Leuphana Universität Lüneburg Major BWL Sommersemester 2011
Veränderungen in der Veranstaltungs- und Kulturwirtschaft
5.312 Wörter
Lasse Kroll
Vorgelegt im Rahmen des Seminars Praxis Projekt
Leiter der Lehrveranstaltung: Dr. Norbert Sturm
Kontaktadresse für Rückmeldungen und Rückfragen:
Lasse Kroll Auf dem Meere 41 21335 Lüneburg Tel.: 0178-7814029 E-Mail: lasse-kroll@gmx.net Matrikel-Nr.: 3009098
2
INHALTSVERZEICHNIS
1. EINLEITUNG ....................................................................................... 3 2. DER PRAKTIKUMSBETRIEB ............................................................. 3 3. DER KULTURBETRIEB ...................................................................... 4 3.1 Öffentlich-rechtliche Kulturträger ............................................... 5 3.2 Privatrechtlich-gemeinnützige Kulturträger ............................... 7 3.3 Privatrechtlich-kommerzielle Kulturträger ................................. 8 4. KULTURBETRIEB IM WANDEL ......................................................... 9 4.1 Mögliche Konzeption von zukünftigen Veranstaltungen ........ 10 4.1.1 Partizipation der Kunden .................................................... 11 4.1.2 Nachhaltigkeit im Kulturbetrieb........................................... 13 4.1.3 Spezialisierung/Regionalisierung ....................................... 16 4.2 Finanzierung und Controlling .................................................... 17 4.2.1 Finanzierungsmöglichkeiten für Kulturbetriebe .................. 17 4.2.2 Controlling im Kulturbetrieb ................................................ 19 5. FAZIT ................................................................................................. 21 6. LITERATURVERZEICHNIS............................................................... 22 7. ANHANG ........................................................................................... 23
3
1. EINLEITUNG Kultur ist ein Phänomen so alt wie die Menschheit selbst und ein wesentlicher Bestandteil des sozialen Gefüges in einer Gesellschaft. Kultur ist dabei nur ein Oberbegriff für eine Vielzahl von Institutionen und Tätigkeiten musikalischer, literarischer, architektonischer, politischer oder sprachlicher Ausprägung, der in seiner Gesamtheit nie ganz fassbar sein kann. Folglich ist Kultur auch Teil oder Inhalt wirtschaftlicher Prozesse. Kulturelle Güter können sowohl Produkte als auch Dienstleistungen sein und erschaffen meistens einen finanziellen und emotionalen Mehrwert für die Gesellschaft. Kulturelle Veranstaltungen sind seit jeher die Ausdrucksform, in der Kultur erlebbar und konsumierbar wird und deren Organisation der Hauptaufgabenbereich von Kulturbetrieben ist. Das Ziel dieser Hausarbeit soll es sein, heutige Veranstaltungskonzepte im Musik- und Vergnügungsbereich vorzustellen und der Frage nachzugehen, wie sich solche Veranstaltungen derzeit verändern und in Zukunft verändern werden. Einerseits soll dabei auf inhaltliche Aspekte eingegangen werden, andererseits sollen auch betriebswirtschaftliche Parameter angelegt werden, wie beispielsweise Finanzierungsprobleme und -möglichkeiten, Marketingmaßnahmen oder Controllingansätze in Kulturbetrieben. Die Basis für meine Ausführungen ist zu allererst mein Praktikum bei der Livingroom GmbH in Kiel, die Veranstaltungskonzepte im Musik- und Vergnügungsbereich plant und umsetzt und zusätzlich meine zweijährige Tätigkeit im lunatic e.V. in Lüneburg. Darüber hinaus habe ich Interviews geführt und Literatur gesichtet, um die praktischen Erfahrungen theoretisch untermauern zu können.
2. DER PRAKTIKUMSBETRIEB Mein Praktikum bei der Livingroom GmbH in Kiel war terminiert vom 14. März bis zum 30. Juni 2011. In dieser Zeit habe ich verschiedene Projekte bearbeitet, die insbesondere während der Kieler Woche Ende Juni 2011 durchgeführt wurden. Die Firma trat sowohl als Dienstleister für externe Veranstalter auf, beispielsweise für die Landeshauptstadt Kiel, als auch als Veranstalter
4
eigener Kultur- und Gastronomieangebote. Neben der Unterstützung der Pressearbeit und der Ausarbeitung eines Sicherheitskonzeptes für eine öffentlich-rechtliche Veranstaltungsfläche der Landeshauptstadt Kiel, habe ich mich während meines Praktikums insbesondere mit der Gestaltung und Umsetzung eines studentischen Musikfestivals auf der Kieler Woche beschäftigt. Dieses projektbezogene Arbeiten beinhaltete viele Freiheiten, sowohl für meine Arbeitsweise, als auch für den vorhandenen Gestaltungsspielraum in inhaltlicher Hinsicht. Ich konnte somit fast frei von Vorgaben und Handlungszwängen über die Inhalte des Musikprogramms, die Vermarktung der Standflächen oder die Ausrichtung des Marketings entscheiden, natürlich alles in einem vorher festgelegten Budgetrahmen. Projektarbeit ist in der Veranstaltungsbranche weitverbreitet, um ein hohes Maß an Flexibilität zu wahren. Ähnlich wie andere Firmen in diesem Sektor hat auch die Livingroom GmbH nur wenige festangestellte Mitarbeiter, die in der Projektvorphase die Planung und Konzeption der jeweiligen Aufträge organisieren. Lediglich für die direkte Umsetzung der jeweiligen Projekte an den Veranstaltungstagen selber werden größere personelle Kapazitäten benötigt. Diese Tatsache hat die oben beschriebene Arbeitskultur im Unternehmen bestimmt, wobei ich mit der damit verbundenen Verantwortung gut zurecht kam.
