PGH _ La Cage auf Folles

Page 1

LA CAGE AUX FOLLES

EIN KÄFIG VOLLER NARREN

Musical von Jerry Herman (Musik und Gesangstexte) und Harvey Fierstein (Buch)

theater-vorpommern.de

La Cage aux Folles

(Ein Käfig voller Narren)

Musical in zwei Akten

Musik und Gesangstexte von Jerry Herman Buch von Harvey Fierstein nach dem Stück „Ein Käfig voller Narren“ von Jean Poiret

Deutsch von Erika Gesell und Christian Severin

Georges Markus Voigt

Albin / Zaza Felix Martin

Jean-Michel Felix Meusel

Jacob Vitor Oliveira Pires*

Anne Dindon Friederike Serr

Édouard Dindon Hannes Rittig

Marie Dindon Christiane Schoon

Jacqueline Galina Lis**

Madame Renaud Vera Meiß**

Monsieur Renaud Bernd Roth**

Die Cagelles:

Mercedes

Armen Khachatryan*

Hanna Stefano Fossat*

Phaedra Avah Painter*

Chantal Lucas Praetorius*

Lorenzo Colella*, Tali Elman*,

Bárbara Flora*, Juul van Helvoirt*,

Mario Salas Maya*,

Cristina Dora Serrano Sánchez*,

Carlos Tostado Serván*

*BallettVorpommern

**Opernchor des Theaters Vorpommern

Philharmonisches Orchester Vorpommern

2

Musikalische Leitung

Inszenierung

Bühne & Video

Kostüme

Licht

Choreographie

Ludger Nowak

Toni Burkhardt

Eva Humburg

Adriana Mortelliti

Marcus Kröner

Sven Niemeyer

Chor Csaba Grünfelder

Dramaturgie

Musikalische Assistenz

Choreographische

Assistenz

Regieassistenz & Abendspielleitung

Inspizienz

Soufflage

Nadja Hess, Stephanie Langenberg

David Grant, Peter Hammer, David Wishart

Gisela Fontarnau Galea

Lisa Muchow, Kerstin Wollschläger

Nadim Hussain

Kerstin Wollschläger, Elke Zeh

Premiere in Stralsund am 6. Oktober 2023

Aufführungsdauer: ca. 3 Stunden, Pause nach dem 1. Akt

Aufführungsrechte: Felix Bloch Erben GmbH & Co. KG, Berlin www.felix-bloch-erben.de

Ausstattungsleiterin: Eva Humburg / Technischer Direktor: Christof Schaaf / Beleuchtungseinrichtung: Marcus Kröner

Bühnentechnische Einrichtung: Andreas Flemming / Toneinrichtung: Hagen Währ, Samuel Zinnecker

Leitung Bühnentechnik: Robert Nicolaus, Michael Schmidt / Leitung Beleuchtung: Kirsten Heitmann / Leitung Ton: Daniel Kelm / Leitung Requisite: Alexander Baki-Jewitsch, Christian Porm / Bühne & Werkstätten: Produktionsleiterin: Eva Humburg / Tischlerei: Stefan Schaldach, Bernd Dahlmann, Kristin Loleit / Schlosserei: Michael Treichel, Ingolf Burmeister / Malsaal: Anja Miranowitsch, Fernando Casas Garcia, Sven Greiner / Dekoration: Frank Metzner

Kostüm & Werkstätten: Leiter der Kostümabteilung: Peter Plaschek / Gewandmeisterinnen: Ramona Jahl, Annegret Päßler, Tatiana Tarwitz / Modisterei: Elke Kricheldorf / Ankleiderinnen: Ute Schröder, Petra Westphal

Maskenbildner*innen: Tali Rabea Breuer, Jill Dahm, Philipp Gielow, Antje Kwiatkowski, Kateryna Maliarchuk, Bea Ortlieb

Liebe Gäste, wir möchten Sie darauf aufmerksam machen, dass Ton- und/oder Bildaufnahmen unserer Aufführungen aus urheberrechtlichen Gründen untersagt sind. Vielen Dank.

