HERBST 2017
KOREANISCHE KULTUR UND KUNST
SPEZIAL
KOREANISCHE KÜCHEN
KOREANISCHE KÜCHEN
Vom Lehmherd zur virtuellen Realtität
Traditionelle Küche: Metapher für das Leben der Frauen; Familienstammbaum: Traditionellen Küchen in China, Japan und Korea ; „In dieser Küche ist immer etwas am Brodeln.“ ; Die Küchen der Haenyeo: Erfüllt vom Duft nach Erde und Meer; Ein Blick in die Küche der Zukunft
Was kocht denn da ?
JAHRGANG 12, NR. 3
ISSN 1975-0617 KOREANISCHE KULTUR UND KUNST 49
IMPRESSIONEN
URALTE BRÄUCHE IM HERBST Kim Hwa-young Literaturkritiker, Mitglied der National Academy of Arts
C
© Joongbooilbo
huseok, das Erntedankfest nach Lunarkalender, ist einer der höchsten Feiertage in Korea. Der Name bedeutet „Herbstabend, an dem der helle Vollmond hoch über den Hügel steigt“. In dieser Zeit besuchen viele Koreaner ihre Heimatorte und die Gräber der Vorfahren, sodass die Straßen und Autobahnen in der Umgebung von Seoul und anderen Städten des Landes verstaut sind. Der Besuch der Grabstätten an hohen Feiertagen wie Chuseok und Hansik („Fest der kalten Speisen“ im Frühjahr) zur Pflege der Hügelgräber und Abhaltung der Ahnenriten wird „Seongmyo“ genannt. Dieser Jahrhunderte alte Brauch ist bis heute erhalten geblieben, da die Grabstätten für die Nachfahren als letzte Ruhestätte und „Wohnort“ von Körper und Geist der Vorfahren wichtige Orte sind. Normalerweise liegen koreanische Gräber auf einem gesäuberten Stück Land an einem Berghang. Der Leichnam wird in einen Holzsarg gelegt und tief im Boden begraben. Auf dem zugeschütteten Grab wird ein Erdhügel errichtet, der zur Befestigung mit Gras bepflanzt wird. Diese typischen koreanischen Grabstätten bedürfen regelmäßiger Pflege. An Hansik werden die zwischen Winter und Frühling entstandenen Schäden behoben und kahle Stellen im Gras instandgesetzt. Wenn um Cheoseo, das in den späten August fällt, die Sommerhitze nachlässt und das Gras zu wachsen aufhört, wird es geschnitten, Unkraut gejätet und die Umgebung gesäubert. Dieser Brauch heißt „Beolcho“, wörtlich „Gras schneiden“. Das muss vor Chuseok erledigt werden, damit die Familienmitglieder an diesem Festtag gemeinsam das Grab besuchen und die Ahnenriten abhalten können. Die Ahnenriten zu Chuseok sind besonders wichtig, da dann den Vorfahren das Getreide der neuen Ernte, die Frucht der harten Arbeit das ganze Jahr hindurch, als Dank für ihren Schutz dargebracht wird. Mit dem Wandel der Zeiten haben jedoch viele den Besuch der Ahnengräber an den Festtagen ganz gestrichen oder die Friedhofsverwaltung mit der Grabpflege betraut, um unbesorgt in den Urlaub fahren zu können. Wir leben in einer Zeit, in der Einäscherung, Beinhäuser oder Naturbestattungen zunehmen und Bestattungs- und Friedhofsunternehmen sich um alles bis hin zur Grabpflege kümmern. Folgender, von einer Hausfrau im Internet geposteter Brief gibt Einblick in die Gedanken der Koreaner von heute: „Es ist schon sechs Jahre her, dass mein Schwiegervater verstorben ist. Er wollte in seinem Heimatort begraben werden, aber da die in der Stadt lebenden Kinder meinten, Grabbesuche auf dem Land seien schwierig, haben wir uns nach einer guten Grabstätte auf einem Friedhof in Stadtnähe umgeschaut und ihn dazu überredet. Seit seinem Tod besuchen wir nur noch selten den Heimatort meines Mannes. Und wenn wir uns einmal dafür Zeit nehmen können, ist es nicht mehr so wie bei früheren Besuchen, da wir keine direkten Verbindungen mehr in dem Ort haben. Wie Drachen mit gekappter Leine schweben unsere Erinnerungen verloren am Himmel. Nur noch einmal im Jahr fahren wir um diese Zeit zusammen mit der Familie meines Schwagers zum Heimatort der Familie, um die Ahnengräber zu säubern. Da die Gräber gepflegt werden müssen, nutzen wir dafür die Zeit, in der wir weniger beschäftigt sind. Damit wir morgen vor Sonnenaufgang aufbrechen können, habe ich schon mal Trinkwasser und Wassermelone als Erfrischungen während der Grabreinigungsarbeiten vorbereitet. Und auch alles für den Kaffee, den ich in der Frühe von Hand aufbrühen werde.“
Von der Redaktion
Eine breitere Leserschicht ansprechen Es war lange bevor „Globalisierung“ als Trend-Modewort in der koreanischen Gesellschaft aufkam. Und es war auch noch bevor die Koreawelle Hallyu die koreanische Popkultur ins Ausland spülte: Im Herbst 1987 erschien die erste Koreana-Ausgabe. In den ersten Jahren richtete sich Koreana als erste englischsprachige Zeitschrift, die sich umfassend mit koreanischer Kultur und Kunst befasst, hauptsächlich an akademische und diplomatische Kreise in Übersee. Im Laufe der Jahre ist die Leserschaft dann stark gewachsen und bunter geworden. Heutzutage wird Koreana überall auf der Welt von vielen Lesern in einer der elf Sprachausgaben gerne gelesen. Die erstaunliche Verbreiterung der Leserschicht stellt alle an der Produktion Beteiligten vor immer wieder neue Herausforderungen. Auch wenn es alles andere als einfach ist, so ist es doch immer ein äußerst lohnenswertes Unterfangen, Themen zu erforschen, die Leser mit unterschiedlichem Hintergrund in unterschiedlichen Ländern interessieren könnten. Und es ist noch einmal ein anspruchsvoller, wiewohl aufregender Kraftakt, die Beiträge für jede Ausgabe zu arrangieren, zu edieren und herauszubringen. Im Laufe der Zeit hat der Blickwinkel der Redaktion dabei an Breite und Tiefe gewonnen. Die diesmalige SPEZIAL-Reihe „Koreanische Küchen: Vom Lehmherd zur virtuellen Realität“ ist ein gutes Beispiel dafür. Die Artikel geben einen faszinierenden Einblick in die koreanische Küche, sei es durch das prüfende Auge eines Gelehrten oder durch die lyrischen Ergüsse eines Dichterherzens, bevor ein IT-Redakteur zu dem Schluss kommt, dass die Küche der Zukunft ein hypermoderner, multifunktionaler Raum sein wird, der die Familie wieder mehr Zeit miteinander verbringen lässt. Möge sich diese Prophezeihung erfüllen! Nicht zuletzt hoffe ich, dass unseren Lesern die frische Aufmachung gefällt. Typographie und Seitenstruktur wurden erneuert und auch der Einband hat eine elegantere Note erhalten. Diese ästhetischen Korrekturen sind Teil unserer kontinuierlichen Bemühungen zur Verbesserung der Zeitschrift und ein bescheidenes Geschenk an unsere Leser zum 30-jährigen Bestehen von Koreana. Ahn In-kyoung Chefredakteurin der deutschen Ausgabe
VERLEGER Lee Sihyung REDAKTIONSDIREKTOR Yoon Keum-jin CHEFREDAKTEURIN Ahn In-kyoung REDAKTIONSBEIRAT Bae Bien-u Charles La Shure Choi Young-in Han Kyung-koo Kim Hwa-young Kim Young-na Koh Mi-seok Song Hye-jin Song Young-man Werner Sasse COPY EDITOR Anneliese Stern-Ko KREATIVDIREKTOR Kim Sam LEKTORAT Ji Geun-hwa, Park Do-geun, Noh Yoon-young KUNSTDIREKTOR Kim Do-yoon DESIGNER Kim Eun-hye, Kim Nam-hyung, Yeob Lan-kyeong LAYOUT & DESIGN Kim’s Communication Associates 44 Yanghwa-ro 7-gil, Mapo-gu Seoul 04035, Korea www.gegd.co.kr Tel: 82-2-335-4741 Fax: 82-2-335-4743 ÜBERSETZER
Ahn In-kyoung Anneliese Stern-Ko Do Young-in Lie Yukyung Park Ji-hyoung
Preis pro Heft in Korea 6.000 Won Außerhalb Koreas US$9 Detailinformationen zu den Subskriptionspreisen finden Sie auf Seite 84. THE KOREA FOUNDATION BERLINER BÜRO c/o Botschaft der Republik Korea Stülerstraße 8-10, 10787 Berlin, Germany Tel: +49-(0)30-260-65-458 / Fax: +49-(0)30-260-65-52 E-mail: koreana@kf.or.kr The Korea Foundation West Tower 19F Mirae Asset CENTER1 Bldg. 26 Euljiro 5-gil, Jung-gu, Seoul 04539, Korea
KOREANISCHE KULTUR UND KUNST Herbst 2017 GEDRUCKT HERBST 2017 Samsung Moonwha Printing Co. 10 Achasan-ro 11-gil, Seongdong-gu, Seoul 04796, Korea Tel: 82-2-468-0361/5
Viertejährlich publiziert von THE KOREA FOUNDATION 2558 Nambusunhwan-ro, Seocho-gu Seoul 06750, Korea http://www.koreana.or.kr
Mutters Schrank
Kang Ji-hye 2017. Tusche und Farbe auf Maulbeerbaumpapier, 130 × 97cm.
© The Korea Foundation 2017 Alle Rechte vorbehalten. Kein Teil dieser Publikation darf ohne vorherige Genehmigung der Korea Foundation in irgendeiner Form reproduziert werden. Die Meinungen der Autoren decken sich nicht notwendigerweise mit denen der Redaktionsmitglieder oder der Korea Foundation. Koreana ist als Vierteljahresmagazin beim Ministerium für Kultur, Sport und Tourismus registriert (Reg. Nr. No. Ba-1033, August 8, 1987) und erscheint neben Deutsch auch auf Arabisch, Chinesisch, Englisch, Französisch, Indonesisch, Japanisch Russisch und Spanisch.
SPEZIAL
KOREANISCHE KÜCHEN: Vom Lehmherd zur virtuellen Realtität
04
SPEZIAL 1
Traditionelle Küche: Metapher für das Leben der Frauen Hahm Han-hee
12
SPEZIAL 2
Familienstammbaum: Traditionelle Küchen in China, Japan und Korea Kim Kwang-on
36
18
SPEZIAL 3
„In dieser Küche ist immer etwas am Brodeln.“
30
SPEZIAL 5
Ein Blick in die Küche der Zukunft Kim Jee-hyun
Lee Chang-guy
24
SPEZIAL 4
Die Küchen der Haenyeo: Erfüllt vom Duft nach Erde und Meer Heo Young-sun
52 UNTERWEGS
62 UNTERHALTUNG
Seoullo 7017 Die „Himmelsbrücke“ der Stadt
Gedichte lesen im Blumenschatten am Seeufer
Polit-TV-Shows: Mal locker vom Hocker
Han Eun-ju
Gwak Jae-gu
Hwang Jin-mee
42
60 NEUERSCHEINUNG
64
The Things You Can See Only When You Slow Down
Was wäre Kimchi ohne Baechu?
Haenyeo: Women Divers of Korea (Haenyeo: Die Taucherinnen von Korea)
68
Forte die Quattro
Choi Jae-bong
FOKUS
INTERVIEW
Mit „Naesung“ die internationale Kunstwelt anvisieren Chung Jae-suk
48
VERLIEBT IN KOREA
Shakespearesche Leidenschaft für koreanische Musik und Tanz Choi Sung-jin
RUND UM ZUTATEN
Park Tae-kyun
Geistiger Frieden: Rat eines buddhistischen Mönchs
Eine Taucherin und Fotografin richtet die Linse auf Jeju-dos Haenyeo Preisgekrönte Phantom Singers geben Debüt-Album heraus Charles La Shure
REISEN IN DIE KOREANISCHE LITERATUR
Kurze Liebe, Lange Geschichte Mi im April, Sol im Juli Kim Yeon-su
SPEZIAL 1 Koreanische Küchen: Vom Lehmherd zur virtuellen Realtität
Traditionelle
KÜCHE
Metapher für das Leben der Frauen
Das im späten 19. Jh. erbaute Haus von Bak Gyeong-jung ist ein repräsentatives traditionelles koreanisches Hanok-Haus in der Region Naju, Provinz Jeollanam-do. Die alte Küche, beeindruckend mit ihrem wuchtigen Balkenwerk und den Spuren der Zeit an den rußbefleckten Wänden, ist in Bezug auf Struktur und Größe eine besondere Sehenswürdigkeit. Aus der Perspektive der Frauenforschung wirft dieser Raum zudem Licht auf andere Aspekte des Lebens, die sich hinter den architektonischen Stilmerkmalen verbergen. Hahm Han-hee Professorin, Abteilung für Archäologie und Kulturanthropologie, Chonbuk National University Fotos Ahn Hong-beom
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Im Haus von Bak Gyeong-jung in Naju, Provinz Jeollanam-do, schöpft die Hausherrin Suppe aus dem gusseisernen Kessel in der alten Küche. In einer traditionellen koreanischen Küche, wo Kochen und Heizen parallel laufen, muss die Feuerstelle niedriger als die unter den benachbarten Zimmern verlaufenden Heizschächte liegen. In dieser Küche hat man einen besonders breiten Graben im Boden angelegt. Die beim Kochen entstandene Kohle wurde zum Heizen der Zimmer in Kohlebecken gesammelt, wie im Vordergrund zu sehen.
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as Äußere eines traditionellen koreanischen Hanok-Hauses strahlt Eleganz und Anmut aus. Ob es nun große, ziegelgedeckte Residenzen von Adelsfamilien sind oder bescheidene Bürgerhäuser mit Strohdach – jedes Haus ist auf seine eigene Art und Weise anmutig und wohl proportioniert. Während es kaum mehr strohgedeckte Häuser einfacher Leute gibt, sind immer noch einige Adelsresidenzen erhalten geblieben, die die graziöse Schönheit traditioneller koreanischer Hanok ausstrahlen. Betritt man jedoch vom Charme des traditionellen Baustils verführt das Innere, fällt vieles ins Auge, was einem modernen Menschen das Leben in so einem Hanok unbequem machen würde. Ganz und gar nicht einladend wirken sie auf Frauen, die in der Regel für den Haushalt zuständig sind. Sogar die Bewohner dieser Häuser, normalerweise die Oberhäupter der Stammfamilien (der älteste Sohn in der Hauptlinie eines Familienclans) und ihre Frauen, die für den Erhalt zuständig sind, sagen, dass „es schwer ist, ohne Renovierung darin zu leben“. Meist wird zuerst die Küche renoviert. Die traditionelle koreanische Küche war so konzipiert, dass Kochen und Heizen der Wohnräume parallel liefen: Brennholz gemischt mit Kiefernzweigen wurde im Lehmherd in der Küche verbrannt, wobei die durch steinerne Heizkanäle nach innen geleitete Brennhitze die Böden der Wohnräume erwärmte und auch die Raumlufttemperatur durch die Konvektionswärme anstieg. In der Zwischenzeit nutzten die Frauen die gusseisernen Töpfe auf dem Herd zum Kochen von Reis und Zubereiten von Beilagen. In Zeiten knapper Heizressourcen war dieses System äußerst effizient. Als diese Häuser vor Hunderten von Jahren gebaut wurden, dürften sie optimale architektonische Lösungen für die natürlichen und ökologischen Gegebenheiten Koreas gewesen sein. Auch im Küchenraum kamen alle verfügbaren naturwissenschaftlichen Kenntnisse und Techniken der Zeit zur Anwendung. Doch mit der Zeit haben sich die Lebensbedingungen durch die Entwicklung von neuen Brennstoffen, Technologien, Werkzeugen und Gerätschaften stark verändert. Heutzutage wäre es wohl fast unmöglich, die alte Lebensweise in einem traditionellen Hanok-Haus fortzusetzen, ohne die Küche zu renovieren. Lebenskraft von Menschenhand Vor kurzem hatte ich die Gelegenheit, den Stammfamiliensitz von Bak Gyeong-jung zu besuchen, der hinsichtlich Architekturstil und Größe zu den repräsentativsten noch erhaltenen alten Hanok-Anwesen in der Honam-Region der Provinz Jeolla-do zählt. Auf dem Gelände, wo Baks Vorfahr der sechsten Generation Bak Seung-hui (1814-1895) eine strohgedeckte Kate baute, errichtete Bak Jae-gyu (1857-1931), sein Vorfahr der vierten Generation, eine Residenz im Königspalast-Stil. Laut 6 KOREANA Herbst 2017
Bak Gyeong-jung, der als heutiges Oberhaupt dieser Stammfamilie in dem Haus wohnt und es instand hält, wurden die Frauen- und Herrengemächer 1884 gebaut, aber ganz fertiggestellt in der heutigen Form mit allen Nebengebäuden wurde das Haus erst in den 1930er Jahren. Dass diese alte Residenz, die erheblich größer als andere Privathäuser ist, Kriege und die daran anschließenden gesellschaftlichen Umwälzungen der Zeit unbeschädigt überstand, ist erstaunlich. Als ich im Hof stand und mich umschaute, fiel mir die neue, vor nicht allzu langer Zeit in einem Anbau neu eingerichtete moderne Küche ins Auge. Diese neue Küche stand in auffallendem Kontrast zur alten Küche direkt neben dem Anbang, dem Hauptraum der Frauengemächer. Als Im Myo-suk, die Mutter von Bak Gyeong-jung und in 14. Generation älteste Schwiegertochter der Stammfamilie, die ihr Leben lang für Haus und Küche zuständig war, zu gebrechlich wurde, um die alte Küche zu nutzen, errichtete man westlich der Frauengemächer ein Bretterhäuschen mit Küche und Essbereich. Ein Haus lebt nur dann, wenn Menschen darin wohnen. Auch ein wertvolles altes Hanok-Haus fungiert ohne Bewohner nur noch als Museum. Damit die nachkommenden Generationen weiterhin darin leben können, sollten die Häuser in höchstmöglichem Maße und mit möglichst geringer Schädigung der ursprünglichen Struktur dem Lebensstil des gegenwärtigen Zeitalters angepasst werden. In dieser Hinsicht sticht das Stammhaus von Bak Gyeong-jung in Naju, das seine Lebenskraft bewahrt hat, ohne die Schönheit und Eleganz eines traditionellen Hanok-Hauses zu verlieren, besonders hervor. Und ich fragte mich, ob nicht die neue Küche im Bretterhäuschen das Symbol dieser nachhaltigen Lebenskraft ist. Küchenfunktion auf ganzes Haus ausgeweitet Die Geschichten der Frauen, die von Generation zu Generation das Stammhaus instand hielten, wurden in dem Raum, in dem sie so viel Zeit verbrachten, lebendig. Die alte Küche, die bis heute in ihrer ursprünglichen Form erhalten ist und die sie so oft haben betreten müssen, dass die Türschwelle ganz abgetreten war, gewährt einen intimen Blick ins Leben der Schwiegertöchter dieser Stammfamilie.
Die alte Küche in der Abenddämmerung aus der Perspektive der hinteren Tür. Für bequemeren Zugang und bessere Durchlüftung liegen Vorder- und Hintertür einander gegenüber. Die schmale Holzdiele im hinteren Eingangsbereich wurde von den Frauen für Essens- und Ruhepausen genutzt. Die Ablagen im vorderen Eingangsbereich dienten zum Lagern von Feuerholz.
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Um die täglichen drei warmen Mahlzeiten zuzubereiten, herrschte in und um die Küche stets ein geschäftiges Kommen und Gehen. Die Frauen holten Wasser vom Brunnen im Hof, um Reis und Gemüse zu waschen und zu putzen, und bereiteten die Zutaten zu. Zu den Vorratskrügen, in denen fermentierte Würzzutaten wie Soßen, Fische und Meeresprodukte sowie Kimchi aufbewahrt wurden, mussten sie ebenso viele Gänge erledigen wie zum Brunnen. In diesem Sinne sind der Brunnen und die Vorratskrug-Terrasse eine Art Verlängerung der Küche, da beide der Ernährung der Familie dienten. Auch die Getreide- und die Speisekammer, in der Kornvorräte bzw. Beilagen aufbewahrt wurden, sind Teil der Küche. In der Holzdiele der Frauengemächer stehen die gefüllte Reistruhe und Regale mit Geschirr und Tabletttischchen. Man kann daher sagen, dass auch die Holzdiele der Frauengemächer die Funktion eines Vorrats- und Geschirrschrankes erfüllt. Deshalb sind die Frauengemächer als Ganzes funktionsmäßig mit dem Raum gleichzusetzen, den wir heutzutage „Küche“ nennen.
Vor dem hinteren Kücheneingang befindet sich eine Terrasse mit rund 40 Vorratskrügen unterschiedlichster Größe. Zur Beförderung der Fermentierung von Sojasoße, Sojabohnenpaste, Chilipaste und anderen Würzzutaten wurde die Terrasse an einer sonnigen Stelle angelegt. Mit einer Höhe von 20 bis 30cm sorgt diese aus Kieseln und flachen Steinen gebaute Plattform für optimale Drainage.
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Das gilt aber nicht nur für dieses Haus, sondern ist ein allgemeines Strukturmerkmal traditioneller koreanischer Hanok-Häuser. Denn die traditionelle koreanische Küche erfordert oft große Flächen für die Zubereitung von großen Speisemengen. Nicht nur beim Einlegen des Kimchi-Wintervorrats, sondern auch bei der Herstellung von Sojasoße, Sojabohnenpaste und Chilipaste weitete sich der Küchenbereich über die eigentliche Küche hinaus bis hin zum Anbang-Hauptzimmer aus. An Feiertagen oder wenn es an der Zeit war, Würzsoßen und -pasten herzustellen, wurden die wärmsten Stellen des bodenbeheizten Anbang von Holzschüsseln und gedeckelten Schalen okkupiert. War es an der Zeit, den Wintervorrat-Kimchi einzulegen, stapelten sich im Innenhof Chinakohl-Berge. Über 100 Stück Chinakohl mussten in Holzbottichen in Salz eingelegt werden. Dass sich die zuzubereitende Kimchi-Vorratsmenge heutzutage reduziert hat, liegt zwar v.a. an den großen Veränderungen in der demografischen Struktur und der Esskultur, aber wohl auch daran, dass der moderne Wohnraum
kaum noch hinreichend große und offene Räume bietet. In einem traditionellen Hanok-Haus war zwar die Küche der Ort, an dem das eigentliche Kochen stattfand, aber bei mehr Platzbedarf bewegte man sich bei der Speisezubereitung zwischen Küche, Innenhof sowie Anbang und Holzdiele der Frauengemächer hin und her. Es ist also nicht übertrieben zu sagen, dass das ganze Haus zur Küche umfunktioniert wurde. Daran lässt sich allerdings auch ablesen, wie viel Hausarbeit die Frauen zu verrichten hatten und wie hart ihr Leben gewesen sein muss. Rauchgeruch, der an Mutter erinnert Während meiner Mitte der 1980er Jahre in einem Dorf in Naju durchgeführten Feldforschungen, traf ich die älteste Schwiegertocher eines Stammfamilien-Oberhauptes. Hier meine Aufzeichnungen zu ihrem Tagesablauf: „Der Tag von Unamdaek (die Ehefrau aus dem Dorf Unam; eine Art Beiname) beginnt damit, nach dem Aufstehen um fünf das Feuer in der Küche anzuzünden. Die Küche ist ein geräumiger Ort mit einem Feuerholzstapel in einer Ecke, einem Mörser und einem Mühlstein in einer anderen und einem großen, mit Brunnenwasser gefüllten Tonbottich. Über der Feuerstelle befinden sich zwei Kochmulden für große gusseiserne Kessel. Unamdaek hockt sich davor und macht Feuer.“ „Vor dem Reiskochen bringt sie dem Küchengott eine Schale mit klarem Wasser dar und bittet um Gesundheit und Wohlergehen der Familie. Sie dämpft den am Vorabend gewaschenen und eingeweichten Reis in einem gusseisernen Kessel, bereitet die Beilagen zu und deckt den Frühstückstisch. In der einst wohlhabenden Clan-Stammfamilie gab es früher immer viele helfende Hände. Die Küche sei voll mit ihren Schwägerinnen und Nichten gewesen. Erst vor zehn Jahren sei die Zahl der Küchenhelfer so bescheiden geworden.“ „Nach dem Frühstück geht sie aufs Feld, wo sie bis gegen Sonnenuntergang arbeitet. Wieder zu Hause, hat sie alle Hände
Der Tonkamin leitet den Rauch von der Feuerstelle nach außen während gleichzeitig Luft zum Kamin zurückgeschickt wird, um das Feuer anzufachen. Für ein besseres Abziehen des Rauches sorgen in alle Himmelsrichtungen angebrachte Öffnungen.
