TIC BRNO
WAS IST BRÜNN? Funktionalismus
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WAS IST BRÜNN? Funktionalismus Der Funktionalismus, eine architektonische Richtung, die in den 20er Jahren des 20. Jahrhunderts unter dem Motto „Die Form folgt der Funktion“ definiert wurde, als die Architekten das Dekor zugunsten einfacher, klarer, geometrischer Formen zurückstellten und das funktionelle Interieur von Gebäuden betonten, etablierte sich nach und nach als entscheidender Stil des neuen modernen tschechoslowakischen Staates. Brünn, das mit der Gründung der Republik zum Verwaltungszentrum Mährens und Sitz zahlreicher Institutionen wurde, erlebte in der Zwischenkriegszeit einen riesigen Bauboom. 1919 entstand durch politische und territoriale Fusion der umliegenden Gemeinden das sog. Große Brünn (Velké Brno). Für die neu konstituierten Stadtteile stellten die freien Parzellen zwischen dem ursprünglichen historischen Zentrum und den angrenzenden Dörfern lukrative Grundstücke dar, auf denen eifrig im Geiste des Funktionalismus gebaut wurde. In den 20er und 30er Jahren beschäftigte man sich nicht nur mit der sog. Wohnfrage, in Form
von Massenbauten kleiner und billiger Wohnungen und Mietshäusern, aber es entstanden auch Luxus-Villen, moderne Einkaufszentren, Cafés, Banken und öffentliche Einrichtungen – Schulen, Krankenhäuser, Stadtverwaltungen, Gebetshäuser, Bäder, Fabriken und Infrastruktur. Das Gesicht des modernen Brünns wurde von zahlreichen aufgeklärten Politikern (Karel Tomeš), Stadtplanern der kommunalen Baubehörde (vor allem Jindřich Kumpošt und Bohuslav Fuchs) und Architekten tschechischer, deutscher und jüdischer Herkunft geprägt. Dazu zählten z. B. Ernst Wiesner, Bohuslav Fuchs, Josef Polášek, Jan Víšek, Jiri Kroha, Josef Kranz, Mojmir Kyselka, Oskar Poříska, Otto Eisler, Jaroslav Grunt oder Bedřich Rozehnal. An diese knüpfte eine jüngere Generation von Architekten an, häufig Absolventen technischer Brünner Hochschulen, darunter Josef Kranz, Alois und Vilém Kuba, Václav Dvořák und Otakar Oplatek. Ihre Bauten bilden bis heute den Genius loci von Brünn.
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Zemanova kavárna (Café Zeman)
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Nádražní poštovní úřad (Bahnhofspoststelle)
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Hotel Avion
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Kavárna ERA (Café ERA)
Husův sbor Církve československé husitské (Hus-Kollegium der Tschechoslowakischen Kirche)
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Moravská banka (Mährische Bank)
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Krematorium
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První moravská spořitelna (Erste Mährische Sparkasse)
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Obchodní dům firmy Baťa (Kaufhaus der Firma Baťa)
Sokolovna a společenské centrum Stadion (Sokolovna-Halle und Gesellschaftszentrum Stadion)
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Městské lázně v Zábrdovicích (Stadtbad in Zábrdovice)
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Provozní budova městských vodáren (Betriebsgebäude der städtischen Wasserwerke)
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Dětská nemocnice (Kinderkrankenhaus)
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Odborná škola pro ženská povolání Vesna a Domov Elišky Machové (Vesna-Mädchenberufsschule und Mädchenheim „Eliška Machová“)
