W I NT ER 2013
Koreanische Kultur und Kunst Spezial W I N TER 2013
Jahrgang 8, Nr. 4
Rund um den Reisschnaps Soju Soju und die koreanische Seele; Soju: Alkoholisches Getr채nk der Nation; Erinnerungen stehlen und Erinnerungen schaffen
Rund um den Reisschnaps Soju Die Trinkkultur der Koreaner
www.koreana.or.kr
Jahrgang 8, Nr. 4
ISSN 1975-0617
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Koreanische Kultur und Kunst Winter 2013
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IMPRESSUM Herausgeber The Korea Foundation 2558 Nambusunhwan-ro, Seocho-gu, Seoul 137-863, Korea
Vom Boot aus die Aprikosenblüte betrachten von Kim Hong-do (1745-ca. 1806) aus der Joseon-Zeit; Tinte und Pastellfarben auf Papier, 164 x 76 cm, spätes 18. bis frühes 19. Jhdt.
Von der Redaktion
Soju, Andong und Abstinenz
An einem Hochsommertag im Jahre 1992 war vor dem Cho Ok-hwa
beth II vorbereitete, als diese Korea im April 1999 besuchte.
Hanok-Haus in Andong, Provinz Gyeongsangbuk-do, eine lange Men-
Andong, eine kleine, für ihren Respekt der konfuzianistischen Traditionen
schenschlange zu sehen. In der schwülen Sommerhitze warteten die
berühmte Stadt, wurde mit den Techniken des Alkoholbrennens vertraut,
Leute auf die Gelegenheit, Soju frisch aus Chos legendärem traditionel-
als die im 13. Jhdt auf die koreanische Halbinsel eingefallenen mongoli-
lem Keramik-Destillator zu kaufen.
schen Truppen dort einen Militärstützpunkt einrichteten. Die Mongolen
Als ich im Oktober 2013, Cho noch einmal zusammen mit dem Spezial-
wiederum sollen im Nahen Osten mit der Kunst des Brennens von hoch-
Team von Koreana aufsuchte, stellte ich fest, dass aus ihrer kleinen Pri-
prozentigem Alkohol in Kontakt gekommen sein.
vatbrennerei ein blühendes, von Sohn und Schwiegertochter geführtes
Es ist eine interessante Ironie, dass die arabische Version der vorliegen-
Geschäft geworden war. Cho, heute Anfang 90, ist zwar mittlerweile recht
den Koreana -Ausgabe die Spezial -Beiträge rund um den Reisschnaps
schwach geworden, aber sie umgibt immer noch die Aura einer Schnaps-
Soju nicht bringen kann, da die Inhalte schlecht mit dem islamischen
brenner-Matriarchin, die sich schon seit jeher für die feministischen und
Gebot der Alkohol-Abstinenz zu vereinbaren sind. Da jedoch der Genuss
sozialen Belange ihrer Heimatstadt eingesetzt hat.
geistiger Getränke ein integraler Bestandteil der koreanischen Kultur ist,
Als von der Regierung designierte Trägerin des Immateriellen Kulturguts
steht dieses Spezial-Thema völlig in Einklang mit dem Auftrag Koreanas,
der Herstellung von traditionellem Andong-Soju hat Cho Ok-hwa nach
Aspekte der koreanischen Kultur und Kunst vorzustellen. In diesem Sinne
wie vor ein wachsames Auge auf die Erzeugung ihrer preisgekrönten
hoffen wir von seiten unserer weltweiten Leserschaft auf ein zuvorkom-
Soju-Marke. Die Brennerei unterhält auch ein sehenswertes Museum,
mendes Verständnis und auf Toleranz in Bezug auf Unterschiede in Kul-
in dem verschiedene traditionelle Alkoholsorten und kulinarische Spezi-
tur und Lebensstil.
alitäten zur Schau gestellt werden. Ein besonderer Augenfänger ist die Nachstellung der opulenten Geburtstagstafel, die Cho für Königin Eliza-
Ahn In-kyoung Chefredakteurin der deutschen Ausgabe
Spezial Rund um den Reisschnaps Soju
04 08 14 18
Spezial 1
Soju und die koreanische Seele
Lee Chang-guy
Spezial 2
Soju: Alkoholisches Getränk der Nation
Ye Jong-suk
Spezial 3
Erinnerungen stehlen und Erinnerungen schaffen
4
Ben Jackson
Spezial 4
Anju-Beilagen zum Soju
Ye Jong-suk
8
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KUNSTKRITIK
Met-Ausstellung Silla: Korea’s Golden Kingdom
Soyoung Lee
interview
Lee Young-hye ;„Wenn Kunst die Frage ist, ist Design die Antwort“
Chung Jae-suk
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36 40
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verliebt in korea
Eine Brücke in einer multikulturellen Welt: Dr. Rajesh Chandra Joshi
Park Hyun-sook
unterwegs
DMZ-Kunstausstellung: Erinnerungen an Krieg und Liebe zum Land Kim Yoo-kyung Cheorwon im Eisernen Dreieck: Eine Stadt zwischen Anspannung und Frieden Kim Dang
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NEUERSCHEINUNG Charles La Shure
My Korea: 40 Years Without a Horsehair Hat Ein Leben zusammen mit der koreanischen Literatur
29 Second Film Festival Ganzjähriges Film-Fest für Partizipation, Offenheit und Teilen
The Growth of a Shadow 44 54
K o r e a n a ı W i n t e r 2 0 13
Triviale Details für die Meditation über tiefere und umfassendere Wahrheiten
52 54 62
blick aus der ferne
Über Schneeballen und Hühnerhöfe
Michael Ahrens
ENTERTAINMENT
Snowpiercer : Dystopische Allegorie à la Bong Joon-ho
Kim Young-jin
REISEN IN DIE KOREANISCHE LITERATUR
Eine Methode, das Schwer-Fassbare des Lebens zu erhalten Die Rosenholz-Vitrine Lee Hyun-su
Kang Ji-hee
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SPEZIAL 1 Rund um den Reisschnaps Soju
Soju und die koreanische Seele Heutzutage scheint es in Korea keine ausgeprägten Unterschiede zwischen den einzelnen Gesellschaftsschichten mehr zu geben, zumindest was den Alkohol betrifft. Denn der koreanische Reisschnaps Soju lässt das ganze Volk eins werden. Dahinter steht der optimistische Geist, mit dem die Arbeiter in den Städten in den 1960er Jahren die Industrialisierung des Landes voranbrachten, und dieser „Geist des Soju“ entwickelte sich zu einer einzigartigen Kultur der Firmenessen nach Feierabend.
Lee Chang-guy Dichter und Literaturkritiker
Die einladenden Lichter von Imbisszelten am Straßenrand ziehen die Passanten an.
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76, als sich die grellen Strahlen der Sommersonne in herbstlich sanftes Licht verwandelten, lag ich ausgestreckt in der Haupt-Holzdiele und las einen Fortsetzungsroman in der Zeitung. Da kam mir unversehens der Gedanke, ob die Menschen auf der Welt ihr Leben nicht vielleicht aufs Geratewohl lebten. Für mich, der ich immer den festen Glauben hatte, dass Erwachsene Menschen seien, die ihr Leben mit einer klaren Vorstellung von dem, was das Leben ist und wie es richtig zu führen sei, brachte diese Erkenntnis unendlichen Durst und Kraftlosigkeit inmitten eines unerträglichen Chaos. Damals war ich in der zweiten Klasse der Oberschule. Aber dieser massive existentielle Schmerz bot gleichzeitig eine heilende Ekstase. Kurz danach schrieb in
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einem Aufsatzunterricht der Lehrer ein Gedicht an die Tafel: „Junger Dichter, lass uns husten. / Lass uns husten auf den Schnee. / Damit der Schnee es sieht, ruhig ganz ruhig / Lass uns husten. Das Gedicht Schnee von Kim Soo-Young war die allererste Botschaft, die in dieser hoffnungslosen Zeit, in der es nichts und niemanden gab, das oder der als Vorbild hätte dienen können, meine Seele berührte. Und das Gedicht, das in jener schlaflosen Nacht aus dem Radio erklang, weckte in mir Erinnerungen an Romantik in ihrer elementarsten Form. Es war das Gedicht Holzpferd und Dame von Pak Inhwan. „Ich trinke ein Glas Alkohol“, so beginnt das Gedicht und nach einigen Zeilen heißt es: „Von der Flasche fällt ein Stern. / Gebrochenen Herzens zersplittert der Stern leicht an Korean i s ch e Ku l tu r u n d Ku n s t
meinem Herzen.“ Ohne zu zögern machte ich Alkohol und Poesie zu meinem Ausweg, um mich auf den Weg der Suche nach Wahrheit und Heil zu begeben.
Soju und ich Meine Trinkaktionen waren wie die das Herz aufwühlenden Laute einer Trommel, die den Auftritt eines neuen Kriegers ankündigen, der dieser überholten Welt entgegentritt. Sie waren eine offene Kampfansage an alles, wovor sich alle Menschen fürchten, dem sie aber nicht die Stirn zu bieten wagen. Und letztendlich waren sie das Ringen eines unschuldigen jungen Mannes, der davon träumte, sich von all dem zu befreien. Und der „Altarwein“ dieses Rituals war 25-prozentiger Soju in einer grünen Flasche mit einer Kröte auf dem Etikett. Der Reisschnaps sickerte mit seinem sinnlichen, spirituellen, einfallsreichen, fantastischen, unpraktischen, asozialen und revolutionären Gesicht in meine Seele hinein. Eines Tages kippte ich herausfordernd eine ganze 360ml-Flasche in einem Zug hinunter. Um wie ein Mensch leben zu können. Als ich anfing, die Sprechweise der Dichter nachzuahmen und mich in einem schwer verständlichen Dialekt auszudrücken begann, sammelten sich langsam Anhänger um mich. Unser Ritual begann bei Sonnenuntergang und gewann mit fortschreitender Dunkelheit an Tiefe. Mit der Zeit nahm auch die Zahl der Teilnehmer zu. Von Organisatorenseite wurde das Treffen „Symposion“ genannt. Aber bald schon schlugen die Heiden zurück: Wir wurden aufgrund des demütigenden Verdachts „Trinken auf dem Schulgelände“ massenweise von der Schule suspendiert und hatten zudem noch die Folter der „Schläge der Liebe“ zu ertragen. Aber im Herbst des darauffolgenden Jahres sammelten wir alle Mittel, die wir aufbringen konnten und veranstalteten in einem staatlichen Informationsgebäude in der Stadt eine große Ausstellung von Gedichten mit Illustrationen. So machten wir unsere Entschlossenheit der ganzen Welt bekannt. Nach der Ausstellung beschloss ich, der Welt zu entsagen und lief von zu Hause weg. Am 26. Oktober 1979, als Präsident Park Chung-hee ermordet wurde, fand ich mich körperlich und geistig völlig am Boden zerstört im schäbigen Zimmer eines Freundes wieder. Im Winter jenes Jahres schaffte ich es mit Mühe und Not, mich zum Militärdienst zu schleppen, und damit verglühte mein aufgehender Stern endgültig und verschwand von dieser Welt. Soju und mein Vater Mein Vater, der in der Provinz Hwanghae-do im heutigen Nordkorea geboren wurde, hatte im Koreakrieg seine K o r e a n a ı W i n t e r 2 0 13
Familie zurückgelassen und war nach Süden geflohen. Selbst im Alter von heute 89 Jahren trinkt er noch so gern, dass er, wenn sein Körperzustand es ihm erlaubt, bei den Mahlzeiten nach einem Gläschen Soju sucht. Was den Alkohol betrifft, so scheint er nie die Tugenden der Geduld oder des Wartens gekannt zu haben, denn er kippt sein Glas immer in einem Zug mit einem Schmatzen herunter. Gerade diese Angewohnheit brachte mich immer in die Bredouille, wenn ich an den hohen Feiertagen mit meinem Vater einen heben musste. Leerte ich mein Glas nur zur Hälfte und stellte es hin, dann wurde er laut: „In so ein Sojuglässchen passt nicht mal eine Mundvoll, warum schaffst du das nicht in einem Zug?“ Wer nun aber aus der Kombination von „Flüchtling“ und „Gerntrinker“ schließt, dass er seinen Kummer um die in Nordkorea zurückgelassene Familie im Alkohol ertränken wollte, der liegt falsch. Ich kann zwar nicht sagen, dass das nie der Fall gewesen wäre, aber er freundete sich erst ab den 1970er Jahren richtig mit Soju an. Als es mit seiner Autowerkstatt, die er mit einigen Mechanikern unter sich führte, langsam bergab ging, nahm seine Soju-Abhängigkeit drastisch zu. Er glaubt bis heute, dass sein geschäftlicher Fehlschlag eine unglückliche Schicksalsfügung war, aber meiner Meinung nach lag es daran, dass, als die Automobilindustrie als eine der neuen Industrien aufstieg, Fachleute gefragt waren, also Automechaniker und Ingenieure mit entsprechender systematischer Ausbildung. Die Ära der sturköpfigen, Tüftler wurde abgelöst von der Ära der professionellen Inge nieure mit Fachkenntnissen. Wenn Vater zu tief ins Glas geschaut hatte, machte er es sich sogar zur Gewohnheit, mitten in der Nacht die ganze Familie zusammenzurufen und große Reden über die Zukunft des Landes und den richtigen Weg zu leben zu schwingen.
Soju und die Kämpfer für die Industrialisierung Koreas Industrialisierung, die nach dem Koreakrieg als Grundlage für den Aufstieg des Landes von einem der schlimmsten Armenhäuser der Welt zur heute achtgrößten Handelsnation diente, wurde in den 1970er Jahren ernsthaft vorangetrieben. Die Protagonisten dieser Industrialisierung waren zwar die Angehörigen der jungen Elite, die, getrieben von einem außergewöhnlichen Bildungsfieber, die wirtschaftlichen Schwierigkeiten überwanden und die Universität abschlossen, aber die Antriebskraft hinter dem Erfolg stellten gewöhnliche junge Leute, die ihre Heimatorte verließen und auf der Suche nach Arbeit in Scharen in die Städte strömten. Diese hochwertigen - aber billigen - Arbeitskräfte waren der ausschlaggebende Wettbewerbsfaktor, der Koreas
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Industrialisierung auf den Weg brachte. Das Gläschen, das sich diese Arbeiter auf dem Weg nach Hause genehmigten, war Trost für den erschöpften Körper und das von Heimweh geplagte Herz. So wie die britischen Arbeiter zur Zeit der Industriellen Revolution statt Wein und Bier starken Brandy bevorzugten, so überflügelte der destillierte Reisschnaps Soju auch bald den trüben, gegorenen Reiswein Makgeolli, da Soju den Appetit anregte und drei Gläschen schon genügten, um sich angenehm beduselt zu fühlen. Bitter, aber mit einem leicht süßen Nachgeschmack, reichte das, um den Kummer des Lebens zu verscheuchen, Trost zu finden, und für wenig Geld alkoholgeschwängerte Glückseligkeit zu genießen. Mit einem Wort: Soju war ein perfekt auf die Bedürfnisse der Zeit abgestimmter Alkohol.
Gemeinschaftsgeist und Solidarisierungskraft des Menschen stärke, unbedingt beweisen wollte. Der koreaspezifische Brauch der Firmenessen nach Feierabend hat hier seine Wurzeln. Die Nichtteilnahme an einem solchen Firmenessen („Firmentrinken“ wäre der passendere Ausdruck) wird quasi als Ablehnung der Gruppengemeinschaft interpretiert. Selbstverständlich ist am nächsten Tag, wenn sich die Aufregung um einen solchen Affront gelegt hat, wieder alles vergessen. Diese im Grunde genommen unproduktive und verschwenderische Trinkkultur, bei der auf die erste meist noch eine zweite oder gar dritte Trinkrunde folgt, hat, so glaubt man, in den Zeiten der Industrialisierung durchaus als positive, die Produktivität steigernde Unternehmenskultur gewirkt.
Alkohol der Zuversicht, Alkohol der Solidarität Szenen und Verhalten der Menschen beim Trinken ähneln einander über alle Zeiten und Ländergrenzen hinweg. Eine Besonderheit der Trinkgewohnheit der Koreaner ist jedoch, dass sie dazu neigen, sich lieber zu betrinken, als Maß zu halten. Es wird nicht „moderat“, sondern „bis zum Ende“ getrunken. Das Eigentümliche dabei ist, dass das Bewusstsein, das diesem Rauschzustand zugrunde liegt, nicht etwa Fluchtgedanken oder ein Gefühl des Geschlagenseins sind, sondern ein gesunder Optimismus. Die treibende Kraft hinter den Koreanern, die eine Kneipe aufsuchten, war der Gedanke, dass, wie eine Spruchweisheit besagt, „selbst in ein Rattenloch irgendwann doch die Sonne hineinscheint“, oder, wie es in einem Lied heißt, „es irgendwann im Leben auch sonnige Tage geben wird“. Sie mochten zwar an den Rand der Realität gedrängt worden sein, aber sie akzeptierten die Niederlage nicht wirklich. Für sie war die Niederlage bloß temporär, also warteten sie ab und träumten von dem Tag, an dem sie wieder in den Mittelpunkt rücken würden. Soju war ein trostspendender Alkohol, der es diesen scheinbaren Verlierern ermöglichte, einander ermutigend auf die Schulter zu klopfen. In Korea ist „einsames Trinken“ selten zu sehen. Die koreanischen Trinksitten sind denn auch recht leidenschaftlich, so, als ob man die Hypothese, dass Alkohol
Wandel des Arbeitsumfelds, Wandel des Soju Der Ausdruck „Soju im Wandel“ wurde im Journalismus erstmals verwendet, als Korea 1995 im BIP pro Kopf die Marke von 10.000 Dollar erreichte. Der Fokus lag dabei auf dem Alkoholgehalt. 1998 wurde der Alkoholgehalt von 25% auf 23% gesenkt. Danach sank er kontinuierlich weiter, erst auf 22% im Jahr 2001, dann auf 21% im Jahr 2004. Heutzutage liegt er bei 19,5% oder niedriger. Mit abnehmendem Alkoholgehalt verschwanden auch die durch die Schärfe bewirkten und von einem Schütteln begleiteten „Kha-a“-Ausrufe der Trinkenden. Die Verwandlung zum „milden Soju“ wird meistens der Wellness-Kultur zugeschrieben oder als Versuch interpretiert, den Geschmack neuer Zielgruppen wie junger Leute und Frauen zu treffen. Ein weiteres Beispiel dafür ist auch das Erscheinen von diversen Fruchtcocktails auf Soju-Basis. Ich persönlich sehe den Grund dafür eher in der Veränderung der Qualität und des Charakters der Arbeit. Die körperliche Arbeit zur Zeit der Industrialisierung, in der die Zielvorgaben einfach durch Schweiß und Fleiß erfüllt wurden, erreichte bereits mit einem BIP von 10.000 Dollar pro Kopf ihren Höhepunkt. Die Arbeit im darauf folgenden sog. Informationszeitalter bedeutete nicht länger körperlichen Einsatz, der mit einer finanziellen Gegenleistung entlohnt wurde, sondern Arbeit wurde langsam
In Korea ist „einsames Trinken“ selten zu sehen. Die koreanischen Trinksitten sind denn auch recht leidenschaftlich, so, als ob man die Hypothese, dass Alkohol Gemeinschaftsgeist und Solidarisierungskraft des Menschen stärke, unbedingt beweisen wollte. Der koreaspezifische Brauch der Firmenessen nach Feierabend hat hier seine Wurzeln. 6
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Eine gesellige Runde beim Anstoßen und Zutoasten. Sind die Toasts nicht eigentlich eine Aufforderung, noch etwas beschwipster zu werden?
zum Mittel der Selbstverwirklichung. Es verbreitete sich das Gerücht, dass der Beruf nach Eignung und Neigung gewählt werden solle, der soziale Status von den individuellen Fähigkeiten abhänge und darin das Glück des Individuums liege. Dafür musste man aber sein Können in einem endlosen Wettbewerb unter Beweis stellen, und wer das nicht konnte, wurde einfach durch jemand Kompetenteren ersetzt. Selbstverständlich wurden ziellose Vergnügungen und die Freiheit, einmal nichts zu tun, verdrängt. Die Zeit außerhalb der Arbeitszeiten war auch nicht länger Frei-Zeit, sondern wurde zur Zeit für die Vorbereitung neuer Innovationen. Und ab da begann die Versymbolisierung des Soju. Er entfernte sich langsam vom Wesen des Alkohols, i.e. der Rauscherzeugung, und wurde statt dessen allmählich zu einer Synekdoche für ein Getränk, das Beziehungen durch Beförderung des Dialogs verbessert oder den Appetit anregt. Das ist vergleichbar mit dem Phänomen, bei dem das Wesen des Automobils sich von Geschwindigkeit auf Sicherheits- und Statussymbol verlagerte. Für ein formelles Anstoßen und Zuprosten braucht man nicht unbedingt einen hohen Alkoholgehalt. Übermäßiges Trinken steht zudem nur dem Wettbewerb für morgen im Wege. Das ist jedenfalls das Motto der heutigen Generation, die behauptet, „wenn man es schon nicht vermeiden kann, soll man es wenigstens genießen“. In diesem Sinne ist der in Portionspackungen abgefüllte Soju kein „offenK o r e a n a ı W i n t e r 2 0 13
sives“ Produkt zum bequemen Trinken für unterwegs, sondern eher ein Souvenir, das lebhafte „Erinnerungen an Soju“ ins Gedächtnis rufen soll. Der progressive Dichter Park No-hae schreibt in Die Morgendämmerung der Arbeit: „Kriegsgleiche Nachtschicht hinter uns gebracht“, „Unter rauen Schweißperlen und Bluttränen / Atmen und wachsen unsere Liebe, / Unsere Wut. / Für unsere Hoffnung und Solidarität / Gießen wir, die Gläser kreisen lassend, / In der Morgendämmerung auf unsere brennende Brust Den kalten Soju“. Die Dichterin Choi Young-mi beschreibt es in ihrem Gedicht Dreißig, das Fest ist vorbei so: „Das Fest ist vorbei. / Der Alkohol ist alle, die Leute packten einer nach dem anderen ihren Geldbeutel ein, und schließlich ist auch er gegangen. / Sie haben die letzten Rechnungen bezahlt, jeder seine Schuhe angezogen und sind weggegangen. / Aber ich ahne dunkel, / Dass hier jemand alleine bis zum Ende bleiben, / Statt des Gastgebers den Tisch aufräumen, / Und sich alles in Erinnerung rufend heiße Tränen vergießen wird. Auch meine goldenen Jahre, in der ich, meine brennende Brust mit Soju begoss, vergingen auf diese Weise. Auf der neu errichteten Bühne erschallt der laute, fremde Slogan der Globalisierung. Irgendwann werden aber auch sie die Zeit vermissen, in der sie auf ihre Art und Weise arbeiteten, liebten, träumten und gemütlich ihre Soju-Gläser kippten.
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3 1-3 Kim Yeun-bak, der die Kunst der Soju-Herstellung von seiner Mutter Cho Ok-hwa lernte, die von der Provinz Gyeongsanbuk-do zur Trägerin der Immateriellen Kulturgutes Nr. 12, der Herstellung von Andong-Soju, designiert wurde, und seine Frau Bae Kyung-hwa, die Anwärterin auf den Titel, bei der Zubereitung von Nuruk-Weizenhefe zur Fermentierung von traditionellen Spirituosen. Getrockneter, zerstoßener Weizen wird per Hand mit Wasser vermischt (1). Ein runder Rahmen wird mit Hanfleinenstoff ausgelegt und die Mischung dann in den Rahmen gepresst (2). Der Stoff wird in zwei Schichten über der Mischung gefaltet, bevor diese mit bestrumpften Füßen festgestampft wird (3). 4 In einem Dampftopf gekochter Reis wird im Schatten auf einem Tuch zum Kühlen ausgebreitet. Der Reis wird mit zerkleinerter Hefe und Wasser gemischt und in einem Krug zum Fermentieren gebracht, um die Maische herzustellen, die dann später destilliert wird (unten). 5 Die gegorene Maische wird in einen Kessel gegossen, auf den ein Destillator mit schlanker Mitte und einer Kühlvorrichtung kommt; wenn die Maische gekocht wird, fließt der destillierte Soju aus der Röhre (rechts).
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SPEZIAL 2 Rund um den Reisschnaps Soju
Soju
Alkoholisches Getränk der Nation Der Alkohol, der bei Mahlzeiten und Picknick-Ausflügen ins Grüne erscheint und den man in die Reisetasche packt – dieser Alkohol in der kleinen grünen Flasche: Was für eine Art von Alkohol ist dieser Soju?
Ye Jong-suk Food Columnist; Professor für Marketing, Hanyang University | Fotos: Ahn Hong-beom
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llein letztes Jahr konsumierten die Koreaner sage und schreibe mehr als 3,4 Milliarden Flaschen Soju. Das macht pro Erwachsener im Schnitt 88,4 Flaschen im Jahr und 7,4 Flaschen im Monat. Wenn man berücksichtigt, dass bei diesen Zahlen auch Nichttrinker mitgerechnet wurden, dann trinken Koreaner eine unglaubliche Menge Soju. Laut einer aktuellen Umfrage sollen 65% aller Befragten geantwortet haben, dass ihnen beim Stichwort „Alkohol“ als erstes „Soju“ einfällt. Unter diesen Umständen wird wohl niemand dagegen sein, Soju als „Alkohol der Nation“ zu bezeichnen.