3. DER KULTURBETRIEB Kulturelle Einrichtungen und Angebote zu betreiben und zu ermöglichen, ist zunächst einmal eine Aufgabe des Staates. Jahrhundertelang war es der Souverän, der Kultur nicht zur finanzierte und dadurch erst ermöglichte, sondern vielfach auch entschied, was inhaltlich überhaupt gezeigt werden durfte. In der Bundesrepublik war im Gegensatz zur Deutschen Demokratischen Republik Mitte der siebziger Jahre zwar bereits die staatliche Zensur lange beendet, doch wenn über Kultur gesprochen wurde, bezog man sich nach wie vor ausschließlich auf die öffentlichen Kulturangebote1. Dies änderte sich 1
Vgl. Heinrichs (1999), S. 30
5
erst während der achtziger Jahres des vergangenen Jahrhunderts, als mehr und mehr private Kulturanbieter alternative Angebote auf dem Markt etablierten. Mittlerweile kann der Kulturbetrieb in drei große Teile eingeteilt werden 2: -
Die öffentlich-rechtlichen Kulturbetriebe, die staatlich finanziert und betrieben werden, beispielsweise Theater, Museen, Bibliotheken, Musikschulen etc.
-
Die privatrechtlich-gemeinnützigen Kulturbetriebe, die zwar privat betrieben werden, allerdings nicht renditeorientiert arbeiten, beispielsweise kulturelle Vereine oder Stiftungen etc.
-
Die privatrechtlich-kommerziellen Kulturbetriebe, die in privater Hand sind und gewinnorientiert arbeiten, beispielsweise Künstleragenturen, Filmproduzenten und -verleiher, Kinos, Festivalorganisatoren oder Event-Agenturen etc.
In den folgenden Abschnitten möchte ich auf diese drei Bereiche kurz näher eingehen.
3.1 Öffentlich-rechtliche Kulturträger Die öffentliche Hand als Kulturträger umfasst sowohl den Bund, die Länder und die Kommunen (Städte, Gemeinden und Landkreise) als auch öffentlichrechtliche Anstalten und Stiftungen, zu denen die öffentlich-rechtlichen Rundfunk- und Fernsehanstalten genauso zählen wie etwa die Stiftung Preußischen Kulturbesitzes, um nur einige zu nennen.3 Die Ausgaben für Kultur durch diese staatlichen Institutionen sind in den vergangenen Jahren relativ stabil geblieben, obwohl durch die angespannte Haushaltssituation besonders in den Kommunen in der Öffentlichkeit oftmals ein anderer Eindruck entsteht. So wurden 2007 laut statistischem Bundesamt insgesamt 8,5 Milliarden Euro für kulturelle Einrichtungen und Veranstaltungen zur Verfügung gestellt, ein Anstieg von 4,9% im Vergleich zum Vorjahr und 13,3% gegen2
Ebd. S. 31
3
Ebd. S. 38/39
6
über 1995.4 In den Jahren 2008 bis 2010 hat sich dieser Trend dem Anschein nach fortgesetzt, endgültige Zahlen liegen hierzu allerdings noch nicht vor. Zu Kulturausgaben zählen aus Sicht der Kultusministerkonferenz die Ausgaben für Theater, Orchester, Musikpflege, Museen und Ausstellungen, Denkmalschutz, die Verwaltung kultureller Angelegenheiten, Bibliotheken, Erwachsenenbildung und Kunsthochschulen.5 Da staatliche Ausgaben immer einer Rechtsgrundlage bedürfen, finden sich sowohl im Grundgesetz als auch in den jeweiligen Landesverfassungen Artikel, die eine öffentliche Förderung von Kunst, Kultur und Wissenschaft vorschreibt. Allerdings werden weder zu Umfang noch zu Inhalt dieser Förderung detaillierte Vorgaben gemacht, sodass es durchaus ein probates Mittel der Politik ist, in Zeiten von unausgeglichenen Haushalten am ehesten Einsparungen bei den Kulturausgaben vorzunehmen.6 Laut Kulturfinanzbericht 2010 lag der überwiegende Anteil der Kulturausgaben 2007 bei Ländern und Gemeinden (43,0% bzw. 44,4%). 7 Laut Heinrichs ist dies auch durchaus gerechtfertigt, denn öffentliche Kulturarbeit profitiert seiner Ansicht nach gerade von der Bürgernähe, die nur die Kommunen mit ihrer Infrastruktur umsetzen können. Die Länder und der Bund fänden „ihr Tätigkeitsfeld [eher] in überörtlichen Aufgaben und in herausragenden Einrichtungen und Projekten, die von einer einzelnen Kommune nicht getragen werden“8 könnten. Bei der Herangehensweise an die vorhandenen Aufgaben und den Arbeitsmethoden ist dabei seit den neunziger Jahren ein stetiger Wandel in den öffentlichen Kultureinrichtungen zu erkennen. Modernes Projekt- und Kulturmanagement, wie es bei der privaten Konkurrenz erfolgreich praktiziert wurde, ist auch in städtischen Kulturbüros und anderen Einrichtungen mittlerweile gängige Praxis, um einerseits dem verstärkten kommerziellen Angebot an Kultur etwas entgegen zu setzen und andererseits durch 4
Quelle: Statistische Ämter des Bundes und der Länder, Kulturfinanzbericht (2010), S. 14
5
Vgl. Heinrichs (1999), S. 39
6
Ebd. S. 40-42
7
Quelle: Statistische Ämter des Bundes und der Länder, Kulturfinanzbericht (2010), S. 14
8
Zit. Heinrichs (1999), S. 47
7
Effizienzsteigerungen dem stagnierenden Finanzmittelzufluss besser begegnen zu können. Dies erfordert auch neue und besser ausgebildete Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die speziell im Kulturmanagement geschult und ausgebildet wurden, da einfache Verwaltungsangestellte mit der immer komplexer werdenden Organisationstruktur kultureller Veranstaltungen überfordert wären.9 Sind diese personellen Ressourcen allerdings erst einmal vorhanden, kann durch jene Methoden und Techniken aus der Betriebswirtschaftslehre weit mehr mit den vorhandenen Geldern erreicht werden, als auf den ersten Blick anzunehmen wäre. Auf Controlling- und Finanzierungsinstrumente in öffentlichen wie in privaten Kulturbetrieben möchte ich später ausführlicher eingehen.