Das

Es wird gefördert durch das Ministerium für Wissenschaft, Kultur, Bundes- und EU-Angelegenheiten des Landes Mecklenburg-Vorpommern.

3
Theater Vorpommern wird getragen durch die Hansestadt Stralsund, die Universitäts-
und Hansestadt Greifswald und den Landkreis Vorpommern-Rügen.

IN ALLER KÜRZE

DIE HANDLUNG

Georges ist der Besitzer des erfolgreichen Nachtclubs „La Cage aux Folles“ an der Côte d’Azur, wo jeden Abend sein langjähriger Lebensgefährte Albin als Dragqueen Zaza auftritt und der Star des Abends ist. Als aber Georges’ Sohn Jean-Michel, der bei Georges und Albin aufgewachsen ist, plötzlich verkündet, dass er die Tochter eines ultrakonservativen Politikers heiraten möchte, gerät das Gefüge der kleinen Regenbogenfamilie durcheinander. Da die Brauteltern ihren Besuch angekündigt haben, möchte Jean-Michel ihnen eine ganz „normale“ Familienidylle präsentieren und bittet Georges, ohne Albin zu diesem ersten Treffen zu kommen. Trotz dieses emotionalen Verrats schlüpft Albin in die Rolle der „Vorzeige“-Mutter – bis seine Verstellung auffliegt …

DIE VORLAGE

Bevor das Musical „La Cage aux Folles“ am 21. August 1983 am Broadway in New York seine Uraufführung erlebte, kam zehn Jahre zuvor die gleichnamige BoulevardKomödie in Paris zur Premiere. Der Autor ist Jean Poiret – ein Theater- und Filmschauspieler, der bereits auch als Autor und Regisseur bekannt war. Die Inszenierung, in der er selbst gemeinsam mit dem bekannten Schauspieler Michel Serrault als Georges und Albin auf der Bühne stand, erlebte mehr als 900 Vorstellungen.

DER AUTOR

Harvey Fierstein, bekannt als Schauspieler und Autor, hat das Buch für das Musical geschrieben. Er war damals erst 29 Jahre alt und hatte kurz zuvor zwei Tony Awards für sein Stück „Torch Song Trilogy“ bekommen, in dessen Inszenierung er zudem die Hauptrolle übernommen hatte – die eines Homosexuellen, der seinen Lebensunterhalt mit Auftritten als Travestie-Künstler in Nachtclubs verdient. In jüngeren Jahren war Fierstein übrigens selbst als Dragqueen in New York unterwegs gewesen.

ZUR MUSIK

Die Musik zum Musical schrieb der US-amerikanische Komponist Gerald „Jerry“ Herman (1931-2019), der sich bereits mit seinen Musical-Hits „Hello, Dolly!“ (UA 1964, 10 Tony Awards) und „Mame“ (1966) am Broadway einen Namen gemacht hatte. Da die Tanz- und Gesangsnummern wichtige Bestandteile der Handlung sind, ist „La Cage aux Folles“ eines der großen sogenannten „Book-Musicals“. Der Form nach stellte es keine Novität dar, während es jedoch inhaltlich Grenzen sprengte, denn es war das erste Broadway-Musical, das Homosexualität offen thematisierte.

LA CAGE AUX FOLLES“ REVUE UND REALITÄT

1983 berichtete der damals 29-jährige Harvey Fierstein, Autor des Musicals „La Cage aux Folles“, dem New York Magazine, dass er während eines Vorsprechens für die Produktion an die Dragqueens im Village von New York dachte – wie sie verhöhnt, überfallen und verhaftet wurden. Er dachte auch daran, wie noch immer Männer vom Auto aus Dragqueens heranwinken, sie nach dem Weg fragen, um ihnen dann mit einem Ziegelstein das Gesicht zu zertrümmern. Nun saß er im Theatersaal und auf der Bühne konkurrierten zahlreiche geschminkte Männer in Paillettenkleidern um eine der Rollen in einer fünf Millionen teuren Broadway-Produktion. Das war 14 Jahre nach den Stonewall-Aufständen in New York.

