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Orfeo ed Euridice

Oper von Christoph Willibald Gluck

Libretto von Raniero de ’ Calzabigi in italienischer Sprache mit deutschen Übertiteln

Orfeo Pihla Terttunen

Euridice Franziska Ringe

Amore Elia Cohen Weissert

Opernchor des Theaters Vorpommern

Philharmonisches Orchester Vorpommern

Musikalische Leitung

Inszenierung

Bühne & Kostüme

Licht

Dramaturgie

Alexander Mayer

Wolfgang Berthold

Eva Humburg

Christoph Weber

Katja Pfeifer

Chor Csaba Grünfelder

Musikalische Assistenz David Behnke, David Grant, David Wishart

Regieassistenz und Abendspielleitung Malu Gurgel

Inspizienz Lisa Henningsohn

Übertitel und Übertitelinspizienz Katja Pfeifer, Lasse Riedl, Ole Klepin

Premiere in Greifswald am 18. März 2023

Aufführungsdauer: ca. 1 ½ Stunden, keine Pause

Ausstattungsleiterin: Eva Humburg / Technischer Direktor: Christof Schaaf / Beleuchtungseinrichtung:

Christoph Weber / Bühnentechnische Einrichtung: Frank Gottschalk / Toneinrichtung: Nils Bargfleth

Leitung Bühnentechnik: Robert Nicolaus, Michael Schmidt / Leitung Beleuchtung: Kirsten Heitmann

Leitung Ton: Daniel Kelm / Leitung Requisite: Alexander Baki-Jewitsch, Christian Porm / Bühne & Werkstätten: Produktionsleiterin: Eva Humburg / Tischlerei: Stefan Schaldach, Bernd Dahlmann, Kristin

Loleit Schlosserei: Michael Treichel, Ingolf Burmeister / Malsaal: Anja Miranowitsch, Fernando Casas

Garcia,Sven Greiner / Dekoration: Frank Metzner / Kostüm & Werkstätten: Leiter der Kostümabteilung: Peter Plaschek / Gewandmeisterinnen: Ramona Jahl, Annegret Päßler, Tatiana Tarwitz / Modisterei: Elke Kricheldorf / Ankleiderinnen: Ute Schröder, Petra Westphal / Leiterin der Maskenabteilung: Andrea Steinbrück, Antje Kwiatkowski (Stv.)

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Es wird gefördert durch das Ministerium für Wissenschaft, Kultur,

ORPHEUS – STATIONEN EINES WANDELS

GRIECHENLAND, UM 600 V. CHR. Erstmals findet der sagenhafte Thrakische Musiker Orpheus in der Literatur Erwähnung. Mithilfe von Saitenspiel und Gesang besänftigt er Mensch und Tier, erweicht Steine und bringt so durch Kultur Ordnung in die Wildnis der irdischen Antike. Doch seine Kunst reicht weiter. Nach dem Verlust seiner Gattin Eurydike, die nach einem Schlangenbiss ihr Leben lassen musste, gelingt es dem trauernden Orpheus, Eingang in die Unterwelt zu erhalten und dort all jene Grenzen zu überschreiten, die für die Lebenden sonst verschlossen sind. Es gelingt ihm nicht nur, den schattenhaften Bewohnern der Unterwelt menschliche Gefühle zu entlocken, sondern er bringt es auch fertig, Hades, den Gott der Unterwelt

(bzw. seine Gattin Persephone) mit seiner Kunst so weit zu rühren, dass ihm die Möglichkeit eröffnet wird, Eurydike zurückzugewinnen. Doch an jeden Handel mit Göttern ist eine Bedingung geknüpft: Eurydike wird ihrem Gatten aus der Unterwelt folgen, doch Orpheus darf sich auf dem Rückweg ins Leben nicht nach ihr umschauen oder sich ihr erklären. Das blinde Vertrauen als Liebesbeweis ist es, woran Orpheus letztendlich scheitert. Von zunehmendem Zweifel befallen, blickt er sich doch um und verliert Eurydike erneut, diesmal für immer. Orpheus fristet sein weiteres Dasein in Einsamkeit, bis er schließlich zum Opfer wütender Mänaden wird, die seinem Leben ein blutrünstiges Ende bereiten.

ITALIEN, 1600

Während dramatische Adaptionen des Orpheus-Mythos sich zunächst aufgrund der Handlungsarmut der Geschichte in Grenzen hielten, führte das musikalische Potential des Stoffes im 17. Jahrhundert zur Entstehung einer neuen Kunstgattung: Mit „Euridice“ gingen Komponist Jacopo Peri und Dichter Ottavio Rinuccini im Jahr 1600 die ersten Schritte in Richtung Oper. Sieben Jahre später schuf Claudio Monteverdi mit seinem „Orfeo“ den ersten vollgültigen Vertreter der neuen Gattung und schrieb damit Musikgeschichte. Namentlich die musikalische Schilderung der Unterwelt, deren charakteristischer Klang mit Zinken, Posaunen und einem schnarrenden Regal beispielhaft werden sollte, sorgte für Musikdramatik, wo szenische fehlte.

WIEN, 1762

Wieder ist es der Orpheus-Stoff, der 1762 eine dringend notwendige Weiterentwicklung der mittlerweile in die Jahre gekommenen Operntradition einleitete. Anlässlich des Namenstages des österreichischen Kaisers Franz I. komponierte Christoph Willibald Gluck eine festliche Oper als musikdramatischen Beitrag zu den Feierlichkeiten.