3.2 Privatrechtlich-gemeinnützige Kulturträger Auch bei privatrechtlich-gemeinnützigen Kulturbetrieben ist es nicht das vorrangige Ziel, Gewinne zu erwirtschaften. Allerdings werden im Unterschied zur öffentlichen Kulturarbeit bei der Umsetzung des Programms keine kulturpolitischen Ziele verfolgt, sondern lediglich Vorgaben realisiert, die der jeweilige Rechtsträger anregt.10 Die Rechtsform kann unterschiedlich gewählt sein, wichtig ist, dass es sich um eine privatrechtliche Form handelt, „der eine Gemeinnützigkeit im Sinne des Steuerrechts zuerkannt werden kann.“ 11 In der Regel werden eingetragene Vereine oder privatrechtliche Stiftungen bevorzugt, die in unterschiedlichsten Bereichen aktiv sein können und die zahlreiche Vorteile bei der dauerhaften Förderung kultureller Ziele bieten. So können kaufmännische Aspekte sowie Eigenständigkeit und Flexibilität verbunden werden mit steuerlichen Vorteilen oder dem Recht, Spenden entgegenzunehmen. Die Anerkennung der Gemeinnützigkeit wird allerdings lau-
9
Vgl. Heinrichs (1999), S. 61/62
10
Ebd., S. 62
11
Zit. Ebd., S. 62
8
fend durch das Finanzamt geprüft und nur nach strengen Kriterien gestattet.12 Vereine und Stiftungen als privatrechtlich-gemeinnützige Kulturträger werden insbesondere von engagierten Bürgern betrieben und erhalten und dienen somit als Bindeglied zwischen den öffentlichen und den privaten Kulturanbietern. Außerdem sind diese Institutionen im lokalen Umfeld zumeist stark verwurzelt und bieten eine echte Bereicherung des regionalen Kulturangebotes.13
3.3 Privatrechtlich-kommerzielle Kulturträger Der privatrechtlich-kommerzielle Kulturbetrieb unterscheidet sich trotz einiger Gemeinsamkeiten maßgeblich vom öffentlichen und privat-gemeinnützigen Kulturbetrieb. Alle drei Organisationsformen müssen war einen effizienten Umgang mit knapp bemessenen finanziellen Ressourcen anstreben, privatrechtlich-kommerzielle Kulturbetriebe müssen allerdings zusätzlich in der Lage sein, dauerhaft eine Rendite zu erwirtschaften. Sie können im Gegensatz zu ihren öffentlichen und gemeinnützigen Konkurrenten nicht auf Steuergelder oder Spenden hoffen, um ihre Kosten zu decken und müssen darüber hinaus immer genügend Geld erwirtschaften, um Rücklagen für Investitionen oder rezessive Zeiträume bilden zu können.14 Dieser Erfolgsdruck hatte allerdings auch positive Effekte, denn der Anreiz bewerte Controlling- und Finanzierungsinstrumente aus anderen Branchen der Privatwirtschaft schon frühzeitig einzusetzen, war entsprechend größer und sorgte für einen spürbaren Wettbewerbsvorteil gegenüber den etablierten öffentlichen Kultureinrichtungen. Daher erscheint es nicht verwunderlich, dass es vermehrt zu sogenannten „Public-Private-Partnerships“ kommt, um vormals öffentliche Kulturbereiche neu aufzustellen und mit privater Unterstützung das finanzielle Risiko für die Haushalte der Städte und Kommunen zu senken. Die Verflechtung 12
Vgl. Ebd., S. 96-99
13
Ebd., S. 63
14
Ebd., S. 66
9
der drei unterschiedlichen Arten von Kulturbetrieben nahm dadurch in den letzten Jahren signifikant zu.15 Die Kulturbranche insgesamt kam 2008 auf einen Umsatz von 131,7 Mrd. Euro, was 2,5% der Gesamtwirtschaftsleistung entspricht.16 Auch wenn diese Zahlen im erweiterten Sinne betrachten werden müssen, das heißt in dieser Statistik beispielsweise auch Verlags- und Rundfunkunternehmen vertreten sind, bleibt trotzdem festzuhalten, dass die Kulturbranche ein beträchtliches Gewicht in der deutschen Volkswirtschaft hat.
4. KULTURBETRIEB IM WANDEL Seit den frühen neunziger Jahren des 20. Jahrhunderts vollzieht sich in Deutschland ein rasanter Wandel in der Kulturlandschaft, insbesondere auf Seiten der Veranstalter und Kulturverantwortlichen, jedoch auch auf der Nachfrageseite ausgehend von den Kunden. Werner Heinrichs, Professor für Kulturwissenschaft und Kulturmanagement an der Pädagogischen Hochschule Ludwigsburg und Leiter des dortigen Studiengangs Kulturmanagement17, sprach diesbezüglich schon 1997 von „eine[r] Dynamik in den Zielsetzungen, Rechts- und Organisationsformen sowie in der Finanzierung von Kulturanbietern, wie man sie sich vor zehn Jahren noch kaum [hätte] vorstellen […][können].“18 Dabei ist vor allem die jahrzehntelange Monopolstellung der Öffentlichen Hand stark unter Druck geraten und die traditionellen Anbieter sehen sich einer immer breiter aufgestellteren und komplexer auftretenden privaten Konkurrenz gegenüber. Wie dabei die Entwicklung im Detail aussah und in den kommenden Jahren aussehen könnte, möchte ich in den folgenden Abschnitten näher untersuchen. Das Hauptaugenmerk soll dabei auf dem Event-Bereich liegen.