In den 1920er und 30er Jahren entwickelte sich in New York eine Untergrundszene mit Bars, in denen sich Homosexuelle treffen konnten und auch Drag performt wurde. Damals gab es in den USA sogenannte Anti-Crossdressing-Gesetze, die der Polizei das Recht gaben, Menschen auf der Straße daraufhin zu kontrollieren, ob sie die vorgeschriebene Mindestanzahl von drei Kleidungsstücken entsprechend dem bei der Geburt zugeschriebenen Geschlecht trugen. Dementsprechend wurden auch zahlreiche Bars Ziel von Polizeirazzien, bei denen Dragqueens und Dragkings sowie trans* Menschen verhaftet wurden. Auch noch in den 1950er und 60er Jahren gehörten Razzien und Verhaftungen in den Bars zum Alltag – das Küssen und Händchenhalten von zwei gleichgeschlechtlichen Menschen, das Tragen von Kleidung des anderen Geschlechts oder allein der Aufenthalt in einschlägigen Bars reichte aus für eine Anklage wegen „anstößigen Verhaltens“ oder der „Erregung öffentlichen Ärgernisses“. Bei einer dieser häufigen Razzien in Greenwich Village begannen sich am 28. Juni 1969 die homosexuellen und trans* Besucher*innen und Künstler*innen gegen die ständigen Herabwürdigungen, die Gewalt und die Verhaftungen zu wehren – und zwar in der Bar „Stonewall Inn“ in der Christopher Street. Erst nach mehreren Tagen endeten die gewalttätigen Konflikte und gelten seitdem als Wendepunkt im Kampf um Gleichbehandlung und Anerkennung der LGBTQ-Bewegung. Weltweit wird jedes Jahr am Christopher Street Day daran erinnert. Seitdem hat sich viel getan hinsichtlich der Emanzipation, der Akzeptanz und der Rechte der queeren Community. Prominente aus Kunst, Sport und Politik outen sich, ohne daraufhin unbedingt ihre Position und Anerkennung zu verlieren, zum Christopher Street Day weht auf den Rathäusern die Regenbogenflagge, weltweit haben Millionen die 2009 gestartete Reality-Show „RuPauls Drag Race“ an den Bildschirmen verfolgt, die Travestiekünstlerin Conchita Wurst gewann 2014 den European Song Contest und seit dem 1. Oktober 2017 dürfen auch in Deutschland gleichgeschlechtliche Paare offiziell heiraten.

6

Damit ist für Menschen mit nicht-heteronormativer Lebensweise allerdings noch lange nicht die selbstverständliche Anerkennung und Gleichstellung erreicht. Noch immer sind auch in Deutschland sehr viele Menschen mit einer LGBTQ-Identität Mobbing und Anfeindungen, öffentlicher Diskriminierung und gewalttätigen Übergriffen ausgesetzt. Darüber hinaus werden sie in Europa und weltweit zunehmend von den erstarkenden rechtspopulistischen Parteien als Bedrohung traditioneller Werte dargestellt und dementsprechend für deren politische Ziele instrumentalisiert. In vielen Ländern werden die diskriminierenden Gesetze gegen LGBTQ-Personen gerade verschärft und in manchen Staaten wird Homosexualität noch immer mit einer lebenslangen Haft- oder sogar mit der Todesstrafe geahndet.

Das Musical „La Cage aux Folles“, das seit 1983 am Broadway knapp 1.800 Vorstellungen erlebte und entsprechend viele Menschen ins Theater zog, steht auch heute noch weltweit auf den Spielplänen – die Gründe dafür sind zahlreich, denn neben der berührenden Liebes- und Familiengeschichte, dem komödiantischen, schlagfertigen Witz der Dialoge, der großen Bühnenshow und der mitreißenden Musik mit Ohrwurmcharakter ist es ein Plädoyer für soziale Toleranz und den Mut, zu sich selbst zu stehen. Eine Botschaft, die auch 40 Jahre nach der Uraufführung nichts von ihrer Bedeutung und Brisanz eingebüßt hat.