Die grau melierten Haare der vor dem Herd hockenden Unamdaek (die Ehefrau aus dem Dorf Unam) bildeten einen sonderbaren Kontrast zu den rußverkohlten Wänden. Am Rock der alten Frau haftete stets der rußige Küchengeruch und an diesen Geruch werden sich ihre Kinder wohl als Duft der Heimat erinnen. KOREANISCHE KULTUR UND KUNST 9
1. Ein großer Teil der Holzdiele vor dem Frauengemächer-Hauptzimmer wird von Küchenmöbeln in Anspruch genommen, darunter Geschirrschränke und eine Reistruhe. Die Regalbretter ganz oben an den Wänden dienen als Stauraum für Tablette und Tabletttische aller Art und selten verwendetes Geschirr. In einem traditionellen koreanischen Haus ist die Holzdiele der Frauengemächer quasi eine Erweiterung der Küche.
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2. Kang Jeong-suk, die Herrin des Hauses von Bak Gyeongjung, beim Kochen in ihrer neuen, in einem separaten Flügel gebauten Küche.
© Cultural Heritage Administration
voll damit zu tun, im vorderen Hof das geerntete Getreide oder Gemüse auszusortieren und dann das Abendessen vorzubereiten.“ Die alte Küche des Hauses sah zwar düster aus, da für das Kochfeuer Brennholz und Kiefernzweige verwendet wurden und daher Wände und Decke schwarz vom Rauch des Lehmherdes waren, aber in Wiklichkeit war sie sauber und ordentlich. Die grau melierten Haare der vor dem Herd hockenden Unamdaek bildeten einen sonderbaren Kontrast zu den rußverkohlten Wänden. Damals kam mir der Gedanke, dass der Ruß und das Grau ihrer Haare eine Art Dimorphismus darstellen, d.h. diese beiden unterschiedlichen Erscheinungen wurzeln in ein- und demselben: der harten Arbeit in der Küche. Am Rock der alten Frau haftete stets der rußige Küchengeruch und an diesen Geruch werden sich ihre Kinder wohl als Duft der Heimat erinnern. 1992 ließ Unamdaek das alte Haus abreißen und ein neues mit einer modernen Küche bauen. Sie brauchte kein Feuer mehr anzufachen, sondern konnte den Reis mit Gas kochen und die Zimmer mit Öl heizen. Langsamer Wandel über ein Jahrhundert Im Laufe der Modernisierung im 20. Jh. erlebte Korea große Veränderungen in Bereichen wie Politik, Gesellschaft, Wirtschaft und Kultur, die das Alltagsleben der Menschen komplett veränderten. Und auch das Bewusstsein veränderte sich. Noch bis vor zehn Jahren galt die Küche als aussschließliches Reich der Frau, aber das ist heute anders. Junge Koreaner bevorzugen heute außerdem „Jubang“ als Bezeichnung für Küche, da das seit alters her gebrauchte Synonym „Bueok“ scheinbar nicht mehr zeitgemäß klingt und an einen altmodischen, rückständigen Raum erinnert. 10 KOREANA Herbst 2017
In den letzten 100 Jahren hat Korea in der Küche beständige, auf Modernisierung zielende Veränderungen durchgemacht. Unter dem Aspekt, dass die Küche lange ein Raum war, der das Leben der Frau komprimiert bzw. metaphorisch repräsentiert, verdient der Wandel der räumlichen Struktur, der sich in diesem Zeitraum in der Küche vollzog, Aufmerksamkeit. Triebkraft dieses Wandels war die Entwicklung von Technologie und Kommerzialismus. Kurz gesagt: Die Verbindung der aus dem Szientismus abgeleiteten Funktionalität und Rationalität erleichterte den Frauen die Arbeit in der Küche. Bei näherer Betrachtung dieses Prozesses erkennt man, dass der Weg dahin nicht leicht war: Es musste nämlich erst die notwendige städtische Infrastruktur entwickelt werden und die Struktur der Wohnhäuser bedurfte auch einer Modernisierung. Ende der 1950er Jahre wurde in den koreanischen Städten das Wasserversorgungssystem allmählich ausgebaut, doch es dauerte weitere 30 Jahre, bis es in allen Küchen fließendes Wasser gab. Ein weiteres Problem war die für eine moderne Küche unerlässliche effiziente Brennstoffversorgung, denn bis in die 1970er Jahre wurden selbst noch in den Städten Briketts verwendet. Erst in den 1980ern wurde das System für das Heizen von Zimmern und fürs Kochen getrennt. Betrachtet man den Modernisierungsprozess der Küche genauer, wird der Umsetzungswille von Frauen wie der ältesten Schwiegertochter der jeweiligen Generation der Stammfamilie von Bak Gyeong-jung oder Unamdaek deutlich. Jede versuchte in ihrem jeweiligen Umfeld Verbesserungen durchzusetzen und träumte davon, ihr Alltagsleben zu revolutionieren, und sei es auch nur im kleinen Maßstab. Unseren Töchtern möchte ich erzählen, dass dieser Prozess von Frauen in Bewegung gesetzt wurde, die durch ihr Streben nach mehr Bequemlichkeit und Rationalität ihre Träume zu verwirklichen suchten.
Ein sauber gepflegtes Haus kommt vom Herzen der Herrin Interview mit Gang Jeong-suk, Ehefrau des Clan-Oberhauptes Bak Gyeong-jung Der Stammfamiliensitz von Bak Gyeong-jung, den ich an einem Frühsommertag besuchte, ist die Residenz eines konfuzianischen Gelehrten aus der späten Joseon-Zeit. Die dunkelgrünen Blätter der Teebäume, die in einer Ecke des Innenhofes standen, wirkten nach dem Abfallen all ihrer weißen Blüten noch frischer. Als ich beeindruckt von dem schönen Haus und der offensichtlichen Sorgfalt, mit der die Hausherrin es so sauber und schmuck hielt, im Hof stand, erschienen Bak Gyeong-jung, Nachfahre der 15. Generation und jetziges Oberhaupt der Stammfamilie, und seine Frau Gang Jeong-suk und begrüßten mich herzlich. Hahm Han-hee Das Haus ist sehr gepflegt, obwohl es so groß und alt ist. Ich möchte wirklich gern wissen, wie Sie es so tiptop instand gehalten und dann auch noch diesen großen Haushalt geführt haben. Gang Jeong-suk: Meine Schwiegermutter, die vor sieben Jahren verstorben ist, hatte ein hartes Leben. Weil ich Leiterin eines Kindergartens war, hat sie sich viel um den Haushalt gekümmert und mir immer ausgeholfen. Hahm: Das klingt, als ob Ihre Schwiegermutter alles erledigt hätte, aber das Leben einer Schwiegertocher in so einer großen Stammfamilie dürfte wohl kaum so einfach gewesen sein. Gang: Als ich mit der Heirat hier einzog, war es noch ein Großfamilienhaushalt. Hier lebten der Großvater meines Mannes – die Großmutter war bereits verstorben –, seine Eltern und die fünf Brüder. Und der Großvater bekam oft Besuch. Kurz nach unserer Hochzeit gab es am 5. Januar nach Lunarkalender eine Jesa-Ahnenverehrungszeremonie anlässlich des Todestags des Großvaters der fünften Generation. Also musste ich gleich nach dem Einzug ins Haus der Schwiegereltern diese Zeremonie vorbereiten. Bis heute finden bei uns an die 20 2
Ahnenverehrungszeremonien pro Jahr statt, einige davon im heißen Sommer. Gestern Abend haben wir das Ritual für den Ururgroßvater meines Mannes durchgeführt. Das für seinen Großvater folgt am 22. Juli und im August stehen die Riten für seinen Vater und seine Mutter an. Hahm: Von alters her gelten meines Wissens das Vorbereiten der Ahnenverehrungszeremonien und der Empfang der Gäste zu diesen Anlässen als die wichtigsten Pflichten der ältesten Schwiegertochter einer Stammfamilie. Es dürfte für Sie als frisch verheiratete älteste Schwiegertochter schwierig gewesen sein, die endlosen Riten in einer solch großen Familie vorzubereiten, aber Sie erzählen über die Zeit von vor über 40 Jahren so gelassen, als ob alles erst gestern passiert wäre. Meinen Respekt! Für so viele Ahnenriten brauchen Sie sicher eine große Küche. Gang: Die Küche dort drüben wurde auch damals schon benutzt, als ich in die Familie einheiratete. Das Wasser wurde mit einem Schöpfeimer vom Brunnen geholt. Anders als in anderen Haushalten befand sich ein Abfluss in der Küche, was alles etwas bequemer machte, da das Wasser sich so leicht entsorgen ließ. Den alten Lehmherd benutzen wir auch heute noch manchmal bei größeren Anlässen wie z.B. Festlichkeiten oder Ahnenriten. Aber auch das Auskochen von Rinderbeinknochen oder das Abkochen von Sojasoße und ähnliches erledige ich immer noch in dieser Küche. Den Reis für unsere täglichen Mahlzeiten koche ich woanders, weil der Herd viel Rauch erzeugt. Hahm: Was hat Sie dazu veranlasst, eine moderne Küche einzurichten? Gang: Feuer im Ofen machen, Reis kochen usw. – all das wird in der Küche gemacht. Aber die Arbeit in einer alten Küche ist einfach zu anstrengend, weshalb wir in einem Nebengebäude eine moderne Küche eingerichtet haben. Das ist so 20 Jahre her. Der Alltag der Frauen dieser Familie bringt mich dazu, erneut über die Schönheit von traditionellen Hanok-Häusern nachzudenken. Ihre Geschichten machen es schwer, das Hanok-Haus einfach nur als großes architektonisches Erbe zu loben. Haben nicht die Frauen, die diese unbequemen Häuser standhaft gehütet haben, mehr Lob für ihre Geduld, ihre Aufopferung und ihren kreativen Geist verdient? Es sind eindeutig Herz und Hände der Hausherrin, die das Haus gepflegt und ansprechend halten und so den Besucher das Erbe der traditionellen Architektur würdigen lassen.
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SPEZIAL 2 Koreanische Küchen: Vom Lehmherd zur virtuellen Realtität
Eine Schale mit frischem, klarem Wasser versinnbildlicht die Küchengottheit Jowang, die in einem traditionellen Haushalt große Macht genießt. Die Anbetung einer Küchenoder Herdgottheit stammt aus der uralten Tradition der Feuerverehrung im koreanischen Volksglauben. Manchmal findet sich neben der Schale ein Kiefernzweig. © Suh Jae-sik
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Familienstammbaum
TRADITIONELLE KÜCHEN
in China, Japan und Korea
Der Stil ostasiatischer Küchen stammt aus China, von wo aus er über Korea nach Japan kam. In jedem der Länder entwickelte die Küche je nach Klima und Nutzungsweise originäre Strukturen und Merkmale. Während die moderne Küche nur ein Raum zum Kochen und Essen ist, war die traditionelle Küche ein Ort des Glaubenslebens, in dem die Hausherrinnen für Wohlergehen und Prosperität der Familie beteten. Kim Kwang-on Ehrenprofessor, Inha University
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er älteste Eintrag über den koreanischen Küchenraum findet sich in dem chinesischen Klassiker Sanguozhi (Die Chroniken der Drei Reiche) von Chen Shou (233-297) aus der Jin-Dynastie (265420). Es wird zwar lediglich erwähnt, dass die Stelle, an der der Küchengott verehrt wurde, „ein Ort der Andacht war und sich in allen Fällen westlich des Eingangstores befand“, doch gibt dieser Eintrag nicht nur einen wertvollen Hinweis auf die Lage der Küche, sondern auch auf eine Besonderheit: „Westlich des Eingangstores“ bezieht sich auf ein nach Süden ausgerichtetes Haus und dort befand sich die Küche in der Vergangenheit in fast 99% aller Fälle. Wissenschaftlich gesehen war diese Lage wohlüberlegt, denn wenn die Küche östlich des Eingangstores eingerichtet worden wäre, hätten Feuer und Rauch wegen der starken Westwindströmung aus Sibirien nur schwer durch den Schornstein abziehen können. In China und Japan findet sich kein vergleichbares Konzept der Küchenausrichtung, was v.a.
dadurch erklärbar ist, dass die Feuerstelle nicht mit einer Fußbodenheizung zum Heizen der übrigen Zimmer verbunden ist. Daher die ausdrückliche Erwähnung, dass die koreanischen Küchen „alle auf der westlichen Seite liegen“. Küchen in frühen Aufzeichnungen Die Küche, die in einer der aus dem 4. Jh. stammenden Wandmalerei in Grab Nr. 3 im Grabfeld in Anak-gun, Provinz Hwanghae-do, abgebildet ist, gewährt ebenfalls wertvolle Einblicke. Es heißt, dass hier König Gogugwon (reg. 331371) des Goguryeo-Reichs (37 v. Chr.-667 n. Chr.) ruhe. Laut einer anderen Theorie soll es sich um das Grab des Herrschers Murong Huang (reg. 337-348) aus dem chinesischen Reich Frühere Yan (337-370) handeln. Wieder andere behaupten, hier liege der aus dem Früheren Yan stammende General Dong Shou (289-357), der 336 nach Goguryeo kam. Die Wandmalerei zeigt eine Küche in Form eines frei stehenden GebäuKOREANISCHE KULTUR UND KUNST 13
In Korea wurde die Gottheit vor allem in der phsyikalischen Gestalt von Wasser verehrt. Wasser ist nicht nur eine Unheil wegspülende und glückbringende Gottheit, sondern auch die Gottheit, die über Geburt und neues Leben wacht und gegen Feuer schützt.
des mit einem ziegelgedeckten Giebeldach. Seit jeher lag die Küche in Palästen oder Häusern wohlhabender Familien als separates Gebäude – auf Koreanisch „Banbitgan“ – hinter den Frauengemächern. Im Joseonwangjo-Sillok (Annalen des Joseon-Reichs) wird die fürs Kochen zuständige Küchenmagd als „Banbi“ bezeichnet (Eintrag vom 1. Jan. 1666, 7. Regierungsjahr von König Hyeonjong). Andererseits wurden die beiden Küchengebäude im Königspalast Gyeongbok-gung, die 2015 restauriert wurden, „Sojubang“ (Raum, in dem gekocht wird) genannt. Dass diese Bezeichnung in den Seungjeongwon Ilgi (Tagebücher des Königlichen Sekretariats) erscheint (Eintrag vom 9. Nov. 1632, 10. Regierungsjahr von König Injo), zeigt, dass im 17. Jh. sowohl „Banbitgan“ als auch „Sojubang“ als Bezeichnungen für „Küche“ verwendet wurden. Unter den einfachen Bürgern wurde „Banbitgan“ als „Handet- bueok“ (Küche im Außenbereich) bezeichnet. Eine Banbitgan-Küche aus der Regierungszeit von König Sunjo (reg. 1800-1834) ist heute noch im Palast Changdeok-gung zu finden. Die räumliche Trennung von Küche und Hauptgebäuden war v.a. eine Feuervorkehrmaßnahme, hielt aber auch aufdringliche Essensgerüche fern. Zudem gab es öfters Anlässe, für die große Mengen von Speisen auf einmal zubereitet werden mussten. Aus denselben Gründen gab es in einigen bürgerlichen Haushalten in der Nähe der eigentlichen Küche noch den zusätzlichen, getrennten Kochbereich Handet-bueok. Die frei stehenden Banbitgan-Küchengebäude stammen aus China. Von den 22 dekorativen Steinreliefs, die in Gräbern der Han-Dynastie entdeckt wurden, stammen zehn aus der Shandong-Region. Es ist daher nur natürlich, dass die unter chinesischem Einfluss stehenden Wandmalereien in Goguryeo-Gräbern große Ähnlichkeiten mit denen der Gräber in Shandong aufweisen. Der auf dem Hauptfirst sitzende Rabe stammt ebenfalls aus China, wo der Rabe in der Volkskultur als Sonnengottheit verehrt wurde und ein Emblem dynastischer Herrscher war. Diese Tradition übernahm auch das Baekje-Volk. Daneben sind auch Tretmühle, Pferdestall, Brunnen sowie der Fleischvorratsraum mit den abhängenden Tieren, die in Grab Nr. 3 zu sehen sind, im chinesischen Stil gehalten, sodass es sich 14 KOREANA Herbst 2017
durchaus um das Grab von General Dong Shou handeln könnte. Regional unterschiedliche Küchenbezeichnungen Heutzutage verwenden die Koreaner „Bueok“ und „Jeongji“ als Bezeichnungen für Küche. Beide Wörter meinen den gleichen Raum, werden aber in unterschiedlichen Regionen benutzt. Das Wort „Bueok“ ist v. a. im Westen der koreanischen Halbinsel zu hören, darunter in den Provinzen Pyeongan-do und Hwanghae-do (beide Nordkorea), sowie in Gyeonggi-do, Chungcheong-do, im westlichen Teil von Jeolla-do und auf der Insel Jeju-do. „Jeongji“ dagegen ist in den östlichen Provinzen Hamgyeong-do (Nordkorea), Gangwon-do, Chungcheong-do, Gyeongsang-do und im östlichen Teil von Jeolla-do verbreitet. Das weist auf zwei unterschiedliche Arten von Küchen auf der koreanischen Halbinsel hin. In den koreanischen Klassikern erscheint das Wort „Bueok“ das erste Mal in der 1481 veröffentlichten koreanischen Übersetzung der Gedichte des chinesischen Dichters Dufu. Die erste Silbe „bu“ kommt vom koreanischen Wort „Bul (Feuer)“ und „eok“ ist ein Ortssuffix. Damals dürfte die Aussprache eher wie „Buseok“ geklungen haben, was interessanterweise an das Wort „Buseop“ für „Kohlenbecken“ im Dialekt von Jeju-do erinnert. Die Bezeichnung „Jeongji“ hat ihren Ursprung in einem „Gyeopjip“ genannten Haustyp, der in der Provinz Hamgyeong-do verbreitet ist. Bei diesem Haustyp sind die Räume als Schutz vor der bitteren Kälte in Form des chinesischen Schriftzeichens „田 (jeon)” parallel angeordnet. „Jeongji“ bezeichnet den Raum in der Mitte eines Gyeopjip. Die Oroqen, eine ethnische Minderheit in den nordwestlichen Gebirgen der chinesischen Provinz Heilongjiang nahe Hamgyeong-do, nennen den Platz hinter der Feuerstelle gegenüber dem Zelteingang „malo“ bzw. „malu“, rechts daneben befand sich der „Jeongjidwi“, der den Frauen vorbehaltene Raum. Es heißt, dass das koreanische Wort „Maru (Holzdiele)“ von „malu“ kommt, was einen ähnlichen Ursprung für das koreanische „Jeongji“ vermuten lässt. Dass die chinesische Heilongjiang-Provinz in alter
Eine aufs Goguryeo-Reich des 4. Jhs datierte Wandmalerei im Anak-Grab Nr. 3, Kreis Anak-gun, Provinz Hwanghaenam-do (heute Nordkorea), gibt wertvolle Hinweise auf die Beschaffenheit alter koreanischer Küchen.
Zeit zum Territorium des Goguryeo-Reichs gehörte, macht diese Annahme noch plausibler. Das chinesische Wort für „Küche“ ist „Chu (廚)“. Das Zeichen stand ursprünglich für ein Geschirrstück zum Servieren von in Sole eingelegtem Gemüse, meint heute aber die Küche als Ort der Speisezubereitung. Daher ist ein „Koch“ ein „Churen (廚人)“ oder „Paoren (庖人)”. Beide wörter meinen „KüchenMensch“. Auf Japanisch heißt die Küche „Daidokoro (台所)” oder „Katte (カッテ)“. Etymologisch lässt sich „Daidokoro“ auf „Daibandokoro“ zurückführen, eine Zusammensetzung aus „Daiban“ (tragbares Tabletttischchen) und „Tokoro“ (Ort). „Daidokoro“ ist entsprechend der Raum, in dem in der Heian-Periode Tabletttischchen mit gekochten Speisen zum Servieren in den kaiserlichen Palästen und Haushalten der Edelleute vorbereitet wurden. In späteren Perioden bezeichnete das Wort den Küchenbereich in Samurai-Haushalten und Bauerngehöften, wo große gusseiserne Kessel über dem Feuer zu finden waren. „Katte“ steht für die rechte Hand, die beim Bogenschießen den Bogen spannt. Da die rechte Hand einfacher als die linke zu benutzen war, wandelte sich die Bedeutung zu „Lebensunterhalt“ und dann wieder zurück zu „Küche“. Ein Raum der Götteranbetung Wie oben erwähnt, heißt es in der Chronik der Drei Reiche, dass man in Korea die Erdgottheiten zwar auf eine andere Weise verehre, dass sie aber stets am Herd westlich des Haustores angebetet würden. Zu den Erdgottheiten gehörte die in Seoul und den Provinzen Chungcheongnam-do sowie Gyeongsangnam-do verehrte Küchengottheit „Jowang“ sowie die in den Provinzen Chungcheong-do, Jeollabuk-do und auf der Insel Jeju-do verehrte Feuergottheit „Hwadeok“. Da jedoch allgemein Frauen für die Küche zuständig waren, ist „Jowang“ meist eine Göttin, die in Gestalt einer jungen Frau (Jowang Gaksi) oder eines Großmütterchens (Jowang Halmang) erscheint, aber auch schon mal als ein Herr (Jowang Daegam). Die Feuergottheit „Hwadeok“ dürfte der koreanischen Gefühlswelt jedoch näher stehen. Denn „Hwadeok“ referiert auf das
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reale, täglich gebrauchte Feuer, während „Jowang“ stärker konzeptionellen Charakter besitzt. Der Küchengott wurde physikalisch durch das „Wasser in einer Schale“ versinnbildlicht, die auf einem Vorsprung an der Wand hinter dem Herd oder hinter den gusseisernen Küchenkessel gestellt wurde. Die Hausherrin goss jeden Morgen ein wenig Wasser aus der Schale auf den Herd, in die Feuerstelle, auf den Kesseldeckel und in den Wasserkrug. Danach füllte sie die Schale wieder mit frisch geschöpftem Quellwasser und betete für Wohlergehen und Glück der ganzen Familie für den Tag. Auf der Insel Jeju-do, wo es im Gegensatz zum Festland keine Lehmplatte über der Feuerstelle gab, verehrte man die sog. „Sotdeok“, die Steine zu beiden Seiten der Feuerstelle, die als Stützen den Kessel über der Flamme hielten, als Küchengottheiten. Eine typische Feuerstelle auf Jeju-do hatte drei solche Steinsäulen, „Samdeok“ genannt, die als Küchengötter verehrt wurden. Jeder einzelnen Säule wurden Opfergaben dargebracht. Bei einem Umzug wurden diese Steine mitgenommen, damit das im alten Haus genossene Glück nicht verloren ging. Ähnliche Bräuche finden sich bei den ethnischen Minderheiten in den chinesischen Provinzen Sichuan, Yunnan und Guizhou. In Korea wurde die Gottheit vor allem in der phsyikalischen Gestalt von Wasser verehrt. Wasser ist nicht nur eine Unheil KOREANISCHE KULTUR UND KUNST 15
1 1. Eine typische koreanische Küche befand sich westlich des Eingangstores eines nach Süden ausgerichteten Hauses, um vor den Westwinden aus Sibirien geschützt zu sein. Die Feuerstelle wurde zu ebener Erde an der Wand zwischen Küche und Wohnräumen eingerichtet, um gleichzeitiges Kochen und Heizen zu ermöglichen. Das Feuerholz wurde an der der Feuerstelle gegenüber liegenden Wand gestapelt. 2. Abgesehen von einigen Regionen wurden die Zimmer in chinesischen Häusern generell mit Kohlenbecken geheizt, sodass sich die Küchenfeuerstelle nicht in der Nähe der anderen Räume befinden musste. Oft war die Küche räumlich getrennt vom Rest des Hauses. Dieser Küchentyp wurde nach Korea eingeführt, wo er als „Banbitgan“ bekannt ist.
wegspülende und glückbringende Gottheit, sondern auch die Gottheit, die über Geburt und neues Leben wacht und gegen Feuer schützt Im Gegensatz dazu wird der Jowang-Küchengott in China gewöhnlich in Form eines Bildes dargestellt. Bilder der Gottheit werden auf dem Markt gekauft oder selbst gemalt. Manchmal wird auch ein mit dem Namen der Gottheit beschriftetes Seelentäfelchen verwendet. Dass in koreanischen Großtempeln ein Bild von Jowang in der Küche aufgehängt und nach der Zubereitung der Speisen die Herz-Sutra vorgelesen wird, ist ebenfalls auf chinesischen Einfluss zurückzuführen. In China ist Jowang eine Dienerin des himmlischen Jadekaisers, die in die Menschenwelt geschickt wird, um über die dortigen Geschehnisse zu wachen. In Tohoku im Nordosten Japans wird der Küchen- oder Herdgott „Hyottoko“ in Form einer Holzmaske mit furchterregender Miene verehrt. Es heißt, dass Jowang gewöhnlich am letzten Tag des Jahres nach Mondkalender in die Menschenwelt kommt, sich in allen Haushalten genau umschaut und dann dem Jadekaiser Bericht erstattet. Der Jadekaiser belohnt die Haushalte, die gute Taten verrichtet haben, und bestraft die Haushalte, die sich Böses zuschulden haben kommen lassen. Deshalb klebte jede Familie zu dieser Zeit Yeot (Toffee auf Getreidebasis) oder Reiswein-Maische an die Feuerstelle. Denn da die Feuerstelle den 16 KOREANA Herbst 2017
Mund symbolisierte, konnte man Jowang so zum Schweigen bringen. Einige versuchten wiederum, um die Gunst der Gottheit zu werben, indem sie ihr Reiskuchen oder Obst darbrachten und manchmal selbst ein Pferd bereithielten, auf dem sie davonreiten konnte. Herd und Schornstein: Von Korea nach Japan Der japanische Industriedesigner Kenji Ekuan (1929-2015) schrieb in seinem Buch Die Geschichte der Küchenutensilien (1978): „Dass man in Japan keinen Herd (Kamado) kannte, bevor er aus Korea eingeführt wurde, ist überraschend. [...] Dank des Kamado stieg nicht nur die Wärmeeffizienz, sondern der Schornstein hat die Menschen auch noch vom Rauch befreit.“ Der Herd heißt auf Japanisch „Kan kamado“ oder „Kara kamado“, wobei „Kan“ und „Kara“ für „Korea“ stehen. Der „KoreaHerd“ wird bis heute noch in mehreren japanischen Schreinen als heiliges Objekt verehrt. Dass zusammen mit dem Herd auch der gusseiserne Kessel eingeführt wurde, ist selbstverständlich. So schrieb Arai Hakuseki (1657-1725), ein neokonfuzianischer Gelehrter der EdoZeit (1603-1868): „Früher nannte man den Herd ‘Kama(釜)’, später wurde damit auch der gusseiserne Kessel bezeichnet. Das kommt aus einem koreanischen Dialekt. Im Joseon-Reich heißt der Kessel noch heute so.“ „Kama“ ist der im Norden
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3. Bevor der Herd – „Kamado“ auf Japanisch, „Buttamak“ auf Koreanisch – aus Korea nach Japan kam, kochte man in Japan auf Kohlebecken. Der erste Herd wurde als ein erstaunliches Objekt betrachtet und wird in einigen japanischen Schreinen bis heute noch in Form eines gusseisernen Kessels als Küchengott verehrt.
der koreanischen Halbinsel gebräuchliche Ausdruck für Herd, woanders verwendet man „Buttumak“. Auch im Wörterbuch der Archaismen steht, dass „die Wurzeln im koreanischen Wort Kama (in Korea „Gama“ ausgesprochen) liegen. Dass das Wort Einzug ins Japanische hielt, hängt mit der Einführung des in der nordkoreanischen Provinz Hamgyeong-do verbreiteten Gyeopjip-Doppelhausstils in der japanischen Tohoku-Region im Nordosten Japans zusammen. Weitere Erwähnungen finden sich in der japanischen Gedichtsammlung Sammlung der zehntausend Blätter aus dem 8. Jh. sowie in einem japanischen Wörterbuch für chinesische Schriftzeichen aus dem 10. Jh. Wie groß die Bewunderung der Japaner beim ersten Anblick eines Kessels von der koreanischen Halbinsel gewesen sein muss, lässt sich daran erahnen, dass der Kessel im Karakama-Schrein in Izumo, Präfektur Shimane, auch heute noch als Manifestation des Küchengotts verehrt wird. Mit dem Herd kam aber nicht nur der Kessel nach Japan, sondern natürlicherweise auch der Schornstein. Der japanische Rechtshistoriker Nakata Kaoru (1877-1967) schrieb in seiner 1906 veröffentlichten Vergleichsstudie über die japanische und koreanische Sprache: „Heutzutage wird der Herd auf Japanisch ‘Kudo’ genannt. Die Bedeutung hat sich also gewandelt, denn früher bezeichnete das Wort den Schornstein. Das ähnlich klingende koreanische Wort ‘Gulttuk’ meint nämlich ‘Schornstein’.
