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TITEL Dua Lipa Zurück in die Zukunft

Die britische Sängerin mit kosovarischen Wurzeln ist gerade mal beim zweiten Album angelangt und schon jetzt eine der erfolgreichsten Künstlerinnen der Welt. „Future

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Harry Potter und das verNostalgia“ und die Arena-Tour dazu werden wunschene Kind diese Entwicklung eher noch vorantreiben.

Wir sprachen mit Dua Lipa, die trotz Weltruhm, Celebrity-Status und riesigen LiveShows ganz genau weiß, wo sie hin will, wo sie herkommt und was sie erreichen will.

Text und Interview: Daniel Koch

lle paar Jahre gibt es Popsongs, die eine Karriere auf immer und ewig verändern. „New Rules“ von Dua Lipa war so einer. Die Single, die 2017 erschien, war nicht nur ein verdammter Ohrwurm, sie war auch eine Break-up-Hymne, wie man sie in den Charts A viel zu selten hört. Kein Nachweinen, das den abtrünnigen Lover verklärt, sondern ein kämpferisches Loslassen. Dua singt darin die neuen Regeln, die sie sich ver- ordnet hat, um von ihm loszukommen: „One: Don‘t pick up the phone / You know he‘s only callin‘ ‚cause he‘s drunk and alone. Two: Don‘t let him in / You‘ll have to kick him out again. Three: Don‘t be his friend / You know you‘re gonna wake up in his bed in the morning / And if you‘re under him, you ain‘t gettin‘ over him / I got new rules, I count ‚em.“ Der Videoclip dazu trägt eine Mitschuld am Erfolg: Darin sieht man Dua im Kreise ihrer Freundinnen, die ihr jedes Mal zur Seite stehen, wenn sie ihrem Lover doch nachweinen oder ihn gar anrufen möchte. In einer starken Choreographie durchlebt sie diesen Struggle – und weiß am Ende: Mit meiner Girlgang und mir selbst bin ich besser dran. Das Video steht gerade bei YouTube bei sensationellen zwei Milliarden Streams.

PROPS FÜR MOLOKO

Man könnte also meinen, dass ein ge- wisser Druck auf den Schultern dieser Frau lastet, die seit ihrem 15. Lebensjahr hart an ihrer Karriere gearbeitet hat. Aber das Gegenteil scheint der Fall: Wer Dua Lipa bei Instagram folgt, sieht wie sie Videos dreht, eine Modekollektion für Pepe Jeans an den Start bringt, Mardi Gras in Sydney feiert, zahlreiche FotoShootings absolviert und immer noch einen Moment findet, in die Kamera zu strahlen. Als sie sich für ein Telefonat mit uns Zeit nimmt, ist sie gerade beim Presse-Stopp in London und freut sich hörbar darauf, dass „Future Nostalgia“, ihr zweites Album, Anfang April endlich erscheinen wird.

Bevor wir anfangen: Gestern sprach ich für unser Magazin mit der jungen Künstlerin Mathea. Als ich sie fragte, ob sie jemand inspiriert habe, Musik zu machen und eine Karriere zu starten, sagte sie uns, du und dein Video zu „New Rules“ hätten das

ausgelöst. Oh, danke. Das ist ja wun- dervoll! Es fühlt sich sehr besonders an, so was zu hören. Andere Menschen zu inspirieren, ihre eigene Musik zu machen – das ist mehr als ich mir jemals erhofft habe. Ich hatte in meiner Kindheit und Jugend ebenfalls ein paar Künstlerinnen als Vorbild, die mir zeigten, dass auch ich es schaffen kann. Jetzt selbst eines zu sein … Wow.

Dein selbst betiteltes Debüt Album hatte mit „New Rules“, „IDGAF“ und „Hotter Than Hell“ einige Hits, aber die Songs stammten aus vielen ver- schiedenen Studiophasen – und das konnte man der Produktion manch- mal anhören. Es funktionierte mehr wie ein Mixtape für mich. „Future Nostalgia“ wiederum scheint eine Art Sound-DNA in sich zu tragen, die sich durch jeden Song zieht. Sei es in der Art, wie der Bass klingt oder wie diese Keyboardflächen schillern.

