Seoul, wo die vier Jahreszeiten besonders ausgeprägt sind, hat dieser Wonnemonat eine besondere Bedeutung. Das Bedauern über das Verwelken der Kirschblüten währt nicht lange, denn die Stadt ergrünt mit Kraft. Die Kinder rennen ohne langes Zögern durch die Wasserfontänen vor dem Rathaus, die Schritte der Liebespaare werden langsamer und langsamer, weil sie den Frühling mit allen Fasern genießen wollen. Auch für Liebhaber der klassischen Musik ist der Mai ein besonderer Monat, denn jeden Mai können Sie das Seoul Frühlingsfestival der Kammermusik genießen, 2008 bereits zum dritten Mal.
Das 12-tägige Kammermusik-Festival Im Frühling 2006 hat die Stiftung für Kunst und Kultur der Stadt Seoul das Seoul Frühlingsfestival der Kammermusik ins Leben gerufen, das die Stadt Seoul repräsentieren soll. In diesem Jahr gab es vom 2. bis zum 13. Mai zwölf Tage lang kleinere und größere Musikaufführungen. Während des Festivals fanden pro Tag eine bis drei Aufführungen statt. Rechnet man die Veranstaltungen am Rande des offiziellen Programms mit ein, so kann man durchaus sagen, dass das Kammermusik-Festival ein Festival von beachtlicher Größe ist. Jedes Jahr steht das Festival unter einem bestimmten Thema, 2008 lautete das Motto „Lebensgeschichte“. Unter dem großen Thema „Leben“ wurden Konzerte zu den Subthemen „Jugend“, „Lebensabend“, „Glaube“, „Liebe und Leidenschaft“, „Humor“, „Liebe und Tod“, „Freude“ sowie „Freundschaft“ veranstaltet. Das Eröffnungskonzert, das am 2. Mai im Kammerkonzertsaal des Sejong Center of Performing Arts stattfand, trug den Titel „Jugend“. Es wurden Werke gespielt, die Musiker und Komponisten in ihrer Jugendzeit geschrieben haben. Die Sonate a Quattro No.3 komponierte Rossini mit 12 Jahren, das Klavier Quintett c-Moll von Dohnányi ist sein Werk mit Opusnummer 1. Wenn das Festival mit „Jugend“ eröffnet wurde, bildete dann „Lebensabend“ den Abschluss? Nein, das Festival klang vielmehr mit dem Thema „Freundschaft“ aus. Da viele Musiker und Gruppen zusammengekommen waren, um die Freuden der Musik miteinander zu teilen, gab es für das Finale kein passenderes Thema als Freundschaft. So wurde am 13. Mai im Konzertsaal des Seoul Arts Center das Abschlusskonzert Pinchas Zukerman & Friends gegeben. Alle Musiker, die den langen Marsch der Kammermusik zusammen hinter sich gebracht hatten, traten auf die Bühne des Arts Center und
1 Das Seoul Frühlingsfestival der Kammermusik wird ab 2008 im Zuhammenhang mit dem Hi Seoul Festival ausgerichtet, einer jährlichen Extravaganza von kulturellen Aktivitäten, die diesmal auch ein Kammermusikkonzert umfasste, das auf dem Platz vor dem Seouler Rathaus als Abschlussveranstaltung dargeboten wurde.
2 Die Abschlussveranstaltung mit dem Titel„Pinchas Zukerman & Freunde“ gab allen Künstlern, die an diesem Festival teilnahmen, die Gelegenheit, gemeinsam auf die Bühne des Seoul Arts Center zu treten und ihre musikalischen Freundschaftsbande zu befestigen.
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besiegelten ihre musikalische Freundschaft: Kang Dong-suk, Generaldirektor des Festivals, Park Jae (Geige), Kim Sang-jin (Viola), Cho Young-chang (Cello), Isabell Moretti (Harfe), Florent Heau (Klarinette), Yang Sung-won (Cello) und viele andere. Für eine namentliche Nennung würde der Platz hier nicht ausreichen. Der Geiger Pinchas Zukerman, der dem KammermusikFestival in diesem Jahr besonderes Gewicht verlieh, hat am Abschlusstag mit seinen Musikerkollegen das letzte Stück des Festivals, Tchaikovskys Streichsextett Souvenir de Florence Op. 70 , gespielt. Zukerman, der Korea nach seinem Aufenthalt im Februar 2006 in diesem Jahr erneut besuchte, gab am 12. Mai im LG Art Center zusammen mit seiner langjährigen Kollegin und Gattin, der Cellistin Amanda Forsyth, in Begleitung der Klavierspielerin Tatiana Goncharova Werke von Schubert, Franck und Kodály zum Besten. Das beeindruckendste Konzert des Festivals war die Aufführung „Liebe und Tod“ im Kammerkonzertsaal des Sejong Center of Performing Arts. Es war das schwerste unter den Subthemen. Aber der Samstag, an dem das Werk am Nach-
mittag aufgeführt wurde, war ein herrlicher Frühlingstag mit wolkenlosem Himmel. Natürlich war der Erfolg den Musikern zu verdanken, die das tiefgründige Thema „Liebe und Tod“ bis ins kleinste Detail und perfekt zum Ausdruck brachten, aber auch die fröhlichen Frühlingssonnenstrahlen, die in- und außerhalb des Konzertsaals herumtanzten und sich dem Thema der Musikaufführung widersetzten, schufen eine Atmosphäre, die einen bleibenden Eindruck hinterließ. Musik, oder besser gesagt die Kunst, versetzt uns in Sekundenschnelle aus dem Alltag an einen anderen Ort und wieder zurück. Während des Konzertes war mir das Herz wegen des Stücks von Shostakovich schwer, doch als ich den Saal verließ, wurde mein Schritt wegen der lauen Luft des Frühlingsabends gleich wieder beschwingter. Der Cellist Yang Sung-won kam vor Konzertbeginn auf die Bühne und erklärte dem Publikum die einzelnen Stücke, die auf dem Programm standen. Er trug zwar einen Anzug, doch hatte er eine Hand in die Hosentasche gesteckt. Als er die Bühne langsam auf- und abschritt und dabei die einzelnen Stücke erläuterte, strahlte er Gelassenheit aus. Yang
1 Die Vorführung des Ensembles Les Bons Becs wurde von komödiantischen und schauspielerischen Einlagen der Klarinettisten akzentuiert.
2 Pinchas Zukerman gab eine Sondervorstellung, in deren Rahmen seine Gattin und Kollegin, die Cellistin Amanda Forsyth, auftrat.
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Von außen gesehen mag Seoul etwas öde erscheinen, doch wenn man erst einmal in der Stadt ist, spürt man, wie sie voller Energie vibriert. Im Frühling, genauer gesagt im Mai, sprüht diese Millionenstadt äußerlich wie innerlich vor Vitalität. Der Monat Mai ist für Liebhaber der klassischen Musik von besonderer Bedeutung: Sie können am Seoul Frühlingsfestival der Kammermusik , das 2008 zum dritten Mal stattfand, teilnehmen.
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1 Auf dem Gelände des Palastes Deoksu-gung fand ein Familienkonzert mit einer breiten Palette von musikalischen Darbietungen für z.B. Klarinette, Violine, Cello und Klavier statt.
2 In der katholischen Kathedrale Myeongdong wurde ein Konzert zum 100. Geburtstag des französischen Komponisten Olivier Messiaen gegeben, der auch als„Bach des 21. Jahrhunderts“ bekannt ist.
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Sung-won begann mit dem Satz, dass er sich ursprünglich geweigert habe, vor dem Konzert einen Kommentar zu den einzelnen Stücken zu geben, dass er es aber dann trotzdem gemacht habe. Das Kammermusik-Festival ist nicht nur an Kenner und Liebhaber der klassischen Musik gerichtet, sondern auch an den Durchschnittsbürger, der am Rande des klassischen Musikgeschehens steht. Die kleine Werkeinführung zu Beginn mag für Yang zwar etwas lästig gewesen sein, mit Blick auf die Zielsetzung des Festivals war sie jedoch bedeutungsvoll.
Der schlichte Reiz der Kammermusik Wie der Titel des Festivals bereits nahe legt, ging es hier hauptsächlich um Kammermusik. Mit Ausnahme des Familienkonzerts im Palast Deoksu-gung wurde auch in diesem Jahr auf allen anderen Bühnen Kammermusik gespielt. Die Kammermusik könnte man vielleicht auch als Musik interpretieren, die eigentlich nicht für das Publikum gedacht ist, sondern für die Musiker selbst, da die Spieler mehr Spaß haben als die Zuhörer. Betrachtet man die Kammermusikanten auf der Bühne, wird einem bewusst, dass sie sich in einem wortlosen Dialog untereinander mit Blicken verständigen und quasi ihre Atmung aufeinander abstimmen. Je intimer und fröhlicher dieser Dialog, desto feiner und schöner die Musik. Eine ganze Zeit lang vermochte die Kammermusik in Korea keine große Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Auch jetzt noch bevorzugt das koreanische Publikum große Orchesterkonzerte, doch langsam macht sich ein Wandel bemerkbar. In der Vergangenheit mochte man alles, was groß und prächtig war, was auch in der Geschichte der Stadt Seoul zu sehen ist: in einer sich schnell wandelnden Metropole fällt nur Prächtiges ins Auge. Trotzdem hat das Seoul Frühlingsfestival die Kammermusik, die gewissermaßen zu den einfacheren Menüs der musikalischen Speisekarte zählt, als Empfehlung des Hauses ausgewählt. Dies ist ganz im Sinne von Generaldirektor Kang Dong-suk und den unzähligen Musikern, die kontinuierlich an diesem Festival mitwirken. Dahinter steht der Wunsch, dem Publikum den besonderen Reiz der Kammermusik, bei der Publikum und Musiker zusammen Freude an der Musik haben können, näher zu bringen. Außerdem sollte nicht unerwähnt bleiben, dass die einzelnen Festival-Bühnen gut zu erreichen waren. Das Seoul Frühlingsfestival der Kammermusik fand in den wichtigsten Konzerthallen Seouls statt wie im Seoul Arts Center, im Kammerkonzertsaal des Sejong Center of Performing Arts, im LG Art Center und in kleineren und mittleren Konzerthallen, in den Königspalästen und auf öffentlichen Plätzen. Beim ersten Festival 2006 wurde im Palast Deoksu-gung ein Freiluftkon-
zert veranstaltet und in diesem Jahr wurde im Rahmen des Hi Seoul Festivals ein Konzert auf dem Rasen vor dem Seouler Rathaus gegeben. Die Eintrittskarten kosteten zwischen 10.000 und 50.000 Won (ca. 6 bis 30 Euro), ein Preis, der weit unter denen anderer Konzerte klassischer Musik liegt. Auch das beweist noch einmal, dass das Kammermusikfestival sich an den einfachen Mann auf der Straße richtet.
Seoul im Mai Auch 2009 wird Anfang Mai das Seoul Frühlingsfestival der Kammermusik wieder für zwei Wochen seine Pforten öffnen. Sollten Sie zu dieser Zeit in Seoul sein, wäre es eine gute Gelegenheit, in die schlichte, aber feine Welt der Kammermusik einzutauchen. Hauptveranstaltungsort wird der Kammerkonzertsaal des Sejong Center of Performing Arts sein, der sich in der Nähe des Gwanghwamun befindet. Das Sejong Center, im Herzen Seouls gelegen, feiert dieses Jahr sein 30-jähriges Jubiläum und hat als geschichtsträchtiger Raum der Kultur über den politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Wandel der Stadt in den letzten drei Jahrzehnten gewacht. Der Kammerkonzertsaal (Sejong Chamber Hall), der ausschließlich für Kammermusik gedacht ist, wurde 2006 eingerichtet und präsentiert ein elegantes, aber warmes Ambiente, das sich von der etwas strengen Gesamtatmosphäre des Sejong Center abhebt. Nehmen Sie hier doch einmal am nächsten Kammermusikfestival teil und genießen Sie den Nachklang des Konzertes zusammen mit Ihrer Begleitung. Danach in einem Café etwas zu trinken ist eine gute Idee, aber empfehlenswert ist auch, an der Steinmauer des Palastes Deoksu-gung nahe dem Gwanghwamun entlang zu schlendern oder in der Grünanlage vor dem Seouler Rathaus zu spazieren. Der Palast Deoksugung hat zwar von März bis Oktober auch abends geöffnet, doch wenn man an Werktagen die Musikaufführungen besucht, ist es danach für einen Abstecher zum Palast zu spät. Es empfiehlt sich also, vor Konzertbeginn einen Rundgang durch den Palast zu machen. Verkehrsstaus, die einen nervös machen, ignorante Menschen, die sich nicht einmal entschuldigen, wenn sie einem versehentlich auf den Fuß treten, das Gesicht Seouls, das sich mit so rasanter Geschwindigkeit verändert, dass es einem Angst einflößen kann. Fürchten Sie sich vor dieser grauen Stadt? Wenn ja, dann haben Sie noch nicht den wahren Reiz Seouls entdeckt. Wenn Sie das Herz Seouls, das hinter der grauen Fassade schlägt und die wahre Attraktivität der Stadt ausmacht, erleben möchten, dann sollten Sie die Stadt im Mai besuchen. Die milden Sonnenstrahlen und das reichhaltige Bankett der Musik wird Sie auf den Geschmack der wahren Wärme und heiteren Gelassenheit Seouls bringen. Herbst 2008 | Koreana 59
KOREA ENTDECKEN
Brian Barry Buddhaschaft, die durch Pinselstriche aufblüht Brian Barry, der einst als freiwilliger Helfer nach Korea kam, lebt jetzt bereits über vierzig Jahre hier. Er ist ein echter Koreaner und zugleich ein wahrer, nach Erleuchtung strebender Buddhist, der mit der Pinselspitze die Gestalt Buddhas und die buddhistischen Lehren wiedergibt und Barmherzigkeit im Sinne der buddhistischen Lehre übt. Shim Eenbo Grafikdesigner, Art Director von Brandnine | Fotos: Shim Eenbo
I
m Dezember des Jahres 1967, als der Winter gerade anfing, sich von seiner kältesten Seite zu zeigen, setzte Brian Barry (geb. 1945) als für den Gesundheitsbereich zuständiges Mitglied des Friedenscorps zum ersten Mal seinen Fuß auf koreanischen Boden. Sein erster Einsatzort war Buan in der Provinz Jeollabuk-do. Damals war Korea noch sehr arm, von der wirtschaftlichen Lage auf dem Land wie im Kreis Buan schon ganz zu schweigen. Überall waren die Lebensumstände schlecht und alles war veraltet. Jedoch erschien in den Augen von Brian Barry Korea als ein Land, dessen Natur, noch unbeeinflusst von der 60 Koreana | Herbst 2008
Zivilisation, ihre ursprüngliche Schönheit bewahrt hatte und dessen Landbewohner ein freundliches und reines Gemüt besaßen. Während er in einem Gesundheitszentrum auf dem Lande als freiwilliger Helfer seine Aufgaben erfüllte und sich immer tiefer in das Leben der Koreaner einlebte, wurde seine Zuneigung zu Korea noch stärker.