„Lass dich niemals zum Schweigen zwingen. Erlaube niemals, dass du zum Opfer gemacht wirst. Akzeptiere niemandes Definition deines Lebens, sondern definiere dich selbst.“

7
Harvey Fierstein

I AM WHAT I AM! ICH BIN, WAS ICH BIN!

So heißt der bekannteste Song aus dem Musical „La Cage aux Folles“, der die Abschlussnummer des 1. Aktes bildet. Albin verlangt Akzeptanz für das, was er ist: eine eigene Persönlichkeit mit einem klaren Bekenntnis zu sich selbst. Bereits wenige Tage nach der Uraufführung des Musicals prognostizierte das „New York Magazine“, dass dieser Titel die neue nationale Schwulenhymne werden würde. Zum entscheidenden Durchbruch verhalf ihm Gloria Gaynor, die bereits 1979 mit ihrem Hit „I Will Survive“ einen riesigen Erfolg gefeiert hatte. Noch im Jahr der Uraufführung von „La Cage aux Folles“ brachte sie eine Disco-Version von „I Am What I Am“ heraus – zunächst als Single und ein Jahr später auf ihrem Album „I Am Gloria Gaynor“. Überall auf der Welt fand das Lied Anhänger in den Schwulenszenen und wurde in den Dance-Clubs zu einem Hit, während die Sängerin selbst zum Idol der Transsexuellen avancierte und zahlreiche andere Interpret*innen, wie z. B. Shirley Bassey, ihrerseits dem Song zu seiner Popularität verhalfen. Mit diesem überragenden und überraschenden Erfolg hatte der Komponist Jerry Herman nicht gerechnet.

Wenn meine Boa, als Vorhang zur Nacht, einer Schlange gleich an mir entgleitet, bin ich ein König, verstoßen, verlacht, in den prächtigsten Farben gekleidet. ...

Für dich verschenke ich mein Lachen, für dich bin ich gekleidet wie ein Pfau. Meine Welt sind ein paar bunte Lappen, mein Himmel aus Papier, der bleibt auch blau! ...

Liebe mich, mein Freund, sei ohne Zügel, lass sie bellen, sie bellen doch aus Angst. Verbote beschneiden ihre Flügel, sie hassen doch ihr Loch, sie hassen ihren Schwanz.

Zauberer in Moschus und in Leder, die Nacht bittet uns Liebende herein, ich will Liebe und das Glück wie jeder und wage es ein anderer zu sein ...

(Refrain:)

Sie nennen mich Tunte

(Lass sie reden!)

(Tucke. Homo, Schwules Schwein!)

Tunte!

(Lass sie reden!)

(Was gäben sie darum, einmal so wie du zu sein.)

Tunte!

(Lass sie reden!)

(Tucke, Homo, Schwule Sau!)

Tunte!

(Lass sie reden!)

Weil ich ein Mann bin – und eine Frau!

Klaus Hoffmann

11
SIE NENNEN MICH TUNTE

„Das Wichtigste, was ich zu sagen habe, ist, dass wir uns die Vorstellung abschminken sollten, Liebe und Familie seien heterosexuelle Vorrechte, es sind Menschenrechte.“

Manche Gegner der „Homoehe“ sind überzeugt davon, dass Kinder eine Mutter und einen Vater gleichermaßen brauchen, um optimal aufwachsen zu können, und würden die Kindererziehung deshalb am liebsten vorwiegend in den Händen gemischtgeschlechtlicher Paare sehen. Aus wissenschaftlicher Sicht ist diese Sorge allerdings unberechtigt.

So kam 2017 die Familienforscherin Susan Golombok von der University of Cambridge zu dem Schluss, dass „die Qualität der familiären Beziehungen und das soziale Umfeld“ deutlich wichtiger für die psychische Entwicklung der Kinder seien als etwa „die Anzahl, das Geschlecht oder die sexuelle Orientierung der Eltern“.