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Masarykova obecná škola chlapecká a dívčí (Masaryk-Grundschule für Jungen und Mädchen)
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Vila Tugendhat (Villa Tugendhat)
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Rodinné domy v kolonii Pod Vodojemem (Familienhäuser in der Kolonie „Pod Vodojemem“)
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Soubor nájemních domů s malými byty (Komplex von Mietshäusern mit kleinen Wohnungen)
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Nájemní domy (Mietshäuser)
ŽABOVŘESKY
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STRÁNICE
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BRNĚNSKÉ VÝSTAVIŠTĚ
ŠTÝŘICE
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VEVEŘÍ
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ČERNÁ POLE
PARK LUŽÁNKY
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BRNO-STŘED
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NÁMĚSTÍ SVOBODY
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STARÉ BRNO
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MORAVSKÉ NÁMĚSTÍ
HRAD ŠPILBERK
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HLAVNÍ NÁDRAŽÍ
ČERNOVICE
Brünner Architekturmanual: Architekturführer 1918–1945 Das Brünner Architekturmanual (BAM) ist ein Projekt, deren Ziel die Popularisierung der Architektur und deren Präsentation in den Straßen der Stadt ist. Auf der Webseite www.bam.brno.cz ist eine Datenbank mit fast 400 Architekturobjekten für Profis und Laien zugänglich. In Form von kurzen Texten und Audio-Aufnahmen zum Herunterladen sind hier kurz die Geschichte dieser Gebäude, die Umstände ihrer Entstehung, die Lebensgeschichte der Eigentümer und der fast 80 Architekten des Brünns der Zwischenkriegszeit erfasst. Zur Orientierung in der Stadt
dienen Markierungen auf den Gehwegen direkt vor den Gebäuden. Diese enthalten den Code des Objekts und die Webseiten, wodurch es viel einfacher ist, mit Hilfe von Smartphones Informationen über das Objekt abzurufen oder sich dessen Geschichte direkt in den Straßen von Brünn anzuhören. Die Spaziergänge durch Brünn gibt es auch in gedruckter Form als Kartenbroschüre oder als Architekturführer. www.bam.brno.cz
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BOHUSLAV FUCHS (REALISIERUNG 1925—1926)
Café Zeman
Das erste Gebäude mit rein geometri- ein Kindergarten, abgerissen, aber nicht schen Formen in Brünn ist ein Café, das vergessen. Im Jahr 1991 organisierten 1925 vom Architekten Bohuslav Fuchs junge Architekten ein Happening, im Rahfür Josef Zeman entworfen wurde. Die men dessen Sie mit Pfählen und Bändern weißen rechteckigen Konstruktionslinien das ursprüngliche Café kartierten und öffneten sich in großen Schiebefenstern mit aufgeblasenen Ballons seinen Ummit roten Rahmen. Diese wurden in den fang darstellten. Dieses künstlerische Sommermonaten in den Keller gefahren, Event provozierte und die gewonnene wodurch das Interieur perfekt mit dem Plan- und Fotodokumentation ermöglichÄußeren des Parks verbunden wurde te den Bau einer perfekten Nachbildung (fünf Jahre später verwendete Mies van des Cafés, das zum 100. Geburtstag von der Rohe dieselbe Lösung in der Villa Tu- Bohuslav Fuchs am 24. März 1995 wiegendhat). 1964 wurde das Café, damals dereröffnet wurde. Jezuitská 6
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BOHUSLAV FUCHS (REALISIERUNG 1926—1927)
