
4 minute read
ZUKUNFTSMUSIK
LEITENDER SCHAUSPIELDRAMATURG DANIEL GRÜNAUER IM GESPRÄCH MIT AUTORIN ANNE JELENA SCHULTE UND SCHAUSPIELDIREKTORIN ANTJE THOMS
DANIEL GRÜNAUER Antje, Jelena, wie kam es zu der Zusammenarbeit für unseren Auftakt ZUKUNFTSMUSIK in der Sparte Schauspiel?
JELENA SCHULTE Wir haben uns 2007 am Theater Ulm kennengelernt, wo ein Stück von mir im Nachwuchswettbewerb ausgewählt wurde. Antje inszenierte es. Wir hatten sofort diese Verbindung und daraus entstand eine langjährige Arbeitsbeziehung…
ANTJE THOMS … die zugleich eine Freundschaft ist. Der Zufall würfelte uns am Anfang unserer beruflichen Laufbahn zusammen. Es folgten gemeinsame Arbeiten am Deutschen Theater Göttingen und dem Deutschen Theater Berlin. Das war ein Grund, warum ich sofort an Jelena und ein Auftragswerk für die Eröffnung des Schauspiels in Regensburg dachte. Viele von uns kommen neugierig in diese Stadt, was kann es da Besseres geben, als sich zu Beginn mit Themen und Geschichten der Menschen vor Ort auseinanderzusetzen, sich und das Theater zu öffnen?
DG Was waren die ersten Überlegungen zum Stück?
AT Wir haben am Haidplatz sitzend überlegt, was für uns – von außen kommend – das Besondere an Regensburg sein könnte.
JS Als ich das erste Mal in Regensburg war, fiel mir auf, wie viele „Traditionsgeschäfte“ es hier gibt. Ich hatte den Eindruck, dass Geschichte und Tradition überhaupt die Identität dieser Stadt seien. Antje erzählte mir, dass Firmen, die mit Zukunftstechnologien arbeiten, eine große wirtschaftliche Bedeutung für die Stadt hätten. Das schien erstmal im Widerspruch zu stehen, und wo es widersprüchlich wird, wird es interessant.
AT Ja, die Verknüpfung von Tradition und Innovation erschien uns hier extrem ausgeprägt und so stand schnell das Thema fest: Zukunft zwischen Tradition und Innovation – aus mehreren Perspektiven. Außerdem bestand Jelena darauf, die ganz junge Generation zu Wort kommen zu lassen – denn sie ist die Zukunft, auch in Regensburg.
JS Und zugleich befanden wir uns mitten in der Pandemie, das Leben war angehalten. Da dachten wir, dass das ein guter Anlass wäre, um zu reflektieren, auf welchem Weg wir uns gerade befinden, wie wir Zukunft imaginieren, in Regensburg und aber auch grundsätzlich.

ANTJE THOMS
Schauspieldirektorin

ANNE JELENA SCHULTE
Autorin ZUKUNFTSMUSIK

DANIEL GRÜNAUER
Leitender Schauspieldramaturg
DG Jelena, du hast in den letzten Monaten viele Regensburger Menschen getroffen. Was haben Sie dir mitgegeben?
JS Wegen des Lockdowns war es nicht ganz leicht, in Kontakt zu kommen. Darum habe ich die ersten Interviews online geführt. Ein Kontakt ergab den nächsten. Die ganz junge Generation habe ich einfach auf Social Media kontaktiert – mich in ihre „dm geslidet“, so hab ich das neu gelernt – und dann per Zoom getroffen, später direkt. Den Älteren begegnete ich im direkten Gespräch. Manchmal bin ich in die Läden gestolpert: „Hallo, ich bin Frau Schulte, können Sie mit mir über Zukunft reden?“ Das Nachdenken über Zukunft ist immer ein Nachdenken über die Gegenwart.
DG Wie fanden Menschen und Erzähltes Eingang in den Stücktext?
JS Ich habe alle Interviews aufgenommen, dann abgetippt. Wenn ich die Stimmen meiner Interviewpartner*innen noch einmal höre, laufen sie durch meinen Körper, durch mein System, kreieren die Atmosphäre, die Grundgedanken, den Witz der Sprache, die Spielhaltungen. Ich verwende kein dokumentarisches Material, die Sprache ist überhöht, die Figuren und Geschichten sind meine Kreationen, aber sie werden angetrieben vom Spirit der realen Vorbilder, von den Gedanken, Fantasien, Hoffnungen und Ängsten, die die Menschen mit mir geteilt haben.
DG Wie kam die Verknüpfung mit Anlässen wie Hochzeit, Taufe und Beerdigung im Stück zu Stande?
AT Die Setzung ergab sich organisch aus den drei befragten Personengruppen Traditionsunternehmer*innen, Zukunftsforscher*innen, Socialmediastars …
JS … und sie bezieht sich zugleich auf drei Generationen: Jugend, mittleres Alter und ältere Menschen. Jede dieser Perspektiven auf das Thema Zukunft hat einen eigenen Raum: sozusagen drei Einakter als Spiel mit der klassischen Form des Dreiakters. Hochzeit, Taufe, Beerdigung stehen für die Stationen des Lebens – Geburt – Erwachsenenleben – Tod. Und wie jedes Ritual bieten sie Stoff für viel Theater.
ZUKUNFTSMUSIK
Schauspiel über Regensburger Wahrheiten von Anne Jelena Schulte | Auftragswerk des Theater Regensburg INSZENIERUNG Antje Thoms | AUSSTATTUNG & VIDEO Florian Barth | DRAMATURGIE Daniel Grünauer MUSIKALISCHE LEITUNG Arno Waschk
Antoniushaus | Uraufführung | Premiere 23.9.22 | 16–38 Euro