Ursprung von Soju Die Geschichte von Soju ist voller Turbulenzen. Soju stammt ursprünglich nicht aus Korea, sondern wurde im Zuge der Invasionen ins Land gebracht: Im frühen 13. Jhdt, also zur Zeit des Goryeo-Reichs, fielen die Mongolen in die koreanische Halbinsel ein und brachten Soju mit. Die Mongolen tranken ein starkes, destilliertes Getränk, das den Koreanern völlig unbekannt war und das schließlich als „Soju“ auf der koreanischen Halbinsel Fuß fasste. Bis zu diesem Zeitpunkt wurden in Korea hauptsächlich fermentierte Getränke wie Cheongju (klarer Reiswein), Beopju (klarer Wein auf Klebreis-Basis, der nach strengen Vorschriften hergestellt und v.a. für Rituale verwendet wird) oder Makgeolli (milchig weißer, ungeläuteter Reiswein) getrunken. Soju wird im Mongolischen Araki genannt, was auf Araq, die arabische Bezeichnung für destillierten AlkoK o r e a n a ı W i n t e r 2 0 13
hol, zurückgeht. Soju ist also ein destillierter Alkohol, der in Arabien entwickelt wurde und von dort über die Mongolei und Mandschurei auf die koreanische Halbinsel kam. Es wird berichtet, dass Dschingis Khan auf seinem Feldzug nach „Westen“ (die Gebiete westlich des Yumenguan- und Yangguan-Passes; das heutige Xinjang und ein Teil Zentralasiens) den arabischen Araq in die Mongolei brachte. Dschingis Kahns Enkel Kublai Khan, der erste Kaiser der chinesischen YuanDynastie (1279-1368), soll Araq dann auf seiner Invasionsroute nach Japan nach Korea gebracht haben, d.h. Soju wurde durch Kriege verbreitet. Auch die Tatsache, dass ehemalige Truppenstützpunkte der Mongolen wie Gaeseong (Kaesong), Andong und die Insel Jejudo heutzutage für die Soju-Herstellung berühmt sind, bestätigt diesen historischen Hintergrund. Nach Abzug der Mongolen wurde Soju in der Oberschicht des Goryeo-Reiches besonders populär. Da Soju aus wertvollem Getreide, i.e. Reis, hergestellt wurde, dürfte der Alkohol für das einfache Volk unerschwinglich und damit der Oberschicht vorbehalten gewesen sein. Der Soju-Konsum muss wohl immens gewesen zu sein, denn in dem Geschichtsbuch Goryeosa (Geschichte von Goryeo) steht, dass König U, der 32. Herrscher von Goryeo, Soju verbieten ließ, da „das Volk keine Sparsamkeit kennt und sein Vermögen für Soju, Seide, Goldoder Jadeschalen verschwendet“. Diese königliche Anordnung scheint jedoch keine große Wirkung gehabt zu haben, denn das Geschichtsbuch Goryeosa Jeol yo (Wichtige Ereignisse in der Geschichte von Goryeo) dokumentiert: „General Kim Jin gibt sich dem Soju-Ge-
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nuss hin, vernachlässigt seine Amtspflichten und lässt Konkubinen und ihm unterstellte Generäle zusammenkommen, um Tag und Nacht Soju mit ihnen zu trinken, weshalb sie von den Soldaten ‚Soju-Bande‘ genannt werden.“ Auch in der nachfolgenden Joseon-Zeit (1392-1910) scheint übermäßiger Soju-Genuss noch gang und gäbe gewesen zu sein, denn in den Annalen von König Seongjong (reg. 1469-1494), wird berichtet, dass Jo Hyo-dong, ein Berater des Königs, dem Monarchen folgenden Rat gab: „Unter der Herrschaft von König Sejong wurde Soju in den Haushalten der Adligen kaum getrunken, aber jetzt trinken ihn alle sogar bei normalen Feierlichkeiten, was eine große Verschwendung darstellt. Eure Majestät möge das daher verbieten .“ Soju scheint auch für medizinische Zwecke verwendet worden zu sein, denn in den Annalen von König Danjong (reg. 1452-1455), heißt es, dass die Hofbeamten dem schwachen jungen König empfahlen, Soju als Medizin zu trinken. Auch im Jibong Yuseol (Geordnete Erklärungen von Jibong), der 1614 veröffentlichten ersten koreanischen Enzyklopädie, ist zu lesen: „Da Soju zu medizinischen Zwecken verwendet wurde, trank man nicht viel davon, sondern verabreichte ihn in kleinen Gläsern, weshalb es allgemein üblich wurde, kleine Gläser als ‚Soju-Gläser‘ zu bezeichnen.“
Traditioneller Soju: ein harter Weg Auf diese Weise schaffte es Soju, in der koreanischen Gesellschaft Wurzeln zu schlagen. In der Joseon-Zeit stellten viele Haushalte Alkohol für den Eigengebrauch selbst her und in verschiedenen historischen Aufzeichnungen wird daher auch beschrieben, wie destillierter Soju gemacht wird. In den einzelnen Regionen wurden jeweils lokalspezifische Soju-Varianten mit eigenen, unverwechselbaren Geschmacksnoten und Herstellungsverfahren entwickelt, von denen einige zu weiter Berühmtheit gelangten. Zu nennen sind z.B. Gamhong
no , (süßlicher Soju von rötlicher Farbe), Jungnyeokgo (Soju mit Bambusaroma), Iganggo (Soju mit NashiBirnen- und Ingwer-Aroma) und Samhae-Soju (dreifach fermentierter Soju auf Klebreis-Basis). Das erste Alkoholgesetz wurde 1909 erlassen, als Korea ein Protektorat Japans war, und 1916 verschärfte die Regierung des damaligen japanischen Generalgouverneurs die Alkoholsteuer-Verordnung, was zu einem starken Rückgang der privaten Alkoholherstellung und der kleinen kommerziellen Destillerien, die hauptsächlich mit koreanischem Kapital betrieben wurden, führte. Mit Implementierung dieses, auf Ausbeutung der Kolonie abzielenden Rechtsrahmens starb die traditionelle Alkoholherstellung in den einzelnen Regionen aus und die Alkoholindustrie des Landes wurde unter massivem japanischem Kapitaleinsatz umstrukturiert. Während es 1916 noch über 28.000 Soju-Hersteller gab, lag ihre Zahl 1933 nur noch bei 430. 1934 wurde dann das Lizenzvergabesystem für die private Herstellung von Alkohol ganz abgeschafft, wodurch hausgemachte Alkoholika völlig verschwanden. Als Ergebnis schnellten die Alkoholsteuer-Einnahmen des japanischen Generalgouvernats in die Höhe: 1918 hatten sie bereits das Zwölffache des Jahres 1909 betragen, 1933 stellten sie gar 33% der gesamten, in der Kolonie Korea erhobenen Steuern. Im Zuge dieser Veränderungen wurden nicht nur die traditionellen Destillier-Krüge Sojutgeori allmählich verdrängt, sondern auch mit traditioneller Nuruk-Weizenhefe fermentierter Soju. Ihren Platz nahmen japanische Dampfgarer und mit schwarzer Hefe fermentierter Soju ein. Der auf traditionelle Weise destillierte Soju, der bis dahin trotz zahlreicher Widrigkeiten doch noch mit Mühe und Not hatte überleben können, sah sich dann 1965 mit der größten Krise aller Zeiten konfrontiert: Die koreanische Regierung führte zur Nahrungsmittelsicherung das Gesetz zur Verwaltung von Nahrungsgetreide ein und verbot deren Verwendung zur Herstellung von alkoholischen Getränken. Das führte schließ-
Während auf traditionelle Weise destillierte Soju nach vielen Aufs und Abs hinter den Kulissen der Geschichte verschwand, konnte verdünnter Soju in kurzer Zeit mit seinem niedrigen Preis und dem auf seine Weise einzigartigen Geschmack das Herz des kleinen Mannes erobern. 10
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1 1 Die Produktinspektionsanlage in der Jinro-Brauerei in Icheon, Provinz Gyeonggi-do; allein in dieser Destillerie werden 4,5 Mio. Flaschen Soju pro Tag hergestellt, das macht rund 60% der Gesamtproduktion von Jinro. 2 Im Austellungsraum der Jinro-Destillerie in Icheon sind alle Soju-Varianten zu sehen, die die Firma in den letzten 80 Jahren hergestellt hat. Die braune Flasche vorne auf dem h繹lzeren Podest ist die allererste Soju-Sorte, produziert im Jahre 1924. 2
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1-5 Leegangju wird durch Einlegen von Nashi-Birnen, Ingwer, Zimt und Gelbwurz in auf traditionelle Weise destillierten Alkohol hergestellt; die Mischung muss drei Monate reifen und wird dann durch einen mit traditionellem Maulbeerbaum-Papier ausgelegten Korb geseiht. Der Mann, der hier bei der Arbeit zu sehen ist, ist Cho Jeong-hyeong, von der Provinz Jeollabuk-do designierter Tr채ger des Immateriellen Kulturgutes Nr. 6-2, der Herstellung von traditionellem Leegangju nach Art der Stadt Jeonju.
lich dazu, dass traditionell destillierter Soju aus Reis gänzlich ausstarb. Stattdessen bezauberte nun verdünnter Soju die Geschmacksnerven der koreanischen Alkoholliebhaber: Soju auf Ethylalkoholbasis, der durch kontinulierliche Destillation aus Süßkartoffeln, Molasse oder Tapioka gewonnen und verdünnt wurde. Noch in den 1960er Jahren gab es sehr viele Hersteller von verdünntem Soju, doch 1973 beschränkte die koreanische Regierung ihre Anzahl auf einen pro Provinz, so dass es heute landesweit nur noch 10 Soju-Produzenten gibt. Diese Maßnahme war entscheidend dafür, dass die einzelnen Regionen jeweils eine repräsentative Soju-Marke hervorbrachten. Verdünnter Soju hatte zwar nicht das Image der qualitativen Hochwertigkeit, für die traditionell destillierter Soju bekannt war, er konnte aber in kurzer Zeit mit seinem niedrigen Preis und dem auf seine Weise einzigartigen Geschmack das Herz des kleinen Mannes erobern.
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Meist verkaufter destillierter Alkohol auf der Welt Die Geschichte des verdünnten Soju in Korea entspricht der des Wandels des Alkoholgehalts. Als in den 1960er Jahren verdünnter Soju weite Verbreitung fand, betrug der Alkoholgehalt noch 30%. 1973 wurde der Alkoholgehalt auf 25% gesenkt – und blieb ein Vierteljahrhundert auf diesem Level. Ende der 1990er Jahre, als international das Gesundheitsbewusstsein stieg und niedrigprozentiger Alkohol einen Boom erlebte, reagierte auch die Soju-Branche auf diese Tendenz und brachte Soju mit 23% auf den Markt. Danach unterboten sich die Soju-Hersteller geradezu mit niedrigprozentigen Produkten: Zuerst erschien 22-prozentiger Soju, dann 21-prozentiger und 2006 wurde schließlich die Maginot-Linie von 20% unterschritten. Es tauchte sogar ein 15,5-prozentiger Soju auf. Damit wurde Soju zu einem „schwachen Alkohol“, der traditionellem Soju quasi die Schamröte ins Gesicht getrieben hätte. In letzer Zeit ist zwar auch wieder Soju mit höherem Alkoholgehalt auf dem Markt zu finden, der für diejenigen, die sich über den niedrigen Alkoholgehalt beschweren, gedacht ist, aber der heiße Trend zum niedrigprozentigen Soju wird vermutlich noch eine Weile anhalten. Mit der Reduzierung des Alkoholgehalts konnte Soju auch an Boden unter der weiblichen Kundschaft gewinnen. Zudem wurden
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die Markennamen überholt: Ursprünglich wurden die einzelnen Marken mit schwer verständlichen, antiquierten sinokoreanischen Namen benannt: Jinro (眞 露 Wahrer Tau), Gyeongwol (鏡月Heller Mond) oder Muhak (舞鶴 Tanzender Kranich). Als aber 1998 der Hersteller Jinro auf ein Branding mit rein koreanischen Bezeichnungen wechselte, seine Hauptmarke als Chamiseul (Wahrer Tau) verkaufte und damit großen Erfolg hatte, brachte auch die Konkurrenz Marken wie Cheoeum cheoreom (Wie das erste Mal) oder Joeun Day (Ein schöner Tag) heraus, womit sich ein neuer Trend in der Branche etablierte. Auf seinem Marsch zum „Alkohol der Nation“ war Soju aber von der pausenlosen Kontroverse über die mögliche Schädlichkeit seiner Zusatzstoffe begleitet. Die Soju-Fans beschreiben den Geschmack von Soju oft als „süß“ und tatsächlich werden verdünntem Soju künstliche Süßstoffe hinzugefügt. Bisher wurde immer wieder über die Schädlichkeit von Zusatzstoffen wie Saccharin, Aspartam und Steviosid diskutiert, aber die Soju-Hersteller haben solche Vorwürfe stets verneint. Einige Konsumenten schenken den Erklärungen der Hersteller jedoch kein Vertrauen, so dass die Produzenten dieses Problem in Zukunft noch zu lösen haben. Nach all diesen Höhen und Tiefen konnte sich verdünnter Soju letztendlich doch seinen Platz in der koreanischen Gesellschaft sichern. Heute ist es wieder erlaubt, Soju mit Reis herzustellen und die Herstellung der berühmten traditionell destillierten Soju-Sorten wurde auch wiederbelebt, aber das alleine hat noch nicht ausgereicht, um die Geschmacksvorlieben der Konsumenten, die sich längst an den billigen und leicht zu trinkenden verdünnten Soju gewöhnt haben, umzukehren. Nach den 2011 im Branchen-Magazin Drinks International veröffentlichten Verkaufsstatistiken lag zudem die repräsentativste koreanische Soju-Marke Chamiseul auf Platz 1 der meist verkauften Sprituosen auf der Welt während Cheoeum cheorum Platz drei belegte. Das heißt, verdünnter Soju ist nicht nur ein fester Bestandteil der koreanischen Kultur geworden, sondern hat sich auch unter die internationalen Alkoholsorten eingereiht. 5
SPEZIAL 3 Rund um den Reisschnaps Soju
Erinnerungen stehlen und Erinnerungen schaffen So wie ich mich nicht an den Moment meiner Geburt oder meinen ersten Atemzug erinnern kann, so kann ich mich auch nicht an mein erstes Glas Soju erinnern. Ich weiß nicht, mit wem ich zusammen war, wo wir waren, ob ich es in einem Zug heruntergekippt habe oder nur vorsichtig daran nippte, worüber wir sprachen oder was wir gegessen haben. Oder wie ich nach Hause gekommen bin. Das Gleiche gilt für viele weitere Gläser danach. Ben Jackson Freiberuflicher Schriftsteller | Fotos: Ahn Hong-beom
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eine erste Begegnung mit Soju hatte ich wahrscheinlich bei einer Rucksackreise zu einer Zeit, als alles in und über Korea noch fremd und aufregend war. Der Soju wurde ausgeschenkt, während Samgyeopsal, die allseits beliebten Schweinebauchscheiben, auf einem Eisenrost in der Mitte des Tisches vor sich hin brutzelten. Er hatte keinen besonderen Geruch oder Geschmack. Er war farblos. Mit 19% Alkoholgehalt lag er über westlichen Traubenweinsorten, war aber längst nicht so stark wie Whiskey oder der chinesische Sorghum-Schnaps Baiju. Der Soju brannte nicht in meiner Kehle, sondern fand glatt seinen Weg aus dem kleinen Glas in meinen leeren und ahnungslosen Magen.
Erste Begegnungen Später kam ich immer und immer wieder auf Soju zurück. Manchmal in Varianten, die eine Zeitlang in Mode waren wie Frucht-Soju gemischt mit Birnen- oder Traubensaft, manchmal in anrüchigeren Kombinationen mit hochgradig inkompatiblen Getränken, bei deren Mischung es mehr um die Wirkung als um den Geschmack ging. Die emeraldgrünen Flaschen und die kleinen Gläschen mit purem Soju sind allerdings mehr eine permanente Erscheinung als eine vorübergehende Marotte, ja, sie sind vielleicht eins der wenigen Dinge, die von jungen und alten Koranern, seien es Frauen oder Männer, gleichermaßen genossen und in großen Mengen konsumiert werden – quasi eine flüssige nationale Einrichtung. Wie jeder andere Ausländer auch, machte ich mich schnell mit den Grundlagen der koreanischen Trinketikette vertraut: Gieße dir nie selbst ein! Fülle immer das leere Glas deiner Trinkkumpane! Wenn du jemanden einschenkst, der älter ist als du, oder wenn dir von jemand Älterem eingeschenkt wird, halte das Glas stets mit beiden Händen! Die Körpersprache ist wichtig: Theoretisch sollte der Trinkende seinen Körper in Gegenwart von jemand Älterem abwenden, wenn er einen Schluck nimmt oder das Glas auf ex leert, aber
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wenn ein Ausländer sich an diese Regel hält, zeigen sich die meisten Koreaner überrascht oder amüsiert und erklären, diese Etikette sei unnötig, weshalb ich gelernt habe, es in dieser Hinsicht nicht ganz so genau zu nehmen.
Die Regeln Einige der feineren Punkte der Soju-Trinketikette sind jahrelang an mir vorbeigegangen. Dazu gehören, ein frisch eingeschenktes Glas an die Lippen zu führen, bevor man es auf den Tisch stellt, und zwar auch dann, wenn man es nicht sofort trinken möchte; oder dass man das Glas etwas niedriger halten sollte, wenn jemand Älterer einem einschenkt (konträr zu der allgemein verbreiteten Vorstellung, dass es höflicher sei, das Glas etwas zu heben). Diese Feinheiten habe ich nicht wahrgenommen, weil die meisten Koreaner sie nicht mehr für so wichtig halten, dass man extra darauf hinweisen muss. Wer sie beherrscht, kann vielleicht ein paar Extrapunkte verbuchen, aber wahrscheinlich wird sich niemand beleidigt fühlen, wenn man sich nicht daran hält. Anblick, Klang, Geschmack und Gefühl für Soju-Flasche und -Glas wurden mir im Laufe der Jahre immer vertrauter. Und ich gewöhnte mich auch an diese spezifische Übelkeit, die sich nach übermäßigem Soju-Genuss einstellt, und bei der man, wenn man auf dem Boden liegt, das Gefühl hat, an die Propeller eines Hubschraubers gekettet zu sein. Ich wurde auch vertraut damit, wie ein Arbeitstag nach einem Soju-Besäufnis vorbeigeht in einem Zustand des teilweise Abgekoppeltseins von der Wirklichkeit und dem Gefühl, ein paar Zentimeter über dem Erdboden zu schweben. Rausch und Vergessen Eine der Hauptfunktionen von Soju – und kaum jemand wird bestreiten, dass es ein „funktionaler“ Drink ist und keiner, der nur dem langsamen Kitzeln der Geschmacksnerven dient – ist, das Korean i s ch e Ku l tu r u n d Ku n s t
Diejenigen, die es nach stärkerem als dem beliebten Soju in der grünen Flasche verlangt, sollten einmal Hwayo probieren, der in weißen (25% Alkohol) und schwarzen (41%) Flaschen erhältlich ist.
fest gewobene Netz gesellschaftlicher Restriktionen, Kontrollen und Balancen zu lockern und manchmal total zu zerstören: dieses Netz, das die Koreaner in ihren nüchternen Stunden verbindet, und das dazu beigetragen hat, das Land insgesamt so erfolgreich zu machen. Es ist kein Zufall, dass die Organisationen mit den systematischsten und stärksten Soju-Trinkgebräuchen, i.e. Koreas berühmte Chaebol-Konglomerate, auch diejenigen mit den rigidesten hierarchischen Strukturen und der strengsten Disziplin sind, die nur noch von den bewaffneten Streitkräften zu toppen ist. Da ich nie in der „work-hard-play-hard”-Atmosphäre des hart Arbeitens und hart Feierns eines Konglomerates gearbeitet habe, fehlt mir auch die Erfahrung der legendären großen Firmenbesäufnisse. Aber ich K o r e a n a ı W i n t e r 2 0 13
habe oft Soju dazu missbraucht, um Hemmungen abzubauen und Dampf abzulassen. Doch das war nie einseitig: Soju hat auch mich missbraucht. Immer und immer wieder haben Soju und ich uns aufgemacht zu einer Runde von allmählicher Entspannung, lauthalser Heiterkeit, Fehlurteilen, nicht genehmigten Nickerchen und Filmrissen. Eine gesellige Runde ist meist am unterhaltsamsten, nachdem jeder zwei oder drei Gläser Soju geleert hat. Oberflächliche Hemmungen und Ernsthaftigkeit sind verflogen und jeder erzählt lustigere Witze und lacht lauter über die der anderen. Ein paar Gläser mehr und die Gesichter werden röter. An einem Winterabend ist die Wärme eines solchen Zusammenseins das höchste der Gefühle. In der erdrückenden Feuchtigkeit des Sommers enthält jeder Schluck Soju das Versprechen eines noch verschwitzteren und dehydrierenden Katers am nächsten Morgen. Ein paar Gläser später füllt sich der Tisch mit grünen Flaschen.
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Die Leute machen es sich bequemer, lehnen sich gegen die Wand oder stützen ein Bein auf (bei den meisten Beisammensein dieser Art sitzen die Leute um einen niedrigen Tisch auf dem Boden). Mit zunehmender Wirkung des Soju beginnt man dumme Sachen zu sagen. Ein paar Gläser mehr bringt die Leute dazu, himmelschreiende SMS zu schicken, die einen am nächsten Morgen in den Boden versinken lassen möchten – Soju wurde nicht für die Ära des Smartphones konzipiert. Ich musste mich deshalb schon aus einigen sehr peinlichen Situationen mit Bitten und Betteln herauswinden. An dieser Stelle würde ich ja gerne einige persönliche Soju-Horrorgeschichten zum Besten geben, aber da gibt es ein Problem: Wenn ich genug trinke, um mich daneben zu benehmen, verliere ich auch mein Gedächtnis. Als Resultat ist der Horror hauptsächlich auf meiner Seite. Er macht sich bemerkbar in solchen Lücken wie „01.00 bis 06.00 Uhr“ oder „23.00 bis 08.00 Uhr“. Es gibt eine Reihe
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Soju ist ein preiswerter Alkohol, der immer willkommen ist, wenn Menschen sich zum Trinken treffen.
von forensischen Techniken, um die Lücken vage zu konturieren – Telefonanrufprotokolle, Orte, an denen man das Bewusstsein wiedererlangt hat – aber die Lücken bleiben größtenteils leer. Und das ist wahrscheinlich gut so. Dieses allgemeine Muster beschreibt, wie meine persönliche Beziehung zu Soju meist aussieht. Soju-Trinken ist oberflächlich gesehen ein spezifisch koreanisches Kulturerlebnis, aber von Soju betrunken zu werden – das ist eine Erfahrung, die bei jedem anderen Alkohol in jedem anderen Land ähnlich ist. Die Freuden und und Gefahren sind identisch. Dann gibt es da noch die übertriebenen oder völlig falschen modernen Legenden über Soju an sich: dass die Regierung während der Jahre der Diktatur den Soju-Preis absichtlich niedrig hielt; dass Korean i s ch e Ku l tu r u n d Ku n s t
Soju-Trinken ist oberflächlich gesehen ein spezifisch koreanisches Kulturerlebnis, aber von Soju betrunken zu werden – das ist eine Erfahrung, die bei jedem anderen Alkohol in jedem anderen Land ähnlich ist. Die Freuden und und Gefahren sind identisch.
Soju aus weggeworfenen Kartoffelschalen hergestellt wurde in den Zeiten, als Reis ein so rares Gut war, dass es verboten war, daraus Alkohol herzustellen; dass Soju im Laufe der Zeit immer schwächer wurde und dass das zum Teil darauf zurückzuführen ist, dass die Hersteller mehr Frauen zum Soju-Trinken animieren wollen. Bei einigen dieser Behauptungen handelt es sich um verzerrte Versionen der Wahrheit, andere sind schlichtweg aus der Luft gegriffen
Hochwertige Soju-Marken Der Soju, der für die meisten der oben beschriebenen Erfahrungen verantwortlich war, ist eine Allerweltssorte, von der täglich Millionen Flaschen produziert und konsumiert werden. Von diesem Soju, dessen Alkoholgehalt sich um die 19-20%-Marke bewegt, werden verschiedene regionale Varianten, die sich leicht in Geschmack und Süße unterscheiden, produziert, aber alle werden trotz unterschiedlicher Etiketten in identischen grünen Flaschen verkauft. Die gängigste Soju-Variante in Seoul, hergestellt von dem Alkoholriesen Jinro, ist Chamisul, was soviel wie „Morgentau“ bedeutet. Neulich hatte ich bei einer Kurztour durch diverse Soju-Fabriken und Brennereien in Korea die Gelegenheit, die Jinro-Niederlassung in Icheon, wo täglich 4,5 Millionen Flaschen produziert werden, zu besuchen. Es war eine aalglatte Sache, ein hochmechanisiertes und choreographiertes Schauspiel von Stahlkesseln, verdichteten Rohrleitungen und Strömen von grünen Flaschen. Ich hatte damals gerade einen Kater, so dass das Erlebnis nicht das berauschendste war. Zur Besichtigung gehörten aber auch Präsentationen von drei wesentlich stärkeren Soju-Varietäten: Hwayo , ein hochwertiger Soju, der drei bis sechs Monate in traditionellen glasierten Tonkrügen reifen gelassen und in Versionen mit 17%, 25% und 41% Alkohol angeboten wird; 45-prozentiger Andong Soju , gebraut und destilliert von Cho Ok-hwa, der offiziell registrierten Meisterin der traditionellen Herstellung von Andong Soju, benannt nach der gleichnamigen Stadt im Südosten Koreas; und Leegangju, ein traditioneller Soju, geschmacklich angereichert mit Birne, Ingwer, Gelbwurz, Zimt und Honig, und hergestellt von Cho Jeong-hyeong, der bekannt für die Wiederbelebung von in Vergessenheit geratenen traditionellen gebrannten Alkoholika ist. Die meisten Flüssigkeiten, die in diesen Anlagen flossen, waren viel stärker als Chamisul: Kehlenbrenner in eleganten Verpackungen, eher geeignet als schöne Geschenke denn als eins der grundlegendsten, auf tägliK o r e a n a ı W i n t e r 2 0 13
cher Basis konsumierten Verbrauchsgüter der Nation. Es war ein faszinierendes Erlebnis, eine Handvoll der wenigen Dutzend, hier und da im Lande aktiven traditionellen Soju-Brauer und -Brenner zu treffen, die den unmöglichsten Widrigkeiten getrotzt und Jahre damit verbracht haben, den schwer zu fassenden Verknüpfungspunkten zu alkoholischen Herrlichkeiten längst vergangener Tage nachzuspüren. Sie entdeckten neu, interpretierten neu, erfanden und erschufen neu und füllten mit ihrer Intuition und Inspiration die großen Lücken in der Geschichte. Einige von ihnen setzen jetzt dazu an, die Überseemärkte zu erschließen, wobei sie auf der jüngsten Welle der koreanischen Kultur reiten, die bereits viele Länder vorbeschwipst gemacht hat mit Popmusik, TV-Serien und anderen Popkultur-Contents. Als ich bei der traditionellen Herstellung von Andong Soju zusah, wurde mir bewusst, was Menschen alles auf sich nehmen, um Quellen des Sich-Berauschens sicherzustellen. Der Reis und Weizen, der fürs Brauen verwendet wird, sind an sich bereits das Ergebnis monatelangen Arbeits- und Zeiteinsatzes, und natürlich auch wertvolle Nahrungsquellen. Und auch das Brauen und Destillieren verlangt reichlich Zeit, Konzentration, Anstrengung und Fachkenntnisse für die Herstellung von nur ein paar Gläsern Alkohol. Heutzutage haben zwar Mechanisierung und Massenproduktion von billigeren Soju-Varianten wie Chamisul solche Überlegungen nichtig gemacht, aber es war doch ein gutes Gefühl, zu wissen, dass die Koreaner und die Engländer von gestern und heute dieselbe Liebe und dieselbe unerschütterliche Hingabe zum Trinken teilen.