[...] Diese Sinnbeziehung bildete sich in alter Zeit.“ Im Kudo-Schrein in der Gemeinde Oji, Präfektur Nara, wird seit langem ein Mensch aus dem koreanischen Baekje-Reich als Hauptgott verehrt und der Erdgott in Form eines gusseisernen Kessels angebetet. Die an einer Kesselseite zu lesende Inschrift „Dargebracht im achten Monat des ersten Jahres der Keian-Ära (1648)“ weist darauf hin, dass der alte Kessel damals durch einen neuen ersetzt wurde. Dieser hatte bei meinem Schrein-Besuch Anfang 2000 aber ein Bein verloren. In der Gegend um den Schrein lebten einst viele Menschen aus Baekje. Laut einem 2007 in einer koreanischen Tageszeitung veröffentlichten Artikel von Hong Yun-gi, Professor für Koreastudien an der University of Brain Education, habe der japanische Orientwissenschaftler Naito Konan (1866-1934) geäußert: „Die Kudo-Gottheit ist König Gutae, ein Vorfahr von König Seong (reg. 523-554) von Baekje.“ Vergleicht man die ostasiatische Kultur der Küche mit einem Baum, würde die chinesische Kultur die Wurzeln bilden, die koreanische den Stamm und die japanische die Zweige. Dass die Küchen dieser drei Länder wie oben beschrieben jeweils unterschiedliche Merkmale und Funktionen ausbildeten, reflektiert den Wandel der Zeiten, der Umstände und der Bedürfnisse der in der Küche arbeitenden Menschen, was zu Innovation und Diversität führte. KOREANISCHE KULTUR UND KUNST 17
SPEZIAL 3 Koreanische Küchen: Vom Lehmherd zur virtuellen Realtität
„In dieser Küche
IST IMMER ETWAS AM BRODELN.“ Die Küche ist ein Raum, in dem gekocht und gegessen wird, aber manchmal ist sie noch viel mehr: Für manche ein Atelier, für andere ein Lager der Erinnerungen. Und wieder andere entdecken hier Spuren ihrer Jugend. Deshalb ist in jeder Küche immer etwas am Brodeln, sei es nun Suppe, Reis oder Sehnsucht. Lee Chang-guy Dichter und Literaturkritiker Fotos Ahn Hong-beom, Ha Ji-kwon
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in Haus birgt viele Informationen über die, die darin leben. Vor allem die Küche, die Wohnund Essraum zugleich ist, gibt anschauliche Hinweise auf die Lebensweise und den Alltag der Bewohner. Ein unter diesem Aspekt geführter Diskurs über die Küche würde am geschicktesten beim Aspekt des gesellschaftlichen und kulturellen Wandels ansetzen. Auch wenn die Küche nicht Agens des Wandels sein kann, so spiegelt sie doch diesen Wandel irgendwie wider. Zu untersuchen, wie sich Rolle und Aussehen der Küche im Wandel des Zeitalters, der Umfeldbedingungen oder der Kontrolle des Feuers verändert haben, ist eine nützliche Methode, Lebensstil und Kultur von gestern, heute und morgen zu vergleichen. Doch das dabei in hochgestochener Manier erworbene Wissen aufklärerischen Charakters bringt wenig Neues, denn die Fragen, die uns faszinieren, liegen gewöhnlich außerhalb des neuzeitlichen Allgemeinwissens. Eine Frage wäre z.B.: Wie haben Männer wohl die Küche, diese intime Sphäre der Frauen, benutzt und in Erinnerung behalten? „Verfremdete“ Küche Beschreibt ein Künstler einen bestimmten Raum als übermäßig düster und grau in grau oder als auffallend heiter, sollte man 18 KOREANA Herbst 2017
das nicht einfach so glauben. Die meisten Künstler sind voller Selbstwidersprüche und äußerst begabt darin, ihre Gefühle in Bezug auf etwas zu übertreiben oder zu vage darzustellen. Selbst anzunehmende Konflikte oder Auseinandersetzungen hat es vielleicht nie gegeben. Zu dieser Nebenwirkung kommt es, wenn ein real existierender Lebensraum zur „inneren Seelenlandschaft“ wird. Mit einer Überzeugungskraft, die zuweilen größer ist als jede positivistische Analyse, bringt uns diese besondere Art der Bezugnahme dazu, mit Menschen und Räumen mitzufühlen, uns zu ihnen hingezogen zu fühlen und sie zu verstehen. René Magritte (1898-1967), der surrealistische belgische Maler, der v.a. für Der Verrat der Bilder (Dies ist keine Pfeife; 1929) bekannt ist, soll viel Zeit in der Küche verbracht haben, wo er aß, malte und Gäste empfing. Er wollte kein Atelier, denn nach seiner Meinung war ein solcher Raum nur ein verachtenswertes Cliché, so wie es die Bärte und Barette für einige Pariser Künstler waren. Wenn er im Anzug in der „Küche cum Esszimmer“ seiner engen Wohnung malte, stieß er sich am Tisch, verbrannte sich die Hand an der Bratpfanne oder wurde von der Türklinke am Arm erwischt, wenn jemand die Tür auf- oder zustieß, sodass der Pinsel an der falschen Stelle der Leinwand landete. Zur Essenszeit musste er jedes Mal eine Zwangspause einlegen und alle seine Malutensilien wie Staffelei, Palette, Pin-
Traditionell war die Küche ein den Frauen vorbehaltener Raum, aber in jüngster Zeit wird sie zunehmend von den Männern als Raum zum Wohfühlen entdeckt.
© Ahn Yong-gil
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sel usw. wegräumen. In seinen Werken erscheinen wohl deshalb oft Gegenstände aus der Küche wie der Käse unter der Käseglocke in Dies ist ein Stück Käse (1936) oder die wie Flugzeuge im Formationsflug fliegenden Baguettes in Die goldene Legende (1958). Durch das ungewöhnliche Arrangement dieser wirklichkeitsgetreu dargestellten Alltagsobjekte verfremdete er das Vertraute. Der belgische Dichter und Surrealist Paul Nougé (1895-1967) sagte daher: “[Wenn man sich die Bilder von Magritte angeschaut hat,] hat sich die Welt geändert. Gewöhnliche Dinge gibt es nicht mehr.“ Das heute als Museum dienende Wohnhaus des belgischen Künstlers mit dieser Küche befindet sich in der Gemeinde Jette am Brüsseler Stadtrand. Hier ließ sich Magritte 1930 nieder, nachdem er aufgrund einer Unstimmigkeit mit dem französischen Dichter André Breton (1896-1966) von der Pariser Surre-
nung für die gebildeten, stilvollen jungen Männer der Zeit) war, arbeitete als Redakteur für das vom Zeitungsverlag Chosun Ilbo herausgegebene Magazin Frauen (1936-1940). Angesichts dieses Hintergrunds war es ein Schock, dass Baekseok, der „in einem erbsenfarbigen Zweireiher, das schwarze, lockige Haar wie Polarmeerwellen im Wind flattern lassend über die Gwanghwamun-Kreuzung flanierte“, den Traditionen der Joseon-Zeit nachhing, und dazu noch der volkstümlichen Welt seiner Heimatstadt Jeongju, Provinz Pyeonganbuk-do. Während der Dichter und Literaturkritiker Im Hwa (19081953) Baekseoks Gedichte für ihren Regionalismus kritisierte und argumentierte, dass sie nicht die für die Joseon-Zeit typischen Gefühle der Nation reflektierten, war der Dichter und Literaturkritiker Kim Ki-rim (1908-?) der Ansicht, dass Baekseoks Poesie ohne Sentimentaliät oder restaurative Anwandlungen das „authentische Gesicht der Heimat“ wahre. Baekseoks
Beschreibt ein Künstler einen bestimmten Raum als übermäßig düster und grau in grau oder als auffallend heiter, sollte man das nicht einfach so glauben. Die meisten Künstler sind voller Selbstwidersprüche und äußerst begabt darin, ihre Gefühle in Bezug auf etwas zu übertreiben oder zu vage darzustellen. Selbst anzunehmende Konflikte oder Auseinandersetzungen hat es vielleicht nie gegeben.
alistengruppe Abstand genommen hatte. Das Ehepaar Magritte wohnte 24 Jahre in Jette. Eine Küche, in der die Suppe brodelt 1936, als Magritte in einer Ecke seiner Küche sein Werk Dies ist ein Stück Käse fertigstellte, veröffentlichte Baekseok (19121996), ein junger koreanischer Dichter in seinen 20ern, seinen ersten Gedichtband unter dem Titel Hirsch (1936). Geboren und aufgewachsen in der Zeit der Modernisierung Koreas, besuchte Baekseok die Osan Schule (eine damals moderne Schuleinrichtung, die auf die Stärkung des nationalen Identitätsbewusstseins abzielte und die Schüler zum Unabhängigkeitskampf anspornte) und studierte englische Literatur an der Aoyama-Gakuin-Universität in Japan. Baekseok, der der Elite des Landes angehörte und einer der „modern boys“ (Bezeich20 KOREANA Herbst 2017
Gedichte sind in dem Sinne volkstümlich, dass sie auf seinen Kindheitserlebnissen im ländlichen Jeongju basieren. Sie unterscheiden sich jedoch deutlich von „Hinterwäldler-Literatur“ durch ihren zurückhaltenden Stil, der nicht in Erinnerungen untergeht, sondern eine gewisse Distanz dazu bewahrt, durch reiche Sprache, die auf regionalen Bräuchen und schamanistischen Vorstellungen basiert, und durch auffällige Verwendung des Dialektes in Manier des extremen Imagismus, was das Gefühl vermittelt, die Miniaturen eines flämischen Malers zu betrachten. Für Baekseok steht v.a. das Essen für das Heimatliche. In seinem Gedichtband Hirsch werden in den insgesamt 33 Gedichten 46 Gerichte genannt, deren Namen selbst einem Durchschnittskoreaner fremd sein dürften. Auch Szenen aus der Küche, der „Wiege“ der Gerichte, finden sich oft. In den Töp-
Baekseoks Gedichte beschreiben oft Küchenszenen, in denen stets eine duftende Suppe auf dem Herd köchelt. War etwas auf dem Herd am Brodeln, bedeutete das immer warmes Essen und warme Zimmer.
fen ist immer etwas am Brodeln. Ich schlafe, bis [...] aus der Küche mit ihrem geschäftigen Treiben der fröhlich plaudernden Schwägerinnen der leckere Duft der kochenden Muijingge-guk durch die Ritzen der Seitentür, durch die Ritzen der papierbeklebten Trenntür dringt. Aus: Die Familie aus dem Dorf, in dem Füchse hausten (1935) Am Vorabend eines hohen Feiertages wie morgen leuchtet die Küche hell im Licht der Lampen, der Deckel des eisernen Topfes klimpert vor sich hin, die herzhaft duftende Rinderknochensuppe köchelt darin… Aus: Die alte Nacht (1935)
In der dunklen Küche kocht der alte, verwitwete Schwiegervater Algen-Wochenbettsuppe / Auch bei der Mutter der Wöchnerin wird Wochenbettsuppe aus Algen gekocht. Aus: Am abgeschiedenen Ort In einem traditionellen Hanok-Haus lag die Küche normalerweise gleich neben dem Hauptzimmer der Frauengemächer. Auf dem Lehmherd an der Wand standen drei, vier gusseiserne Kessel unterschiedlicher Größe. Zum Kochen von Reis und Suppe wurde der Herd mit Holz befeuert, wobei die heiße Luft via die Fußbodenheizungsschächte der angrenzenden Zimmer durch den Schornstein nach draußen geführt wurde. Wenn in den Töpfen auf dem Herd etwas brodelte, bedeutete das also warme Zimmer und dampfendes Essen, was wiederum für den häuslichen Frieden einer gut funktionierenden Familie steht. KOREANISCHE KULTUR UND KUNST 21
Ein buddhistischer Mönch wartet in der Küche des Tempels Tongdo-sa in Yangsan, Provinz Gyeongsangbuk-do, darauf, dass die Suppe zu Kochen beginnt. Der Autor dieses Artikels lebte einst im Tempel Sangwon-sa im Gebirge Odaesan, Provinz Gangwon-do, wo er für die dort lebenden und arbeitenden Menschen kochte und Geschirr spülte.
Die Muijingge-guk (Rettich-Garnelen-Suppe), deren Duft allein an einem kalten Wintermorgen dem noch halb schlafenden Dichter das Wasser im Mund zusammenlaufen ließ, ist eine lokale Spezialität der heute in Nordkorea gelegenen Region Pyeonganbuk-do. Die mit Rettichscheiben und fermentierten Minigarnelen gekochte Brühe erhält ihre pikante Note durch den erfrischenden Geschmack von Rettich und den würzigen Geschmack der Minigarnelen. Während Baekseok modern gekleidet durch die Hauptstadt des von den Japanern besetzten Gyeongseong (heute Seoul) des 20. Jhs flanierte, blieben sein Geschmack, sein Geruchssinn und seine Emotionen in den Traditionen eines Dorfes im Norden des Joseon-Reichs im 19. Jh. verhaftet, wo „ein Kind-Schamane auf der Klinge eines Häckselmessers tanzt“ und die Menschen glaubten, dass „Bauchschmerzen, verursacht durch das Essen von Dol-bae (wilder Birnen)“ geheilt werden „durch das Essen von Ddeol-bae (Weißdornbeeren).“ Womöglich rührte Baekseoks Leid aus dem Spannungsfeld von Moderne und Tradition, von Verlust des Vaterlandes und Kolonialherrschaft. Die fünf arrangierten Ehen, zu denen ihn seine Eltern zwangen, der häufige Stellenwechsel und das ewige Wanderleben füllten die Welt seiner Poesie nach Hirsch allmählich mit Reue und Einsamkeit statt warmen Erinnerungen an seinen Heimatort. Der irische Historiker Robert F. Foster schreibt in seiner Bio22 KOREANA Herbst 2017
graphie von W. B. Yeats, dass Napoleons Worte „Um einen Menschen zu verstehen, muss man wissen, was in der Welt passierte, als er 20 war“ auf den irischen Dichter voll zutreffen. Als Student der englischen Literatur dürfte Baekseok von der Identitätskrise, die Yeats in seiner Kindheit durchmachte, und von seiner Leidenschaft für die Mythen und Legenden seines Vaterlandes gewusst haben. Aber Baekseok scheiterte, wo Yeats erfolgreich war, nämlich darin, seine eigene Stimme inmitten der politischen und gesellschaftlichen Unterdrückung und Turbulenzen zu finden. Als er nach dem Ende des Koreakrieges 1953 vor der Wahl stand, sich für den Süden oder den Norden des geteilten Vaterlandes zu entscheiden, kehrte er in seine Heimatstadt Jeongju im Norden zurück, was seinen eigenwilligen literarischen Versuchen ein Ende setzte. So konnte ihn die Geschichte der koreanischen Literatur in seinen späteren Jahren nur noch als „Dichter der Lamentation und Resignation“ beschreiben, dem es nicht gelang, die ursprüngliche Vorstellungswelt der Koreaner noch tiefgehender zu erkunden. Eine vollkommen leere Küche Im Seouler Viertel Sadang-dong befindet sich das ehemalige Wohnhaus des Dichters Seo Chong-ju (1915-2000), das zum „Erbe der Stadt Seoul für die Zukunft“ deklariert wurde. Hier verbrachte Seo mit seiner Frau die letzten 30 Jahre sei-
nes Lebens. Sein Beiname „Midang“ bedeutet „ein unfertiges Haus“ im Sinne von „ein noch unfertiger Mensch“. Trotz dieses bescheidenen Beinamens schätzen viele Koreaner Seo als besten Dichter der modernen koreanischen Literatur. In der Küche seines Hauses findet sich eine Quittung für den lokalen Wachdienst aus dem Jahr 1978 und an der Wand hängt ein gerahmtes Foto des Dichters und seiner Frau, die nebeneinander auf Steinen im Garten sitzen. Sie sind in traditionelle Sommerjacken aus Ramie gekleidet und blinzeln in die blendende Sonne. Um einen Einblick in die Persönlichkeit seiner Frau Bang Ok-suk zu geben, zitiere ich aus ihrem Rezept für in Sojasoße marinierte Krabben, das in einer Zeitung veröffentlicht wurde, als sie jung war: „Chamgejang (roh eingelegte Chinesische Wollhandkrabben) wird aus in Reisfeldern oder Bächen gefangenen Frischwasserkrabben gemacht. Wenn der kühle Herbstwind weht und der Reis zu reifen beginnt, setzen die Krabben Fleisch an und die Eingeweide werden schwarz. Das ist die beste Zeit, um besonders schmackhafte eingelegte Krabben zuzubereiten.“ Seo Chong-ju hat zu seinen Lebzeiten Hunderte von Gedichten geschrieben, doch in keinem hat er seine Empfindungen in puncto Küche zum Ausdruck gebracht. Das ist eher unerwartet für einen Dichter, der „Die dreitausend Schüsseln klaren Wassers / Die meine Frau jeden Tag im Morgengrauen auf die Vorratskrugterrasse stellte / betend, dass ich keine andere lieben möge“ gesehen hat und sich die Frage stellt: „An dem Tag, an dem ich vor ihr in den Himmel gehe, / Soll ich da meinen Odem in ihre Schüssel legen?“ (Auszug aus Meine Frau). Das Gedicht Poetik lässt jedoch diese Enttäuschung verdauen: Auch die Abalonenfischerinnen der Insel Cheju lassen / Die besten Abalonen an den Felsen unter dem Wasser ungepflückt, / Um sie dann zu ernten, wenn ihr Liebster kommt. / Lass die besten lyrischen Abalonen auch dort. / Was soll man herumirren in der Leere der geplünderten Fanggründe? / Ein Dichter ist Dichter, weil er sie im Meer lässt und auf das Meer hofft. In der Küche im Erdgeschoss des leeren Hauses, in dem nun niemand mehr ist, der einen begrüßt, steht einsam eine Dose des Bieres, das der Dichter bis vor seinem Tod getrunken haben soll. Dass der 85-jährige Poet nach dem Tod seiner Frau jegliches Essen verweigerte und alleine am Küchentisch sitzend Bier trank, bis er knapp drei Monate später selbst starb, erzählte mir meine Frau. Sie scheint zu wissen, wie sich der Dichter gefühlt haben muss. Küche und peinliche Erinnerungen Im Korea des 20. Jhs, als die patriarchalischen Traditionen noch völlig intakt waren, hörte man selten einen Mann über
seine Gefühle in Bezug auf die Küche erzählen. Doch wird es kaum jemanden geben, der überhaupt keine Erinnerungen daran hätte. In meiner Kindheit stand ich ab und zu vor der Küchentür und inspizierte die dunkle Küche, wenn ich Langeweile oder Hunger hatte. Mein Blick fiel stets auf den Küchenschrank, das einzige Möbelstück, dessen Inneres für mich verborgen war. Wenn ich den Schrank öffnete, schlug mir der Geruch von Sesamöl entgegen sowie ein Potpourri aus sauren, salzigen und fischigen Gerüchen, die von den Schmierspuren der Flaschen mit allerlei unidentifizierbaren Flüssigkeiten stammten. Mich vorsichtig umblickend stibitzte ich einen Löffel Honig, aber auch schon mal etwas Kleingeld aus dem Geldbeutel meiner Mutter, der in einer Schrankecke lag. Im letzten Grundschuljahr wurde die Küche für mich ein Ort kleiner Haushaltspflichten. Eines Abends, als ich vor dem Lehmherd hockte und mich um das Feuer kümmerte, erschien plötzlich das Mädchen, das meine neue Sitznachbarin in der Klasse war, und starrte an die Küchentür gelehnt auf mich hinunter. Sie schien sich irgendwie mit meiner jüngeren Schwester angefreundet zu haben. Vor lauter Schüchternheit wagte ich nicht, den Kopf zu heben, sondern blieb bewegungslos den scharfen Qualm des Holzfeuers einatmend auf dem Küchenboden hocken. Ich konnte ihr nicht einmal für die grüne wilde Birne danken, die sie mir in der Mittagspause gegeben hatte. Als ich älter wurde, saß ich dann auf diesem feuchten Küchenboden, kümmerte mich um das Feuer für die Bodenheizung und notierte zwischendurch hastig die Texte der Lieder, die aus dem Radio erklangen. Mit zwanzig beschloss ich, Mönch zu werden und fragte mich im Winter nach dem Tempel Sangwon-sa im Odaesan-Gebirge durch. Es war übrigens auf der schmalen Holzveranda vor der Küche des strohgedeckten Häuschens des Tempels, auf der ich die angefrorenen Nudeln, die eine alte Buddhistin für mich zubereitet hatte, herunterschlang. Eine Weile blieb ich in dieser Unterkunft für Mönche und Holzfäller, machte in der Küche Feuer, kochte Suppe für die Tempelbewohner und spülte das Geschirr. Zwischendurch las ich statt buddhistischer Schriften immer wieder heimlich die Gedichte von Kim Soo-young (1921-1968). Mit zwei Zimmerchen, einer Holzdiele, einer sauberen Küche und einer armen Ehefrau / Wenigstens nach außen hin so zu leben wie alle. / Kann das so beschämend sein? Aus: Der Wächter der Wolke So offen sprach der aufrechte und empfindsame Mann: Kim Soo-young. Gab es denn in der Geschichte der koreanischen Literatur einen Dichter, der sein Leben und sein Ich so rigoros unter dem Mikroskop der Poesie sezierte und mit den ehrlichsten aller Wörter festhielt. Das war die Welt, auf die ich in meinem frühen Zwanzigern stieß. KOREANISCHE KULTUR UND KUNST 23
SPEZIAL 4 Koreanische Küchen: Vom Lehmherd zur virtuellen Realtität
Die Küchen der Haenyeo
ERFÜLLT VOM DUFT NACH ERDE UND MEER
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Eine traditionelle Küche auf der Insel Jeju-do war ein Raum, wo die Frauen über einer offenen Feuerstelle im Boden kochten und die Familie auf dem gestampften Lehmboden sitzend die Mahlzeiten einnahm. Diese sich deutlich vom Festland unterscheidenden Küchen stehen für das Leben der Haenyeo, der Tiefseetaucherinnen, die ihr Leben hart arbeitend in den trügerischen Gewässern der Insel verbrachten. Heo Young-sun Dichterin Fotos Kim Mi-joo, Yi Gyeom
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ie 89-jährige Haenyeo O Sun-a ist eine Taucherin, die ihren Lebensunterhalt verdient, indem sie mit bloßen Händen Meeresfrüchte erntet. Sie lebt allein in einer schiefergedeckten Einzimmer-Kate im Dorf Pyoseon-myeon. Das an einem zum Meer führenden Pfad gelegene Häuschen erinnert an einen winzigen Tante-Emma-Laden mit kleinen Kindern als Hauptkundschaft. Für eine Frau, die ihr ganzes Leben lang im Meer und auf dem Feld gearbeitet hat, ist es wohl ein perfekter Ort, um ihren Lebensabend zu verbringen. In ihr Häuschen gelangt man durch eine zur Straßenseite gelegene Schiebetür. Es ist ein einfacher Raum mit Spüle, Kühlschrank und einer Maru-Holzdiele, die als Koch-, Wohn-, Schlaf- und Lagerraum fungiert. Von Struktur und Grundriss her gibt es kaum einen Unterschied zu den Studio-Apartments, in denen die jungen Großstadtleute heutzutage leben. Die Haenyeo liebt ihr Häuschen. Wenn sie die Tür zum Innenhof öffnet, kann sie das Haus ihres Sohnes sehen, in dem er mit Frau und Kindern lebt. Ihren fleißigen Händen ist es zu verdanken, dass im Gemüsegarten des Sohnes kein einziges Unkraut sprießt. Es ist eine alte Tradition auf Jeju-do, dass die betagten Eltern in ein Nebengebäude ziehen und den verheirateten Kindern das Hauptgebäude überlassen. Daher gibt es oft zwei, drei völlig voneinander getrennte Wohnbereiche innerhalb einer Einfriedung. Da diese Wohnbereiche voneinander getrennt sind, essen die Eltern nicht mit den verheirateten Kindern. Jeder bleibt in seinem eigenen Bereich und kocht für sich. Das ist eine alte Tradition der Inselbevölkerung. KOREANISCHE KULTUR UND KUNST 25