Begegnung mit dem Buddhismus Brian Barry lernte in Buan einen großen Bodhisattwa, d.h. einen Menschen, der die Erleuchtung erreicht hat und zur Rettung
aller Wesen einsetzt, kennen. Es war seine Hauswirtin. Diese alte Landfrau nahm den fremden Ausländer als ihren jüngsten Sohn auf und versorgte ihn nicht nur mit Nahrung und Kleidung, sondern half ihm freundlich, sich in alle Bereichen des ungewohnten koreanischen Lebens einzufinden. „Sie war eine Person mit einem warmen Herzen voller Menschenliebe. Wenn sie um etwas gebeten wurde, konnte sie nicht Nein sagen. Obwohl sie selber nicht viel besaß, lud sie Hungernde zu sich nach Hause ein und kochte für sie. Sie glaubte zutiefst an Buddha und besuchte oft einen Tempel. Ich habe diesen Tempel, Wolmyeongam, gelegentlich besucht und gehört, wie die Mönche sie große Bodhisattwa nannten. Allerdings wusste ich am Anfang nicht, was damit gemeint war.“ Diese liebevolle zweite Mutter, die er, nachdem er sein gemütliches Zuhause, wo es ihm an nichts mangelte, verlassen hatte, in einem fremden Land unter öden Umständen traf, beeinflusste ihn tief. Dank dieser Bodhisattwa, mit der er bis heute als „ihr jüngster Sohn“ verbunden ist, lernte er Buddha kennen. Es war die schicksalshafte Begegnung mit dem Buddhismus, die sein Leben veränderte. Nach zweijährigem Einsatz als freiwilliger Helfer kehrte er in seine Heimat in der USA zurück, konnte aber Korea nicht vergessen. Deshalb kam er nach kurzer Zeit wieder zurück. Auf die Frage, was ihn denn wieder nach Korea zog, antwortete er lächelnd: „Ich kehrte in die Staaten zurück, hatte aber ständig den Klang des koreanischen Handgongs Kkwaenggwari im Ohr. Dieser Klang hatte mich in seinen Bann geschlagen, so dass ich nicht anders konnte, als zurückzukehren.“ War es bloß der Kkwaenggwari-Klang, der ihn nach Korea zog? Es waren auch das typisch koreanische Gefühl „Jeong“, das Menschen der westlichen Welt schwer zu beschreibende Gefühl der starken Zuneigung zwischen den Menschen, das warme Herz der Koreaner, die auch in wirtschaftlich schwierigen Zeiten füreinander da sind, die koreanische Küche, die ihm am Anfang zwar äußerst fremd, aber nach und nach zur Gaumenfreude wurde, die dynamische Bauernmusik usw. Aus ihm war bereits ein echter Koreaner geworden. Die Menschen und die Kultur Koreas wurden immer mehr zu etwas Eigenem. Einmal hatte Barry die Gelegenheit eine Samulnori-Aufführung (Samulnori = die moderne Percussionversion der Bauernmusik Nongak) zu sehen und war von Dynamik und Rhythmus so fasziniert, dass er beschloss Nongak zu lernen. Wenn schon, denn schon, sagte er sich und schloss sich der Gruppe Honam-Udo-Gutpae an, in der er mit großer Lebensfreude den koreanischen Handgong Kkwaenggwari spielte. Um die buddhistischen Schriften richtig lesen zu können, begann er mit dem Studium der chinesischen Zeichen. Und da er gerade dabei war, lernte er auch gleich Kalligraphie. Er verwandelte sich in einen Koreaner, der noch koreanischer war als ein Koreaner. Genauer gesagt hatte er sich nicht verwandelt, sondern eigentlich nur sein ursprüngliches Wesen wiedergefunden.
Als Ausländer in Korea hatte er viel zu tun. Er war stets beschäftigt. Vormittags spielte er in der Gutpae-Gruppe Kkwaenggwari, lernte chinesische Zeichen und Kalligraphie, während er nachmittags Übersetzungsaufträge erledigte und spät abends an der buddhistischen Schule des Tempels Daewonjeong-sa die Lehre des Buddhismus studierte. Das war aber noch nicht alles. Je mehr er die koreanische Kultur verstehen lernte, desto mehr Zeit wandte er dafür auf, die koreanische Kultur mit noch größerer Leidenschaft bekannt zu machen. So gehörte er eines Tages zu den an einer Hand zählbaren Experten für koreanische PR-Unternehmungen im Ausland, Fachübersetzern buddhistischer Texte und Kulturkennern. Während er von Korea fasziniert war, vergingen mehrere Jahrzehnte im Nu. Brian Barry, der sagt, dass er nicht weiß, wie seine Jugend vergangen ist, wird oft gefragt, warum er immer so vieles plant und so beschäftigt ist. Dabei hat er nie etwas gemacht, das er nicht machen wollte oder zu dem er gezwungen gewesen wäre. Nach Korea zu kommen, vielen verschiedenen Menschen zu begegnen, über Korea zu lernen und schließlich Korea bezogene Arbeiten zu übernehmen – das alles hat sich eins nach dem anderen auf natürliche Weise selbst ergeben. Seinen Freunden, die klagen, dass sie immer zu viel zu tun hätten, rät er mit einem Lächeln: „Hat der Himmel ein Loch bekommen? Wenn ein Loch entstanden ist, dann leben wir doch einfach damit!“
Der Weg zur buddhistischen Malerei 1986 erlebte Brian Barry etwas, das zu einem Wendepunkt in seinem Leben führen sollte. Er dolmetschte für einen amerikanischen Architekten, der unbedingt Dancheong, die bunten Blumen- und Arabeskenmuster der traditionellen koreanischen Architektur, sehen wollte, und begleitete ihn zum Tempel Bongwon-sa. Zwar hatte er als Buddhist die buddhistischen Lehren fleißig studiert, aber bis dahin kein großes Interesse für Dancheong oder die Buddha-Wandgemälde Taenghwa aufgebracht. Als er jedoch den Tempel Bongwon-sa besichtigte und die Dancheong-Arbeiten sah, spürte er, wie sein Herzschlag stärker wurde und er wie festgewurzelt stehen blieb. Die farbigen Dancheong waren prachtvoll, wobei aber kein einziger Teil besonders herausstach, sondern sich das Ganze trotz des äußerst komplizierten Musters in harmonischer Schönheit präsentierte. Die buddhistischen Taenghwa-Bilder waren alt und verblasst, besaßen aber gerade deshalb umso mehr Tiefe. Als er vor diesen Kunstwerken stand, wurde ihm bewusst, dass alle menschlichen Verbindungen und Erfahrungen, die er in Korea gesammelt hatte, schicksalhafte Ereignisse waren, die ihn in den Hof des Tempels Bongwon-sa geführt hatten. Barry löste sich von den fesselnden Dancheong- und Taenghwa-Kunstwerken und verließ den Tempel. Er machte sich auf den Weg zu dem Mönchen Manbong (1910-2006), Dancheon-Meister und Träger des Titels „Wichtiges Immaterielles Kulturgut Nr. 48“. Als Barry, der den DancheongMeister unangemeldet aufsuchte, dem Assistenten sagte, dass Herbst 2008 | Koreana 61
er den Meister sprechen möchte, wurde er gefragt, ob er einen Kotau machen könne. Brian Barry vollführte unverzüglich eine große Verbeugung mit Stirnaufschlag vor Manbong und erklärte, dass er buddhistische Malerei lernen möchte. Manbong nahm den urplötzlich erschienenen Mann mit blonden Haaren und blauen Augen als Lehrling auf. Jedoch waren die anderen Lehrlinge misstrauisch. Sie waren sich sicher, dass dieser Neue die schwierige Lehre der buddhistischen Malerei sowieso nicht lange ertragen und bald aufgeben würde. Das Erlernen der buddhistischen Malerei war eine Qual. Man musste täglich gebeugt hockend Tausende von SiwangchoSkizzen für die Buddha-Wandbilder zeichnen. Jeder Körperteil schmerzte und jedes Gelenk wurde steif. Während der Lehre gab Barry an die fünf Mal auf und packte seine Koffer. Jedoch flimmerten schon nach wenigen Tagen vor seinen Augen die Siwangcho-Skizzen und er konnte keine Ruhe finden. „Es ist wie eine Sucht oder Krankheit. Es ist wohl mein Schicksal.“ Er hatte keine andere Wahl, als zurückzukehren. So begann er mit der Malerei und pflegt diese Opfergabe an Buddha nun bereits im 23. Jahr. Viele Lehrlinge, die Barry anfänglich misstrauten, haben ihren Meister, Mönch Manbong, verlassen, während Barry ihm stets folgte, bis er 2006 schließlich verstarb.
Die Größe Buddhas ist nicht entscheidend Die buddhistischen Bilder, die Brian Barry herstellt, kann man in zwei Arten unterteilen: Er malt einerseits gewöhnliche Taenghwa im traditionellen Stil, andererseits aber auch moderne Taenghwa, bei denen es sich um Neuinterpretationen der buddhistischen Malerei handelt. Er bezeichnet das Malen nicht als Herstellen eines Werkes, sondern als religiöses Opferritual. Egal, ob es sich um traditionelle oder moderne Taenghwa handelt, sie sind Opfergaben an Buddha. Seine Bilder wurden nicht nur in Korea, sondern auch über die Grenzen Koreas hinaus bekannt. 1999 besuchte Brian Barry den Wat Suthat Thepwararam, den Königstempel in Thailand. Als er die Wandgemälde des Tempels bewunderte, kam der oberste Mönch des Tempels und fragte ihn, ob er sich mit buddhistischer Malerei auskenne. Barry zeigte ihm ein Foto von seinen Taenghwa, das er gerade bei sich hatte. Der Mönch betrachtete das Bild eine Weile und bat ihn danach, den Raum, in dem sich die Buddha-Statue befindet, mit Dancheong zu verzieren. Zurück in Korea packte Barry seinen Koffer, reiste wieder nach Thailand und widmete sich dort drei Monate lang der DancheongMalerei. Da es in der Geschichte des thailändischen Buddhismus noch nie vorgekommen war, dass ein Ausländer die BuddhaGemälde eines traditionellen Tempels fertigte, sorgte Barry für einige Furore. Seine Buddha-Malereien wurden sogar über den US-Fernsehsender CNN, der eine Dokumentation darüber anfertigte, weltweit gezeigt. Barry stellte darüber hinaus auch zahlreiche buddhistische Bilder für verschiedene Tempel her: die Hubultaenghwa (Taenghwa, die 1 Hintergrund für Buddha-Statuen bilden) des indonesischen den 62 Koreana | Herbst 2008
Ortstempels vom Tempel Haein-sa, Hubultaenghwa und Jijangsiwangtaeng des Tempels Gobul-sa in Kalifornien (USA), Baeguigwaneumdo des Tempels Munsu-sa in Boston, Dalmado des Tempels Dalma-sa in Russland usw. Er schenkt traditionelle Malereien meist an Tempel und verwendet moderne buddhistische Bilder für die Verbreitung des Buddhismus oder als Geschenke für ihm nahe stehende Menschen. Wenn er nach dem Preis seiner Kunstwerke gefragt wird, winkt er mit der Frage ab, wie man Buddha in Geld aufrechnen könne. Auch ein Bild, für das er mehrere Tage und Nächte durchgearbeitet hat, verschenkt er ohne zu zögern, wenn er einen Ort findet, an dem es gebraucht wird. Es gibt Leute, die ihm raten, die buddhistischen Bilder der Goryeo-Zeit wieder zu neuem Leben zu erwecken. Sie meinen nämlich, dass die Malereien der GoryeoZeit einen höheren künstlerischen Wert als die der Joseon-Zeit besitzen und einen höher entwickelten Stil aufweisen. Brian Barry ist aber der Meinung, dass die buddhistischen Bilder der JoseonZeit volkstümlicher sind und der Durchschnittsmensch sich ihnen daher leichter nähern kann. Brian Barry meint zudem, dass die buddhistischen Bilder nicht mehr nur in frommen und ernsthaften Umgebungen bleiben sollen, sondern auf T-Shirts, Tassen und Souvenirs in das Alltagsleben eindringen und verbreitet werden müssen. Das bedeutet, dass der Buddah im Tempel nicht anders als der im Alltag ist. Mit diesem Glauben setzt Barry die Lehre seines Lehrers, nach der ein großes Buddha-Gemälde und ein Buddha-Bildchen letztendlich gleich sind, um.
Dankbar für alles Wenn die Zeit dafür kommt, begeben sich Zugvögel instinktiv auf ihre lange Reise in die Heimat. Brian Barry sagt, dass es wahrscheinlich eine solche Art von Instinkt war, die ihn nach Korea geführt hat. Eine unsichtbare Hand führte ihn um den halben Globus nach Korea, zur Bodhisattwa und zum Buddhismus und machte aus ihm schließlich einen Bulmo, einen Künstler, der Buddha-Bilder herstellt. Manche mag das erstaunen, aber für Barry war es ein äußerst natürlicher, friedlicher und glücklicher Lebensweg. Seine Erfahrungen als Experte für koreanische PR-Unternehmungen im Ausland, als Werbetexter, Übersetzer, buddhistischer Lehrer und erster ausländischer buddhistischer Missionar führten ihn schicksalhaft und wie von selbst zu seiner Bestimmung als Bulmo. Deshalb ist er allen dankbar, die ihm geholfen haben, den Pinsel in die Hand zu nehmen. Seine Wohnung, die in Seoul an einem Berghang liegt, ist stets voller Tintenduft. Durch das Fenster blickt man auf das chinesische Zeichen für Herz bzw. Seele 心 auf der Wand des gegenüber stehenden Hauses. „Auch wenn ich mein gesamtes Vermögen weggebe und mit leeren Händen dastehe, dann reicht es doch, wenn ich meine Seele gut pflege.“ So murmelt er vor sich hin, setzt sich auch heute wieder hin und greift zu seinem Pinsel, der ihn in die Welt der vollkommenen Freude führt.