Freund oder Feind…? Soju bietet für Koreaner und Ausländer gleichermaßen die unterschiedlichsten Erfahrungen. Wie einige Koreaner es formulieren: „Man trinkt Soju, wenn man glücklich ist, wenn man traurig ist und wenn man sich langweilt.“ In meinem teilweise heruntergeschmolzenen Gedächtnis hat Soju eine grüne, aber ansonsten farblose Spur aus nur teilweise intakten Erinnerungen hinterlasssen, wobei diese manchmal für einige Monate am Stück verschwinden, bevor es dann wieder zu einer kompromisslosen Konfrontation kommt. Es ist ein Schmiermittel und ein Lösungsmittel, ein Stimuliermittel und ein Beruhigungsmittel. In all diesen Erscheinungsformen stellt es ein unentbehrliches Element der zeitgenössischen koreanischen Kultur dar und eine ungebrochene Verbindung zur Vergangenheit.
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SPEZIAL 4 Rund um den Reisschnaps Soju
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an Soju denken“ entsprechend kann man sagen, dass Anju die Lust auf Soju stimuliert.
Anju, die die Trinklust stimulieren Für Westler ist der Begriff „Anju“ vielleicht nicht leicht verständlich. Da im Westen beim Trinken nicht unbedingt auch Essen serviert wird, lässt sich das hinter Anju stehende Konzept schwer treffend vermitteln. Übersetzungen mit „Knabberei“, „Snack“ und „Beilage“ sind zwar akzeptabel, besitzen aber alle etwas andere Nuancen. Anju ist nicht unbedingt eine volle Mahlzeit, aber wiederum mehr als ein leichter Snack zwischendurch. Genau genommen ist Anju ein Essen, das nicht dazu dient, den leeren Magen zu füllen, sondern den Geschmack von alkoholischen Getränken zu erhöhen. Da man sich aber auch oft schon mit mehreren Anju zufrieden gibt und keine richtige Mahlzeit danach mehr einnimmt, wäre es auch nicht verkehrt zu sagen, dass Anju nicht nur den Genuss des Alkohols erhöht, sondern auch eine volle Mahlzeit ersetzt. Die Tatsache, dass es im Chinesischen Begriffe wie Jiucai und Jiuyao, und im Japanischen den Begriff Sakana gibt, die alle dieselbe Bedeutung wie Anju haben, weist vielleicht darauf hin, dass Anju ein der ostasiatischen Ess- und Trinkkultur eigenes Konzept von Essen ist. Ganz der alten Weisheit „Schon der schiere Anblick von Anju lässt sofort
„Trockene“ und „nasse“ Anju Soju passt zu den meisten Gerichten der koreanischen Küche. Vielleicht ist dies der Grund dafür, dass Soju trotz seiner kurzen Geschichte im Vergleich zu anderen Alkoholsorten als „alkoholisches Getränk der Nation“ gilt. Trockene Anju zum Soju sind z.B. Nüsse oder getrocknete Meeresfrüchte wie Tintenfisch, Pazifischer Pollack und Feilenfisch. Daneben gibt es eine Vielzahl von nassen Anju wie Jjigae (Eintopf), Jjim (Gedämpftes), Jeongol (am Tisch gekochter Hot-Pot) und Tofu-Gerichte. Einige bevorzugen zwar trockene Anju, aber die meisten Koreaner haben eine Vorliebe für nasse Anju-Gerichte. Suyuk , gekochtes Rind- oder Schweinefleisch, ist wahrscheinlich das repräsentativste nasse Anju-Gericht, das schon seit alters her bei Festlichkeiten oder auch Trauerfeierlichkeiten den Gästen zum Soju aufgetischt werden sollte. Nicht weniger beliebt als Anju ist das koreatypische Gericht Bulgogi, gegrillte marinierte Rindfleischscheiben, das sich über seine Vorgänger-Variante Neobiani bis auf das Ursprungsgericht Maekjeok aus der Goguryeo-Zeit (37 v. Chr. – 668 n. Chr.) zurückverfolgen lässt. Ein weiteres typisches Anju-Gericht ist Bindaetteok, Pfannkuchen mit verschiedenen Gemüsen auf Mungobohnen-Basis, die mit einem Sojasoßendipp serviert werden. Seine Beliebtheit beim einfachen Volk lässt sich daran ablesen, dass die Pfannkuchen früher Binjatteok genannt wurden, was „Pfannkuchen der armen Leute“ bedeutet. Tteoksanjeok, gegrillte Spießchen aus Reiskuchenstreifen, mariniertem Rindfleisch, Pilzen und anderen Gemüsen, ist zwar ein Gericht, das normalerweise an den hohen, im Familienkreis gefeierten Feiertagen als Opfergabe auf die Ahnenverehrungstafel kommt, es ist aber auch seit jeher als Anju beliebt. Das repräsentativste Suppen-basierte Anju-Gericht dürfte aber Sulguk sein, wörtlich „Alkohol-Suppe“. Sulguk kann man in allen
ür die meisten Koreaner dürfen beim Trinken Essensbeilagen nicht fehlen. Schon in der Joseon-Zeit (1392-1910) sollen den Reisenden, die unterwegs auf ein Gläschen in ein Gasthaus einkehrten, Snacks auf Kosten des Hauses serviert worden sein. Besonders zu hochprozentigem Alkohol wie Soju gehören großzügige Beilagenportionen. In Korea sagt man, dass „harte Getränke ohne Essen als Beilage für Magenprobleme sorgen“. Eine alte Redewendung warnt zudem: „Wer ohne Anju trinkt, bekommt keinen rechtschaffenen Schwiegersohn“. Damit wird darauf angespielt, dass man schneller betrunken wird, wenn man nichts zum Alkohol isst. Wie man im Westen Wein zu den Mahlzeiten trinkt, so begleitet in Korea Soju die Mahlzeiten, wobei allerdings traditionell zuerst der Alkohol mit Anju-Beilagen kommt, bevor man zur eigentlichen Mahlzeit übergeht.
Anju-Beilagen zum Soju Anders als Bier wird der koreanische Reisschnaps Soju selten ohne Beilagen, auf Koreanisch „Anju“ genannt, getrunken. Der Anblick von leckerem Essen weckt auch die Lust auf ein Glas Soju. Hat z.B. ein bestimmter Fisch gerade Saison, ist das für viele koreanische Angestellte ein perfekter Vorwand, um sich nach der Arbeit auf ein Glas zu treffen. Anju, die gut zu Soju passen, gibt es in unzähligen Varianten. Ye Jong-suk Food Columnist; Professor für Marketing, Hanyang University | Fotos: Ahn Hong-beom
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Tofu und Kimchi, billig und sättigend, ist eins der gängigsten Gerichte, die in Korea beim Soju-Trinken gegessen werden.
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Zu den populärsten Anju-Gerichten unter den jungen Angestellten in Korea gehört Sam-
gyeopsal , gegrillte Schweinebauchscheiben. Seitdem man Ende der 1970er Jahre darauf gekommen ist, dass das fetthaltige Fleisch ideal zu dem starken Reisschnaps passt, ist die Popularität von Samgyeopsal als beste Soju-Beilage ungebrochen.
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Restaurants bestellen, wo es Gukbap-Gerichte wie Seolleongtang, Sundaeguk, Haejangguk usw. gibt. Sulguk wird auch oft „Freund des Soju“ genannt. Während bei Gukbap die Suppe zusammen mit Reis in einer Schüssel serviert wird, enthält Sulguk statt Reis Einlagen wie die geronnenen Ochsenblutstücke Seonji, Eingeweideteile und Fleischstücke. Mit einer Schüssel Sulguk zur Stärkung können Soju-Fans locker ein paar Flaschen leeren.
Anju der Saison Anju mit frischen Zutaten, die nur saisonal zu haben sind, dienen allen, die gern einen heben, als hervorragender Vorwand für eine Trinkrunde. Grundphilosophie der koreanischen Küche ist die Verwendung von frischen Zutaten der Saison. Für Anju wird hier keine Ausnahme gemacht. Zum Beispiel schmecken Fische je nach Jahreszeit anders und sollten dann gegessen werden, wenn sie am besten schmecken, was im folgenden Spruch zum Ausdruck kommt: „Fein beschmutzte Scholle (Pleuronichthys cornutus) im Frühling, Gefleckter Pazifikhering (Konosirus punctatus) im Herbst“. Wenn hier und da im Lande zu bestimmten Zeiten die jeweiligen Regionalspezialitäten-Festivals veranstaltet werden, strömen die Gerntrinker, die nicht selbst auf diese Festivals fahren können, in die Kneipen, in denen Anju-Gerichte mit diesen saisonalen Spezialitäten angeboten werden. Im Winter leeren die Soju-Trinker ihre Gläser über einem Eintopf mit frischem Pazifischen Pollack, im Frühling sind die Restaurants voll von Gästen, die den Geschmack von Fein beschmutzer Scholle oder Kraken (Octopus membranaceus) genießen möchten. Im Sommer lädt der Umberfisch (Miichthys miiuy ) zu einem Gläschen ein, wobei er entweder roh, als scharfer Eintopf oder - in Ei und Mehl gewendet und gebraten als Jeon serviert wird. Die Haut und Schwimmblase des Miichthys miiuy sind fantastische Anju, die selbst die Feinschmecker verzaubern. In Bezug auf die Haut wird seit jeher gesagt, dass man für den Genuss von in Umberfischhaut eingerolltem Reis Haus und Hof zu verkaufen bereit ist, und die Textur der Schwimmblase soll beim Kauen Gaumenfreuden sondergleichen bringen. Roher Japanischer Barsch und Seeaal, denen eine besonders stärkende Wirkung nachgesagt wird, sind weitere Sommerdelikatessen.
Samgyeopsal und Gemüse-Allerlei. Soju ist das beliebteste Alkoholgetränk unter den jungen koreanischen Angestellten und Samgyeopsal ist der populärste Anju. K o r e a n a ı W i n t e r 2 0 13
Samgyeopsal: Nr. 1 der Anju-Hitliste Laut einer aktuellen Umfrage unter jungen Angestellten in Korea ist Soju bei Firmenessen nach Feierabend das beliebteste alkoholische Getränk und der populärste Anju ist Samgyeopsal, gegrillter Schweinebauch. Samgyeopsal ist heutzutage als Anju-Gericht sehr beliebt, nichtsdestoweniger blickt es erst auf eine kurze Geschichte zurück. In der Goryeo-Zeit (918-1392), als der Buddhismus Staatsreligion war, war der Fleischverzehr aus religiösen Gründen verboten. Auch nach der Aufhebung dieses Verbotes in der konfuzianistisch geprägten Joseon-Zeit (1392-1910) lag der Konsum von Schweinefleisch niedrig, weil es an Angebot mangelte und weiterhin eine allgemeine Vorliebe für Rindfleisch vorherrschte. Erst in den 1970er Jahren, als die koreanische Regierung Schweinemast-Großbetriebe förderte, nahm das Angebot an Schweinefleisch rasant zu, worauf auch der Konsum in die Höhe schnellte. Als Folge entstand Ende der 1970er Jahre ein Samgyeopsal-Boom. Zu jener Zeit, als das Land der Armut zu entkommen suchte, geriet der preisgünstige und fetthaltige Schweinebauch nicht nur als Nährstoffquelle, sondern auch als wunderbare Beilage zu Soju ins Rampenlicht und konnte sich bis heute als Anju Nr. 1 behaupten. In der oben genannten Umfrage wurden neben Samgyeopsal als beliebteste Soju-Beilagen genannt: fritiertes Hähnchen, Rohfisch, gebratenes Rindfleisch, gegrillte marinierte Schweinerippen, Jokbal (Schweinshaxe koreanischer Art), Gamjatang (scharfes Stew mit Schweinerücken- oder Rippenknochen und Gemüse), verschiedene Gemüsepfannkuchen und Gopchang (gegrillter Rinderdarm). Daneben gibt es noch eine Unzahl von Anju-Gerichten, die gut zum Soju passen: Tatar, Jokpyeon (Rinderfuß-Gelee), gesalzene, halb getrocknete Fischrogen, Lauch-Pfannkuchen, gegrilltes Hühnerklein mit Gemüse, Budaejjigae („Armee-Stew“ mit verschiedenen Gemüsen und Wurst), Duruchigi (scharf gewürztes, gebratenes Schweinefleisch), Jogaetang (Muschelsuppe), Nakjibokkeum (scharf gebratener Oktopus), Kraken, Gyeranmari (Omeletterolle), Dotorimuk (Eichelgelee), Memilmuk (Buchweizengelee) und Jeon (verschiedene dünne Fleisch-, Fisch- oder Gemüsescheiben oder daraus gemachte Spieße, die mit Mehl bestäubt, in Ei gewendet und gebraten werden). Wenn man verschiedene Anju-Gerichte zum Soju probiert, kann man die koreanische Trinkkultur hautnah erleben. SeoulBesuchern ist dabei besonders die Meokja-golmok, die Fressgasse auf dem Gwangjang-Markt in der Nähe des Osttors Dongdae-mun, zu empfehlen, wo all die Köstlichkeiten angeboten werden, die der einfache Mann in Korea gerne zu seinem Glas Soju isst.
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Goldbronzener Maitreya Bodhisattva in meditativer Pose (Nationalschatz Nr. 83). Hรถhe: 93,5cm. Koreanisches Nationalmuseum. Korean i s ch e Ku l tu r u n d Ku n s t
Met-Ausstellung Silla: Korea’s Golden Kingdom Zum ersten Mal wurde im Ausland eine groß angelegte Ausstellung, die ausschließlich die Kunst des alten koreanischen Reichs Silla (57 v. Chr.– 935 n. Chr.) beleuchtet, eröffnet, und zwar im Metropolitan Museum of Art (Met) in New York. Die Ausstellung, Höhepunkt des über fünf Jahre laufenden Kooperationsprojekts zwischen dem Met und den beiden Verleihern, dem Koreanischen Nationalmuseum und dem Gyeongju Nationalmuseum, ist vom 4. November 2013 bis zum 23. Februar 2014 zu sehen. Soyoung Lee Kuratorin, Metropolitan Museum of Art, New York
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ie Palette der rund 130 prächtigen Kunstschätze, die alle als Leihgaben aus Korea auf dieser Mammut-Ausstellung zu sehen sind, reicht von prunkvollen königlichen Insignien und Juwelen über eingeführte Artikel bis hin zu exquisit gearbeiteten buddhistischen Statuen. Sie sind bewegendes Zeugnis der herausragenden kulturellen Leistungen, die die alten Koreaner durch den regen Austausch nicht nur mit den Nachbarländern, sondern auch mit weit entfernten Nationen erbrachten. Viele der Exponate sind als Nationalschatz oder Wertvolles Kulturgut registriert.
Geburt einer Idee Die zündende Idee für diese Ausstellung kam im Jahr 2008, als Denise Patry Leidy, Ausstellungskuratorin und Expertin für chinesische buddhistische Kunst und Keramik im Met, das Gyeongju Nationalmuseum besuchte. Einer der dortigen Kuratoren fragte: „Wie wäre es mit einer Silla-Ausstellung im Met?“ Wer hätte damals geglaubt, dass dieser eher beiläufig gemachte Vorschlag zur Ausrichtung einer bahnbrechenden Ausstellung im Herbst 2013 in New York führen würde? Nach der Rückkehr diskutierten Denise und ich über die Vorteile einer auf Silla fokussierten Ausstellung und beschlossen, das Projekt umzusetzen. Ursprünglich hatten wir an eine kleine Ausstellung mit dem Schwerpunkt auf den goldenen Artefakten aus den Silla-Gräbern des 5. und 6. Jhdts gedacht. Im Laufe der Zeit gewann das Konzept jedoch an Komplexität und der Projektumfang erweiterte sich von königlichen Relikten auf buddhistische Statuen, so dass die Zeit von 400 bis 800 n. Chr., d.h. die als „Alt-Silla“ und „Vereintes Silla“ bekannten Epochen, abgedeckt wurden, in die die kulturelle Blüte des alten Königreichs fiel. Die Ausstellung erzählt die Geschichte vom Aufstieg Sillas zu einem kosmopolitischen Staat von maßgeblicher Stellung und Einfluss nicht nur auf der koreanischen Halbinsel, sondern auch über diese hinaus. Das zwischen dem Koreanischen Nationalmuseum und dem K o r e a n a ı W i n t e r 2 0 13
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Gyeongju Nationalmuseum schwankende Met lotete die jeweiligen Kooperationsmöglichkeiten aus und entschied sich schließlich für eine Drei-Wege-Partnerschaft als den idealsten Zusammenschluss. Da Konzept und Umfang der Ausstellung erweitert wurden, führten wir museumsintern Lobbyarbeit durch, um die Ausstellung nicht in der Galerie der Koreanischen Kunst, sondern in der Sonderausstellungshalle im Erdgeschoss, einem größeren Raum mit höherer Besucherkapazität, veranstalten zu können. Auch die Lage der Sonderausstellungshalle direkt neben der Galerie der Griechischen und der der Römischen Kunst war vorteilhaft. Denn wir wollten mit dieser Ausstellung auch die Verbindungen des Silla-Reiches mit dem breiteren Netz der Kulturen in Eurasien thematisieren, deren Ursprünge zum Teil bis auf das Römerreich zurückzuverfolgen sind.
Eine Ausstellung in drei Teilen Im ersten Raum der Ausstellung werden die Besucher von einer deckenhohen, auf gekurvte Wände projizierten Darstellung des Großen Grabs von Hwangnam begrüßt. Es ist das größte und wichtigste der Gräber aus dem Silla-Reich des 5. Jhdts. Dieses fesselnde Video, das auch von den Galerien der Griechischen und Römischen Kunst aus zu sehen ist, zielt darauf ab, die Besucher in die Welt von Silla zu entführen. Das „Live“-Video mit seinen Aufnahmen von in der Ferne vorbeifahrenden Autos, quer über den Bildschirm fliegenden Vögeln und im Wind schwankenden Ästen und Blättern von Bäumen versetzt den Besucher nach Gyeongju, die einst als Seorabeol bekannte Hauptstadt von Silla, und vermittelt ihm ein Gefühl dafür, wie es ist, um das Grab in dieser koreanischen Stadt herumzuwandern. Als die Tumuli angelegt wurden, waren diese riesigen Erdhügel für die Angehörigen der königlichen Familie und der Oberschicht mit ihren ebenerdigen, hölzernen Grabkammern, die mit Steinen und mehrfachen Erdschichten versiegelt wurden, Symbole für politische Autorität und kulturelle Majestät. Der erste Teil der Ausstellung (Treasures from Silla Tombs) präsentiert Schätze aus Gräbern des 5. und 6. Jhdts, wobei die Goldkrone, der Goldgürtel und andere prächtige Relikte aus dem Großen Grab von Hwangnam besondere Glanzstücke darstellen. In diesem Doppelgrab von König und Königin, das sich über eine Länge von 120m in Nord-Süd-Richtung erstreckt und einen Durchmesser von 80m in Ost-West-Richtung aufweist, wurden zahlreiche, in quantitativer und qualitativer Hinsicht erstaunliche Schätze entdeckt. Die Artefakte aus den Silla-Gräbern, die im ersten Ausstellungsabschnitt zu sehen sind, reichen von Schmuck aus glänzendem Gold oder Glasperlen über Gefäße aus Ton oder wertvollen Metallen mit perforierten Füßen bis hin zu dekorierten Schwertern und Reitutensilien. Die Geschich-
1 Ein Banner am Eingang des Metropolitan Museum of Art in New York City weist auf die Silla-Ausstellung hin. 2 Goldohrringe aus dem Bomun-Doppelgrab (Nationalschatz Nr. 90). Länge: 8,6 cm, Gewicht: 57,1 g (links); Länge: 8,8 cm, Gewicht: 58,7 g (rechts). Koreanisches Nationalmuseum. 3 Goldgürtel aus dem nördlichen Grabhügel des Großen Grabes von Hwangnam (Nationalschatz Nr. 192). Länge: 120 cm, Länge der Anhänger: 22,5-77,5 cm. Nationalmuseum Gyeongju.
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ten, die diese Gegenstände – sei es einzeln oder in Gruppen – erzählen, sind facettenreich und fesselnd. Ihre Existenz beweist den sehnlichen Wunsch und Glauben an ein Leben nach dem Tod. Unter stilistischem Aspekt weisen diese Grabbeigaben auf die über das eigene Reich hinaus gehenden Beziehungen Sillas zu den Nomadenkulturen in den Steppen Eurasiens hin. Der zweite Teil der Ausstellung (Imported Luxuries and Exotic Imagery ) beleuchtet anhand von ungewöhnlichen, aus anderen Kulturen eingeführten Luxusartikeln und exotischen Images den internationalen Charakter der SillaKultur. Diese begehrten Objekte von elaborierter Eleganz, die in den Regionen zwischen China und dem Mittelmeer von Meisterhand gefertigt wurden, überdauerten in den Silla-Gräbern die Zeiten. Darunter sind Glasschalen im römischen Stil, ein edler goldener Dolch samt Scheide mit Glas- und Granat-Intarsien und eine kleine ziselierte Silberschüssel mit außergewöhnlichen Figuren und Tieren; weiterhin reich glasierte DreifarbenKeramiken (Sancai) und Porzellane aus dem chinesischen Tang-Reich (618-907). Unter Wissenschaftlern geht die Meinung darüber, wie diese Gegenstände auf die koreanische Halbinsel kamen, auseinander. Sicher ist aber, dass Silla nicht nur in die Routen der nördlichen Steppenregion, sondern auch in die extensiven Handelswege der Seidenstraße eingebunden war. Dass Silla zu Westasien Kontakt hatte, geht bespielsweise aus Grabbeigaben in Form von menschlichen Statuen mit großen Augen und Nasen und starker Gesichtsbehaarung hervor. Im Fokus des dritten und letzten Teils (Buddhism: A New Tradition) der Ausstellung steht die Kunst des Buddhismus, einer ursprünglich aus Südasien stammenden Religion, die 527 von Silla zur Staatsreligion erklärt wurde. Die Einführung des Buddhismus bewirkte Veränderungen in der Bestattungskultur: Feuerbestattung und kleine Steingrabkammern wurden allgemein üblich. Darüber hinaus wurde Gold – einst, wie im ersten Ausstellungsteil zu sehen, das Material für persönliche Dekorgegenstände – jetzt für buddhistische Statuen und Sari-Reliquien-Schatullen verwendet. Der kleine sitzende Buddha aus Gold ist ein repräsentatives Beispiel dafür. Die für diese Ausstellung ausgewählten, zwischen dem 6. und 9. Jhdt gefertigten buddhistischen Statuen verkörpern pan-asiatische Ursprünge und weisen Stile, ikonographische Merkmale und Doktrin auf, die in der damaligen Zeit in Mode waren. Ein Beispiel
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2 1 Goldkrone aus dem nördlichen Hügel des Großen Grabes von Hwangnam (Nationalschatz Nr. 191). Höhe: 27,3 cm, Länge der Anhänger: 13-30,3 cm. Nationalmuseum Gyeongju. 2 Ausstellungsbesucher schauen sich eine 3-D-Animation über den Bau der Seokguram-Grotte in Gyeongju an (Nationalschatz Nr. 24). 3 Eine digitale Präsentation des Großen Grabes von Hwangnam am Eingang zur Ausstellung entführt die Besucher in die Welt des alten Silla-Reiches.
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Die Geschichten, die diese Gegenstände – sei es einzeln oder in Gruppen – erzählen, sind facettenreich und fesselnd. Ihre Existenz beweist den sehnlichen Wunsch und Glauben an ein Leben nach dem Tod, für das es vorzukehren gilt. Unter stilistischem Aspekt weisen diese Grabbeigaben auf die über das eigene Reich hinaus gehenden Beziehungen Sillas zu den Nomadenkulturen in den Steppen Eurasiens hin.
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dafür sind die Wächterfiguren auf den Tontafeln des Tempels Sacheonwang-sa (Tempel der vier himmlischen Wächter). Krone dieses Ausstellungsteils ist der berühmte sitzende Goldbronzene Maitreya Bodhisattva in meditativer Pose, Nationalschatz Nr. 83. Es ist eine fesselnde Statue von eleganter Einfachheit. Ein gusseisener Buddha, der im Stil dem berühmten Buddha in der Seokguram-Grotte ähnelt, bildet mit seiner beeindruckenden Präsenz den glänzenden Abschluss der Ausstellung.
Den Werken Leben einhauchen Um den Besuchern den Zugang zu erleichtern und größere Aufmerksamkeit zu erregen, beschlossen wir, für die Präsentation der einzelnen Werke digitale Medien einzusetzen. Schließlich hatten wir Samsung als Hauptsponsor gewinnen können. Warum nicht Technologien nutzen, um der Ausstellung Leben einzuhauchen? Zur digitalen Präsentation gehören ein Video, das den Bau des Großen Grabs von Hwangnam in 3D-Animation zeigt, und ein Film mit Szenen von den in den 1970er Jahren unternommenen Ausgrabungsarbeiten; weiterhin ein interaktives Display zu den prächtigen Ohrringen aus dem Bomun-Doppelgrab, ein Demonstrationsvideo zu Goldschmiedetechniken wie Granulation, eine digitale Karte mit Kennzeichnung der wahrscheinlichen Herstellungsorte der importierten Artikel und eine 3D-Animation, in der der Bau der Seokguram-Grotte, eines der wichtigsten buddhistischen Monumente in Ostasien und Weltkulturerbe, demonstriert wird. Erfreulicherweise war von den Ausstellungsbesuchern immer wieder die einhellige Meinung zu hören, dass all diese digitalen Medien in perfekter Harmonie stünden und ihnen beim Verstehen und Betrachten der Kunst geholfen hätten. Wie viele Hilfsmaterialien auch immer bereit stehen mögen: die Werke bleiben ohne Leben, wenn sie nicht richtig installiert werden. Unser begabter Ausstellungsdesigner Michael Lapthorn half dabei, die Anordnung der Werke zu planen und gab im Zuge der Installation nicht nur viele ästhetisch, sondern auch praktisch wertvolle Ratschläge. Wir wollten eine dramatische und zugleich elegante Ausstellung, die bei noch so imposanter Präsentation auch eine intime Betrachtung ermöglicht und unerwartete, aber gleichzeitig erleuchtende Überraschungen bereit hält. Hier einige Beispiele dafür: Zuerst sehen die Besucher die prächtige Goldkrone und den Goldgürtel aus dem Großen Grab von Hwangnam nur durch einen halbtransparenten Baumwollstoff. Kaum gehen sie um die Ecke, glänzen diese prunkvollen königlichen Relikte in voller Pracht vor ihren Augen auf. Die Bodenfliesen aus dem Wolji (MondTeich, heute Anapji-Teich) sind in einer flachen, in den Boden eingelassenen Vitrine ausgestellt. Die Besucher können um diesen Schaukasten herumgehen, von oben hineinblicken und sich dabei vorstellen, wie sie früher ursprünglich ausgesehen haben. Und der meditierende Maitreya Bodhisattva wurde in einen intimen, nischenartigen Raum platziert, so dass er erst zu sehen ist, wenn die Besucher am Ende des Wegs zur Ausstellungshalle der buddhistischen Kunst ankommen.
