Theaterjournal #9

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Spitzenleistungen.

Als Partner des Ballett Theater Basel freuen wir uns auf Spitzeninszenierungen und wĂźnschen Ihnen viel VergnĂźgen. blkb.ch, 061 925 94 94


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FREMD

Liebe Leserinnen und Leser Liebe Leserinnen und Leser

«Woyzeck», Inszenierung: Ulrich Rasche

«Vor Sonnenaufgang», Inszenierung: Nora Schlocker

Adressen und Kontakte: INTENDANT Andreas Beck | VERWALTUNGSDIREKTORIN Danièle Gross | REDAKTION Dramaturgie und Öffentlich­ keitsarbeit, Junges Haus und Betriebsdirektion | GESTAL­ TUNG Perndl+Co | ILLUSTRA­ TIONEN Perndl+Co | FOTO­ NACHWEISE Cover: Perndl+Co; Sandra Then S. 3 + 7 + 26; Werner Tschan S. 9 + 10; Katrin Michaelis S. 12; Kim Culetto S. 14 + 15; Priska Ketterer S. 20, Olga Shaishmelashivili S. 21, privat S. 22; Dorothee Harpain S. 27 BILLETTKASSE Telefon +41 (0)61 295 11 33; www.theater-basel.ch

ÖFFNUNGSZEITEN DER BILLETTKASSE Theaterplatz: Mo–Sa, 11–19 Uhr | Die Abend­ kasse öffnet eine Stunde vor Vorstellungsbeginn. | Vorver­ kauf auch über Kulturbüro Rie­ hen, Baselstrasse 43 | Kantons­ bibliothek Baselland Liestal, Emma Herwegh-Platz 4 | Aktu­ elle Spielplaninformationen www.theater-basel.ch – Ände­ rungen vorbehalten | Theater Basel, Postfach, CH-4010 Basel | Grosse Bühne, Kleine Bühne, Nachtcafé/Box: Theaterstrasse 7, 4051 Basel | Schauspielhaus: Steinentorstrasse 7, 4051 Basel Partner des Ballett Theater Basel: Medienpartner: Eine Beilage der bz Basel.

Der Frühling naht und mit ihm die Festivals, auf denen das Theater Basel dieses Jahr wie­ der prominent vertreten sein wird: Als eine der zehn bemerkenswertesten Inszenierungen des Jahres ist «Woyzeck» in der Regie von Ulrich Rasche zum Berliner Theatertreffen eingeladen worden. «Vor Sonnenaufgang» von Ewald Palmetshofer in der Inszenierung von Nora Schlocker und «Hotel Strindberg» von Simon Stone (eine Koproduktion mit dem Burgtheater Wien, die ab Januar 2019 in Basel zu sehen sein wird) sind zudem zu den Mülheimer Theatertagen eingeladen. Doch Sie müssen nicht unbedingt so weit fahren: Um beispielsweise die Oper «Trouble in Tahiti» von Leonard Bernstein zu sehen, reicht ab Ende März eine Fahrt mit dem Tram zu einem Wohnzimmer in Basel-Stadt oder Baselbiet. Unterwegs im Stadtraum ist auch die Produkti­ on «Polarrot» nach dem erfolgreichen Roman des Basler Autors Patrick Tschan. An vier un­ terschiedlichen Orten in und um Basel herum spielen Bürger_innen und Schauspielensemble gemeinsam ab 2. Mai. Sie können sich aber selbstverständlich Ihren Frühlingsgefühlen auch im Theater Basel selbst hingeben und in Richard Wherlocks neuester Choreografie «Tod in Venedig» oder Lydia Steiers Inszenie­ rung von «Rake’s Progress» verfolgen, zu was Leidenschaft den Menschen treiben kann. Doch sind wir ehrlich: Ohne wäre es auch langweilig – und das sind wir bestimmt nicht. Herzlich, Ihre Claudia Brier

BILLETTKASSE@ theater-basel.ch +41 (0)61 295 11 33


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ÜBERSICHT

April bis Juni

Das nächste Theaterjournal erscheint zu Beginn der neuen Saison 2018/2019! 25. März 2018

15. APRIL 2018

PIÈGE MORTEL

SACHERS MUSIKALISCHE WUNDERKAMMER

Schauspiel nach Ira Levin, Adaption von Gérald Sibleyras Inszenierung: Eric Métayer SÉRIE FRANÇAISE/GASTSPIEL SCHAUSPIELHAUS

NORDISCHE STÜRME: Die finnische Komponistin Kaija Saariaho FOYER GROSSE BÜHNE EINE KOPRODUKTION MIT DEM SINFONIEORCHESTER BASEL

28. MÄRZ 2018

Trouble in Tahiti Oper von Leonard Bernstein Musikalische Leitung Stephen Delaney Inszenierung Maria-Magdalena Kwaschik PREMIERE Wohnzimmer in Bottmingen

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18. April 2018

NEDERLANDS DANS THEATER 2: I NEW THEN

KASPAR HAUSER UND SÖHNE

Choreografien von Johan Inger, Edward Clug, Hans van Manen, Sol León & Paul Lightfoot STEPS 2018/Gastspiel GROSSE BÜHNE

Schauspiel von Olga Bach Inszenierung Ersan Mondtag URAUFFÜHRUNG/AUFTRAGSWERK SCHAUSPIELHAUS

21. + 22. April 2018

12. APRIL 2018

13. APRIL 2018

TOD IN VENEDIG Ballett von Richard Wherlock Musikalische Leitung Thomas Herzog Choreografie Richard Wherlock Musik von Dmitri Schostakowitsch PREMIERE GROSSE BÜHNE

MEDEA

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Schauspiel nach Euripides von Kate Mulvany und Anne-Louise Sarks Aus dem Englischen von Almut Wagner Inszenierung Anne-Louise Sarks SCHWEIZER ERSTAUFFÜHRUNG KLEINE BÜHNE 4. MAI 2018

ROMULUS DER GROSSE

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Schauspiel von Friedrich Dürrenmatt Inszenierung Franz-Xaver Mayr PREMIERE SCHAUSPIELHAUS


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ÜBERSICHT

29. Mai & 3. Juni 2018

15. Mai 2018

LASST UNS REDEN!

SOMMERGALA 2018 BALLETTSCHULE THEATER BASEL

Diskussionsreihe zur Demokratie Thema: Vollgeld-Initiative Moderation Daniel Binswanger FOYER GROSSE BÜHNE

GROSSE BÜHNE

Ab 2. Mai 2018

IM JUNI

POLARROT Theaterserie nach dem Roman von Patrick Tschan Leitung und Inszenierung Daniela Kranz PREMIEREN IM STADTRAUM

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18. MAI 2018

Schwärmerische Beizentour mit Texten von Robert Walser Konzept und Einrichtung Mario Fuchs und Martin Gantenbein 7. Juni 2018 Kantonsbibliothek Baselland, Liestal 8. Juni 2018 Jazzkeller im Hotel Schützen, Rheinfelden 14. Juni 2018 Kulturzentrum Alts Schlachthuus, Laufen

THE RAKE’S PROGRESS Oper von Igor Strawinsky In englischer Sprache mit deutschen und englischen Übertiteln Musikalische Leitung Kristiina Poska Inszenierung Lydia Steier Premiere Grosse Bühne

11. Juni 2018

Operettencouch DIE AFRIKAREISE von Franz von Suppé Musikalische Leitung Stephen Delaney Konzept und Moderation Pavel B. Jiracek MONKEY BAR

23. MAI 2018

LES ACTEURS DE BONNE FOI

19. Juni 2018

EXKLUSIV FÜR ALLE

Schauspiel von Marivaux Inszenierung Geneviève Pasquier und Nicolas Rossier SÉRIE FRANÇAISE/GASTSPIEL SCHAUSPIELHAUS

IMPULSPROJEKT DES THEATER BASEL Künstlerische Leitung Tom Ryser FOYER GROSSE BÜHNE

24. MAI 2018

DANCELAB 9 Choreografien von Tänzer_innen des Ballettensembles PREMIERE KLEINE BÜHNE

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EINE LUST WAR IN MIR UMZUFALLEN

20. Juni 2018

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OPERAVENIR – ABSCHLUSSKONZERT KLEINE BÜHNE OperAvenir mit freundlicher Unterstützung: HEIVISCH, HIAG, Julius Bär, Novartis


XXX Die Dreigroschenoper


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Die Dreigroschenoper

Mit der «Moritat von Mackie Messer» und weiteren legendären Songs eröffnet «Die Dreigroschenoper» ein neues Genre des musikalischen Theaters. In Brechts rasanter Bearbeitung der «Beggar’s Opera» stehen einander zwei Prototypen einer kapitalistischen Ordnung gegenüber: Mackie Messer, charismatischer Chef eines Londoner Gangsterunternehmens, und Jonathan Peachum, Besitzer der Firma Bettlers Freund. Brecht zeigt die bürgerliche Gesellschaft als verbrecherisch auf und verweist auf die unbedingte Notwen­ digkeit ihrer Veränderung. Noch bis zum 21. Juni werden die ausgebufften Gestalten der «Dreigroschenoper» in der Inszenierung von Dani Levy ihr Unwesen auf der Grossen Bühne des Theater Basel treiben.