Brian Barry bei der Arbeit an einem buddhistischen Gemälde in seinem Studio in Seoul. Zu den mit der Schaffung solcher Gemälde verbundenen Anstrengungen kommentiert er: „Wenn man erst mal die Türen seines Herzens geöffnet hat, ist alles möglich.“ Herbst 2008 | Koreana 63
AUF DER WELTBÜHNE
Kim Hee-jin Eine Tänzerin mit Gesten, die für unaufhaltsamen Aufstieg stehen
Kim Hee-jin gehört zu der Generation der modernen koreanischen Tänzer, die als Pioniere auf die Bühnen der Welt traten. Kim, die in Korea bereits eine anerkannte Tänzerin war, wagte es, im Alter von über 30 ins Ausland vorzustoßen und feierte große Erfolge in Japan und Frankreich. Doch nicht genug: jetzt hat sie sich noch einmal gewandelt und macht als Choreographin auf den internationalen Bühnen von sich reden. Jang Seung-heon Kunstdirektor der Kunstagentur MCT (Management of Culture & Theatre); Dozent an der School of Performing Arts, Kookmin University Fotos: Management of Culture & Theatre
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innliche und explosive Jugendlichkeit. Die Rivalität und Herrschaft der Liebe, die die schöne Tänzerin Kim Hee-jin (42) zum Ausdruck bringt, stechen hervor.“ - Le Figaro . „Die Mitglieder des Centre Chorégraphique National de Grenoble sind hervorragende Tänzer mit Energie, Technik und poetischer Ausdrucksfähigkeit. Unter ihnen fällt die koreanische Tänzerin Kim Hee-jin besonders auf, die einem Traum entstiegen zu sein scheint.“ - Le Nouvel Observateur . Es ist nicht besonders schwer, lobende Kommentare von Kritikern, Choreographen und Zuschauern über die Tänzerin Kim zu finden. Die mehr als zehn Jahre, die sie in Japan und auf den Bühnen Europas, darunter auch in Frankreich, verbrachte, haben sie in die Reihen der internationalen Tänzer befördert. Das Lob, das sie während dieser Zeit erhielt, enthält Wahrheiten, die sie am genauesten beschreiben: „Sie ist eine Tänzerin, die hervorragende körperliche Voraussetzungen aufweist und über die notwendige Technik verfügt, jede Bewegung perfekt auszuführen.“ „Die Bewegungen ihres ganzen Körpers sind scharf und empfindlich wie ein Hobelmesser.“ „Mit der Kraft und Geschwindigkeit, die, unterstützt von ihrer Größe, aus ihrem Körper herausbricht und sich in Techniken niederschlägt, die an Zirkusakrobatik erinneren, beherrscht sie die Bühne.“
Pioniere des modernen Tanzes
Eine Szene aus Der Weg zurück (1993), getanzt und choreographiert von Kim Hee-jin. Das Stück handelt von Schock und Angst einer Frau, die nach langer Zeit ihr Gedächtnis wiedererlangt.
Frankreich ist der Mittelpunkt des europäischen Tanzes. Nicht nur in Paris sondern auch in Lyon gibt es ein Tanztheater namens „Haus des Tanzes“, und jeden Sommer lockt das Montpellier Festival , ein Tanzfestival von internationalem Ruf, Tanzbegeisterte aus aller Welt an. Die französische Bühne, die für alle Tänzer ein Traum ist, ist Kims Hauptbühne. Doch es ist ein Irrtum, wenn man denkt, dass Kim Hee-jin schon als Kind in diesem fortgeschrittenen Mekka des Tanzes ausgebildet worden sei. Sie ging erst im Jahr 2002 nach Frankreich, damals war sie schon über 30 Jahre alt. Bis dahin hatte sie in Korea trainiert, ihr Talent entfaltet und sich so auf ihre Zukunft vorbereitet. Mit ihren Auftritten als Haupttänzerin des Korean Contemporary
Dance Theater konnte sie sich allmählich in Tanzkreisen profilieren. Sie ist die einzige Frau, die in Jesus Christ Super Star unter der Choreographie von Yuk Wan-sun, der Mutter des modernen koreanischen Tanzes, die Rolle des Judas spielte. Diese Rolle machte sie zu einem Star in Korea. Für Jesus Christ Super Star wurde Kim beim Dong-A Tanzwettbewerb mit einem Preis ausgezeichnet und vom Koreanischen Verband für Modernen Tanz als beste Nachwuchstänzerin gekrönt. 1992 gewann sie beim MBC-Wettbewerb für kreativen Tanz den ersten Platz. Kim präsentierte auf diese Weise schon früh ihr Talent und Potential als Star auf der koreanischen Bühne. Gerade darin liegt der Unterschied zwischen Kim Hee-jin und den anderen koreanischen Tänzern, die im Ausland tätig sind. Während die meisten erfolgreichen Tänzer durch Früherziehung oder frühzeitige Aktivitäten im Ausland Starruhm sammelten, entfaltete Kim bis Anfang 30 auf koreanischen Bühnen verschiedene Aktivitäten, stellte ihr Talent unter Beweis, steigerte Schritt für Schritt ihren Bekanntheitsgrad, erhöhte ihr Potential und machte dann erst den großen Schritt in die weite Welt, der sie ihrem Traum näher brachte.
Treffen mit dem Großmeister Ihr Debüt im Ausland begann mit dem Treffen mit Jean-Claude Gallotta, dem Leiter des Centre Chorégraphique National de Grenoble . Im Jahr 1997 nahm Gallotta, der in Korea von ihrer Vorführung fasziniert gewesen war, Kim als Mitglied der Tanztruppe des Shizuoka Performing Arts Center (SPAC ) auf, bei der er derzeit als Kunstdirektor tätig war. Ihr Vertrag lief über zweieinhalb Jahre. Falls sie in dieser Zeit ihr Talent auf der japanischen Bühne nicht hinreichend zur Entfaltung hätte bringen können, hätte sie nach einem kurzen Auslandsaufenthalt wieder nach Korea zurückkehren müssen. Doch ihr herausragendes Talent, das sie auf der einheimischen Bühne konsolidiert hatte, führte zu weiteren Verträgen. Danach folgte sie Gallotta nach Frankreich, wo sie fünf Jahre lang als Haupttänzerin des Centre Chorégraphique National de Grenoble auf der Bühne stand. Herbst 2008 | Koreana 65
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Der mit Poesie und Romantik gefüllte elegante Tanz von Kim faszinierte mit einem Schlag viele Choreographen und die anspruchsvollen europäischen Zuschauer. Mutig verzichtete sie auf ihr Label „begabte Tänzerin“ und präsentiert jetzt den Zuschauern Choreographien, die den spezifischen Farbton und Duft von Kim Hee-jin tragen.
Während dieser Zeit besuchte Kim mit der Tanzgruppe Korea und gab im Rahmen des Seouler Internationalen Tanzfestivals zwei Vorführungen von Gallottas repräsentativem Werk Mammame . Mammame ist Gallottas Meisterwerk, das nach seiner Premiere im Jahr 1985 bereits seit über zwanzig Jahren aufgeführt wird. Nachdem Gallotta Kim zum ersten Mal tanzen gesehen hatte, äußerte er: „Von dir strahlt ein gewisses Etwas aus, etwas deutlich Außergewöhnliches. Es ist nicht mit Worten zu beschreiben, aber es ist etwas, das anders ist als bei den unzähligen anderen Tänzern auf den europäischen Bühnen. Deine Bewegungen sind wirklich voller Reiz.“ Ihr wurde es erst im Laufe der Zeit klar, was Gallottas Worte bedeuteten. Sie verkörperte die Gefühle des Ostens, die mit einem Male zusammen mit ihrem tiefen Atem, der sich in ihrer Kindheit durch den koreanischen Tanz von selbst entwickelt hatte, aus ihr herausbrachen, und verfügte über eigentümliche Armbewegungen. Der mit Poesie und Romantik gefüllte elegante Tanz von Kim faszinierte mit einem Schlag 66 Koreana | Herbst 2008
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viele Choreographen und die anspruchsvollen europäischen Zuschauer.
Choreographie – eine neue Herausforderung Kim Hee-jin selbst beschreibt die letzten zehn Jahre als „eine Zeit des Tanzens ohne jeden weiteren Wunsch.“ Doch sie ließ die Zeit des wunschlos glücklichen Tanzens und des weiteren Ruhms hinter sich und verließ 2005 Galottas Tanzensemble. Damals war sie 38. „Ich habe eine Weile Pause gemacht. Es war eine Zeit zur Heilung meiner körperlichen Schmerzen, das Resultat von acht Jahren Tanz in Japan und Frankreich.“ Doch ihre Pause war nur kurz. Bald tanzte sie wieder als freiberufliche Tänzerin, trat mit der Tanztruppe Centre Chorégraphique National de Grenoble und dem Ensemble von Angelin Preljocaj auf die Bühne, erwarb eine Tanzlehrerlizenz und unterrichtete an der Universität Grenoble. Aber ihr größter neuer Versuch war natürlich ihre Verwandlung zur Choreographin, womit sie ihren Tätigkeitsbereich auf die kreative Arbeit erweiterte. Im Jahr
2007 gründete Kim ihre eigene Tanztruppe: MOM . „In Frankreich stößt man als Tänzer auf Grenzen, wenn man nicht als Mitglied einer Vereinigung oder Gruppe, sondern als Einzelperson tätig sein will. Ich gründete mit meinen französischen Freunden eine Tanztruppe, um im offiziellen Rahmen meinen Werk-Aktivitäten nachgehen zu können. Es ist zwar ein bescheidener Anfang, aber ich wollte ein Werk auf die Bühne bringen, mit dem man sich den Zuschauern noch weiter annähern kann.“ Kim feierte ihr Debüt als Choreographin in Korea. Im November 2007 präsentierte sie in Seoul ihr Werk Dongban ( A Journey of Absence ), das sie mit dem französischen Tänzer Ludovic Galvan gemeinsam choreographierte. In diesem Stück, das aus drei Episoden besteht, thematisierte sie unter dem Titel Dongban (wörtliche Bedeutung: die Begleitung) die Unvollständigkeit oder mangelnde Ganzheit, die in unserem Leben existiert. „Von den drei Episoden erzählt Die Speicherzelle über die Erinnerung an die
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1 Kim Hee-jins Vorführung von Angst (1963), einem Stück unter der Choreographie von Yuk Wan-sun, die von vielen als die Mutter des zeitgenössischen koreanischen Tanzes angesehen wird.
2 Die anonyme Gesellschaft (1996), getanzt und choreographiert von Kim Hee-jin, thematisiert die Isolation und Entfremdung des modernen Menschen in einer Welt, in der die zwischenmenschliche Kommunikation unterbrochen ist.
3 Die Speicherzelle (2006), getanzt und choreographiert von Kim Hee-jin und Ludovic Galvan, wurde von Kritikern v.a. wegen des leidenschaftlischen und poetischen Ausdrucks gelobt.
4 Traum , getanzt und choreographiert von Kim Hee-jin, wurde erstmals 1992 aufgeführt. Das Stück erzählt die Geschichte, wie der Mensch versucht seinen Traum einer machinisierten Zivilisation zu verwirklichen, der schließlich zum Alptraum der Zerstörung der Menschlichkeit wird.
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vergangene Liebe eines Mannes. Das Stück wurde auf der europäischen Bühne positiv bewertet, die Leidenschaft und der poetische Ausdruck, die die beiden Choreographen zeigten, seien beeindruckend. Die Worte einer Zuschauerin im mittleren Alter waren für mich unvergesslich: Es war wie ein Blick in meine eigene Vergangenheit.“
Seinen Traum verfolgen Auf die Frage, ob es nicht zu spät war, erst in den 30ern die internationale Bühne betreten zu haben und ob sie nicht bereut habe, nicht früher ins Ausland vorgestoßen zu sein, antwortet Kim: „Weil ich in meinen frühen Jahren in Korea war, konnte ich viele unterschiedliche Dinge machen und diese wertvollen Erfahrungen waren der Nährboden für meine künstlerischen Aktivitäten im Ausland.“ Kims Lebensweg führte dazu, dass zahl-
reiche koreanische Nachwuchstänzer nach Europa drängten und sie gilt heute als Vorbild für viele junge koreanische Tänzer, die von internationalem Erfolg träumen. Ihnen rät Kim Hee-jin: „Ein schneller Vorstoß ins Ausland ist zwar wichtig, doch noch viel wichtiger ist, sich vorher selbst zu prüfen und zu stärken. Die koreanische Bühne ist ein Ort, an dem man sein Talent entfalten und auf den Prüfstand stellen kann, bevor man sich ins Ausland wagt. Die Erfahrungen in der Heimat bilden die Grundlage für den Erfolg im Ausland. Deswegen empfehle ich, unabhängig von der Größe der Bühne sich an möglichst vielen unterschiedlichen Werken zu versuchen.“ Kim verzichtete mutig auf ihr Label „begabte Tänzerin“ und präsentiert jetzt den Zuschauern Choreographien, die den spezifischen Farbton und Duft von Kim Hee-jin tragen. Es ist nicht schwer, sie
heutzutage auf Bühnen in Frankreich, Korea und der weiten Welt zu treffen. Zum Beispiel ist sie auch zur Dance Triennale Tokyo eingeladen, die im Herbst 2009 in der japanischen Hauptstadt stattfindet. Mittlerweise hat Kim Hee-jin die 40 längst überschritten, doch sie könnte sich selbst ohne Tanz gar nicht vorstellen und so wird es auch in Zukunft sein, sagt sie. „Hat man die 40 erst mal überschritten, stellen sich viele Fragen über das Leben neu. Ich möchte in meinen Werken natürliche Geschichten über das Leben erzählen und den Zuschauern so verstärkt ein Mitfühlen ermöglichen.“ Kim Hee-jin, eine moderne Tänzerin, die selbst mit kleinen Handgesten die reife Schönheit, die eine lange Zeit ertrug, zum Ausdruck bringt. Wir dürfen gespannt sein, mit welchen Werken sie in Zukunft unsere erschöpften und verletzten Seelen zum Tanzen bringen wird. Herbst 2008 | Koreana 67
UNTERWEGS
Gongju Harmonie von Bergen, Fluss und Kultur Die Stadt Gongju, die im Zentrum der Provinz Chungcheongnam-do liegt, ist die zweite Hauptstadt des Königreichs Baekje (18 v. Chr. – 660 n. Chr.) und ein Ort, in dem die Baekje-Kultur ihre Blüte erlebte. Begeben wir uns in die alte Stadt Gongju, wo sich die Spuren der Geschichte in einer schönen natürlichen Landschaft finden, die von der Harmonie von Bergen und Fluss geprägt ist. Na Tae-joo Dichter | Fotos: Ahn Hong-beom
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ie Stadt Gongju liegt in einem einladenden Talkessel, dessen natürliche Schönheit von der Harmonie der sanften Linien der Berge des Gyeryong-san Nationalparks mit seinen berühmten Tempeln und dem Fluss Geum-gang, dem größten Flusslauf in Gongju, gestaltet wird. In Gongju finden sich Spuren aus prähistorischer Zeit und dem Silla-Reich (57 v. Chr. – 935 n. Chr.), aber hier ist auch noch der Glanz der Kultur des Baekje-Reiches (18. v. Chr. – 660 n. Chr.) zu spüren, dessen zweite Hauptstadt Gongju war. Eine Reise nach Gongju ist eine Reise durch verschiedene Zeitalter von der Urzeit über das Zeitalter der Drei Königreiche (18 v. Chr. – 668 n. Chr.) bis in die Moderne, die einen Einblick in Kultur und Atmosphäre der jeweiligen Periode vermittelt. Gongju - eine Stadt, in der Berge, Fluss und Kultur Wege zu einem friedlichen Nebeneinander suchen.