1 Goldener Sitzender Buddha aus dem Tempel Hwangbok-sa, Gyeongju (Nationalschatz Nr. 79). Höhe: 12,2 cm. Koreanisches Nationalmuseum. 2 Goldender Dolch und Scheide aus dem Grab Gyerim-ro Nr. 14, Gyeongju (Schatz Nr. 635). Nationalmuseum Gyeongju. 3 Goldschale mit Fuß aus dem nördlichen Hügel des Großen Grabes von Hwangnam. Höhe: 9,1 cm. Nationalmuseum Gyeongju.
Begegnung zwischen Silla und Met Vor einem Jahr stand ich vor der Seokguram-Grotte, an meiner Seite der Direktor des Met und der stellvertretende Direktor der Ausstellungsabteilung sowie Mitarbeiter des Gyeongju Nationalmuseums. Wir waren uns sicher, dass die Silla-Ausstellung die Früchte tragen würde, wie wir uns erhofften. Doch von da ab bis zur Eröffnung entfaltete sich ein unerwartetes Drama um die Ausleihe des Goldbronzenen Maitreya Bodhisattva. Glücklicherweise durfte dieses Star-Exponat dann doch seine Reise nach New York antreten. Als alle Werke dann heil im Met angekommen waren, stießen wir einen kollektiven Seufzer der Erleichterung aus. Wie jede andere Ausstellung, so war auch Silla: Korea’s Golden Kingdom nur durch die Zusammenarbeit und das aufopferungsvolle Engagement vieler Personen in Korea und den USA möglich. Wir sind den beiden koreanischen Nationalmuseen und der koreanischen Regierung unermesslich dankbar für die Möglichkeit, den Glanz des Silla-Reichs für einige Monate mit Menschen aus aller Welt teilen zu dürfen. 3 K o r e a n a ı W i n t e r 2 0 13
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Lee Young-hye „Wenn Kunst die Frage ist, ist Design die Antwort“ „Zwei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen, Kunst und Marketing”, das war das Ziel von Lee Younghye, Generaldirektorin der Gwangju Design Biennale 2013 . Obwohl sie bei dieser Biennale den Schwerpunkt mehr auf den gewerblichen Aspekt als auf einen Diskurs über Design gelegt hatte, wurde ihr das Lob zuteil, die Aufmerksamkeit auf die Rolle von Design im Dienste des Gemeinwohls gelenkt zu haben.
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Lee Young-hye, Generaldirektorin der Gwangju Design Biennale 2013, betont in Sachen Design die Nützlichkeit vor der Ästhetik. Die diesjährige Biennale sollte nach ihren Worten „ein Ort sein, an dem jeder ein Designer wird.“ K o r e a n a ı W i n t e r 2 0 13
Chung Jae-suk Kulturjournalistin, The JoongAng Ilbo | Fotos: Ahn Hong-beom, Sung Jong-yun
edes Jahr im September verwandelt sich Gwangju, die Hauptstadt der Provinz Jeollanam-do, ganz ihrem Beinamen Yehyang (Heimat der Kunst) entsprechend in eine Stadt der Kunst. Die 1995 ins Leben gerufene Gwangju-Biennale kann mittlerweile auf eine fast 20-jährige Geschichte zurückblicken, womit sie quasi ins Erwachsenenalter eingetreten ist. Gwangju, das turnusmäßig in einem Jahr die Kunst-Biennale und im nächsten die Design-Biennale veranstaltet, hat mittlerweile über Asien hinaus weltweit Bekannheit als Biennale-Stadt erlangt. 2013 stand im Zeichen der 5. Design-Biennale. Sie öffnete am 6. September in der Biennale-Ausstellungshalle im Bezirk Buk-gu, Gwangju, und anderen Veranstaltungsorten wie dem Uijae Museum und schloss ihre Tore nach 59 Tagen am 3. November 2013. 304 Designkünstler aus 20 Nationen und 24 Unternehmen nahmen teil und präsentierten ihre Werke u.a. im Themenpavillon, im Internationalen Pavillon und im Gwangju-Pavillon. Lee Young-hye (60), CEO von Design House , fungierte als Generaldirektorin der diesjährigen Design-Biennale. Sie ist die Herausgeberin von 10 Magazinen wie Monthly Design, House of Happiness und Luxury, die sich alle mit Design in Bezug auf Menschenleben und Grundbedürfnisse wie Nahrung, Kleidung und Wohnen beschäftigen. Seit Anfang ihrer 20er lieferte sie in den Printmedien Antworten auf Fragen wie „Was bedeutet Design?“ oder „Was sollte Design leisten?“. Dazu organisierte sie in den letzten zwei Jahrzehnten verschiedene DesignVeranstaltungen wie die Seoul Living Design Fair oder das Seoul Design Festival, für die sie in der südkoreani-
schen Designwelt als praktisch orientierte „Macherin“ bekannt wurde. Dies dürfte auch ein Grund dafür sein, dass bei der diesjährigen Design-Biennale der Schwerpunkt eher auf dem praktischen Aspekt von Design als auf einem Diskurs über Design lag. Es war eindeutig zu erkennen, dass man sich darum bemüht hatte, Produzenten und Konsumenten zusammenzubringen und dabei aktuelle Trends aus Südkorea vorzustellen. Der Firmensitz von Design House in Dongho-ro, Junggu, mitten im Herzen von Seoul, ist ein renoviertes Oberschulgebäude, das zweckmäßig und elaboriert zugleich ist und damit die Design-Philosophie der Geschäftsführerin ausdrückt. Lees mit Werken moderner koreanischer Künstler dekoriertes Büro ist erfüllt von der überschäumenden Energie eines weiblichen CEO, die so beschäftigt ist, dass jede Minute ihres Tages verplant ist. Einen Bleistift aus einem Behälter mit gut angespitzten Stiften nehmend und auf dem recycelten Entwurf für ein Magazin schreibend oder kritzelnd, begann Lee Young-hye aus ihrem Leben zu erzählen, das ganz und gar dem Design verschrieben ist.
Jeder Mensch ist ein Designer Chung Jae-suk: Bei der diesjährigen Biennale haben Sie die gängige Ansicht betont, „Wenn Kunst die Frage ist, dann ist Design die Antwort“. Lee Young-hye: Die Kunst endet, wenn der Künstler sein Werk vollendet hat. Beim Design jedoch gibt es einen kaltherzigen, realistischen Gutachter, nämlich den Konsumenten, der das Produkt anwendet. Die Antwort der Produktbewertung ist: Verkauft es sich gut oder nicht. Auch wenn das nicht immer die richti-
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ge Antwort ist, so flößt sie doch Furcht ein. Denn von ihr hängen manchmal der Erfolg eines Unternehmens oder die Wirtschaft einer Nation ab. Ein Beispiel dafür ist das Handy, welches die Zivilisation des 21. Jhdts beherrscht. Design liefert solche Antworten und mein Ziel bei der diesjährigen Gwangju Design Biennale war es, Konsumenten hervorzubringen, die nach besseren Produkten verlangen und bessere Antworten geben. Chung: Was ist denn, ganz grundsätzlich gesehen, Design? Lee: Das Leben als solches ist Design. Vom Aufstehen am Morgen bis zum Einschlafen am Abend ist unser alltägliches Leben Design. Aufgabe des Designers ist, das Ganze zu unterteilen und professioniell für uns zu bearbeiten. Die Unternehmen richten ihre Produktion dabei nach dem Bedarf für ein Design. Von diesem Unterschied abgesehen ist jeder Mensch ein Designer, der sein Leben seinen Bedürfnissen entsprechend gestaltet.
„Irgendetwas“ und „Ein bestimmtes Etwas“ Chung: Das Thema der Gwangju Design Biennale 2013 ist exzellent gewählt. Ich meine die Ausdrücke Geosigi (Irgendetwas) und Meosigi (Ein bestimmtes Etwas). Lee: Wenn Koreaner im Alltag sagen „Gib mir Geosigi“ oder „Das ist Meosigi“, dann wissen sie in der Regel, was gemeint ist. Diese an sich vagen Begriffe stammen aus dem Dialekt der Region. Ihre implizierte Bedeutung erschließt sich aber aus dem jeweiligen Gesprächskontext. Sie referieren nicht auf Konkretes, sondern sprechen von Herz zu Herz. Und genau das ist der Kern von
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Marketing: Das Verlangen der jeweiligen Zeit herausfinden. Ich wollte zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen: Marketing und Ästhetik des heutigen Designs. Chung: Das klingt nach Spaß und tieferem Sinn zugleich. Lee: Wenn man etwas tiefer geht, dann hat Geosigi die Bedeutung von Geot-i-gi (irgend etwas sein). Irgend etwas, egal was, kann durch die Möglichkeiten der Standardisierung und Mechanisierung in Massen produziert und damit billig und populär gemacht werden. Meosigi hat wiederum etwas mit Meot-i-gi (ein bestimmtes Etwas sein) zu tun. Gemeint ist ein wertvolles „Etwas“, das in nur geringer Stückzahl von Hand gefertigt wird und daher teuer ist. Auf dem heutigen Markt liegen die Vorlieben entweder auf dem einen oder dem anderen Bereich. Angesichts der Alterung der koreanischen Gesellschaft und der Zunahme der Zahl der Ein-Personen-Haushalte ist jedoch eine Verschiebung von Geosigi zu Meosigi zu beobachten. Ein Designer hat aber beide Bereiche zu berücksichtigen. Ich kann mit Stolz sagen, dass die diesjährige Gwangju Design-Biennale die Möglichkeit geboten hat, so denkende Produzenten und Konsumenten zusammenzubringen. Chung: Auffällig ist auch, dass den Besonderheiten der Region Gwangju Rechnung getragen wurde. Lee: Es ist eine Zeit, in der die Provinzen mehr in den Mittelpunkt rücken. Und es ist auch an der Zeit, sie neu zu betrachten. Auch bei der Wahl des Biennale-Themas Geosigi, Meosigi wurde der Lokalcharakter bedacht. Design ist ein weites Konzept, weshalb wir die Ausstellung mit Blick auf das Leben in kleinere Bereiche wie Örtlichkeit, Kinder, Essen, Ordnunghalten in der Wohnung usw. unterteilt haben, um Themen zu bieten, die den durchschnittlichen Besucher ansprechen. Chung: In Erinnerung geblieben sind mir aus Licht gestaltete Exponate, die auf „Stadt des Lichts“, den Namen Gwangjus anspielen, und andere Gwangju-typische Designs. Lee: Gwangju war Gastgeber der Biennale. Da wäre es doch eine traurige Sache gewesen, wenn man nicht auch die Region als Marke positioniert und den Stolz der Bürger gestärkt hätte. Das Design für eine TaxifahrerUniform war z.B. ein Vorschlag, die Servicequalität in Gwangju zu verbessern. In jeder Stadt sind es doch oft die Taxifahrer, die der Reisende nach seiner Ankunft am Flughafen, Bahnhof oder Busterminal als erstes trifft und die ihn an sein Ziel bringen. Es würde doch einen guten Eindruck hinterlassen, wenn sie schmucke Uniformen trügen. Im selben Kontext haben wir auch die
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1 Gartendesign — das Feld designen , das gemeinsame Werk des Architekten Choi Siyoung und der Gartendesignerin Oh Gyeong-a, ist vor der Hauptausstellungshalle zu sehen. 2 Der Innenhofgarten Raumdesign mit Motiven der östlichen Kunst von Innenarchitektin Chang Eung-bok.
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Mülltüten für die fünf Bezirke von Gwangju gestaltet. Geht man die Straße entlang, stößt man oft auf Haufen geschmackloser Mülltüten aus schwarzem oder intransparentem Plastik. Zwar handelt es sich lediglich um nutzlosen Müll, aber wäre es nicht viel lustiger für all diejenigen, die ihn wegwerfen, ansehen oder entfernen, einen riesigen Elefanten auf der Tüte prangen zu sehen? So könnte aus der Mülltüte eine Art tolle weiche Skulptur werden. Hierin liegt die Kraft des Designs. Chung: Das Design für die Verpackung von kleinen Mengen von neun Sorten Edelreis aus der Provinz Jeollanam-do soll als gleich umsetzbar gut aufgenommen worden sein. Lee: Reis ist etwas, das wir täglich verzehren. Auch wenn wir ihn regelmäßig kaufen, kümmern wir uns doch wenig um die Verpackung. Im besten Fall sind
auf der Verpackung Reisähren, Herkunftsregion und Schleifdatum aufgedruckt. Der Reiskonsum soll derzeit abnehmen. Reis ist aber wesentlicher Bestandteil der koreanischen Identität, das dürfen wir nicht ignorieren. Was sollten die Designer also tun? Sie sollten nach Wegen zur Ankurbelung des Reisverbrauchs suchen. Für den Einzelkonsumenten, der zögert, Reis in großen Mengen zu kaufen, sollten kleine Mengen in attraktiven Verpackungen angeboten werden. Wie wäre es mit speziellen Cafés, in denen die gewünschte Reismenge an Ort und Stelle geschliffen wird? Designen bedeutet hier auch einen Ort schaffen, an dem die Gäste statt Kaffee den Reispunsch Sikhye trinken und mit ihren Nachbarn plaudern, während sie zuschauen, wie der von ihnen bestellte Reis geschliffen wird. Design gibt Anstöße für eine neue Kultur.
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„Wovon soll Korea in Zukunft leben? Sollte es nicht letztendlich zu einem Land entwickelt werden, das Designtrends anführt? Einfach ausgedrückt, ein Land, das behaupten kann 'Das ist zurzeit in Mode' oder 'In Südkorea kann man was über Design lernen', das ist mein Wunsch.“
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1 Teil der Ausstellung 40 kleinere Werke , auf der durch einen DesignWettbewerb ausgewählte Arbeiten von Nachwuchstalenten gezeigt wurden. 2 Abfalltüten mit Elefanten-Aufdruck für die 5 Stadtbezirke von Gwangju, entworfen vom Universal Package Design Center, einer Designstudenten-Gruppe der Chosun University.
„Lasst uns Asien durch Design verbinden“ Chung: Es war etwas Besonderes, dass es bei der Biennale im Gegensatz zu gewöhnlichen Ausstellungen keine Stände oder Trennwände gab. Lee: Als ich mit der Leitung betraut wurde, habe ich mir den Kopf darüber zerbrochen wie man die Umweltbelastung reduzieren kann. Bei den DesignMessen, die ich bislang organisierte, mussten am Ende immer Unmengen von unnütz gewordenem Zeug weggeworfen werden. Das tat mir immer in der Seele weh. Deshalb wurde dieses Mal ein „Ökosystem“ eingeführt. Wir haben versucht, das Müllaufkommen zu reduzieren, indem wir recycelbare Wellpappe und Textilien verwendeten, die weich und staubabweisend sind. Ich hatte Sorge, ob das Material die 59 Tage überstehen würde, aber zum Glück gab es keine Probleme. Ich denke daran, es auch in Zukunft bei Ausstellungen zu benutzen. Chung: Istanbul ist weltweit als Stadt bekannt, die sowohl eine Kunst- als auch eine Design-Biennale abhält. Es wäre schön, wenn sich auch Gwangju in dieser Hinsicht noch stärker profilieren könnte. Lee: Als Generaldirekorin habe ich mir verstärkt Gedanken über die Rolle Südkoreas in Asien gemacht. Und mir kam der gewagte Gedanke: „Lasst uns Asien durch Design verbinden! Wovon soll Korea in Zukunft leben? Sollte es nicht letztendlich zu einem Land entwickelt werden, das Designtrends anführt? Einfach ausgedrückt, ein Land, das behaupten kann 'Das ist zurzeit in Mode' oder 'In Südkorea kann man was über Design lernen', das ist mein Wunsch.“ Chung: Sprechen Sie von der Kreativwirtschaft, die derzeit in aller Munde ist? Lee: Kreativwirtschaft oder Kreativindustrie, das ist ja alles schön und gut. Aber das System steht auf wackeligen Beinen. In der Realität reden wir nur von Kreativindustrie, ohne das notwendige Budget für den Bereich „Kreativität“ bereitzustellen. Der Rahmen muss geändert werden. Wenn wir ein Budget von 1.000 Won haben, dann müssen wir bereit sein, 800 oder 900 Won in die schwer mit dem bloßen Auge erkennbare Kreavität zu investieren, auf der eine solche Industrie aufgebaut werden kann. Dann braucht es auch Balance bei der Zusammenarbeit. Einfach gesagt, wir leben zwar in einer Zeit, in der „Leute mit Köpfchen“ leichter Erfolg haben können, aber wenn es keine „Leute mit Händchen“ 2
für die praktische Umsetzung gibt, nützen schöne Ideen und geistige Genialität nichts. Jedoch gibt es die weit verbreitete Tendenz, dass die klugen Köpfe reich belohnt werden, während die körperlich Arbeitenden gering geschätzt werden. Ich denke, dass Design auch einen Beitrag dazu leisten kann, die Disparität, die die Schere zwischen Arm und Reich weiter auseinanderklaffen lässt, zu verringern. Chung: Könnte wohl das Konzept der „alten Zukunft“, mit der diese Disharmonie bis zu einem gewissen Grade aufgelöst werden kann, auch aufs Design angewendet werden? Lee: Die heutzutage in den Museen vorhandenen Relikte sind grob gesagt alle sogenannte Industrieprodukte aus der Vergangenheit. Sie wurden in großen Mengen hergestellt und viel benutzt, weshalb vieles erhalten geblieben ist. Umgekehrt bedeutet das, dass die Produkte, die wir derzeit am meisten konsumieren, i.e. unsere Kultur, in weit entfernter Zukunft als Traditionen der Vergangenheit im Museum landen werden. Es ist daher nicht abwegig zu sagen, dass wir jetzt die „Tradition der Zukunft“ benutzen. Deshalb ist Design so wichtig. Design erschafft die menschliche Kultur der Gegenwart und der Zukunft, als Konsumprodukt, aber auch als Relikt. Chung: In den 1970er Jahren, als selbst der Begriff „Design“ in Südkorea kaum bekannt war, arbeiteten Sie als Reporterin in der Redaktion des Fachmagazins Design. In den 1980er Jahren haben Sie schließlich das Magazin übernommen. Haben Sie es nie bereut, Ihr ganzes Leben dem Herausbringen von Design-Magazinen gewidmet zu haben? Lee: Unsere Firma feiert nächstes Jahr ihr 37-jähriges Jubiläum. Letztes Jahr haben wir das erste Mal schwarze Zahlen geschrieben. Meinen 60. Geburtstag habe ich nach nunmehr 20 Jahren Living Design Fair und 11 Jahren Design Festival gefeiert. Für eine kleine Firma wie unsere ist das eine großartige Leistung. Es war zwar nur ein Tropfen auf den heißen Stein, aber bereuen tue ich nichts. Rückblickend bin ich stolz darauf, dass die Konsumenten durch meine Arbeit bewusster und kritischer geworden sind. Zurzeit bin ich voll damit beschäftigt, nur über Design zu sprechen, alles andere bleibt außen vor. Ich konzentriere mich darauf, fürs Design meinen Denkhorizont zu erweitern und meine Ideenvorrat zu erweitern. In Zukunft ist es meine Aufgabe, Design-Talente zusammenzubringen, sie zu organisieren und sie noch kreativer werden zu lassen. Meine letzte Arbeit wird die einer „Design-Koordinatorin“ sein.
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verliebt in korea
Dr. Joshis Entschluss, Arzt zu werden, wurde inspiriert von dem Enthusiasmus der koreanischen Ă„rzte, die Freiwilligeneinsatz in Nepal leisteten. Das Foto zeigt ihn zusammen mit seinen Eltern auf Koreabesuch, sowie seiner Frau und Schwiegermutter.
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ittwoch nachmittags um zwei Uhr ist die Bauer-Halle auf dem Seongseo-Campus der Keimyeong Universität in Daegu von der geräuschvollen Geschäftigkeit der Studenten erfüllt. Doch es gibt eine Tür in diesem Gebäude, hinter der sich ein Ort voller Ruhe befindet: die Ambulanzstation der Universität. Bei der Tür handelt es sich um eine schon etwas alte Holztür, doch sie scheint wie eine schalldichte Wand zwischen Außen und Innen zu fungieren, was der ruhigen Stimme Dr. Joshis zu verdanken ist. Von dieser herzlichen und freundlichen Stimme geht eine magische Kraft aus, die eine Atmosphäre der Ruhe schafft.