Zwei Haushalte innerhalb einer Einfriedung O stellt die Gerichte auf einen niedrigen runden Aluminium-Klapptisch, der altgedient aussieht. So essen wir gemeinsam im Wohnzimmer, in dem es eine Spüle und einen Kühlschrank gibt. Dieser Kühlschrank ist eine regelrechte Schatzkammer voller Meeresfrüchte wie Seeigel und Seetang. O hat Schweinefleisch-Seetang-Suppe zubereitet, für die frischer brauner Seetang und Schweinefleisch nach dem Aufkochen lange köcheln gelassen wurden. Es ist ein Gericht, das auf Jejudo traditionell nur zu besonderen Anlässen aufgetischt wurde. Auf der Suppenoberfläche schwimmt Schweinefett. Ich probiere einen Löffel davon. Der Geschmack ist einzigartig, eine perfekte Harmonie von Zutaten aus dem Meer und vom Land. Dieser originäre Geschmack findet sich nur auf Jeju-do, genau wie die Algensuppe Momguk, ein regionales Spezialgericht für Wöchnerinnen, für das die Braunalgenart Golftange zusammen mit Brühe aus ausgekochtem Schweinenacken samt Knochen gekocht wird. Mit einem breiten Lächeln sagt O: „Ich bin mit dem Häuschen und dem, was ich habe, völlig zufrieden.“ Die Zeit, in der sie auf dem Lehmboden hockend vor dem gusseisernen Kessel das Feuer schürte, scheint in ferner Erinnerung zu sein. Es gab einmal eine Zeit, in der sie in einem Haus mit einer geräumigen Lehmboden-Küche lebte. Damals wurde die Küche in Jeju-do „Jeongji“ genannt. Die Küchen auf der Insel unterschieden sich sehr von denen auf dem Festland. Der
1 © Gloria Cho
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größte Unterschied war, dass Kochen und Heizen der Räume räumlich getrennt waren. Während die Feuerstelle „Agungi“ als „Gulmuk“ (Jeju-Dialekt für „Guldduk (Kamin)“) den Ondol-Fußboden heizte, wurde auf den „Sotdeok“ (Jeju-Dialekt für „Botdol (steinerne Seitensäule)“) der Eisenkessel aufgesetzt. Yi Hyeong-sang, der im 18. Jh. als Magistrat des Joseon-Reichs (1392-1910) nach Jeju-do gesandt wurde, schrieb in Namhwan bangmul (Verschiedene Aufzeichnungen über Jeju-do) über die Insel: „Die Feuerstelle in der Küche ist Kessel und Kochen vorbehalten.“ In den 1970er Jahren wurden im Rahmen der Projekte zur Sanierung der traditionellen Häuser Öfen aus Zement in der Küche eingeführt und bauliche Veränderungen vorgenommen, sodass das Feuer in der Küche auch zum Heizen der anderen Räume genutzt werden konnte. Die Häuser auf dem Festland haben seit jeher dieselbe Hitzequelle fürs Kochen und fürs Heizen verwendet, sodass die Küche direkt neben dem Hauptzimmer des Hauses lag, aber auf Jeju-do waren Hauptzimmer und Küche räumlich weit voneinander entfernt. Primitiv aber praktisch O erinnert sich an Haus und Küche aus der Zeit vor ihrer Heirat. In ihrem Elternhaus hatte es nicht weniger als fünf große gusseiserne Kessel gegeben. „Rechts und links ein Stein und einer hinten – darauf kam dann der Kessel. Die Flammen loderten durch die drei Löcher zwischen den Steinen. Der gare Reis kam in eine große Aluminiumschüssel, um die sich dann alle Familienmitglieder versammelten und ordentlich reinhauten“, erzählt O. Damals konnte jeder beim Betreten des Hofes die Küche gleich ausmachen: Man musste nur nach der Wasservorratsstelle „Mulpang“ suchen, eine von Steinsäulen gestützte flache Steinplatte, auf der ein bauchiger Wasserkrug stand. Von der nahen Küche aus konnte man jederzeit Wasser holen. Zu diesen Zeiten ohne fließend Wasser im Haus war das Füllen der Krüge eine wichtige tägliche Aufgabe. „Als Kind trug ich einen kleinen Wasserkrug auf dem Rücken, den ich mit Quellwasser füllte. Zu Hause füllte Mutter das Wasser dann in den großen Wasserkrug um. Wenn mein Krug mal auf dem Weg kaputtging, bekam ich von ihr ordentlich was zu hören“, erinnert sich O. Öffnete man die hölzerne Küchentür, drang einem ein dicker Geruch nach Erde in die Nase. Der gut festgestampfte Lehmboden schien spiegelglatt. Er wurde mit einem kleinen Buschklee-Reisigbesen, der in einer Ecke stand, immer wieder sauber gefegt. Wenn die Frauen von der Arbeit auf dem Feld oder im Meer zurückkamen, gingen sie schnurstracks in die Küche, setzten sich auf eine runde Sitzmatte aus geflochtenen Binsen und machten Feuer. „Konnten die Väter oder Großväter der Familie flechten, stell-
1. Eine Haenyeo gießt aus dem Trinkwasser-Sammelkrug auf ihrem Rücken Wasser zur Nutzung in der Küche in einen großen Vorratsbehälter. 2. Ein traditionelles Haus mit Vorratskrug-Terrasse im Volkskundedorf auf Jeju-do. Die Terrasse und der Gemüsegarten liegen direkt vor der Hintertür der Küche, was die Küchenarbeit für die Frauen etwas erleichtert. 3. Ein kleiner Tabletttisch und eine Holzschale warten auf dem „Salle“, wie der Geschirrschrank im Dialekt von Jeju-do heißt, darauf, gebraucht zu werden.
ten sie solche Matte für die Frauen her, anderenfalls schreinerten sie Holzhocker für die Küche.“ Früher wurde für jedes einzelne Familienmitglied vom Kind bis zum Opa eine Sitzmatte in der jeweiligen Größe angefertigt, auf der man sich bei den gemeinsamen Mahlzeiten auf dem Küchenboden niederließ. In einer Ecke der Küche stand ein Wasserkrug auf einer flachen Steinplatte, in einer anderen Ecke gab es den Geschirrschrank „Sallae“. Öffnete man die hölzerne Schranktür, entdeckte man ordentlich aneinander gereihtes Geschirr wie Reisschalen, Teller, etc. Nach dem Essen wurde das Geschirr durch die hintere Küchentür zu einem mit Steinen befestigten Waschplatz gebracht, gespült und wieder in den Schrank geräumt. Die Struktur der Küchen von Jeju-do ist je nach Region etwas unterschiedlich, allen gemeinsam ist jedoch, dass die Eisenkessel auf einem Herd aus Stein standen und nicht auf einem Lehmherd wie auf dem Festland üblich. Je nach Größe der Küche gab es zwischen drei und fünf Kessel. In den großen Kesseln wurde Waschwasser für die von der Arbeit heimkehrenden Familienmitglieder heiß gemacht. Die restlichen Kessel wurden je nach Größe zur Zubereitung von Suppe, Reis oder Beilagen verwendet. In den strohgedeckten Häusern wurde die Küche aus Lehm und Steinen gebaut und der Rauch des Feuers zog durch eine kleine Hintertür ab. Daran kann man sehen, dass die alten Jeju-Küchen zwar primitiv, aber von der Struktur her praktisch angelegt waren. „Damals hat es so was wie typische Frauenleiden nicht gegeben. Wenn die Frauen vor der Feuerstelle hockten, erwärmte die Hitze den Körper automatisch, was eine sterilisierende Wirkung gehabt haben dürfte“, erzählt Go Bok-hi, die Nachbarin von O. Ort voller Hitze und Tränen Die alten Küchen waren heiß und stickig, der beißende Rauch ließ die Augen ständig tränen. Wenn die Mutter ihr den Feuerhaken in die Hand drückte und befahl, das Feuer zu schü-
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ren, blieb der 12 Jahre alten O nicht anderes übrig, als vor den auflodernden Flammen auszuharren. Da es keinen Knopf zur Regulierung der Flammen gab, musste das Feuer mit Reisig oder Brennholz kontrolliert werden, was für ein junges Mädchen ohne Erfahrung keine leichte Aufgabe war. „Am schwierigsten war das Kochen von Bohnenbrei und Sojabohnensuppe“, sagt O. „Man musste aufpassen, dass nichts überlief. Kaum wendete man ein Auge ab, spritzte der Inhalt überall hin, sodass kaum was im Kessel übrig blieb. Und stellen Sie sich mal vor, wie es war, wenn heiße Brühe auf die Haut spritzte! Der Trick war, etwas Wildgemüse oder eine Prise Salz zuzugeben, wenn es im Topf zu brodeln begann.“ Reis, Bohnenbrei und Sojabohnensuppe, die traditionellen Speisen der Jeju-Insel, waren am schwierigsten zuzubereiten. Wenn die Mutter kurz nach draußen musste, um z.B. Sojabohnenpaste zu holen, ermahnte sie die Tochter, nur ja den Topf nicht aus den Augen zu lassen und den Bohnenbrei durch zu heftiges Umrühren zu verpatzen. Direkt vor der Hintertür der Küche gab es einen Gemüsegarten und eine Plattform mit Vorratskrügen mit verschiedenen Würzpasten und Soßen, sodass man schnell mal nach draußen konnte, um Doenjang-Sojabohnenpaste zu holen oder Gemüse zu pflücken. Ebenfalls in Küchennähe gab es einen Vorratsraum, in dem Getreide in Krügen gelagert wurde. Auch für einen stets hinreichenden Brennmaterial-Vorrat zu KOREANISCHE KULTUR UND KUNST 27
sorgen, war Schwerarbeit. Zum Feuern wurden Viehfutterreste, Kiefernnadeln, Gerstenstroh oder tote Äste gesammelt, die an einer Seite der Küche vulkankegelartig aufgestapelt wurden. Gerstenstroh brannte wie Zunder. Dämpfte man Reis über einem Holzfeuer, wurde der Kessel schwarz vor Ruß, sodass man ihn jedes Mal ordentlich sauber scheuern musste. Sorgte man nicht für blitzblankes Kochgeschirr, galt man als faul. Also wurde der Deckel mit Schweinefett eingerieben, damit er schön glänzte. Eine Küche mit blitzenden Töpfen und Kesseln symbolisierte den Fleiß der Hausfrau. Manchmal übernahm ein hilfsbereiter Ehemann das Reinigen der schweren gusseinsernen Kessel, aber in den meisten Fällen waren die Frauen dafür zuständig. Beim Verbrennen von Holz war das größte Problem die anfal28 KOREANA Herbst 2017
lende Asche. Die Asche wurde beim Schüren des Feuers in den hinteren Teil des Ofens geschoben, wo sie sich in der 50 bis 60 cm großen Lücke zwischen Feuerstelle und Küchenwand anhäufte. Diese „Bulchi“ genannte Asche wurde in einem Behälter gesammelt und als Dünger verwendet. Die mit Asche gedüngten Felder brachten reiche Ernten. In einigen Dörfern mischte man die Asche unter Buchweizensamen. Kleine Mengen dieser Mischung wurden in flache Furchen gegeben, die mit einer Art Reiserbesen zugefegt wurden. Damit war alles für eine reiche Ernte vorbereitet. Ein Ort , gefüllt mit warmen Erinnerungen Eine traditionelle Jeju-Küche war ein Raum, wo man auf einem Lehmboden so sauber wie eine Maru-Holzdiele das Essen
Der Reis, der in der Küche gekocht wurde, war nicht einfach nur Reis: Es war der Reis der Mütter, die inmitten des beißenden Rauches des lodernden Feuers ihre Tränen abwischend seufzten. Der Duft der unter den Reis gemischten Gerste, gedämpft von Mutters Tränen und Seufzern, zog durch den Innenhof und in den hungrigen Magen.
Im Gegensatz zu den Küchen auf dem Festland, in denen es einen Herd gibt, wurden die Kessel bzw. Töpfe von jeweils drei Basaltbrocken – zwei seitlich, einer hinten – über dem Feuer gehalten. Jeder der Kessel und Töpfe diente einem anderen Zweck.
zubereitete. Die Menschen saßen auf dem Boden und wärmten sich vor dem brennenden Feuer; die Asche wurde als Dünger für die Pflanzen, von denen sie sich ernährten, genutzt. Der Reis, der in der Küche gekocht wurde, war mehr als nur einfacher Reis: Es war der Reis der Mütter, die inmitten des beißenden Rauches des lodernden Feuers ihre Tränen abwischend seufzten. Der Duft der unter den Reis gemischten Gerste, gedämpft von Mutters Tränen und Seufzern, zog durch den Innenhof und in den hungrigen Magen. Aus heutiger Sicht betrachtet scheint die traditionelle Küche von Jeju-do ein unpraktischer Raum gewesen zu sein. Aber es war der Ort einer Esskultur, die mit der Natur am engsten verbunden war. Es war zudem ein Raum der familiären Verbundenheit, wo alle Familienmitglieder aus einem Topf aßen,
ein Raum zum Empfangen von Gästen, ein Ort der Wärme. Diese traditionelle Küche der Jeju-Insel, die Küche der Haenyeo-Frauen, musste größtenteils modernen Küchen mit Spüle und Gasherd weichen. Der zivilisatorische Fortschritt hat die alten, mit Erinnerungen gefüllten Küchen von Jeju-do zu Überbleibseln der Vergangenheit werden lassen. Auch die Tage, in der Frau O als junges Mädchen vor dem Herd saß und in die flackernden Flammen schaute, liegen weit, weit zurück. Eine traditionelle Jeongji-Küche ist heutzutage nur noch in Heimatmuseen und Volkskundedörfern zu sehen. Diese „Küche in der Natur“, durch die die sanfte Brise des Bambuswaldes strich und den Schweiß auf der Stirn der das Feuer schürenden Frau kühlte, war ein Ort, der alle Dinge aus der Erde und dem Meer in sich aufnahm. KOREANISCHE KULTUR UND KUNST 29
SPEZIAL 5 Koreanische Küchen: Vom Lehmherd zur virtuellen Realtität
Ein Blick in die
KÜCHE der ZUKUNFT Die Küche der Zukunft wird dank der Verbreitung der Spitzentechnologien maximalen Komfort bieten. Zeit- und Arbeitsaufwand beim Kochen werden erheblich abnehmen. Wir werden noch frischeres Essen zubereiten können, und das mit einem Minimum an Kosten und Energie! Der größte Vorteil wird aber sein, dass die Küche zu einer Zone der Unterhaltung wird, in der die gesamte Familie miteinander kommunizieren und gemeinsam Zeit verbringen kann. Kim Jee-hyun IT-Redakteur
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eit etwa 40 Jahren sehe ich meine Mutter in der Küche zwischen Kühlschrank, Gasherd, Spüle und Esstisch hin und her eilen. Während der ganzen Zeit scheint sich daran nicht viel verändert zu haben. Bei meiner Frau ist es dasselbe: Ein paar Neuheiten wie Spülmaschine und Induktionskochfelder sind hinzugekommen, aber die Zeit, die das Kochen beansprucht, ist fast gleich geblieben. Vielleicht abgesehen davon, dass sich meine Mutter mit der Zeit immer langsamer bewegt und meine Frau immer schneller geworden ist. Wird die Küche von morgen in 10 oder 20 Jahren immer noch so aussehen wie die Küche von heute? Vermutlich nicht. Im Myeongsim bogam, einer Sammlung berühmter Aphorismen und Zitate aus den chinesischen Klassikern, steht: „Wenn du wissen willst, was in der Zukunft kommt, dann blicke zurück auf die Vergangenheit“. Es gibt bereits hinreichend Hinweise hier und da, die Aufschluss über die Küche der Zukunft geben können. 30 KOREANA Herbst 2017
Drei Technologien zur Maximierung des Komforts Die heutige Küchenstruktur wird basierend auf den neuesten Informationstechnologien wie Internet der Dinge (IdD), Künstliche Intelligenz (KI) und Smart Home Platform einen enormen Wandel erfahren. Heutzutage können bereits viele Haushaltsgeräte per Sprachbefehl gesteuert werden. Voraussetzung ist allerdings, dass die betreffenden Elektrogeräte mit dem Internet verbunden sind: Das ist das Internet der Dinge. Während bisher nur bestimmte Elektrogeräte wie Computer, Smartphones und Tablet-PCs vernetzt werden konnten, werden in den nächsten zehn Jahren immer mehr Gegenstände ans Internet angeschlossen werden können. Eine erstaunliche neue Welt, in der neben Haushaltsgeräten wie dem Kühlschrank selbst Fenster und Spiegel mit dem Internet verbunden werden, wartet auf uns. Kern des IdD ist aber nicht die bloße Tatsache des Verbun-
Die Küche der Zukunft wird mit einem smarten Tisch, der die Funktionen von Herd, Arbeitsplatte und Esstisch integriert, ausgestattet sein. © Nefs
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Haushaltsgeräte, darunter Fernseher und Kühlschrank, werden durch Anschluss ans Internet der Dinge eine enorme Datenmenge erzeugen und in Kombination mit Künstlicher Intelligenz verschiedene Arbeiten ausführen. Die Küche der Zukunft ist multifunktional und dient nicht mehr nur Kochen und Essen.
denseins mit dem Internet, sondern dass die vernetzten Gerätschaften Unmengen von Daten produzieren können. So werden z.B. bei einem vernetzten Kühlschrank Informationen wie der monatliche Stromverbrauch oder Art und Zustand der gelagerten Lebensmittel datenmäßig erfasst. Diese Daten werden an die Server der Email- oder Blogdienste oder der Sozialen Netzwerke wie Facebook weitergeleitet, wo sie bei Bedarf abgerufen und genutzt werden können. KI ermöglicht es, dass der Computer bestimmte Stimm- oder Textbefehle wie ein Assistent versteht und ausführt. Solche KI-basierte Funktionen unterscheiden sich gravierend von bisherigen Befehlseingabearten per Tastatur oder Maus: Man braucht nur zu sagen, was man will, und schon werden Informationen oder Funktionen bereitgestellt. Nach dem heutigem Stand der Technik können nur einfache Befehle ausgeführt 32 KOREANA Herbst 2017
werden, doch in Zukunft werden nicht nur Haushaltsgeräte, sondern auch Küchenutensilien per Stimme gesteuert werden können. Ein derartiges System, bei dem fast alle Geräte im Haus mit KI verbunden und betrieben werden, wird als „Smart Home Platform“ bezeichnet. Das alles klingt wie weit entfernte Zukunftsmusik, wird aber schon bald Realität werden, da die wesentlichen Technologien für die Smart Home Platform bereits kommerzialisiert wurden. Ein 3D-Drucker, der Pizza und Käse machen kann, wurde ja bereits entwickelt. Kücheneinrichtungen im Wandel 1926 entwarf die Wiener Architektin Margarete Schütte-Lihotzky die sog. Frankfurter Küche, die als Prototyp der modernen Einbauküche gilt. Seitdem besitzt die Küche ihr heutiges
© LG Electronics
modernes Aussehen mit Spüle, Koch- und Arbeitsplatte, sowie Stau- und Aufbewahrungsraum für Lebensmittelvorräte und Küchenutensilien. Die bestehende Küchenstruktur, die sich fast ein Jahrhundert lang bewährt hat, wird monumentale Veränderungen erfahren. Während in der bisherigen Struktur verschiedene Küchenkomponenten wie Arbeitsplatte, Herd und Küchentisch unabhängige Einheiten waren, werden sie künftig in einem multifunktionalen Tisch integriert. Der so frei gewordene Platz wird vielleicht einmal von neuer Küchen-Hardware wie Roboter oder 3D-Druckern eingenommen. Das von dem schwedischen Einrichtungskonzern IKEA und der amerikanischen Designberatung IDEO entworfene Küchenkonzept für 2025 ist beeindruckend: Der smarte Küchentisch („Table for Living“) mit eingebauten Induktionsspulen, über
dem ein Projektor inklusive Kamera angebracht wird, kann die Lebensmittel auf dem Tisch erkennen. Es wird dann angezeigt, wie die jeweiligen Lebensmittel entsprechend den Rezeptvorschlägen verarbeitet werden können und welche Mengen jeweils gebraucht werden. Man braucht nur den auf dem Tischdisplay angezeigten Informationen zu folgen, um einfach und schnell ein fabelhaftes Gericht zu zaubern. Es ist nicht mehr notwendig, so wie heutzutage noch ständig hin und her zu rennen oder immer wieder einen Blick ins Kochbuch zu werfen. Aber nicht nur der Tisch wird von der Welle der Neuerungen im Küchendesign erfasst werden. Der Kühlschrank, der den meisten Platz in der Küche einnimmt, wird kleiner, dafür werden die Ablagen und Regale in ihren Funktionen erweitert. Denn dank des verbesserten Online-Shopping-Services werden die Lebensmittel zum gewünschten Zeitpunkt per Drohne KOREANISCHE KULTUR UND KUNST 33
Die bestehende Küchenstruktur, die sich fast ein Jahrhundert lang bewährt hat, wird monumentale Veränderungen erfahren. Während in der bisherigen Struktur verschiedene Küchenkomponenten wie Arbeitsplatte, Herd und Esstisch unabhängige Einheiten waren, werden sie künftig in einem multifunktionalen Tisch integriert. Der so frei gewordene Platz wird vielleicht einmal von neuer Küchen-Hardware wie Roboter oder 3D-Druckern eingenommen.
geliefert, wodurch eine langfristige Vorratshaltung im Kühlschrank überflüssig wird. Mit Temperaturregulierungssensoren versehene Regale und Ablagen werden den Kühlschrank zum Teil ersetzen. Oft ist es so, dass ein großer Teil der Lebensmittel in einer versteckten Ecke oder im Gemüsefach des Kühlschranks unbeachtet bleibt und vor sich hin gammelt. Bei Aufbewahrung in einem smarten Regal behält man hingegen stets den Überblick und es entstehen weniger Essensabfälle. Am besten wäre, wenn noch anfallende Bioabfälle sofort im Küchen-Komposter verarbeitet und das Wasser, das beim Kochen und Abwaschen verbraucht wurde, weitestgehend getrennt und recycelt werden könnte. Wenn die Küche mit einem Gemüsegarten, einer sog. „Home Farm“ mit einer integrierten Photovoltaikanlage ausgestattet ist, erübrigt sich der Gemüseeinkauf. Natürlich kann man auch 34 KOREANA Herbst 2017
heute schon auf Balkon oder Terrasse Salat oder Chilischoten ziehen, doch die Home Farm erhöht die Effektivität des Gemüseanbaus. Dadurch wird die Küche auch die Funktion eines Balkons bzw. einer Terrasse übernehmen. Wenn die Küche auf diese Weise eine neue Innenausstattung und eine neue Struktur erhält, wird sich auch das Küchenerlebnis als solches verändern. Ein multifunktionaler Raum mit Spaßfaktor Grundsätzlich ist die Küche ein Ort zum Kochen und Essen. Doch in Zukunft wird das Konzept „Küche“ mit Sicherheit neu definiert. Dank der technologischen Innovationen wird sich die Kochzeit signifikant reduzieren, sodass die Familienmitglieder bei den Mahlzeiten mehr Zeit haben, sich miteinander zu unterhalten. Auch die Gerätschaften für Virtuelle Realität (VR) werden eine
Wenn die Küche dank hypermoderner Technologien zum Mehrzweck-Raum wird, werden die Familienmitglieder dort mehr gemeinsame Mußestunden verbringen können.
große Rolle bei der Veränderung des Küchenkonzeptes spielen. Setzt man z.B. eine VR-Brille auf, erscheint ein virtuelles Display der Küche mit Informationen über die Lebensmittel im Kühlschrank oder Utensilien wie Geschirr in den Schränken. Es wird nicht mehr passieren, dass man zrebrochene Geschirrstücke nicht mehr ersetzen kann, weil man den Markennamen vergessen hat. Über den Betriebszustand von Mikrowelle oder Geschirrspüler gibt das VR-Gerät ebenso jederzeit Auskunft wie über die Kaloriemenge des Essens auf dem Teller. Wird der oben erwähnte smarte Tisch nicht gerade fürs Kochen gebraucht, kann er als Spieltisch für die Kinder oder als PC genutzt werden. Nehmen wir einmal an, beim Essen kommt der Vorschlag für eine Familienreise auf. Sie brauchen dann nur das Tischdisplay anzuschalten und schon können Sie die Online-Suche nach relevanten Informationen an Ort und Stelle erledigen, ohne nach dem Essen an den Computer im Zimmer
zu gehen oder per Smartphone nach Reisezielen zu surfen. In Zukunft kann man mit dem VR-Tisch auch Filme sehen oder Spiele spielen. Traditionell war in Korea die Großfamilie die vorherrschende Familienform, doch im Laufe der Zeit hat sich die Familienstruktur hin zur Kernfamilie gewandelt. Aber heutzutage ist selbst ein Beisammensein im kleinen Familienkreis schon nicht mehr so einfach. Wenn die Küche der Zukunft in einen multifunktionalen Raum mit Spaßfaktor umgewandelt wird, kann die familiäre Verbundenheit vielleicht verstärkt und untereinander mehr kommuniziert werden. Die Küche der Zukunft, die durch die technologische Entwicklung näher kommt, wird nicht länger nur Monopol der Mütter und Frauen sein, sondern ein Raum für alle Familienmitglieder, in dem sie miteinander kommunizieren und Spaß haben werden.