Auch in modernen westlichen Gesellschaften ist Homosexualität nach wie vor mit einem Stigma verbunden. Im Rahmen einer deutschen Studie fand man tatsächlich Hinweise darauf, dass der Nachwuchs gleichgeschlechtlicher Eltern stärker gefährdet ist, von Gleichaltrigen diskriminiert zu werden. Homosexuelle Mütter und Väter – auch das zeigen die Daten – scheinen dies jedoch durch eine bessere Beziehung zu ihren Kindern und einen offeneren Umgang mit dem Thema kompensieren zu können, so dass sich unter dem Strich keine Nachteile für die Entwicklung ergeben. Ein Team um Alicia Fedewa von der University of Kentucky in Lexington konnte im Rahmen einer Metaanalyse feststellen, dass das psychische Wohlbefinden ihrer Probanden, die mit gleichgeschlechtlichen Eltern zusammenlebten, tendenziell sogar etwas besser als das Gleichaltriger in heterosexuellen Haushalten war. In manchen Fällen galt das auch für die Beziehung zu ihren Eltern. Zudem outeten die Kinder sich später nicht häufiger als schwul oder lesbisch – eine Befürchtung, die manche Gegner des Adoptionsrechts für Homosexuelle noch mehr oder weniger offen hegen.

12

WACHSENDER HASS

Immer mehr Länder gehen gegen queere Menschen vor. In Ägypten nutzt die Polizei offenbar Dating-Apps, um schwule Männer zu verfolgen, auch andere afrikanische Staaten wollen ihre Gesetze verschärfen. In den USA droht der Supreme Court queere Errungenschaften wieder rückgängig zu machen. Und in Russland führt Wladimir Putin Krieg gegen den in seinem Narrativ von LGBTQIA+-Propaganda indoktrinierten und verweichlichten Westen. Auch in Deutschland gibt es immer mehr Fälle queerfeindlicher Gewalt, wie den tödlichen Angriff auf trans* Mann Malte C. vergangenes Jahr in Münster.

Es wirkt paradox: Auf der einen Seite wird die Gesellschaft diverser, immer mehr Länder führen die Ehe für alle ein, die Rechte der queeren Community werden gestärkt und weltweit gehen zahlreiche Menschen am Christopher Street Day auf die Straßen. Doch auf der anderen Seite werden diese Fortschritte von reaktionären Kräften erbittert bekämpft, die zu einer vermeintlich konservativen Gesellschaftsordnung zurückwollen. In vielen Teilen der Erde wird mit einem Anti-LGBTQIA+Narrativ Politik gemacht und Hass gegen Minderheiten geschürt. Fakt ist, dass es noch immer gefährlich ist, offen als queere Person zu leben. Und dass politischer Handlungsbedarf besteht, um die Community weltweit zu schützen.

14
Anna-Katharina Ahnefeld
15

WIE ÄNDERT SICH GENDER?

Einige unserer tiefsten Grundüberzeugungen haben, ebenso wie die Grundstrukturen unserer Kultur, mit Gender zu tun. Sie bestimmen, wie wir einander einordnen. Viele gesellschaftliche Rollen und Erwartungen sind genderbezogen: wer Kindererziehung oder Führungsrollen übernehmen „sollte“, wer welche Kleidung, welche Hobbys bevorzugen, welche Gefühle erleben „sollte“. Ob körperliche Aspekte, soziale Rolle oder persönliche Identität: Gender ist in allen Facetten veränderlich – von Kultur zu Kultur, von Person zu Person oder sogar bei ein und derselben Person zu verschiedenen Zeiten.