War das deine Intention? Ja. Das war der Plan. Es sollte in sich geschlossen sein, mit einem roten Faden, der sich durch das gesamte Album zieht - und das ist die Musik, die mich in meiner Kindheit inspiriert hat. Ich habe ver- sucht, diesen Sound mit einer sehr zeit- gemäßen Produktion zu vermischen, die schon mit einem Bein in der Zukunft steht. Diese Verbindung steckt hinter dem Titel „Future Nostalgia“.

Ich höre da viele Disco-Elemente raus, allerdings auch TripHop und 80s-Pop. Waren das die Einflüsse aus der Kindheit, auf die du anspielst?

Für dieses Album habe ich im Vorfeld viel Moloko, Jamiroquai, Prince und Blondie gehört. Das waren die Künst- lerinnen und Künstler, die meine Eltern immer zuhause gehört haben und die meine Begeisterung für Popmusik ge- weckt haben.

Ich liebe es sehr, dass du in vielen Interviews Moloko namedroppst. Ich hoffe drauf, dass jetzt alle Kids, die sie noch nicht kannten, „Time Is Now“ und „Sing It Back“ für sich

entdecken … Yeah. Ich liebe diese Band. Sängerin Róisín Murphy ist eine Heldin für mich.

Ein Teil deines Lebens besteht darin, dass du auf all diesen großen Award-Verleihungen wie den BRIT Awards oder den Grammys zuge- gen bist. Hast du da mal eine der Heldinnen oder einen Held deiner Jugend getroffen? Gibt es also wen, wo selbst eine Dua Lipa noch star-

struck ist? Bei Pink ist mir das passiert. Ich traf sie bei den BRITs im letzten Jahr. Sie war mein Idol als ich groß wurde. Ihre Karriere ist wie ein Leitstern für mich. Es war sehr nett, sie zu treffen und ihr sagen zu können, dass sie mir in mei- ner Jugend mit ihrer Musik das Leben gerettet hat.

Du hast mal erzählt, dass es anfangs schwierig war, dich im Studio zu be- haupten und allen zu vermitteln, wie du klingen willst. „Future Nostalgia“ klingt nicht so, als wäre das noch ein

Thema. Eher im Gegenteil. Diesmal war ich tatsächlich viel selbstbewusster, weil ich inzwischen meinen Tritt gefun- den habe. Ich weiß jetzt genau, wie was im Studio funktioniert und wo ich lyrisch und musikalisch hinwill. Mein Debut war ein einziger großer Lernprozess, der mich an diesen Punkt gebracht hat. Ich fühle mich gerade sehr wohl mit meiner Karriere und mit den Songs, die ich mache.

SEID IHR BEREIT FÜR EIN „FEMALE ALPHA“?

Dua Lipa ist im August letzten Jahres 24 geworden. Ihr Aufstieg wirkt im Rückblick sehr smooth, manch einer beschreibt ihn, als sei ihr das alles fast ein wenig zugeflogen. Eine eher unfaire Interpre- tation, denn Dua Lipa hat eben schon wahnsinnig früh hart daran gearbeitet, eine erfolgreiche Musikerin zu werden. Klar, Talent und Aussehen liegen ihr auch in den Genen – es gibt sogar viele Fans, die vor allem in ihren Vater Du- kagjin, der ebenfalls eine kurze Karriere als Sänger hatte, verknallt sind. Seit der auf den BRIT Awards mal kurz im Bild war, nennen ihn die amerikanischen und britischen Klatsch-Seiten gerne ein „total babe“ und attestieren ihm „smoldering good looks“.

