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Ilona Goyeneche Wen bewerfen wir mit Molotowcocktails? // ¿A quién lanzarle las bombas molotov?

¿A quién lanzarle las bombas molotov? Wen bewerfen wir mit Molotowcocktails?

Der junge Schauspieler, Regisseur und Dramatiker David Gaitán über die Suche nach Protestzielen in Theater und Gesellschaft im Gespräch // Una conversación con el joven actor, director y dramaturgo David Gaitán sobre la búsqueda de blancos de protesta en el teatro y la sociedad

Ilona Goyeneche

Ein Konflikt müsse komplex gestaltet werden, sagt David Gaitán – damit er nicht ins Melodramatische abdriftet. Rechts seine Stücke „La ceguera no es un trampolín“ und „Romeos“. // Un conflicto tiene que ser concebido de manera compleja, dice David Gaitán – para que no decaiga en lo melodramático. Derecha su obra “La ceguera no es un trampolín” y “Romeos”. Fotos Héctor Ortega/ José Jorge Carreón

David Gaitán, Sie sind ausgebildeter Schauspieler, aber auch ein hervorragender Autor und Regisseur. Wie arbeiten Sie in diesem Dreiklang? Diese Frage wird mir in Interviews oft gestellt, und ich antworte immer, dass ich am liebsten spiele. Die Regie und das Schreiben kamen als Vorwand hinzu, um auf der Bühne stehen zu können, als persönliche Forschungsreise und als Versuch, mich in diesem Bereich akademisch fortzubilden. Trotzdem steht die mexikanische Theaterlandschaft einer Bewegung zwischen diesen drei Bereichen tendenziell abwertend gegenüber. Man wird misstrauisch, wenn ein Schauspieler anfängt zu schreiben oder Regie zu führen. Für die Kombination Autor-Regisseur gilt das nicht. Wenn man am Anfang steht, wird eine vielseitige und chaotische Ausrichtung erst einmal geduldet, aber nach und nach sollte man sich doch entscheiden. Das entspricht auch der hierarchischen Struktur im Theaterbereich und dem mit einer Spezialisierung verbundenen Streben, ganz nach oben zu kommen.

David Gaitán, usted es actor de formación, pero también destaca como autor y director. ¿Cómo trabaja con esta trilogía? Esta pregunta es bastante recurrente en entrevistas y siempre respondo que lo que más me gusta hacer, es actuar. La dirección y dramaturgia nacen como una excusa para estar en escena y como una investigación personal y búsqueda de academizarme en esas áreas. Existe, sin embargo, en el mundo teatral de México el impulso de

Was ist charakteristisch für Ihre Generation, und inwiefern unterscheidet sie sich von der vorherigen? Der Hauptunterschied ist: Auf der Bühne, auf der wir unser Theater zeigen können, sind alle Tabus längst gebrochen. Das ist ein großes Privileg, weil wir dadurch über viel Freiraum verfügen. Vergleicht man jedoch die Grenzüberschreitungen der vorherigen Generationen, die noch einen Kampf auszufechten hatten, mit der unseren, dann habe ich das Gefühl, dass Grenzüberschreitungen nicht mehr an der Tagesordnung sind. Wir wissen nicht, auf wen wir die Molotowcocktails werfen sollen. Das große Thema unserer Generation ist die Suche nach Identität. Das hat damit zu tun, dass wir uns in einer Kunstszene bewegen, in der es zwar Dinge geben mag, um die man kämpfen muss, die aber poetisch wenig ausschlaggebend sind. Der Kampf dreht sich eher um interne Angelegenheiten wie Förderanträge oder die Produktion. Und weil wir die Idee der Grenzüberschreitung verloren haben, suchen wir andere szenische Anker, die sich ins postdramatische Theater einordnen. Wir suchen andere szenische Erfahrungen und machen Ausflüge hin zu anderen Theaterformen. Sehr häufig wird zum Beispiel in theaterfremden Räumen inszeniert.

Wenn man nun Mexikos derzeitige Situation in Betracht zieht, die durch das Verschwinden der 43 Studenten aus Ayotzinapa 2014 so deutlich wurde: Kann man dann noch von einer Generation sprechen, die nicht weiß, auf wen sie die Molotowcocktails werfen soll? Nein, natürlich nicht. Ich wünsche mir – auch wenn dieser Wunsch mir Angst macht –, dass diese politische Lage ein Wendepunkt für das Land ist und nicht nur ein vorübergehendes Ereignis. Auch wenn die mexikanische Theatergemeinde sonst wenig repräsentativ für die Gesellschaft ist, hat sie – vor allem die neue Generation – im Verlauf der Ereignisse seit dem Verschwinden der 43 Studenten dafür gesorgt, dass die Proteste nicht zum Erliegen kommen. Mit diesem Thema und angesichts dieser Regierung und dieses Präsidenten haben wir ein Protestziel gefunden, an das wir glauben. Es erscheint uns notwendig und dringlich, alles dafür zu tun.