Dreigroschenoper HEIMWEH NEUGIER MORAL


STÜCK LABOR BASEL HAUSAUTOR 2017/2018 Joël László Die diesjährige Haus­ autorenstelle am Theater Basel wurde an Joël László vergeben. Der in Basel lebende Dramatiker und Prosa­ autor Joël László wurde 1982 in Zürich geboren. Er studierte Islamwissenschaft und Geschichte und lebte längere Zeit in Kairo. Für das Theater Basel hat er bereits letzte Spielzeit unter dem Titel «Islam. Fantasien» für die Reihe «Paradise Lost» Szenen über das Miteinander der Religionen geschrieben.

KOLUMNE

Verfremdung oder die Hosen-Anleger Ein Ausserirdischer wie Micromégas ist geradzu ein Paradebeispiel für den Verfremdungseffekt nach Wiktor Schklowski. Zusammen mit Micromégas wollen wir nicht etwa einen fremden Planeten genauer kennenlernen. Im Gegenteil. Micromégas ist hier, um unseren Blick auf das Eigene zu schärfen. Man würde nun meinen, ein Ausserirdischer reiche in jedem Fall, um eine solche Deautomatisierung der Wahrnehmung herbeizuführen. Wirklich? Hören Sie selbst. Als zurzeit einziges extraterrestri­ sches Wesen hatte man Micromégas selbstverständlich ans WEF nach Davos eingeladen. Wir waren beide neugierig zu sehen, wie die Wirt­ schaftselite auf den Mann vom Fixstern Sirius reagieren würde. Micromégas, bekannt dafür, die nichteuklidische Geometrie mit dem realen Raum ver­ söhnt zu haben, hatte extra einige Überlegungen zur Arithmetik der Ver­ mögensverteilung angestellt. Seine Resultate waren überraschend, und, da waren wir uns sicher, von allgemeinem Interesse. Freudig setzt Micromégas seinen Fuss auf die Landebahn in Davos. Ein Mann mit Knopf im Ohr hebt den Finger, stammelt: He, Jungs, schaut mal her! Da, und es ist genau zehn Uhr zwanzig, landet die berühmte Air Force One. Der Mann mit Knopf im Ohr dreht sich um und beobachtet fasziniert, wie ein sichtlich gut ge­ launter Präsident Trump zum ersten Mal Schweizer Boden betritt. In die­ sem Ton geht es weiter. Jeder Schritt des Präsidenten und jede damit ver­ bundene Katastrophe wird registriert und kommentiert. Die Anwesenheit eines hilfsbereiten aufgeklärten Aus­ serirdischen geht darüber ganz ver­ gessen. Die CIA vertieft sich in Davo­ ser 3D-Modelle und positioniert Scharf­ schützen. Die Kameras vom Schwei­ zer Farbfernsehen:

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Voll auf Trump. Und so erscheint mein Freund Micromégas in der Tagesschau-Hauptausgabe einzig als lindgrüne Säule im rechten Bild­ ausschnitt. Das Lindgrün ist Teil seiner Flanellhose. Menschen vom Fixstern Sirius sind durchschnittlich acht Meilen hoch. Mit Wiktor Schklowski müssen wir feststellen: Die Welt ist zurzeit mit dem Verfremdungseffekt des US-amerikanischen Präsidenten zu beschäftigt, um ein offenes Ohr für Lösungsvorschläge von Ausserirdischen zu haben. Immerhin: Auch Trump de-automati­ siert und verdeutlicht, wohin wir uns bewegen. Jerusalem? Seit Längerem eine potentielle Hauptstadt. Das Kli­ ma? Heieiei. Und dass die Air Force One jenes Glöcklein (nach Pawlow) ist, das den Speichelfluss der Elite anregt? Darüber, gibt mir ein leicht gekränkter Micromégas zu verstehen, solltet und müsst ihr dringend nach­ denken, und deponiert seine mathe­ matischen Lösungsansätze an der Porte des Theater Basel. Zum Glück kann ich ihn überreden, noch bis zur Premiere von «Romulus der Große» zu bleiben. Dies sei mein Versuch, Micromégas zu überzeugen, dass nicht alle von uns augenblicklich heillos der Macht verfallen. Während die einen wie der germanische Hosen­fabrikant Cäsar Rupf im «Romulus» oder Klaus Schwab am WEF sich dar­ auf konzentrieren, den Herrschern ihre Hosen anzulegen, schrieb uns einer wie Dürrenmatt terrestrische und extraterrestrische Komödien und stellt damit unsere Hosen-Anleger bloss. Wie sagt es noch Romulus? Wir sind Provinzler, denen eine Welt über den Kopf wächst, die sie nicht begreifen. Gerade darum gilt es jede Hilfe, auch die von Ausserirdischen, zu beherzigen!


MEDEA

HEIMWEH NEUGIER FAMILIE

AnneLouise Sarks

MEDEA Schauspiel von Kate Mulvany und Anne-Louise Sarks nach Euripides Aus dem Englischen von Almut Wagner Premiere 21./22. April 2018, Kleine Bühne

INSZENIERUNG Anne-Louise Sarks BÜHNE/KOSTÜME Mel Page MUSIK Stefan Gregory MIT Jacob Baumann/ Florian Guntrum, Itamar Mangold/ Nils Treuer und Barbara Horvath

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Eine grosse Tragödie im kleinen Kinderzimmer Kate Mulvany

Was veranlasste euch, den antiken «Medea Mythos» neu zu überschreiben? Anne-Louise Sarks: Mir ging es darum, heraus­ zufinden, was Menschen zu extremen Taten treibt. Die griechischen Mythen bieten dafür die perfekte Ausgangslage. Die «Fremde» Medea, die trotz der grossen Liebe zu ihren Kindern diese umbringt, eignet sich dafür sehr gut. Die Geschichte dieses Stoffes ist über die Jahrtausende nie abgerissen und uns nah geblieben. Lesen wir nicht immer wieder von Eltern, die ihre eigenen Kinder umbringen? Kate Mulvany: Anne-Louise kam mit dieser Idee auf mich zu. Zuerst habe ich unzählige «Medea»-Adaptionen gelesen. Es war faszinie­ rend festzustellen, wie wenig Raum den Kin­ dern auf der Bühne gelassen wird. Meistens sind sie nur Beiwerk – obwohl sie die Leidtra­ genden der elterlichen Verfehlungen sind. Ich suchte nach der grossen Tragödie im Häuslichen: Wie kann sich ein Kinderzimmer plötzlich in ein Schlachtfeld verwandeln? Und daraus entstand die Idee, «Medea» aus Sicht der Kinder zu zeigen? Anne-Louise Sarks: Wie verändert sich der Blick des Zuschauers auf das Stück, wenn Kinder auf der Bühne stehen – um genauer zu sein: Wenn Kinder das Zentrum der Inszenie­ rung sind. Kinder können auf der Bühne voll­ kommen wahrhaftig und komplett ins Spiel versunken sein. Diese Authentizität zieht einen in den Bann. Gute Schauspieler können das auch erreichen, aber bei Kindern passiert es völlig natürlich. Das Stück ist bis kurz vor Ende fröhlich und verspielt – erst im tragischen Schluss dreht es sich komplett. Wir mussten auch Medea als Frau neu denken. Ihr Herz ist gebrochen, und ihre Figur mit Mitgefühl zu be­ trachten, ermöglicht eine neue Sicht auf ihre extreme Tat. Kate Mulvany: Sowohl in den antiken Mythen als auch in Zeitungsartikeln von heute wird im­ mer nur von den Eltern berichtet, davon, was sie zum Mord getrieben hat. Nur selten hört man etwas von den Kindern. Welche Spiele mochten sie, welche Lieder sangen sie gern?