Die formalen Vorgaben einer solchen „azione teatrale“ verlangten einen pastoralen Charakter, überschaubare Ausmaße, was die Dauer wie die Beteiligten betraf, sowie ein „lieto fine“, also den glücklichen Ausgang der Dramenhandlung. Mit „Orfeo ed Euridice“ hatten Gluck und Librettist Raniero de’ Calzabigi einen Stoff gewählt, der die Vorgabe des Pastoralen inhaltlich wie musikalisch leicht bedienen konnte, allerdings eine Umdeutung des mythischen Endes hin zu einem glücklichen Ausgang verlangte. Doch der Stoff bot weit mehr als bloße kaiserliche Unterhaltung. Entsprach doch der Typus des Orpheus dem humanistischen Ideal und dessen Postulat, dass es möglich sei, mit Mitteln der Kunst die Welt – selbst die Unterwelt – zu kultivieren. Auf der anderen Seite ist es die Tragik der Liebesgeschichte zwischen Orpheus und Eurydike, die die Saiten der Empfindsamkeit im 18. Jahrhundert in Schwingung versetzte und Gluck dazu veranlasste, in bislang nie dagewesener Weise das Augenmerk auf psychologisierende Aspekte des Mythos zu lenken. Folgerichtig beginnt die Oper nicht etwa mit dem Tod Eurydikes – wie es in früheren Vertonungen meist der Fall war –sondern mit der zutiefst emotionalen Klage des Orpheus an ihrem Grab. So lenkt Gluck das Augenmerk auf die seelische Verfassung des Protagonisten, der, überwältigt von seinen Gefühlen, nach der verstorbenen Eurydike schreit. Ja, Gluck hatte explizit verlangt, dass die ersten „Eurydike“-Rufe des trauernden Orpheus mehr geschrien als gesungen werden sollten. Dieser empfindsampsychologischen Ausdeutung sind zahlreiche weitere Neuerungen musikalischer wie inhaltlicher Art geschuldet, die „Orfeo ed Euridice“ schließlich die Bezeichnung „Reformoper“ einbringen sollten und tatsächlich einen Schritt auf dem Weg zur Weiterentwicklung der Gattung darstellten. So führte Calzabigi in seinem Libretto die Partie des Amor ein, der Orpheus vordergründig die Bedingungen für seinen Abstieg in die Unterwelt übermittelt. Tatsächlich aber handelt es sich hier um eine Figur, die dem Namen nach als Liebesstifter unterwegs sein sollte, hier aber viel mehr eine vermittelnde Funktion einnimmt, ja in nahezu therapeutischer Manier über das Geschehen wacht, ohne über Gebühr einzugreifen.

So liegt die Vermutung nahe, dass schon Gluck den Abstieg in die Unterwelt als metaphorischen Blick in die eigenen seelischen Abgründe verstanden haben mag. Klangfarben- und kontrastreich schildert Gluck mit einer ausgefeilten Instrumentation Orkus und Elysium unter Aufbietung aller musikdramatischen Mittel inklusive Ballett und Chor. Auch löst er sich formal von den barocken Vorbildern, indem er die Rezitative musikalisch differenziert ausgestaltet und die standardisierten Da-capo-Arien weitgehend vermeidet. Die Oper erreicht ihren Kulminationspunkt mit Orpheus’ Arie „Che farò senza Euridice“ („Was soll ich ohne Eurydike tun?“).

Eigentlich ist an dieser Stelle schon alles gesagt – das tragische Ende des mythologischen Orpheus schon impliziert, doch an dieser Stelle musste Gluck sich den Konventionen beugen: Eine kaiserliche Geburtstagsoper verlangte nach einem glücklichen Ende. Also muss an dieser Stelle Amor noch einmal eingreifen – diesmal als Deus ex machina – und wider den Mythos und jede Logik, die die Handlung zum Guten wenden, sodass der Chor am Ende jubelnd die Wiedervereinigung des liebenden Paares besingt. Eine Tatsache, die in Folge vermehrt dazu führte, über alternative Schlüsse nachzusinnen, zumal Gluck selbst der Wiener Urfassung noch eine Parma- und französische Fassung mit diversen Änderungen, mehr Ballettnummern, weiteren, zum Teil virtuosen Arien und einem neuen, wesentlich weniger jubelnden Ende hinzufügte.

PARIS, 1858

Ein Jahr, bevor Hector Berlioz eine orchestral überarbeitete Version von Glucks „Orfeo“ herausbrachte, landete der Kölner Komponist Jacques Offenbach in Paris einen Riesenerfolg mit seiner satirischen Operettenfassung von „Orpheus in der Unterwelt“.

Und auf einmal kam die sonst recht schweigsame Eurydike zu Wort. (Selbst Jacopo Peri, der 1600 seine Oper tatsächlich „Euridice“ betitelt hatte, räumte ihr nur sehr wenige Zeilen Musik ein.)

Bei Offenbach wird die bislang annähernd unhinterfragte Liebesbeziehung aus einem gänzlich anderen Blickwinkel betrachtet. Während Orpheus sich – mittlerweile als Violinvirtuose zu Ruhm, Ansehen und zum Leiter eines Musikkonservatoriums avanciert – in seinen eigenen musikalischen Welten verliert, wird Eurydike seiner überdrüssig und schaut sich nach anderen Männern um, deren einer zufällig Pluto, der Herrscher der Unterwelt, ist.

So sehr der Mythos hier bewusst gegen den Strich gebürstet wird, so entschieden brachte Offenbach die Frage nach Eurydikes Anteil an der Geschichte ins Musiktheater, eine Frage, die sich seither aus keiner OrpheusAdaption und keiner Inszenierung mehr wegdenken lässt. Denn zu einer Liebesbeziehung gehören immer zwei … mindestens …

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