Die herzzerreißende Legende vom Fluss Geum-gang Der Fluss Geum-gang, der in westöstlicher Richtung durch die Stadtmitte von Gongju fließt, ist nach dem Han-gang und dem Nakdong-gang der drittlängste Fluss Koreas. Am Oberlauf sind die geographischen Gegebenheiten rau und gefährlich, tief in den Bergen schlängelt sich der Fluss zwischen steilen Felswänden hindurch, was einen herrlichen Anblick bietet. Etwa am Mittel68 Koreana | Herbst 2008
lauf des Flusses treffen sich innere Talsohle und Ebene. Das Gebiet am Mittellauf des Geum-gang mit seiner gut entwickelten Schwemmlandebene sorgte für reiche Ernten und war zusammen mit der verkehrsgünstigen Lage, die Anschluss an alle Himmelsrichtungen bot, der Nährboden für die Baekje-Kultur. Geum-gang bedeutet „Seiden-Fluss“, was für die zahme und sanfte Strömung des Flusses steht. Man kann weder das Fließen des Wassers hören, noch die Richtung der Strömung erkennen, wenn man nicht konzentriert darauf achtet. Zurzeit hat sich die Wassermenge auf Grund des Dammbaus am Oberlauf zwar verringert, aber in der Regenzeit im Sommer zeigt sich der Fluss wieder in seiner einstigen üppigen und wasserreichen Gestalt. Seit alter Zeit gibt es zum Geum-gang eine herzzerreißende Legende, die die Herkunft des Namens der Stadt Gongju erklärt. Es lebte einmal ein junger Mann, der seinen Lebensunterhalt mit der Jagd verdiente. Eines Tages ging der junge Jägersmann auf die Jagd und entdeckte in den Bergen eine schlafende Bärin. In dem Moment, als er den Bogen anlegte und auf sie schießen wollte, empfand er plötzlich Mitleid mit dem Tier. Er zögerte einen Moment und da wachte die Bärin auf. Die Bärin verliebte sich auf den ersten Blick in den Jäger, packte ihn und schleppte ihn zu ihrer am Geum-gang gelegenen Höhle am Fuße des Berges. Dort
Gongju
Die Sonne geht am Horizont hinter dem Fluss Geum-gang unter, der durch die Stadt Gongju fließt. Der Geum-gang, der„Seiden-Fluss“, der sich sanft zwischen den Bergen von Gongju dahinschlängelt, hat dazu beigetragen, das Goldene Zeitalter der alten Kultur von Baekje zu eröffnen.
sperrte sie ihn ein und verschloss den Höhleneingang mit einem großen Felsbrocken, damit ihr Geliebter nicht weglaufen konnte. Ein Monat verging, ein weiterer zog ins Land, da wurde die Bärin schwanger und gebar schließlich ein Kind. Eines Tages ging die Bärin auf die Jagd, ohne den Eingang zu versperren, da sie sich nach der Geburt des Kindes des Jägers sicher fühlte. Der junge Jäger jedoch lief schnell davon, rannte zum Fluss und stieg in ein Boot, das an der Fährstelle am Ufer lag. Als er den Fluss fast schon überquert hatte, hörte er plötzlich das Weinen der Bärin. Er schaute sich um und sah die Bärin, die mit dem Baby im Arm schluchzend am Ufer stand und ihn mit der Pfote zu sich her winkte. Aber der Jäger drehte nicht um, sondern setzte weiter über den Fluss. Als die Bärin das sah, stürzte sie sich mit dem Baby in den Fluss, wo beide in den Fluten ertranken. Von diesem Tag an folgte ein mageres Jahr dem nächsten, die Boote auf dem Fluss gerieten in reißende Strömungen und kenterten. Da bauten die Dorfleute in der Nähe der Anlegestelle der Fähre, wo die Bärin gestorben war, einen Schrein um ihre Seele zu trösten. Nach der Bedeutung „Fährenanlegestelle, wo die Bärin sich umbrachte“ wurde diese Gegend „Gomnaru (Bärin-Fährenanleger)“ genannt, „Ungjin“ in chinesischen Schriftzeichen. „Ungjin“ hieß die Stadt Gongju, bevor sie Anfang der Goryeo-Zeit (918-1392) im
Jahr 940 in„Gongju“ umbenannt wurde.
Die Tempel im Gebirge Gyeryong-san Das 845 m hohe Gebirge Gyeryong-san, das durch die Erosion des Geum-gang geformt wurde, erhebt sich mit etwa zwanzig Gipfeln zur vollen Majestät. „Gyeryong-san“ bedeutet „Drache mit einen Hahnenkamm auf dem Kopf“. Betrachtet man die Bergkette aus der Ferne, erinnern die Gipfel tatsächlich an einen Hahnenkamm. Seit der Zeit der Drei Königreiche zählte das Gebirge Gyeryongsan zu den fünf repräsentativsten Koreas und in der JoseonZeit (1392-1910) war dort sogar der Bau einer neuen Hauptstadt geplant, da Gyeryong-san sich im Herzen des damaligen Königreichs befand. Nicht nur Gestalt und Natur des Gebirges, das nach dem Gebirge Jiri-san als zweites zum Nationalpark bestimmt wurde, sind beeindruckend, sondern auch die vier buddhistischen Tempel, die in die vier Himmelsrichtungen ausgerichtet sind, gehören zu den Besonderheiten des Gyeryong-san. Heute sind nur noch drei Tempel erhalten: der Donghak-sa im Osten, der Sinwon-sa im Süden und der Gap-sa im Westen. Früher gab es im Norden noch den Guryong-sa, von dem heute aber nur noch Spuren des Tempelplatzes zu sehen sind. In Korea sind Gebirge mit Tempeln in vier Himmelsrichtungen selten. Herbst 2008 | Koreana 69
Der Donghak-sa ist als Tempel berühmt, wo die Biguni, buddhistische Nonnen, sich in Askese und Selbstdisziplin üben. Dort gibt es zudem die Donghak Buddhistische Universität, an der die Biguni studieren. Auch der Weg zum Tempel, an dem das Tal tief und das Wasser klar ist, ist ein Naturerlebnis. Auf dem Tempelplatz stehen Gebäude, die die konfuzianischen Werte Loyalität und kindliche Pietät symbolisieren, was eine natürliche Harmonie zwischen Buddhismus und Konfuzianismus präsentiert. Sie wurden während des Koreakriegs fast alle zerstört, doch im Jahr 1975 wieder aufgebaut. Beim Sinwon-sa, der sich auf der südlichen Seite des Gipfels Cheonhwang-bong befindet, ist das Nebengebäude Jungakdan viel herrlicher als das Hauptgebäude. In vielen Tempeln gibt es einen Sansingak, einen Schrein, in dem nach altem schamanistischem Volksglauben der Geist des jeweiligen Bergs verehrt wird, doch im Vergleich zum Hauptgebäude Daeungjeon ist dieser Schrein in der Regel kleiner und befindet sich in einer abgelegenen Ecke der Tempelanlage. Das Jungakdan im Sinwonsa wurde jedoch Ende der Joseon-Zeit mit Unterstützung von Kaiserin Myeongseonghwanghu errichtet, um den Berggott in entsprechenden Zeremonien um Frieden im Palast von Kaiser Gojong (reg. 1863-1907) zu bitten. Die architektonische Struktur des Gebäudes ist daher von einer beeindruckenden Größe und stilistischen Formvollendung, die an den Königspalast erinnert. Das Joseon-Reich existiert zwar nicht mehr, aber die Tradition der zeremoniellen Verehrung des Berggeistes von Gyeryong-san wird bis heute weitergeführt. Der Tempel Gap-sa auf der westlichen Seite des Gebirges ist genau wie der Donghak-sa wohlbekannt. Dort befindet sich der Schrein von Yeonggyudaesa, dem Anführer der Mönchtruppe, die das Land während der japanischen Invasion Imjinwaeran (1592– 1598) verteidigte. Die Ranunkelsträucher mit ihren vollgelben
Blüten, die im Frühling im Tempel blühen, locken verführerisch. Ein weiterer Tempel, der bei der Tempel-Geschichte von Gongju nicht unerwähnt bleiben darf, ist der Magok-sa. Dieser Tempel ist in Bezug auf Größe und Status so überlegen, dass die oben erwähnten Tempel Donghak-sa, Sinwon-sa und Gap-sa als Zweigtempel gelten können. Der Magok-sa liegt am Fuße des Taehwa-san, einem Gebirge in der Nähe von Gyeryong-san. Das Gebirge Taehwa-san ist zwar nicht so majestätisch wie das Gebirge Gyeryong-san, vermittelt aber ein angenehm beruhigendes Gefühl. Der Weg zum Magok-sa ist nicht steil und geradlinig, sondern schlängelt sich wellenförmig nach oben. Die Menschen, die den Tempel aufsuchen, um Buddha um eine Antwort auf ihre Fragen zu bitten, vergessen schon auf dem Weg zum Tempel, bei dem sich wie bei einem musikalischen Rhythmus Kurven und Geraden abwechseln, ihre weltliche Habgier und Sorgen. Die weisen Lehren Buddhas im Bergtempel zu empfangen ist zwar auch wichtig, aber unsere Vorfahren lehren uns darüber hinaus noch, dass sie die großen Tempel tief in den Bergen versteckten, damit sich der Körper auf dem Weg zum Tempel ununterbrochen bewegt und unsere allzu ehrgeizigen Gemüter besänftigt werden, um Erleuchtung erreichen zu können. In und um Gongju sind Tempel mit solch verschiedenen Geschichten und jeweils besonderem Reiz zu finden. Es gibt Tempel mit starkem und männlichem Charakter, aber auch welche, die in ihrer Sanftheit und Angenehmheit weiblichem Reiz ausstrahlen. Die großen Tempel, die tief im Gebirge Gyeryongsan liegen, sind Beweis für das Sprichwort „Gute Tempel findet man in guten Bergen“ und schreiben zusammen mit Gongju die Geschichte von Aufstieg und Untergang fort.
Prähistorische Überreste und Spuren von Baekje Gongju ist ein Ort, der schon zu Urzeiten besiedelt war. Die his-
1 Das Gebirge Gyeryong-san wurde wegen seiner günstigen geomantischen Charakteristika seit alters her als heilig erachtet. Es war ein sicherer Zufluchtsort in Zeiten der Unruhe sowie ein Zentrum für Anhänger des Schamanismus und neuer religiöser Strömungen am Rande der Hauptreligionen. Auch heute noch leben hier Schamanisten, die die göttlichen Kräfte der Berge aufnehmen möchten.
2 Der Tempel Magok-sa, der sechs Nationalschätze
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wie eine Steinpagode und buddhistische Schriften beherbergt, ist der bedeutendste Tempel von Gongju. Der koreanische Freiheitskämpfer Kim Gu (1876-1949), der an vorderster Front gegen die japanischen Besatzer kämpfte, suchte während der letzten Jahre des Daehan-Reiches (ab 1897 Bezeichnung für das Späte Joseon-Reich) hier Zuflucht.