Rezepte, die von Herzen kommen Zurzeit absolviert Dr. Joshi sein drittes Jahr als Assistenzarzt in der Abteilung für Familienmedizin der Keimyeong Universität. Zweimal pro Woche bietet er auf freiwilliger Basis von 14.00 bis 16.30 Uhr medizinische Betreuung für Studenten und Lehrkräfte an. Am Tag
Ärzte. Als ein Student aus China im gebrochenen Koreanisch sagte „Ich habe seit einigen Tagen Kimchi.“, erwiderte er: „Ah, Sie meinen Gichim [Husten], nicht Kimchi. Aber vergessen Sie das Kimchi nicht, bei Erkältung hilft es nämlich, Kimchi zu essen.“ Der Student, der offenbar unter dem Leben in der Fremde litt, entspannte sich zusehends. Er hatte den Behandlungsraum mit depressiver Mine betreten, verließ ihn aber mit einem schüchternen Lächeln. Während Dr. Joshi ihm ein Rezept ausstellte, fügte er als Heilmittel die Wärme seines Herzens hinzu: Er erzählte, dass auch er lange Zeit Auslandsstudent in Korea war und dass das Lernen zwar wichtig sei, aber um gesund zu bleiben sei es genau so wichtig, Freundschaften zu schließen oder in Studentengruppen aktiv zu sein. Dr. Joshi freute sich, als ich ihm sagte, mit seiner sanften Sprechweise und seinen tröstenden Augen wirke er mehr wie eine Mutter als wie ein Arzt. „Ich bemühe mich, dass sich die Patienten bei mir wohl fühlen. Ein Arzt ist meiner Meinung nach jemand, der sich zunächst um die Heilung der Seele kümmern sollte. Ich versuche nie zu vergessen, was für einen großen Einfluss das Wort des Arztes auf einen Kranken haben kann.“
Eine Brücke in einer multikulturellen Welt
Behandlung in fünf Sprachen Dr. Joshis Koreanisch klingt völlig natürlich. Sein Daegu-Dialekt ist charmant und freundlich. Nach eigener Aussage sei er zwar schon vor 21 Jahren zum Studium nach Dr. Rajesh Chandra Joshi arbeitet als Arzt für Familienmedizin. Er ist der erste nepalesiKorea gekommen, aber es falle ihm generell leicht, sich fremde Sprasche Arzt in Korea und er brauchte drei Mal länger als seine Kollegen, um die Approbachen anzueignen. Abgesehen von tionsprüfung zu bestehen. Dr. Joshi studierte zwar mit dem Ziel, möglichst schnell Arzt seiner Muttersprache Nepalesisch zu werden und dann in die Heimat zurückzukehren, doch nun bemüht er sich, in Korea ist er fließend in Indisch, Pakistani, eine Vermittlerrolle zwischen Heimat- und Gastland zu spielen. Englisch und Koreanisch. Deshalb suchen ihn auch besonders viele Park Hyun-sook Freie Schriftstellerin | Fotos: Ahn Hong-beom ausländische Patienten auf. Es sind vor allem Landsleute, die für ein Industriepraktikum, zum Studiedes Interviews gab es ein ständiges Kommen und Gehen von Patiren oder auch zum Heiraten nach Korea gekommen sind, denen er enten, die „Dr. Rajesh“ sprechen wollten. Eine Studentin, erklärals Arzt, aber darüber hinaus auch als Betreuer und Ratgeber zur te auf meine Nachfrage: „Ich kann es nicht richtig beschreiben, Seite steht. Manchmal klingelt sein Telefon noch um ein, zwei Uhr aber er ist einfach ganz anders als andere Ärzte! Wenn Sie mit ihm in der Frühe. Dabei kann es sich um Fälle plötzlichen Unwohlseins sprechen, werden Sie schon wissen, was ich meine.“ handeln, aber auch um diverse Alltagsnöte, die den Anrufer plagen. Meine so angestachelte Neugier wurde nach und nach gestillt, als „Ich versuche dann, so gut es geht, zu helfen, denn schließlich weiß ich ihm bei der Behandlung von Patienten zusah. Als er eine Stuich, dass die Anrufer tagsüber oft viel zu beschäftigt sind, um mich dentin mit Magenverstimmung die üblichen Fragen nach Zeitpunkt anzurufen. Ich sage ihnen z.B., dass sie einen Dr. Soundso in der Notund Art des Essens sowie nach den Symptomen stellte, wirkte aufnahme eines bestimmten Krankenhauses aufsuchen und dass er wie ein gewöhnlicher Arzt, aber bei ihrer Antwort, dass sie am dieser sich dann mit mir in Verbindung setzen soll. Oder dass sie zum Abend zuvor Alkohol getrunken und Meeresschnecken dazu gegesBezirksamt gehen, sich einen Beratungstermin geben lassen und sen hatte, hakte er nach: „Haben Sie alleine oder in Gesellschaft mir die Kontaktdaten des Sachbearbeiters mitteilen sollen, damit ich getrunken? Ach so, alleine! Warum denn alleine? Deshalb ist Ihr diesen gegebenfalls dort anrufen kann. Zuletzt sagte mir ein junger Magen in Aufruhr!“ Er verhielt sich eindeutig anders als andere
Dr. Rajesh Chandra Joshi
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dazu bewog, nach Südkorea zu gehen. Inzwischen nehmen ProfesMann dass er nur mit mir zu reden bräuchte, und schon würde er sor Jeong und Professor Lee Gyu-seok von der dermatalogischen sich besser fühlen. Solche Worte lassen einem das Herz aufgehen.“ Abteilung der Yeungnam Universität sogar eine Art Vaterrolle für Dr. Joshi sagt, dass ihn das gute Gefühl, jemandem, der fern der ihn ein. „Beide Professoren betreiben mit großer Leidenschaft Heimat in Not ist, geholfen zu haben, die vom Schlafmangel verurmedizinische Hilfe in Nepal und sie haben meine Ausbildung von sachte Müdigkeit im Nu vergessen lässt. Seit ihm von der über 500 Anfang bis Ende begleitet. Sie unterstützten mich mit Stipendien Mitglieder starken Vereinigung nepalesischer Studenten in Korea und ermutigten mich, fleißig zu studieren und möglichst untereine Dankesplakette für seinen unermüdlichen Einsatz verliehen schiedliche medizinische Erfahrungen in Südkorea zu sammeln, wurde und er im März diesen Jahres zum Ehrenbotschafter mulum einmal ein großer Arzt in Nepal zu werden.“ tikultureller Familien in der Provinz Gyeongsangbuk-do ernannt wurde, fühlt er eine noch größere Verantwortung, zu helfen. Des Weiteren ist er MitDr. R. C. Joshi ist nicht nur für die medizinische Versorgung von glied von Love Nepal, der nepalesischen Vereinigung von Immigranten in Südkorea, jungen Industriepraktikanten, Frauen, die nach Korea geheiratet haund der Organisation Namaste, die sich für ben, oder ausländischen Studenten zuständig, sondern übernimmt nepalesische Kinder mit problematischem Familienhintergrund einsetzt. Die Mendarüber hinaus auch die Rolle eines Betreuers und Beraters. Es schen um ihn herum machen sich zwar Sorgen, dass er sich überarbeiten könnte, aber kommt immer wieder mal vor, dass sein Telefon auch noch um ein, für ihn, der aus dem Wunsch zu helfen die zwei Uhr nachts klingelt. „Zuletzt sagte mir ein junger Mann dass Arztlaufbahn eingeschlagen hat, ist die hohe Arbeitsbelastung vielleicht nur natürlich. er nur mit mir zu reden bräuchte, und schon würde er sich besser Seit nunmehr über 10 Jahren reist er jährlich fühlen. Solche Worte lassen einem das Herz aufgehen.“ während seiner ein bis zwei Urlaubswochen zusammen mit koreanischen Ärzten nach Nepal, um auf freiwilliger Basis medizinische Hilfe zu leisten. Vor 20 Jahren hat er solche Ärzte im Freiwilligeneinsatz in seiner Heimat Prüfungshürden, so hoch wie der Mount Everest noch mit neidischem Blick bedacht, heute ist er einer von ihnen. Dr. Joshi, der nur noch eine jüngere Schwester hat, wurde in eine „Es hat mich sehr bewegt zu sehen, mit welcher Leidenschaft die vergleichsweise wohlhabendes Familienumfeld geboren: Sein koreanischen Ärzte Freiwilligeneinsatz in Nepal leisteten. Ich war Vater war Beamter im Vizeministerrang im nepalesischen Wirterstaunt, dass sie ihren ganzen Jahresurlaub dafür opferten. Ich schaftsministerium. Er wuchs mit einer Vorliebe für Musik, Maledenke, das Edelmütigste, was ein Mensch für einen anderen tun rei und Filme auf und dank seines ausgeprägten Sinns für Humor kann, ist gerade das, was ein Arzt tut. Ich habe Menschen gesehatte er viele Freunde. Erst in Korea habe er den Ernst des Lebens hen, die mit einem kranken Familienmitglied gekommen sind, das zu spüren bekommen, sagt er. sie drei Tage und Nächte auf ihrem Rücken trugen, wobei sie sich „Koreanische Schüler lernen wirklich mit Feuereifer. Und nur die lediglich von einigen Stücken Gerstenbrot ernährten. Auch traf ich Besten von ihnen erhalten die Zulassung für ein Medizinstudium. Menschen mit Behinderungen, die in tiefster Armut lebten. Das Ich hatte mich also wirklich auf einen dornengespickten Leidensweg machte mir schwer zu schaffen. Angesichts dieser Menschen verbegeben. Das Alltagskoreanisch machte mir noch Schwierigkeiten, festigte sich in mir der Wunsch, Arzt zu werden, und ich beschloss, weshalb mir das Lernen der medizinischen Fachbegriffe erst recht nach Korea zu gehen.“ schwer fiel. In Nepal gibt es nur subjektive Prüfungsformate, hier in Die meisten Nepalesen zieht es in Länder mit ähnlichen Sprachen Korea sah ich mich zum ersten Mal mit Multiple-Choice-Tests konwie Indien oder Pakistan oder nach Großbritannien und in die USA, frontiert, mit denen ich zunächst überhaupt nichts anfangen konnte. wo Englisch gesprochen wird, das für Nepalesen die zweite SpraDas Medizinstudium im Ausland war eine Qual für Dr. Joshi. Da er che ist. Die koreanischen Ärzte hinterließen allerdings einen groSchwierigkeiten hatte, den Vorlesungen zu folgen, und seine Prüßen Eindruck bei Dr. Joshi und auch seine Tante und sein Onkel, fungsergebnisse entsprechend schlecht waren, stand er unter ständie an der Ehwa Frauenuniversität bzw. an der Seoul Nationaldigem Stress. Immer wieder machte er sich Selbstvorwürfe, dass universität studiert hatten, hatten ihm Südkorea nahe gebracht. er so verrückt gewesen war, ein solch schweres Studium zu beginNicht zuletzt war es die bedingungslose Unterstützung von Dr. nen. Nach zwei Urlaubssemestern und einmal Durchrasseln bei Jeong Seong-deok, einem ehemaligen Professor für Neuropsyden Prüfungen zu Semesterende überlegte er sogar, auf Betriebschiatrie an der medizinischen Fakultät der Yeungnam Universität wirtschaftslehre zu wechseln. „Mit BWL kann ich meiner Mutter im und ein enger Bekannter des Onkels seiner Mutter, die Dr. Joshi Geschäft helfen oder Geld verdienen und arme Menschen unterstüt-
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als er dann das medizinische Staatsexamen bestand, war er so zen,“ dachte er sich. Doch eine koreanische Nuna (ältere Schwesglücklich, als hätte er den Mount Everest erklommen. ter), die er bei der Betreuung von Industriepraktikanten aus Nepal kennen gelernt hatte, sagte ihm gründlich die Meinung. „Sie schimpfte mit mir, dass man in Nepal große Hoffnungen in Ein weiterer Traum mich setzen würde und wie ich das nur meinen Eltern antun könne, Da es ihn dreimal so viel Zeit wie andere kostete, das StaatsexDie Schelte ließ mich zwar fast in Tränen ausbrechen, brachte mich amen zu bestehen, verbringt der 1971 geborene Dr. Joshi seine dann aber doch zur Besinnung. Diese Frau ist inzwischen meine Assistenzarztzeit mit Kollegen der Geburtsjahrgänge 1985-86. Schwiegermutter!“ Aus seinen einstigen Kommilitonen sind in der Zwischenzeit zwar Aufgrund der Verständnisprobleme bei den Vorlesungen gab Dr. Joshi schon Professoren geworden, aber das lässt Dr. Joshi nicht ungees auf, sich Notizen zu machen. Statt dessen nahm er die Vorlesungen duldig werden. Vielmehr sieht er die Erfahrungen aus der Verganauf und lernte, indem er sie sich immer und genheit als etwas Wertvolles an. Nachdem immer wieder anhörte. Nach und nach verer das dritte Mal durch die Prüfung gefalstand er auch die Mitschriften seiner Komlen war, tröstete seine Schwiegermutter militonen, die er zu Beginn nicht einmal hatte ihn: „Irgendein Arzt soll erst nach 10 Jahentziffern können. So überwand er seine ren bestanden haben. Jeder lebt anders. Schwierigkeiten und schloss den eigentDer eine ist schneller, der andere etwas lich sechsjährigen Studiengang schließlich langsamer! Doch je langsamer einer ist, nach neun Jahren ab. Danach versuchte er umso interessanter ist seine Geschichte.“ sich 2007, um „Erfahrung zu sammeln“, am Diese Worte haben ihm seitdem immer medizinischen Staatsexamen und fiel - wie wieder Mut gemacht. erwartet - durch. „Früher wollte ich so schnell wie möglich 2008, als er seinen zweiten Versuch starteArzt werden und nach Nepal zurückkehte, heiratete er. Seine Frau Jeong Se-yeong ren. Doch inzwischen gibt es auch in meiner ist die Tochter der oben erwähnten Nuna, Heimat immer mehr Ärzte. Da heutzutage die er schon seit dem ersten Semester viele Nepalesen nach Korea kommen, bin im Vorbereitungskurs der medizinischen ich jetzt eher der Ansicht, dass es unbedingt Hochschule näher kannte. Seine Heieines Vermittlers bedarf, der ihnen hilft, rat machte ihn nur noch entschlossener, sich in Korea zurechtzufinden. Ich möchdas Staatsexamen unbedingt zu bestete nicht nur den Nepalesen helfen, sondern hen. Frühmorgens machte er sich auf in auch anderen ausländischen Arbeitern oder Dr. Joshi stellt immer viele Fragen, da seiner Meinung die Bibliothek und kehrte erst spät in der Frauen, die nach Korea geheiratet haben, nach ein gutes Rezept nur dann ausgestellt werden kann, wenn Arzt und Patient sich einander öffnen. Nacht zurück. Und auch seine Frau unterund für die es schwierig ist, medizinische stützte ihn, indem sie ihm morgens eine Leistungen zu erhalten. Das bedeutet aber Lunchbox zubereitete und als Nachhilfelehrerin den Lebensunternicht, dass ich meinen Traum aufgegeben habe, das medizinische halt verdiente. Anstatt sich die Inhalte der dicken medizinischen Umfeld in Nepal zu verbessern. Ich habe meinem ursprünglichen Fachbücher alleine anzueignen, lernte er mit Freunden, die zu den Traum vielmehr noch einen hinzugefügt.“ Top-Studenten gehörte, indem er ihnen Fragen stellte. Dadurch Dr. Joshi sagt, dass er während seines Studiums in Daegu immer wurde er vertraut mit ihrer Art zu denken und die Lösungen für die das fortgeschrittene medizinische System des UniversitätskranAufgaben zu formulieren. Dennoch sollte sich das Tor zum Erfolg kenhauses bewundert habe. Mit Geld kann man zwar die modernsnicht leicht öffnen lassen: Zweimal scheiterte er nur knapp und te medizinische Ausstattung anschaffen, ein effektives medizinibeim dritten Versuch fehlten ihm gar nur drei Punkte. sches System erfordert jedoch die umfassende Entwicklung von „Ohne die Menschen um mich herum hätte ich es nicht geschafft. Ausbildung, Technologie, Personal und Organisation. Deswegen Ich konnte meine Frau, meine Schwiegereltern, meine Eltern, meine möchte er das koreanische System der Krankenversicherung, der Professoren und meine Freunde einfach nicht enttäuschen. Am Ende Gesundheitsämter und Ambulanzstationen in Nepal einführen. habe ich sogar mit Probetests gearbeitet, die aus Fragen aus den früEs liegt wohl daran, dass Dr. Joshi sein Staatsexamen erst im vierheren Prüfungen bestanden, und so schaffte ich die Approbationsten Anlauf bestand, dass er lachend sagt: „Jetzt habe ich kein Interprüfung schließlich im vierten Anlauf.“ esse mehr an Dingen, die keine Probleme machen!“ Es heißt, dass Die Prüfungsvorbereitungen bereiteten ihm zeitweise dermaßen etwas Großes zu schaffen auch entsprechend länger braucht. Für Stress, dass er sieben Kopfschmerztabletten am Tag nehmen Dr. Joshi stehen die Zeichen also gut, einmal ein „großer Arzt“ zu musste und wegen der Anspannung unter Schlaflosigkeit litt. Doch werden. K o r e a n a ı W i n t e r 2 0 13
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unterwegs
DMZ-Kunstausstellung Erinnerungen an Krieg und Liebe zum Land Seit 60 Jahren ist die Demilitarisierte Zone (DMZ) ein Relikt des Koreakrieges, der bis heute mehr oder weniger großen Einfluss behielt, sei es in Erinnerungen und Bewusstsein des Einzelnen oder auf die Menschen der Region, die Gemeinschaften und auf Korea als Ganzes. In Cheorwon, direkt südlich des stark bewaffneten Grenzstreifens gelegen, sind die Erinnerungen an diesen Teil der Geschichte am lebhaftesten erhalten, weshalb die Stadt vor kurzem als Bühne für die Kunstausstellung
Real DMZ Project diente.
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Kim Yoo-kyung Journalist | Fotos: Ahn Hong-beom Korean i s ch e Ku l tu r u n d Ku n s t
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ine Kunstausstellung in der DMZ? 60 Jahre nach Kriegsende ist aus einer Soldatenstadt eine Touristenattraktion und schließlich gar eine Kunststätte geworden. Cheorwon war in diesem Jahr schon zum zweiten Mal Bühne für das Real DMZ Project, eine Kunstausstellung im großen Stil. Die diesjährige Ausstellung (27.7.-22.9.2013) trug den Titel Real DMZ Project 2013: Borderline und stellte mit über 20 Fotos, Gemälden, Videopräsentationen und Installationen entlang der unter dem Thema „Sicherheit“ stehenden Touristenroute Cheorwons eine einzigartige Erfahrung dar. Auf ihrem Rundgang wurden die Besucher beim Betrachten der Werke von 12 Künstlern aus 11 Nationen, die eine Neuinterpretation der Bedeutung der DMZ aus heutiger Sicht gewagt hatten, zu einer jeweils eigenen Bewertung dieser schwer bewaffneten Militärzone angeregt. Kim Seon-jeong (Artdirektorin des Artsonje Center in Seoul), die Artdirektorin des Projekts war, bemerkte dazu: „Das Real DMZ Project ist ein Projekt, das aus geisteswissenschaftlicher und künstlerischer Perspektive die verschiedenen Probleme erforscht, die die DMZ für unser Leben und unsere Kultur mit sich bringt.“
Entmilitarisierung und Zugvögel Meine Erinnerungen an den Koreakrieg sind so dunkel, dass ich auf der Fahrt zur Ausstellung selbst der Bushaltestelle in Yeonhuidong mit der alten militärischen Standortmarkierung „Yeonhui Plateau 104“ keine Beachtung schenkte. Je näher ich der Stadt Cheorwon kam, umso mehr Einrichtungen von militärischem Charakter und mit Bezug zur DMZ gab es. Darunter auch eine zum Schutz von Zugvögeln, die einen fühlen ließ, wie viel Zeit nach dem Ende des Kriegs verflossen war. Auch die Tatsache, dass man zu einer Kunstaustellung nach Cheorwon fährt, weist darauf hin. Die Zeit ließ einen Teil des Militärgebietes sich in eine touristische Sehenswürdigkeit und sogar in eine Bühne der Kunst verwandeln. Die Teilnehmer der diesjährigen DMZ-Kunstausstellung gehören alle der Nachkriegsgeneration an, ein Zeichen dafür, dass der Krieg doch nicht in Vergessenheit geraten ist. Die Ausstellung glich einer Blume, die auf den Trümmern des Kriegs gewachsen ist. Cheorwon in der Provinz Gangwon-do gilt als Ort, an dem während des Koreakrieges die meisten Kämpfe ausgefochten wurden. Und auch heute noch herrscht in dieser von Militär und Landwirtschaft geprägten Kleinstadt eine Atmosphäre der Anspannung. Eine beträchtliche Anzahl der Bewohner bestellt nach wie vor die Reisfelder in der Zivilen Kontrollzone der DMZ. Die Ruine des einstigen regionalen Hauptquartiers der nordkoreanischen Arbeiterpartei ist mittlerweile sogar ein Registriertes Kulturgut. Und selbst der
Blow Up von Back Seung-wooh war im Rahmen von From the North zu sehen, einer Sonderausstellung im Artsonje Center in Seoul, die das Real DMZ Project 2013 in der Nähe der DMZ in Cheorwon, Provinz Gangwon-do, ergänzte. Gezeigt wurden Vergrößerungen von Zufalls-Schnappschüssen, die nach der nordkoreanischen Zensur von den Aufnahmen, die der Fotograf bei seiner Nordkorea-Reise 2005 gemacht hatte, übrig geblieben waren. Fotomontage von 40 digitalen Pigmentdrucken, 265 x 504 cm, 2005-2007. K o r e a n a ı W i n t e r 2 0 13
Tourismus entwickelte sich: Man mag es kaum glauben, aber am Fluss Hantan-gang lassen sich auch neuartige Sportarten wie Rafting oder Bungee-Jumping betreiben und in der Umgebung gibt es viele auf Süßwasserfische spezialisierte Restaurants. Baek Su-hyeon, der Besucher an diesem Ort herumführt, erklärte: „Das Wichtigste für die Bewohner hier sind das Land, auf dem sie schon immer gelebt haben, und die Felder, auf denen ihre Ernte wächst.“ Sie pflügen Felder um, in denen einst Minen lagen. Ihr Angewiesensein auf dieses Land und ihre tiefe Liebe zu ihm reicht über alle Ideologien hinaus und ist so notwendig wie das Atmen. Die Werke auf der diesjährigen Ausstellung zeigten die verschiedenen Sichtweisen, mit der die Künstler auf diesen Ort der Konfrontation zwischen Nord und Süd blickten. Ein mit den heutigen Kunsttendenzen weniger vertrauter Betrachter mag sich dabei zwar fragen, was Kunst und was Realität ist, doch unbestritten ist, dass die Werke die durch Kunst erlebte Geschichte akkumulieren. Der Ire Jesse Jones gab im Auditorium des Tourismusbüros des Schlachtfeldes des Eisernen Dreiecks eine Performance mit dem Titel Psychic Reunificaion Project, bei der eine Kartenleserin in einer geheimnisvollen Atmosphäre zu den Klängen der Wölbbrettzither Gayageum Tarot-Karten aufdeckte, um Lösungen für die gegenwärtigen innerkoreanische Fragen zu finden. Dabei wirkte diese interaktive Vorstellung, bei der Fragen aus dem Publikum anhand der Tarot-Karten beantwortet wurden, auch wie eine Pressekonferenz, auf der über die ernste politische Situation diskutiert wird. „Wird es zur Wiedervereinigung kommen?”, „Wird Kim Jeong-un an der Macht bleiben?“, „Wird es zu einem bewaffneten Konflikt kommen?“, „Werden Kernwaffen eingesetzt?“, „Werden die Reisen ins nordkoreanische Geumgang-Gebirge wieder aufgenommen?“ Für diese Fragen wurden jeweils Tarot-Karten aufgedeckt und auf einen großen Bildschirm projiziert. Das Lesen der Karten brachte folgende Voraussagungen: „Eine Vereinigung ist nicht leicht. Alleine schon die gegenwärtigen Probleme sind schwer in den Griff zu bekommen. Letztendlich wird es zu einer Verständigung durch Dialog kommen. Das Geumgangsan-Tourismusprojekt wird wieder aufgenommen, da beide Seiten das gleiche Ziel verfolgen.“ Die Voraussagen erinnerten an Expertenanalysen zur gegenwärtigen Situation. Keiner der Besucher, deren Blicke auf die Bühne fixiert waren, lachte. Angesichts der Realität der DMZ wird jeder ernst.
Ein Bahnhof ohne Zugverkehr Yun Su-yeon aus Korea, die sich durch feinsinnige Fotoarbeiten ausdrückte, die Menschen bei der Feldarbeit in der Zivilen Kontrollzone oder bei Bauarbeiten innerhalb der Militärzone zeigen, sagte über diese Orte, die sie zum Fotografieren mehrmals aufgesucht hatte: „Zu Beginn hatte ich schon etwas Angst, doch die Stille und Friedlichkeit, die ich dort vorfand, überraschten mich, so dass ich mir wünschte, ein Teil davon zu werden.“ Das Foto eines Bauernpaares, das beim Pflanzen von Reissetz-
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Auf dem Friedens- und Kulturplatz vor dem Bahnhof Woljeong-ri waren große, einander ergänzende Motive der Stille arrangiert: der verrostete Zug, der verlassene Bahnhof, Basaltbrocken und Einsamkeit. So an einem Fleck versammelt erklärten sie die 60 Jahre der Stille im Niemandsland der DMZ. lingen eine Pause macht, wurde wie eine Anschlagtafel an einer Stelle installiert, von wo aus man direkt auf den Berg Oseong-san in Nordkorea blickt. Es handelt sich um eine Kreuzung mit einer Reihe von Wegweisern, die die Richtung zu verschiedenen Kirchen angeben. Auf den Reisfeldern daneben sammeln sich Zugvögel und auf dem in der Nähe befindlichen alten Militärkontrollpunkt steht noch der alte Schlachtruf der Cheongseong-Truppeneinheit geschrieben. Zu dieser Stunde sind hier keine Anwohner zu sehen. Wird man sie wohl zu Gesicht bekommen, wenn sie von ihrer Feldarbeit aus der Zivilen Kontrollzone heimkehren? Der Bauer auf dem Foto soll zu seinen Nachbarn gesagt haben: „Mein Gesicht ist zwar bedeckt, aber das bin ich.“ Es dürften aber wohl mehr Touristen als Ortsansässige sein, die sich dieses Werk ansehen. Zu den Exponaten in der DMZ Friedens- und Kulturhalle gehörte das Foto Brotherhood of War - B Camera von Jung Yeondoo, das Kriegsszenen zeigt, die an Taegukgi - Brotherhood of War , den gleichnamigen Film von Kang Je-gyu, erinnern; weiterhin ein Ölgemälde mit dem Titel Tour von Hwang Se-jun, das die DMZ mittels Collagetechnik wie ein ideologisches Phantom darstellt, oder Oh Hein-kuhns Werk Let’s Try, We Can Do It! the Army Infantry School , das Aspekte der Militärkultur anhand von Aufnahmen von Militärangehörigen und Einrichtungen einfängt. Als ich das auf einem Felsen aufgemalte militärische Motto „Mach das Unmögliche möglich!“ sah, hätte ich fast gelacht. Aber dann wurde mir bewusst, wie todernst der Slogan gemeint ist. Der Bahnhof Woljeong-ri, die nördlichste Station der GyeongwonLinie (Seoul-Wonsan) in Südkorea, ist berühmt für sein Schild mit der Aufschrift „Das Stahlross will laufen“, das neben den Überresten eines langgestreckt vor sich hin rostenden Zugs steht. Als ich diese Szene vor langer Zeit zum ersten Mal sah, war ich tief beeindruckt, weil der Zug in seiner vollen Länge zu sehen war. An diesem Ort wirkte der Zug schon damals künstlerisch gehaltvoller als jedes reine Ausstellungsstück. Doch bekam ich nicht das Gefühl, den Zug wirklich gesehen zu haben, da das Kopfteil des Zuges viel zu weit nach vorne versetzt lag und viele andere Teile von Planen verdeckt waren. Der aufgegebene Bahnhof glich einem Filmset. Der kanadische Künstler Paul Kajander gab zusammen mit Grund-, Mittel- und Oberschülern neben einem Eislager aus der japanischen Kolonialzeit eine Performance, bei der der Begriff des Abbruchs mit Körperbewegungen und Stimme dargestellt wurde. Die dabei gemachten Fotos wurden mit Stimmaufnahmen Kajanders auf dem gottverlassenen Bahnhof präsentiert. Auf dem Friedens- und Kulturplatz vor dem Bahnhof waren gut
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aufeinander abgestimmte überdimensionale Exponate zu sehen, die die Stille einzufangen schienen. In einer Ecke des weiten Platzes stand das 7m hohe und 10m breite Werk des Singapurianers Heman Chong. Auf weißem Furnierholz waren in Schwarz die koreanischen Hangeul-Zeichen „백년의 고독“ zu lesen, ein Titel, der dem gleichnamigen Roman Hundert Jahre Einsamkeit von Gabriel Garcia Márquez entlehnt ist. Auf dem breiten Boden davor lagen zahlreiche große Basaltsteine, die man von den Feldern um Cheorwon hierher transportiert hatte. Die Installation stammte von dem Koreaner Koo Jeong A und trug den Titel Consciousness Dilatation. Ein verrosteter Zug, ein verlassener Bahnhof, Basaltbrocken und Einsamkeit – alle zusammen waren beredte Zeugen der 60-jährigen Stille der DMZ. Die Anwohner aus der Umgebung fragten sich zwar, was es mit Kunst zu tun habe, Steine von ihren Feldern zu holen und hier zu platzieren oder Zeichen auf eine Anschlagtafel zu schreiben. Doch die von den Werken freigesetzte Energie zeigte die Schönheit, die Vehemenz in sich birgt. Auf einer Seite des Platzes standen mit Gewehren bewaffnete Soldaten. Diese Szene, die für die Alltagsrealität der Region steht, stand im harten Kontrast zu den von einsamer Stille sprechenden Kunstwerken, was sie noch unwirklicher erscheinen ließ.
„Ich selbst bin ein Stück von Cheorwon“ Im Cheorwon Friedensobservatorium, zu der mich eine Einschienenbahn brachte, traf ich auf ein Werk, das den besonderen Empfindungen eines ausländischen Künstlers entsprang. Es handelte sich um das Video einer Augenlidoperation, aufgenommen von Fahrettin Orenli aus der Türkei, mit dem Titel The Emotion of Land, THE CUT by Post Cosmetic Surgery. Ähnlich wie sich die Modernisierung Südkoreas unnatürlich wie eine Schönheitsoperation vollzog, so sind nach Orenli auch die Beziehungen zwischen Nord und Süd unnatürlich. An einer Wand hingen Ölgemälde wie Rice Fields in Cheorwon , auf denen die ureigenste Liebe zum Land ausgedrückt wurde. Der Maler Kim Sunkyong war der einzige unter den ausstellenden Künstlern, der aus Cheorwon stammt und dort arbeitet. Er sagte: 1 Red House von Noh Sun-tag zeigt Arirang , Nordkoreas Massengymnastik-Vorführung. Archivalischer Pigmentdruck, 100 x 140 cm, 2005. 2 Tour von Hwang Se-jun, gezeigt in der DMZ Friedens- und Kulturhalle, beschreibt die Reise von den Ängsten des Kalten Krieges hin zur Hoffnung auf Frieden. Öl auf Leinwand, 162 x 920 cm, 2012. 3 Der Bahnhof Woljeong-ri hat längst seine ursprüngliche Funktion verloren. Während des Real DMZ Project 2013 wurde er für eine Fotoausstellung genutzt. Korean i s ch e Ku l tu r u n d Ku n s t
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„Ich liebe diesen Ort so sehr, dass ich nach meinem Kunsthochschulabschluss wieder hierher zurückgekehrt bin.“ Für ihn ist die Schönheit der Konturen der immer noch nicht geräumten Minenfelder und Reis- und Trockenanbauflächen, die sich dem Betrachter vom Gipfel des Berges Soi-san erschließt, eine Besonderheit der DMZ. In seiner Kindheit ging er oft zum einstigen Hauptquartier der nordkoreanischen Arbeiterpartei, wo er spielte und durch die Felder streifte. Heute sind verrostete Metallfragmente, die von militärischen Einrichtungen übrig geblieben sind, Patronenhülsen und Eisenbahngleise Motive seiner Bilder. „Ich betrachte mich selbst als ein Stück von Cheorwon”, sagte er und zeigte auf ein Selbstporträt mit Abendrot als Hintergrund. Auch das Gebäude der ehemaligen Kontrollstelle für Agrarprodukte in Cheorwon, von dem man auf die Nationalstraße 3 blickt, die im Krieg ein wichtiger Verkehrsweg war und heute für den BirdingTourismus genutzt wird, wurde als Ausstellungsraum verwendet. Eigentlich zur Qualitätssicherung von landwirtschaftlichen Produkten aus Cheorwon gedacht, geriet das Gebäude in Verruf, da hier unter der nordkoreanischen Regierung Anti-Kommunisten festgehalten und unter Einsatz von Folter verhört wurden. Es war ein Glück, anlässlich der Ausstellung einen Blick hineinwerfen zu kön-
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1 My Saintly Shelter (2012), eine Installation von Kim Lyang, steht vor dem ehemaligen Gebäude der Arbeiterpartei. Für diese weiße Stahlkonstruktion wurden Gitter wiederverwertet, die in der Cheorwon-Region einst für den Transport von Reissetzlingen von den Saatbeeten zu den Feldern verwendet wurden. 2 Im Winter wird Cheorwon zum Lebensraum für Kraniche. 3 Vor sich hin rostende Zugüberreste am Bahnhof Woljeong-ri, der nördlichsten Station der südkoreanischen Bahnlinie Gyeongwon (Seoul-Wonsan). Das verrostete Skelett des Zugs, der im Koreakrieg bei einem Luftangriff zerstört wurde, wird bis heute dort aufbewahrt.
nen, denn davor war das Gebäude nicht zugänglich gewesen. Lee Jooyoung hatte hier ihr Werk Monuments of Cheorwon #3: Financial Cooperative No. 2 untergebracht. Auf das eigentliche Kreditkooperativen-Gebäude gingen massive Bombardements nieder, so dass heute nur noch die Ruine erhalten ist und unter Schutz steht.