Wie dachten sie über die Probleme ihrer El­ tern? Was taten sie in den letzten Stunden ihres Lebens? Wir hoffen, dass indem wir den Kindern eine Stimme geben Eltern beim nächs­ ten Fall, über den in der Zeitung berichtet wird, nicht wegschauen. Sie sollen auch über ihre eigene Kindheit nachdenken – über Arglosig­ keit, Staunen, Freude und Empathie. Dinge, die uns, wenn wir sie ernst nehmen, alle «ret­ ten» können. Und deshalb richtet sich diese «Medea»-Insze­ nierung explizit an ein erwachsenes Publikum. Anne-Louise Sarks: Medea ist eine Tragödie. Obwohl man in unserer Produktion manchmal vergisst, was ausserhalb der Kinderzimmer­ wände vor sich geht, spielt das Stück natürlich mit beiden Ebenen. Einerseits wird den Zu­ schauer_innen die naive Perspektive der Kinder gezeigt, andererseits ist die dramatische Span­ nung des «Mythos Medea» deutlich zu spüren. Diese Doppelbödigkeit kann nur von einem er­ wachsenen Publikum erfasst werden. Wie unterscheidet sich die Arbeit mit Kindern von der Arbeit mit professionellen Schauspie­ lern? Anne-Louise Sarks: Viel hängt damit zusam­ men, dass wir den Text zum Eigentum der Buben machen und so die Lebendigkeit über den ganzen Abend hinweg aufrechterhalten. Trotz der vorgegebenen Dialoge müssen sie wachsam und aktiv bleiben. Auch ausgebildete Schauspieler_innen müssen Wege finden, die Energie jeden Abend aufs Neue auf das Publikum zu übertragen. Kate Mulvany: Dass Kinder den einstündigen Abend stemmen, ist eine grosse Herausforde­ rung. Sie kennen die Regeln des Theaters nicht und brechen sie daher ständig. Der Proberaum wird zu einem Spielplatz von Möglichkeiten. Anne-Louise geht mit den Kindern sehr behut­ sam um, teilt ihre Erfahrungen und lässt vor allem der Fantasie der Kinder freien Lauf. Die Kunst besteht darin, den Zuschauer_innen vorzuspiegeln, dass es sich um einen lustigen Nachmittag im Kinderzimmer handelt. Medeas grausame Tat trifft uns daher umso tiefer.


Tod in Venedig

Ballettdirektor Richard Wherlock setzt Thomas Manns Novelle «DER TOD IN VENEDIG» choreografisch um Uraufführung «Tod in Venedig» Ballett von Richard Wherlock Musik von Dmitri Schostakowitsch 13. April 2018, Grosse Bühne Musikalische Leitung Thomas Herzog Bühne Bruce French Kostüme Catherine Voeffray Licht Jordan Tuinman Video Tabea Rothfuchs Es tanzt das Ballett Theater Basel Sinfonieorchester Basel Partner des Ballett Theater Basel:

Richard Wherlock, der Ballettdirektor des Theater Basel, hat bereits erfolgreich einige Handlungsballette choreografiert, die einer literarischen Vorlage folgen. Dieses Mal hat er mit «Der Tod in Venedig» eine der grossen Novellen der deutschen Literatur ausgewählt. Darin schildert der Autor Thomas Mann autobiografisch und exemplarisch zugleich die Lebenskrise des Künstlers Gustav von Aschen­ bach, der aus der Sackgasse seines von Erfolg,

Wohlstand und Ruhm geprägten Lebens ausbricht. Seine Flucht nach Venedig führt Gustav von Aschenbach in ein schillerndes Reich der Sinne, wo Laster und Schönheit, Verführung und Verfall nicht mehr zu unterscheiden sind. Hinter jeder Ecke droht die Gefahr, dass unterdrückte Fantasien reale Gestalt annehmen. Der Strand erscheint als Lauf­ steg für Freiheit und Freizügigkeit, das Hotel als eine verlockende Bühne voller faszinierender Akteure.


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Tod in Venedig der tod in venedig

HEIMWEH

Doch der Eintritt in die vermeintlichen Paradie­ se hat seinen Preis. Nicht neues Lebensglück wartet schliesslich auf den alternden Künstler, der die Sicherheit des bürgerlichen Lebens hin­ ter sich gelassen hat, sondern ein Ende in exis­ tenzieller Verlassenheit. «Der Tod in Venedig» ist ein Klassiker der frühen Moderne, der immer wieder für die Bühne und das Kino adaptiert wurde. Besonders Luchino Viscontis Verfilmung aus den frühen 70er-Jahren ist wohl so berühmt wie das Original und hat die Rezeptionsge­ schichte von «Der Tod in Venedig» bis heute entscheidend geprägt. Im Zentrum steht dabei das Tabu der homoerotischen Knabenliebe, die bis in die Zeiten Thomas Manns unter dem Decknamen der platonischen Liebe eine zwar gesellschaftlich riskante, aber doch in den ver­ borgenen Winkeln der bürgerlichen Welt ak­ zeptierte Liebes- und Lebensform verkörperte.

Der Umgang mit Tabus hat sich freilich in den letzten hundert Jahren seit Erscheinen des Buches genauso nachhaltig verändert wie die Position des Künstlers in unserer heuti­ gen Welt, in der permanentes Sich-zur-SchauStellen mit politischer Korrektheit einherzugehen hat. Dem trägt die Choreografie von Richard Wherlock Rechnung. Nicht die Frage nach dem sexuellen Tabu steht im Zentrum, sondern die Ausleuchtung des existentiellen Moments, wenn die innersten Obsessionen die Kontroll-Mechanismen der Vernunft ausser Kraft setzen. Dass diese Grenzerfahrung zugleich prägend für den modernen Künstler ist, macht «Tod in Venedig» besonders aktuell. Entsprechend ist die Figur des Gustav von Aschenbach, der bei Thomas Mann Schriftsteller, bei Visconti Komponist und in John Neumeiers Hamburger Ballettfassung Choreograf war, in Richard Wherlocks Interpretation ein Foto­ graf. Ein Künstler also, der sich in einem ständigen Zwiespalt befindet zwischen dem Verlangen, sich sein eigenes, radikales Bild von der Welt zu machen und der ständigen Bilderflut, die seine Arbeit in der heutigen Welt mit sich bringt.

NEUGIER OBSESSION

Die Musik für Richard Wherlocks «Tod in Venedig» stammt von Dmitri Schostakowitsch. Farben­ reich reflektiert sie die ganze Palette von Ge­ fühlslagen, die Gustav von Aschenbach auf seiner Achterbahnfahrt durch Venedig erlebt. Das vielfältige kompositorische Werk Schosta­ kowitschs fasst auf besondere Weise das Spek­ trum aller Widersprüche des 20. Jahrhunderts bis heute zusammen. Der Komponist war schon zu seinen Lebzeiten weltbekannt und wurde dennoch – oder gerade deswegen? – in der Heimat scharf kritisiert. In seiner Musik meint man immer wieder einen Subtext zu entdecken, in dem die Zerrissenheit des Künstlers aufblitzt zwischen dem obsessiven Glauben an die Kunst und der tiefen Verzweiflung an der Welt. Dmitri Schostakowitschs Musik gleicht in ihrer breit gefächerten Erscheinung einem Lebensdrama und ist zugleich tänzerisch figurativ und bildhaft plastisch. Richard Wherlock, der bereits sein Erfolgsballett «Snow White» zu Schostakowitsch choreografierte, gelingt es die Musik mit seiner dynamischen Bewegungssprache zu einer Einheit zu verschmelzen und seine Pro­ tagonisten dabei bildhaft in Szene zu setzen.