Hotel Avion 1927 wurde auf einem extrem engen, ur- wurde durch Galerien und verschiedene sprünglich mittelalterlichen Grundstück Boden- und Deckenebenen unterteilt. das Hotel Avion eröffnet. Aufgrund sei- Das Tageslicht, das durch die großen nes anspruchsvollen Designs und seiner Fenster und luxuriöse Oberlichter fiel, räumlichen Effekte wurde es zu einem wurde von den Spiegeln an den Wänden ikonischen Gebäude der Brünner Mo- reflektiert. In den weiteren fünf Stockderne und in den 1960er Jahren auch werken befanden sich fünfzig Hotelzimzu einem nationalen Kulturdenkmal. Der mer, und die Wohnung mit Dachterrasse Architekt Bohuslav Fuchs verwendete im obersten Stock wurde vom Eigenein Stahlbetonskelett und tragende Gie- tümer Miroslav Kostelecký genutzt. Die belwände, die ihm eine dominante Glas- ursprüngliche Ausstattung des Hotels fassade erlaubten. Das Café, das sich verfiel allmählich und momentan wird das im ersten und zweiten Stock befindet, architektonische Juwel renoviert. Česká 20
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JOSEF KRANZ (REALISIERUNG 1927—1929)
Café ERA Das Wohnhaus mit Café für Josef Špu- dynamisch geformten Wendeltreppe donar vom jungen Architekten Josef Kranz miniert, die die künstlerische Dekoration war von der holländischen avantgar- des Innenraums ersetzt, ebenso wie die distischen De Stijl-Bewegung inspiriert, benutzten Farben der Wände (hellblau, die die Kunst und Architektur auf ele- weiß) und der Böden (roter Xylolith). mentare Formen und Farben reduzierte. Nach der Verstaatlichung wurde es zuDas Haus wurde als System von Flächen nächst in eine Bierstube umgebaut und verstanden, die einander rechtwinklig später der Verwaltung der benachbardurchschneiden und sich zum Außen- ten Landwirtschaftlichen Hochschule raum hin öffnen. Auch die Fassade des unterstellt. Dank der umfangreichen Cafés ERA ist durch eine minimalistische Rekonstruktion im Jahre 2011 wurde die Komposition aus mehreren Fenstertypen ursprüngliche Form und Funktion wiedergegliedert (hinter denen sich verschie- hergestellt und als Café wiedereröffnet. dene Funktionen des Gebäudes erahnen lassen). Das Erdgeschoss wird von einer Zemědělská 30
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ERNST WIESNER / BOHUSLAV FUCHS (REALISIERUNG 1928—1930)
Mährische Bank Der von der Mährischen Bank aus- aufgehängt sind. Diese Lösung ermöggeschriebene Architekturwettbewerb lichte eine nahezu absolute Verglasung brachte keinen klaren Gewinner, aber der Fassade mit horizontalen Fenstern zwei der Teilnehmer – die Architekten und weißen Opaxit-Fensterbrettern. Das Ernst Wiesner und Bohuslav Fuchs – Interieur der öffentlichen Räumlichkeiten wurden beauftragt, gemeinsam den wird von Carrara-Marmor und Chromdeendgültigen Entwurf eines modernen tails dominiert. Die zentrale Schalterhalle Finanzinstituts zu erstellen. Dieses er- ist mit einem Oberlicht über zwei Etagen regte nach seiner Fertigstellung die Auf- versehen. Obwohl die ursprüngliche Inmerksamkeit des internationalen Fach- neneinrichtung der Halle, im Gegensatz publikums. Das Haus ist bezüglich der zu den Einrichtungen des Direktorbüros, Konstruktion seiner Straßenfassaden nicht erhalten geblieben ist, können wir außergewöhnlich, die an vorstehenden auch so eine Reihe von ursprünglichen Deckenplatten mit hochgezogenen tra- architektonischen Details bewundern. genden Pfeilern des Stahlbetonskeletts náměstí Svobody 21