Rundwege auf dem Berg Soi-san Was die Kunst betrifft, so ist Cheorwon, wo es keinen einzigen Raum für Ausstellungen oder Vorführungen gibt, eine reine Wüste. Dennoch lassen sich hier künstlerische Wurzeln finden. In dieser Stadt, von wo aus ein Weg ins Diamantgebirge Geumgangsan führt, verweilte einst der namhafte Joseon-Landschaftsmaler Jeong Seon (1676-1759) zum Malen. Kim Sunkyong sagte: „Die Ausstellung wird auf die Bürger von Cheorwon eine gewisse Korean i s ch e Ku l tu r u n d Ku n s t
Schockwirkung haben, da sie ihnen implizit vor Augen führt, aus welch vielfältigen Perspektiven ihr Ort gesehen werden kann.“ Und für die Künstler bietet sie die wichtige Gelegenheit, zu fragen, wie die DMZ gesehen werden sollte. Der Popgruppe Seo Taiji and Boys , Ende der 1990er Jahre eine der angesagtesten Idolgruppen Südkoreas, diente das alte Gebäude der Arbeiterpartei als Kulisse für ihr Musikvideo Dreaming of Balhae. Wahrscheinlich war es das erste Mal, dass diese Ruine quasi zu Kunst erhoben wurde. Als danach die weltbekannte Sopranistin Sumi Jo für ein TV-Sonntagskonzert hier sang, sahen viele Anwohner die einstige Arbeiterpartei-Stätte, deren Ruinen in ein Lichtermeer getaucht waren, quasi zum ersten Mal. Während des Krieges feuerten vorbeiziehende Soldaten aus Angst vor einem möglichen Angriff oft wahllos auf dieses düstere Gebäude, in dem unzählige Menschen ihr Leben hatten lassen müssen. Heutzutage führt sogar eine Marathonstrecke hier vorbei. Die Kraft der Kultur und der Kunst heilt die Wunden des Krieges. Der Bergrücken vom Gipfel Sapseul-bong (neben dem DongsongStausee), auf den während des Korea-Krieges zwecks Eroberung
des Plateaus rund 50.000 Bomben niedergingen, über den Berg Soi-san (vor dem Gebäude der Arbeiterpartei) bis zum Gipfel Halmi-bong (in der Nähe des Touristengebiets am Pavillon Gosoekjeong) war Teil der Route, die in der Joseon-Zeit von Norden in die Hauptstadt Seoul führte. Es soll das Revier des koreanischen Robin Hood Im Kkeokjeong gewesen sein, woran heute noch das 2 Restaurant Im Kkeokjeong Garden erinnert. Cheorwon erstreckt sich in einer Höhe von 200m über dem Meeresspiegel. Es heißt, dass nach einem Regenschauer oft ein Zwillingsregenbogen über den Feldern zu sehen ist. Auf dem Berg Soi-san ist mittlerweile der Touristen-Rundweg Jiroekkotgil (Minenblumen-Weg) entstanden. Der Name klingt zwar nach Schlachtgemetzel, in Wirklichkeit handelt es sich aber um einen von den heimischen Bauern genutzten Weg, der von wundervollen Blumen gesäumt ist. Fremdenführer Paek Su-hyeon meinte: „Im Spätsommer sind die Felder hier wunderschön. Wollen Sie nicht wiederkommen?“ Ich erwiderte: „Ob sie im Norden von der Kunstausstellung hier wissen?“ „Höchstwahrscheinlich. Es ist schließlich eine Überwachungszone.“
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Cheorwon im Eisernen Dreieck Eine Stadt zwischen Anspannung und Frieden Kim Dang Managing Editor, OhmyNews | Fotos: Ahn Hong-beom
Vom Friedensobservatorium in Cheorwon blickt man auf nordkoreanischen Boden jenseits der DMZ.
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eographisch befindet sich Cheorwon im Zentrum der koreanischen Halbinsel. Nach der Befreiung von der japanischen Kolonialherrschaft 1945 bis zur Teilung des Landes in Nord und Süd galt Cheorwon als Verkehrs- und Logistikknotenpunkt, durch den die Gyeongwon-Eisenbahnlinie (Seoul – Wonsan) verlief. Als die USA und die Sowjetunion die Halb insel direkt nach ihrer Befreiung besetzten und sie entlang des 38. Breitengrads in Nord und Süd geteilt wurde, befand sich Cheorwon als Hauptstadt der Provinz Gangwon-do auf der nördlichen, unter sowjetischer Militärherrschaft stehenden Seite. Das ist auch der Grund, warum sich hier bis heute Bauten im sowjetischen Stil wie das ehemalige Gebäude der Arbeiterpartei finden lassen, dessen Überreste mittlerweile zur Touristenattraktion in puncto Sicherheit geworden sind.
Ein geteilter Landkreis
Gegen Ende des Koreakrieges (25.6.1950 – 27.7.1953) lieferten sich die nordkoreanischen und chinesischen Truppen um jede Handbreit Territorium erbitterte Kämpfe mit den südkoreanischen, amerikanischen und den UN-Truppen. Am Ende legten die USA und die Sowjetunion das Lineal an und zogen entlang des 38. Breitengrads eine Demarka-
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tionslinie, von der aus sich im Zuge eines Waffenstillstandes die westliche Frontlinie nach Süden und die östliche Frontlinie nach Norden verschob. Nach Kriegsende wurde die Stadt Gaeseong, die sich zuvor südlich des 38. Breitengrades befunden hatte, nordkoreanischem Territorium einverleibt, womit Südkorea jeglichen Anspruch darauf verlor, im Gegenzug jedoch Cheorwon erhielt, das davor nördlich des 38. Breitengrads gelegen hatte. Derzeitig ist der Landkreis Cheorwon ein geteiltes Gebiet, dessen eine Hälfte der Verwaltung der Republik Korea untersteht, während die andere Hälfte zur Demokratischen Volksrepublik Korea gehört. Zur Zeit des Koreakrieges wurde der am 25. Juni 1950 gestartete Überraschungsangriff der nordkoreanischen Armee auf Seoul im Wesentlichen auf vier Achsen durchgeführt. Für den Haupt angriff wählte man den Korridor Cheorwon-Uijeongbu-Seoul und als zweiten Weg die Route Gaeseong-Munsan-Seoul. In nur drei Tagen konnte die nordkoreanische Armee Seoul einnehmen. Jedoch kam es nach der Gegenoffensive der amerikani schen Streitkräfte und dem Kriegseintritt chinesischer Verbände, wodurch sich der Krieg in die Länge zog, zu erbitterten Kämpfen im sogenannten Eisernen Dreieck, einem Gebiet, durch das
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man ins Herz der zentralen Front gelangen konnte. Die Spitze des Dreiecks bildete Pyeonggang auf der nördlichen Seite des 38. Breitengrades und die beiden unteren Eckpunkte Cheorwon und Gimhwa im Süden. Dieses Gebiet war aufgrund seiner topo graphischen Besonderheiten für die Truppen der Alliierten nur schwer angreifbar, wohingegen es dem Feind ideale Bedingungen für die Verteidigung bot. Dies ist auch der Grund, warum den meisten bei der Nennung von Cheorwon sofort „Eisernes Dreieck“ in den Sinn kommt. Die härtesten Auseinandersetzungen in diesem Gebiet ereigneten sich im Kampf um den Baekma Goji, das Plateau des Weißen Pferdes. Einem Mahnmal zufolge tobten die Kämpfe auf dem 395 m hohen Baekma Goji, von dem aus man die gesamte CheorwonEbene überblicken kann, zehn Tage lang. Sie waren so intensiv, dass sich Geschützpulver und die Leiber der Gefallenen kniehoch stapelten. In diesen zehn Tagen wechselte das Plateau 24 Mal den Besitzer, an die 14.000 Soldaten ließen ihr Leben oder wurden verletzt und mehr als 300.000 Geschosse gingen auf hier nieder.
kreises lag die Einwohnerzahl von Cheorwon im Juni 2013 bei 47.588 (24.597 Männer und 22.991 Frauen). Ähnlich wie in anderen landwirtschaftlich geprägten Gebieten ist auch hier ein Rückgang der Einwohnerzahl festzustellen. Da es sich um ein militärisches Grenzgebiet handelt, können aus Sicherheitsgründen zwar keine genauen Angaben gemacht werden, fest steht jedoch, dass die Zahl der hier stationierten jungen Soldaten die der Einwohner übersteigt. Vor Ort sind die Einheiten der 3. Infanteriedivision („Skelett“), der 15. Infante riedivision („Sieg“), der 6. Infanteriedivision („Blauer Stern“), der 8. Mechanisierten Infanteriedivision („Stehaufmännchen“) stationiert und auch diverse Ausbildungslager finden sich dort. In letzter Zeit erfreut sich in Südkorea die Doku-Soap Echte Kerle großer Beliebheit, in der Showtalente eine Woche den Alltag in einer Militäreinheit erleben. Die Netizens wählten die „SkelettEinheit“ auf den ersten Platz für dieses Experiment. Diese Einheit steht in enger Verbindung mit dem Tag der Streitkräfte. Sie war es, die am 1. Oktober 1950 als erste den 38. Breitengrad in Richtung Norden überquerte. Zum Gedenken an dieses Ereignis rief Rhee Syng-man, der erste Präsident Südkoreas, am 1. Oktober 1956 den Tag der Streitkräfte ins Leben. In Einklang mit der Tradition der Skelett-Einheit ist ein Teil der Regimenter im Ernstfall mit der Mission betraut, an der Spitze den 38. Breitengrad zu überschreiten.
Mehr Soldaten als Einwohner Nordkorea erhielt Gaeseong, verlor im Gegenzug aber Cheorwon. Man sagt, dass Kim Il-sung über den Verlust der Cheorwon-Ebene drei Tage lang geweint haben soll. Für die Amerikaner war es die erste Inbesitznahme eines Ostblock-Gebietes seit dem 2. Weltkrieg. Aufgrund seiner stra tegischen Wichtigkeit konzentrierten Nord- und Südkorea auch nach dem Waffenstillstand ihre Hauptstreitkräfte an diesem Ort. „Frieden, Ökologie, Leben“ Ein furchteinflößendes Totenkopfsymbol prangt zusammen mit einer martialischen Warnung Nordkorea stationierte hier eine Division, die bei der Einnahme an den Feind auf einer Straße in der Nähe der Einheit. Seitdem Seouls zu Beginn des Koreakrieges eine wichtige Rolle gespielt die Regierung unter Park Geun-hye jedoch bekannt gab, innerhatte. Im Gegenzug entsandte Südkoreas 5., am 1. Oktober 1953 halb der DMZ einen internationalen Friedenspark einrichten gegründetes Armeekorps die 3. und 6. Infanteriedivision, die Kozu wollen, gehört Cheorwon zusammen mit Paju in der Provinz reakriegserfahrung vorweisen konnten. Gyeonggi-do zu den aussichtsreichsten Bewerbern. Tatsächlich Um das Wiederauftreten von Feindseligkeiten zu verhindern, hatte das Motto des Landkreises schon vorher Frieden, Ökologie legten beide Koreas auf jeder Seite der Militärischen Demarkationund Leben im Zentrum des Landes geheißen. Dahinter stehen slinie (MDL) eine jeweils zwei Kilometer breite Demilitarisierte v.a. Bemühungen, die InfrastrukZone (DMZ) fest. Um den Zutur für ein Friedenszentrum zu gang von Zivilisten zur DMZ zu MDL DMZ Provinz Hwanghaebuk-do schaffen und kulturtouristische kontrollieren, richtete der Süden CCL Grenzgebiet Contents rund um das Thema ab der südlichen DMZ-Grenzlinie Infiltrationstunnel Nr.2 Provinz Hwanghaenam-do Cheorwon Frieden zu entwickeln. Das Real eine zehn Kilometer breite Zivile Woljeong-ri Station DMZ Projekt wurde 2012 in dem Kontrollzone (CCL) ein. Glauben gestartet, dass „am Ort Ein Drittel der gesamten Fläche Provinz Gyeonggi-do Provinz Gangwon-do der nationalen Teilung, an dem der DMZ, die auch 155-MeilenSeoul die Zeit stehen geblieben ist, die Zone genannt wird, liegt im Nord korea Grenze durch die Kunst überLandkreis Cheorwon-gun, was wunden werden kann“ und erinbedeutet, dass ein großer Teil Cheorwon nert daran, wie sehr Cheorwon dieses Gebietes nicht frei von Süd korea für die DMZ steht. Zivilisten betreten werden darf. Laut einer Statistik des Land-
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neuerscheinung Ein Leben zusammen mit der koreanischen Literatur
My Korea: 40 Years Without a Horsehair Hat Von Kevin O’Rouke, 314 Seiten, $36.00/20.000 KRW, Folkstone, U.K.: Renaissance Books (2013)
My Korea ist schwer zu klassifizieren. Gleich in der Einleitung betont der Autor, dass es weder eine Autobiographie noch ein Roman sei, sondern ein „Potpourri“. Es ist auch „die aus dem Herzen kommende Erzählung eines Dichters, die als Literatur interpretiert werden sollte und nicht als Geschichte, Philosophie oder Soziologie.“ Das Buch mit seinen eingestreuten Gedichten und Kurzgeschichten – darunter vom Autor angefertigte Übersetzungen aus dem Koreanischen, aber auch Eigenproduktionen – ist von unverkennbar literarischem Gehalt. Literarisch gestaltet ist auch die Behandlung von Geschichte, Philosophie und Soziologie: die Geschichte einer Nation, die sich aus den Trümmern des Krieges hocharbeitet und ihren Weg in der modernen Welt findet, eine Philosophie, die aus 40 Jahren Leben in einem fremden Land abgeleitet ist, und eine Soziologie, die die Dinge so sieht, wie sie sind und Gutes und Schlechtes nimmt, wie es kommt. Der Autor Kevin O’Rourke kam 1964 als Mitglied der katholischen Missionsgesellschaft von St. Columban nach Korea. Das Buch beginnt mit einem Blick auf das Korea der 1960er Jahre und zollt den Ordensbrüdern in lebhaften Schilderungen einen bewegenden Tribut. Anschließend beschreibt O’Rourke seine Versuche, sich in seinem neuen Zuhause einzuleben, um fließend zu einer „geführten Tour“ durch die koreanische Kultur überzugehen, die alle, die sich für das Land interessieren, interessant und nützlich zugleich finden werden. Doch das Buch ist kein simpler „Überlebensratgeber Korea“, denn der Autor taucht tief in den philosophischen und ideologischen Unterbau der Kultur ein. Ausführlicher diskutiert wird der Konfuzianismus, wobei die Literatur der alten konfuzianischen Gelehrten selbst heranzgezogen wird, um die gängige Vorstellung vom Konfuzianismus als einer erstickenden Weltanschauung zu korrigieren. Für die richtige Balance sorgt ein weiteres Kapitel, das „die buddhistischen Ingredienzien“ behandelt, die Ursprung für einen großen Teil der Schönheit in der koreanischen Kultur sind. Das Schlusskapitel ist vielleicht am faszinierendsten, da der Autor sich dort mit den „Exklusivitätsmythen“, auseinandersetzt: han, h ng (heung) und m t (meot). Für diese drei Begriffe gibt es keine Eins-zu-Eins-Entsprechungen im Englischen, weshalb viele glauben, dass es sich dabei um originär koreanische Emotionen
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oder Konzepte handelt. O’Rourke merkt scharfsinnig an, dass das nur beweist, dass „das Koreanische in einigen Dingen feinfühliger ist als das Englische“, und dass die Ideen und Gefühle an sich universal sind. Diese prägnante und überzeugende Diskussion dürfte von Frischlingen und alten Hasen in Korea gleichermaßen gewürdigt werden. Aber damit noch nicht genug: Der Autor stellt den in den Chilmajae Liedern (Jilmajae Lieder) beschriebenen Heimatort des großen koreanischen Dichters S Ch ngju (Seo Jeong-ju) vor und dann „Koreas größtes Kapital“: seine Frauen. „Koreanische Frauen sind schön, furchtlos und von unerschütterlicher Loyalität. Es ist fraglich, ob Korea es ohne sie durchs 20. Jahrhundert geschafft hätte“, meint er und warnt gleichzeitig: „Gefügig und unterwürfig? Das sollte man vergessen. Das ist reine Fassade.“ Dieses Kapitel folgt dem bereits bekannten Muster, eigene literarische Texte mit koreanischer Literatur zu durchsetzen, um ein vollständigeres Bild zu zeichnen. Andere Kapitel beinhalten Diskussionen über Unsterbliche und Nicht-so-Unsterbliche, Geschichten über kulturelles Eintauchen und Untertauchen und ein abschließendes, Essay über die Schwierigkeiten des Koreanischlernens. My Korea ist ein fesselndes Buch. Kaum glaubt man, es eingeordnet zu haben, wartet es mit einer erfrischenden Überraschung auf. Die zahlreichen Gedichte und Kurzgeschichten, zeugen von den langjährigen Bemühungen des Autors, koreanische Literatur ins Englische zu übersetzen, und seine Liebe zu dieser Literatur spricht aus jeder einzelnen Seite. Die vom Autor selbst verfassten Gedichte und Geschichten lassen die Grenze zwischen Realität und Fiktion auf angenehme Weise verschwimmen. Eine Geschichte gibt z.B. vor, die Possen eines lange in Korea ansässigen „Gugin Way“ zu erzählen, aber der Name steht natürlich für „waygugin“ (oegugin), das koreanische Wort für „Ausländer“. Erzählt der Autor von sich selbst oder ist alles nur Fiktion? Die Ermahnung, das Gelesene als Literatur zu verstehen, macht uns bewusst, dass es eigentlich egal ist. Denn bei der Wahrheit geht es nicht immer nur um Fakten, und 40 Jahre in Korea „without a horsehair hat“, kann man nicht in eine trockene Auflistung von Ereignissen pressen. Die literarische Reise wird alle Mitreisenden belohnen, egal wie lange sie vielleicht schon über die koreanische Halbinsel gewandert sein mögen. [Anmerkung: Die Romanisierung folgt wie im Buch dem McCune-Reischauer-System; in Klammern die Transkription nach dem offiziellen Transkriptionssystem.]
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Charles La Shure Professor an der Graduate School of Interpretation and Translation, Hankuk University of Foreign Studies
Ganzjähriges Film-Fest für Partizipation, Offenheit und Teilen
29 Second Film Festival http://29sfilm.com/
Das 29 Second Film Festival hat seiner Webseite zufolge zwei Ziele: eindrucksvolle Filme von 29 Sekunden Länge zu schaffen, die Menschen in der ganzen Welt ansprechen, und eine neue, dem digitalen Zeitalter angepasste Grammatik des Films zu präsentieren. Dabei sollen talentierte neue Filmemacher entdeckt werden. Das ganze Jahr über gibt es zwar monatliche und wöchentliche 29-Sekunden-Filmfestivals, aber das 29 Second World Film Festival ist ein jährlich stattfindendes Ereignis von größerer Dimension. Die Vorausscheidungsrunde erstreckte sich vom 19. August bis 23. September und die Endausscheidung lief vom 27. September bis zum 17. Oktober. Am 26. Oktober wurde der Gewinner bekannt gegeben. Das Festival ist in jeder Hinsicht etwas für jedermann: Jeder kann mitmachen und bei Vor- und Endausscheidung werden neben den von professionellen Filmkritikern vergebenen Punkten auch die Wertungen der Netizens miteinbezogen. Das beweist den offenen Charakter des Events und die Zielsetzung der Entdeckung von Nachwuchstalenten: 112 der 256 auf der Webseite vertretenen Filme gehören in die Kategorie „19 Jahre und darunter“. Welcher dieser Jungregiesseure wird sich wohl zum kommenden Liebling der koreanischen Leinwand mausern? Thema der letzten Runde des Wettbewerbs war „Mein koreanisches Essen“ – gesponsert von der Korean Food Foundation. Gezeigt wurden Filme, die auf die visuelle Seite der koreanischen Küche fokussieren, Filme, die Menschen beim Genießen des Essens zeigen, und Filme, die die Verbindung von Essen und Familie thematisieren. Der Film That
Taste (Dieser Geschmack) demonstriert wirkungsvoll, welch komplexe emotionale Implikationen eine einfache Mahlzeit haben kann. Zu den besonders kreativen und verschrobenen der 205 Wettbewerbsbeiträge gehört ein Film mit einem amerikanischen Schauspieler, der beim Horrorfilm Anlehnungen macht, und ein Zombie-Film, der koreanisches Essen als die „ Koreaner an sich“ definiert. Die Mehrzahl der Filme behandelt allerdings andere Themen. Ein sehr gut aufgemachter Film stellte das Innere eines Kaffeeautomaten als MiniaturCafé dar. Andere beschäftigen sich mit sozialen Brennpunktthemen in Korea wie Schulgewalt oder übermäßiger Technologie-Abhängigkeit. K o r e a n a ı W i n t e r 2 0 13
Wie generell beim Film der Fall, so sind auch diese Kurzfilme Fenster in die Welt der Filmemacher dahinter. In dieser Hinsicht ist das 29 Second Film Festival eine einzigartige Gelegenheit für aufstrebende Filmemacher ihre Werke vorzustellen, und für Film-Interessierte, einen Vorgeschmack von künftigen Trends zu bekommen.
Triviale Details für die Meditation über tiefere und umfassendere Wahrheiten
The Growth of a Shadow Von Taejoon Moon, übers. von Won-Chung Kim / Christopher Merrill, 73 Seiten, $8.95, Iowa: Autumn Hill Books (2012)
Der Dichter Taejoon Moon (Mun Tae-jun), 1970 in Gimcheon, Provinz Gyeongsangbuk-do geboren, ist einer der wichtigsten koreanischen Nachwuchsdichter. Er wurde vielfach für seine Dichtkunst ausgezeichnet, darunter mit dem begehrten Midang-Literaturpreis (2005). Der vorliegende Band bringt eine Auswahl aus den vier Gedichtanthologien Babbling
Backyard (2000), Barefoot (2004), Flatfish (2006) und The Growth of a Shadow (2008), wobei der Titel der jüngsten Gedichtsammlung entlehnt wurde. Moons Gedichte sind voller scheinbar trivialer, aber sorgfältig verarbeiteter Details. Und es sind gerade diese Details, die Dichter und Leser über die größere Welt meditieren lassen: ein Persimonenbaum, der seinen Schatten über ein Hausdach wirft; eine Buttermuschel, die sich öffnet und einen Fühler herausstreckt, eine Libelle mit Juwelenschwingen, die vor dem Dichter landet, rote Kamelien, die in einem Tempelhof blühen – alle stehen für tiefere und umfassendere Wahrheiten. Moons Literaturstudien an der Universität und seine buddhistischen Praktiken verleihen seinen freien Versen eine Lyrizität, die einhergeht mit durchdringenden Einsichten in das Leben und die Welt um uns herum. Diese Auswahl von 65 Gedichten ist eine gelungene Einführung in das Werk von Taejoon Moon und gibt dem Leser einen Vorgeschmack auf die tiefe und komplexe Welt dieses faszinierenden Dichters. Vorangestellt ist eine knappe Einführung, die erklärt, warum gerade diese Auswahl getroffen wurde. Die Einleitung könnte etwas ausführlicher sein, aber der Lektüregenuss bleibt von der Kürze unberührt, da die Gedichte hinreichend für sich selbst sprechen.