16

Klar ist, dass es kein allgemeingültiges Genderverständnis gibt. Viele Menschen halten am binären Modell fest. Betrachtet man aber die verschiedenen Sicht- und Lebensweisen in unserer Zeit und in der Geschichte, wird deutlich, dass Gender kein festgeschriebenes Attribut ist. Hinzu kommt, dass durch Diskrepanzen zwischen traditionellen gesellschaftlichen Genderrollen und dem Alltagserleben eine systemische Ungerechtigkeit entsteht, unter der alle zu leiden haben: Transgender und gender-diverse Personen, aber auch Cisgender-Männer und -Frauen. Unsere Welt ist keineswegs genderneutral, aber durch jedes Mehr an Flexibilität können sich die Bedingungen für alle Menschen verbessern.

Sally Hines

17

QUEER DURCHS ABC

ANDROGYN: eine Art der Geschlechtspräsentation, die sowohl männliche als auch weibliche Elemente hat oder sich in einem Spektrum dazwischen bewegt. Der Begriff wird manchmal auch als Beschreibung für eine Geschlechtsidentität benutzt, die sich zwischen männlich und weiblich verortet.

ASEXUELL: Asexuelle Menschen entwickeln romantische Gefühle, jedoch kaum oder kein Verlangen nach sexueller Intimität mit anderen Personen.

BISEXUELL: Die sexuelle Anziehung beschränkt sich nicht auf ein Geschlecht, sondern wer bisexuell ist, fühlt sich sowohl von Frauen als auch von Männern angezogen.

CIS: Menschen, deren Geschlechtsidentität mit dem bei der Geburt eingetragenen Geschlecht übereinstimmt.

DIVERS: Seit 2019 bildet der Geschlechtseintrag „divers“ in Deutschland neben „männlich“ und „weiblich“ den dritten offiziell anerkannten juristischen Geschlechtseintrag, worunter alle Menschen mit intersexueller und nichtbinärer Identität verstanden werden. „Divers“ ist kein eigenes Geschlecht, sondern ein Überbegriff für viele verschiedene Geschlechter.

DRAG: Es ist nicht abschließend geklärt, wo der Ausdruck seinen Ursprung hat. Eine Vermutung führt auf Shakespeare zurück, der das Wort „Drag“ in den Spielanweisungen seiner Dramen verwendet haben soll, wenn Männer eine weibliche Bühnenrolle übernahmen. Aus den Regieanweisungen „dressed as a girl“ oder „dressed resembling a girl“ stellt sich womöglich das Akronym „Drag“ zusammen. Dragqueens sind häufig (aber nicht immer!) CisMänner, die als Frauen, Dragkings hingegen meist Frauen, die als Männer auftreten. Beide meist in deutlich überzeichnetem Outfit. Indem ganz bewusst mit Erwartungen an Geschlechterrollen gespielt wird, versteht sich Drag auch politisch und steht für Toleranz, Vielfalt und Gleichberechtigung.

GENDER: Beschreibt auf persönlicher Ebene die Geschlechtsidentität einer Person. In diesem Fall die persönliche Vorstellung vom eigenen Geschlecht und der eigenen Geschlechterrolle. Innerhalb der Gesellschaft ist Gender das Konzept, nach dem wir verschiedene Ideen wie sozialen Status, Geschlechtspräsentation, Rolle in der Gesellschaft, Lebensplanung und Sexualität in die Kategorien „Männlichkeit“ und „Weiblichkeit“ einordnen.

GENDERFLUID: Personen, die auf keine Geschlechtsidentität festgelegt, sondern flexibel sind. Sie können im Laufe der Zeit oder situationsabhängig das Geschlecht wechseln oder mehrere Geschlechtsidentitäten zur gleichen Zeit annehmen.

18

GAY: (dt. schwul), sich als männlich identifizierende Personen, die sich vom gleichen Geschlecht angezogen fühlen. Die englische Entsprechung zu „schwul“, „gay“, wird auch von lesbischen oder bisexuellen Menschen verwendet. „Gay“ wird außerdem auch als Überbegriff für alles verwendet, was von der Heteronormativität abweicht.

HETEROSEXUELL: Menschen, die sich ausschließlich vom anderen Geschlecht sexuell angezogen fühlen.