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JOSEF POLÁŠEK, OTAKAR OPLATEK, HEINRICH BLUM (REALISIERUNG 1937—1939)
Erste Mährische Sparkasse Für den Neubau eines modernen Finanz- und Neonlichter beleuchtet. Die kreisinstituts mit Geschäftspartner und Woh- förmigen Fenster in den Galerien und das nungen wurden die Gewinner des Archi- glänzende Chromgeländer erinnern an die tekturwettbewerbs Otakar Oplatek und Architektur eines Hochseeschiffes, die Josef Polášek ausgewählt und Heinrich sog. nautische Symbolik war typisch für Blum zur Mitarbeit eingeladen. Die schlichte den Funktionalismus der 1930er Jahre. Die Fassade ist durch helle Keramikfliesen sichere Aufbewahrung der Einzahlungen vereinheitlicht und wird von der konkav wurde durch modernste Technologie gegeschwungenen Horizontalen des Traver- währleistet – stahlverstärkte Stahlbetontin-Erkers mit Fensterbändern dominiert. tresore mit einem speziellen Codeschloss, Der repräsentative Eingangsbereich mit eine mechanische Alarm- und Signalanlage schwarz-weißem Marmor führt den Be- und ein Nachttresor. In dem Gebäude mit sucher durch eine Glastür mit glänzen- einzigartiger, weitgehend erhaltener, funkdem Chromrahmen in die Schalterhalle. tioneller und architektonischer Ausstattung Diese wird durch Deckenlichtschächte hat bis heute die Sparkasse ihren Sitz. Jánská 4–10
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VLADIMÍR KARFÍK (REALISIERUNG 1930—1931)
Kaufhaus der Firma Baťa Mitte der zwanziger Jahre errichtete gestoppt. Die aufgehängte Fassade war das prosperierende Schuhunternehmen horizontal durch Streifen von Spiegelvon Tomáš Baťa eine Kette von großen fenstern und Opaxit unterteilt, der die Kaufhäusern. Der Autor war der Archi- Brüstungen mit Leuchtanzeigen betekt Vladimír Karfík. Für Brünn plante er deckte (die in den 1960er Jahren durch mit Baťa den ersten mitteleuropäischen sog. boletické panely (Boletitzer PlatWolkenkratzer mit 23 Stockwerken und ten) ersetzt wurden). Das mit zwei Exeinem schlanken Turm mit Verwaltungs- pressaufzügen ausgestattete Gebäude räumen. Von der ursprünglichen Absicht bot eine Reihe von Dienstleistungen an. blieb jedoch nur ein Torso übrig. Es kam Der Hauptartikel waren natürlich Schuhe, zu Problemen durch den instabilen Un- aber es gab hier auch Schuhreparatutergrund, dem eine Rahmenkonstruk- ren, ein Pedikür-Geschäft, eine Stoption auf 245 zehn Meter hohen Pfählen ferei für Strumpfwaren und sogar einen standhalten sollte. Der Bau wurde vom Reifengeschäft. In den oberen Etagen Bauamt wegen des Charakters der Trä- befanden sich Büros und eine Kantine gersäulen bereits im achten Stockwerk für das Personal. Kobližná 24
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BOHUSLAV FUCHS, JOSEF POLÁŠEK (REALISIERUNG 1929—1930)
Vesna-Mädchenberufsschule und Mädchenheim „Eliška Machová“ Der Gebäudekomplex der Vesna-Mädchen- ausreichende Belichtung der Schulräume berufsschule und des Internats des so ge- Wert legten. Das Dach des Gebäudes wurnannten Mädchenheims „Eliška Machová“ de als Sonnenterrasse genutzt, die für die bilden zusammen eine städtebaulich und Erholung der Schülerinnen an der frischen kommunikativ miteinander verbundene Ein- Luft bestimmt war. Das Internatsgebäude heit. Die gemeinsamen Autoren dieses Pro- beeindruckt durch eine geniale Konstrukjekts waren die Architekten Bohuslav Fuchs tion, die die Tragfunktion von den Umfasund Josef Polášek. Dank der Verwendung sungsmauern auf die kürzeren Quermauern eines Stahlbetonskeletts konnte die Raum- überträgt. Dieses Bauprinzip führte zu einer anordnung der Schule völlig progressiv gelöst deutlichen Baubeschleunigung - der Rohbau werden, nach den neuen architektonischen eines Stockwerks mit Schlafräumen dauerte und hygienischen Prinzipien, die auf eine etwa sechs Tage. Lipová 18