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blick aus der ferne
Über Schneeballen und Hühnerhöfe Michael Ahrens Erster Sekretär, Kulturreferent der Deutschen Botschaft Seoul
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anz zu Beginn meiner Zeit in Seoul, noch bevor ich den Buchstaben der koreanischen Schrift Hangeul einen Klang zuordnen konnte, fielen mir beim Bummel durch die belebtesten, mit Leuchtreklame zugepflasterten Straßen Seouls diese eigentümlichen Schilder auf. „Hof“ hieß es dort oder gar „Hof & Chicken“. Was sollte dies bedeuten? Hühnerhöfe in der 3. Etage eines schmalen Gebäudes mitten in der Innenstadt? Zwar war mir bereits aufgefallen, dass gerne jeder Zipfel des bergigen Landes zum Gemüseanbau genutzt wird aber das wäre jetzt doch extrem. Dem musste ich nachgehen! Gesagt, getan! Und nach 27 Stufen gab es zwar Hühner in der 3. Etage, aber eher die der knusprigen Variante, gepaart mit viel Bier. Aha, also Hof eher wie „Gasthof“. Überrascht, dass es neben den vielen Lehnwörtern aus dem Englischen auch ein deutsches Wort in die koreanische Sprache geschafft hat, machte ich mich auf die Suche nach weiteren Beispielen. Nach einer kleinen Umfrage bei Freunden und Kollegen war ich schlauer. Neben Wörtern, die auch in anderen Sprachen gerne aus dem Deutschen übernommen werden – „Kindergarten“ und „Dachshund“, auch wenn letzteres Wort in Deutschland ja überwiegend durch „Dackel“ verdrängt wurde – fand ich insbesondere „Arbeit“, allerdings eher in der Bedeutung „Aushilfs- und Gelegenheitsjobs“, sowie „Meister“ in Schulen, die in ähnlicher Weise wie in Deutschland eine berufliche Bildung anbieten. Durchaus Bereiche, mit denen klassische deutsche Tugenden verbunden werden, also vielleicht nicht ganz überraschend. Bei „Allergie“, „Neurose“ und „Ideologie“, die in der deutschen Aussprachevariante Einzug in das Koreanische gehalten haben, ist die Konnotation vielleicht nicht ganz so schmeichelhaft. Schreibt man durch Lehnwörter Nationen bestimmte Eigenschaften zu? Das wäre Thema einer ganz anderen Erörterung. Neugierig gemacht hat es mich aber schon und für den Gabentisch habe ich jetzt einen neuen Wunsch: die von Jutta Limbach herausgegebene Sammlung Ausgewanderte Wörter. Man stößt in Korea aber auch in ganz anderen Kontexten unverhofft auf deutsche Wörter. Passenderweise beim Skifahren in Pyeongchang, dem Austragungsort der Olympischen Winterspiele 2018, bemerkte ich zum ersten Mal „Schneeballen“. Muss eine koreanische Erfindung sein, dachte ich gleich, habe ich noch nie gehört. Doch dann musste ich mich eines Besseren belehren lassen, denn tatsächlich sind Schneeballen eine Spezialität in Rothenburg ob der Tauber. Dass ich sie nicht kannte, erinnerte mich auch wieder daran, dass ich, als überwiegend im Ausland lebender Deutscher, doch einmal die Orte besuchen sollte, die jeder kennt, der Deutschland bereist. Neben Rothenburg fallen mir da Neuschwanstein und das Oktoberfest ein… Wo ich schon bei Süßspeisen bin: nicht vergessen sollte man den Baumkuchen, der seinen Siegeszug durch Korea angetreten hat. Wenn es ums Wohnen geht, findet sich an Gebäuden ebenfalls gerne mal ein deutscher Name, ob
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es „GeoWerk“ oder „Apelbaum“ ist. Und dass der Gründer des Mischkonzerns „Lotte“ ob seiner Begeisterung für Johann Wolfgang von Goethe den Firmennamen den Leiden des jungen Werther entnommen hat, ist auch eine gern erzählte Anekdote. Kleine, jedoch feine Spuren des Deutschen in Korea! Wie sieht es aber umgekehrt aus? Schließlich gibt es auch einen Band mit Eingewanderten Wörtern. Gibt es wie „Tomate“ aus dem Aztekischen, „Heckmeck“ aus dem Türkischen oder „Kutsche“ aus dem Ungarischen vielleicht Wörter aus dem Koreanischen, die wir heute in der deutschen Sprache verwenden, ohne uns ihrer Herkunft bewusst zu sein? Hier muss ich gestehen, bin ich nicht richtig fündig geworden. Vorschläge hätte ich aber schon. Erster Kandidat wäre das Wort „Hallyu“ - die „Koreanische Welle“. Schließlich hat diese auch den deutschsprachigen Raum erreicht und könnte nach Fernsehserien, K-Pop und koreanischem Essen auch koreanische Wörter mit sich führen. Unhandliche deutsche Wörter wie „Fußbodenheizung“ könnte man doch durch „Ondol“ ersetzen. „Ramyeon“ klingt auch eleganter als „Instantnudel“. „Hwaiting! (fighting!)“ als Zuspruch und Anfeuerung macht sich gut, gerade in Sportarenen! „Ppalli, Ppalli! (Schnell, schnell!)“ weckt bei mir Assoziationen zu Hans Rosenthal und ist sehr lautmalerisch. Und warum nicht mal in die Sing-Stube „Norae-bang“ statt zum „Karaoke“ gehen? Andere Wörter wie „Annyeong haseyo!“ für „Hallo!“ werden sich vermutlich nicht durchsetzen können. Wenn auch die revidierte Romanisierung des Koreanischen oft eine für Ausländer nicht ohne weiteres aussprechbare Umschrift längerer Wörter zu Tage fördert, ist das koreanische Alphabet Hangeul sehr effizient. Zurecht wird diesem sogar mit einem eigenen Feiertag gedacht. Am 9. Oktober – seit diesem Jahr nach mehr als 20-jähriger Pause wieder offizieller Feiertag – wird König Sejongs Publikation Hunminjeongeum (Die richtigen Laute zur Unterweisung des Volkes) geehrt, in Seoul im Übrigen in unmittelbarer Nähe seiner überlebensgroßen Statue am Gwanghwamun Platz mit einer Lesung der Proklamation König Sejongs. Hätte das deutsche Alphabet nicht eigentlich auch seinen eigenen Feiertag in Deutschland verdient? Denn das finde ich auch prima und ich möchte unsere Umlaute und das ß auch gar nicht missen. So unterschiedlich Deutsch und Koreanisch sein mögen: Sprache ist und bleibt doch etwas Wunderbares und über den Tellerrand seiner eigenen Sprache zu schauen ist stets bereichernd. Nachdem nun das „Hof“-Rätsel gelöst ist, kann ich mich anderen Fragen zuwenden, denn noch immer treibt mich um, warum viele der Flachdächer in Seoul grün gestrichen sind und warum die Kirchen rote Neonkreuze zieren. Für Antworten wäre ich dankbar!
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Entertainment
Snowpiercer Dystopische Allegorie à la Bong Joon-ho In den letzten Jahren kollidierten in der Frage, wie ein koreanischer Film weltweiten Erfolg erlangen könne, immer wieder zwei Behauptungen: „Lokales koreanisches Kolorit ist unerlässlich, um global anzusprechen“ vs. „Nur ein Film im Hollywood-Stil kann universal ansprechen“. Wie sieht es dann mit Snowpiercer, der bislang teuersten Produktion in der koreanischen Filmgeschichte, aus? Ist es ein Werk, das zwischen „lokalem Kolorit“ und „Universalität à la Hollywood“ ein neues Gleichgewicht gefunden hat? Das bleibt noch abzuwarten. Kim Young-jin Filmkritiker, Professor an der Myongji University
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n den letzten Jahren waren die Regisseure, die die koreanische Filmwelt anführen, nicht in Korea zu erreichen. Wenn ich sie anrief, antworteten sie per SMS, dass sie gerade bei Auslandsdreharbeiten seien - in Los Angeles, New York oder Prag.
Auf den globalen Markt abzielen? In diesem Jahr war es soweit, dass koreanische Regisseure auch englischsprachige Filme, in denen westliche Schauspieler mitspielen, präsentierten: Park Chan-wook produzierte Stoker bei Fox Searchlight Pictures, einem Tochterunternehmen der Fox Entertainment Group, das hauptsächlich mit mittleren Budgets gedrehte Kunstfilme, die auf Academy Awards abzielen, herausbringt, aber wegen seinen häufigen Flops auch notorische Berühmtheit als „Grab der Regisseure“ erlangt hat. Und sein Regisseur-Kollege Kim Jee-woon produzierte The Last Stand bei Lions Gate Entertainment, einem mittelgroßen Studio, das bereits auf eine Reihe recht erfolgreicher Produktionen zurückblicken kann. Die Reaktion des Publikums war jedoch enttäuschend. Stoker konnte die Produktionskosten in Höhe von 10 Mio. Dollar in den USA und Korea nicht einmal zur Hälfte einspielen. Auch The Last Stand, mit einem Budget von 20 Mio. Dollar produziert, vermochte das Publikum nicht überzeugen. Der Film war als Comeback für Arnold Schwarzenegger gedacht, aber die amerikanischen Kinogänger zeigten dem Hauptdarsteller, dessen Beliebtheit durch seine Sex-Skandale in den Keller gerutscht war, eine eiskalte Schulter. Die Filme erhielten jedoch positive Kritiken und die beiden Regisseure bereiten sich jetzt auf neue Film-Projekte in Hollywood vor. Auch scheint es, dass The Last Stand nach der Herausgabe als DVD und Blue-ray Disc eine positivere Neubewertung erfährt. Was die beiden Filmemacher aber wirklich schmerzt, ist weniger der Misserfolg in den USA als das Desinteresse der koreanischen Zuschauer an ihren Hollywood-Produktionen. Wenn in Stoker beliebte koreanische Stars wie die Schauspielerin Moon Geun-young oder ihr Kollege Lee Byung-hun mitgespielt hätten, hätte der Film in Korea für eine Sensation sorgen können. Da aber dieser Psychothriller, der in seiner Machart an Alfred Hitchcock erinnert, in den USA spielte, empfanden ihn die koreanischen Zuschauer als abstrakte Allegorie. In The Last Stand versuchte Kim Jee-woon, der bereits mit The Good, The Bad, The Weird (2008) einen koreanischen Western herausgebracht hatte, eine moderne Adaption einer Western-Story. Die beiden Regisseure hatten ihre Filme mit Blick auf den internationalen Markt in Hollywood gedreht, doch der Rechtfertigungsversuch, damit universale Ansprechbarkeit sicherstellen zu wollen, konnte nicht von den Einspielergebnissen bestätigt werden.
Eine Szene aus Snowpiercer , dem jüngsten Werk von Regisseur Bong Joon-ho. Namgoong Minsu, ein anarchistischer Charakter gespielt von Song Kang-ho, leitet die symbolische Botschaft des Films an die Zuschauer weiter. K o r e a n a ı W i n t e r 2 0 13
Sorgenvolle Blicke auf Science-Fiction-Thriller Während Park Chan-wook und Kim Jee-woon Hollywood-Filme mit Hollywood-Kapital produzierten, drehte Bong Joon-ho nach multinationaler Produktionsmanier in Tschechien sein Meisterwerk Snowpiercer, das Schauspieler und Filmstab aus Hollywood umfasste. Größter Investor dieser rund 40 Mio. Dollar teuren Produktion war zwar das koreanische CJ Entertainment, aber Hauptdarsteller und Filmstab kamen hauptsächlich aus dem Ausland und gedreht wurde ebenfalls nach Hollywood-Vorbild gänzlich im Ausland. Zum Cast gehörten hochkarätige westliche Schauspieler wie Chris Evans, Tilda Swinton, Ed Harris und John Hurt. Das Drehbuch ist fast gänzlich in Englisch gehalten, abgesehen von den gelegentlichen Dialogen der koreanischen Schauspieler Song Kang-ho und Ko Ah-sung. Kulisse und Storyline bedürfen keiner langen Beschreibung. Die Handlung spielt in dem gepanzerten Zug Snowpiercer, der – aus der Perspektive des Jahres 2014 17 Jahre später – durch die vereiste Welt rast. An Bord sind die Überlebenden einer Klimakatastrophe, die eine zweite Eiszeit ausgelöst hat. Der SF-Thriller thematisiert den Klassenkampf, der zwischen der unterdrückten Masse in den hinteren Waggons und den zur herrschenden Schicht gehörenden Passagieren in den luxuriösen Waggons im vorderen Zugteil ausbricht. Viele Journalisten und Kritiker prognostizierten nach der ersten Presse-Preview, dass in Korea mit einem Kassenschlager schwer zu rechnen sei, da der Film dunkle und künstlerische, aber keine „lokalen“ Faktoren aufweise. Einige eher voreingenommene Kritiker sorgten über die sozialen Netzwerke sogar für eine Negativbeeinflussung . Nach dem Kinostart erwiesen sich die Unkenrufe der Medien jedoch als unbegründet. Die Zuschau-
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erreaktion war deutlich gespalten. Die Kontroverse – zusammen mit den groß angelegten Marketingmaßnahmen – heizte dann die Neugier nur weiter an und trieb das Publikum in die Kinos. Die Gesamteinnahmen von Snowpiercer beliefen sich bei landesweit rund 9,3 Mio. Zuschauern auf circa 60 Mio. Dollar. Der Film spielte damit bereits auf dem koreanischen Markt die Produktionskosten ein, bevor er im Ausland in die Kinos kam: Im Oktober lief er in Frankreich und im Dezember in Taiwan an; im Februar 2014 soll er in die japanischen Kinos kommen. Die genauen Starttermine sind noch nicht festgelegt, aber den Vertrieb für den nordamerikanischen Markt hat sich bereits die Weinstein Company gesichert. Nach Gerüchten soll Harvey Weinstein, der sich in den 1990er Jahren bei damals Miramax Films einen Namen für Produktion und Vertrieb von Oscar-prämierten Kunstfilmen machte, eine 20-minütige Kürzung des Films verlangt haben, was Bong Joon-ho auch akzeptiert haben soll. Ob dieser Film auch in anderen Ländern zum Kassenschlager wird, steht noch offen.
Unhappy End à la Bong Joon-ho Bong Joon-ho erklärte auf dem Anfang Oktober 2013 eröffneten Busan International Film Festival offiziell, dass er – unabhängig vom letztendlichen kommerziellen Erfolg von Snowpiercer – nie wieder ein solches Monumentalwerk produzieren wolle. Er möchte den enormen Druck, der aufgrund der Größe von Produktion und Budget auf ihm lastete, kein zweites Mal erleben. Lieber wolle er sich bescheideneren, narrativen Filmprojekten, bei denen er sich wie in seinen früheren Werken auf Details konzentrieren kann, zuwenden. Park Chan-wook, der bei Snowpiercer als Produzent mitwirkte, erzählte, dass
1 1 Die Schauspielerin Tilda Swinton, die in der Rolle der Mason zu sehen ist, zusammen mit Fans auf dem 2013 Deauville American Film Festival in Frankreich, wo Snowpiercer als Schlussfilm gezeigt wurde. 2 Im Kindergarten-Waggon wird unablässig versucht, das bestehende Klassensystem aufrecht zu erhalten, indem den Kindern die Zug-Ideologie, basierend auf der Großzügigkeit und Vortrefflichkeit Wilfords und der Heiligkeit der Lokomotive, eingeimpft wird.
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er im April 2012 nach Abschluss der Dreharbeiten für Stoker nach Tschechien reiste und dort einen Bong Joon-ho antraf, der einem Zombie aus einem SF-Thriller glich. Zum Schluss der Dreharbeiten soll Bong physisch und psychisch dermaßen erschöpft gewesen sein, dass er Filmstab und Schauspielern nicht einmal mehr ein richtiges Zeichen für den Cut geben konnte. Aber trotzdem – bzw. gerade wegen dieses Einsatzes – kommen bei Storytelling und Botschaft von Snowpiercer die von Bong angestrebte Balance zwischen koreanischem Lokalkolorit und globaler Universalität gut zum Ausdruck. Bong Joon-ho bestach in seinen bisherigen Filmen durch die außergewöhnlich hohe Kreativität, mit der er die Grammatik westlicher Genres für das koreanische Publikum kontextualisierte und damit zugänglich machte: Sein Hauptwerk Memories of Murder (2003) handelt von Polizisten in einer koreanischen Kleinstadt, die erfolglos nach einem Serienmörder fahnden. Die koreanischen Zuschauer waren bewegt von dem bis dahin nie dagewesenen Unhappy End, das das bestürzte Gesicht des Hauptdarstellers, der bis zum Schluss den Täter nicht entlarven konnte, zeigte. Damit unterschied sich das Filmende zwar sehr von dem der Hollywood-Filme dieses Genres, die von Entfaltung der Handlung bis hin zur Lösung des Falls bestimmten Mustern folgen, entsprach jedoch den Realitäten in Korea perfekt. In Bongs späteren Werken lässt sich dieselbe Tendenz finden. Was den Zuschauern von The Host (2006) letzten Endes am lebhaftesten in Erinnerung blieb, war der surreale Eindruck, den die so vertraute und doch verfremdete Landschaft an den Ufern des Flusses Hang-gang auf die alteingesessenen Bewohner der Stadt machte. In Bongs Film Mother (2009) schlüpfte Kim Hye-ja – für das koreanische Publikum die Personalisierung des Bildes der koreanischen Mutter – in die Rolle einer Frau mitt-
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leren Alters, die zuerst die Unschuld ihres behinderten Sohnes zu beweisen versucht, aber dann, als sie erkennt, dass er tatsächlich der Mörder ist, in Wahnsinn und Panik verfällt, um sein Verbrechen zu verheimlichen. Die koreanischen Zuschauer gerieten ebenfalls in Panik, als sie diesen Wahnsinn im Film mitverfolgten.
Eine Leadership-Studie? In Snowpiercer kommt allerdings dieser Lokalkolorit als charakteristisches Merkmal des Stils von Bong Joon-ho nicht besonders stark zum Ausdruck. Dass das koreanische Publikum trotzdem begeisterte Reaktionen zeigte, ist wahrscheinlich darauf zurückzuführen, dass Bong mit seiner intellektuellen Botschaft an empfindliche Stellen der koreanischen Gesellschaft rührt. Die Geschichte handelt von Curtis, dem revolutionären Anführer der im hinteren Zugteil lebenden unterdrückten Klasse, der in den vorderen Teil marschiert, um Wilford, den Anführer der privilegierten Elite, zu beseitigen. Gilliam der Weise, unter dessen Einfluss Curtis steht, rät ihm zwar, die Revolte nicht über den Wasserwaggon hinaus weiterzuführen, da ein solcher Aufstand sinnlos sei, doch dieser Rat stößt auf taube Ohren und Curtis kämpft sich bis in den ersten Waggon vor, wo er aus irgendwelchen Gründen in ein moralisches Dilemma gerät. Die meisten Kritiker sahen darin zwar einen Kampf gegen das Klassensystem, einige vertraten aber auch andere Ansichten. Tilda Swinton, die in diesem Film mit einer hervorragenden schauspielerischen Leistung glänzt, bewertete den Film als ein „Werk, das das Wesen von Leadership erforscht“. Anders als Curtis, der die Rebellion anführt, und der weise Gilliam aus den hinteren Waggons bzw. Wilford, der als Führer der vorderen Waggons die auf dem Gesetz des Dschungels basierende Ordnung vertritt, präsentiere Namgoong Minsu (dargestellt von Song Kang-ho) eine neue Art von Leadership, das der Film enthusiatisch bejahe. Namgoong Minsu ist ein Drogenabhängiger, der sich kein bisschen für die Auseinandersetzungen im Zug interessiert, sondern nur dafür, wie er an Halluzinogene kommt. Einige mutige Kritiker behaupten sogar, dass die Fantasiewelt des Süchtigen Bong Joon-hos Vision von einer alternativen „dritten Welt“ sei und dass das Happy End des Films unter Berücksichtigung von Namgoong Minsus Rauschzustand keine Realität, sondern lediglich ein Traum sei. Die bisherigen Werke Bongs lassen eine gewisse Obsession des Regisseurs mit geschlossenen Räumen, die Klaustrophobie hervorrufen können, erkennen. Räume wie die Düker zwischen den Reisfeldern in Memories of Murder, die Abwasserschächte in The Host oder das armselige Dorf in Mother, das tragische Geheimnisse verbirgt, weisen auf die Bong Joon-ho eigene Vorliebe hin, die Geheimnisse des Lebens nicht aus hellen, sauberen und weiten Räumen herauszuziehen, sondern aus von anderen unbeachteten Räumen. Der Zug in Snowpiercer muss für ihn als Raum wohl das optimale filmerische Spielzeug für die kontrahierte visuelle Darstellung von tragischen Realitäten gewesen sein. Die stellvertretende Kommandeurin Mason, im Film hervorragend von Tilda Swinton dargestellt, betont gegenüber den Unterschicht-Angehörigen, die ein begehrliches Auge auf die vorderen Waggons geworfen haben, die Bedeutung von Ordnung und Gleichgewicht und behauptet dabei steif und fest, dass jede Klasse an ihrem jeweiligen Platz zu bleiben habe. Seinen Platz zu verlassen, bringe Chaos in die Welt! Und tatsächlich tritt eine große Verwirrung in der Welt ein, als die Klassen ihre Plätze verlassen. Wie bereits in seinen anderen Filmen, so sprengt Bong auch in Snowpiercer am Ende des Films die Erwartungen der Zuschauer in Bezug auf Handlung und Thema. Der Schluss dieser dystopischen Allegorie sprach das koreanische Publikum stark an, da es tagtäglich mit einer politischen Realität konfrontiert ist, in der sich Regierung und Opposition einen endlosen Kleinkrieg liefern. Im Film ist Song Kang-ho der Schauspieler, der dem Publikum eine Botschaft auf der tieferen Ebene übermittelt. Der von ihm verkörperte Namgoong Minsu ist eine Figur, die alles ohne besondere Sorgfalt erledigt und sich in einem Zustand des Dauerrausches befindet. Damit besitzt er zwar keinerlei Führungsqualitäten, ist aber als Mensch interessant. Der Klassenkampf um ihn herum lässt ihn kalt und er träumt von einer Flucht aus einer Realität, in der die herrschende Klasse lediglich durch eine andere ersetzt wird, das System an sich aber unverändert bleibt. In dieser Hinsicht ähnelt das Ende von Snowpiercer in gewisser Weise dem von The Host. Der Protagonist von The Host, ebenfalls von Song Kang-ho gespielt,
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Regisseur Bong Joon-ho bei den Dreharbeiten für Snowpiercer in Prag in der Tschechischen Republik. Bei diesem seinen ersten internationalen Filmprojekt stellte Bong seine Fähigkeit unter Beweis, eine multinationale Cast und ein großes Budget (40 Mio. Dollar) erfolgreich managen zu können, so die Bewertung der Kritiker. Korean i s ch e Ku l tu r u n d Ku n s t
verliert seine Tochter an das Monster, nimmt aber einen obdachlosen Jungen als Sohn an. Während er sich Tag und Nacht Sorgen um die Rückkehr des Monsters macht, kümmert er sich liebevoll um seinen neuen Sohn. Das Ende von Snowpiercer zeigt einen ähnlichen Aspekt: Es ist zwar nicht das Ende, das das Publikum hätte voraussagen können, dafür bietet Bong Joon-ho eine Vision ganz in seinem eigenen Stil. In den letzten Jahren kollidierten in der Frage, wie ein koreanischer Film weltweiten Erfolg erlangen könne, immer wieder zwei Behauptungen miteinander: „Lokales koreanisches Kolorit ist unerlässlich, um global anzusprechen“ vs. „Nur ein Film im Hollywood-Stil kann universal ansprechen“. Park Chanwook, Kim Ji-woon und Bong Joon-ho sind populäre Regisseure, die in Korea sowohl für Kassenerfolg als auch für künstlerischen Filmgehalt stehen, nicht so aber im Ausland. Beispielsweise brach The Host von Bong Joon-ho in Korea alle Einspielrekorde, im Ausland wurde der Film jedoch nur in einigen Kinos für Kunstfilme vorgeführt. Wie sieht es dann mit Snowpiercer, der bislang teuersten Produktion in der koreanischen Filmgeschichte aus? Ist es ein Werk, das zwischen „lokalem Kolorit“ und „Universalität à la Hollywood“ ein neues Gleichgewicht gefunden hat? Die Diskussion ist noch im Gange. K o r e a n a ı W i n t e r 2 0 13
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reisen in die koreanische literatur
rezension
Eine Methode, das Schwer-Fassbare des Lebens zu erhalten Kang Ji-hee Literaturkritikerin
L
ee (geb. 1959) ist auch sehr gewandt darin, sich einer Ausdrucksweise zu bedienen, die dem Leser das Wasser im Munde zusammenlaufen lässt. Ihre kulinarischen Beschreibungen sind direkt Appetitanreger. Manchmal hinterlassen aber auch gerade die in ihre kulinarischen Ergüsse meisterhaft eingestreuten Vergleiche, die überhaupt nichts mit Essen zu tun haben, noch stärkere Eindrücke. Bei der Beschreibung von Beifuß-FlunderSuppe etwa schreibt Lee, dass Beifuß eine wirklich gute Kräuterart sei, dass die Koreaner das aber oft vergäßen, weil er so allgegenwärtig sei. Dann schickt sie hinterher: „genau wie diese herzlosen Ehemänner, die sich geschworen haben, alle Mühen ihrer angetrauten Gattin zu vergessen“. Wer diesen Vergleich gelesen hat, kann nicht umhin, bei jeder Schale Beifuß-Flunder-Suppe an die Autorin Lee Hyun-su zu denken. Ohne die Erzählung Der Chupungnyeong-Pass wäre jede Vorstellung der Schriftstellerin Lee unvollständig. Die Protagonistin der Erzählung, die auf eine Heirat verzichten musste, um die Rolle des Oberhaupts einer Familie von Witwen zu übernehmen, die über Generationen keinen männlichen Nachkommen hervorbringen konnte, hat eine Mutter, die in einer Art von schamanistischer Geisterbesessenheit im ganzen Land herumzieht. Und jedes Mal, wenn die Mutter von ihren Streifzügen zurückkommt, kocht sie für die Familie einen Topf Gamjatang, ein scharfes Kartoffel-Schweineknochen-Stew. Die Familienmitglieder empfinden das Stew als ein „Gericht, das so feurig-scharf und heiß ist, dass einem die Zunge brennt, das aber auch einen schlüpfrigen Nachgeschmack, versetzt mit einer irgendwie herben Traurigkeit, hat.“ Die Protagonistin erinnert sich daran, dass sich beim Essen „dieses unweigerlich in ihrem Körper umherschwebende Fieber, die Trauer und Wut, der unerklärliche Zorn und die üble Energie sich seltsamerweise beruhigen ließen.“ Es ist durch dieses Gericht, dass sie ihre Mutter, die sie verstandesmäßig nicht begreifen kann, anzunehmen vermag. Die Autorin ist sich also bewusst, dass
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unter den fünf Sinnen der Geschmackssinn dem Herzen des Menschen am nächsten liegt. In Lees Erzählungen vermitteln demnach Gerichte wie das Kartoffel-Stew die lange vergrabenen „Worte des Herzens“, die die Kochenden bis dahin nicht in Worte hatten fassen können, und heilen auch die Wunden der Essenden. Während das Medium, das die Figuren die Geschehnisse in der zurückliegenden Zeit verstehen und annehmen lässt, in Der Chupungnyeong-Pass das Stew ist, so übernimmt diese Funktion in der Erzählung Die Rosenholz-Vitrine der klobige, vom Vater der Erzählerin selbst gezimmerte „Schreibtisch“. Dieses originelle „Kunstwerk”, das nicht nur robust ist, sondern auch die Doppelfunktion von „außen Schreibtisch“ und „innen Reistruhe“ erfüllen soll, ist leider weder als das eine noch als das andere zu gebrauchen, so dass es schließlich in einer Ecke des Hauses verstaubt. Der Schreibtisch, der wie „ein armer Verwandter, der das geborgte Geld nicht zurückzahlt“ ist oder wie ein „Familienmitglied, das sein Leben lang kränkelt und den anderen nur das Mark aus den Knochen saugt“, beendet sein Leben letztendlich in einer Feuerbestattung. Mit Prasseln und sprühendem Funkenregen kommt sein wirkliches Wesen ans Licht. „Worin bestand eigentlich die Identität dieses Dings, das wir der Einfachheit halber 'Schreibtisch' genannt hatten, das aber öfter als Reistruhe gedient hatte? War es ein Schreibtisch? War es eine Reistruhe? Welcher Nutzungszweck hatte Vater zu seinen Lebzeiten besonders gefreut? Wenn es ein Schreibtisch war, hatte es dann überhaupt einmal einen Augenblick gegeben, in dem es nichts anderes als ein Schreibtisch war? Und wenn es eine Reistruhe war, hatte es dann überhaupt einmal einen Augenblick gegeben, in dem es nichts anderes als eine Reistruhe war? Egal, wie sehr ich mir auch den Kopf darüber zerbrach, es war und blieb ein Ding, so schwer fassbar wie alle Väter der Welt.“ Die Erzählung legt den Fokus auf die Mutter, der nach dem Tod des Vaters – eines Mannes, dem nichts so recht gelingen will und Korean i s ch e Ku l tu r u n d Ku n s t
Lee Hyun-su gilt als eine Schriftstellerin, die dazu beiträgt, die Spuren von Seiten des Lebens aufzubewahren, die nur mit Hilfe der Literatur zu erhalten sind. Vor allem versteht sie sich hervorragend darauf, die tief im Inneren verschlossene, über kleinen Alltagsverdruss und Erschöpfung hinausgehende Traurigkeit von Frauen in einer männerorientierten Gesellschaft mittels scharfsinniger Metaphern und Vergleiche aufzudecken.