Aber Dua Lipa hat schon mit 15 diese Mischung aus Entschlossenheit, Charme und Vernunft an den Tag gelegt, die sie noch heute auszeichnet. Dua musste als sie 11 war mit ihren Eltern zurück in den Kosovo nach Pristina ziehen – und auch wenn sie sich dort sehr wohl fühlte, spürte sie schnell, dass eine Popkarriere von dort schwer zu starten war. Also zog sie mit Einwilligung der Eltern als 15jährige nach London, wohnte bei einer befreundeten Familie, spielte auf ihrem YouTube-Channel Cover-Songs und begann Kontakte zu knüpfen. Dem Spiegel erzählte sie in einem Interview: „Es gab viele positive Reaktionen, vor allem von jungen Produzenten. Schließ- lich wurde mir ein Vertrag angeboten. Aber ich hatte keine Ahnung davon. Also bat ich einen Freund, den ich von Twitter kenne, um Hilfe. Ich hatte ihn nie persönlich getroffen, aber er empfahl mir einen guten Anwalt. Der riet mir ab, das zu unterschreiben. Stattdessen habe ich mit seiner Hilfe meinen jetzigen Manager Ben Mawson gefunden.“ Mawson hatten auch wir kurz am Te- lefon, bevor unser Interview begann. Er hatte schon damals einen ausge- zeichneten Ruf, weil er Lana DelRey früh entdeckte und auch Ellie Goulding in die Star-Liga holte. Mawson ließ Dua Lipa Raum für Ideen und Erfahrungen, brachte sie in verschiedene Studios zu vielen Produzenten und ließ ihr die Frei- heit, ihre Richtung zu finden.

Dazu sagt Dua Lipa: „Ich hatte ihm einige meiner Songs vorgespielt. Nach nur fünf Minuten sagte er: Lass es uns versuchen, kein Vertrag, nichts. Wir gehen einfach ins Studio und probieren. Nach dem Erfolg von ‚Hotter Than Hell‘ unterschrieb ich einen Vertrag.“

Im Titelstück „Future Nostalgia“ singst du immer wieder die starken Worte: „I know you ain‘t used to a female alpha.“ Nun ist das Musik- business immer noch eine Welt, bei der überwiegend Männer auf den Entscheiderposten sitzen, was sich wie überall viel zu langsam ändert. Wie ist deine Einschätzung: Ist diese Welt bereit für ein „female alpha“? Ich schreibe solche Dinge in meinen Songs vor allem, um mich stärker zu fühlen und um mich selbst zu empo- wern. Ich würde sagen, die Situation hat sich in den letzten Jahren verbessert. Mir ist dabei sehr bewusst, dass ich das den vielen unglaublichen Musike- rinnen zu verdanken habe, die diesen Weg für junge Frauen wie mich geebnet haben, mir Inspiration schenkten und das Gefühl gaben, es selbst schaffen zu können. Jeder Künstlerin steht bei diesen Frauen in der Schuld, die über Generatioenen hinweg mehr Gleich- heit erkämpft haben. „Female Alpha“ ist ein sehr maskuliner Begriff, den ich für mich und all diese Künstlerinnen besetzen wollte, die täglich den Kampf für Geschlechtergerechtigkeit kämpfen.

Deine Karriere verlief sehr bestimmt und in kurzer Zeit sehr erfolgreich. Inzwischen ist es für mich selbstver- ständlich, dich als Popstar wahrzu- nehmen. Aber wie ist das für dich: Gab es einen Punkt, an dem du ge- merkt hast: „Fuck, das scheint ja

wirklich zu funktionieren!“ Da fällt mir sofort mein Auftritt auf dem Gla- stonbury Festival 2017 ein. Ich spielte in dem großen „John Peel Tent“, das nach der Radiolegende benannt ist. Es war die erste Show nachdem mein Album rauskam und ich dachte die ganze Zeit: „Da kommt doch niemand außer meine Freunde!“ Und dann sah ich, dass die Leute von allen Seiten versuchten, sich noch in das vollgepackte Zelt zu quet- schen und ich dachte nur: „Wow, wann ist das passiert?“

Das Glastonbury Festival ist ein sehr besonderes. Eines der größten und ältesten in England. Immer inner- halb von Minuten ausverkauft. Ein riesiger Abenteuerspielplatz mit Woodstock Vibes und zig kleinen und einigen riesi- gen Bühnen. Hast du dir die komplette „Glastonbury Experience“ gegeben?

Hey, ich bin Engländerin! Ich gebe mir immer die volle „Glasto Experience“ und geh da fast jedes Jahr hin. Das ist immer ein Riesenspaß.

Gab es denn jemals eine Show, nach der du dachtest: „Das war Mist.“? Ich konnte auch noch lan-

ger Recherche keine finden. Ha ha, ja ich bin da wirklich ein wenig ver- wöhnt, fürchte ich. Ich hatte zwar schon manchmal direkt nach der Show das Gefühl, dass mal was nicht lief, merkte dann aber immer, dass die Leute trotzdem ihren Spaß hatten. Dass mal schlechte Vibes im Publikum waren, ist nie passiert. Da scheine ich Glückskind zu sein.