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MOJMÍR KYSELKA (REALISIERUNG 1930—1931)
Masaryk-Grundschule für Jungen und Mädchen Im Brunner Stadtteil Černa Pole wurden Gestaltung des Innenraums basiert auf gleich zwei Schulgebaude nach einem der einzigartigen Form des Gebäudes, Entwurf von Mojmir Kyselka errichtet. die sich in elegant gestalteten Fassaden In der Jugoslávská-Straße realisierte mit großen Fenstern in subtilen Rahmen er zusammen mit Bohuslav Fuchs die manifestiert. Die Hauptfassade dieses Deutsche Grundschule. Die tschechi- vierstöckigen Gebäudes ist unter Besche Masaryk-Grundschule für Jungen rücksichtigung des Bereichs für Jungen und Mädchen wurde in unmittelbarer und Mädchen symmetrisch gegliedert. Nachbarschaft errichtet, deren raffi- Die zwei Flügel mit Klassenräumen mit niertes Layout und Innenausstattung separaten Eingängen werden durch ein nach den neuesten hygienischen und zentral verglastes Risalit unterteilt, das betrieblichen Anforderungen gestaltet die Gemeinschaftsräume des Festsaals wurden. Die durchdachte funktionale und der Turnhalle beleuchtet. Zemědělská 29
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LUDWIG MIES VAN DER ROHE (REALISIERUNG 1929—1930)
Villa Tugendhat Die von Ludwig Mies van der Rohe entwor- Geschäftsfamilien, die in der Textilindusfene Villa Tugendhat gilt als ein Schlüs- trie tätig waren. Aufgrund ihrer jüdischen selwerk der modernen Architektur und Herkunft emigrierten die Besitzer im Jahr gehört daher auch zum UNESCO-Welt- 1938. Das Haus wurde von der Gestapo kulturerbe. Seine Einzigartigkeit beruht konfisziert und am Ende des Krieges wurauf der formalen architektonischen de die Villa von der Sowjetarmee verwüsReinheit, eingebunden in einen natür- tet. Ab Ende der 1940er Jahre, nach der lichen Rahmen und dem gegenseitigen Verstaatlichung des Hauses, diente es Durchdringen des Raumes, aber auch als Tanzschule und dann als Physiotheauf der technischen und konstruktiven rapiezentrum für Kinder. Das Haus wurde Gestaltung und der Verwendung edler das erste Mal 1980–1985 renoviert, aber Materialien. Eine grundlegende Rolle erst in den Jahren 2010–2012 durchlief spielte das Verständnis zwischen dem es eine umfassende Rekonstruktion. Seit Architekten und den Auftraggebern, Gre- 1994 wird es von dem Museum der Stadt ta und Fritz Tugendhat stammten beide Brünn (Muzeum města Brna) verwaltet. aus deutsch-jüdischen Industrie- und Černopolní 45
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JINDŘICH KUMPOŠT, BOHUSLAV FUCHS, EVŽEN ŠKARDA, FRANTIŠEK KALIVODA (REALISIERUNG 1935—37)