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FOKUS
Die „Himmelsbrücke“ der Stadt Die 1970 fertiggestellte Hochstraße am Seouler Hauptbahnhof, die den Ost-West-Verkehrsfluss um den Bahnhof herumleitete, war einst Symbol des rasanten Wirtschaftswachstums des Landes. Sie wurde zu einem schwebenden Spazierweg cum botanischen Garten namens „Seoullo7171“ mitten im Herzen der Metropole umgestaltet. Zwar genießt sie seit ihrer Eröffnung am 20. Mai 2017 als neue Attraktion große Aufmerksamkeit, aber Kritiker argumentieren nach wie vor, dass dieses öffentliche Projekt zur Wiederbelebung des städtischen Raums ohne hinreichenden gesellschaftlichen Konsens durchgeführt wurde. Han Eun-ju Architektin, CEO von Soft Architecture Lab Fotos Ha Ji-kwon
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n Bergen mit tiefen Tälern und schöner Landschaft gibt es oft Viadukte. Sie wurden z.B. zur Überwindung geographischer Hürden für Wanderer und einen besseren Ausblick auf die Landschaft gebaut. Unter dem Gesichtspunkt, dass sie die Körperbewegungen des Wanderers, die bis dahin den topographischen Gegebenheiten angepasst waren, verändern und eine sich gleichsam über die Natur erhebende Begegnung ermöglichen, sind es überaus wichtige bauliche Konstruktionen.
Doch diese poetisch anmutenden Strukturen existieren nicht nur in den Bergen: Es gibt auch Himmelsbrücken, die sich über urbane Täler zwischen Hochgebäuden erheben und durch die Anbindung zentraler Knotenpunkte den großstädtischen Verkehrsfluss stimulieren. Seoullo7017 ist ein Beispiel dafür: Aus der Hochstraße wurde eine Erholungszone für Fußgänger. Natürlich hatte man auch schon davor bei der Fahrt mit Bus oder PKW die Gelegenheit, einen Blick auf die Seouler Stadtlandschaft aus einer Höhe zu erhaschen, die dem Fußgänger verwehrt war. Doch jetzt kann der Fußgänger gemächlich auf der Seoullo7017 schlendernd sich nach Herzenslust der Stadtszenerie erfreuen und sich im Schatten der in großen Töpfen gepflanzten Bäume ausruhen. Allein die Vorstellung, auf die massiven Bahnschienen des Seouler Bahnhofs hinunterblickend quasi auf Wolken über die Stadt zu promenieren, bereitet große Freude. Genau das ist das Raumkonzept der Seoullo7017. Wechsel im Paradigma des öffentlichen Raums Die alte Hochstraße führte rund 1,15 km von Namdaemun-ro 5-ga nach Malli-dong und verband benachbarte Stadtteile, die von den durch die Stadtmitte laufenden Bahngleisen voneinander abgeschnitten waren. Die Hochstraße, die Hauptbahnhof, Namdaemun-Markt und das Stadtviertel Myeong-dong anband, erleichterte den Verkehrsfluss im Herzen Seouls und fungierte als eine Art Schlagader, die das Zellgewebe der durch die rasante Industrialisierung aus den Nähten platzenden Metropole mit Sauerstoff versorgte. Nach der Millenniumwende begannen mit Blick auf die zunehmende Baufälligkeit Diskussionen über Abriss oder Erneuerung der Hochstraße, die trotz der Proteste von Ladenbesitzern und Anwohnern damit endeten, dass die Seouler Stadtregierung 2014 im Alleingang entschied, die Hochstraße in einen städtischen Erholungsraum umzuwandeln. Das Projekt wurde international ausgeschrieben und mit Lichtgeschwindigkeit umgesetzt. Die Hochstraße war ein Symbol der im Rahmen der raschen Industrialisierung Koreas erfolgten Stadtentwicklung. Ab den 1970er Jahren wuchs das Verkehrsaufkommen in der Seouler Innenstadt durch die Verbreiterung der Mittelschicht und den 38 KOREANA Herbst 2017
damit einhergehenden Anstieg privater PKWs erheblich. Als Gegenmaßnahmen begannen die Verkehrsbehörden, an wichtigen Knotenpunkten Autobahnkreuze einzurichten. Zu der Zeit wurde der Bau einer Hochstraße zur Lösung der Verkehrsprobleme als Bestätigung der Bautechnik auf gesellschaftlicher Ebene und Gradmesser der Industrialisierung betrachtet. Die Vision von zwischen Hochgebäuden verlaufenden Hochstraßen überschnitt sich mit dem Bild der städtischen Entwicklung durch Spitzentechnologie und wurde zum Symbol für die helle Zukunft der Stadt. Allein in Seoul wurden etwa 100 Hochstraßen gebaut. Nach der Millenniumwende änderten sich jedoch Lebensstil und Industrialisierungsparadigma erheblich, was einen Wechsel des Wertesystems in Bezug auf Stadtstruktur und städtischen Raum nach sich zog. Zudem wurden reihenweise Forschungsergebnisse veröffentlicht, die belegten, dass Hochstraßen den Verkehrsfluss nicht so entscheidend wie behauptet beförderten. Doch v.a. die Verslumung der Viertel in Hochstraßennähe rief
Die alte Hochstraße, die jahrzehntelang dem Fahrzeugverkehr gedient hatte, wurde wiedergeboren als neuer öffentlicher Raum der Erholung mitten im Stadtzentrum.
Kritik an der Nützlichkeit der Hochstraßen hervor und verlangte nach neuen Sichtweisen. Hinzu kam die Erkenntnis, dass das schlechte Umfeld der Gebäude in der Umgebung nicht Resultat des Verkehrslärms, sondern der räumlichen Isolierung war. Vom Auto zum Menschen Der Fokus der gesellschaftlichen Aufmerksamkeit verlagerte sich von der Funktionalität der Hochstraße auf den im Schatten liegenden Raum darunter. Der Immobilienboom, der Anfang der Nullerjahre einsetzte, bewirkte Schritte, den unterbewerteten Raum unterhalb der Hochstraßen zu entwickeln, was den Abrissbefürwortern Auftrieb gab. Mit dem Abriss der Ddeokjeon-Hochstraße im Seouler Stadtviertel Dongdaemun-gu 2002 gewannen die Diskussionen über den Abriss weiterer Hochstraßen an Auftrieb, sodass bisher ca. 30% aller Seouler Hochstraßen verschwanden. Das berühmteste Beispiel ist die Cheonggye-Hochstraße, die seit 1971 als Verkehrsader durch die Seouler Stadtmitte führte und 2003 abgebaut wurde. Als Resultat
zog das Gebiet wieder Fußgänger an und erwachte wie nach einer Frischzellenkur zu neuem Leben. So gesehen entspricht die Umwandlung der Hochstraße am Seouler Hauptbahnhof auf makroskopischer Ebene durchaus dem allgemeinen gesellschaftlichen Konsens über den städtischen Raum. Und dass durch den Abriss nicht nur das Problem der räumlichen Isolierung und Rückständigkeit der Anrainerviertel gelöst und ein ausbalancierter städtischer Raum geschaffen wurde, sondern auch bestehende bauliche Strukturen umfunktioniert und genutzt werden, beweist eine neue Dimension der Stadtsanierung. Von Anfang an war zu erwarten, dass der ca. 1 km lange Park, der sich quer über die Gleise der Seouler Endstation der Gyeongbuseon-Bahnlinie erhebt, den Fußgängern das Vergnügen des Flanierens in luftigen Höhen bieten würde. Wie die Stadt Seoul in der Planungsphase erklärte, basiert das Konzept des Projektes auf der New Yorker Highline sowie der Idee, einen veralteten Teil der städtischen Infrastruktur dem Trend der Zeit entsprechend nicht fahrzeug-, sondern
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bürgerfreundlich zu gestalten und entsprechend zu sanieren. Der größte Vorteil der Seoullo7017, die, wie der Name andeutet, 1970 gebaut und durch das Stadterneuerungsprojekt 2017 mit 17 Fußgängerwegen verbunden wurde, liegt in ihrer Funktion als ein Knotenpunkt, der wichtige Touristenattraktionen wie Seouler Hauptbahnhof, Namdaemum-Markt, Myeongdong-Einkaufsmeile und Namsan-Berg verbindet. Die Strecke entlang kann man nicht nur wunderbar shoppen, sondern beim Flanieren auch einen Pamoramablick über die Stadt genießen, der sich unterhalb der Hochstraße nicht bietet. Zudem kann man bei einem Spaziergang entlang der Straße zur Festungsmauer Hanyang-doseong der 600 Jahre alten Geschichte der Stadt Seoul nachspüren. Manche finden die blauen Lichter, die seit der Eröffnung den Spazierweg hell erleuchten, fantastisch, anderen gefallen diverse kleine Anlagen und Einrichtungen für Fußgänger wie Trampoline oder Kioske. Diejenigen, die den Pfad abgelaufen sind, begrüßen die Einrichtung eines Trails mitten in der 40 KOREANA Herbst 2017
Stadt. Und die ca. 24.000 Bäume von 228 Arten, die unter dem Konzept „schwebender botanischer Garten“ gepflanzt wurden, bieten einen schönen Anblick und spenden Schatten. So wie das niederländische Architektenbüro MVRDV, das das Seoullo7017-Projekt durchführte, erklärte, ist zu erwarten, dass Seoullo7017 zu einer der Top-Sehenswürdigkeiten wird, sobald die Bäume feste Wurzeln geschlagen haben und das Astwerk voller geworden ist. Schaffung gesellschaftlichen Konsenses übersprungen Doch nicht wenige Ladenbesitzer des Namdaemun-Marktes sind immer noch der Meinung, dass die Hochstraße für einen reibungslosen Verkehrsfluss notwendig war. Dass es vor der Eröffnung scharfe Kritik in Bezug auf einige Skulpturen und Installationen gab oder im Vorfeld lösbare Probleme wie mangelhafte Serviceeinrichtungen angemerkt wurden, zeigt, dass das Projekt übereilt und ohne ausreichende Berücksichtigung
Von Anfang an war zu erwarten, dass der ca. 1 km lange Park, den Fußgängern das Vergnügen des Flanierens in luftigen Höhen bieten würde. Wie die Stadt Seoul erklärte, basiert das Konzept auf der New Yorker Highline sowie der Idee, einen veralteten Teil der städtischen Infrastruktur dem Trend der Zeit entsprechend nicht fahrzeug-, sondern bürgerfreundlich zu gestalten. 1. Blick auf Seoullo 7017 aus dem Fenster eines Cafés in der Nähe des Seouler Hauptbahnhofs. Das neue Wahrzeichen hat die Stadtlandschaft verändert.
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der Meinung der Stadtbewohner durchgeführt wurde. Worauf es den Bürgern bei diesem Projekt ankam, war nicht die Form der Beton-Blumentöpfe oder die Sorte der darin gepflanzten Bäume. Wenn bei einem öffentlichen Projekt mitten in der Stadt Meinungen, seien sie nun kritisch oder befürwortend, geäußert werden, ist der springende Punkt: War der Prozess zur Schaffung eines gesellschaftlichen Konsenses adäquat? Deshalb sollte geprüft und gegebenenfalls darüber nachgesonnen werden, ob beim Seoullo7017-Projekt kein verwaltungstechnisches Bequemlichkeitsdenken oder politische Hintergedanken mit im Spiel waren, und ob die internationale Ausschreibung nicht dazu genutzt wurde, das Image des Projektes und den PR-Effekt zu erhöhen. Diese Punkte sollten bei künftigen städtebaulichen Maßnahmen unbedingt berücksichtigt werden. Rückblickend lässt sich festhalten, dass Bauprojekte aufgrund ihrer enormen optischen Erfolgswirksamkeit oft im Dienste politischer Agenden standen. Doch mit der Stärkung des gesell-
2. Eine Familie beim Betrachten von Lee Woo-sungs Werk Kiss Kiss , ausgestellt in Hello, Artists!, einer von der Naver Culture Foundation betriebenen Galerie auf Seoullo 7017.
schaftlichen Bewusstseins in Bezug auf den Wert der Individualität kommt paradoxerweise der Rolle der Gemeinnützigkeit eine höhere Bedeutung zu. Denn die unterschiedlichen Forderungen in Bezug auf den privaten Raum werden auf die öffentlichen Räume übertragen. Schließlich liegt der Schlüssel zum Erfolg bei der Planung und Verwirklichung der öffentlichen Räume in einer modernen Stadt darin, welcher gesellschaftliche Konsens wie erzielt wird. Ein städtisches Bauprojekt ist nicht einfach nur ein Erfolg, der optisch Gestalt angenommen hat, sondern ein Brückenschlag über das Tal der verschiedenen Meinungen der Bürger. Der Prozess sollte mit der Reflexion über die mit dem Projekt verfolgten Ziele und die öffentlichen Werte beginnen. In den Monaten seit der Eröffnung am 20. Mai 2017 hat sich Seoullo7017 mit den schon deutlich gewachsenen Bäumen bereits in eine neue Art von Raum umgewandelt. Es bleibt zu hoffen, dass die Zuneigung der Seouler für den Park in luftigen Höhen genauso wächst wie die Bäume Wurzeln schlagen. KOREANISCHE KULTUR UND KUNST 41
INTERVIEW
MIT
„NAESUNG“
die internationale Kunstwelt anvisieren Kim Hyun-jung ist eine für ihre Dreistigkeit und frechen Provokationen berühmte Künstlerin der jungen Generation. Die 28-Jährige träumt davon, als „Arttainerin“ (Art+Entertainerin) das Publikum zu unterhalten und eine Koreawelle der Kunst loszutreten. Chung Jae-suk Kulturredakteurin, Tageszeitung JoongAng Ilbo Fotos Ahn Hong-beom
Feign: Sweet Whispers (feat. Limit Excess) . 2016, Tusche, leichte Farben und Collage auf Maulbeerbaumpapier, 120 x 176 cm.
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Kim Hyun-jung, gekleidet in einen Hanbok, bei der Arbeit in ihrem Atelier in Nonhyeon-dong, Seoul. Wie die Figuren in ihren Gemälden, so kleidet sich auch Kim gerne in die koreanische Nationaltracht.
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uf dem Schild, das an einem kleinen Gebäude an der Straße Nonhyeon-ro im Herzen des Seouler Südviertels Gangnam hängt, steht „KIM HYUN JUNG ART CREATIVE CENTER“. So taufte Kim Hyun-jung ihre zwei Etagen einnehmende „Fabrik“, in dem ein Büro für ihre rund zehn Mitarbeiter und ein Atelier untergebracht sind. Es ist quasi ein Kunst-Startup. Kim hat ihre Bilder, die Frauen in der traditionellen koreanischen Tracht Hanbok in einer modernen Umgebung zeigen, als Marke eintragen lassen. 2015 gewann sie den Preis „Korea Creative Innovation“ in der Kategorie Kunst und das Wirtschaftsmagazin Forbes listete sie 2017 unter die 30 einflussreichsten Künstler unter 30 in Asien (30 Under 30 Asia 2017: The Arts). Sie ist derzeit dermaßen als Rednerin gefragt, dass sie jemanden zum Managen ihrer Vortragstermine und Inhalte einstellen musste. Kim, die zu unserem Interviewtermin in einem eleganten Hanbok kommt, scheint gleichsam einem der Werke aus ihrer Naesung-Serie entsprungen zu sein. Sie erzählt: „Der Hanbok ist mein Markenzeichen geworden. In westlicher Kleidung erkennt mich niemand. Ich habe etwa 30 Hanbok-Sets, deren Bolero und Röcke ich mit Hilfe einer Stylistin 44 KOREANA Herbst 2017
kombiniere. Je öfter ich Hanbok trage, desto stärker werden mir dessen Eleganz und Pracht bewusst.“ Kombination aus Eleganz und Frechheit Im koreanischen Wörterbuch wird „Naesung“ beschrieben als Eigenschaft, „nach außen hin unschuldig zu erscheinen, aber innerlich abgefeimt zu sein“. Das Wort ist „so originär koreanisch“, das eine alle Nuancen umfassende Übersetzung des Begriffs im Englischen fehlt, weshalb die Übersetzung des Titels ihrer Bilderserie („Feign“ Series) einiges Kopfzerbrechen verlangte. An der Eigenart des Menschen, „sich anders zu geben, als man ist“, entdeckte die Künstlerin das Thema ihrer Werke. Die „Naesung-Frauen“ in ihren Bildern sind quasi „personifizierte Brüche“: Da fährt z.B. eine Frau im Hanbok auf dem Moped, um eine McDonald-Bestellung auszuliefern. Eine andere sitzt im Hanbok auf dem Boden – ein Bein unflätig auf den Boden gestützt, das andere untergeschlagen – und verschlingt eine Pizza oder Ramen-Instantnudeln. Ihr durchsichtiger Rock enthüllt die Körperlinien, wobei die gleichsam „knarzende“ Textur des Stoffes mittels Collagetechnik zum Ausdruck gebracht wird. Die Kombination von traditionel-
lem Hanbok mit seinem Oberteil Dangui für adlige Frauen der Joseon-Zeit und modernem Großstadtleben wirkt wie ein unsanfter Zusammenstoß, strahlt gleichzeitig aber auch eine ausgelassene Überschwänglichkeit aus. Da es sich zudem um Darstellungen junger Frauen von mädchenhaften Schönheit handelt, ist die Begeisterung des Publikums keine große Überraschung. „Inspiriert wurde ich vom klassischen und geheimnisvollen Stil des Hanbok“, erklärt Kim. „Ich überlegte, wie es wäre, in feine Hanbok gekleidete Frauen bei trivialen Alltagsaktivitäten darzustellen. In meiner Naesung-Serie wollte ich eine Art befreiendes Abweichen von der Norm zum Ausdruck bringen.“ Diese Strategie scheint erfolgreich zu sein: Zu den Solo-Ausstellungen von Kim, die durch ihre Kunst mit dem Publikum kommunizieren möchte, strömen abertausende Besucher. Die clevere Künstlerin nutzt auch die sozialen Netzwerke: Über 110.000 Fans verfolgen bereits ihre Aktivitäten im Netz. Künstlerin mit BWL-Abschluss Mit sieben hatte Kim ihre ersten Malstunden. Sie sagt: „Da ich mich ja von klein auf nur mit Kunst beschäftigt habe, gibt es nichts, was ich nicht malen könnte.“ Bei ihrem Eintritt in eine auf Kunst spezialisierte Mittelschule war sie später aber doch nicht ganz ohne Bedenken. Als sie später überlegte, die Malerei zu ihrem Beruf zu machen, brachte sie der Satz „Künstler sind Hungerleider“ zum Zögern. Aber in ihr wuchs die Entschlossenheit, dieses Vorurteil zu widerlegen. Wie tragisch wäre es doch, wenn alle Studierenden an Koreas Kunsthochschulen nur eine Zukunft in Armut erwartete? Kim studierte an der Seoul National University Asiatische Malerei und wählte Betriebswirtschaftslehre als zweites Hauptfach. Voller Neugier und Eifer durchforstete sie den Kunstmarkt. Sie benchmarkte berühmte Künstler, die finanziell erfolgreich sind. Um nicht als hungerleidender Künstler zu enden, verfolgt sie ehrgeizige Projekte wie z.B. die Entwicklung einer breiten Produktpalette mit ihren Bildern als Thema und kollaborative Kunstmarketing-Partnerschaften mit verschiedenen Unternehmen, die ein Win-Win für beide Seiten anstreben. „Ich habe ein großes Interesse an der Kommerzialisierung und Popularisierung der Kunst. Diesbezüglich will ich keineswegs reines Künstlertum vortäuschen. Ich denke viel über die Beschränkungen auf dem koreanischen Kunstmarkt und die Hürden für die jungen Künstler nach. Um den Eintritt in die Kunstwelt zu erleichtern, kommuniziere ich beständig mit dem Publikum. Ich habe sogar schon mal als Kunsthändlerin gearbeitet. Meine Kunstmanagement-Philosophie basiert auf einer das Publikum ansprechenden Kunst. Mit Werken, an denen jeder sich erfreuen und Vergnügen finden kann, möchte ich zur Popularisierung der Kunst beitragen.“
„Ich habe ein großes Interesse an der Kommerzialisierung und Popularisierung der Kunst. Diesbezüglich will ich keineswegs reines Künstlertum vortäuschen. Ich denke viel über die Beschränkungen auf dem koreanischen Kunstmarkt und die Hürden für die jungen Künstler nach. Um den Eintritt in die Kunstwelt zu erleichtern, kommuniziere ich beständig mit dem Publikum.“
Genremalerei des 21. Jhs anvisiert Kim unternimmt vielseitige Bemühungen, um das Vorurteil abzubauen, dass die traditionelle koreanische Malerei altbacken und verstaubt sei. Sie besteht zwar auf den traditionellen Mitteln wie Verwendung von Hanji-Maulbeerbaumpapier und Tuschemalerei-Lavurtechniken, scheut sich aber auch nicht vor gewagten Kombinationen mit Elementen der modernen Kunst. Beispielsweise wählte sie die Handlung von westlichen Märchen wie Aschenputtel als Thema für ihre Naesung-Werke oder erweiterte ihre Naesung-Serie um Foto-Arbeiten. Sie zögerte auch nicht, eine moderne Frau in ein Meisterwerk aus dem Joseon-Reich des 18. Jhs zu transplantieren. „Kim Hong-do, der die Genremalerei der Joseon-Zeit zur Vollendung brachte, und Sin Yun-bok, dessen gewagte Genrebilder seiner Zeit voraus waren, haben mich inspiriert“, sagt Kim. „Offenheit und Humor, die sie in ihre Bilder fließen ließen, ihre gewagten Kompositionen und Pinseltechniken, all das sind Anregungen für mich. Mein Traum ist, in ihre Fußstapfen zu treten und die Genremalerei des 21. Jhs zu schaffen.“ KOREANISCHE KULTUR UND KUNST 45
papiers der internationalen Kunstwelt vorstellen und Anerkennung gewinnen. Hier kann man von dem japanischen Künstler Takashi Murakami einiges lernen. Er hat durch Kollaborationen mit westlichen Luxusmarken bewiesen, wie Kunst in kommerzielle Produkte übersetzt werden und so in unseren Alltag Eingang finden kann. Einer meiner Träume ist, Kunst wie Musik in den Alltag einsickern zu lassen, daher möchte ich von seiner Expertise zur natürlichen Harmonisierung von Kunst und Kommerz lernen.“
1 1. Feign: Oops . 2012, Tusche, leichte Farben und Collage auf Maulbeerbaumpapier, 145 x 117 cm. 2. Feign: Where is your rainbow? 2016, Tusche, leichte Farben und Collage auf Maulbeerbaumpapier, 178 x 127 cm.