15
Ebd., S. 69-72
16
Quelle: Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie (BMWi), Forschungsbericht Nr. 577 (2009), S. 5 17
Vgl. Heinrichs [Hrsg.](1997), S. 204
18
Zit. Heinrichs, in Heinrichs [Hrsg.](1997), S. 15
10
4.1 Mögliche Konzeption von erfolgreichen Veranstaltungen Wie die Kulturlandschaft insgesamt verändern sich auch einzelne Bereiche mehr oder minder stark mit der Zeit. Die Veranstaltungsbranche unterliegt diesem Wandel in besonderer Weise, denn in der heutigen Erlebnisgesellschaft wird es immer schwieriger, mit einem Konzept über Jahre hinweg erfolgreich zu sein, ohne dies nicht ständig quasi neu erfinden zu müssen. Parallel zur steigenden Komplexität und Schnelllebigkeit des Arbeitsalltages verdichten sich die Möglichkeiten, die sich dem Konsumenten in der Freizeitgestaltung bieten. Dies äußert sich in der Frequenz und Intensität der Angebote und im Nachfrageverhalten der Kunden. Verschiedene Erlebnisse überlagern sich, die Anzahl der besuchten Events wird größer und die Zeit zwischen den einzelnen Veranstaltungen kürzer, unterschiedlichste Medien werden zeitgleich eingesetzt und auch die räumliche Bindung zwischen Anbieter und Nachfrager ist nicht länger von übergeordneter Bedeutung.19 Nach Gerhard Schulze gibt es auf dem Erlebnismarkt „keinen endogenen Mechanismus […], der [eine] Stagnation oder Reduktion [des Tauschvolumens] auslösen würde.“ Folglich „liegt es in der Rationalität beider Akteure auf dem Erlebnismarkt, das Tauschvolumen fortgesetzt zu steigern.“20 Durch die rasante Weiterentwicklung des Internets hat sich die von Schulze angesprochene Entwicklung weiter beschleunigt. Allerdings sind Zweifel am ungebremsten expansiven Charakter der Veranstaltungsbranche angebracht und es sind erste Anzeichen zu erkennen, dass das Überangebot eine Gegenbewegung verursacht, hin zu regionalen, kleineren Veranstaltungen. Die direkte und indirekte Partizipation der Gäste auf der Veranstaltung selbst und im Vorfeld wird wichtiger und durch die schnelle Verbreitung des mobilen Internets zunehmend einfacher. Auch die Schaffung nachhaltiger Strukturen ist angesichts teurer werdender Ressourcen, wie beispielsweise Strom, und vor dem Hintergrund des Klimawandels eine Herausforderung, der sich insbesondere die großen Festival- und Konzertveranstalter zu stellen haben. Diese Aspekte spielen allerdings nicht nur aus Kostengründen eine wichtige 19
Vgl. Schulze (1996), S. 445/446
20
Zit. Schulze (1996), S. 446
11
Rolle, sondern dienen auch der Profilbildung und der Spezialisierung auf einem Markt, der kaum noch in seiner Gesamtheit zu überschauen ist. Wie sich Kultur- und Musikevents in Zukunft entwickeln könnten und welche Einflüsse und Stakeholder dabei eine Rolle spielen, möchte ich anhand von drei Bereichen verdeutlichen, auf die ich im Folgenden näher eingehen werde.
4.1.1 Partizipation der Kunden Musik- und Kulturveranstaltungen erzeugen, wie alle anderen Kulturgüter auch, ein Publikum. Konsumenten also, die den Auftritt einer bestimmten Band erleben oder sich Werke eines angesehenen Künstlers anschauen möchten. Es entsteht für einen begrenzten Zeitraum ein Personenkollektiv, „das durch den gleichzeitigen Konsum eines bestimmten Erlebnisangebotes abgegrenzt ist.“21 Dabei entsteht nicht nur eine kommunikative, emotionale Bindung zwischen Anbieter (Künstler und Veranstalter) und Nachfrager (Publikum), sondern auch innerhalb des abgegrenzten Personenkollektivs, des Publikums. Kulturelle Events, insbesondere mehrtägige Musikfestivals, könnten in gewisser Weise als „soziale Experimente“22 angesehen werden, sagt Jacob Bilabel vom Think-Do-Tank „Thema1“23. „Es geht darum ein Zugehörigkeitsgefühl zu entfachen, quasi für eine kurze Zeit einen Parallelkosmos zu erschaffen, in dem Experimente möglich sind, die in dieser Intensität im Alltag nicht erlebbar wären. Das kann viele Bereiche betreffen, nicht nur das Kulturangebot selbst, sondern Erfahrungen mit Alkohol und Drogen, Sex oder den verbalen Austausch mit gleichgesinnten Personen. Das Publikum konsumiert zwar einerseits die Musik und das Kulturangebot, erschafft aber 21
Ebd., S. 460
22
Zit. Bilabel, Quelle: Interview mit Jacob Bilabel am 14.09.2011 in Berlin
23
Jacob Bilabel ist Gründer und Geschäftsführer von Thema1. Die Firma mit Sitz in Berlin unterstützt mit eigenen Initiativen und Projekten Schritte hin zu einer nachhaltigen Gesellschaft. Schwerpunkte dabei sind u.a. die Bereiche Konsum und Unterhaltung. Mit Hilfe der von Thema1 geschaffenen Plattformen soll ein Dialog zwischen unterschiedlichsten gesellschaftlichen Akteuren gefördert werden, um konkrete Maßnahmen und Ideen unkompliziert umzusetzen.
12
gleichzeitig durch seine Partizipation den Anreiz, der eine solche Veranstaltung überhaupt so anziehend macht.“24 Partizipation ist zwangsläufig bei jeder Veranstaltung gegeben, sie entsteht quasi von selbst durch das Interesse des Publikums. Allerdings gibt es Unterschiede in der Intensität dieser Partizipation und somit auch in der daraus resultierenden emotionalen Bindung des Publikums an eine jeweilige Veranstaltung. Dieses „Zusammenströmen und Auseinanderlaufen von Menschen“ bleibt sozial nicht folgenlos, denn „das Entstehen und Zerfallen von Publika“ ist ebenso wie andere innergesellschaftliche Prozesse „in übergreifende Strukturen eingebettet.“25 Schulze definiert dies in Hinblick auf die sich zueinander abgrenzenden Veranstaltungsangebote als „Szene“: „[…] ein Netzwerk von Publika, das aus drei Arten der Ähnlichkeit entsteht: partielle Identität von Personen, von Orten und von Inhalten. Eine Szene hat ihr Stammpublikum, ihre festen Lokalitäten und ihr typisches Erlebnisangebot.“ 26 Für eine dauerhaft erfolgreiche Bindung der eigenen Zielgruppe ist der Erhalt und die Abgrenzung einer solchen Community zur Massenbewegung von hoher Bedeutung. Dies kann auch durch eine verstärkte Partizipation der Gäste geschehen, die über jene normale Teilhabe als Besucher hinaus geht. Besonders privatrechtlich-gemeinnützige Veranstalter wie das „Roskilde Festival“ in Dänemark, die „Fusion“ oder auch das „lunatic Festival“ bieten beispielsweise freien Eintritt für jeden, der sich bereit erklärt, ehrenamtlich während der Veranstaltung für einige Stunden zu helfen. Damit geht die Partizipation noch ein gutes Stück weiter, der Nachfrager wird in gewisser Weise selbst Anbieter. Neben ganz rationalen Beweggründen, wie Kosteneinsparungen im Personalbereich, verfolgen die Veranstalter damit auch ein emotionales Ziel: Wer selbst am Entstehungsprozess und der Durchführung einer Veranstaltung beteiligt ist, hat eine deutlich engere Bindung zu dem Produkt, da er es selbst mit geschaffen hat. Dieser All-Profit-Gedanke ist gerade auch
24
Zit. Bilabel, Quelle: Interview mit Jacob Bilabel am 14.09.2011 in Berlin
25
Vgl. Schulze (1996), S. 463
26
Zit. Schulze (1996), S. 463
13
für kleine, regionale Veranstaltungen ein sinnvoller Ansatz, um Kosteneffizienz einerseits und Kundenbindung andererseits zu gewährleisten.