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torischen Spuren in dieser Region lassen vermuten, dass das Gebiet bereits seit der Altsteinzeit bewohnt ist. Zur Zeit der Drei Königreiche Silla, Goguryeo und Baekje genoss Gongju als Hauptstadt des Reiches Baekje, das 63 Jahre lang von vier Königen regiert wurde, eine kulturelle Blüte. Aber auch nach dieser goldenen Zeit fungierte die Stadt weiter als Zentrum von Kultur und Verwaltung der zentralen Region der koreanischen Halbinsel. In dem zu Gongju gehörenden Dorf Seokjang-ri sind Relikte aus vorgeschichtlicher Zeit erhalten. Diese Überreste kamen bei einer Überflutung im Jahr 1964 durch einen Dammbruch wieder ans Tageslicht. Die jahrzentelangen Ausgrabungsarbeiten schufen nicht nur den Rahmen für die Erforschung der koreanischen Altsteinzeit, sondern erbrachten den Kernbeweis dafür, dass die koreanische Geschichte bis in die Altsteinzeit reicht. Es wurden Relikte wie verschiedene Steinwaren und Alltagsgegenstände entdeckt, die Aufschluss über das Leben der Menschen aus der frühen Altsteinzeit sowie der Mittelsteinzeit, dem Zeitraum von
vor 550.000 bis vor 30.000 Jahren, geben. Diese Relikte beweisen, dass in der Altsteinzeit etwa acht bis zehn Personen zusammen ein Haus bauten, Feuer machten und unter einem Dach lebten. Heutzutage gibt es im Dorf Seokjang-ri ein Museum (Seokjang-ri Museum), das die entdeckten Überreste und die Übergangsprozesse des koreanischen vorgeschichtlichen Zeitalters im Überblick und leicht verständlich vorstellt. Wenn man über Gongju spricht, kann man die historischen Spuren des Königreichs Baekje nicht unerwähnt lassen. Seit Baekje sind bereits über 1.500 Jahre vergangen, doch in der Stadt atmet immer noch die Seele des alten Reiches. Überall in der Stadt, von der Stadtmitte bis zu den Randgebieten, sind verschiedene Überreste der Baekje-Kultur zu finden. Das Allererste, was man sich in der Stadt Gongju ansehen sollte, ist die Festung Gongsan-seong. Es wird vermutet, dass sich in dieser Festung während der Baekje-Zeit der Königspalast befand. Gongsan-seong ist zudem der Ort, an dem der Joseon-König Injo (reg. 1623~1649) im Jahre 1624 zehn Tage Herbst 2008 | Koreana 71
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lang Zuflucht vor aufrührerischen Rebellen suchte. In der Festung befindet sich ein Pavillon, der zum Gedenken an die beiden Bäume, an die sich König Injo damals hoffnungsvoll in Richtung Seoul blickend lehnte, gebaut wurde und daher auch „Ssangsujeong (Zwei-Bäume-Pavillon)“ heißt. Die Festung hatte Tore in alle vier Himmelsrichtungen. Jeder Stein der Festungsanlage trägt die Spuren der Geschichte, doch noch wertvoller ist der üppige Wald. Einen dermaßen weitläufigen Wald mitten in der Stadt zu haben ist ein Segen für die Einwohner. Die Bewohner von Gongju steigen schon von Kindesbeinen an auf die Festung. Die Festungsanlage, die zum Schutz vor Angriffen von außen gebaut wurde, hat sich in einen schönen Park verwandelt, in dem sich die Bewohner der Stadt ausruhen und erholen können. Die Kinder klettern auf die Kiefern, laufen in der Festung, wo die Seele von Baekje amtet, umher, erleben dabei auf natürliche Weise 72 Koreana | Herbst 2008
die Geschichte der Stadt und lernen so mit dem Körper, was das Wesen der Bewohner von Gongju ausmacht. Von den Kindern kann man lernen, dass Geschichte keine Aufzeichnung einer abgeschlossenen Vergangenheit ist, sondern ein geistiges und materielles Gut, das unser heutiges Leben bereichert. Nach einem Rundgang durch die Festung Gongsan-seong empfiehlt es sich, die urzeitlichen Gräber von Songsan-ri zu besuchen. Früher dachte man, dass es sich bei den sieben Einzelngräbern, die die Grabstätte bilden, um einfache Gräber aus der Baekje-Zeit handele. Doch mit der 1971 bei Kanalisationsarbeiten gemachten zufälligen Entdeckung des Grabs von König Muryeong stellte sich heraus, dass es sich um Königsgräber handelt. Das Grab von König Muryeong war völlig unberührt von fremder Hand. Als man es öffnete, fand man eine Flut wertvoller Überreste. Von den 2.906 Ausgrabungsstücken, die in 108 Arten klassifiziert wurden, wur-
den 17 Stücke von 12 Arten zum Nationalschatz bestimmt. Diese Relikte wurden im Nationalmuseum Gongju untergebracht, wobei Wert und Umfang der Funde entsprechend ein neues Museumsgebäude gebaut wurde. Da aus dem Grab auch die Inschriftplatten mit dem Namen des Königs und der Königin ausgegraben wurden, konnte die Identität der Verstorbenen geklärt werden. Es handelte sich um die gemeinsame Grabstätte von König Muryeong und seiner Gemahlin. König Muryeong (reg. 501-523), der 25. König von Baekje, brachte im Reich selbst und auch in der Außenpolitik große Leistungen hervor, indem er das Leben des Volkes verbesserte, die Stärke des Baekje-Reiches erhöhte und dessen Status gegenüber anderen Mächten stärkte
Themen-Museen und heilige Kulturstätten In Gongju gibt es neben dem bereits erwähnten Gongju Nationalmuseum und dem Seokjang-ri Museum noch verschiedene Themen-Museen. Das 1997 eröffnete Chungcheongnam-do Forstmuseum ist z.B. ein Museum, das Exponate rund um das Thema Wald ausstellt. Das Museum besteht aus Ausstellungshallen, in denen es jeweils um die Geschichte der Wälder, deren Vorteilen und Nutzung, Zerstörung und Zukunft geht, während im Freien
1 Die Festung Gongsan-seong wurde erbaut um Gongju, die Hauptstadt des Baekje-Reiches gegen feindliche Angriffe zu schützen. Das Gebiet um diese 1.500 Jahre alte Festung, in der die Geschichte Baekjes noch lebendig ist, wurde in einen Park verwandelt, in dem die Bewohner der Stadt Ruhe und Entspannung finden.
2 Unter den verschiedenen Grabstätten aus der Zeit der Drei Königreiche sticht das Grab von König Muryeong durch die einzigartige Besonderheit hervor, dass die Identität der hier Bestatteten, nämlich des König Muryeong und seiner Gemahlin, bekannt ist. Darüber hinaus sind die dekorative Struktur der Gemäuer und die Grabbeigaben intakt erhalten geblieben.
3 Bei den Ausgrabungsarbeiten des Grabs von König Muryeong kam eine
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wahre Flut von historischen Schätzen ans Tageslicht: 2.906 Stücke von 108 Arten, von denen 17 zu Nationalschätzen erklärt wurden.
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ein Erholungswald, Sportanlagen und ein Campingplatz eingerichtet sind. Im riesigen Gewächshaus, das mit einer Glaskuppel überdacht ist, wachsen tropische und subtropische Pflanzen, während im Tierpark Wildtiere wie asiatische Kragenbären und Wildschweine sowie Vögel gehalten werden. Die Strecken bis zum Arboretum und Wildblumengarten eignen sich auch als Wanderoder Spazierwege. Das Gyeryongsan Naturhistorische Museum präsentiert wertvolle Fossilien. Brachiosaurus-Fossilien wie die im Erdgeschoss der Ausstellungshalle wurden weltweit bislang nur noch an zwei weiteren Orten gefunden. Der Brachiosaurus, der vor 145 Millionen Jahren lebte, war ein gewaltiger Dinosaurier mit einer Körperlänge von 25 Metern, einer Höhe von 16 Metern und einem Gewicht von 80 Tonnen. Außerdem ist in diesem Museum auch das Skelett eines Blauwals ausgestellt. Der Blauwal, ein etwa 30 Meter langer und 120 Tonnen schwerer Wal, ist das größte Lebewesen, das auf der 4,6 Milliarden Jahre alten Erde je gelebt hat. Weitere Exponate sind ein Mammut-Skelett aus Sibirien und die älteste Mumie Koreas. Der verstorbene Pansori-Sänger Park Dong-jin (1916-2003), der aus Gongju stammte, gilt als Koreas größter Meister des Pansori, des epischen Sologesangs. Das Park Dong-jin Pansori Trainingscenter wurde errichtet, um den Pansori-Meister zu ehren, der alle Schwierigkeiten überwunden und sein Leben der traditio74 Koreana | Herbst 2008
nellen Kunst gewidmet hat, aber auch, um Nachwuchs zu fördern und die Pansori-Tradition weiterzugeben. Das Zentrum bietet nicht nur Pansori-Unterricht, sondern auch Pansori-Vorführungen und Erlebnisveranstaltungen für Laien an. Das Woongjin Museum für Bildung, das Schulbücher, alte Romane, Schriftstücke und Zeitschriften von der Joseon-Zeit bis zum heutigen Tag ausstellt, und das Naturhistorische Museum Jidang, in dem man weltweit seltene Tiere und Insekten verschiedener Art und deren Fossilien besichtigen kann, sind Museen, die bei einem Besuch in Gongju unbedingt auf dem Reiseplan stehen sollten. Wie in anderen koreanischen Städten, die in der Vergangenheit als Provinzzentren fungierten, so befindet sich auch in Gongju eine Märtyrer-Gedenkstätte. Auf der Gedenkstätte Hwangsaebawi wurden Ende der Joseon-Zeit 248 katholische Märtyrer hingerichtet. Nachdem man die Märtyrer-Gedenkstätte mit gemessener Andacht besichtigt hat, sollte man die Gongju-Jungdong Kathedrale in der Stadt besuchen. Die Kathedrale, deren Bau 1934 begann und 1936 beendet wurde, ist eine Kirche voll dezenter Schönheit, die architektonisch der mittelalterlichen Gotik des Westens folgt. Sie befindet sich in gutem Zustand, so dass sie auch Nicht-Katholiken zu religiöser Andacht inspiriert. Die siebzig Jahre alte Gongju-Jungdong Kathedrale ist eins der seltenen modernen Bauwerke der Stadt.
Das Ugeumchi Schlachtfeld ist im Vergleich zu anderen historischen Stätten in Gongju ein Ort, der von einem relativ jungen historischen Ereignis erzählt. 1894, als die japanische Invasion in Korea begann, entstand in der Provinz Jeolla-do die DonghakBauernbewegung. Die Zahl der Bauernsoldaten, die sich gegen den japanischen Imperialismus und die Ausbeutung durch die koreanischen Regierungsbeamten zusammengeschlossen hatten, mehrte sich im Nu und die Bewegung weitete sich nach Norden bis Gamyeong in der Provinz Chungcheongdo aus. Gamyeong ist sozusagen das südliche Tor von Gongju. Dort kam es zwischen der Bauernarmee und dem Bündnis aus Regierungstruppen und japanischen Truppen zu einer großen Schlacht. Nach einer Woche blutiger Kämpfe mussten sich die 100.000 Bauern geschlagen geben, nur etwa Tausend kamen mit dem Leben davon. Auf diesem Schlachtfeld befindet sich heute ein Gedenkturm für die gefallenen Bauern der Reformbewegung.
Schatztruhe der Kultur Gongju, die ehemalige Hauptstadt von Baekje, in der einst eine prachtvolle Kultur blühte, entwickelte sich durch ihre günstige Lage und guten geographischen Voraussetzungen zum Mittelpunkt des südlichen bzw. zentralen Teils der koreanischen Halbinsel. Es ist allerdings nicht zu leugnen, dass die heutige Entwicklung im Vergleich zur ruhmreichen Vergangenheit langsamer fortschreitet. Die Stadt Gongju verlor 1932, als der Sitz der Provinzregierung von Chungcheongnam-do von Gongju nach Daejeon verlegt wurde, ihre Funktion als Verwaltungsmittelpunkt. Dennoch zieht Gongju als Kulturstadt, die alte Traditionen bewahrt und die Bedeutung der
Geschichte wiederbelebt, bis heute viele Touristen an, auch wenn sie keine großen Fortschritte im modernen Sinne erzielte. Da der Tourismus ein Industriezweig ist, der einen höheren Mehrwert erzeugt als jeder andere, erwartet Gongju einen neuen Aufstieg, der auf der Landschaft des Gebirges Gyeryong-san und des Flusses Geum-gang sowie den lebendigen Spuren der BaekjeDynastie basiert. Seitdem der Sitz der Provinzregierung, ein Symbol des Verwaltungsmittelpunkts, verlegt wurde, genießt Gongju den Ruf als Erziehungs- und Bildungsmittelpunkt. 1932 wurde die Gongju National University of Education (damals: Kongju Girls Normal School) eröffnet und man bemühte sich um die Anziehung von begabten Schülern aus dem ganzen Land. Es entstand sogar der Spruch: „Um Schüler zu großen Talenten zu machen, sollte man sie nach Gongju schicken.“ Es ist zwar nicht leicht, sich der Tendenz der Zentralisierung zu widersetzen, die die meisten Bereiche wie auch den Bereich Erziehung und Bildung in die Hauptstadt Seoul zieht, doch in die Stadt Gongju, die sich auf dem Gebiet der Lehrerausbildung einen Namen gemacht hat, strömen auch heute noch begabte junge Menschen, die Lehrer werden wollen. Wenn Sie vom hektischen Alltag erschöpft und inmitten von Lärm und Menschengewühl gestresst sind, dann wird Gongju Balsam für Ihren Körper und Ihre Seele sein. Gongju ist eine Stadt, auf deren Boden, dessen Form an ein Wasser schöpfendes Händepaar erinnert, sich in mehreren Schichten Kulturen verschiedener Zeiten abgelagert haben. Wenn man am Fuße des Gebirges Gyeryong-san, den Ufern des Flusses Geum-gang sowie zwischen den historischen Stätten verschiedener Zeitalter spaziert, kann man erkennen, warum an verschiedenen Orten entstandene Kulturen wie Wasser herbeiflossen, sich im schüsselförmigen Becken von Gongju vermischten bzw. einander anpassten und prächtig aufblühten. Auch heute noch existieren in der großen und angenehmen Schüssel namens Gongju traditionelle und moderne Kultur friedlich nebeneinander und verwirklichen die Tugenden der Eintracht und Harmonie.
1 Unter den Exponaten im Gyeryongsan Naturhistorischen Museum findet sich auch das Skelett eines Brachiosaurus.
2 Die 1936 fertig gestellte Gongju Jungdong Kathedrale ist ein elegantes Bauwerk im gotischen Stil und eines der wenigen Beispiele klassischer westlicher Architektur in den Provinzen Koreas.
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KÜCHE
Pasanjeok Lauch-Rindfleisch-Spieße Sanjeok sind Spieße, die mit gewürztem Fleisch bzw. Fisch und Gemüse zubereitet werden, wobei die Zutaten in längere Stücke geschnitten, auf dünne Stäbchen gespießt und gebraten werden. Je nach Zutaten lassen sich zwar verschiedene Sanjeok-Arten unterscheiden, darunter sind aber vor allem Pasanjeok aus Lauch und Rindfleisch wichtiger Bestandteil traditioneller Festtagsspeisen. Sie sind zudem beliebte Appetithäppchen zu alkoholischen Getränken oder kleiner Imbiss für zwischendurch. Paik Jae-eun Professorin für Lebensmittel und Ernährung, Bucheon University
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anjeok ist ein traditionelles Gericht, das an den traditionellen hohen Feiertagen, bei Hochzeiten, Geburtstagen oder wenn Gäste kommen nicht auf der Festtafel fehlt. „Jeok“ ist ein Oberbegriff für Spieß-Gerichte aus verschiedenen, in Fingerlänge geschnittenen und gewürzten Zutaten wie Fleisch, Fisch, Pilze und Gemüse. Zwar variieren die Namen der verschiedenen Sanjeok-Arten je nach Zutat, ihnen ist jedoch in der Regel gemeinsam, dass Rindfleisch dazu gehört.