Zurzeit arbeitet Kim an Bildern von Naesung-Frauen im Waschsalon, in der Sauna und im traditionellen koreanischen Badehaus Jjimjilbang mit seinen Saunen und Wasserbecken – einem Porträt unseres Zeitalters anhand des Lebens von Frauen in der koreanischen Gesellschaft von heute. „Meine jüngsten Arbeiten sind äußerst figurativ. Ich versuche, sogar ein einzelnes Haar mit dünnen Pinselstrichen so realistisch wie möglich darzustellen. Später möchte ich meine Arbeit auf Installationskunst und Bildmedien erweitern. Wenn das Naesung-Konzept taktil erlebbarer ausgedrückt wird, ist die Idee für das Publikum einfacher verständlich als beim reinen Betrachten eines Bildes“, erklärt Kim. Sie nennt den Installationskünstler Suh Do-ho als ihr Vorbild und möchte, was die internationale Kunstbühne angeht, seinem Beispiel folgen. „Für seine Installation Home within Home hat Suh ein traditionelles koreanisches Hanok-Haus maßstabgetreu aus traditionellem koreanischen Kleiderstoff gefertigt, so die originär koreanische Ästhetik neu interpretiert und ein Kunstwerk von globaler Anziehungskraft geschaffen“, so Kim. „Auch ich möchte die Schönheit der koreanischen Tuschemalerei, des Hanbok, und des traditionellen Hanji-Maulbeerbaum46 KOREANA Herbst 2017
Ich, Andere, Konvention Kim ist eine Künstlerin mit enormem Potenzial. Für sie hat nicht die Zahl ihrer Ausstellungen, sondern die Qualität ihrer Exponate Vorrang. Seitdem sich ihre Wirkung als Publikumsmagnet herumgesprochen hat, bekommt sie nicht wenige Ausstellungsangebote, nimmt aber nicht unüberlegt alle an. „Wenn ich mich morgens um neun an ein Bild setze, male ich bis abends um sieben. Wenn ich mich einmal auf einen Punkt konzentriere, male ich ohne einen einzigen Bissen bis abends durch. Und dann schlinge ich heißhungrig alles in mich hinein. Die Naesung-Frau, die vor dem offenen Kühlschrank eine Fressorgie feiert, ist quasi ein Selbstportrait. Um ein Bild fertigzustellen, muss die emotionale Wellenlänge stimmen. In den letzten Jahren habe ich über 300 Werke angefertigt und ich gebe mein Bestes, mit einer frischen Perspektive an die Arbeit zu gehen. Ich glaube, ich könnte mich selbst nicht ertragen, wenn ich selbstzufrieden immer nur dasselbe malen würde“, so Kim. Kim Hyun-jungs Bilder sind von dermaßen kraftvoller Präsenz, dass sie die Inneneinrichtung leicht dominieren können, weshalb sie nicht überall aufgehängt werden können. Das dürfte auch ein Grund sein, warum sie sich nicht so gut verkaufen. Doch Kim beabsichtigt nicht, sie in Richtung hübsch und nett zu verwässern. „Meine Werke sind meine Babys, da kenne ich keine Kompromisse. Darüber hinaus sind die meisten Selbstportraits, ich kann also schlecht leugnen, wer ich bin. Ich freue mich, wenn die Leute sich meine Arbeiten anschauen und über Thema und Titel erheitert lachen. Ich denke, dass sie dann meine Absicht, bestehende Konventionen herauszufordern, verstanden haben.“ Kim träumt von einer Koreawelle der Kunst. Ihr Ehrgeiz ist, das Ihre zu tun, damit der Tag, an dem die koreanische Kunst auf der internationalen Kunstbühne gefeiert und anerkannt wird, schneller naht. „Ich überlege, die Themen ‚Identitiät des Ich‘, ‚Blicke der anderen‘ und ‚gesellschaftliche Konventionen‘ zu bündeln. Doch ich brauche nichts zu überstürzen, ich bin ja noch eine junge Künstlerin, die gerade mal an der Startlinie steht. Ich habe genügend Schneid, meinen Hanbok zu schürzen und fest entschlossen nach vorne zu schreiten. Ich kann alles schaffen, was ich will.“
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VERLIEBT IN KOREA
SHAKESPEARESCHE LEIDENSCHAFT
für koreanische Musik und Tanz Was ist wohl größer: die geographische Distanz zwischen Mansfield, Connecticut, USA und Seoul, oder die kulturelle Distanz zwischen der traditionellen koreanischen Musik Gugak und dem shakespeareschen Theater? Lauren Ash-Morgan schlägt Brücken zwischen diesen beiden so unterschiedlichen Welten. Choi Sung-jin Chefredakteur, Korea Biomedical Review Fotos Ahn Hong-beom
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Lauren Ash-Morgan spielt auf dem Rasen des Seouler Namsan Parks ein Gayageum Sanjo.
s dürfte nur wenige Koreaner geben – und das selbst unter professionellen Darstellern, die die traditionellen narrativen Balladen Chang zur eigenen Begleitung auf einer traditionellen Zither singen können. Ja, es dürfte nur wenige geben, die diese als Gayageum Byeongchang bekannte Musikform überhaupt erlernen wollen würden. Für einen Ausländer gibt es verständlicherweise viele und hohe Barrieren zu überwinden: Sprache, Technik und v.a. Schwierigkeit, die emotionalen Nuancen zu erfassen. Aber Lauren Ash-Morgan hat das scheinbar Unmögliche möglich gemacht. An den meisten Wochenabenden ist sie im National Gugak Center im Seouler Südviertel Seocho-dong anzutreffen, wo sie traditionellen koreanischen Tanz und Gesang sowie Instrumentalmusik lernt und einstudiert. „Am Anfang war alles etwas beschämend für mich, weil es sich um eine völlig neue Form der Bewegung handelte. Zunächst habe ich nicht den typischen Körperbau einer Tänzerin, dann hatte ich nicht die richtige Tanzkleidung, der Unterricht lief nur auf Koreanisch und ich als die einzige Nicht-Koreanerin in der Gruppe stach sowieso schon hervor und hatte meine Zweifel, ob ich das jemals richtig lernen könnte“, erinnert sich Ash-Morgan an ihre ersten Stunden in Washington, D.C. „Aber es ist ein traditioneller Stil und eine Technik, die heutzutage selbst Koreaner lernen müssen und die Erwachsenen in meinen Kursen lernen es genauso wie ich. In mancher Hinsicht habe ich Vorteile verglichen mit den anderen Kursteilnehmern, da ich ein Kunststudium hinter mir habe.“ Ihre koreanischen Lehrer sehen das auch so: „Ms. Lauren versteht ganz gut, was ich sage und befolgt meine Anweisungen genauestens“, so die Lehrerin, die ihr beibringt, Chang zur eigenen Begleitung auf der 12-saitigen Zither Gayageum zu singen. Ihre Tanzlehrerin betont, wie sehr sie sich nicht nur um die Aneignung der einzelnen Techniken bemüht, sondern auch um die tiefere Bedeutung jeder einzelnen Bewegung.
Wie es begann Ash-Morgan hat eine weitaus längere Bühnenkarriere hinter sich, als ihre 34 Jahre vermuten lassen würden. Gebürtig aus Mansfield im US-Bundesstaat Connecticut, steht sie bereits seit ihrem zehnten Lebensjahr, als sie mit Theater-Workshops begann, auf der Bühne. Mit 11 trat sie der Kid’s Company bei, einem Theaterensemble für Jugendliche in ihrer Heimatstadt, und wuchs so mit Theaterauftritten auf. In der Schule entwickelte sie im Rahmen von Musikvorstellungen ein besonderes Interesse für Shakespeare. Sie studierte Musikerziehung mit Schwerpunkt Vokalmusik und machte ihren B.A. in Musik am Ithaca College in New York, wo sie sich für Weltmusik und Musikethnologie zu interessieren begann. Nach dem Abschluss verbrachte sie ein Jahr in Seoul, arbeitete als Musiklehrerin und begann am National Gugak Center traditionelle koreanische Musik mit Schwerpunkt auf der Wölbbrettzither Gayageum und der Eieruhrtrommel Janggu zu studieren. Danach nahm sie unter Dr. Robert Provine, einem Experten für ostasiatische Musik an der University of Maryland, College Park, ihr Aufbaustudium auf, das sie mit einem Magisterabschluss in Musikenthnologie, Schwerpunkt Korea, erfolgreich beendete. Während des Studiums lernte sie zwei Jahre lang traditionellen koreanischen Tanz und Pansori (epischer Sologesang mit Trommelbegleitung) am Washington Korean Performing Arts Center und nahm Unterricht für Gayageum und Janggu. 2010 bekam sie eine Einladung zum Internationalen Gugak-Workshop am National Gugak Center. Seitdem hält sie sich in Korea auf, um Gugak in Verbindung mit koreanischem Tanz zu studieren. 2011 erhielt sie nach erfolgreicher Vorsprechprobe bei der Seoul Shakespeare Company die Hauptrolle in Macbeth. Damals traf sie Michael Downey, ihren Bühnen-Ehemann, mit dem sie mittlerweile verheiratet ist. Seitem ist sie in der englischsprachigen Theaterszene Seouls aktiv, wo sie in vielen bedeutenden Produktionen wichtige Rollen übernimmt. Sie hat sogar die Hauptrolle in dem Independent Film Amiss KOREANISCHE KULTUR UND KUNST 49
gespielt. Seit 2014 ist sie künstlerische Direktorin der Seoul Shakespeare Company, arbeitet aber auch als Produzentin für die Shows der Truppe, während sie nebenher weiterhin auf der Bühne auftritt und Kostüme für die Stücke entwirft. „Künstlerisch bemühe ich mich um ein Gleichgewicht zwischen Gugak und westlichem klassischem Theater und um Wege, wie man Elemente der Gugak-Ausbildung und Ästhetik in die Welt der Theaterpraxis einführen kann, um die Techniken und den Geist der koreanischen Darstellenden Künste einem breiteren Publikum präsentieren zu können“, so Ash-Morgan. Sie glaubt, das Gugak und westliches Theater voneinander profitieren können: „Musik hat eindeutig einen Einfluss aufs Theater, da sie beim Trainieren von Atmung und Anmut der Stimme hilfreich ist. Bewegungen und Emotionen sind als Erweiterung des einen um das andere miteinander verbunden. Durch das Üben eines Pansori-Stücks kann man z.B. eine kräftigere, tiefere und vollere Stimme entwickeln, die ich auch auf der Theaterbühne einsetze, sodass ich mir keine Sorgen um Stimmband-Verletzungen zu machen brauche“, sagt sie aus Erfahrung. „In der traditionellen koreanischen Musik gibt es das Konzept des Han – ein Gefühl von über lange Zeit angestautem, inneren Groll und Trauer, in dessen Ausdruck große Künstler Leidenschaft und Energie fließen lassen, was einen katharsischen Effekt erzielt. Dieses Gefühl der geballten Trauer ist so gut wie universal und in vielen klassischen Tragödien auf der Bühne zu sehen. Aber wir sollten nicht in einer Art passivem Fühlen verweilen, sondern
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quasi kraftvoll dagegen drücken, um die Katharsis mit dem Publikum zu teilen.“ Eine „Drei-Rollen-Spielerin“ Ash-Morgans Woche ist in drei Hauptaktivitäten eingeteilt: Vier Kurse (16 Stunden) an der Kwanwoon University unterrichten, koreanische Musik und Tanz lernen (meistens am Abend) sowie Shakespeare-Aufführungen produzieren und darin mitspielen. Da ihre Arbeit bei der Seoul Shakespeare Company freiweillig ist, verdient sie mit dem Unterrichten von Englischer Konversation und Präsentation ihren Lebensunterhalt. „Der Unterricht an der Uni ist eine finanzielle Stütze für mich und lässt mir Zeit für meine künstlerischen Aktivitäten“, sagt sie. Neben Fleiß, Leidenschaft und Hingabe muss es noch etwas anderes geben, das es Ash-Morgan ermöglicht hat, traditionelle koreanische Musik und Tanz in vergleichsweise kurzer Zeit und augenscheinlich problemloser als erwartet zu lernen. Die heutzutage als traditionell geltenden koreanischen Tänze entwickelten sich unter dem Einfluss herausragender Lehrmeister, von denen jeder einzelne einen originären Stil kultivierte, der über Generationen hinweg über Lehrmeister-Schüler-Linien weitergegeben wurde, manchmal als Familienerbe, aber auch außerhalb der Familie, so Ash-Morgans Erklärungen. „Ich habe vier unterschiedliche Tanzstilrichtungen von vier unterschiedlichen Meisterinnen gelernt, von denen jede ihre distinktiv eigene Note hat. Jedes Mal, wenn ich anfing, von einer neuen Meisterin zu lernen, musste ich erst einmal meinen eigenen, instinktiven Bewegungen zügeln und mich auf die Details, die den Stil der neuen Meisterin kennzeichneten, konzentrieren. Das heißt, nicht nur Technik, sondern auch das ganz individuelle Gefühl, den Charakter oder die Aura der betreffenden Meisterin, die Art, wie sie ihre Persönlichkeit und Gefühle durch den Tanz zum Ausdruck bringt. Es geht dabei nicht nur um das Erlernen einer bestimmten Choreographie. Es geht viel mehr darum, den Charakter meiner Lehrerin, wenn sie tanzt, nachzuahmen, was bedeutet, auch auf das kleinste
1.2Lauren Ash-Morgan ist Schauspielerin bei der Seoul Shakespeare Company und Künstlerische Direktorin des Ensembles. In Viel Lärm um nichts spielte sie 2016 die Beatrice. Regie führte ihr Mann Michael Downey. 2. Eine Szene aus Das Wintermärchen , im April 2017 unter Regie von Michael Downey aufgeführt. Laura Ash-Morgan spielte die Paulina. Links John Michaels in der Rolle des Antigonus und rechts Josh Kroot als Camillo.
erlebt, sodass jetzt alles viel natürlicher als am Anfang ist.“ Als sie noch in den USA lebte, verbrachte sie viel Zeit überall dort, wo sie mit koreanischer Sprache und Kultur in Kontakt kommen konnte. Auch in ihrer M.A.-Abschlussarbeit betonte sie, wie wichtig das Konzept von Kulturräumen für Migranten-Minoritäten ist und welche Bedeutung diese Räume als Treffpunkte haben, in denen die Einwanderer ihre Identität bestätigen können. „In der Seoul Shakespeare Company sehe ich quasi das Spiegelbild dieser Erfahrung. In den USA habe ich mich mit Gugak beschäftigt, in Korea dreht sich ein Großteil meines Lebens um Shakespeare. In Amerika habe ich Pansori aufgeführt, in Korea führe ich Shakespeare auf, in beiden Fällen führe ich also etwas auf, was für das Land, in dem ich lebe, fremd ist, und das manchmal im jeweiligen Ursprungsland als veraltet betrachtet wird.“
2 © Robert Michael Evans
Detail zu achten. Nur dann kann ich dieses Gefühl in mir selbst zu finden versuchen, so wie ich es ja auch mache, wenn ich auf der Theaterbühne oder der Leinwand einen bestimmten Charakter darstelle.“ Ash-Morgan ist dankbar, dass sie die Gelegenheit hatte, sich die notwendigen Grundlagen anzueignen, als sie noch in den USA lebte, umgeben von einer unterstützenden Gruppe von Leuten. Ihrer Meinung nach sind die Bewegungen des traditionellen koreanischen Tanzes ein wesentliches Element nicht nur der einzelnen Tänze als solche, sondern auch des Gesangs und der Instrumentalvorführungen, sodass man den Bewegungsstil einfach als Komponente des „Koreanischseins“ betrachten könnte, als etwas, das den Koreanern im Blut liegt. „Mit der Zeit merken meine Lehrer wohl, dass ich, wenn sie mich nur einfach machen lassen und ich mich in die Gruppe mische, ganz gut alleine lerne. Wenn das neue Kursjahr im National Gugak Center beginnt, kennen mich wenigstens einige der Teilnehmer schon von einem früheren Kurs oder haben mich bei einer der jährlichen Festivalaufführungen
Gugak und Shakespeare Zum Vergleich der Ähnlichkeiten und Unterschiede zwischen Gugak und shakespeareschem Theater sagt Ash-Morgan: „In der koreanischen Gesellschaft gibt es zwar auch eine dynamische und innovative Gugak-Künstlerszene, aber für die meisten Koreaner ist Gugak fremd, schwer verständlich und vielleicht langweilig. Ähnlich verhält es sich mit Shakespeare in den englischsprachigen Ländern. Viele finden das shakespearesche Englisch seltsam, antiquiert und vielleicht langweilig. Aber Shakespeare hat großen Anteil am Formieren der Kultur des englischen Sprachraums, speziell in Großbritannien, wo er zur nationalen Identität gehört.“ Auf ganz ähnliche Weise hat Gugak einen besonderen Stellenwert als Symbol der nationalen Identität Koreas, obwohl es vielen Koreanern fremd ist. Ash-Morgan findet diese Parallelen faszinierend: „Für Uneingeweihte sind Gugak und Shakespeare alt und seltsam, aber in einer gewissen Bevölkerungsgruppe sind sie sehr beliebt und werden begeistert aufgenommen und aufgeführt. Beide besitzen historische und kulturelle Tiefe, lassen aber auch Raum für künstlerische Innovation und vermögen ein modernes Publikum anzusprechen.“ KOREANISCHE KULTUR UND KUNST 51
UNTERWEGS
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GEDICHTE LESEN
IM BLUMENSCHATTEN AM SEEUFER Am südlichen Ende der koreanischen Halbinsel liegt die historische Stadt Jinju mit einer Bevölkerungszahl von rund 350.000 Einwohnern. Durch das Herz der Stadt fließt der Fluss Nam-gang. In der Vergangenheit fanden dort die unheilvollen Schlachten gegen die japanischen Invasoren statt, in der modernen Zeit wurde der Nam-Fluss eingedämmt und der künstliche See Jinyang-ho angelegt. In Jinju fließt die Zeit mit dem Wasser. Gwak Jae-gu Dichter Fotos Ahn Hong-beom KOREANISCHE KULTUR UND KUNST 53
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n einem Fenster mit Blick auf den See sitzend lese ich den ersten Gedichtband einer jungen Dichterin. Poesie, Wasser und Reisen ähneln sich vom Wesen her sehr. Das Wasser fließt still über die Erde und hält dann in seinem Lauf inne, so wie die Poesie durch die Seele des Menschen fließt und dann irgendwo innehält. Das Reisen ist für den Menschen eine Methode, durch die Zeit zu fließen. Wenn der Mensch sich – seine Reise für eine kurze Rast unterbrechend – der Zeit überlässt, wird es ihm leicht und warm ums Herz. Naechon ist ein Dorf am See Jinyang-ho. Es ist ein Glück, dass ich meine Reise hier beginnen kann. Ich sitze in einem Café, schaue aus dem Fenster und schlage die Seiten des Gedichtbandes um. Kannte man in der Bronzezeit Gedichte? In einer Gasse des traditionellen Marktes in der Stadt, in der
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ich wohne, eröffnete ein junges Ehepaar eine Buchhandlung namens „Simda“. Das Wort meint „pflanzen“ wie in „Bäume pflanzen“ oder „Blumen pflanzen“. „Wer kommt schon auf den Markt, um Bücher zu kaufen? Ich hoffe nur, dass Sie nicht hungers sterben!“ Die Marktleute machten sich Sorgen um das Paar, die sich aber als unnötig erwiesen. Denn die Leute begannen, die kleine, gerade mal 10 ㎡ große Buchhandlung zu besuchen. Reisende, die am nahe gelegenen Bahnhof ausstiegen, drängten sich auf der Suche danach durch die engen Marktgassen. Einige kamen, um die ausliegenden Reiseberichte, Gedichtsammlungen und Bilderbücher zu lesen. Es kamen auch Leute von TV-Sendern und Journalisten. Als ich auf meinem Weg nach Jinju in dieser Buchhandlung vorbeischaute, überreichte mir das Paar den Gedichtband Damdam (Seelenruhig). Seele, ruhig wie das fließende Wasser... Es ist die erste Poesie-Anthologie von Chang Sunghui.
Anders als der Titel zu verheißen scheint, spürte ich beim Lesen Turbulenzen und Unglück, das der Autorin in ihrem Leben widerfahren war. An einem einsamen Tag voller Schmerzen Geschmolzen in der Kälte verschwanden alle Formen. Ich bin defekt. Vom langen Laufen durchweichte Füße zusammenpressend, Viereckige Schuhe tragend, Die überaus hohen Absätze klappern lassend, Nach unten, nach unten Strömte meine liebe Kälte. Die langen Namen, die nicht gleich losgelassen werden konnten, Bleiben herb schmeckend an der Zungenspitze hängen.
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2 1. Jenseits des Geländers des Chokseongnu am Ufer des Nam-Flusses, der durch Jinju fließt, ist die Innenstadt zu sehen. Der während der Goryeo-Zeit errichtete Pavillon wurde im Laufe der Jahrhunderte mehrfach wiederaufgebaut und restauriert. Während der japanischen Invasionen von 1592–1598 diente er als Kommando-Hauptquartier zur Verteidigung der Festung Jinju-seong. Der von der Provinz zum Kulturschatz erklärte Pavillon ist heute bei der lokalen Bevölkerung als Rast- und Ruheplatz beliebt. 2. Das Jinju Bronzezeit-Museum zeigt eine Ausstellung von Relikten, die im Gebiet Daepyeong-myeon in Jinju ausgegraben wurden.
Das ist ein Gedicht mit dem Titel Eis. Mir gefiel die Art, wie Eis als Metapher für Tränen verwendet wird. Auch „meine liebe Kälte“ steht für Tränen. Die „viereckigen Schuhe“ fallen ins Auge. Ist das Leben denn nicht wie ein endloses Herumirren in viereckigen Schuhen mit hohen Absätzen? Das Blau des Sees liegt seelenruhig da. Ich fahre auf Landstraße Nr. 1049 am See entlang. Nach etwa zehn Kilometern sehe ich ein Schild mit der Aufschrift „Jinju Bronze Age Museum“. Dieses Museum rekonstruiert die Lebensweise der Menschen aus der Bronzezeit, die sich vor 1.500 Jahren v. Chr. hier im Delta niedergelassen haben und präsentiert Relikte aus dieser Zeit. Wie haben die Menschen vor 3.500 Jahren wohl gelebt? In den Beschreibungen stand, dass in der Gegend etwa 400 Spuren von Wohnhöhlen aus der Bronzezeit entdeckt wurden und es erstaunte mich zu lesen, dass Nahrung, Kleidung und Unterkunft der Menschen damals nicht so sehr anders als heute waren. Sie aßen in Tontöpfen über dem Feuer gekochten Reis und grillten im Fluss gefangene Fische. Es wurden auch verkohlte Pfirsichkerne entdeckt. Ich sah zudem eine Art Hängeboden zum Lagern von Getreide, ein Gewicht fürs Spinnen von Fäden und dunkelrote Tongefäße. Mir kamen Fragen in den Sinn: Wie haben wohl die Leute damals den Fluss ihrer Gedanken ausgedrückt? Wollten sie KOREANISCHE KULTUR UND KUNST 55
vielleicht auch mal Berge und Flüsse überqueren und herumreisen? Ich schaute mir die Oberfläche der Tongefäße genau an und stellte fest, dass keins Dekorationen aufwies. Für die Menschen, die vor 3.500 Jahren hier lebten, gab es noch keine Poesie. Auch dürfte Alleinreisen unmöglich gewesen sein. Der Gedanke, dass der Mensch die Krone aller Schöpfung sei, ist höchstwahrscheinlich eine aus intellektueller Ignoranz geborene Arroganz oder eine narzistische Show der Menschen in Bezug auf die Zivilisation, die sie in der Neuzeit geschaffen haben. Zauberhafte Sprache unglücklicher Zeiten Ich fahre auf der gleichen Straße weiter. Die Seidenakazien, die das Seeufer säumen, stehen in voller Blüte. In Korea werden diese Bäume „Haphwansu“ (freudig vereinigter Baum) genannt. Denn die farnartigen, gestielten Blätter entlang der Zweige öffnen sich tagsüber, falten sich aber bei Sonnenuntergang übereinander. Im Schatten einer Seidenakazie auf einem Hügel, von wo aus ich auf den See blicken kann, lese ich im Gedichtband Damdam weiter.
Gott und Wein, Namen, die für Entgiftung standen.
Ich dachte, dass Poesie in den Herzen von leidenden Menschen wohnt und dass sie die Reise der schmerzenden Seele zum Ausdruck bringt. Da kam mir plötzlich der Gedanke, dass die Menschen der Bronzezeit vor 3.500 Jahren vielleicht deshalb keine Poesie besaßen, weil sie noch keinen Schmerz kannten.