der kaum für Frau und Kinder zu sorgen vermag – gleichsam Flügel zu wachsen scheinen und die ihr eigenes Geschäft aufmacht. Aber beim Verbrennen des Schreibtisches gelangt die Erzählerin zu der Einsicht, dass hinter der Mutter, die so energievoll Geschäft und Haushalt führt, und hinter den Töchtern, die mit einer gewissen Ungezügeltheit gesund aufgewachsen sind, immer der Schatten des Vaters stand, eine Präsenz groß wie ein Möbelstück, aber wegen seines unklaren Zwecks auch nutzlos. Die Geschichte der Weltliteratur ist seit Ödipus vom Kampf gegen den Vater geprägt. In Korea, das von der japanischen Kolonialherrschaft bis hin zu den autoritären Regierungen viele Leiden durchgemacht hat, fungiert der Vater in den literarischen Erzählungen als eine Figur, deren beredteste Präsenz sich weniger in seiner Funktion als Mitglied der Familie bemerkbar macht als in seiner Abwesenheit. In Lees Erzählung scheint man bereit zu sein, den Vater mit einer Haltung anzunehmen, die weder dem Hass noch dem Mitleid entspringt. Wenn man es recht bedenkt, so enthält wohl unser aller Leben Aspekte, die so unhandlich und unbequem wie der große, unnütze Schreibtisch sind. Wenn das stimmt, so ist das einzige, was wir für unser sich in einem Atemzug verflüchtigendes Leben tun können, uns zu bemühen, jeden einzelnen Augenblick dieses Lebens in der Erinnerung festzuhalten – so die Botschaft von Lees Erzählung. Was diese Erzählung aber noch ansprechender macht, sind die äußeren Geschichten, die sich um die innere Geschichte mit den Erinnerungen an den Schreibtisch winden. Die Erzählerin, beschließt, zum Doppelzweck der Anschaffung einer größeren Wohung und der Investition, sich in Immobilien zu versuchen. Aber während sie sich die Modellwohnung anschaut, verliert sie jedes Interesse an dem Vorhaben. Die Strapazen des Lebens, die in der Geschichte von dem im Sande verlaufenen Investitionsversuch sichtbar werden, und die dazwischen heraussprießenden weltlichen Begierden der Kleinbüger sind dermaßen offen beschrieben, dass man nicht umhin K o r e a n a ı W i n t e r 2 0 13
Lee Hyun-su
kann, mitzulachen. Lee Hyun-su steht nicht über den gemeinen Begierden, lässt sich aber auch nicht durch sie lenken. Sie ist eine Schriftstellerin, die mit einem Fuß in der profanen Welt kichernd zugibt, dass sie nicht frei von solchen Begierden ist, die sich aber geschwind aus dem Staube macht, um nicht von ihnen gefangen zu werden. Eine Erzählung, die aus der Auseinandersetzung mit und dem Kampf gegen Begierden hervorgegangen ist, bietet mehr Lesefreude, Wahrheiten und Trost als die belehrenden Worte eines Zen-Mönchs, der schon früh alle Konflikte endgültig hinter sich gelassen zu haben scheint. Zum Schluss eine interessante Episode über die Autorin. Lee, die bis zu ihrem Debüt sechs Jahre gebraucht hatte, bekam auch danach fünf Jahre lang keinen Schreibauftrag. So schickte sie von sich aus ihre Erzählungen an Zeitschriften, um dann nach sechs Monaten die Benachrichtigung zu bekommen, dass man eine ihrer Erzählungen publizieren wolle und dass sie für das Korrekturlesen drei Tage habe. Um die kostbaren drei Tage wie dreißig Tage zu nutzen, fuhr sie auf die Insel Wolmi-do. Nach einer langen Suche fand sie schließlich ein kleines Zimmer in einem Motel – nur um zu erleben, dass die Schalldämmung quasi nonexistent war und Stöhngeräusche von drei „Gästeteams“ pro Tag wie aus einem Surround-System in ihr Zimmer drangen. Nachdem sie dann einen Tag wegen der Stöhnerei verloren hatte, riss sie sich zusammen und erklärte: „Okay, ihr macht’s, und ich schreibe!“ In den nächsten zwei Tagen arbeitete sie unter voller Konzentration die Erzählung zu einer ganz anderen um, die dann 2012 in der Frühjahrsausgabe von The Quarterly Changbi (Vierteljahreszeitschrift Schaffen und Kritik) unter dem Titel Taro erschien. Wie grundfest - und auch sexy - muss die körpereigene Energie Gi einer Schriftstellerin sein, die elf Jahre auf den Durchbruch warten musste, der dann auch noch Lustgeräusche zur Grundlage hatte?! Auch Sie, werte Leser, werden bei der Lektüre von Lees Erzählungen diese Energie spüren
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IMpressionen
H
och auf seinem Thron sitzend und von Schnee bedeckt blickt König Sejong der Große (reg. 14181450) auf die letzten 600 Jahre zurück. Sieben Jahre, nachdem der große Architekt Filippo Brunelleschi (1377-1446) in Florenz in der Toskana am südlichen Ende des europäischen Kontinents mit dem Bau der Kuppel des Domes Santa Maria del Fiore die Renaissance zur Blüte gebracht hatte, entwickelte Sejong der Große, der vierte König von Joseon, im stillen Reich am östlichen Ende des asiatischen Kontinents das koreanische Alphabet Hangeul. Seit diesem Jahr, 1443, besitzen die Koreaner ihr eigenes, originäres und hochgeschätztes Schriftsystem. Daher nennt die Republik Korea von heute die breite und große Straße, die zum Königspalast führt, also die „glänzende Stirn“ der Hauptstadt Seoul, „Sejong-ro“ – ein Dankestribut an den großen König. Hoch oben auf seinem Thron ist Sejong der Große in Schnee eingehüllt, dick wie eine Decke aus 600 Jahren Geschichte. Die Leute scheinen sich Sorgen zu machen, denn ihre nach oben auf die königliche Gestalt gerichteten Blicke fragen: „Ist Ihnen nicht kalt?“ Der König bleibt stumm. Lautlos fallen die Flocken. Erst seit einigen Jahren thront König Sejong der Große über dem Platz und gibt dem kalten Gesellen Winter eine Audienz. Davor machte er es sich bequem auf dem 10.000-Won-Geldscheinen in unseren Portemonnaies. In Korea ist das Zeitalter der Stadtplätze angebrochen. Die Seouler Stadtverwaltung ließ die Gingkobäume, die dicht an dicht die Straßen säumten, beseitigen und schuf einen weiten, offenen Platz. Danach wurde der große König auf seinen Thron auf dem Platz gebeten. Der Schnee rieselt leise als flüsterte er: „Alles ... in ... Ordnung, alles ... in ... Ordnung!“ Das große königliche Tor Gwanghwa-mun hat die Traufen seines Daches hoch gereckt und zeigt auf den Königspalast und die hohen Berge dahinter, beide versteckt im fallenden Schnee. Der Winter wird nur langsam vergehen, inmitten des Schnees, der sich auftürmt und auftürmt. Muss erst der Frühling kommen und der Schnee schmelzen, bevor der König, der Königspalast und die hohen Berge aus ihrem Schlaf erwachen und sich recken?
König Sejong der Große unter einer Schneedecke Kim Hwa-young Literaturkritiker, Mitglied der National Academy of Arts
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THE US REBALANCING TOWARD ASIA: ESSAYS BY
Patrick M. Cronin, Michael McDevitt, Wu Xinbo, Donald K. Emmerson, Malcolm Fraser, Richard A. Bitzinger, Kang Choi & Noboru Yamaguchi
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RISKS & OPPORTUNITIES FOR ASIA’S NEW LEADERS: ESSAYS BY
Gilbert Rozman, Takashi Inoguchi, David Shambaugh, Joon Hyung Kim, Haksoon Paik, Leon V. Sigal, Jonathan Berkshire Miller & Lilia Shevtsova
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THE US REBALANCING TOWARD ASIA: ESSAYS BY
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Reflections by Won-soon Park & Tae-won Chey DRAWING A LINE IN THE SOUTH CHINA SEA
By Nguyen Manh Hung
BURMA IN THE ASEAN CHAIR IN 2014, AT LAST
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THE DEBATE: IS THE TPP AIMED AT THWARTING CHINA?
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Wang Yong Squares Off Against Takashi Terada
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Book Reviews by John Delury and Taehwan Kim
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| VOLUME A JOURNAL OF THE EAST ASIA FOUNDATION | WWW.GLOBALASIA.ORG NUMBER 1, SPRING 2013 Saroj Kumar Rath Drugs in8,India Are a Security Threat THE DEBATE: IS THE TPP AIMED AT THWARTING CHINA?
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By Inkyo Cheong
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THE POLITICS OF ENGAGEMENT: ESSAYS BY
Mel Gurtov, Miroslav Nincic, Walter C. Clemens, Jr., Karin J. Lee, Andrei Lankov, Troy Stangarone, Stuart J. Thorson, Hyunjin Seo, Trita Parsi & Nicholas Farrelly JAPAN’S DANGEROUS GAMBLE ON ‘ABENOMICS’
By Gongpil Choi
THE DEBATE: IS POLITICAL RECONCILIATION POSSIBLE IN MALAYSIA?
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Mel Gurtov, Miroslav Nincic, Walter C. Clemens, Jr., Karin J. Lee, Andrei Lankov, Troy Stangarone, Stuart J. Thorson, Hyunjin Seo, Trita Parsi & Nicholas Farrelly JAPAN’S DANGEROUS GAMBLE ON ‘ABENOMICS’
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to Resolve the|South China8,Sea Disputes A JOURNAL OF THE EAST ASIA FOUNDATION | WWW.GLOBALASIA.ORG VOLUME NUMBER 2, SUMMER 2013 By Gongpil Choi THE DEBATE: IS POLITICAL RECONCILIATION POSSIBLE IN MALAYSIA?
Positive Engagement with North Korea, Iran and Myanmar
Khairy Jamaluddin Squares Off Against Rafizi Ramli
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Positive Engagement with North Korea, Iran and Myanmar
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South Korea Leading the Way Into a New World of Social Enterprises
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South Korea Leading the Way Into a New World of Social Enterprises
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South Korea Leading the Way Into a New World of Social Enterprises
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NON-WESTERN DEMOCRACIES AND ASIAN POLITICAL
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POLICY ESSAYS BY Andrew MarkusRichard Yun Byung-se, Squares OffLebow, Against Ned GraemeBahng, Tae-Seop McGregor Charles A. Kupchan, Wang Yizhou, Yoshihide Soeya, Mansourov, Myung-bok Bae & Mohamed Alexandre Y. Jawhar Hassan NON-WESTERN DEMOCRACIES AND ASIAN POLITICAL
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By Nguyen Manh Hung
BURMA IN THE ASEAN CHAIR IN 2014, AT LAST
Patrick M. Cronin, Michael McDevitt, Wu Xinbo, Donald K. Emmerson, Malcolm Fraser, Richard A. Bitzinger, Kang Choi & Noboru Yamaguchi CREATING A NEW WORLD OF SOCIAL ENTERPRISES
Reflections by Won-soon Park & Tae-won Chey
Georgiy Voloshin China as a Stabilizer in Central Asia Ramesh Thakur The New Great Game in Afghanistan Tridivesh Singh Maini & Manish Vaid US$15.00 The Emerging Role of Indo-Pakistan Border States W15,000 Young-hoon Lee Economic Reform in North Korea
A JOURNAL OF THE EAST ASIA FOUNDATION | WWW.GLOBALASIA.ORG | VOLUME 7, NUMBER 4, WINTER 2012 Peter Hayes A Breakthrough Six-Party Summit in 2013? DRAWING A LINE IN THE SOUTH CHINA SEA
By Nguyen Manh Hung
The US ‘Pivot’ to Asia The US ‘Pivot’ to Asia
BURMA IN THE ASEAN CHAIR IN 2014, AT LAST
By Pavin Chachavalpongpun
THE US REBALANCING TOWARD ASIA: ESSAYS BY
Asger Røjle Christensen Japan’s Abduction Saga Book Reviews by David C. Kang, Börje Ljunggren & John Delury
PLUS
US$15.00 W15,000
Georgiy Voloshin China as a Stabilizer in Central Asia Patrick M. Cronin, Michael McDevitt, Wu Xinbo,| A JOURNAL OF THE EAST ASIA FOUNDATION WWW.GLOBALASIA.ORG | VOLUME 7, NUMBER 4, WINTER 2012 Donald K. Emmerson, Malcolm Fraser, Richard A. Bitzinger, Ramesh Thakur The New Great Game in Afghanistan Kang Choi & Noboru Yamaguchi Tridivesh Singh Maini & Manish Vaid
Is It JustTheAbout Emerging Role of Indo-Pakistan Border States CREATING A NEW WORLD OF SOCIAL ENTERPRISES Reflections by Won-soon Park & Tae-won Chey Young-hoon Lee Economic Reform in North Korea Containing China? Peter Hayes A Breakthrough Six-Party Summit in 2013? DRAWING A LINE IN THE SOUTH CHINA SEA By Nguyen Manh Hung
BURMA IN THE ASEAN CHAIR IN 2014, AT LAST
By Pavin Chachavalpongpun
Asger Røjle Christensen Japan’s Abduction Saga Book Reviews by David C. Kang, Börje Ljunggren & John Delury
Is It Just About Containing China?
US$15.00 W15,000
A JOURNAL OF THE EAST ASIA FOUNDATION | WWW.GLOBALASIA.ORG | VOLUME 7, NUMBER 4, WINTER 2012
The US ‘Pivot’ to Asia Is It Just About Containing China?
THE TPP AND THE QUEST FOR EAST ASIAN REGIONALISM
By Inkyo Cheong
THE DEBATE: IS THE TPP AIMED AT THWARTING CHINA?
TACKLING TRUST GAPS IN EAST
PLUS
Jennifer Lind Beware the Tomb of the Known Soldier Shalendra D. Sharma From Meltdown to Bounceback: How South Korea Weathered the 2008 Financial Crisis Andy Yee When Will Japan Tap Its Internet Potential? Saroj Kumar Rath Drugs in India Are a Security Threat
Wang Yong Squares Off Against Takashi Terada
In Focus: Taiwan Wu Yu-shan, Chen Tain-jy & Chu Yun-han
By Mark J. Valencia
ASSESSING A CODE OF CONDUCT FOR THE SOUTH CHINA SEA
Book Reviews by John Delury and Taehwan Kim
RISKS & OPPORTUNITIES FOR ASIA’S NEW LEADERS: ESSAYS BY
PLUS
Gilbert Rozman, Takashi Inoguchi, David Shambaugh, Joon Hyung Kim, Haksoon Paik, Leon V. Sigal, Jonathan Berkshire Miller & Lilia Shevtsova
THE TPP AND THE QUEST FOR EAST ASIAN REGIONALISM
By Inkyo Cheong
We now have an iPad and Android tablet Jennifer Lind Beware the Tomb of theedition! Known Soldier See p.5 Shalendra D. Sharma From Meltdown to Bounceback: How South Korea Weathered the 2008 FinancialUS$15.00 Crisis W15,000 Andy Yee When Will Japan Tap Its Internet Potential?
| VOLUME A JOURNAL OF THE EAST ASIA FOUNDATION | WWW.GLOBALASIA.ORG NUMBER 1, SPRING 2013 Saroj Kumar Rath Drugs in8,India Are a Security Threat THE DEBATE: IS THE TPP AIMED AT THWARTING CHINA?
Wang Yong Squares Off Against Takashi Terada
In Focus: Taiwan Wu Yu-shan, Chen Tain-jy & Chu Yun-han
ASSESSING A CODE OF CONDUCT FOR THE SOUTH CHINA SEA
Book Reviews by John Delury and Taehwan Kim
By Mark J. Valencia
RISKS & OPPORTUNITIES FOR ASIA’S NEW LEADERS: ESSAYS BY
We now have an iPad and Android tablet edition! See p.5 US$15.00 W15,000
PLUS
Gilbert Rozman, Takashi Inoguchi, David Shambaugh, Jennifer Lind Beware the Tomb of the Known Soldier | VOLUME A JOURNAL OF THE EAST ASIA FOUNDATION | WWW.GLOBALASIA.ORG 8, NUMBER 1, SPRING 2013 Joon Hyung Kim, Haksoon Paik, Leon V. Sigal, Shalendra D. Sharma From Meltdown to Bounceback: Jonathan Berkshire Miller & Lilia Shevtsova How South Korea Weathered the 2008 Financial Crisis THE TPP AND THE QUEST FOR EAST ASIAN REGIONALISM
By Inkyo Cheong
THE DEBATE: IS THE TPP AIMED AT THWARTING CHINA?
Andy Yee When Will Japan Tap Its Internet Potential? Saroj Kumar Rath Drugs in India Are a Security Threat
Wang Yong Squares Off Against Takashi Terada
In Focus: Taiwan Wu Yu-shan, Chen Tain-jy & Chu Yun-han
ASSESSING A CODE OF CONDUCT FOR THE SOUTH CHINA SEA
Book Reviews by John Delury and Taehwan Kim
By Mark J. Valencia
Avoiding the Mines Avoiding the Mines We now have an iPad and Android tablet edition! See p.5
US$15.00 W15,000
A JOURNAL OF THE EAST ASIA FOUNDATION | WWW.GLOBALASIA.ORG | VOLUME 8, NUMBER 1, SPRING 2013
New Leaders, New Dangers in Northeast Asia New Leaders, New Dangers in Northeast Asia
Avoiding the Mines
THE POLITICS OF ENGAGEMENT: ESSAYS BY
Mel Gurtov, Miroslav Nincic, Walter C. Clemens, Jr., Karin J. Lee, Andrei Lankov, Troy Stangarone, Stuart J. Thorson, Hyunjin Seo, Trita Parsi & Nicholas Farrelly JAPAN’S DANGEROUS GAMBLE ON ‘ABENOMICS’
By Gongpil Choi
THE DEBATE: IS POLITICAL RECONCILIATION POSSIBLE IN MALAYSIA?
Khairy Jamaluddin Squares Off Against Rafizi Ramli THE POLITICS OF ENGAGEMENT: ESSAYS BY
Mel Gurtov, Miroslav Nincic, Walter C. Clemens, Jr., Karin J. Lee, Andrei Lankov, Troy Stangarone, Stuart J. Thorson, Hyunjin Seo, Trita Parsi & Nicholas Farrelly JAPAN’S DANGEROUS GAMBLE ON ‘ABENOMICS’
PLUS
Rudiger Frank Rolling Reforms: Reflections on Visits to Kim Jong Un’s North Korea Cheol Hee Park The Double Life of Shinzo Abe Stein Tønnesson Steps Forward for China to Resolve the South China Sea Disputes Mark J. Valencia & Hong Nong Exploring Joint Development Possibilities in the South China Sea Book Reviews by John Delury Have and Taehwan Kim you tried our iPad or Android tablet PLUS editions? Rudiger Frank Rolling Reforms: Reflections on Visits to Kim Jong Un’s North KoreaSee p.3 Cheol Hee Park The Double Life of Shinzo AbeUS$15.00 Stein Tønnesson Steps Forward for China W15,000
to Resolve the|South China8,Sea Disputes A JOURNAL OF THE EAST ASIA FOUNDATION | WWW.GLOBALASIA.ORG VOLUME NUMBER 2, SUMMER 2013 By Gongpil Choi THE DEBATE: IS POLITICAL RECONCILIATION POSSIBLE IN MALAYSIA?
Positive Engagement with North Korea, Iran and Myanmar
Khairy Jamaluddin Squares Off Against Rafizi Ramli
Carrots Before Sticks Carrots Before Sticks Carrots Before Sticks
THE POLITICS OF ENGAGEMENT: ESSAYS BY
Mark J. Valencia & Hong Nong Exploring Joint Development Possibilities in the South China Sea Book Reviews by John Delury Have and Taehwan Kim you tried our iPad or Android tablet editions? See p.3 PLUS
US$15.00 W15,000
Rudiger Frank Reforms: Reflections Mel Gurtov, OF Miroslav Nincic, Walter C. Clemens, | Jr., | Rolling A JOURNAL THE EAST ASIA FOUNDATION WWW.GLOBALASIA.ORG VOLUME 8, NUMBER 2, SUMMER 2013 on Visits to Kim Jong Un’s North Korea Karin J. Lee, Andrei Lankov, Troy Stangarone, Stuart J. Thorson, Hyunjin Seo, Trita Parsi & Nicholas Farrelly Cheol Hee Park The Double Life of Shinzo Abe
Positive Engagement with North Korea, Iran and Myanmar
JAPAN’S DANGEROUS GAMBLE ON ‘ABENOMICS’
By Gongpil Choi
THE DEBATE: IS POLITICAL RECONCILIATION POSSIBLE IN MALAYSIA?
Khairy Jamaluddin Squares Off Against Rafizi Ramli
Stein Tønnesson Steps Forward for China to Resolve the South China Sea Disputes Mark J. Valencia & Hong Nong Exploring Joint Development Possibilities in the South China Sea Book Reviews by John Delury Have and Taehwan Kim you tried our iPad or Android tablet editions? See p.3 US$15.00 W15,000
A JOURNAL OF THE EAST ASIA FOUNDATION | WWW.GLOBALASIA.ORG | VOLUME 8, NUMBER 2, SUMMER 2013
Positive Engagement with North Korea, Iran and Myanmar
South Korea Leading the Way Into a New World of Social Enterprises
In This Issue: We Start a New Regular Section Profiling Asian Countries in Taiwan
South Korea Leading the Way Into a New World of Social Enterprises
In This Issue: We Start a New Regular Section Profiling Asian Countries in Taiwan
In This In Focus: Issue:How We Start to Break a New the Regular Deadlock Section in the South Profiling China Asian SeaCountries in Taiwan
South Korea Leading the Way Into a New World of Social Enterprises
In This Issue: We Start a New Regular Section Profiling Asian Countries in Taiwan
In This In Focus: Issue:How We Start to Break a New the Regular Deadlock Section in the South Profiling China Asian SeaCountries in Taiwan
New Leaders, New Dangers in Northeast Asia
In This In Focus: Issue:How We Start to Break a New the Regular Deadlock Section in the South Profiling China Asian SeaCountries in Taiwan
ASIA: ESSAYS BY
Yun Byung-se, Richard Ned Lebow, Tae-Seop Bahng, Charles A. Kupchan, Wang Yizhou, Yoshihide Soeya, Mansourov, Myung-bok Bae & Mohamed Alexandre Y. Jawhar Hassan
NON-WESTERN DEMOCRACIES AND ASIAN POLITICAL
By Alexei D. Voskressenshi.
SYSTEMS
THE DEBATE: TACKLING AUSTRALIA TRUST GAPS ’S INNEW EASTREFUGEE ASIA:
POLICY ESSAYS BY Andrew MarkusRichard Yun Byung-se, Squares OffLebow, Against Ned GraemeBahng, Tae-Seop McGregor Charles A. Kupchan, Wang Yizhou, Yoshihide Soeya, Mansourov, Myung-bok Bae & Mohamed Alexandre Y. Jawhar Hassan NON-WESTERN DEMOCRACIES AND ASIAN POLITICAL
By Alexei D. Voskressenshi.
THE DEBATE: AUSTRALIA’S NEW
SYSTEMS
REFUGEE POLICY
Andrew Markus Squares Off Against
Graeme McGregor
PLUS
Andrew Billo A Way to Peace in the South China Sea Jung-Sun Park Why ‘Gangnam Style’ Isn’t Hallyu Style Chung-in Moon North Korea vs. South Korea: What Will It Take to End 60 Years of War? Haruki Wada Korea’s War, Armistice and Legacy Book Reviews by John Delury, Taehwan Kim, Nayan PLUS Chanda and David Plott Andrew Billo A Way to Peace in the South China Sea Jung-Sun Park Why ‘Gangnam Style’ Have Isn’ttrie you Hallyu d Style Chung-in Moon North Korea vs. South ourKorea: iPad or What Will It Take to End 60 Years of And roid tablet War? Haruki Wada Korea’s War, Armisticeeditions? and Legacy See p.57 Book Reviews by John Delury, Taehwan Kim, Nayan Chanda and David Plott US$15.00
Have you triedW15,000 | VOLUME 8, NUMBER our iPad 3, FALL Andrew Billo A Way or 2013 to Peace in the South And roidChina tabletSea Jung-Sun Park Why ‘Gangnam Style’edit Isn’t Hallyu ions ? Style Chung-in Moon North Korea vs. SouthSee p.57 Korea: NON-WESTERN DEMOCRACIES AND ASIAN POLITICAL SYSTEMS What Will It Take to End 60 Years of War? By Alexei D. Voskressenshi. Haruki Wada Korea’s War, Armistice and Legacy US$15.00 Book Reviews by John Delury, Taehwan DEBATE: AUSTRALIA’S NEW REFUGEE ATHE JOURNAL Kim, W15,000 POLICY OF THE EAST ASIA FOUNDATI Nayan Chanda and David Plott ON | WWW.GLOBALASIA.O Andrew Markus Squares Off Against Graeme RG | VOLUME 8, NUMBER McGregor A TACKLING JOURNAL TRUST EASTFOUNDATI ASIA: ESSAYS BY OF THEGAPS EASTINASIA PLUS ON | WWW.GLOBALASIA.O Yun Byung-se, Richard RG Ned Lebow, Tae-Seop
Bahng, Charles A. Kupchan, Wang Yizhou, Yoshihide Soeya, Mansourov, Myung-bok Bae & Mohamed Alexandre Y. Jawhar Hassan
How East Asia Can Secure a Peaceful HowFutu East reAsia Can Secure a Peaceful Future How East Asia Can Secure a Peaceful Future
A JOURNAL OF THE EAST ASIA FOUNDATION
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3, FALL 2013
Have you tried our iPad or Android tabl et editions? See p.57
US$15.00 W15,000 | VOLUME 8, NUMBER 3, FALL 2013
The Politics Trus Thof e Po littics of Trust The Politics of Trust
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W I NT ER 2013
Koreanische Kultur und Kunst Spezial W I N TER 2013
Jahrgang 8, Nr. 4
Rund um den Reisschnaps Soju Soju und die koreanische Seele; Soju: Alkoholisches Getr채nk der Nation; Erinnerungen stehlen und Erinnerungen schaffen
Rund um den Reisschnaps Soju Die Trinkkultur der Koreaner
www.koreana.or.kr
Jahrgang 8, Nr. 4
ISSN 1975-0617