Spieße Die Zubereitung von Nahrungsmitteln durch direktes Braten oder Grillen über dem Feuer zählt zu den ältesten Kochmethoden der Menschheit. Ohne Werkzeug war das schwierig, weil die Hitze des Feuers kaum lange zu ertragen und das Fleisch nicht gleichmäßig von allen Seiten durchzubraten war. Daher begann man Fleisch auf Stäbe aufzuspießen und zu braten, woraus sich das heutige Gericht Jeok entwickelte. In Bezug auf die Zubereitungsart gibt es keinen großen Unterschied zwischen Jeok (Braten mit Spießen) und Gui (Braten auf einer Grillvorrichtung), außer eben, dass für Jeok Stäbchen verwendet werden. Es entwickelte sich aber eine gesonderte Bezeichnung, weil Jeok ein Gericht ist, das bei den Ahnenverehrungszeremonien auf den Opfergabentisch oder auf die Tafel für wichtige Feiern wie z.B. Hochzeit, 60. Geburtstag usw. kommt. In alten koreanischen Kochbüchern wird Jeok als Gericht definiert, das zubereitet wird, indem auf Stäbe aufgespießte Nahrungsmittel gebraten werden. In anderen Büchern heißt es, dass man bei der Jeok-Zubereitung in sechs bis neun Zentimeter lange Streifen geschnittenes saftiges Rindfleisch in Öl und Soja- oder Bohnenpaste einlegt, danach mit Sesamkörnern bestreut, auf einen langen Spieß aufreiht, die Zutaten 76 Koreana | Herbst 2008
auf beiden Seiten des Holzstäbchens formschön auf eine einheitliche Länge schneidet und die Spieße anschließend über Kohlefeuer brät. Es gibt verschiedene Arten von Jeok wie Sanjeok, Nureumjeok und Jijim-Nureumjeok. Repräsentativste Sanjeok-Gerichte sind Pasanjeok aus Lauch (=Pa) und Rindfleisch, Tteoksanjeok aus weißen Reiskuchenwürsten (=Tteok) und Rindfleisch, Songisanjeok aus Kiefernpilzen (=Songi) und Rindfleisch sowie Saseuljeok aus weißfleischigem Fisch, den man in dicke Streifen schneidet, in einen Mantel aus Rinderhack hüllt und brät. Bei der Zubereitung von Nureumjeok werden die Zutaten zuerst gegart und dann aufgespießt, während man bei JijimNureumjeok – anders als bei der Zubereitung von Sanjeok die Spieße leicht in Mehl und anschließend in geschlagenem Ei wendet, bevor sie gebraten werden. Auch in anderen Ländern gibt es verschiedene Arten von Spießen aus Fleisch und verschiedenen Gemüsen. Zum Beispiel werden in südostasiatischen Ländern Satay-Grillspieße und in der Türkei Kebab gegessen. Heutzutate wird Sanjeok aus verschiedenen Zutaten, die man nur etwas würzen, aufzuspießen und zu braten braucht, auch oft als bequemes Buffetgericht wie westliche Fingerfoods genossen.
Sanjeok und Pasanjeok Lauch (=Pa) ist bereits seit frühester Zeit eine wichtige, für viele Gerichte unverzichtbare Zutat der asiatischen Küche, darunter auch der koreanischen. Lauch, der reich an Kalzium und Vitaminen ist und einen hohen Salzgehalt aufweist, schmeckt stechend scharf und zugleich erfrischend und wird daher gerne frisch gegessen oder auch als Aroma und Geschmack verstärkende Zutat verwendet. Darüber hinaus kochte man in der Volksmedizin aus Lauchwurzeln, die anti-
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Pasanjeok mit Lauch, einer überall leicht erhältlichen Zutat, ist für die Koreaner eine Freude für den Gaumen und zugleich für die Augen. Diese Spießart, bei deren Zubereitung Lauch und Rindfleisch auf Holzstäbchen gespießt und gebraten werden, duftet und schmeckt besonders gut, wenn man die unterirdisch gezüchtete, gelbliche Winterlauchsorte verwendet. Heutzutate wird Pasanjeok auch oft als bequemes Buffetgericht wie westliche Fingerfoods genossen.
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bakterielle Wirkung besitzen, und Ingwer einen Tee gegen Erkältung. Die Wurzeln und der Stiel wurden als Mittel gegen Parasiten, aber auch als Diuretikum genutzt. Auch während der Winterzeit wurde Lauch verwendet, und zwar die gelbliche Wintersorte (=Umpa), die in unterirdisch angelegten Tonkammern(=Um) aufbewahrt wurde. Pasanjeok mit Lauch, einer überall leicht erhältlichen Zutat, ist für die Koreaner eine Freude für den Gaumen und zugleich für die Augen. Diese Spießart, bei deren Zubereitung Lauch und Rindfleisch auf Stäbchen gespießt und gebraten werden, duftet und schmeckt besonders gut, wenn man die unterirdisch gezüchtete, gelbliche Winterlauchsorte verwendet. Heutzutate wird Pasanjeok auch oft als bequemes Buffetgericht wie westliche Fingerfoods genossen. Mit anderen Zutaten werden auch Sanjeok-Varianten mit verschiedenen Farbkombinationen und unterschiedlichem Geschmack aus den grundlegenden Pasanjeok-Zutaten Lauch und Rindfleisch zubereitet. Darunter gibt es den Tteoksanjeok aus weißen Reiskuchenwürsten, Rindfleisch und Lauch, die abwechselnd auf die Stäbe gespießt werden. Tteoksanjeok ist wegen der gelungenen Kombination von knackigem Lauch und klebrigem Reiskuchen auch eine beliebte Kinderbrotzeit. Außerdem wird aus Kiefernpilzen, die im Herbst in Kiefernwäldern wachsen und einen besonderen Duft und Geschmack besitzen, Songisanjeok (Songi=Kiefernpilz) zubereitet. Wild
wachsende Kiefernpilze, eine hoch gepriesene Zutat für kulinarische Herbstspezialitäten, stehen nur in vergleichsweise geringer Menge zur Verfügung und sind daher ein beliebtes und wertvolles Nahrungsmittel. Kiefernpilze gelten auch als gesundheitsförderndes Nahrungsmittel, das Bluthochdruck und Herzkrankheiten vorbeugt, weil es den Cholesteringehalt im Blut senkt; zudem spendet es Energie und beruhigt. Nach einem kürzlich bekannt gegebenen Forschungsergebnis enthält diese Pilzart auch krebsvorbeugende Stoffe. Neben Kiefernpilzen werden auch Shiitake-Pilze oder Austernseitlinge verwendet, mit denen man Beoseotsanjeok (Pilzspieße) zubereitet. Bei der Zubereitung von Sanjeok müssen die Spieße ausreichend lange gebraten werden, damit das Fleisch gut durchbrät. Sanjeok ist ein Gericht, für das man nur sehr wenig Gewürzzutaten verwendet, damit der ursprüngliche Eigengeschmack der Zutaten nicht verloren geht. Es ist zudem ein Leckerbissen, den man ohne große Etikettevorschriften gleich vom Spieß essen kann, was dem Genuss zusätzlichen Spaß verleiht. Da in Korea derzeit die Besorgnis in Bezug auf die verschiedenen Erwachsenenkrankheiten, die mit dem zunehmenden Fleischverzehr in Zusammenhang gebracht werden, immer größer wird, gewinnt Jeok als gesundes Gericht der traditionellen Küche mit einem gleichwertigem Anteil an Fleisch und Gemüse immer mehr Aufmerksamkeit.
Pasanjeok Zutaten 100g Lauch, 200g Rindfleisch (Filet), Gewürzzutaten für das Fleisch (2EL Sojasoße, 1EL Zucker, 4TL zerhackter Lauch, 2TL zerstampfter Knoblauch, 2TL Salz mit Sesamkörnern, 2TL Sesamöl, Pfeffer)
Zubereitung
© Kang Heekap
1 Dünnstieliger Lauch oder gelbe Winterlauchsorte in 5cm Länge schneiden. 2 Zartes, von Fett befreites Rindfleisch in 0,7cm dicke Scheiben schneiden und mit der Messerspitze kreuzweise einritzen. Die Scheiben in 6cm lange und 1,2cm breite Streifen schneiden und gut mit den Gewürzzutaten vermischen. 3 Lauch und Rindfleisch im oberen Drittel abwechselnd auf lange, dünne Stäbchen spießen und kurze Zeit stehen lassen, damit die Gewürze einziehen können. Beim Aufspießen darauf achten, dass jeweils ein Rindfleischstreifen den Abschluss bildet, damit die Zutaten beim Braten nicht herausfallen. 4 Die Spieße auf einer leicht mit Öl bestrichenen, erhitzten Grillplatte oder in der Pfanne auf beiden Seiten braten.
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BLICK AUS DER FERNE
Als wir alle noch miteinander verwandt waren: Das Dano-Fest in Gangneung Die Schamanin, die Mudang, präsentiert sich heute in Höchstform. Begleitet von den wilden, ekstatischen Rhythmen dreier Trommler und den Anfeuerungsrufen der begeistert mitschunkelnden Omas, von denen ab und an eine nach vorne kommt, fröhlich um die Mudang herumtanzt und ihr einen Geldschein an den Gürtel klemmt, gibt sie uns in einer nicht enden wollenden Litanei gute Ratschläge mit auf den Weg. Jan Dirks Doktorand im interdisziplinären Programm Studien der aufführenden Künste , Seoul National University
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angneung, ein Ort von 230.000 Einwohnern, an Koreas Ostküste gelegen. Heute ist Dano, der 5. Tag des 5. Monats nach dem Mondkalender. An diesem Tag, an dem der traditionellen Auffassung nach die Yang-Energie die höchste Konzentration des Jahres erreicht, feiert man hier das Dano-Fest , um die lokalen Schutzgötter und -geister gnädig zu stimmen und der Gemeinde ergiebige Ernte und reichen Fischfang zu garantieren. Das Dano-Fest in Gangneung, das sich insgesamt auf etwa eine Woche erstreckt, ist mit seiner jahrhundertelangen Tradition das größte Volksfest Koreas und gehört seit 2005 zum UNESCOWeltkulturerbe. Ich durchquere das am Ufer des Namdae-Flusses gelegene weitläufige Festgelände mit den unzähligen Imbissbuden und Verkaufsständen, vorbei an der Bühne für das Gwannogamyeongeuk, das traditionelle regionale Maskenspiel, vorbei an den Stätten für die traditionellen Wettkämpfe im Ringkampf Ssireum, im Pfeilzielwurf Tuho und im Schaukeln Geunedduigi, und gelange schließlich zum großen Festzelt am Kopf des Veranstaltungsgeländes. Hier findet während der Festzeit täglich von morgens bis abends das Schamanenritual, der Dano-gut, statt, das Kernstück der gesamten Feierlichkeiten. Die scheppernden Gongs und Zimbeln, die den Gesang und den Tanz der Schamanen begleiten, sind schon von weitem zu hören. Im Altarzelt angekommen, erwartet mich allerdings mehr Yin als Yang. Denn bekanntlich sind die koreanischen Schamanen, die Mudang, fast immer weiblich. Ihren Ehemännern bleibt es vorbehalten, als Trommler die musikalische Begleitung zu übernehmen und bisweilen zwischen den (jeweils unterschiedlichen 80 Koreana | Herbst 2008
Geistern gewidmeten) Ritualabschnitten mit kleinen Sketchen oder Klamaukstücken für Auflockerung zu sorgen. Geleitet wird die Zeremonie jedoch stets von den Frauen. Auch das Publikum ist überwiegend weiblich. Schaut man in den Saal, blickt man in die freundlichen, runzligen Gesichter der unzähligen Großmütterchen, die vielfach aus der nahen Umgebung, teils aber auch von weit her gekommen sind, um an dem Glück bringenden Ritual teilnehmen zu können. Viele von ihnen können nicht mehr aufrecht gehen und man sieht ihnen an, dass sie ihr ganzes Leben hart gearbeitet haben, um die Familie und sich – in dieser Reihenfolge – am Leben zu erhalten. Sie alle sind arm geblieben. Viele der Omas pflegten bis vor ein paar Jahren die Nächte einfach auf dem harten Holzboden des Festzeltes zu verbringen; für ein anderes Nachtquartier war ihnen nach der weiten Anfahrt kein Geld mehr geblieben. Doch aus dieser augenscheinlichen Erbärmlichkeit der Omas leuchtet bisweilen etwas so Würdevolles und Erhabenes, dass jedem Betrachter sofort deutlich wird: Sie sind nicht nur Publikum, sondern unabdingbarer Bestandteil der Aufführung. Die Schamanin, die Mudang, präsentiert sich heute in Höchstform. Begleitet von den wilden, ekstatischen Rhythmen dreier Trommler und den Anfeuerungsrufen der begeistert mitschunkelnden Omas, von denen ab und an eine nach vorne kommt, fröhlich um die Mudang herumtanzt und ihr einen Geldschein an den Gürtel klemmt, gibt sie uns in einer nicht enden wollenden Litanei gute Ratschläge mit auf den Weg: „Streitet euch nicht dauernd mit euren Freunden, euren Eltern, euren Kindern, auch nicht mit euren Ehemännern, auch nicht mit euren Ehefrauen!