HOMOSEXUELL: Menschen, die sich vom Geschlecht ihrer eigenen Identität sexuell angezogen fühlen.

INTERSEXUELL: Menschen, die sich bei der Geburt medizinisch weder dem einen noch dem anderen Geschlecht eindeutig zuordnen lassen.

LESBIAN: (dt. lesbisch), sich als weiblich identifizierende Personen, die sich vom gleichen Geschlecht angezogen fühlen.

LGBTQ: Die englisch ausgesprochenen Anfangsbuchstaben für die Begriffe „lesbian“, „gay“, „bisexual“, „transgender“ und „queer“ werden als Kurzform für die genannten Geschlechtsidentitäten und sexuellen Orientierungen verwendet.

LGBTQIA+: Hier wird obiges Akronym noch erweitert. I steht für „intersexual“ und A für „asexual“, während das Pluszeichen sämtliche weitere nicht eigens aufgelistete Orientierungen und Identitäten mit einschließt.

PANSEXUELL: Menschen, die sich von Personen jeglichen Geschlechts sexuell angezogen fühlen, also sowohl von Frauen und Männern gleichermaßen als von queeren Geschlechtsidentitäten.

TRANSGENDER: Menschen, die sich nicht oder nicht vollständig mit ihrem bei der Geburt zugewiesenen Geschlecht identifizieren.

TRAVESTIE: Dem italienischen Wort „travestire“ (dt. „verkleiden“) liegen die beiden lateinischen Wörter „trans“ (= hinüber) und „vestire“ (= kleiden) zugrunde. In der Travestie schlüpfen die Darsteller*innen auf der Bühne in die Rolle des anderen Geschlechts.

QUEER: ein Schirmbegriff, der alles einschließt, was nicht Hetero und Cis ist und somit für sämtliche sexuelle Orientierungen und Geschlechtsidentitäten der LGBTQIA+-Community genutzt wird.

19
20 Termine Jetzt Tickets sichern! Trailer PREMIERE IN STRALSUND am 06. Oktober 2023 folgt in Kürze
21 Außerdem im Programm www.theater-vorpommern.de LICHT!: Das neue (interaktive) Spielzeitheft 2023/24 SIMPLICIUS SIMPLICISSIMUS LA CENERENTOLA –Aschenputtel WINTERREISE

Herausgeber: Theater Vorpommern GmbH, Stralsund – Greifswald – Putbus, Spielzeit 2023/24

Geschäftsführung: André Kretzschmar, Verwaltungsdirektor

Impressum

Redaktion: Nadja Hess , Stephanie Langenberg

Gestaltung: giraffentoast

Literaturnachweise: Die Texte auf den Seiten 4, 6, 7, 8 sowie 18 und 19 sind Originalbeiträge für dieses Heft von Nadja Hess und Stephanie Langenberg; Ahnefeld, Anna-Katharina: USA, Ungarn und Uganda: Wie mit Hass gegen queere Menschen Politik gemacht wird vom 9.5.2023 unter www.fr.de; Fierstein, Harvey – Zitat S. 7 unter www.myzitate.de/harvey-fierstein/ und Zitat S. 12 aus: „Geschönter Einblick“ vom 4.9.1983 in: Der Spiegel 36/1983; Hines, Sally: Wie ändert sich Gender? Große Fragen des 21. Jahrhunderts. München 2019; Hoffmann, Klaus: Sie nennen mich Tunte, unter: www.songtexte.fm; Mocker, Daniela: Regenbogenfamilie – Vater, Vater, Kind vom 17.7.2017, unter: www.spektrum.de; https://queer-lexikon.net/glossar/

Bildnachweise: Sämtliche Fotos stammen von Peter van Heesen: Sie entstanden auf der Klavierhauptprobe am 27.09.2023 sowie auf der Generalprobe am 04.10.2023.

Turn static files into dynamic content formats.

Create a flipbook
Issuu converts static files into: digital portfolios, online yearbooks, online catalogs, digital photo albums and more. Sign up and create your flipbook.