Romulus der groSSe

Die Absurdität der Macht

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Zwei Mal verlebte Friedrich Dürrenmatt Zeit in Basel: Vor 70 Jahren wurde sein Stück «Romulus der Große» uraufgeführt, vor 50 Jahren kehrte er zurück und wurde Mitglied des Direktoriums des Theater Basel. Der Germanist Peter André Bloch, damals Assistent an der Universität Basel, lernte ihn bei seinem zweiten Aufenthalt kennen und blieb bis zu Dürrenmatts Tod mit ihm in Kontakt. Gerade ist sein Buch «Friedrich Dürrenmatt – Visionen und Experimente» erschienen, in dem er seine 50-jährige Beschäftigung mit dem Autor dokumentiert. Die Dramaturgin Katrin Michaels befragte ihn in der Theaterkantine zu dem Stück «Romulus der Große», das am 4. Mai im Schauspielhaus Premiere feiert. Welche Aktualität haben Dürrenmatts Stücke für uns heute? Wir alle kennen «Das letzte Abendmahl» von da Vinci in Mailand. Daran musste ich denken, als ich kürzlich die am TV übermittelten Bilder von Trump mit den wichtigsten schweizerischen und internatio­ nalen Unternehmern in Davos sah: Er in der Mitte, sie an seiner Seite; ihm höflich zustimmend. Ich dachte dabei auch an die Güllener in «Der Besuch der alten Dame», die sich von Claires «Millionen» derart bestimmen lassen, dass alle ihre Äusserun­ gen doppelbödig werden. Richtig und falsch, Wahr­ heit und Lüge, Macht und Sicherheit erweisen sich

als keine festen Werte mehr, sondern hängen von der jeweiligen Perspektive und Situation ab. Romulus löst ein Reich auf, das keine Lebenskraft mehr hat, weil es zum Selbstzweck geworden ist, zu einem Gebilde von leeren Formeln und Konventionen. Er spielt seine Rolle als Kaiser vordergründig zu Ende, in der Hoffnung auf den ungebrochenen Glauben der Germanen an die eigene Überlegenheit und Macht. Dabei gleicht ihm sein Gegenspieler – in parodistischer Verkehrung – wie ein Ei dem andern. Von Anfang bis zum Schluss wird auf der Bühne gegackert! Dürrenmatt hat Hunderte von Eierbildern gemalt, mit immer der gleichen Form und


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Romulus der groSSe unterschiedlich kleinen Merkmalen als Zutaten, in priesterlich-heiliger, fröhlicher oder trauriger, päpstlicher oder sinnlicher Variation. Die kleinen Unterschiede reizen unwillkürlich zum Lachen, weil eine «individuelle Note» in einer «Eierexistenz» nicht vorgesehen ist. Eier bedeuten an sich Neube­ ginn, Lebenskraft; während des Handlungsverlaufs werden jedoch einige zertreten oder verzehrt, in absurder Abwechslung und zunehmend sinnbild­ licher Bedeutung. Was versucht Dürrenmatt uns in «Romulus der Große» zu vermitteln? Das Werk hat eine unglaubliche Tiefe. In absurder Verkehrung stellt es – nach den Erfahrungen des Dritten Reichs und dem nachfolgenden Kalten Krieg – die Frage nach der Rolle dessen, der die Verant­ wortung im Staat wahrnimmt. Jeder Staat ist für Dürrenmatt ein Kunstprodukt; hat nur einen Sinn, wenn er dem Menschen dient – nicht umgekehrt. Er soll in erster Linie das Leben, die Freiheit und Sicherheit seiner Bürger garantieren, das Zusam­ menleben erleichtern und Unglücksfälle verhindern, im Sinne gegenseitiger – immer wieder anzupas­ sender – Vereinbarungen. Das römische Imperium definiert sich in «Romulus» indessen über die Unter­ werfung des Einzelnen unter die Staatsmacht. Die Perfektion des Staatsapparats scheint so vollendet, dass er in sich zur Ideologie erstarrt, die keine Ent­ wicklung mehr zulässt. Rom ist zu einer Maschine im Leerlauf geworden, die – sich selbst zelebrierend – in den eigenen Konventionen erstarrt. Germanien stellt für Romulus die Hoffnung dar, dass sich endlich etwas verändert. Doch groteskerweise wird alles beim Alten bleiben, mit noch düstereren Zukunftsperspektiven … Wie passt das Stück in Dürrenmatts Werk? Ich habe Dürrenmatt nach seinem Herzinfarkt 1969 während seiner Rehabilitation in Scuols besucht. Gemeinsam mit einem Studenten habe ich mit ihm ein sehr interessantes Gespräch geführt, das dauer­ te von neun Uhr abends bis morgens um halb vier, mit einigen Flaschen Veltliner. Er dachte damals, er lebe vielleicht noch ein paar Monate oder Jahre – es wurden dann 25 Jahre. Damals hat er uns wäh­ rend unseres Gesprächs so etwas wie sein literari­ sches Testament diktiert: Er versuche in Basel eine neue Dramaturgie zu entwickeln, um das an sich Undarstellbare auf die Bühne zu bringen. Dabei löse er den dramatischen Helden auf, zerlege ihn in Versatzstücke, die er in einen dramatischen Ab­ lauf bringe, begleitet von Absurditäten, Überra­ schungen, auch durch Parallelitäten und überra­ schende Durchblicke. Der Theaterkritiker Benjamin Henrichs hat beschrieben, dass der 27-jährige Dürrenmatt im «Romulus» eigentlich einen Vor- und Doppelgänger seiner selbst im Alter beschrieben hat: ein Narr, der die Lage der Welt erkannt hat und mit seinen Untertanen spielt. So ist es. Die Narrenspiele sind im Grunde genom­ men Kassandrarufe. Er sagte damals, er sehe, wie

die Welt dem Ende entgegengehe: «Ich analysiere ihre Auflösung. Ich wollte mich und die heutige Ver­ blendung an das Vorwärts, an den stets zunehmen­ den Reichtum befragen – bei dem stets wachsenden Elend der Armen. Ich bin Diagnostiker und nicht Therapeut. Ich will nicht predigen. Beim Arbeiten komme ich von einem zum andern, vom ‹Romulus› gibt es wenigstens fünf Fassungen.» Insbesondere das Ende des Stücks hat er immer wieder neu zu fassen versucht. Er hat seine Entwürfe immer wieder neu durch­ dacht, zielte am Schluss auf die überraschende Pointe, dass derjenige, der Kaiser wird, dies gar nicht möchte, weil er weiss, dass sein Mörder schon in den Fussstapfen steht. Der «alte» Kaiser, der die Macht durchschaut und ablehnt, wird – in seiner pa­ radiesisch-absurden Idylle in der Campagna – para­ doxerweise zum Zeugen des Untergangs des ande­ ren, in der Vorahnung noch grösserer Katastrophen. Das ist ein sehr tragischer Schluss: Romulus schei­ tert mit seinem Plan, das Land den Germanen zu übergeben. Seine ganze Familie ist inzwischen tot. Warum misslingt sein Plan? Die Römer haben im Grunde genommen auf falsche Sicherheit gesetzt. Sie dachten, Rom sei als Staatsgebilde die Vollkom­ menheit an sich und als Weltstaat juristisch so per­ fekt, dass er uneinnehmbar sei. Doch es kommen die Germanen, mit ihrer Urkraft, verlieben sich ab­ surderweise in diese Kultur, um sie zu übernehmen. Tragisch auch die Liebe von Ämilian und Rea, wel­ che zur Rettung Roms den Hosenfabrikanten Rupf heiraten soll, sodass alles in andern Gewändern weitergeht: statt in der Toga nunmehr in Hosen … Dürrenmatt hat das Werk als eine «ungeschichtliche historische Komödie» bezeichnet: Man lacht im Untergang, weil man ihn für unmöglich hält. Der schönste Satz, den Dürrenmatt zu mir sagte, lautet: «Der Tod eines jeden Menschen ist ein kleiner Welt­ untergang.» Das Leben sei der grösste Wert, den man wahrnehmen solle; denn in der eigenen Leben­ digkeit sei man, für kurze Zeit, ein Teil der Ewigkeit – dies gelte es kreativ zu nützen. «Romulus der Grosse» Schauspiel von Friedrich Dürrenmatt Premiere 4. Mai 2018 Schauspielhaus INSZENIERUNG Franz-Xaver Mayr BÜHNE Michaela Flück KOSTÜME Korbinian Schmidt romulus der groSSe HEIMWEH NEUGIER EIER


Menschen hinter den Kulissen

An die tausend Menschen sind regelmässig am Theater Basel beschäftigt. Neben den Sänger_innen, Schauspieler_ innen und Tänzer_innen, die Abend für Abend auf der Bühne stehen, arbeiten noch viele weitere Mitarbeiter_ innen daran, dass abends der Vorhang hochgehen kann. In diesem Journal stellen wir Ihnen Rosina Barth-Plomaritis und Liliana Ercolani vor, die am Theater Basel für die Kostümbearbeitung und Hutmacherei verantwortlich sind.


Hinter den Kulissen

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Wie kann man euren Beruf bezeichnen? Das ist schwierig zu sagen, weil es so ein vielfältiger Bereich ist. Unsere Arbeit ist nicht «die Perücke», sondern das, was auf die Perücke drauf kommt. Wir sind für den Kopfputz und die Kopfbedeckungen zuständig, früher nannte man das «Putzmacherin». Spasseshalber sagen wir manchmal, dass wir unsere Abteilung «Hut und Farbe» nennen könnten. Aber eigentlich besteht unsere Arbeit nicht nur aus Kopf­ schmuck und Farbe. Wir machen viel mehr – über Puppen, Hüte, Hauben, Kronen und Papierköpfe bis hin zu Tierschwänzen. Auch die Vorbereitungen und die Nachbearbeitungen machen wir selbststän­ dig, beispielsweise das Zuschneiden, Färben und Bedrucken. Alle Kostüme werden von uns mindes­ tens einmal durchs Wasser gezogen, damit sie ein bisschen knittern. Oder wir wetzen sie ein wenig ab, schneiden sie ein oder lassen sie einmal durch die Waschmaschine laufen, damit sie die richtige Patina bekommen: Man könnte sagen, wir geben das Leben ins Kostüm.