Gibt es ein Charakteristikum des mexikanischen Theaters? Es gibt eine ausgesprochen mexikanische nationale Eigenheit, die meiner Ansicht nach irgendwo zwischen Schwäche und Folklore anzusiedeln ist. Ein Konflikt kann demnach nur vom Melodramatischen her begriffen werden. Es scheint fast, als herrsche eine tiefe Angst davor, einen Konflikt komplex zu gestalten. Bei Figurenzeichnung und Textanalyse neigt man dazu, Dinge zu vereinfachen und letztlich alles einem Werturteil unterzuordnen, das wenig Raum für kritisches Denken lässt. descalificar esta posibilidad de estar navegando entre estos tres ámbitos y se desconfía cuando alguien que actúa se pone a dirigir o escribir. No así la combinación autordirector. En un inicio se acepta que comiences en un estado multifacético y caótico, pero poco a poco se te obliga a que eventualmente te decidas. Esto también responde a una estructura jerárquica de la escena y a la aspiración de estar en la cima de la pirámide lo que va ligado a la especialización.

¿Qué caracteriza la generación a la que pertenece y en qué se diferencia de la anterior? La principal diferencia es que el escenario en el cual podemos proponer nuestras poéticas es uno en el que todos los tabúes ya están derribados. Eso es un gran privilegio porque hay un espacio de libertad amplio. Pero por otro lado, comparando esos gestos de transgresión de las generaciones anteriores, donde había una pelea que librar, con nuestra generación, siento que esa idea de transgresión está un poco diluida. No sabemos a quién lanzarles las bombas molotov. El gran tema de nuestra generación es la búsqueda de identidad y que tiene que ver justamente con que estamos frente a un escenario de las artes, que si bien hay causas que combatir, poéticamente son poco determinantes. Tiene que ver más con asuntos internos como postular a becas y la producción. Y dado que perdimos el concepto de transgresión, buscamos otros anclajes escénicos que se engloban bajo lo postdramático, buscando otras experiencias escénicas y visitando otros códigos teatrales. Es muy recurrente, por ejemplo, montar en espacios no teatrales.

David Gaitán studierte Schauspiel an der Escuela Nacional de Arte Teatral del INBA (Nationalen Schule für Theaterkunst des Instituts der Schönen Künste in MexikoStadt), schrieb bislang 20 Theaterstücke und führte bei elf Inszenierungen Regie. 2014 inszenierte er sein Stück „La ceguera no es un trampolín“ (Blindheit ist kein Sprungbrett) mit Absolventen der Berliner Hochschule für Schauspielkunst „Ernst Busch“. Seine Inszenierung des Stücks „Von den Beinen zu kurz“ (Demasiado cortas las piernas) der Schweizer Autorin Katja Brunner wird in diesem Jahr beim Heidelberger Stückemarkt und den Mülheimer Theatertagen zu sehen sein. // David Gaitán estudió actuación en la Escuela Nacional de Arte Teatral del INBA. Ha escrito veinte obras de teatro y dirigido 11 montajes. En 2014 montó su obra “La ceguera no es un trampolín” con actores egresados de la Ernst Busch de Berlín. Durante el Heidelberger Stückemarkt y Mülheimer Theatertage se podrá ver el montaje mexicano dirigido por él de la obra “Demasiado Corta las Piernas” de la autora suiza Katja Brunner.

Die Autorin // La autora

Ilona Goyeneche ist Journalistin und Kulturmanagerin. Während ihrer langjährigen Tätigkeit als Kulturjournalistin in Chile schrieb sie Beiträge für Medien in Deutschland. Seit 2008 arbeitet sie für das GoetheInstitut im Bereich Theater und Tanz, zuerst in Chile und derzeit in Mexiko. 2015 ist sie Scout des Heidelberger Stückemarktes und kuratiert die Auswahl des Gastlandes Mexiko. // Ilona Goyeneche es periodista y gestora cultural. Durante sus años laborales como periodista cultural en Chile colaboró con medios en Alemania. Desde 2008 trabaja en el Goethe Institut a cargo de los proyectos de teatro y danza, primero en Chile y actualmente en México. 2015 es Scout del Festival de Dramaturgia Contemporánea Heidelberger Stückemarkt en Alemania y estuvo a cargo de la selección de obras y montajes de México, país invitado de ese año. ilonagoyeneche@ gmail.com Foto Thito Gutiérrez

ende ein gutes Theaterstück sehen. Trotzdem ist das Problem dort – und mehr noch in den Bundesstaaten – das fehlende Publikum. Wenn man also als Schauspieler auf der Bühne steht, ist man so dankbar, wenn überhaupt Publikum im Saal ist, dass man sich um diesen Zuschauer kümmert und um jeden Preis für seine Unterhaltung sorgen möchte. Das Ende vom Lied ist, dass wir unseren Schauspielergestus ins Melodramatische driften lassen. Heraus kommt ein Spiel, das die Zuschauer zufriedenstellt und unmittelbar effizient ist.