4.1.2 Nachhaltigkeit im Kulturbetrieb Nachhaltigkeit ist ein weitverzweigter Begriff, der sich in vielerlei Hinsicht auf Umweltaspekte bezieht, allerdings auch soziale und kulturelle Bereiche betrifft. Wenn in der Öffentlichkeit über Nachhaltigkeit diskutiert wird, stehen oft Fachdebatten und technische Lösungen aus industriellen Branchen oder der Energiegewinnung im Fokus. Die Rolle der Kultur spielt dabei allenfalls eine untergeordnete Rolle. Hildegard Kurt und Bernd Wagner, Herausgeber der Sammelschrift „Kultur – Kunst – Nachhaltigkeit“ hingegen „[er]scheint inzwischen die Zeit reif, sehr ernsthaft darüber zu diskutieren, welche Bedeutung auch und gerade das kreative, das ästhetische und das künstlerische Gestaltungswissen bei der Suche nach einer zukunftsfähigen Moderne hat und haben könnte.“27 Dies ist in zweierlei Hinsicht durchaus zutreffend. Zum einen hätte ein zunehmender Klimawandel auch direkte Auswirkungen auf kulturelle Veranstaltungen, insbesondere Großveranstaltungen, die unter freiem Himmel stattfinden wie beispielsweise Musikfestivals. Durch die erhöhte Gefahr von schweren Unwettern steigen nicht nur die fällig werdenden Versicherungsprämien, sondern die Veranstaltungskonzepte als Ganzes können in Gefahr geraten. Ein trauriges Beispiel ist das „Pukkelpop Festival“ im belgischen Hasselt, das vor einem guten Monat von einem schweren Unwetter verwüstet wurde, bei dem fünf Menschen starben. Sollte die Frequenz und Intensität solcher Unwetter tatsächlich in Deutschland, wie von vielen Wissenschaftlern prognostiziert, zunehmen, könnte das weitreichende Folgen für den deutschen Festivalmarkt haben. Das zweite Argument, das neben den realen Gefahren eines beginnenden Klimawandels angeführt wird, ist die moralische und emotionale Komponen-
27
Zit. Kurt, Wagner (Hrsg.), S. 13
14
te. Kultur ist in der Regel ein Teil der Freizeitgestaltung, es sind angenehme Erlebnisse, zu denen sich Menschen ungezwungen entscheiden. Kultur sei dementsprechend „ein gewichtiger Teil des Lebensstiles einer Gesellschaft und ist imstande, diesen zu prägen“28, sagt Thore Debor, unter anderem Mitbegründer des „lunatic Festivals“ und anderer Kultureinrichtungen in Lüneburg29. Ziel sollte es also sein, die herausragende Stellung von kulturellen Veranstaltungen und Institutionen innerhalb des gesellschaftlichen Lebens zu nutzen, um auf einen nachhaltigen Wandel des menschlichen Zusammenlebens insgesamt hinzuwirken.30 Da es sich dabei zweifellos um „komplexe Veränderungsprozesse“ handele, müsse zuerst einmal „ein Dialog zwischen Wirtschaft, Politik und Bevölkerung entstehen, der die unterschiedlichen Interessen und Kompetenzen miteinander verknüpft“31, so Bilabel. Diese Zielsetzung verfolgt er beispielsweise mit dem Green Music Dinner, einem Zusammentreffen von Akteuren aus der Veranstaltungsindustrie und anderen relevanten Bereichen, das nicht nur den verbalen Austausch ermöglichen, sondern auch ganz konkrete Projekte an den Start bringen soll. Ziel dieser Maßnahmen ist es nicht nur unnötige Emissionen und Abfälle zu vermeiden, sondern bei den Kunden und Gästen ein Bewusstsein für die Erfordernis einer nachhaltigen Entwicklung zu schaffen. Und es können dabei schon einige kleine Fortschritte verzeichnet werden. Viele Veranstalter beteiligen sich mittlerweile an einfach umzusetzenden Maßnahme wie beispielsweise der Einführung eines Müllpfandes auf den Festivalcampingplätzen, der Reduzierung der Druckerzeugnisse bzw. einer Umstellung auf Recyclingpapier oder dem Kauf von CO²-Ausgleichszertifikaten für die entstandenen Emissionen. Diese 28
Zit. Debor, Quelle: Interview mit Thore Debor am 03.09.2011 in Lüneburg
29
Thore Debor ist derzeit unter anderem als Gesellschafter der Hausbar und des Salon Hansens sowie des gerade eröffneten Freiraum in der Lüneburger Kulturwirtschaft aktiv. Darüber hinaus arbeitet er in Hamburg bei der Pferdestall Kultur GmbH und als Lehrbeauftragter an der Leuphana Universität Lüneburg. Durch seine verschiedenen Tätigkeiten konnte er viele Erfahrungen im Kulturbetrieb sammeln und versucht, dort wo es möglich ist, nachhaltige Strukturen zu etablieren. Dabei berät er neben seinen bereits aufgeführten Tätigkeiten auch andere Kulturschaffende mit seiner Firma Zündwerke. 30
Vgl. Debor, Quelle: Interview mit Thore Debor am 03.09.2011 in Lüneburg
31
Zit. Bilabel, Quelle: Interview mit Jacob Bilabel am 14.09.2011 in Berlin
15