Familienhäuser in der Kolonie „Pod Vodojemem“ Am Hang unter dem Stránicer Wasser- der Gebäude. Einzigartige Villen mit zahlspeicher wurde nach dem Bauplan von reichen technisch und materiell außerJindřich Kumpošt eine Kolonie aus Fami- gewöhnlichen Elementen, die ein Beispiel lienhäusern und Doppelhäusern für die extrem hochwertiger Architektur der Gemeinnützige Wohnungsbaugesell- zweiten Hälfte der dreißiger Jahre sind, schaft der Angestellten der Hypotheken- entstanden unter den Händen berühmter und AgrarBank von Mähren (Hypoteční Brünner Architekten wie Evžen Škarda, a zemědělská banka moravská) errich- František Kalivoda, Jiří Kroha, Mojmír Kytet. Aufgrund des abfallenden Geländes selka und gut situierter Bauherren der führten die Straßen logischerweise ent- oberen Mittelklasse –, z. B. der weltbelang der Höhenlinien und die Höhe der kannte Tänzer und Choreograph FranGesimse und die einheitliche Umzäunung tišek Váňa Psota. wurden zu einem Verbindungselement Rezkova 28–51 a Kaplanova 1–11
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JOSEF POLÁŠEK (REALISIERUNG 1930—1931)
Komplex von Mietshäusern mit kleinen Wohnungen Aufgrund der Auswirkungen der Wirtschafts- traditioneller konzipierten, halboffenen krise in der Tschechoslowakei wurde auch Blocks mit freien Ecken abgelehnt. Die 1930 eine Änderung des Gesetzes über die vier fünfstöckigen Plattenhäuser sind um staatliche Unterstützung des Baus von einen gemeinsamen Spielplatz angeordnet. Häusern mit günstigen Wohnungen an- Die einfache Fassade wird von den rechtgenommen. Es wurde auch von der Stadt eckigen Loggien beherrscht, die durch ihre Brünn genutzt, die den Bau mehrerer An- Glaswände einen Blick auf das zentrale lagen mit kleinen Wohnungen initiierte, unter Treppenhaus bieten. Die Fassaden zum anderem auch von Josef Polášek in der Innenhof hin sind durch ein Raster aus Nähe der Vranovská-Straße in Zábrdovice. standardisierten Fenstern unterteilt, deren Sein ursprünglicher progressiver Entwurf Massenproduktion die Baukosten reduzierte. eines Baukomplexes von 8 Reihenhäusern, In jedem Haus befanden sich 60 Wohneindie die Stadtentwicklung der 1930er Jahre heiten mit einer Fläche von etwa 30 m2 mit ankündigte, wurde jedoch zugunsten eines eigenen sanitären Einrichtungen. Vranovská 22–26
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VÁCLAV DVOŘÁK, JAROSLAV BRÁZDA (REALISIERUNG 1938—1941)
Mietshäuser Nördlich vom Stadtzentrum, in der Nähe der nicht an den strengen ästhetischen und Kotlářská-Straße, wurde Ende der 20er und materiellen Anforderungen, technischen in den 30er Jahre Dutzende von architekto- Anlagen und den rationalen Gestaltungsnisch hochwertigen Mietshäusern erbaut, und räumlichen Regeln verzweifelten. Im die diesem ursprünglichen Industrieteil Jahr 1932 machten sich der Baumeister der Stadt einen metropolitanen Charakter Dvořák und die Brüder Kuba selbständig. verlieh. Die ehemaligen Fabrik-Komplexe Der Baumeister Václav Dvořák entwarf wurden von Bauunternehmern gekauft und gemeinsam mit dem Architekten Jaroslav an ihrer Stelle neue Wohnblocks errichtet, Brázda einen Komplex von Wohnhäusern weil sie eine zukünftige Entwicklung dieses zwischen den Straßen Kotlářská, Bayerova Stadtteils und dessen Anbindung an das und Dřevařská, der auf dem Gelände der nahegelegene Královo Pole voraussetzten. ehemaligen Brauerei Moravia realisiert Eines der aktivsten Unternehmen war wurde. Die Brauereikeller nutzten die ArchiDvořák und Kuba, die während des Bauens tekten aus und bauten diese mit Hinblick auf die wirtschaftlichen Rentabilität des auf die drohende Kriegsgefahr zu einem Developerunternehmens achteten, aber Luftschutzbunker um. Kotlářská 41–49
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BOHUSLAV FUCHS (REALISIERUNG 1937—1939)