Sie inszenieren meist Ihre eigenen Texte. Wie war es für Sie, das Stück „Von den Beinen zu kurz“ der Schweizer Autorin Katja Brunner auf die Bühne zu bringen, eine Produktion, die Sie 2015 auch in Deutschland beim Heidelberger Stückemarkt und den Mülheimer Theatertagen zeigen werden? Gereizt hat mich an diesem Stück, dass es zutiefst chaotisch ist. Ein sehr gewinnendes Chaos in der Komposition wie in der Ausführung des Themas. Mich hat auch gereizt, auf welche Art ein so heikles Thema wie die Beziehung zwischen einem Mädchen und seinem Vater angegangen wird: Von aufreizend provokanter Warte aus verteidigt, rechtfertigt und behauptet das Mädchen die sexuelle und partnerschaftliche Beziehung zu ihrem Vater. Diese Provokation ist einfach und kraftvoll zugleich, die Autorin besitzt die Dreistigkeit, diese Aussagen auf eine Bühne der „Hochkultur“ zu stellen und das Unvertretbare zu vertreten. Ein Großteil der Fragestellung lag darin, wie diese Herausforderung in eine Inszenierung übersetzt werden kann. Wie das Gefühl, das der Text vermittelt, ins Dreidimensionale übertragen? Das hat mich so gereizt wie einen kleinen Jungen ein unbekanntes Spiel. //

Wo alle Tabus bereits gebrochen sind – müssen andere szenische Anker gesucht werden: „Ricardo III 0.1“ von David Gaitán. // Ahí donde ya se rompieron todos los tabúes – hay que buscar otros anclajes: “Ricardo III 0.1“ de David Gaitán. Foto Roberto Blenda

Considerando la situación que se vive en México y que se ha evidenciado con la desaparición de los 43 estudiantes de Ayozinapa, ¿aún se puede hablar de una generación que no sabe a quién lánzale las bombas molotov? No, claro, estoy de acuerdo en eso. Deseo, con todo el miedo que este deseo conlleva, que este momento político del país sea un punto de inflexión de la situación nacional y que no sea un suceso pasajero. En la medida que ocurre los sucesos a partir de la desaparición de los 43, la comunidad teatral mexicana -especialmente la nueva generación-, por muy poco representativa que sea para la sociedad completa, se ha preocupado en que no se agoten las protestas. Hemos encontrado en este tema y frente a este gobierno y este presidente, un blanco de protesta en que creemos y nos parece necesario y urgente volcarse.

¿Hay algo que caracteriza al teatro mexicano? Hay un asunto idiosincrático nacional -muy del mexicano- y que me parece está entre la debilidad y el folklor. Es la comprensión de un problema sólo desde lo melodramático. Pareciera que hay un profundo temor por complejizar un problema y se tiende a la simplificación a la hora de abordar los personajes y el análisis de texto, terminando por orillar todo a un juicio de valor que favorece poco el pensamiento crítico.

¿Y eso por qué cree que se da? Una razón medular es la realidad artística del país. Para ejemplificarlo. En Ciudad de México puedes ver cada fin de semana una buena obra de teatro, sin embargo, la realidad en el DF -peor aún en los estados- es la falta de público. De esa manera uno como actor estando en escena está tan agradecido cuando hay público en la sala, que se quiere cuidar ese espectador garantizándole su entretenimiento a como dé lugar. Y terminamos por acomodar nuestro gesto actoral al universo de lo melodramático, actuación que resulta satisfactorio y muy eficaz en lo inmediato.

Suele montar sus propios textos. ¿Cómo fue llevar a escena la obra de Katja Brunner que presentará en Alemania? Lo que me sedujo de la obra es que es profundamente caótica. Un caos muy atractivo tanto en su compaginación como en su desarrollo temático. Lo otro que me sedujo es la forma de abordar un tema muy peligroso que es la relación entre una niña y su padre, poniéndose en un lugar tan atractivamente provocador en que la niña defiende, justifica y presume la relación sexual y de pareja que tiene con su padre. Es una provocación que reúne la sencillez y potencia al tener el descaro de poner estas aseveraciones en un escenario de la “alta cultura” defendiendo lo indefendible. Buena parte del cuestionamiento era como traducir este desafío en una puesta en escena y cómo llevar la sensación que da el texto a un código tridimensional. Eso me sedujo como a un niño un juego que no conoce. //

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