Erfolge sollten aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass ein Großteil der Branche weiterhin ohne erkennbare Ambitionen in diesem Bereich agiert. „Ein wirklich ernsthaftes Engagement ist allenfalls bei fünf Prozent der Veranstaltungsbetriebe erkennbar“32, schätzt Debor. Diese Minderheit hätte erkannt, welch großen Einfluss Kultur auf den Lebensstil der Menschen hat und würde Nachhaltigkeit als langfristigen Prozess begreifen und nicht als kurzfristige PR-Maßnahme. Bei weiteren zehn Prozent seien zwar Fortschritte erkennbar, allerdings müsse man diese eher in die Marketingkategorie einordnen, da bei dieser Gruppe von Veranstaltern noch die Überzeugung fehle, dass Nachhaltigkeit nicht nur dem Selbstzweck dient.33 Ähnlich sieht auch Jacob Bilabel den Markt: „Es wird einige innovative Entrepreneure geben, die Interesse am Fortschritt haben und ihre Kraft und Kreativität in neue Ideen investieren. Die Unternehmen werden dann in einigen Jahren einen Wettbewerbsvorteil haben, denn der Entwicklung insgesamt wird man sich irgendwann nicht mehr entziehen können.“34 Dabei ist es auch von Vorteil, dass „Greenwashing“ in der Veranstaltungsbranche nur schwer möglich ist. „Niemand geht auf ein Festival, auf dem ausschließlich schlechte Bands auftreten, nur mit der Begründung, dass dieses Festival nachhaltig organisiert wird. Die Musik wird durchaus weiterhin im Mittelpunkt stehen. Nachhaltiges Handeln hat eher einen Ad-On-Charakter. Ein Festival also, was schon durch ein gutes Angebot an Musik und Kultur überzeugt, wird durch nachhaltige Strukturen noch besser und anziehender in Zukunft sein. Darin muss der Reiz für die Veranstalter liegen.“35
32
Zit. Debor, Quelle: Interview mit Thore Debor am 03.09.2011 in Lüneburg
33
Vgl. Debor, Quelle: Interview mit Thore Debor am 03.09.2011 in Lüneburg
34
Zit. Bilabel, Quelle: Interview mit Jacob Bilabel am 14.09.2011 in Berlin
35
Ebd.
16
4.1.3 Spezialisierung/Regionalisierung Auf einem immer breiteren und fragmentäreren Markt werden die Veranstalter und Unternehmen gezwungen, sich zu spezialisieren, um das eigene Profil zu schärfen und sich von der Vielzahl von Wettbewerbern für den Kunden erkennbar abzugrenzen. Dies kann einerseits durch die Fokussierung auf ein bestimmtes Musik- oder Kunstgenre geschehen oder mit einer starken regionalen Einbettung und der Hervorhebung von gewissen Vorzügen bzw. Besonderheiten gelingen. Große Festivals mit überregionalem Einzugsgebiet beschränken sich in der Regel auf bestimmte Musikgenres und sprechen damit nur eine bestimmte Zielgruppe an oder richten das Line Up alternativ so kommerziell aus, dass sie damit ein breites Publikum ansprechen („Wacken Open Air“ vs. „Rock am Ring“). Für kleinere Festivals kommt beides nicht in Frage, da das Geld für bekannte Bands und große Bühnen fehlt. Es müssen also andere Schwerpunkte bei der Kommunikation und beim Inhalt gesetzt werden, um ein festes Stammpublikum zu generieren. Ein fester Stamm an Gästen ist auch aus finanzieller Sicht für kleinere Kulturanbieter von großer Bedeutung, denn die Eintrittsgelder machen in der Regel einen Großteil der Einnahmen aus, da keine Großsponsoren gewonnen werden können.36 „Regionale Kulturanbieter sind viel eher dazu angehalten, sich mit den Unternehmen vor Ort eng zu verzahnen. Das bringt allen Beteiligten Vorteile, denn auch die lokale Wirtschaft profitiert dann verstärkt von der Wertschöpfung, die durch ein solches Kulturevent entsteht,“37 erläutert Debor. Auf diese Weise können nicht nur Engpässe bei der Finanzierung überwunden werden, sondern auch Akzeptanzprobleme bei der örtlichen Bevölkerung oder in der Verwaltung. Negativaspekte wie beispielsweise die Lärmbelästigung der Anwohner fallen dann weniger ins Gewicht, wenn für die Öffentlichkeit erkennbar ist, dass die Region als Ganzes von der Veranstaltung profitiert.
36
Vgl. Bilabel, Quelle: Interview mit Jacob Bilabel am 14.09.2011 in Berlin
37
Zit. Debor, Quelle: Interview mit Thore Debor am 03.09.2011 in Lüneburg
17
Neben dem regionalen Fokus können Kulturanbieter auch inhaltliche Schwerpunkte setzen, die ohne große finanzielle Aufwendungen umgesetzt werden können. Themen wie Kunst, die Entdeckung neuer Bands oder Geländegestaltung bieten viel Freiraum, um einen eigenen Charakter zu entwickeln und die Einzigartigkeit hervorzuheben. Dies kann soweit führen, dass wie bei der „Fusion“ die Bands vorab gar nicht veröffentlicht werden und trotzdem im Vorfeld schon ein Ausverkauf aller Tickets erreicht wird, weil die Besucher vom Konzept überzeugt sind und nicht wegen großer Bandnamen anreisen. Um eine solche Position zu erreichen, bedarf es allerdings einer langfristigen Strategie und der Geduld, diese auch nach Misserfolgen weiter umzusetzen, denn es dauert zumeist Jahre, bis sich die angestrebte Identität der Veranstaltung beim Gast eingeprägt hat.
4.2 Finanzierung und Controlling Zusätzlich zu den bereits angesprochenen Inhalten einer Kulturveranstaltung spielt wie in allen Bereichen der öffentlichen wie privaten Wirtschaft die Finanzierung und die Kontrolle über die Mittelverwendung eine zentrale Rolle. Aufgrund des Umfanges der Thematik soll in den beiden folgenden Absätzen schwerpunktmäßig ein Überblick zu der Kulturfinanzierung im privatwirtschaftlichen Bereich gegeben werden.