Der Winter ist vorbei, aber mein Atem gefriert noch; ein Körper, das Grab braucht. Ich bin ein Wetter, gleich einem Krieg; wie heiß es werden kann. An jedem Atemzug ein Fragezeichen. Der Wind wehte und der Regen fiel, Und du, der du ohne Regenschirm gingst, Bist wie der Schatten eines gefallenen Baumes. Das Gedicht heißt Gehen ohne Ende. „Du, der du ohne Regenschirm gingst“ ist die Dichterin selbst. In den 1980er Jahren, die dem Schatten eines gestürzten Baumes glichen, war ich
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in meinen Zwanzigern und „das Zeitalter der Poesie“ hielt in Korea Einzug. Selbst unter politscher Unterdrückung und Verfolgung schrieben die Menschen Gedichte. Bauern, Schreiner, Busfahrer, Stahlarbeiter, Lehrer, Bergarbeiter, Krankenschwestern: Sie alle dichteten. Poesie war ein Trost für die Menschen, ein Refugium für ihre Seelen. Gedichtsammlungen, die sich über eine Million Mal verkauften, wurden eine nach der anderen herausgegeben. Und die Menschen liebten diese Zeit. Der jungen Dichterin, die Damdam schrieb, möchte ich sagen: Verzweifeln Sie nicht! Da Ihre liebliche Sprache an Ihrer Seite ist, wird irgendwann der Tag kommen, an dem Sie die Traurigkeit und Schönheit der menschlichen Seele festhalten werden. Das Herz, roter als eine Mohnblume Chokseongnu ist ein Pavillon innerhalb der Festung Jinju-seong. Dieser schöne Pavillon, der oberhalb einer Biegung des Nam-Flusses steht, erinnert die Koreaner an ihre schmerzvolle Geschichte und spendet ihnen zugleich Trost. 1592 fielen die Japaner ins Königreich Joseon (1392-1910) ein. Die kriegerischen Auseinandersetzungen, die sieben Jahre lang
2 1. Besucher des Jinyang Lake Observatory (See-Observatorium) blicken übers Wasser und erfreuen sich an der malerischen Dämmerlicht-Landschaft. 2. Unterhalb der Mauern der Jinju-Festung erstreckt sich eine 600m lange Antiquitätenstraße namens Insa-dong. Die Straße, in der in den 1970er Jahren die ersten Antiquätenläden öffneten, hat sich bis heute kaum verändert.
wüteten, sind als „Imjinwaeran“ bekannt. Als die 20.000 Mann starken japanischen Truppen im zehnten Lunarmonat jenes Jahres die Festung Jinju-seong angriffen, besiegte Kim Si-min (1554-1592), der Magistrat von Jinju, die Angreifer mit nur 3.800 Soldaten. Am Ende des siebentägigen Kampfes hatten die Japaner 300 Kommandeure und 10.000 Soldaten verloren, woran sich die Unerbittlichkeit des Kampfes ablesen lässt. Kim Si-min starb von einer Kugel getroffen mit 39 Jahren auf dem Schlachtfeld. Die zweite Schlacht von Jinju-seong begann im sechsten Lunarmonat des folgenden Jahres. Die Kämpfe fanden im Monsunregen statt und endeten mit dem Fall der Jinju-Festung. Alle Soldaten innerhalb der Festungsmauern starben entweder im Kampf gegen die Japaner oder durch den Sprung in den NamFluss. Die zivilen Festungsbewohner wurden niedergemetzelt. Die Japaner schickten fast 20.000 abgeschlagene Köpfe nach Hause. Es wird gesagt, dass die Leichen der Ertrunkenen die Strömung des Flusses blockierten. Zwar fiel die Festung Jinju-seong, doch die japanische Armee erlitt ebenfalls große Verluste, sodass sie die Honam-Region (Honam: die Provinzen
Jeollanam- und Jeollabuk-do), die Kornkammer von Joseon, nicht besetzen konnte und Japan schließlich seine Eroberungsbestrebungen aufgeben musste. Daher ist diese Schlacht von tiefgreifender Bedeutung. Diese historische Schlacht hinterließ eine von einer Frau erzählende Geschichte, die nach dem Krieg wie eine Blume aufblühte. Diese Frau mit dem Namen „Nongae“ soll eine Gisaeng (professionelle Unterhalterin) gewesen sein, obwohl in einigen Aufzeichnungen auch von einer einfachen Bürgerin gesprochen wird. Ihre soziale Stellung ist jedoch nicht wichtig. Nach der zweiten Belagerung der Festung feierten die japanischen Soldaten ein Siegesbankett, an dem zur Unterhaltung auch Gisaeng teilnahmen. Dabei lockte Nongae den japanischen General Keyamura Rokusuke an den Rand einer Felsklippe, umfing ihn mit ihren Armen und riss ihn bei ihrem Sprung in die Tiefe in den Nam-Fluss mit. In Jinju wird der Felsen, von dem Nongae sprang, „Uiam“ (Felsen der Rechtschaffenheit) genannt und der ihr zu Ehren errichtete Schrein mit Blick auf den Nam-Fluss heißt Uigisa (Schrein der rechtschaffenen Gisaeng). Der Dichter Byeon Yeong-ro besang Nongae wie folgt: KOREANISCHE KULTUR UND KUNST 57
Edler Zorn Ist tiefer als Religion. Feurige Leidenschaft Ist stärker als Liebe. Ah! Auf dem Wasser, Blauer als eine Gartenbohnenblüte, Fließt ein Herz, Röter als eine Mohnblume. Die feinen Bögen der Augenbrauen Schwangen leicht zitternd nach oben, Die Granatapfelkernen-gleichen Lippen Küssten den Tod! Ah! Auf dem Wasser, Blauer als eine Gartenbohnenblüte, Fließt ein Herz, Röter als eine Mohnblume. Das Jinju Namgang Yudeung Festival, ein im Oktober abgehaltenes Laternenfest zu Ehren derer, die im Widerstand gegen die japanischen Invasoren ihr Leben ließen, ist der Stolz der Einwohner von Jinju. In Anerkennung der einzigartigen Hintergrundgeschichte dieses Festivals vergab die International Festivals and Events Association (IFEA) bei ihrer Generalversammlung 2015 den World Festival & Event City Award an die Stadt Jinju.
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Wenn das Festival beginnt, ist der Nam-Fluss mit auf dem Wasser schwebenden Laternen in allen Regenbogenfarben bedeckt. In der Nacht scheinen mehr Himmelslaternen als Sterne den Himmel zu füllen. Die Laternen erinnern an die Belagerung von Jinju, als die in der Festung eingeschlossenen Menschen solche Himmelslaternen verwendeten, um die Außenwelt über ihre Lage zu informieren, und umgekehrt die Leute außerhalb der Festungsmauern Nachrichten von zu Hause schickten. Ein Besuch in Jinju Anfang Oktober belohnt den Reisenden mit einer herrlichen Szenerie und unerwarteten Freuden. Er kann seinen Namen und seine Träume oder Wünsche auf eine Laterne schreiben und sie dann in den Nachthimmel aufsteigen lassen. Vielleicht kann er dann auch die Herzen der Menschen lesen, die vor 425 Jahren in Jinju mit dem Nam-Fluss als letzte Bastion gegen die Invasoren kämpften. Antiquitäten-Straße, die eine Schriftstellerin liebte Ich liebe die alte Straße, die die Festungsmauern von Jinju entlangführt. Sie heißt Insa-dong, genau wie die berühmte Antiquitäten-Straße in der Seouler Innenstadt. Jedes Mal, wenn ich Insa-dong in Jinju besuche, denke ich an die verstorbene Schriftstellerin Park Wan-suh (1931-2011). Sie liebte diese Straße sehr. Insa-dong in Seoul sei überschwemmt von Leuten und die Waren zu teuer, aber hier in
Seoul
Sehenswϋrdigkeiten in Jinju
328km Jinju
Jinju Fortress Walls (Festungsmauern)
Jungang-Markt The Rhee Seund Ja Jinju Museum of Art (Kunstmuseum)
Naechon Lake Village (Dorf am Naechon-See)
Jinju sei es viel ruhiger und die Menschen großzügiger, sagte sie einmal. Kein Wunder, denn die Antiquitätenhändler dort haben alle mindestens ein oder zwei ihrer Romane gelesen, und einer zog einmal ein Buch von ihr heraus und bat um ein Autogramm. Nur der Schriftsteller selbst weiß, was für ein Gefühl es ist, wenn ein Leser sein Werk mit Respekt behandelt. Park Wan-suh liebte vor allem die antiken Holzmöbel aus der Joseon-Zeit: „Die aus Holz gefertigten Stücke aus dem Jo seon-Reich sind quasi nicht kleinzukriegen, selbst wenn sie mit anspruchsvollen westlichen Gemälden oder abstrakten Kunstgegenständen kombiniert werden. Sie verlieren nicht ihre Würde, sondern vermögen einem Stillleben-Arrangement durch ihre ruhige Präsenz eine besondere Note zu verleihen.“ In Gedanken an Parks Worte habe ich mich auch in einigen Antiquitätenläden umgeschaut. Und wurde vom „Geist des Spontankaufs“ ergriffen: Eine glasierte Keramik im Wert von
Während des jeden Oktober stattfindenden Laternenfestivals werden auf dem Nam-Fluss mit farbenprächtigen, auf dem Wasser schwebenden Laternengebilden Schlachtszenen aus den japanischen Invasionen nachgestellt.
rund 255 Euro ist jetzt mein! Wenn Park sie sehen könnte, würde sie sagen: „Oh! Wo haben Sie denn die gefunden? Sie haben ja ein wundervolles Auge für Dinge!“ Wo Poesie beginnt , wohin Poesie gehört Das Rhee Seund-Ja Jinju Museum of Art wurde 2015 eröffnet. Die 1918 in Jinju geborene Künstlerin Rhee Seund-Ja (gest. 2009) machte zusammen mit Kim Whan-ki (1913-1974) und Lee Ung-no (1904-1989) die koreanische Kunst des 20. Jhs international bekannt. Eine große Anzahl ihrer ausgestellten Werke tragen poetische Titel. Gemälde wie Die Textur des Windes, Flüstern der Morgendämmerung oder Meerjungfrau ohne Sorgen rühren ans Herz und wärmen es. Während der japanischen Kolonialzeit (1910-1945) studierte Rhee in Japan und 1951, als der Koreakrieg seinen Höhepunkt erreichte, ging sie zum Studium nach Frankreich. Wie hätte sie auch das Leiden ihres Heimatlandes und der Menschen, die sie zurückließ, vergessen können? Ich dachte, dass Poesie in den Herzen von leidenden Menschen wohnt und dass sie die Reise der schmerzenden Seele zum Ausdruck bringt. Da kam mir plötzlich der Gedanke, dass die Menschen der Bronzezeit vor 3.500 Jahren vielleicht deshalb keine Poesie besaßen, weil sie noch keinen Schmerz kannten. Im Vergleich zu heute waren die Menschen damals friedvoller und warmherziger. Vielleicht hat die Geschichte des Menschen als dichtendes Wesen im Vergleich zu damals einen Rückschritt gemacht. KOREANISCHE KULTUR UND KUNST 59
NEUERSCHEINUNG
Charles La Shure Professor, Abteilung für koreanische Sprache und Literatur, Seoul National University
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Geistiger Frieden: Rat eines buddhistischen Mönchs The Things You Can See Only When You Slow Down
Von: Haemin Sunim, Übersetzung: Chi-Young Kim, Illustrationen: Youngcheol Lee, 288 S., $18.00, New York: Penguin Books, 2017
Wie kann man in einer von so vielen Problemen geplagten Welt heutzutage noch seinen geistigen Frieden bewahren? Haemin Sunim (sunim, auch als seunim transkribiert, ist eine respektvolle Bezeichnung für einen buddhistischen Mönch) widmet sich dem buddhistischen Konzept der Achtsamkeit als Orientierungsleitlinie. Am oberen Rand des Einbandes steht: „How to be calm and mindful in a fast-paced world.“ (Wie man in einer schnelllebigen Welt ruhig und achtsam bleibt.) Achtsamkeit meint nicht nur, dass man sich bewusst ist, was in einem und um einen herum vor sich geht. Es bedeutet, sich darüber klar zu werden, dass „die Grenze zwischen Geist und Welt eigentlich dünn, porös und letztendlich nur illusorisch ist“. Ein wichtiger Aspekt der Achtsamkeit ist die Fähigkeit, Erscheinungen zu betrachten, ohne darauf zu reagieren, und zu verstehen, dass unsere Reaktionen nicht notwendigerweise mit diesen Erscheinungen verbunden sind. Aber The Things You Can See ist keine esoterische, metaphysische Erforschung der buddhistischen Gedankenwelt. Die acht Kapitel behandeln Themen, die zugänglich und ansprechend für alle Leser sind: Ruhe, Achtsamkeit, Leidenschaft, Beziehungen, Liebe, Leben, Zukunft und Spiritualität. Jedes Kapitel ist in zwei Abschnitte geteilt, die mit Kurzessays beginnen und zu Kurzmeditationen überleiten, wobei sie fast eher poetisch als prosahaft gehalten sind. Und während Haemin Sunims Darstellungen eindeutig tiefgründig und fundiert sind, könnten Buch und Autor unkomplizierter nicht sein. Im Kapitel über das Leben beginnt er seine Meditationen z.B. mit Sätzen wie „Das Leben ist wie ein Stück Pizza“ oder „Das Leben ist wie Jazz“. Die Stärke des Textes rührt von Haemins Geist und Haltung. Zweifelsohne spendet er Weisheit, aber nicht von einer hohen und erhabenen Position aus, sondern als ein Bruder, der das, was du gerade durchmachst, hinter sich hat – dazu gehört sogar unerwiderte Liebe. Die Meditationsübungen sind wirksam, da sie Bezug zur Realität haben; die Essays sind wegen der Offenheit des Autors in Bezug auf seine eigenen Erfahrungen bewegend. Die Lektüre mutet wie eine Unterhaltung mit einem engen Freund, an der dich wirklich versteht. Zweifelsohne ist es zum Teil dem Konversationsstil zu verdanken, dass sich das Buch leicht lesen lässt. Tatsächlich könnte man es in einem Zug lesen, aber dann würde man das Wesentliche verfehlen. Die Essays und Meditationen sind reiches Gedankenfutter, aber eine „Jagd durchs Buffet“ lässt wenig Zeit für die notwendige Verdauung. Die einzelnen Kapitel wenden durch die schönen Illustrationen von Youngcheol Lee unterbrochen, die „ähnlich wie die Meditationsanregungen als beruhigende Einlagen zum Verweilen“ gedacht sind. Man könnte sie leicht als reine Dekoration betrachten, aber ein genauer Blick verrät, dass sie genau soviel Aussagekraft besitzen wie das gedruckte Wort. Dargestellt werden größtenteils eine oder zwei menschliche Figuren in natürlicher Umgebung, aber die Proportionen lassen den Leser inne halten und nachdenken. Die Natur ist gewaltig, die Figuren sind winzig. Aber statt überwältigt von der Natur oder in ihr verloren zu sein, scheinen die Figuren die jeweilige Szene zu ergänzen und demonstrieren so den interkonnektiven Charakter aller Dinge. The Things You Can See ist ein Buch für jedermann. Haemin Sunim ist beeinflusst von und beschäftigt sich mit geistigen Traditionen außerhalb des Buddhismus und seine Einsichten ins Funktionieren des menschlichen Geistes gehen über die Kategorien „Religion“ oder „Spiritualität“ hinaus.
Eine Taucherin und Fotografin richtet die Linse auf Jeju-dos Haenyeo Haenyeo: Women Divers of Korea (Haenyeo: die Taucherinnen von Korea)
Text und Fotos: Y. Zin, 192 S., KW 58.000,/$ 84,95, Seoul: Hollym International Corporation, 2017
Haenyeo: Women Divers of Korea bietet einen Blick auf das Leben der legendären Taucherinnen der Insel Jeju-do. Die Frauen tauchen ohne Ausrüstung in Gewässern von 5 bis 20 m Tiefe, um Meeresfrüchte zu ernten. 2016 wurde die Kultur der Haenyeo in die Repräsentative Liste des Immateriellen Kulturerbes der Menschheit aufgenommen. Y. Zin bemüht sich schon einige Jahre darum, die Kultur, Traditionen und Werte der Haenyeo zu würdigen. Der vorliegende Band ist Produkt der von ihr als „Projekt: Glückliche Haenyeo“ bezeichneten Arbeit, in deren Rahmen sie die Haenyo fünf Jahre lang auf ihren Tauchgängen begleitete. Die Haenyeo werden zwar für ihr Können respektiert, aber ihr Leben wird häufig mit Armut und Härte assoziiert. Das mag in der Vergangenheit vielleicht berechtigt gewesen sein, aber Y. Zin möchte zeigen, dass die Haenyeo von heute hauptsächlich aus Liebe zum Meer und ihrer Arbeit tauchen. Wenn jemand ein solches Projekt durchführen kann, dann Y.
Zin. Sie ist eine versierte Gerätetaucherin, die einen Weltrekord im Sidemount-Höhlentauchen aufgestellt hat und oft auf Tauch-Expos und Tagungen spricht. Und sie ist auch eine erfahrene Unterwasser-Fotografin, ja, sie ist sogar die erste Person aus Korea, die für National Geographic Unterwasser-Aufnahmen macht. Ihre Fähigkeiten und v.a. ihre Liebe und ihr Respekt für die Haenyeo sprechen aus den ganzseitigen Farbaufnahmen. Das Durchblättern der Seiten lässt den Betrachter in einen Tag im Leben der Haenyeo eintauchen. Er schließt sich den Frauen an, die sich auf den Tauchgang vorbereiten, folgt ihnen ins Wasser und setzt sich zu ihnen ans Lagerfeuer am Strand, wo sie sich nach dem Tauchgang aufwärmen, bevor sie zur Feldarbeit nach Hause eilen. Das Buch feiert einen altehrwürdigen Lebensstil auf eine Weise, die die Taucherinnen nicht als Objekte der Faszination präsentiert, sondern als wahre Menschen, die die von ihnen geliebten und wertgeschätzten Traditionen fortführen.
Preisgekrönte Phantom Singers geben Debüt-Album heraus Forte die Quattro
Von Forte di Quattro, MP3 Album, $ 9,49, London: Decca Records, 2017
Forte di Quattros gleichnamiges Debüt-Album erscheint gleich in Anschluss an ihren ersten Platz in Phantom Singer, einem koreanischen TV-Gesangswettbewerb zur Gründung eines Chrossover-Männerquartetts. Inspiriert vom Erfolg der klassischen Crossover-Gruppe Il Divo zielten die Produzenten der Show darauf ab, versteckte Talente (sog. „Phantomsänger“) mit unterschiedlichem musikalischen Hintergrund zu präsentieren. Forte di Quattro vereint ein breites Spektrum an musikalischem Talent: Kim Hyunsoo (Tenor) und TJ Son (Bass), beide in klassischer Musik ausgebildet, Musicalschauspieler Ko Hoon-jeong und Theaterschauspieler Lee Byeori. Beim Sologesang ist Ausbildung und
Hintergrund jedes einzelnen Sängers leicht auszumachen, singen sie zusammen, ergibt sich eine nahtlose Harmonie. Fans der TV-Show dürfte es freuen, dass das Debüt-Album der Gruppe hauptsächlich beim Wettbewerb präsentierte Stücke umfasst. Bedenkt man Hintergrund und Charakter des Wettbewerbs, kann es nicht überraschen, dass die Hälfte der Lieder italienisch sind (leider ohne Übersetzung im lyrischen Begleitbüchlein). Von den übrigen Liedern sind fünf koreanisch – darunter für die Gruppe geschriebene Originalsongs –, eins ist ein schwedisches Volkslied und eins Coldplays Riesenhit Viva la Vida. Insgesamt ist es ein starkes Debüt-Album, das auf mehr hoffen lässt. KOREANISCHE KULTUR UND KUNST 61
UNTERHALTUNG
Polit-TV-Shows
MAL LOCKER VOM HOCKER Früher wurden politische Themen meist in Sendungen zu aktuellen Ereignissen und kulturellen Contents wie Nachrichten oder investigativen Dokumentationen behandelt. Aber jetzt gibt es ein neues, an UnterhaltungsTalkshows angelehntes Format, das Expertenkommentare mit Humor kombiniert. Hwang Jin-mee Popkultur-Kritikerin
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ie derzeit auf den Vollprogramm-Kanälen ausgestrahlten Polit-Shows sorgen für Schlagzeilen. Ihre hohen Einschaltquoten dürften zum Teil den jüngsten, publikumswirksamen Ereignissen wie der Amtsenthebung der Präsidentin geschuldet sein, aber eine Rolle spielt auch, dass sich das Format der Sendungen und die Herangehensweise an politische Themen distinktiv von den herkömmlichen Sendungen unterscheiden. Die Gemeinsamkeiten von Polit-Shows lassen sich wie folgt zusammenfassen: Die Zusammensetzung der Diskutanten – Politiker, Politik-Kommentatoren, Rechtsanwälte und andere, auf politische Themen spezialisierte Fachleute – unterscheidet sich nicht von herkömmlichen politischen Sendungen. Neu ist jedoch, dass die Gastgeber keine Nachrichtensprecher oder Leitartikler mehr sind, sondern Entertainer. Die Kombination von Experten-Diskussionsrunde und Entertainment mag eine rein oberflächliche Änderung sein, substantieller ist die Art und Weise, wie die politischen Inhalte diskutiert werden. Nach wie vor werden aktuelle politische Themen behandelt, aber die Diskutanten führen nicht nur hitzige – wiewohl manchmal langweilige – Debatten, sondern würzen sie mit einer Prise Humor. Das ist wohl der größte Unterschied zu den herkömmlichen politischen TV-Diskussionen. Die 100 Minute Debate des öffentlich-rechtlichen Rundfunksenders MBC mit dem Journalisten Sohn Suk-hee – bekannt für seinen unerbittlichen Moderationsstil – wurde von 2002 bis 2009 ausgestrahlt. Hier wurden die Diskussionsregeln strengstens eingehalten, was auch ein Grund für die große Beliebtheit dieser Sendung war. 2008 folgte Ultimate Debate Battle des Kabelsenders tvN, moderiert von Baik Ji-yeon. Diese Sendung 62 KOREANA Herbst 2017
war im Vergleich zu 100 Minute Debate lockerer gehalten, blieb aber noch im Rahmen der konventionellen Programme zu politischen Zeitfragen. Publikumsfreundliche Redeweise Die heutigen Polit-Shows unterscheiden sich alleine schon vom Format von ihren Vorgängern. Die Debatten folgen keinem strengen Reglement mehr, sondern es wird mehr Wert auf einen natürlichen Gesprächsfluss gelegt. Auch in intensiven Debatten bleibt Raum für privates Geplänkel, plötzliche Gedankensprünge mit witzigem Effekt und geistreiche Witze. Die Zuschauer erwarten von den Sendungen auch nicht mehr einfach nur eindeutige Fakten oder Unparteilichkeit. Vielmehr macht es ihnen Spaß, von wortgewandten Diskutanten, deren Ansichten mit den ihrigen übereinstimmen, etwas über aktuelle Fragen zu erfahren. Daher ist der persönliche Stil und die Zusammensetzung der Podiumsdiskutanten äußerst wichtig. Ein Beispiel: Der konservative Anwalt Jun Won-tchack, der bis vor kurzem als Diskutant an der von dem Kabelsender JTBC ausgestrahlten Sendung Ssulzun (Zungengefecht), teilnahm und wegen seiner massiv vertretenen rechten Anschauungen bei jedem Thema von den Progressiven attackiert wurde, vermochte durch seine humorige Art die Gemüter jedes Mal zu besänftigen. Ein anderer Diskutant, der liberal gesinnte ehemalige Politiker Rhyu Si-min, der als Abgeordneter und Minister für Soziales diente, äußerte zwar zu den verschiedenen Themen klar seine Meinung, vermied jedoch in der Regel scharfe Debatten mit Jun, der konträre Anschauungen vertrat. Die beiden schie-
nen eine Art „Zwei-Mann-Komödie“ zu geben, was der Sendung zusätzlichen Reiz verlieh. In einer anderen Show namens Outsiders sind die ehemaligen Abgeordneten Chun Yu-ok und Chung Bong-ju quasi in die Fußstapfen von Jun und Rhyu getreten. Die redegewandten Diskutanten, die wesentlich zur Beliebtheit der politischen Entertainmentshows beitragen, stellen ihr Fachwissen über tagespolitische Themen unabhängig von ihren persönlichen politischen Neigungen zur Schau und verhelfen damit dem Publikum in amüsant-wortgewandter Manier zu einem tieferen Verständnis aktueller Fragen.
gressiven einem Urknall gleichkam, brachte die Gründung verschiedener Vollprogramm-Kabelsender für die Konservativen eine Wende. Da die traditionellen Medien – die Hauptmedien der Konservativen wie die Tageszeitung Chosun Ilbo – ihre Vormachtstellung verloren, sprangen die Konservativen auf den Kabel-TV-Zug auf, um aus der Misere zu kommen. Sie konzentrierten sich jedoch in ihren Sendungen zu politischen Zeitfragen mit dem Blick auf Zuschauer im fortgeschritteneren und höheren Alter zu sehr auf einseitig konservativ vorbelastete Themen und überstrapazierten die Formate alter Talkshows. Dieser Trend verstärkte sich mit der Präsidentschaftswahl 2012.