Hautton auf und müssen beispielsweise die Socken, in denen die Tänzer auf der Bühne tanzen, in den je­ weiligen Hauttönen färben, sodass man sie als Zu­ schauer nicht sieht. Das ist oft unsichtbare Arbeit, aber wenn man sehen würde, wie ein Tänzer weisse Unterhosen trägt, wäre das furchtbar. Bei der Auf­ führung muss alles passend sein, wie aus einem Guss.

Was sind die Herausforderungen eures Berufes? Ein grosser Teil unserer Arbeit ist es, die Vision der Kostümbildner_innen zu verstehen und herauszuspüren, was er oder sie will. Oft ist gerade dieser Teil nonverbal und wir arbeiten viel mit Fotos, die uns als Vorlage dienen. Manchmal kommt es auch vor, dass wir innerhalb von drei, vier Stunden Dinge ändern müssen, und das ist oft ein Risiko. Da färben wir dann Sachen, die schon fertig geschneidert sind, und am Abend sollen die Kostüme auf der Generalprobe eine ganz andere Farbe haben. Wie teilt ihr euch die anfallenden Aufgaben? Da wir sehr verscheiden sind, teilen wir uns die Stücke immer auf: Rosina ist Spezialistin für Farbe, während Liliana eher an Konstruktionen wie zum Beispiel Flügeln arbeitet. Wir haben eine tolle Färbemaschine, die kaum ein anderes Theater hat, die gibt es sonst nur noch in Oslo und in Paris. Deshalb kommen oft Besucher_innen aus anderen Theatern, um sich die Maschine anzuschauen. Für die Oper «Satyagraha» zum Beispiel haben wir zwei Monate lang vier- oder fünfhundert indische Stoffe, die einen ganz bestimmten Blauton haben sollten, gefärbt. Der Vorgang des Färbens ist sehr aufwendig. Man muss anhand einer Farbpalette einen genauen Farbton hinbekommen. Oft sieht man unsere Arbeit nicht auf den ersten Blick: Wir färben ja nicht nur Kostüme, auch die Strümpfe müssen so gefärbt werden wie die Kostüme, und die Schuhe wie die Strümpfe. Und auch Hauttöne sind eine Herausforderung, bei­ spielsweise beim Ballett. Es gibt ganz viel, was man nicht sehen darf. So hat jeder Tänzer bei uns eine Hauttonnummer, das heisst, wir nehmen seinen

Ist Wiederverwerten bei euch ein Thema? Wir verwenden alles immer wieder und entsorgen selten etwas. Viel Material kann man heutzutage auch nicht mehr kaufen. Wir sind auch schon oft losgefahren und haben aus alten Hutfirmen viel aufgekauft, weil viele Fabriken schliessen und es viele Hutmaterialien gar nicht mehr gibt. Wie erlernt man euren Beruf? Gibt es eine spezielle Ausbildung? Nein, jedes Theater hat ein bis zwei Mitarbeiter_ innen, die das machen, was wir machen. Aber man kann das nicht wirklich lernen. Rosina ist gelernte Gewandmeisterin, und Liliana kommt aus der Modebranche. Grundsätzlich sollte man eine Ausbildung im Kostüm- und Modebereich haben, aber man muss ein bisschen Allrounder sein und auch etwas über Stoffe wissen. Denn jeder Stoff nimmt Dinge anders an. Wie lange seid ihr schon am Theater Basel? Rosina: Ich kam 1981 ans Theater Basel. Das sind also ca. 37 Jahre. Ich habe das Ganze hier aufge­ baut. Als ich hier ankam, war es ganz anders. Da haben wir noch in einer Babybadewanne gefärbt. Liliana (lachend): Ich bin jetzt 25 Jahre am Theater Basel, aber in unserer Abteilung bleibe ich immer die Junge, die noch nicht so lange da ist. Text: Claudia Brier


Kaspar Hauser Und Söhne

Am Pfingstmontag des Jahres 1828 er­ scheint in Nürnberg eine «possierliche und pudelnärrische Gestalt» mit rudimentären Sprachkenntnissen und gibt zu Protokoll, jahrelang in Dunkelhaft gehalten worden zu sein, bis ein Unbekannter sie eines Tages in die Welt geworfen habe. Der Findling Kaspar Hauser steigt als Kuriosum zum «Kind Europas» auf, bis er 1833 unter unge­ klärten Umständen stirbt. Die deutsche Dramatikerin Olga Bach webt aus kulturhistorischen Referenzen und Versatzstücken der Selbstbiografie Kaspar Hausers ein sprachlich artifizielles Familienpanorama über Aufstieg und Fall einer deutschen Unternehmerfamilie von 1940 bis in die Gegen­ wart. Der Regisseur Ersan Mondtag, bereits zwei Mal zum Berliner Theatertreffen einge­ laden, stellt seinen ästhetisch beeindrucken­ den Kosmos erstmals dem Basler Publikum vor.


Kaspar Hauser Und Söhne

17 «Kaspar Hauser und Söhne» Schauspiel von Olga Bach Uraufführung / Auftragswerk Premiere Do 12. April 2018, Schauspielhaus Inszenierung, Bühne und Kostüme Ersan Mondtag Mitarbeit Bühne und Kostüme Anton von Bredow Mitarbeit Kostüm Annika Lu Hermann Video Florian Seufert Musik Max Andrzejewski MIT Carina Braunschmidt, Benny Claessens, Elias Eilinghoff, Michael Gempart, Vincent Glander, Urs Peter Halter, Cathrin Störmer, Thiemo Strutzenberger


The Rake’s Progress «The Rake’s Progress» Oper von Igor Strawinsky In englischer Sprache mit deutschen und englischen Übertiteln Premiere 18. Mai 2018, Grosse Bühne MUSIKALISCHE LEITUNG Kristiina Poska INSZENIERUNG Lydia Steier BÜHNE Katharina Schlipf KOSTÜME Ursula Kudrna CHOR Michael Clark MIT Andrew Murphey, Hailey Clark, Matthew Newlin, Seth Carico, Eve-Maud Hubeaux, Karl-Heinz Brandt, u. a. Chor des Theater Basel Es spielt das Kammerorchester des Theater Basel Theater trifft Dokumentarfilm SO 20. Mai 2018, 11 Uhr «STRAVINSKY: ONCE AT A BORDER» von Tony Palmer, Grossbritannien (2008), 166 Minuten Mit Nadia Boulanger, Jean Cocteau, Robert Craft u. a. Originalfassung (Englisch) Tony Palmers gefeierter Dokumentarfilm über Igor Strawinsky, einen der ein­ flussreichsten Komponisten des 20. Jahrhunderts, wid­ met sich nicht nur dem Le­ ben und Schaffen des Kom­ ponisten und lässt Wegge­ fährt_innen zu Wort kom­ men, sondern gewährt auch Einblicke in faszinierende Dokumente und Fotografi­ en, die Tony Palmer hier zum ersten Mal der Öffent­ lichkeit zugänglich macht. Mit einer Einführung in den Film durch den anwesenden Regisseur, Tony Palmer. Moderation: Pavel B. Jiracek

Du sollst Dir ein Bild machen! Igor Strawinsky stellt in seiner Oper «The Rake’s Progress» (Der Werdegang eines Wüstlings) die Frage nach den wahren Werten: Er erzählt die Geschichte eines jungen Mannes, der nach Ruhm und Reichtum strebt und dabei seinen moralischen Kompass verliert. Das Manuskript des Werkes befindet sich nur ein paar hundert Meter entfernt vom Theater Basel – in der Paul Sacher Stiftung Basel am Münsterplatz. Von aussen wirkt das Gebäude recht unscheinbar – doch in seinem Inneren verbirgt sich ein wahrer Schatz: das weltweit wohl bedeutendste und um­ fangreichste Archiv und Forschungs­ zentrum für die Musik des 20. und 21. Jahrhunderts, in dem Originalpartitu­ ren und Manuskripte von Komponisten wie Pierre Boulez, György Ligeti oder Anton Webern beheimatet sind. Gründungsvater der Institution war der Schweizer Dirigent und Mäzen

Paul Sacher, der u. a. das Basler Kammerorchester, die Schola Cantorum Basiliensis und das Collegium Musicum Zürich ins Leben rief und schier unzählige Kompositionen in Auftrag gab, die er meist als Dirigent auch uraufführte. Eine ganz besondere Stellung im Archiv der Paul Sacher Stiftung nimmt das Schaffen des rus­ sischen Komponisten Igor Strawinsky ein – einer der einflussreichsten Komponisten des 20. Jahrhunderts.