4.2.1 Finanzierungsmöglichkeiten für Kulturbetriebe Der Staat war und ist für die Finanzierung von Kultur von großer Bedeutung. Zum Einen tritt er als Auftraggeber in Erscheinung und verschafft privaten Kulturunternehmen somit eine Geschäftsgrundlage. Zum Anderen ist er aber auch selbst Kulturunternehmer und darüber hinaus Förderer kultureller Arbeit.38 Allerdings nehmen die rein privatwirtschaftlich finanzierten Kulturangebote seit Jahren zu, öffentliche Einrichtungen ziehen sich teilweise zurück oder konzentrieren sich auf die bestehenden Institutionen, ohne eine weitere 38
Vgl. Bendixen (1995), S. 13 ff.
18
Expansion auf dem Kulturmarkt insgesamt anzustreben. Dies führt dazu, dass sich auch die Finanzierungsmöglichkeiten und die Geldströme ändern. Die finanziellen Mittel von privaten Investoren gewinnen dabei an Bedeutung, privates Kultursponsoring also, aber auch eine erhöhte Ausgabendisziplin und die bereits thematisierte inhaltliche Strategie. Sponsoren müssen nicht immer zwangsläufig aus der Veranstaltungs- oder Gastronomiebranche kommen, wie beispielsweise die großen Brauereien, die zu den bedeutendsten Geldgebern im Konzert- und Veranstaltungsbereich zählen. Auch große Konzerne aus anderen Branchen investieren oft einen Teil des Gewinns in die Förderung kultureller Angebote, um ihren Ehrgeiz zu unterstreichen, sich für gesamtgesellschaftliche Belange einzusetzen.39 Sponsoring erfordert immer auch eine Gegenleistung seitens des Kulturbetriebes in Form von Werbefläche bzw. durch die Nennung des Sponsors vor und während der Veranstaltung. Dem gegenüber gestellt ist die Generierung von Spenden, sprich die Bereitstellung von finanziellen Mitteln ohne entsprechende Gegenleistung. Hier spricht der Volksmund von Mäzenen, Organisationen oder wohlhabende Privatpersonen, die entweder aus Selbstlosigkeit und aus Gründen des gewonnenen Prestiges oder beispielsweise aufgrund der „Absetzbarkeit der Fördersumme von der Einkommenssteuer“ 40 Kulturprojekte mit eigenen Mitteln unterstützen. Im angelsächsischen Raum ist die Abhängigkeit von solchen Spendern weitaus größer, nicht nur im Kulturbereich, sondern auch im Bildungs- und Gesundheitssystem und in der Parteienfinanzierung. Hier entstand auch das sogenannte „Fundraising“, was „das professionelle, systematische, in ein Marketingkonzept eingebundene Einwerben von Spenden bezeichnet.“41 Diese Vorgehensweise ist ein Produkt des Marketings, die den potenziellen Spender zum „Kunden“ werden lässt, der von den jeweils begünstigten Einrichtungen möglichst aktiv und langfristig gebunden werden soll. In dem so geschaffenen „Förderpool“ können sich die Spender über einen längeren Zeitraum finanziell an dem Projekt beteili39
Vgl. Gottschalk (2006), S. 136-140
40
Zit. Gottschalk (2006), S. 139/140
41
Ebd., S. 140
19
gen, ohne allerdings Mitspracherechte oder Vermarktungsmöglichkeiten dafür zu bekommen. „Fundraising und den Aufbau eines Förderpools kann man sehr gut mit der bereits angesprochenen Einbindung einer Kulturveranstaltung in die regionale Wirtschaft verbinden. Dabei geht es nicht nur um die Generierung von Geldspenden, sondern auch um Sachspenden. Auf diese Weise können beachtliche Kosteneinsparungen realisiert werden.“42 Nach Ansicht vieler Beobachter ist das Potenzial für eine Steigerung der Einnahmeseite nur noch sehr begrenzt vorhanden. „Große Veranstaltungen mit überregionalem Einzugsgebiet werden auch in Zukunft Zugang zu liquiden Sponsoren haben. Viele kleinere und mittlere Kulturveranstaltungen werden hingegen Probleme bei der Finanzierung bekommen, da hier die Eintrittsgelder der mit Abstand größte Einnahmeposten sind“43, erläutert Bilabel. Ein schwaches Jahr, beispielsweise aufgrund von schlechtem Wetter, kann auf diese Weise die Existenz einer ganzen Veranstaltung gefährden. Der Fokus müsse daher eher auf dem Ausgabenbereich liegen, meint Thore Debor. „Ich denke gerade beim Booking, aber auch bei den Ausgaben für Bühnentechnik und Infrastruktur kann durchaus gespart werden, auch wenn dies zur Folge hat, dass die Veranstaltung vielleicht etwas kleiner ausfällt. Aber das muss nicht unbedingt ein Nachteil sein.“44 Verbunden mit einer klaren inhaltlichen Ausrichtung kann sich eine Rückbesinnung auf die Region und eine damit verbundene Ausgabenkürzung, wie bereits dargelegt, durchaus zu einer Stärke entwickeln.