Im Mai bist du bei uns in Deutsch- land auf Arena-Tour. Auf was dürfen

wir uns freuen? Einen Abend voller Spaß natürlich! Ich will, dass ihr tanzt. Vom ersten Song an und gerne auch noch auf eurem Heimweg. Wir haben gerade große Freude daran, aus den Songs eine Show zu machen. Ich ar- beite eng mit meinem Choreographen zusammen und wir haben fantastische Tänzerinnen und Tänzer dabei. Da „Fu- ture Nostalgia“ sehr 80er- und Discoinspiriert ist, war es von Anfang an klar, dass es viele Tanz-Einlagen geben wird.

Du empfiehlst gerne junge Musike- rinnen oder Musiker, die dir gefal- len. Weißt du schon, wer den Abend

für dich eröffnen wird? Yeah, Lolo Zouaï ist mit mir auf Tour. Eine super- coole Künstlerin und ein toller Mensch. Checkt mal ihre Singles „High Highs To Low Lows“ und „Caffeine“.

ZWISCHEN PROMINENZ UND POLITIK

Wer zurzeit Dua Lipa auf Instagram folgt, weiß durch ihre Stories und ihre Postings eigentlich fast jeden Tag, was sie gerade so macht. Seien es berufli- che Dinge, wie Shootings oder Touren, oder aber auch Erholungsphasen mit ihrer Girlgang oder ihrem Lover. Man muss also nicht die Klatschpresse lesen, um zu wissen, dass Dua bis Sommer letzten Jahres mit dem Ex-Model und Fernsehkoch Isaac Carew liiert war und seit Ende letzten Jahres mit dem Model und Influencer Anwar Hadid zusammen ist – der jüngere Bruder von Bella und Gigi Hadid, die zu den erfolgreichsten Models der Welt zählen. Dabei ist man Dua zwar nahe und blickt immer wieder in ihr bisweilen wirklich sehr glamourö- ses Leben – hat aber trotzdem nie das Gefühl, sie würde einem ihr Privatleben aufdrängen. Im Oktober zog sie sich eine Weile ganz zurück, postete kaum und löschte gar im Dezember alle alten Posts. Sie sagte später, sie habe das gemacht, um sich selbst zu beweisen, dass Social Media eben nicht dein Leben bestimmen sollte.

Du bist spätestens seit „New Rules“ auch im Visier der Klatschpresse. Wenn man deinen Instagram-Ac- count so anschaut, habe ich fast das Gefühl, du zeigst dort viel aus deinem Leben, damit deine Fans nicht zu den Paparazzi-Portalen

laufen müssen. Ist dem so? Ja und nein. Das mit der Klatschpresse ist ja leider heutzutage „part of the job“ und es ist schwer, dem zu entkommen. Was meine Musik betrifft, bin ich ein offenes Buch. Was mein Privatleben angeht, will ich, dass die Leute so viel von mir wissen, wie ich ihnen verraten will. Das versuche ich durchzusetzen und Social Media ist mein Werkzeug dafür.

Mir gefällt, dass du deine riesige Reichweite (aktuell 40,2 Millionen Instagram-Follower) hin und wie- der auch für soziale und politische Dinge nutzt. Im Februar hast du zum Beispiel dem Kosovo, die Heimat deiner Eltern, zur Unabhängigkeit gratuliert und damit viele auf diese Region hingewiesen, die noch immer mit den Konflikten der Vergangen- heit hadert und in der Frieden noch immer nicht selbstverständlich ist. Wie sind deine Erfahrungen mit sol- chen Dingen? Viele Stars in deiner Kampfklasse halten sich aus politi-