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The Rake’s Progress the rake’s progress HEIMWEH NEUGIER MORAL

Ein bewegtes Leben Igor Strawinskys Leben spiegelt die Höhen und Tiefen des 20. Jahrhun­ derts. In Russland geboren, feierte er seine ersten grossen Erfolge in Paris, wo u. a. seine Ballettmusiken für Sergei Djagilews Ballets Russes ur-aufgeführt wurden: «Der Feuer­ vogel» (1910), «Petruschka» (1911) und «Le sacre du printemps» (1913). Die Uraufführung von «Le sacre du printemps» im Théâtre des ChampsÉlysées provozierte beim Publikum Stürme der Entrüstung, Befürworter und Gegner der neuartigen Musik lieferten sich im Zuschauersaal regel­ recht eine Schlacht. Nicht zuletzt auf­ grund der Russischen Revolution blieb Strawinsky in Paris, wurde französi­ scher Staatsbürger und prägte in den 1920er-Jahren das kulturelle Leben an der Seine. Kriegsbedingt wanderte er 1940 in die USA aus und lebte zunächst in Hollywood, später in New York City. Sein Kompositions­ stil durchlief verschiedene, sehr unter­ schiedliche Phasen: waren seine frühen Kompositionen von einer für die da­ malige Zeit geradezu unerhörten rhythmischen Urgewalt und Moderni­ tät, fand er in späteren Phasen zu einer «neoklassischen» Musik, in der er auf das musikalische Vokabular des 18. Jahrhunderts zurückgriff. Strawinsky komponierte zeitlebens wie ein Besessener: Wenn ihm auf einer Flugreise das Notenpapier aus­ ging, liess er sich vom Bordpersonal Servietten bringen, auf denen er sogleich weiterschrieb – so will es die Legende. Dementsprechend umfangreich ist sein Schaffen. Nach seinem Tod 1971 bemühten sich Insti­ tutionen aus aller Welt um Strawinskys Nachlass. Die Paul Sacher Stiftung in Basel erhielt den Zuschlag, auch dank der Vermittlung des deutschbritischen Musikantiquars Albi Rosenthal.

Musiktheater Mehrere Musiktheaterwerke finden sich im OEuvre Strawinskys. Die Oper «The Rake’s Progress» nimmt darin einen ganz besonderen Platz ein. Die Oper basiert nicht auf einer litera­ rischen Vorlage, sondern auf einem Bildzyklus von acht Gemälden und Kupferstichen des britischen Malers und Grafikers William Hogarth (1697–1764), die als eine Art frühes «Storyboard» den Aufstieg und Fall eines jungen Mannes nachzeichnen. Strawinsky hatte den Zyklus in den 1940er–Jahren in einem Museum in Chicago gesehen. Gemeinsam mit dem englischen Autor W. H. Auden machte er sich nach dem Zweiten Weltkrieg daran, aus den Bildern ein Musiktheater zu entwerfen. Es sollte nichts weniger als ein Projekt der moralischen und künstlerischen Erneuerung in Europa werden: eine Neugründung der Gattung Oper auf vertrauten (musikalischen) Fundamen­ ten. Uraufgeführt wurde dieses Werk eines russischstämmigen, französischamerikanischen Komponisten und eines englischen Autors 1951 im Teatro La Fenice in Venedig – unter der Leitung des deutschen Dirigenten Ferdinand Leitner und mit vielen inter­ nationalen Sängerinnen und Sängern. Opulente Bildwelten Die amerikanische Regisseurin Lydia Steier und ihre Bühnenbildnerin Katharina Schlipf haben sich für ihre Produktion von «The Rake’s Progress» von der Tatsache inspirieren lassen, dass die Oper ihren Ursprung in einem Bildzyklus hat. Lydia Steier hat sich in Basel bereits mit den bildgewal­ tigen Inszenierungen von Karlheinz Stockhausens Oper «Donnerstag aus ‹Licht›» und Georg Friedrich Händels «Alcina» vorgestellt. Wer diese Pro­ duktionen kennt, ahnt vielleicht, mit welcher Opulenz «The Rake’s Progress» bei ihr auf die Bühne gezaubert wird. Gespickt mit schillernden Figuren wie etwa der bärtigen Türkenfrau Baba, zeichnet die Oper das bunte Porträt einer Gesellschaft, deren Werte sich im Wandel befinden. Text: Pavel B. Jiracek


DER SPIELER

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Der Spieler

der spieler HEIMWEH NEUGIER SUCHTPOTENZIAL

Schweizer Erstaufführung «Der Spieler» Oper von Sergej S. Prokofjew Libretto vom Komponisten nach dem gleichnamigen Roman von Fjodor M. Dostojewskij In russischer Sprache mit deutschen und englischen Übertiteln

Premiere 10. März 2018, Grosse Bühne MUSIKALISCHE LEITUNG Modestas Pitrėnas INSZENIERUNG Vasily Barkhatov BÜHNE Zinovy Margolin KOSTÜME Olga Shaishmelashvili VIDEO Maria Feodoridi, Kirill Malovichko CHOR Michael Clark MIT Pavlo Hunka, Asmik Grigorian, Elena Guseva, Dmitry Golovnin, Jane Henschel, Rolf Romei, Kristina Stanek, Pavol Kuban, Karl-Heinz Brandt, Andrew Murphy, Vivian Zatta, André Schann, Ingo Anders, Eva Buffoni, Frauke Willimczik, Vahan Markaryan, Luis Conte, Hendrik J. Köhler Chor des Theater Basel Es spielt das Sinfonieorchester Basel. Statisterie des Theater Basel

MODETIPP: DER SMOKING FÜR DIE DAME Wenn auf einer Einladung als Dress­ code «Black Tie» angegeben wird, muss ein Smoking her. Der Smoking ist der «kleine Gesellschaftsanzug», gewissermassen der etwas entspann­ tere Verwandte des Fracks. Ursprünglich wurde die Smokingjacke angezogen, wenn Mann sich nach dem Dinner zum Rauchen ins Fumoir begab, um dort einen Digestif zu trinken oder Karten zu spielen. Da der Rauchgeruch für Damen als unzumutbar empfunden wurde, war für die Gentlemen zumindest ein Wechsel des Jacketts unabdingbar. Zugleich be­ deutete das Überziehen der Smokingjacke, dass mit dem Rückzug der Herren der offizielle Teil des Abends beendet war. Inzwischen sind die geschlechterspezifischen Unterschiede mehr oder weniger in allen Gesellschaftsberei­ chen aufgehoben. Eine glückliche Tatsache, die sich selbstverständlich auch im Kleiderschrank bemerkbar macht. Den wohl aufsehenerregendsten Beweis lieferte zuletzt die ehe­ malige Kommunikationsdirektorin des Weissen Hauses, Hope Charlotte Hicks, als sie erst kürzlich beim Staatsbankett in Japan in einem lässigen, formschönen Smoking,

mit Fliege und Diamantohrringen unter ihrem wehenden lockigen Haar auftrat. Dieser atemberaubende Aufzug brachte ihr nicht nur grossen Respekt in der Modewelt ein, sondern stellte auch alle Kollegen aus Trumps Umfeld in den Schatten, da Hicks in der traditionellmännlichen Kleidung bei Weitem besser aussah als die Männer. Ideale Gelegenheit, um mit einem Smoking die Aufmerksamkeit der Leute auf sich zu ziehen, sind aller­ dings nicht nur präsidiale Staatsbankette, sondern auch Opern- oder Casinobesuche. In unserer Opernproduktion «Der Spieler» wird zwar nicht in einem Casino gezockt, sondern auf einer virtuellen Spiel­ plattform, die bequem vom Wohn­ zimmer aus bedient werden kann. Wir empfehlen aber dennoch, auch vor dem Computer angemessene Kleidung zu tragen. Ein Smoking oder zumindest ein Smokinghemd, wie es die Kostümbildnerin Olga Shaishmelashvili entworfen hat, gibt dem Glückspiel auch im Inter­ netcasino den nötigen Glamour. Text: Sabrina Hofer


«DANCELAB 9»

Choreografien von Tänzer_innen des Ballettensembles zum Thema «SHIFT»

22 Uraufführungen «Dancelab 9» Choreografien von Tänzer_ innen des Ballettensembles Premiere 24. Mai 2018, Kleine Bühne Partner des Ballett Theater Basel:

Ab dem 24. Mai zeigen fünf der Tänzerinnen und Tänzer des Ballettensembles wieder eigene Arbeiten, die alle das Thema «Shift» zur Vorgabe hatten.