Entwicklung der Medienlandschaft Die Vollprogramm-Kabelsender haben inmitten der sich wandelnden Medienlandschaft dem Trend der Zeit entsprechend und in heißer Konkurrenz zueinander Polit-Shows gestartet. Gute Aussichten für dieses Format eröffneten sich 2011 vor dem Hintergrund zweier Ereignisse auf dem koreanischen Medienmarkt: Eins war die Einführung von Podcasts, darunter Naneun Ggomsuda, (I Am a Weasel), das andere die Gründung neuer Vollprogramm-Kabelfernsehsender. Naneun Ggomsuda (kurz: Naggomsu) sorgte für einen Boom des alternativen Mediums Podcast, das zu der Zeit erst am Aufkommen war. Durch die Verbreitung des Smartphones konnten die Nutzer die hochgeladenen Podcast-Inhalte jederzeit und überall anhören. Wegen der völlig neuen Art und Weise der Distribution gelten Podcasts nicht als reguläre Sendungen und unterliegen daher auch nicht dem Rundfunk- und Telekommunikationsgesetz. Deshalb konnte im „rechtsfreien Raum“ der Podcast-Sendungen ungehemmt Kritik an den politischen Kreisen geübt werden. Naggomsu löschte den Durst der Öffentlichkeit nach kritischen Inhalten und erfreute sich schnell großer Beliebtheit. Politische Kritik und Anschuldigungen können schnell harten Charakter annehmen, aber die Sendungen – gewürzt mit leichter Satire, munteren Witzen, einer gewissen Schlüpfrigkeit und Verschwörungsandeutungen – brachen mit allen herkömmlichen politischen TV-Formaten. In diesem Sinne schuf Naggomsu den Grundrahmen für die derzeit beliebten Polit-Shows. Naggomsu machte politische Inhalte für die allgemeine Öffentlichkeit zugänglicher, da die Diskutanten politische Fragen in einer Art und Weise diskutierten, wie es Freunde oder Kollegen nach Feierabend bei einem Bier machen. Daher ist die Vorstellung, dass Politik für all jene, deren politisches Bewusstsein durch Podcasts geweckt wurde, unterhaltsam ist, nicht fremd. Diejenigen, die durch Naggomsu die Podcast-Welt betraten, richteten ihre Aufmerksamkeit auf ähnliche Sendungen, sodass der Podcast-Markt dermaßen expandierte, dass einzelne Sendungen Millionen von Downloads erzielten. Während das Aufkommen von Podcasts für die politisch Pro-
„Entertainisierung“ der Politik 2009 erschien Ahn Cheol-soo, der Star der IT-Unternehmer, in der Entertainment-Talkshow eines terrestrischem TV-Senders, was ihn populär machte und in die Politik katapultierte. Ein Unterhaltungsprogramm wurde zu einer Brutstätte, die aus einem Unternehmer einen ernst zu nehmenden Präsidentschaftskandidaten schnitzte. Die politischen Kreise und die TV-Industrie versuchten entsprechend während des Präsidentschaftswahlkampfes 2012 die perfekte Schnittstelle von Politik und Entertainment zu finden. Die gemeinsamen TV-Debatten der Kandidaten waren lange der Höhepunkt des Wahlkampfes, aber 2012 wurden sie auf ein Minimum reduziert, weil Park Geun-hye, die Kandidatin der regierenden konservativen Partei, eine Aversion gegen solche Diskussionsrunden hatte. Daher wurde es für die Kandidaten wichtiger, in Unterhaltungsshows ein freundliches Image zu kultivieren, statt in ernsthaften Debatten ihre Qualitäten als Staatsführer unter Beweis zu stellen. Während der Präsidentschaftswahl 2017 bewies sich die Politik erneut als Bestseller im Bereich Unterhaltung. Es wurden neue Formate eingeführ: Die Sendung SBS’s National Interview unterschied sich z.B. von den traditionellen gemeinsamen Debatten dadurch, dass jeder Präsidentschaftskandidat einzeln eingeladen und von mehreren Diskutanten befragt wurde. Dieses neue Format kam gut an. In anderen Sendungen wie den Talkshows Ssulzun und Gangjeokdeul (Powerful Adversaries) debattierten die Kandidaten mit den Diskutanten, wodurch das alte, einseitige „Kreuzverhör-Format“ abgelöst wurde. Die Entertainisierung der Politik könnte ein unumkehrbarer Trend sein, aber einer mit Nebenwirkungen. Während der Präsidentschaftswahlkampagne führten an Popidol-Fanclubs erinnernde Politiker-Fanclubs die öffentliche Meinung an und verlangten selbst nach der Wahl noch absolute Loyalität. Legitime Kritik und Minderheiten wurden zum Schweigen gebracht. Aber da das politische Interesse des Durchschnittsbürgers so hoch wie noch nie zuvor ist, dürften die Polit-Shows erst einmal auf Sendung bleiben. Deshalb ist eine gesunde Debatte über die Entertainisierung der Politik notwendig. KOREANISCHE KULTUR UND KUNST 63
RUND UM ZUTATEN
Was wäre Kimchi ohne
BAECHU? Der Chinakohl „Baechu“ ist die Hauptzutat von Kimchi, der beliebtesten traditionellen Beilage auf dem koreanischen Esstisch. Diese knackige Kohlart mit ihren gelbgrünen Blättern und breiten, weiß gekrausten Blattrippen ist seit dem erstmaligen Anbau in Korea im 17. Jh. als wichtiger Nährstofflieferant ein Muss in der koreanischen Küche. Obwohl Baechu im Vergleich zu anderen Gemüsesorten der Kreuzblütler-Familie (Brassicaceae) etwas unterbewertet wird, ist dieser Kohl nährstoffreicher und von höherem medizinischen Wert als allgemein angenommen. Park Tae-kyun Professor für Lebensmitteltechnik, Korea University 64 KOREANA Herbst 2017
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as Gedicht Herz des Baechu von Ra Hee-duk, das in einem Mittelschulbuch steht, rührt mit seinen Zeilen voller Hoffnung auf eine gute Ernte ans Herz des Lesers. Im Sommer bei jedem Gang Entlang der Feldraine gedacht: Ich werde mich an euch erfreuen. Ich werde mich über euer gutes Wachsen freuen. Im Spätherbst beim Zusammenbinden sehe ich: Ihr seid prall-voll gewachsen. So wie die Dichterin den Kohl in ihrer lyrischen Phantasie personifiziert, so vertraut und wichtig ist diese Kohlsorte namens „Baechu“ für die Koreaner. Blattgemüse der Brassicaceae-Familie Baechu ist neben dem Winterrettich „Mu“ und der roten Chili „Gochu“ eine der drei Gemüsearten, von denen die Koreaner am meisten verzehren. Diese Kohlart gehört zur Brassicaceae-Familie, die u.a. Rettich, Weißkohl, Brokkoli, Blumenkohl und Grünkohl umfasst. Während Weißkohl und Brokkoli, die oft auf dem westlichen Esstisch serviert werden, sich schon längst einen Namen als Wellness-Lebensmittel gemacht haben, sind Ernährungs- und Gesundheitswert von Baechu und Rettich noch nicht voll anerkannt, weil ihre Wirksamkeit noch nicht hinreichend erforscht ist. Baechu kommt zwar ursprünglich aus China, aber es gibt auch eine lokale Kulturvarietät namens Koreakohl. Baechu lässt sich je nach Form, also je nachdem, wie die Blätter zusammengehalten werden, in drei Arten unterteilen: Bei Gyeolgu-Baechu liegen die Blattrippen und Blätter des harten, zylindrischen Kopfes so fest aneinander, dass er einer Kanonenkugel gleicht. Bei der halbharten Variante Bangyeolgu-Baechu liegen nur die Blattrippen eng aneinander, der Blätterteil ist lose, und bei Bulgyeolgu-Baechu ist der ganze Kopf ähnlich wie bei Kopfsalat lose. Von diesen drei Sorten werden hauptsächlich die ersten beiden für den Verzehr angebaut, weil sie nicht nur schnell wachsen und ertragreich, sondern auch einfach aufzubewahren und handzuhaben sind. Die wenigsten dürften wissen, dass der Koreakohl noch einmal in Seoul-Baechu und Gaeseong-Baechu unterteilt wird. Seoul-Baechu ist kleiner und hat hellere Blätter, während Gaeseong-Baechu größer ist und dunklere Blätter aufweist.
Schmackhaft und nährstoffreich Baechu ist sehr kalorienarm und viel gesünder als allgemein bekannt. Roher Baechu hat nur 12 kcal pro 100 Gramm und damit nur halb so viel wie Weißkohl und Rotkohl. Selbst gekocht oder in Salz eingelegt stellt er mit nur 14 kcal keine Belastung für den Körper dar. Sein Natrium-Gehalt beträgt 11 mg und liegt damit niedriger als der von Weißkohl (18 mg). Was Vitamin A, das das Immunsystem stärkt, anbelangt, schneidet Baechu mit 263 IE (Internationale Einheit) deutlich besser als Weißkohl mit nur 98 IE ab. Baechu ist zudem reich an Ballaststoffen, die Verstopfung und Fettleibigkeit vorbeugen. Im Vergleich zu anderen Gemüsearten ist Baechu weicher und damit leichter verdaulich und verliert beim Erhitzen an Volumen. Da er beim Verdauen selten fermentiert, kommt es zudem kaum zu unangenehmen Gasbildungen. Nicht zu vergessen bei den Diskussionen über die Wirksamkeit von Baechu ist seine nachgewiesene antikarzinogene Wirkung. Ein medizinisches Forschungsteam der Harvard University führte eine Studie über die Ernährungsgewohnheiten von 47.000 Probanden durch, die für eine Folgestudie zwischen 1986 und 1996 registriert wurden. Das Ergebnis: Je höher der Baechu-Konsum, desto geringer das Risiko, an Blasenkrebs zu erkranken. Verschiedene weitere Forschungsergebnisse bestätigen die antikarzinogene Wirkung von Baechu, so z.B. eine vom Korea Food Research Institute durchgeführte Untersuchung. Sie zeigt, dass Leberkrebstumore bei Labormäusen, die mit Baechu und Rettich gefüttert wurden, im Vergleich zu mit anderen Gemüsesorten gefütterten Mäusen um die Häfte schrumpften. Traditioneller Winter vorrat Wie die koreanische Redewendung „Herbst-Baechu wird hinter verschlossener Tür gegessen“ andeutet, ist der Geschmack von im Spätherbst geerntetem Baechu am besten. Mit ca. 95,6% Wassergehalt ist er leicht zu verdauen und passt zudem gut zu Fleisch. Anders als die erfahrenen Meisterhausfrauen vor ein, zwei Generationen, wissen die jungen Leute von heute, die Kimchi lieber kaufen als selbst einlegen, nicht mehr, woran man einen guten Baechu-Kopf erkennen kann: Ein hochwertiges Exemplar ist schwer und fest mit dicht an dicht liegenden Blättern. Die Blattrippen müssen quasi aneinander kleben und die Blätter sollten dünn und zart sein. Sind die Außenblätter dunkel gefleckt, dürften das auch die inneren Blätter sein, was auf schlechte Qualität hinweist. KOREANISCHE KULTUR UND KUNST 65
In der Vergangenheit, als frischer Baechu nicht das ganze Jahr über zu haben war, wurde er im Herbst geerntet, wenn es Zeit für Kimjang (Einlegen des Kimchi-Wintervorrats) war. Baechu, nach dem ersten Frost im Spätherbst geerntet, ist nämlich am schmackhaftesten. Danach stehen die Blätter mit sinkenden Temperaturen zwar noch etwas fester beieinander, aber der Geschmack lässt nach. Die Koreaner bereiten mit Baechu Suppe zu oder essen die rohen, gewürzten Blätter. In einigen Regionen wie den beiden Gyeongsang-Provinzen im Südosten des Landes werden die Blätter im Herbst und Winter im dünnen Teigmantel zu Pfannküchlein ausgebacken. Aber hauptsächlich wird aus Baechu Kimchi gemacht. Kimchi ist schon seit alter Zeit ein Grundnahrungsmittel für die Koreaner. Da es früher im Winter kaum frisches Gemüse gab, war Kimchi fast der einzige Lieferant für wichtige Nährstoffe wie Vitamin C. Das war besonders wichtig für die ärmere Bevölkerung, der es an anderen Nahrungsmitteln mangelte. Weil Kimchi als Beilage für die Koreaner einen dermaßen hohen Stellenwert besaß, entwickelte sich Kimjang als besonderer Brauch. Traditionell wurde
um Ipdong (Winterbeginn nach Lunarkalender) ein großer Kimchi-Vorrat angelegt. Das ist im Alleingang aber hart und beschwerlich, weshalb sich die Nachbarsfrauen im Dorf zusammentaten. Und da Baechu eine entscheidende Rolle für den Kimchi-Geschmack spielt, war es eine wichtige Aufgabe der Hausfrauen, qualitativ hochwertigen Baechu für die Kimjang-Saison zu besorgen. Die Proportionen der gemischten Kimchi-Zutaten variieren je nach Region und Familie stark, was zu einer entsprechend großen Geschmacksvielfalt führt. Kimjang-Kimchi, der mit gesalzenen Minigarnelen, rohen Austern oder Rohfisch eingelegt wird und langsam fermentiert, ist nährstoffreicher als normaler Kimchi. Es ist bekannt, dass man im 17. Jh. begann, auf der koreanischen Halbinsel Baechu der heutzutage verbreiteten Sorte anzubauen. Es wird vermutet, dass man kurz danach mit dem Einlegen von Kimchi begann, aber die scharfen Kimchisorten sollen erst im 18. Jh. nach der Einführung von rotem Chilipulver in Korea aufgekommen sein. Davor wurde der Kohl wohl nur durch Einsalzen haltbar gemacht. Im 18. Jh., als Baechu-Kimchi, der mit der heutzuta-
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Mit dem zunehmenden Konsum von Reis als Grundnahrungsmittel gewann auch Baechu-Kimchi als gut dazu passende Beilage an Beliebtheit. Diese wunderbare Kombination wird auch heute noch geschätzt. Da Kimchi als Beilage ursprünglich zu dem Zweck entwickelt wurde, dem sonst faden Reis Geschmack zu verleihen, könnte der abnehmende Reiskonsum entsprechende Folgen für den Kimchikonsum haben.
ge beliebten Beilage vergleichbar ist, aufkam, boomte die Wirtschaft des Joseon-Königreiches (1392-1910). Mit dem zunehmenden Konsum von Reis als Grundnahrungsmittel gewann auch Baechu-Kimchi als gut dazu passende Beilage an Beliebtheit. Diese wunderbare Kombination wird auch heute noch geschätzt. Nach der Studie eines Forschungsteams der Abteilung für Lebensmittel- und Ernährungswissenschaft der Dankook University, die 2016 im Journal of Nutrition and Health veröffentlicht wurde, belegen Reis und Kimchi Platz 1 bzw. 2 der Rangliste der von den Koreanern pro Tag häufiger als drei Mal gegessenen Nahrungsmittel. Aber durch die Verwestlichung der koreanischen Ernährungsgewohnheiten steigt der Fleischkonsum, während der Reiskonsum beständig abnimmt. Da Kimchi als Beilage ursprünglich zu dem Zweck entwickelt wurde, dem sonst faden Reis Geschmack zu verleihen, könnte der abnehmende Reiskonsum entsprechende Folgen für den Kimchikonsum haben. Weißkohl: Lieblingskohl der Westler Was dem Koreaner der Baechu ist, das ist dem Westler der Weißkohl. Weißkohl, auch als „Arzt der Armen“ bekannt, ist billig und gehört zusammen mit Oliven und Joghurt zu den drei Top-Nahrungsmitteln zur Beförderung der Langlebigkeit. Bekannterweise aß der griechische Philosoph Diogenes gern Weiß-
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1. Baechu kann für Suppen gebraucht werden oder für Ssam: verschiedene Zutaten, die in ein leicht eingesalzenes Baechu-Blatt gewickelt werden. Bossam – dünne Scheiben gekochten Schweinefleisches, und frische Austern gewickelt in weiche Baechu-Blätter – ist ein beliebtes koreanisches Gericht. 2. Gut gereifter Kimchi wird in mundgerechte Stücke geschnitten und zum Servieren ansprechend arrangiert. Baechu-Kimchi ist eine unverzichtbare Beilage zu Reis, dem Grundnahrungsmittel der Koreaner.
kohl. Und es heißt, dass Diogenes, der Alexander den Großen gebeten haben soll, „ihm ein wenig aus der Sonne zu gehen“, trotz der unhygienischen Zustände der Zeit dank des regelmäßigen Genusses von Weißkohl das damals hohe Alter von 90 erreichte. Weißkohl gehört ebenso wie Baechu zu einer Nahrungsmittelgruppe, die kalorienarm, aber reich an Kalzium, Kalium und Vitamin C ist. Mit nur 24 kcal pro 100 Gramm ist Weißkohl beliebt bei allen, die gerade eine Diät machen. Interessant ist, dass Weißkohl in Medizinerkreisen wegen seines Gehalts an Vitamin U hoch geschätzt wird. Ein Forschungsteam der Stanford University stellte bereits 1949 fest, dass Weißkohlsaft dank seines Vitamin-U-Gehalts bei der Behandlung von Magengeschwüren wirksam ist. Schon nach einer Woche Weißkohlsaft-Einnahme geht das Geschwür zurück. Es hat sich erwiesen, dass Vitamin U ein Glutamin ist, also eine Aminosäurenart. Glutamine, die wichtige Bestandteile synthetischer Gewürze sind, befördern die Regeneration der Magenzellen. Seit kurzem nimmt man an, dass Weißkohl nicht nur antikarzinogene Wirkung besitzt, sondern durch Stärkung der Knochen auch Brüchen vorbeugt. Baechu wurde zwar noch nicht im gleichen Maße wie Weißkohl erforscht, aber es ist anzunehmen, dass sich beide Kohlarten in Bezug auf Nährwert und medizinische Heilwirkung ähneln. KOREANISCHE KULTUR UND KUNST 67
REISEN IN DIE KOREANISCHE LITERATUR
REZENSION
Kurze Liebe, Lange Geschichte Die Erzählung mit dem originären Titel Mi im April, Sol im Juli ist die Geschichte einer Tante des Erzählers, deren koreanischer Name Cha Jeong-sin und deren amerikanischer Name Pamela lautet. Hinter diesen beiden Namen verbergen sich so manche Geschichten. Zwischen ihnen verbergen sich Zeiten, in denen sich Glück und Unglück, Wunden und Trost überschneiden. Choi Jae-bong Reporter, The Hankyoreh
K © Lee Cheon-hui
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im Yeon-su ist ein intellektueller Autor. Das mag wie eine Tautologie klingen, da Autoren ja Menschen sind, die vom Schreiben leben und es daher unter ihnen wohl kaum einen geben dürfte, der nicht intellektuell wäre. Daher sollte das Attribut „intellektuell“ in Bezug auf Kim so verstanden werden, dass seine Belesenheit und sein tiefgründiges Denken in seinem Werk zum Vorschein kommen. Das Debütwerk von Kim Yeon-su ist der Roman Auf eine Maske zeigend laufen aus dem Jahr 1994. Dieser Roman, der von der Literaturzeitschrift Jakga Segye (Writer’s World) mit einem Preis ausgezeichnet wurde, steht stark unter dem Einfluss der Postmoderne, die in den 1980/90er Jahren in der koreanischen Gesellschaft und v.a. in den koreanischen Kulturkreisen vorherrschte. Der Roman ist von einem experimentellem und herausforderndem Geist geprägt, weist aber auch noch die Unreife eines jungen Mannes in seinen frühen Zwanzigern auf. Nach seinem Debüt distanzierte sich Kim von seinen anfänglichen radikalen Experimenten und entwickelte seine eigene Form und seinen eigenen Stil, wobei er jedoch seine postmoderne Weltanschauung nicht ganz abzustreifen vermochte. Er erkundete die Grenzen zwischen Wahrem und Falschem, zwi-
schen Faktischem und Fiktivem, zwischen Wirklichkeit und Text, und beschäftigte sich mit der Erforschung der epischen Gattungen Erzählung und Roman und seiner Skepsis gegenüber diesen Gattungen. Das ist z.B. festzustellen an seinem Erzählband mit dem suggestiven Titel Ich bin ein Ghostwriter, oder an dem Roman Goodbye, Yi Sang, der anhand eines nicht existierenden Werks des Schriftstellers Yi Sang (1910-1937) die Unterscheidung zwischen Wahrem und Falschem sowie die wechselseitige Beziehung zwischen Werk und Leben des Schaffenden thematisiert. Ein weiteres Merkmal von Kim ist seine „Internationalität“. Auch für einen Schriftstseller reist er sehr oft ins Ausland, ist in Popmusik bewandert und übersetzte auch schon Mal international bekannte Autoren wie z.B. Raymond Carver. Wie Haruki Murakami, der mehrere Erzählungen von Carver übersetzt hat, läuft Kim auch öfters Marathon, wobei aber wohl kaum anzunehmen ist, dass Kim solche Gemeinsamkeiten bewusst angestrebt hätte. Auch in der Erzählung Mi im April, Sol im Juli kommen ausländische Orts- und Personennamen vor. Es wäre jedoch naiv, das als Beweis für Kims Internationalität deuten zu wollen, da es seit dem Beginn des neuen Millenniums gang und gäbe ist, dass in koreanischen Erzählungen ausländische Charaktere und Orte erscheinen. Wie dem auch sein mag: In dieser Erzählung emigriert Cha Jeong-sin, die Tante des ICH-Erzählers, in die USA, wo sie unter dem Vornamen Pamela einen Amerikaner namens Paul heiratet, mit dem sie in Sebastian, einem Küstenstädtchen in Florida, lebt. ICH fliegt nach New York, um seine Freundin zu sehen, nutzt dann aber die Gelegenheit für einen Besuch seiner Tante in Sebastian. ICH sagt: „Tatsache ist [...], dass all die Dinge, die Tante Pam uns an diesem und am darauffolgenden Abend erzählte, einen großen Einfluss auf unseren Entschluss zu heiraten hatten.“ Die Protagonistin dieser Erzählung ist also Tante Pamela und ICH ist lediglich eine Art Bote, der von Tante Pams Erzählungen beinflusst ihre Geschichte dem Leser übermittelt. „Wenn also das Gesicht, das ein Mensch im Moment des Todes als letztes sieht, nicht das Gesicht eines lebenslang geliebten Menschen ist, dann kann man nur sagen, dass sein Leben, wie immer er es auch gelebt haben mag, unglücklich gewesen ist. Daher solltet ihr unbedingt heiraten und Kinder bekommen. Das ist alles, was ich sagen möchte.“ Das ist die Essenz von Tante Pams Geschichten, eine kraftvolle Essenz, da sie von authentischen, bitteren Erfahrungen herrührt. Die Erzählung besteht aus den Erlebnissen und Erfahrungen der Tante und den daran anschließenden Geschichten, die die mittlerweile alte Tante zu diesem Schluss über das Leben haben kommen lassen. Die Tante, die in ihren jungen Jahren eine sehr schöne Schauspielerin war, brannte mit einem verheirateten Mann, dem
Regisseur des Films, in dem sie mitgespielt hatte, durch. Sie flohen nach Seogwipo auf der Insel Jeju-do, wo sie in einem Haus mit Blechdach und Blick aufs Meer lebten. Die Beziehung ging aber nach drei Monaten zu Ende, als die Ehefrau des Regisseurs mit dem gemeinsamen Kind erschien. Die Tante beschreibt das Geräusch des aufs Blechdach prasselnden Regens folgendermaßen: „Im April, als wir einzogen, lag es etwa bei Mi, dann kletterte es immer weiter die Tonskala hoch, bis es im Juli etwa Sol erreichte! Und sie erinnert sich: „Während dieser drei Monate lag ich Abend für Abend in den Armen des Regisseurs und lauschte dem Regen.“ Nachdem sie den geliebten Mann zu seiner Ehefrau zurückgeschickt und unter dem Druck ihrer Familie das gemeinsame Kind hat abtreiben lassen, geht sie allein in die USA, wo sie als „Pamela Cha“ ein neues Leben beginnt. Sie trifft Paul, den sie liebt und heiratet, aber ihre Liebe zu ihm ist wohl nicht groß genug, um ihre Liebe zu Regisseur Jeong ganz zu verdrängen. Der Leser bleibt im Unklaren darüber, ob der Grund dafür der Unterschied zwischen der ersten und der zweiten Liebe ist oder der Unterschied zwischen erfüllter und gescheiterter Liebe, oder ob beides zutrifft. Denn in jedem Menschen gibt es tief im Inneren eine Art Abgrund, den ein anderer Mensch nicht einmal genau erfassen kann, ganz zu schweigen von einem Hineindringen in diesen unergründlichen Bereich. Es ist ein herzergreifender Moment, als der an Krebs sterbende Paul den Wunsch äußert, vor seinem Tod einmal Seogwipo zu besuchen, den Ort, den die Tante nicht vergessen kann, weil sie dort quasi die Flitterwochen ihrer ersten Liebe verbrachte. Paul will Seogwipo am südlichen Ende Koreas auf der anderern Seite des Globus unbedingt einmal sehen, weil er denkt, dass er die topographischen Gegebenheiten und den Gesamteindruck dieser Stadt erkunden muss, um dort wiedergeboren zu werden. Dieser Wunsch beruht zwar auf einem falschen Verständnis der östlichen Reinkarnationslehre, aber auf jeden Fall hofft er, seine Frau nach seinem Tod dort wiederzusehen. Tante Pamela kehrt nach Pauls Tod für immer nach Seogwipo zurück, wo sie eines Tages Besuch von Regisseur Jeong Ji-un, dem Sohn ihrer großen Liebe, bekommt. Ihr Traum ist es, im Angesicht des Todes noch einmal das Gesicht des Menschen, den sie ihr ganzes Leben lang geliebt hat, zu sehen. Sie kann insofern als unglücklich gelten, als sie bereits in jungen Jahren Abschied von Regisseur Jeong Gil-seong nehmen musste. Aber am Ende scheint die Überzeugung, jemanden geliebt zu haben, der ihrer Liebe würdig war – eine Überzeugung, die durch das Treffen mit dem Sohn des geliebten Mannes, der dem Vater in vieler Hinsicht ähnelt, bestätigt wird –, ein großer Trost für sie zu sein. So vergeht die Liebe, die einst geliebten Menschen sind nicht mehr da, aber ihre Geschichten enden nicht, sondern setzen sich fort. Geschichten haben ein langes Leben. KOREANISCHE KULTUR UND KUNST 69
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