Bahnhofspoststelle Das Gebäude des Postamts, das hinsicht- Entwurf realisiert werden würde, der den lich seiner Lage und Ausstattung auf die Brünner Bahnhof um einen halben KiloBedürfnisse des Bahnpostverkehrs aus- meter nach Südwesten verlegen sollte. gerichtet war, wurde von Bohuslav Fuchs Die Fassade des Postamtes ist mit zwei in Zusammenarbeit mit dem Statiker Reihen von Fensterbändern deutlich hoBoleslav Bloudek entworfen. Dieser pro- rizontal, deren Regelmäßigkeit durch die jektierte aufgrund des problematischen segmental gewölbte Markise über dem Untergrunds einen zweigeschossigen Eingang unterbrochen wird. Das Interieur Stahlbetonkeller, der ein solides Funda- der Hauptschalterhalle wird von einer ment des Gebäudes gewährleistete. Das Rahmennietstruktur mit einer schwebenPostgebäude selbst wird von einer leich- den Galerie im ersten Stock dominiert. ten Stahlkonstruktion getragen, die die Die Post ist bis heute sehr authentisch Variabilität der inneren Trennwände und erhalten geblieben, einschließlich des die einfache Verlagerung des gesamten Aufzugs, einem Paternoster, und den Gebäudes ermöglicht. Fuchs rechnete Messingdetails der Schalter. nämlich damit, dass in Zukunft sein Nádražní 7
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JAN VÍŠEK (REALISIERUNG 1927—1928)
Hus-Kollegium der Tschechoslowakischen Kirche Die Errichtung der demokratischen Jan Víšek. Die Eingangsfassade ist völlig Tschechoslowakei brachte auch Religi- glatt und wird nur durch einen Kelch über onsfreiheit mit sich. Es wurden zahlreiche einem einfachen Portal hervorgehoben, Kirchen gegründet bzw. wieder erneuert, hinter dem sich ein Chorsaal befindet, der darunter auch die Tschechoslowakische mit einem erhöhten Chor abgeschlossen Hussitenkirche (Církev československá ist. Asymmetrisch zur Straßenfassade husitská). Nachdem ausreichend finan- wurde auf Wunsch der Kirche ein Turm zielle Mittel durch Sammlungen zusam- erbaut. Von der Straße aus gelangt man mengekommen waren, wurde ein Archi- in die Gemeinschaftsräume im Keller mit tekturwettbewerb für den Bau eines opulentem Foyer und Festsaal mit Bühne neuen Kirchengebäudes ausgeschrieben. und Orchestergraben, die heute als ResDen Wettbewerb gewann der Entwurf von taurant und Billard-Club genutzt werden. Botanická 1
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ERNST WIESNER (REALISIERUNG 1925—1930)
Krematorium Mit dem Fall der katholischen österrei- wird durch die expressive Krone mit spitz chisch-ungarischen Monarchie wurde zulaufenden Pfeilern verstärkt. Die Geauch bei uns die moderne Form der Feuer- staltung der Innenräume hat eine symbestattung legalisiert. Die Architekten be- bolische und funktionale Ordnung. An kamen so in der gesamten Tschechoslo- die Vorhalle, wo sich die Trauergemeinde wakei die einmalige Gelegenheit, eine neue versammelt, schließt die Trauerhalle mit Art von Gebäuden zu definieren – Trauer- verglaster Decke und Blick auf den Himhallen (für Nicht-Katholiken) und Krema- mel an. Die Nische mit dem ausgestellten torien. Für das Brünner wurde ein Archi- Sarg auf dem schwarzen Katafalk schließt tekturwettbewerb ausgeschrieben, den sich nach dem Ende der Zeremonie mit der expressive Entwurf von Ernst Wiesner Alabastertüren. Die gesamte Zeremonie gewann. Er platzierte das Krematorium auf sollte symbolisch durch die Verbindung dem Sockel einer monumentalen Terrasse, der Seele des Verstorbenen mit dem Himdie über großzügige Treppen zugänglich mel mithilfe eines langen Schornsteins im war, die symbolisch die Angehörigen nach hinteren Trakt des Gebäudes abgeschlosoben in den Himmel führten. Der Eindruck sen werden. Jihlavská 1