schen Dingen ja eher raus. Ich war schon immer sehr direkt, was meine Meinung zu bestimmten Dingen angeht. Und wenn ich eine habe, dann sage ich sie auch. Es wird dann immer Leute geben, die mich dafür angehen, aber das ist dann halt so. Ich sehe es als meine Pflicht, die Dinge zu verteidigen, die mir wichtig sind. Ich will eine sehr liberale Welt, ich will Gleichheit, ich will Gerechtigkeit, ich will Einigkeit. Davon sind wir international gesehen meiner Meinung nach weiter entfernt denn je und deshalb gibt es viel zu tun. Ich sehe Einigkeit und Solidarität gerade ehrlich gesagt nur, wo sich die Menschen zu- sammentun, um sich gegen gewisse Entwicklungen zu wehren, und darüber ihre eigenen Differenzen vergessen. Das ist das einzig Gute, das ich an der aktuellen politischen Weltlage erkennen kann. Aber wir sollten an der Hoffnung festhalten – und wenn ich da irgendwie zu beitragen kann, dann mache ich das. Klar, bin ich manchmal frustriert, wenn ich die Nachrichten lese, gerade eigent- lich fast täglich, aber wir müssen nun mal weitermachen und für die Dinge kämpfen, die uns wichtig sind und die unsere Welt freier machen.

WANN UND WO?

Dua Lipa

„Future Nostalgia Tour 2020“

05.05.2020 Köln, Lanxess Arena 15.05.2020 Hamburg, Barclaycard Arena 17.05.2020 Berlin, Mercedes-Benz Arena 19.05.2020 Wien, Stadthalle 20.05.2020 München, Olympiahalle

Tickets auf Ticketmaster.de

„Future Nostalgia“

Universal

Bunte Tüte Der Singersongwriterinfluencer Blanks

Der junge Niederländer Simon De Witt ist nicht nur ein smarter Typ und ein sehr talentierter Musiker – er beweist mit seiner Karriere auch, wie man das Singer-SongwriterDasein mit den Mitteln der Influencer bereichert. Ende April kommt er für zwei Shows nach Deutschland.

Die älteren Musikfans kratzen sich immer noch am Kopf, wenn ihre Söhne und Töchter einem Youtuber oder Instagram-Influencer an den Lippen hängen, der stundenlang in die Kamera quatscht oder irgendwelche Streiche spielt. Der in Groningen lebende Simon De Wit, der unter dem Namen Blanks musiziert, könnte in so einer Situation das perfekte Versöhnungsangebot sein. Denn De Wit ist smart, witzig, mit seiner Wuschelfrisur ziemlich süß, kurz: der perfekte Influencer. Er ist aber auch ein sehr guter, intuitiv und wahnsinnig schnell arbeitender Musiker. Das beweisen vor allem seine „Story Sessions“, die man auf seinem YouTube-Channel „Music by Blanks“ finden kann. Darin dokumentiert er, wie er einen Song schreibt. Das Besondere daran: Seine Fans sind via Insta Live dabei und treffen nach und nach die wichtigsten Entscheidungen. Soll der Song „happy“ oder „sad“ sein? Welche Instrumente sollen als Extra dazu? Eine Ukulele? Kein Problem! Am Ende dieser Session stand „Bittersweet“ – der bei Spotify schon locker die Million geknackt hat. Diese Nahbarkeit zahlt sich aus – vor allem in Verbindung mit Blanks Stimme und seinem Talent. Seine Singles „Sweaters“

oder „Higher“, das ebenfalls in einer Instagram Session entstand, sind veritable Hits, „Better Now“ hat gar schon zweistellige Millionenzahlen im Streaming geschafft. Die Idee zur interaktiven Arbeitsweise kam ihm übrigens tatsächlich, als er sich die Kanäle der von YouTube geförderten „Creators“ anschaute. In einem Radiointerview sagte De Wit: „Ich habe mit einem Freund gebrainstormt, weil ich neue Ideen für meinen YouTube-Kanal brauchte. Und da fiel uns auf, wie die Youtuber immer wieder ihre Fans fragen, ob sie zum Beispiel Kaffee oder Tee holen sollen und sie so den Tag ihrer Idole beeinflussen. Da dachte ich mir: Hey, wie würde das wohl mit Musik funktionieren? Im Studio benute ich Instagram Stories und Polls und Fragen, um Meinungen der Fans einzuholen. Meine Viewer schicken mir Melodien und manchmal gar Texte, einige singen sogar in ihr Telefon – daraus wird dann der Song.“

Mal schauen, was er sich für seine Konzerte ausdenken wird – am 26. April spielt er in der Berghain Kantine in Berlin, am 28. April im Häkken in Hamburg. Tickets gibt’s auf Ticketmaster.de.