4.2.2 Controlling im Kulturbetrieb Kontrolle und Planung ist für jeden wirtschaftenden Betrieb von zentraler Bedeutung, das gilt natürlich auch für den Kulturbereich, sei er nun staatlich oder privat organisiert. In öffentlichen Einrichtung ist dies aufgrund der Finanzierung, die in den Haushaltsplänen der jeweiligen Kommune oder Ge42
Zit. Debor, Quelle: Interview mit Thore Debor am 03.09.2011 in Lüneburg
43
Zit. Bilabel, Quelle: Interview mit Jacob Bilabel am 14.09.2011 in Berlin
44
Zit. Debor, Quelle: Interview mit Thore Debor am 03.09.2011 in Lüneburg
20
meinde festgelegt ist, nur schwer umsetzbar. Lange Zeit war zudem dieser Zufluss an Geldmitteln konstant und die Motivation, eine Kostenplanung und -kontrolle einzuführen, dementsprechend gering. Erst mit der Zunahme von privatwirtschaftlichen Kulturbetrieben und der Einschränkung öffentlicher Mittel wuchs die Einsicht, dass auch öffentliche Kultureinrichtungen über effektive Managementinstrumente verfügen müssen. Allerdings ist dies nicht nur im Bereich der Finanzplanung und der Kostenkontrolle sinnvoll, sondern auch bei der Aufgaben- und Ablaufplanung. Da gerade im Veranstaltungsbereich hauptsächlich projektbezogen gearbeitet wird und die Fluktuation der Mitarbeiter dementsprechend hoch ist, muss durch ein gutes Informationssystem gewährleistet sein, dass Aufgaben klar definiert werden können, die Kontakte zu Künstlern oder Sponsoren gepflegt werden und die komplexen Koordinationsprozesse während einer Veranstaltung reibungslos funktionieren. 45 Die Kontrolle bezieht sich also nicht nur auf die Nachbereitung einer Veranstaltung („Feedback-Kontrolle“), sondern wird schon im Vorfeld angewendet, um etwaige Planungs- und Informationsdefizite beseitigen zu können. Diese sogenannte „Feedforward-Kontrolle“ kann beispielsweise konkret dafür eingesetzt werden, um das geplante Künstlerbooking zu hinterfragen. Dies geschieht, indem eingeschätzt wird, ob die einkalkulierten Besucherzahlen, die gleichzeitig die Basis für die Kalkulation der Einnahmen sind, mit den vorhandenen Bands überhaupt zu erreichen sind. Erscheint dies fragwürdig, müssen Kontakte zu Booking-Agenturen und -Agenten hergestellt werden, die eine Nachjustierung vornehmen. 46 Controlling ist somit nicht nur als Ergebniskontrolle sondern auch als Verfahrenskontrolle zu bewerten. „Die Moderne Managementlehre vermeidet es [bewusst], die Kontrolle an das Ende eines Prozesses zu stellen,“47 stellt Heinrichs hierzu fest. Stattdessen würde eine engere Verbindung von Planung und Kontrolle angestrebt. Auf diese Weise wird eine gezielte Steuerung des Betriebes überhaupt erst möglich, und zwar nicht allein durch den Manager oder die Führung einer Institution,
45
Vgl. Heinrichs (1999), S. 148
46
Ebd., S. 148
47
Zit. Heinrichs (1999), S. 146/147
21
sondern auch durch das nachgeordnete Personal. Denn „solange niemand im Betrieb diese Controllinginstrumente anwendet, nützt auch der beste Controller nichts,“48 hält Heinrichs treffend fest. Zu diesen Instrumenten gehören unter anderem ein differenziertes Rechnungswesen, Kennzahlensysteme, eine Portfolio- ebenso wie eine Stärken-Schwächen-Analyse oder eine leistungsfähige Ablaufplanung.49 Ohne den Einsatz dieser Managementwerkzeuge ist die effiziente, wirtschaftliche Arbeit in einem Betrieb schlicht nicht umsetzbar. Hier haben insbesondere öffentliche Betriebe noch Nachholbedarf und daraus resultierend derzeit oft einen Wettbewerbsnachteil gegenüber der privaten Konkurrenz.
5. FAZIT Es ist deutlich geworden, dass die Kulturbranche einen besonderer Wirtschaftszweig in Deutschland darstellt, da anders als in anderen Bereich der Staat nach wie vor eine dominante Rolle spielt. Es hat sich allerdings auch gezeigt, dass der Markt zunehmend von privaten Anbietern geprägt wird, zumal die allermeisten Innovationen von privater Seite kommen. Das Ergebnis ist ein tiefgreifender Wandel und eine Ausdifferenzierung des Marktes. Die Akteure sind nicht nur gezwungen, sich inhaltlich von der Konkurrenz abzusetzen, sondern müssen auch Mittel und Wege finden, um den komplexer werdenden Arbeitsabläufen und den limitierten finanziellen Ressourcen zu begegnen. Es wird sich zeigen, ob dabei das expansive Wachstum fortgesetzt werden kann und immer größere Veranstaltungen und Unternehmen entstehen, oder ob, von einigen Ausnahmen abgesehen, eher das Gegenteil passieren wird und eine Vielzahl von kleinen und spezialisierten Anbietern das Kulturangebot prägen wird. Am ehesten wahrscheinlich ist wohl eine Kombination aus beiden genannten Extremen, wobei diejenigen Kulturbetriebe die Nase vorne haben werden, die frühzeitig das Potenzial neuer Ideen erkennen. 48
Ebd., S. 147
49
Vgl. Heinrichs (1999), S. 149
22
6. LITERATURVERZEICHNIS Prof. Dr. Bendixen, P. / Dipl.-Sozialökonomin Laleli-Bendixen, P. (1995); Kulturmanagement – Kulturfinanzierung; FernUniversität – Gesamthochschule in Hagen, Hagen Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie [Hrsg.](2009); Gesamtwirtschaftliche Perspektiven der Kultur- und Kreativwirtschaft in Deutschland – Kurzfassung eines Forschungsgutachtens im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie; PRpetuum GmbH, München Gottschalk, I. (2006/1. Auflage); Kulturökonomik – Probleme, Fragestellungen und Antworten; VS Verlag für Sozialwissenschaften / GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden Heinrichs, W.; Die Karten werden neu gemischt! – Strategische Skizzen zum Wandel im Kulturbetrieb; In Heinrichs, W. [Hrsg.] (1997/1. Auflage); Macht Kultur Gewinn? – Kulturbetrieb zwischen Nutzen und Profit; Nomos-Verl.Ges., Baden-Baden Heinrichs, W. (1999/2. Auflage); Kulturmanagement – Eine praxisorientierte Einführung; Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt Kurt, H. / Wagener, B. [Hrsg.] (2002); Kultur, Kunst, Nachhaltigkeit – Die Bedeutung von Kultur für das Leitbild Nachhaltige Entwicklung; Kulturpolitische Gesellschaft e.V., Bonn Schulze, G. (1996/6. Auflage); Die Erlebnis-Gesellschaft: Kultursoziologie der Gegenwart; Campus Verlag, New York Statistische Ämter des Bundes und der Länder [Hrsg.](2010); Kulturfinanzbericht 2010; Statistisches Bundesamt, Wiesbaden