Frank Fannar Pedersen ER Auf Isländisch bedeutet «er» ist oder sein – und hat somit eine eindeutige Verbindung zur Gegenwart und zu dem, was wir gerade im Moment tun. Auf Deutsch ist «er» ein Personalpronomen: 3. Person Singular, maskulin. Wenn wir die Zauberer unseres eigenen Lebens sind, ständig unsere Erinnerungen, unser Schicksal und vielleicht sogar Illusionen von uns selbst erschaffen, was passiert dann, wenn uns der Hase, den wir gerade aus unserem Hut ziehen wollten, verloren geht? Alba Carbonell Castillo CHRYSALIS Meine Choreografie ist wie eine Reise. Sie handelt von Selbstreflexion und Akzeptanz, von Übergän­ gen, die scheinbar ausserhalb unserer Kontrolle liegen, aber immer in Beziehung zu unseren Träu­ men stehen.

Debora Maiques Marin AXOLOTL Ein Stück über die Übergänge und bewegenden Zwänge, die unsere Gesellschaft in dem Glauben lassen, dass man, um erfolgreich zu sein, schön, intelligent und letztendlich perfekt sein muss. Jorge García Pérez SHIFT HAPPENS Je weiter unsere technischen Möglichkeiten ausreifen, desto unzulänglicher fühlen wir uns. Unser Horizont erweitert sich, während wir gleich­ zeitig die Welt immer begrenzter wahrnehmen. Was bleibt, sind unsere Träume. Javier Rodriguez Cobos NIGHT SHIFT Es ist ganz ruhig jetzt – so still, dass ich fast die Träume anderer Leute hören kann …


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EXKLUSIV FÜR ALLE

Mit EXKLUSIV FÜR ALLE startet das Theater Basel gemeinsam mit dem Regisseur Tom Ryser («Ursus & Nadeschkin», «Jesus Christ Superstar», «Fame», «Hair» u. a.) ein Herzensprojekt. Daran teilnehmen können alle Interessierten! Neue Fähigkeiten und Talente können in kostenlosen Workshops entdeckt oder verfeinert werden und anschliessend in einem neuen Stück des Theater Basel auf oder hinter die Bühne gebracht werden. Dabei fliessen verschiedene Künste ineinander, Bühnenkämpfe werden zu Choreografien und ver­ schmelzen mit Tanz, Bühnenbild und Kostüme finden ein gemeinsames ästhetisches Konzept, Maske wird zu einem theatralen Moment, erzählte Geschichten

werden durch Poetry-Slam lebendig, werden zu Melodien, Rhythmen und eigenen Songs. Vorkennt­ nisse sind keine nötig, da halten wir es ganz mit Joseph Beuys’ Grundsatz: «Jeder Mensch ist ein Künstler».

Mehr Informationen unter: www.theater-basel.ch/Spielplan/Exklusiv-fuer-alle Bühnenkampf Stürzen, kicken, treten, schlagen: Realistische Kampfszenen ohne Verletzungsgefahr. Leitung: Patrick Oes, Robert Baranowski

Bühnenbild Entstehung, Modell und Materialien eines Bühnen­ bilds. Für Menschen mit Begeisterung für Räume, Architektur, Kunst und handwerkliche Materialien. Leitung: Martina Ehleiter

Geschichten erzählen Ein Erzählspiel, bei dem aus vielen Geschichten eine grosse Erzählung wird. Mindesteinsatz ist eine wahre Geschichte. Leitung: Martin Frank

Maske Menschen altern lassen, Narben und Krankheiten schminken und mithilfe von Masken, Perücken und Make-up Fantasiebilder oder andere Jahrhunderte stylen. Leitung: Daniela Hoseus Poetry-Slam Geschichten, Dinge und Erlebnisse in berührende Worte fassen und performen. Leitung: Sarah Altenaichinger

Kostüm Den eigenen Traum vom Kostüm auf unserer Bühne umsetzen. Leitung: Anna Huber

Gemeinsame Aufführung

exklusiv für alle HEIMWEH NEUGIER

19. Juni 2018 um 20 Uhr

KREATIVITÄT

im Foyer Grosse Bühne Theater Basel Jazzdance und Ballett Muskeln, Haltung und Koordination trainieren und Ideen mit dem eigenen Körper ausdrücken. Leitung: Armando Braswell

Zeichnen Grafische Zeugnisse, die aus individuellen Beobachtungen der einzelnen Workshops entstehen, begleiten das Projekt. Leitung: Barbara Frommherz Songwriting Melodien, Punchlines, Rhythmen, Songtexte und Akkorde für die Bühne überlegen und gemeinsam umsetzen. Leitung: Fabian Chiquet, Joël Fonsegrive, Victor Moser

SUPPORTED BY SWISSLOS-FONDS BASEL-STADT

I IN KOOPERATION MIT JUAR BASEL UND DEM BRASWELL ARTS CENTER


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Welches Stück passt zu Dir?

Nein

Träumst du vom grossen Abenteuer?

Bist du in der Schweiz aufgewachsen?

Ja

Bist du eher ein gesellschaftlicher Aussteiger oder Aufsteiger?

Nein

Ja Bist du Einzelgänger? Der Goldkäfer Ja

Kaspar Hauser

Nein Aufsteiger?

Ja

Ist dir der perfekte Schein wichtig?

Polarrot

Nein

Spielt die Familie eine zentrale Rolle in deinem Leben? Nein

Ja Medea

Lebst du wild und gefährlich? Nein Trouble in Tahiti Rake’s Progress

Ja

Aussteiger?

Tod in Venedig

Romulus


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Polarrot – basel spielt mit der spieler

INSZENIERUNG Daniela Kranz AUSSTATTUNG Marion Menziger KOSTÜME Jorina Weiss MIT Mario Fuchs, Lisa Stiegler, Pia Händler, Martin Hug BÜRGER_INNEN Guido Babst, Beatrix Castellote-Iselin, Diana Damnjanović, Silvana Candreia, Stephan Dettwiler, Urs Frei, Tina Gluth, Roberto Greuter, Garcia Guillermo

HEIMWEH NEUGIER HISTORISCHE FAKTEN

POLARROT – DIE FOLGENREICHE GESCHICHTE EINES FARBSTOFFES Im «Bergier-Bericht» aus dem Jahr 2002 ist das kon­ troverse Verhältnis der Schweiz zum nationalsozia­ listischen Deutschland von einer unabhängigen Expertenkommission zusammengefasst worden. Der 7. Band untersucht die Beziehungen der Schwei­ zer Chemieindustrie zum Dritten Reich. Für den Basler Autor Patrick Tschan diente dieser vom Bun­ desrat in Auftrag gegebene Bericht als historische Grundlage für seinen Roman «Polarrot». Darin er­ zählt er die bewegte Lebensgeschichte von Jakob Breiter, einem Bauernsohn aus dem Toggenburg, der sich in den Jahren von 1934 bis 1936 in der Basler Chemiebranche zum erfolgreichen Geschäftsmann emporarbeitet. Die Hauptfigur ist eine Erfindung des Autors, die historischen Zusammenhänge aller­ dings basieren auf Fakten. Mit der «Zwangslage des Krieges» rechtfertigten die Unternehmen ihre geschäftlichen Verbindungen mit NS-Deutschland. Aus dem Bericht, der nach dem Schweizer Sozial- und Wirtschaftshistoriker Jean-François Bergier benannt wurde, geht aller­ dings deutlich hervor, dass die Konzerne in der Zwangslage eine Chance für ihre wirtschaftliche Entwicklung sahen. Die vier grossen Basler Chemie­ konzerne Ciba, Geigy, Sandoz und Roche unterhiel­ ten nicht nur während des Kriegs von 1939 bis 1945, sondern bereits nach der «Machtergreifung» der NSDAP im Januar 1933 rege Geschäftsbeziehungen mit dem NS-Regime. Geigy konnte wegen ihrem in Deutschland gelege­ nen Werk im südbadischen Grenzach Farbstoffe mit dem Prädikat «Farbstoffe deutschen Ursprungs» für Partei- und Behördenzwecke liefern. Der Um­satz von Geigy stieg bis 1939 auf ein Maximum von 10,3 Millionen Franken. Dies machte fast ein Viertel ihres Stammhausumsatzes aus. Die Konzernleitung wusste nur zu gut, wozu ihre Farbstoffe verwendet wurden: Mit Polarrot G und RS wurde «zweifelsohne