Heute ist Dano! Und krümelt mir hier nicht die ganze Bude mit dem Reiskuchen voll! Und fahrt nicht soviel Auto! Das Benzin ist so teuer! Und weil das Öl so teuer ist, konnte ich meine Stimme nicht richtig ölen! Gebt mir mal was von dem Schnaps! Danke! Das tut gut! Und wenn ihr doch Auto fahrt, fahrt nicht betrunken! Sondern fahrt vorsichtig! Und fahrt keine japanischen Autos! Sondern unsere! Und achtet auf die Ampeln! Und auf die Zebrastreifen! Und werdet alle glücklich! Und werdet alle reich! Und werdet alle gesund! Und habt alle ein langes, langes Leben! Jawohl! Und ich auch!“ Wer wollte sich (eventuell mit Ausnahme der japanischen Autoindustrie) von der Herzlichkeit dieser Segenswünsche nicht anstecken lassen… Der abgeklärte Wissenschaftler in mir, der coole Betrachter, der das Geschehen kritisch distanziert von höherer Warte aus mit scharfem Blick durchdringt, der die Dinge zergliedert und hart voneinander abgrenzt, hat längst kapituliert. Die liebenswürdige, mütterliche Ausstrahlung der Schamanin und die sanfte Macht des um mich herum wogenden großmütterlichen Besuchermeeres haben das Kommando übernommen und wecken auch in mir schon nach kurzer Zeit das Bedürfnis nach Umarmung all der lieben Menschen, all der guten Geister und all der schönen Dinge auf dieser Welt. Als Analytiker fühlt man sich hier bisweilen einfach fehl am Platz. Denn die Ratschläge der Schamanin sind in keiner Weise symbolisch verschlüsselt, es gibt eigentlich nicht das Mindeste zu interpretieren. Wenn die Mudang von der Ampel spricht, meint sie die Ampel. Und Reiskuchen bedeutet Reiskuchen. Doch sind diese Botschaften in all ihrer schonungslosen Konkretheit alles andere als banal. Denn wer sie mit ganzem Herzen befolgt, macht alles richtig. Wer die Ampeln und Zebrastreifen im Leben beachtet, beachtet das Leben: Der Sinn des Lebens ist das Leben selbst. Wer anderen Leuten nicht „die Bude mit Reiskuchen vollkrümelt“, übt einen konkreten – keinen abstrakt verklausulierten oder berechnenden – Akt der Rücksichtnahme. Körperliche Gesundheit ist spirituelle Gesundheit, materieller Reichtum geht einher mit einem erfüllten Leben. Alles ist unmittelbar gegeben, die Geister sind nicht irgendwo im Himmel, sondern mitten unter uns und
schengedenken ein Fest. Wird dies auch in Zukunft noch so sein? Wie wird sich das DanoFest in Gangneung weiter entwickeln? Mögen die Riten selbst auch die gleichen sein wie vor hundert Jahren, der Rahmen des einstigen Dorffestes hat sich längst tiefgreifend gewandelt. Bestimmte Teile des Rituals werden schon jetzt von Schamaninnen übernommen, die aus keiner traditionellen Linie hervorgegangen sind, sondern ihr Handwerk an speziellen Hochschulen für traditionelle Aufführungskünste gelernt haben. Und die ärmlich gekleideten, hutzeligen Omas, die mit ihrer liebenswürdigen Anwesenheit das gesamte Ritual prägen, werden in ein
feiern mit. Der exklusive Charakter, der andernorts manchen religiösen Zeremonien anhaftet, ist dem Schamanenritual völlig fremd. Priester und Clown, Gebet und Ulknummer, ehrfurchtsvolle Huldigung und respektlose Veralberung, man kann hier nie ganz sicher sein, wo das eine aufhört und das andere anfängt, alles durchdringt einander in fröhlichem Chaos. Die vielen lokalen Schutzgötter und Buddha und Jesus und Mohammed und der Berggeist und der Pockengeist und der Toilettengeist und all die kleinen Plagegeister, die uns dann und wann piesacken: die Schamanin begrüßt sie alle, sie alle bilden eine große Gemeinschaft, sie alle gehören dazu. Niemand wird ausgeschlossen, und auch die unangenehmsten Zeitgenossen unter den Geistern werden stets zum Schamanenfest eingeladen, denn wenn man sie nicht ernst nimmt, werden sie bestimmt nicht netter. Sich
paar Jahren alle verschwunden sein. Die Auszeichnung der UNESCO garantiert den traditionellen Formen den notwendigen Schutz, trägt aber gleichzeitig auch unweigerlich zu ihrer Institutionalisierung und Musealisierung bei. Die Mudang selbst betont während ihrer Aufführung regelmäßig explizit das Prädikat „Weltkulturerbe“. Schamanentanz in der Glasvitrine? Professionelle Vermarktung macht das Fest zum „Event“ und die Logik der medialen Inszenierung bekommt jeder zu spüren, der sich durch den Wald der Kamerastative zum Schamanenaltar durchkämpft. Und der Tourist dort in der Ecke, mit der Videokamera in der Hand, der das uralte Ritual für die Ewigkeit festhalten will, bevor es zu spät ist – er kann nicht mitklatschen, weil seine Hände nicht frei sind. Und mittanzen kann er auch nicht, weil ihm sonst das Bild verwackelt.
um die verdrängten Außenseiter unter den Geistern kümmern, die da plötzlich aus den Untiefen des Bewusstseins angetanzt kommen – Freud nennt so etwas bekanntlich Psychoanalyse. Die Mudang ist immer auch Seelsorgerin. Die Schamaninnen an der Ostküste sind zwar keine charismatischen Schamaninnen, also nicht solche, die infolge einer spirituellen Erweckungserfahrung (die mit einer lang anhaltenden psychischen Krise, der so genannten Schamanenkrankheit einhergeht) die Geister im eigenen Körper empfangen und in einem solchem Trancezustand zu übernatürlichen Handlungen fähig sind, sondern Erbschamaninnen, die den Beruf von ihrer Mutter erlernen und die Verbindung zu den Geistern auf dem Wege kultischer und theatralischer Handlungen herstellen. Dies bedeutet jedoch keineswegs, dass das Ritual deswegen weniger „beseelt“ wäre. Die ungemein energiegeladene körperliche und mentale Präsenz, die ästhetische Aura, die von den Akteurinnen vor dem Altar ausgeht, kommt in ihrer Intensität und psychischen Wirkung der spirituellen Einswerdung mit einer Gottheit durchaus nahe. Die Mudang öffnet einen atmosphärischen Raum, der alle, Zuschauer und Akteure, Alt und Jung, Mann und Frau, Menschen von nah und fern, die Seelen der Lebenden und Verstorbenen als große Familie miteinander verbindet, einen Raum, in dem die Welt der Geister und die Welt der Menschen eins werden, und in dem mythische Erinnerung und unmittelbare Gegenwärtigkeit miteinander verschmelzen – genau dies nennt man seit Men-
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LEBEN
Mountainbiking und BMX: an erster Stelle bei koreanischen Radsportlern Seitdem Mountainbikes in den 1980er Jahren ihren Einzug in Korea hielten, entwickelte sich die Fahrradsportkultur des Landes v.a. rund ums Mountainbike. Bislang waren die meisten Fahrräder für den Freizeitgebrauch in Korea Mountainbikes, doch heutzutage genießen auch Rennräder und Minivelos große Beliebtheit und so erweitert sich die Fahrrad-Palette in Korea je nach Geschmack und Nutzungszweck immer weiter. Han Dong-Ok Chefredakteur der Monatszeitschrift Bicyclelife Magazine
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s scheint ein Paradox zu sein, aber das Fahrrad ist in unterentwickelten und in fortgeschrittenen Ländern gleichermaßen beliebt. In den Ländern, in denen Kraftfahrzeuge und öffentliche Verkehrsmittel noch nicht weit genug entwickelt sind, ist das Fahrrad ein wichtiges Verkehrsmittel und in fortgeschrittenen Industriestaaten steigt die Zahl derer, die das Fahrrad für Freizeitaktivitäten oder als Alternative im Hinblick auf Verkehrsstaus und Umweltprobleme nutzen, Jahr für Jahr an. Ein und dasselbe Fortbewegungsmittel wird also zu völlig anderen Zwecken verwendet. Auch in Korea galt das Fahrrad bis zu den 1980er Jahren noch als billiges und praktisches Verkehrsmittel. Doch mit der wirtschaftlichen Entwicklung und steigendem Nationaleinkommen übernahm das Auto die Rolle des Fahrrads in Verkehr und Transport und das Fahrrad rückte auf ganz natürliche Weise in den Bereich der Freizeitkultur, wo es sich heute bei den Koreanern größter Beliebtheit erfreut.
Das Fahrrad auf dem Vormarsch Die Verbreitung von Fahrradfahren als Breitensport begann in Korea um das Jahr 1990. Durch Fahrradgeschäfte wurden lokale Klubs gegründet und es entstanden auch erste Radlerklubs im PC-Kommunikationsservice. Mit der allgemeinen Nutzung des Internets wurden seit Ende der 1990er Jahre die Internet-Klubs aktiv. Nach der Jahrtausendwende verbreitete sich dann die Fahrradkultur in rasantem Tempo. Nach Angaben des koreanischen Zollamtes stieg das Volumen des Fahrradmarkts von 1 Mio. Fahrrädern im Jahr 2002 auf 2,3 Mio. im Jahr 2007, d.h. die Branche konnte ihr Wachstum innerhalb von fünf Jahren mehr als verdoppeln. Die Zahl der Freizeitradler weist heutzutage, im Zeitalter hoher 82 Koreana | Herbst 2008
Ölpreise und steigenden Interesses am Energiesparen, einen steilen Aufwärtstrend auf. Dieser Trend beeinflusst auch unmittelbar die Fahrrad-bezogenen Industriebranchen positiv, so dass die Aktienwerte der Fahrrad-Unternehmen steigen und mehr Fahrradwettbewerbe veranstaltet werden, was wiederum zu einer noch schnelleren Verbreitung des Fahrrads und zur Verankerung der Fahrradkultur im Alltag der Koreaner führt. Zur Verbreitung der Fahrradkultur leistet auch die heutige Fahrrad-freundliche Politik der koreanischen Regierung und der regionalen Selbstverwaltungseinheiten einen großen Beitrag. Es ist eine Tatsache, dass die Straßen in Korea bislang weniger für Nutzung und Sicherheit von Fußgängern oder Radfahrern konzipiert und verwaltet wurden, sondern eher für Kraftfahrzeuge. An den Kreuzungen gab es Fußgängerbrücken oder Unterführungen statt Zebrastreifen und die Sicherheit der Radfahrer war wegen gefährlicher Straßen und enger Bürgersteige nicht gewährleistet. Doch seitdem sich die Regierung und Kommunen um eine institutionelle Lösung der Energie- und Umweltprobleme bemühen, wird eine Förderpolitik zur Nutzung des Fahrrads vorangetrieben. Bei der Entwicklung neuer Städte ist die Einrichtung von Fahrradwegen zur gesetzlichen Pflicht geworden und in Parks sowie entlang größeren und kleineren Flüssen in den Städten wie in Seoul z.B. entlang des Flusses Han-gang wurden Fahrradwege angelegt. Vor kurzem wurde auch eine automatische Parkanlage für Fahrräder fertiggestellt und in Betrieb genommen. Da das Fahrrad zahlreiche direkte Vorteile und Bequemlichkeiten bietet, entscheiden sich viele Koreaner fürs Fahrrad statt für ein anderes Verkehrsmittel. Im Bezirk Songpa-gu in Seoul genießt der öffentliche Fahrradverleih, wo sich die Bürger bei Bedarf Fahrräder ausleihen können, große Beliebtheit.
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Koreas gebirgiges Terrain eignet sich besonder gut fürs Mountainbiking, einer Sportart, bei der Radsportler durch abschüssiges gebirgiges Gelände ins Tal navigieren.
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Korea, ein Mountainbike-Paradies Das Zeitalter des Fahrradfahrens als Freizeitsport wurde in Korea mit dem Mountainbike eröffnet. Seit den 1980er Jahren wurden Mountainbikes durch MTB-Klubs (MTB: Mountainbike) verbreitet und Mountainbiking ist auch heute noch eine der beliebtesten Freizeitsportarten. Darunter ist Crosscountry am populärsten. Crosscountry, Radrennen in gebirgigem Gelände, ist eine Disziplin, die gut zu den natürlichen Gegebenheiten in Korea, das zu 70% aus Bergen besteht, passt. Crosscountry-Fans fahren jedes Wochenende mit ihren Mountainbikes in die nahen Berge oder machen sich in die Provinz Gangwon-do auf, wenn sie längere Radtouren unternehmen wollen. Neben Crosscountry gehört Downhill zu den repräsentativsten MTB-Disziplinen. Es hat ziemlich lange gedauert bis Downhill, Abfahrtsrennen auf steilen Bergstrecken, in Korea popularisiert wurden, da die speziellen Downhill-Mountainbikes teuer sind - die Leistungsfähigkeit des Mountainbikes steht in direktem Zusammenhang mit der Sicherheit - und es Mühe kostet, das Rad zum Berggipfel hinaufzuschleppen. Aber Downhill passt gut zum Temperament der extrovertierten Koreaner, die gerne Herausforderungen annehmen und dynamische Sportarten genießen. Das allgemein lebhafte Wachstum des koreanischen Fahrradmarktes ist ein äußerer Faktor, der auch die Verbreitung von Downhill förderte. Durch die Verbreitung des Internet-Shoppings wurde es möglich, Mountainbikes auf den Internetseiten großer ausländischer Shoppingmalls zu bestellen und der Anstieg der Zahl der MTB-Importeure senkte die MTB-Preise auf ein vernünftiges Niveau. Außerdem gab es immer mehr MTB-Fans, die Bikes der international berühmten MTB-Profis besitzen wollten. Zurzeit gibt es auch viele Bike-Klubs für Downhill-Fahrer. Die Klubmitglieder sind sehr leidenschaftlich und aktiv bei der Sache. Sie setzen sich mit Skiresorts, die nach der Wintersaison
ihre Pforten schließen, in Verbindung, legen dort Bikewege nach ihrem Geschmack an, richten Bikeparks ein und veranstalten auch Wettbewerbe. Den 29-jährigen Kanadier Jeffrey, der seit zwei Jahren als Englischlehrer in Seoul lebt, brachte das Mountainbiking nach Korea. Als er auf der Suche nach einem Arbeitsplatz im Ausland war, faszinierten ihn die in Korea perfekten MountainbikeBedingungen und so entschied er sich ohne Zögern für einen Job in Korea. „Die natürlichen Bedingungen für Mountainbikes sind in Korea geradezu fantastisch, das Land ist quasi ein Mountainbike-Paradies. Auch Großstädte wie Seoul sind von Bergen verschiedener Größe und mit charakteristischen Anforderungen umgeben, so dass man jederzeit in die Berge fahren kann. Für Bikefreunde ist es ein großer Reiz, nach der Arbeit eine Radtour in den Bergen zu machen, ohne weit aus der Stadt zu müssen.“ Jeffrey trifft sich jedes Wochenende mit koreanischen BikeFreunden und fährt in die nahe gelegenen Berge. Die Autofahrt über enge und holprige Straßen und der Weg zum Berggipfel seien zwar sehr anstrengend, aber im Moment der Abfahrt vom Gipfel den Bergrücken entlang hinunter könne man den ganzen Stress im Nu vergessen, so lobt Jeffrey das Downhill-Fahren in Korea. Die meisten Radsport-Veranstaltungen in Korea konzentrieren sich auf MTB-Rennen. Pro Jahr werden mehr als 20 MTBWettbewerbe veranstaltet, darunter ist das Samchuly Bicycle MTB National Championship , das jeweils in der dritten Maiwoche stattfindet, am bekanntesten und beliebtesten. Ein weiteres großes Bike-Festival ist das Gangchon Challenge Championship , das im Sommer mit fast 2.000 Teilnehmern im Gangchon-Vergnügungspark stattfindet. In Gangwon-do und in der Autonomen Sonderverwaltungsprovinz Jeju werden auch Hillclimb-Rennen veranstaltet, bei denen es im Gegensatz zu Downhill darum geht,
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wer es am schnellsten bis zum Berggipfel schafft. Obwohl es ein harter Wettbewerb ist, bei dem an die 20 km Steigung zurückzulegen sind, strömen jährlich viele Radsportbegeisterte zum Hillclimb-Rennen, um den Nervenkitzel der Herausforderung und den Rausch des erfolgreich Vollbrachten mitzuerleben.