Wir sind schon seit einigen Jahren Fans des Illustratoren Felix Scheinberger. Der versteht nicht nur sein Handwerk und lehrt es als Dozent und als Autor von gut gemachten Lehrbüchern wie „Mut zum Skizzenbuch“ oder „Drainting“. Er ist zudem auch sehr ausgeh- und reisefreudig und ver ewigt seine Eindrücke in wildschönen Zeichnungen. Bekannt wurde Scheinberger vor allem durch sein Buch „Hedo“ (Ja Ja Verlag), in dem er Zeichnungen von jenen Ausgehorten in Berlin präsentierte, an denen man nicht fotografieren darf – wie dem Berghain und dem KitKatClub. Mehr Infos und die Bücher findet ihr bei Instagram auf @felixscheinberger oder auf felixscheinberger.de.

Kolumne: Konzertnervbirnen Folge 12: Der Typ (und seine Jungs)

Wir lieben Konzerte und verbringen unsere Abende gerne in der Gesellschaft Gleichgesinnter vor einer Bühne. Aber wir wollen euch in unserem Heft nicht nur in Euphorie und Watte kuscheln. Deshalb gehen wir mit dieser Kolumne dahin, wo es wehtut – und stellen uns direkt neben die schlimmen Menschen, die einem auch das beste Konzert versauen können. In der zwölften Folge nimmt sich Musikjournalistin Julia Brummert jemanden vor, den ihr bestimmt auch schon mal getroffen habt: den Typ. Und er hat natürlich seine Jungs dabei. Illustration: Alexandra Ruppert noch so oft sagen: „Passt auf euch auf“. Der Typ und seine

Heute ist sein Abend. Der Typ will mit seinen Jungs endlich mal wieder einen drauf machen. Schon seit Monaten freuen sie sich auf Hot Water Music, Turbostaat, Dropkick Murphys, Donots … Punkrock in irgendeiner Spielart. An der Theke reden sie über das letzte Broilers-Konzert – „saugeil!“ – und beschweren sich über die Biersorte, die sie hier kaufen können.

Bevor es losgeht schieben sich der Typ und seine Jungs nach vorne. In ihren Händen tragen sie 16 Biere, damit sie nicht so oft raus müssen. Trotzdem gehen sie im Viertelstundentakt raus, um 16 neue Biere zu holen – die Becher sind schnell leer, wenn man damit rumwedelt. Sie wühlen sich immer weiter vor. Dabei schauen sie weder nach vorn noch zur Seite. Sie sagen auch nicht „Entschuldige bitte“, wenn sie Menschen aus dem Weg drücken. Der Typ oder mindestens einer seiner Jungs ist ziemlich groß und hat das kurz mal vergessen. „Mach dich mal locker“ lacht er, wenn man ihn bittet, vielleicht mit Kleineren den Platz zu tauschen. Und

DER TYP

Dann beginnt die Hauptband, natürlich, mit einem ihrer größten Hits. Der Typ und seine Jungs springen, wedeln mit den Armen, werfen ihre Becher in die Luft. „SAUGEIL, EY!“ Tanzt man nicht in ihrem Takt oder bittet sie gar, etwas vorsichtiger zu sein, erklären sie: „WARSTE NOCH NIE BEI EINEM KONZERT, ODER WAS?“ Und schubsen weiter. „Endlich wieder Pogo tanzen, hahaha“, brüllen sie. Dass ein Moshpit auch solidarisch funktionieren kann, haben sie vergessen. Oder noch nie verstanden. Da kann die Band vorne auf der Bühne bleibt stehen.

Jungs haben diesen Laden heute für sich gepachtet. Sie sind die Alleinherrscher über die ersten fünf Meter vor der Bühne. Bei den ruhigeren Songs unterhalten sie sich darüber, wie saugeil alles ist, also gerade nicht, weil ist ja einer der öderen Songs – und zünden sich eine Zigarette an. Da kommen neue 16 Biere und der nächste Hit – „saugeil!“ Es ist ihr Abend, verdammt noch mal. Einer zieht sein Shirt aus und kreiselt sich durch die Menge. „Saugeil!“ brüllt er. Ja, saugeil. Für euch, Jungs. Und nur für euch.

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