in der Hauptsache die Hitlerfahne gefärbt», wie aus einer internen Notiz zu entnehmen ist. Geigy bemühte sich ebenso darum, ihre Chromfarbstoffe an die Wehrmacht zu verkaufen. Zwar gingen die Farbstoffverkäufe ab Kriegsbeginn zurück, dafür zog der Verkauf von synthetischen Gerbstoffen, Textilhilfsstoffen und seit 1943 des Insektizids DDT an. Die Brisanz dieser historischen Fakten ist Grund genug für die Regisseurin Daniela Kranz, den Roman von Patrick Tschan diesen Mai zusammen mit En­ sembleschauspieler_innen und neun gecasteten Basler Bürger_innen im Stadtraum zu inszenieren. «Polarrot» ist wie eine TV-Miniserie aufgebaut: In vier Folgen mit jeweils einer Stunde Laufzeit. Jede Folge beginnt mit einem Trailer, der das Publikum in einer kurzen Zusammenfassung – nach dem Motto «Was bisher geschah» – in die vergangenen Geschehnisse einführt, während der Cliffhanger am Ende der Episode die Neugier auf die nächste Folge weckt. Text: Sabrina Hofer

Daten: 1. Folge: 2. Mai 2018 (Premiere), 3. Mai 2018, 4. Mai 2018 2. Folge: 9. Mai 2018 (Premiere), 10. Mai 2018, 11. Mai 2018 3. Folge: 23. Mai 2018 (Premiere), 24. Mai 2018, 25. Mai 208 4. Folge: 30. Mai 2018 (Premiere), 31. Mai 2018, 1. Juni 2018 jeweils um 20 Uhr ben! ch bekannt gege Orte werden no


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DER Goldkäfer

der goldkäfer HEIMWEH NEUGIER GOLDSCHATZ

Uraufführung/ Auftragswerk «Der Goldkäfer» Oper von Dai Fujikura Libretto von Hannah Dübgen nach der Geschichte «Der Goldkäfer» von Edgar Allan Poe In deutscher Sprache Premiere 9. März 2018, Kleine Bühne MUSIKALISCHE LEITUNG Stephen Delaney INSZENIERUNG Julia Hölscher MIT Sarah Brady/Anna Campmany Duch, Anastasia Bickel/ Alexandra Meier, José Coca Loza/Oliver Pürckhauer, Domen Križaj/Stefan Hadžić, Matthew Swensen/Luca Festner Eine Produktion von OperAvenir in Zusammen­arbeit mit der Hochschule für Musik Basel FHNW/ Musik-Akademie Basel Kompositionsauftrag von der Hochschule für Musik Basel FHNW, gefördert durch die Ernst von Siemens Musikstiftung OperAvenir mit freundlicher Unterstützung: HEIVISCH, HIAG, Julius Bär, Novartis

REISeTIPP: SULLIVAN’S ISLAND Wir schreiben das Jahr 1698, als der legendäre schottische Pirat Captain Kidd und seine Mannschaft in der Karibik auf eine wahre Goldgrube treffen: Das gewaltige armenische Frachtschiff, die «Quedagh Merchant», bis an den Bug brechend voll beladen mit Gold, Silber, Juwelen, Seide, Zu­ cker und Waffen. Die Crew kapert das Schiff und erhält ihren Anteil an der Beute. Seinen eigenen Löwenanteil al­ lerdings vergräbt der Captain sorgfäl­ tig an einem verborgenen Ort. Doch bevor er zurückkehren kann, um den Schatz zu holen, wird er gefangen ge­ nommen, zum Tode verurteilt und in London gehängt. Die vergrabene Tru­ he selbst wurde nie gefunden. Seither sind Glücksritter bis zum heutigen Tag in Scharen auf der Suche nach Captain Kidds Schatz. So auch William, Albert, Sam und Lilith aus unserer brandneuen Oper «Der Gold­ käfer» (nach einer Geschichte von Edgar Allan Poe). Eine rätselhafte Schatzkarte führt die vier auf die In­ sel «Sullivan’s Island» im Atlantik, die man von Basel aus nach einem sech­ zehnstündigen Flug über Amsterdam und Atlanta bis Charleston im südöstlichen US-Bundesstaat South Carolina nach einer kurzen Fahrt über die Ben-Sawyer-Brücke erreicht. Hat man auf der nur sechs Quadrat­ kilometer grossen Insel einen der raren Parkplätze ergattert, lohnt sich die Besichtigung des 42 Meter

hohen Leuchtturms der Charleston Bay (es gibt einen Aufzug) oder ein Besuch in den umfangreichen Be­ festigungen des militärischen Forts Moultrie, in dem auch Edgar Allan Poe zwei Jahre als stationierter Soldat der US-Armee verbrachte. Schatzsucher klettern anschliessend durch dicht gewachsenes Myrtengestrüpp hinauf zum sandigen Hügel mit den drei Tulpenbäumen, um dort – ausgerüstet mit GPS-Gerät, Metalldetektor, Pickel und Spaten, Garten­ handschuhen, Stirnlampe und gern auch einer Harke – ihr eigenes Glück zu versuchen. Doch leider kommen sie zu spät – Captain Kidds geheim­ nisumwobenes Vermächtnis befindet sich nämlich längst an einem anderen Ort ganz in der Nähe: N 47° 33’ 11.246’’ O 7° 35’ 23.208’’* Text: Anja Schödl

Regisseurin Julia Hölscher

* Koordinaten des Theater Basel


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TROUBLE IN TAHITI – THEATER BASEL UNTERWEGS

trouble in tahiti HEIMWEH NEUGIER FAMILIE

Hausbesuch bei Frau Meier und Herrn Mühlemann in Riehen → Die Katze begrüsst mich am Eingang des Reihenhauses mit Gar­ ten in ruhiger Lage in Riehen – hier wohnt das Ehepaar Meier/Mühle­ mann, das sein eigenes Wohnzimmer für die Aufführung der Oper «Trouble in Tahiti» zur Verfügung stellt. Das Haus wurde in den 1950er-Jahren gebaut, erzählt Herr Mühle­ mann, und deshalb gibt es strenge Bauauflagen, was Umbauten betrifft. «Wir haben trotzdem zwei Wände herausge­ nommen», ergänzt seine

Frau, «sodass aus drei engen, kleinen Räumen ein grosses, gemütli­ ches Wohnzimmer ge­ worden ist.» Ein Raum, in dem man sich sofort wohlfühlt – mit Küche, Kamin, Esstisch, Klavier und einem Tisch, den beide liebevoll ihre «Kommunikationsinsel» nennen. Hawaiianische Holzfiguren, Muscheln und allerlei Mitbringsel aus anderen Ländern zeugen von ihrer Reise­ lust und ihrem Interesse an anderen Kulturen. Ein idealer Ort, um viele Freunde einzuladen –

und um darin eine Oper aufzuführen. «Wir fan­ den die Idee der Wohn­ zimmeroper spannend, weil man mal nicht selbst ins Theater gehen muss, sondern umge­ kehrt das Theater zu den Leuten, zu uns nach Hause kommt», erklärt Frau Meier, «und wir sind neugierig darauf, die Proben und die Vor­ bereitung einmal haut­ nah mitzuerleben und mit den Darsteller_in­ nen und dem musikali­ schen Leiter persönlich in Kontakt treten zu können.»

Dem Klischeebild der amerikanischen, klein­ bürgerlichen Familie, das in der Oper «Trouble in Tahiti» karikiert wird – der Mann ver­ dient das Geld, wäh­ rend sich die Frau um Haushalt und Kind küm­ mert –, entsprechen die beiden bewusst nicht. «Wir sind beide berufs­ tätig und haben unsere Kinder gemeinsam er­ zogen. Für uns stand die gemeinsame Zeit mit der Familie immer an erster Stelle, noch vor der Karriere und dem Geld.»

Zuvor wohnten sie in einer alternativen Wohngenossenschaft in der Nähe, und erst als die Kinder grösser waren, kauften sie sich das Haus. «Wir wollten etwas mehr Privatsphäre und einen Rückzugsort für uns haben». Eine gewisse «Gärtlimentali­ tät» gäbe hier aber schon, schmunzeln sie. Text: Dorothee Harpain Ab 28. März spielt die Oper «Trouble in Tahiti» in unterschiedlichen Wohnzimmern in BaselStadt und Baselland.


Bruce Nauman DISAPPEARING ACTS 17. MÄrz – 26. August 2018


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