Bicycle Motocross (BMX) Während Mountainbiking sozusagen ein Training der Selbstüberwindung ist, das auf holprigen Gebirgswegen absolviert wird, ist BMX ein herrlicher Extremsport, den man auf Straßen oder in Parks, also auf Bühnen mitten in der Stadt, betreiben kann. BMX-Räder mit denen man das Geschwindigkeitsgefühl eines Motorrads und die Freibeweglichkeit von Inlineskates gleichzeitig genießen kann, sind kleiner und leichter als normale Fahrräder. Die BMX-Räder haben normalerweise 20-Zoll-Laufräder von großer, stabiler Breite. Alle Einzelteile des BMX sind besonders stabil konzipiert, so dass BMX-Räder eine höhere Schockabsorption aufweisen als normale Fahrräder. Der Lenker ist um 360 Grad drehbar, weshalb man mit dem BMX auch Tricks wie Sprünge und Umdrehungen vorführen kann. Daher wird dieses Rad auch „Trick-Fahrrad“ genannt. BMX fahren hauptsächlich junge Leute, die beim Hinauf- oder Herunterfahren unebener Wege ver-
die Zahl der BMXer weiter anstieg, gründeten die koreanischen Fahrradhersteller BMX-Teams und förderten so die Nachfrage. Mit der Einführung von verschiedenartigen Extremsportarten seit der Jahrtausendwende ging die Zahl der BMX-Fans zwar etwas zurück, aber einige repräsentative BMX-Teams halten durch ihr Engagement die Sportart landesweit am Leben. Heutzutage sind verschiedene BMX-Clubs aktiv und mittlerweile gibt es auch ein auf BMX spezialisiertes Geschäft.
Rennrad-Renaissance und Minivelo-Trend
Das Rennrad ist der Prototyp des Freizeitsport-Fahrrads und zugleich weltweit das beliebteste Sportrad. Die Rennrad-Reifen sind dünn, haben aber einen großen Durchmesser, was sie für hohe Geschwindigkeiten prädestiniert. Viele Rennräder haben einen nach unten gerichteten Lenker. Theoretisch ist es richtig, dass man auf Straßen Rennräder fährt, aber bislang fuhren in Korea fast nur Radsportprofis Rennräder. Freizeitradler benutzten normalerweise Mountainbikes als „Rennrad“, da die Straßenbeschaffenheit nicht optimal für Rennräder war. Die große Popularität von Mountainbikes trug ein Weiteres dazu bei, dass Rennräder nicht besonders beliebt waren. RennradWettbewerbe waren zudem meistens Rennen für professionelle Radler, so dass die wenigen nicht-professionellen Rennradfreunde keine Gelegenheit Das Zeitalter des Fahrradsports als Freizeitvergnügen wurde in Korea mit zur Teilnahme hatten. Doch mit dem Gesindem Mountainbike eröffnet. Die natürlichen Bedingungen für Mountainbikes nungswandel und der Erweiterung der Rennsind in Korea geradezu fantastisch, das Land ist quasi ein Mountainbike-Paradies. radstrecken und Anlagen stieg auch die Zahl Auch Großstädte wie Seoul sind von Bergen verschiedener Größe und mit der Rennradfahrer und im Jahr 2005 wurde charakteristischen Anforderungen umgeben, so dass man jederzeit in die Berge der erste Rennrad-Wettbewerb für Amateure fahren kann. Für Bikefreunde ist es ein großer Reiz, nach der Arbeit eine veranstaltet. Das größte Rennrad-Wettbewerb Radtour in den Bergen zu machen, ohne weit aus der Stadt zu müssen. Koreas, die Tour de Korea , wurde 2007 auch für Amateur-Radsportler zugänglich gemacht. 2008 wurde die Bühne des Wettbewerbs auf Japan erweitert und schiedene Techniken und Tricks vorführen wollen. Wenn MTB ein das Rennen entsprechend in Tour de Korea-Japan umbenannt. Freizeitsport zur körperlichen Ertüchtigung ist, der die LeistungsEin weiterer neuer Trend sind seit 2003 Minivelos, deren Reifenfähigkeit von Herz und Lunge stärkt, dann ist BMX ein FreizeitDurchmesser unter 20 Zoll liegt, und die sich bei jungen Leuten sport, dessen größter Reiz für Jugendliche in dem geistigen Kick immer größerer Beliebtheit erfreuen. Minivelos sind von ihrer liegt, ihre leidenschaftliche Energie freizusetzen und ihren Willen Konzeption her viel besser für die Nutzung im Alltag geeignet als zur Herausforderung zu entfalten. Rennräder oder Mountainbikes. Die kleinen Reifen erleichtern Bei BMX gibt es zwei Disziplinen, Racing und Freestyle. BMXdie Unterbringung des Minivelo. Da es faltbar ist, ist es zudem Racing ist ein Rennen auf kurvigen Fahrbahnen aus Sand usw. leicht transportierbar und kann mit in öffentliche Verkehrsmittel BMX-Freestyle wird nochmals in Vert und Street unterteilt. Bei genommen werden. Zurzeit fahren viele Leute auf kurzen StreVert präsentiert man bei wiederholten Hin- und Herfahren auf cken mit dem Minivelo z.B. zur Arbeit oder Schule. Außerdem einer Halfpipe, der unteren Hälfte einer waagrecht zerteilten gibt es Minivelos in den verschiedensten Designs, so dass die Röhre, verschiedene als Tricks bezeichnete Kunststücke. Bei Entscheidung für ein Minivelo nicht nur eine Entscheidung für ein Street wird auf allem gefahren und Tricks vorgeführt, was man Verkehrsmittel ist, sondern auch eine für einen Modetrend. auf der Straße finden kann wie Treppen, Geländer, MauervorDas Fahrrad ist mittlerweile ein Bestandteil des Alltags und Freisprünge, Wände usw. zeitlebens der Koreaner geworden, der nicht mehr wegzudenken In Korea begannen Ende der 1980er Jahre junge Leute mit ausgeist. Mit dem steigenden Interesse am Fahrrad und der fahrradprägtem Willen zur Herausforderung, die von der ausländischen freundlichen Politik, die nachhaltig von Regierung und Kommunen Kultur beeinflusst wurden, BMX zu fahren. In den 1990er Jahren vorangetrieben wird, ist zu erwarten, dass das Fahrrad in Zukunft wuchs dann die Zahl der BMX-Maniacs, die sich auf dem Yeouidoeine noch größere Rolle im Leben der Koreaner spielen wird. Platz in Seoul versammelten, um ihrem Sport zu frönen. Als 86 Koreana | Herbst 2008
Reisen in die koreanische Literatur
© Park Jae-hong
Kim Aeran
Kim Aeran ist eine Nachwuchsschriftstellerin, die im Jahr 2005 im Alter von 25 Jahren mit dem 38. Hankook Ilbo Literaturpreis ausgezeichnet wurde. Sie machte viel von sich reden, weil sie die jüngste Preisträgerin in der Geschichte dieses Preises war und sich als Nachwuchsschriftstellerin, die bis dahin noch kein einziges Buch veröffentlicht hatte, gegen namhaftere Kandidaten durchsetzte. Ihr glänzendes Vorstellungsvermögen und ihr von Witz durchdrungener Stil zogen die Leser gleich in ihren Bann und stehen für die Veränderungen in der koreanische Literatur.
REZENSION
Humorige Fantastereien zur Überwindung von Traumata Kim Dong Shik Literaturkritiker, Professor für Koreanistik, Inha University
I
m Herbst 2005 kam die Nachricht, dass eine 25 Jahre alte Schriftstellerin, die erst zwei Jahre zuvor debüttiert hatte, einen der renommierten Literaturpreise Koreas, nämlich den Hankook Ilbo Literaturpreis, erhalten hatte. Es kommt in Korea sehr selten vor, dass ein Literaturpreis einem Autoren verliehen wird, der noch nicht einmal einen Erzählband veröffentlicht hat. Die koreanischen Literaturkreise gerieten daher in leichte Aufregung. Die Preisgewinnerin war Kim Aeran und ihr preisgekröntes Werk Lauf, Vater, lauf ! Der gleichnamige Erzählband Lauf, Vater, lauf ! , der nach der Preisverleihung veröffentlicht wurde, erfreute sich unter den Literaturliebhabern großer Beliebtheit. Wie kam es, dass Kims Werk von Kritikern und Lesepublikum gleichermaßen mit Interesse und Zuneigung angenommen wurde? Dafür wird es zwar mehrere Gründe geben, der Hauptgrund dürfte jedoch sein, dass sie eines der wichtigsten Literaturthemen in Korea, nämlich das Verhältnis zwischen dem Einzelnen und der Familie, mit einer neuartigen und originären Sichtweise beleuchtet hat. Die moderne koreanische Literatur wurde bis dahin im Allgemeinen durch Begriffe wie „Wunden“, „Leiden“, „Trauer“ etc. vertreten. In der ersten
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Hälfte des 20. Jahrhunderts war Korea von der Kolonialmacht Japan besetzt, in der Mitte des Jahrhunderts musste das Land die Teilung und drei Jahre lang Krieg erleiden und in der zweiten Jahrhunderthälfte sind im Zuge der Anstrengungen für die Modernisierung und Demokratisierung viele Menschen ums Leben gekommen, wurden verletzt und haben Wunden davongetragen. Die moderne Geschichte Koreas ist daher von Wunden, Leiden und Trauer gezeichnet und das waren auch die Schlüsselwörter, deren sich die moderne koreanische Literatur bei der Beschreibung des Verhältnisses zwischen dem Einzelnen und der Familie bediente, wobei der Gestalt des Vaters eine besonders wichtige Rolle zukam. Der Vater tritt als ambivalente Figur auf, die einerseits Opfer der gesellschaftlichen Gewalt ist, andererseits aber gleichzeitig selbst Täter, der die Familienmitglieder verletzt. In vielen Fällen stehen Vater und Kind ein Leben lang im Konfliktverhältnis, und es kommt erst beim Tod des Vaters zur Versöhnung und zum Verstehen. Mit welchem Blick sieht dann Kim Aeran den Vater? In der Erzählung Gruß der Liebe in ihrem Erzählband Lauf, Vater, lauf ! begegnet der Ich-
Erzähler nach über zehn Jahren seinem Vater, der ihn als kleines Kind im Park allein zurückgelassen hatte und verschwunden war, hinter der Glaswand eines Aquariums. Was wird das Kind gedacht haben, als sein Vater, der ihm doch gesagt hatte, dass es warten sollte, bis er zurückkommt, nicht auftauchte? Es ist eine typische Szene, wo normalerweise für das Kind das Trauma des „Verlassen-Worden-Seins“ entsteht, aber der Held denkt, dass sein Vater „vermisst“ ist. Nicht er sei also verlassen worden, sondern sein Vater werde vermisst. Deshalb gibt er in der Aufbewahrungsstelle für verloren gegangene Kinder im Park an: „Mein Vater hat sich wahrscheinlich verlaufen.“ In dieser Szene zeigt sich die Entschlossenheit des Helden, keine auf seinen Vater bezogenen Traumata entstehen und darüber hinaus sein Leben nicht von Ressentiments beherrscht werden zu lassen. Das Ressentiment ist eine Gemütsbewegung, in der Fantasie Rache zu üben und dadurch Trost zu finden, weil die Schmerzen in der Wirklichkeit nicht überwindbar sind. Aber die Protagonisten in den Erzählungen von Kim Aeran lassen es nicht zu, dass ihr Leben von vaterbezogenen Traumata oder Ressentiments beherrscht wird. Dies ist der Grund, warum Kims Erzählungen nicht in so genannte Familienromanzen abgleiten, obwohl sie es nach außen hin sind. Lauf, Vater, lauf ! ist die Geschichte einer Tochter, die ihren Vater nie gesehen hat. Es war einmal ein Mann, der vom Land nach Seoul kam und in einem Armenviertel lebte. Und es war einmal eine Frau, die ohne jeglichen Plan vom Land nach Seoul zog und bei dem Mann wohnte, nachdem sie sich mit ihrem Vater überworfen hatte. Nach einigen Tagen hin und her signalisierte die Frau, dass sie bereit sei, sich dem Mann hinzugeben. Allerdings nur unter einer Bedingung: Er soll auf der Stelle Empfängnisverhütungsmittel besorgen. Daher lief der Mann quasi besinnungslos, um Verhütungsmittel zu beschaffen. Als er erfuhr, dass die Frau schwanger war, wurde er blass und lief wieder. Und er kam nicht mehr zurück. Aber die uneheliche Tochter stellt sich einen Vater vor, der ständig am Laufen ist. Lauf, Vater, lauf ! ist eine Erzählung mit der Konstel-
lation einer Famlienromanze. Was hat man darunter zu verstehen? Während die Kinder heranwachsen, verneinen sie ihre realen Eltern und stellen sich vor, ihre wirklichen Eltern seien ein Königspaar oder Adlige. Das kann als Kompensation in der Vorstellung (Fantasie der Rache) oder als ein Psychodrama des Selbstmitleides verstanden werden. Wichtig ist, dass in einer Familienromanze die Eltern der Ursprung des Traumas sind. In einer Familienromanze wird das auf der Familie beruhende Trauma in der Vorstellung transformiert, um sich selbst zu schützen und zu trösten. Das Bezeichnende für Lauf, Vater, lauf ! ist, dass diese Erzählung nur zur Hälfte dem Muster der Familienromanze folgt. Die Vorstellung der Tochter über ihren biologischen Ursprung väterlicherseits bildet eine typisch famlienromanzenhafte Konstellation. Es fehlt jedoch das allgemeine Merkmal einer Familienromanze, nämlich die Fantasie der Rache auf Basis des Selbstmitleides. Die Tochter ist ein uneheliches Kind, dessen Geburt an sich nur zu einem Trauma führen kann, aber die Autorin erlaubt nicht, dass der Vater, der sich aus dem Staub gemacht hat, zur Ursache eines Traumas wird. Der Vater bildet nur die Hälfte des biologischen Ursprungs. Er ist ein von Anfang an abwesender Ursprung, und „Vater“ heißt das Unterbewusstsein, das an unerwarteten Orten existiert. Vater ist nicht der biologische Ursprung, der „meine“ Existenz ermöglicht hat, sondern er ist eine Art Symptom, das aus dem Unterbewusstsein herrührt. Dies kann man als eine neue Betrachtungsweise in Bezug auf den Vater ansehen. In Lauf, Vater, lauf ! wird der Vater von Anfang bis Ende durchweg bejaht. Und die Heldin bejaht sich selbst, indem sie ihren Vater bejaht. Die zweifache Bejahung in Bezug auf den Vater ist der Ausdruck der fröhlichen Entschlossenheit, keine Traumata zuzulassen und wohl auch Rücksichtnahme auf ihr Unterbewusstsein. Kims originäre Vorstellungskraft, die den Vater als Ursache von Traumata nomadisieren lässt, ist eine neue Erscheinung in der koreanischen Literatur. Kim Aeran ist wohl eine Schriftstellerin, die die Fassade der traditionellen Erzählung beibehält, aber die traditionelle Grammatik von Innen her zerstört.
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