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MILOŠ LAML (REALISIERUNG 1928—1929)
Sokolovna-Halle und Gesellschaftszentrum Stadion Im Jahr 1922 wurde im Rahmen der Feier- einer einstöckigen Eingangshalle, deren lichkeiten zum 60jährigen Jubiläum des monumentales Portal mit Bogensegment Sokol-Turnvereins das Sommerstadion in ein festliches Tor bildete, mit Blick auf der Kounicova-Straße feierlich eröffnet. den angrenzenden Bereich des AußenÜber sechs Jahre später entschied sich spielplatzes. Auf der linken Seite gab die Sokol-Gemeinde in der Nähe ein neues es eine Turnhalle für Frauen mit großen Gebäude mit Sport- und Gemeinschafts- Fenstern zur Straße, gefolgt von einem räumen zu errichten. Den ursprünglichen Gebäude mit einer Turnhalle für Männer. Entwurf von Jindřich Kumpošt, der die Im rechten Teil des Komplexes befanden Turnhalle und den Pavillon als zwei sepa- sich auf zwei Etagen die Räumlichkeiten rate Objekte konzipierte, übernahm Miloš des Konzert- und Festsaals, des Kinos Laml. Dieser verband beide Anlagen mit und des Restaurants. Kounicova 20
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BOHUSLAV FUCHS (REALISIERUNG 1929—1931)
Stadtbad in Zábrdovice Noch in den 20er Jahren des 20. Jahr- Schwimmbecken mit heißem und kaltem hunderts waren nur ein Drittel aller Brünner Wasser, Massagetische, Hydrotherapie-EinWohnungen mit grundlegenden sanitären richtungen, einen Beeich für Inhalationen Einrichtungen ausgestattet. Die Brünner und vor allem große Badewannen und Duwuschen sich in öffentlichen Bädern. Gleich schen für die tägliche Reinigung. In der drei von ihnen entwarf in den Jahren 1927- Nähe der beeindruckenden Lobby im ersten 1929 der Architekt Bohuslav Fuchs. Der Stock mit mehrläufiger Treppe und zwei Komplex des Sommer- und Winterbads Wintergärten befanden sich die Räume für in Zábrdovice wurde auf einer Fläche von Friseure und Friseursalons sowie Restau23.000 m2 errichtet und ist ein Beispiel rants. Im nördlichen Teil des Sommerbads für hervorragende technologische Aus- gibt es heute renovierte Schwimmbecken stattung in einer spektakulären archi- mit Tribünen und im südlichen Teil einen tektonischen Hülle. Der Winterteil bot Spielplatz, Sandkasten und Rasenflächen. Dampf- und Heißluftbäder mit Ruheraum, Zábrdovická 13
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BOHUMIL TUREČEK (REALISIERUNG 1937—1939)
Betriebsgebäude der städtischen Wasserwerke Im Jahr 1936 wurde ein großes Wasser- das Betriebsgebäude und die Kläranlage werk errichtet – die Brünner Talsperre, anknüpfte. Der Komplex ist in einen Verdie endlich das seit etwa fünfzig Jahren waltungsteil mit Steuer- und Büroräumen, bestehende Problem der Wasserversor- ein chemisches und physikalisches Labor gung der wachsenden Großstadt lösen und eine Bakteriologie und in längs versollte. An die Talsperre schloss sich ein laufende Betriebstrakte mit Pumpen oder Netz von Einrichtungen der städtischen verschiedenen Filtervorrichtungen unterWasserwerke beim Fluss Svratka in Pisarky teilt. Auf die funktionale Trennung deutet an, gemäß dem städtebaulichen Plan des auch die architektonische Gestaltung der Chefarchitekten der Städtischen Wasser- Gebäude hin. Die Fassaden der Betriebswerke Bohumil Turečka. Als erstes Objekt trakte sind in rohem Mauerwerk gehalten, des gesamten Gebäudekomplexes wurde während der Verwaltungsteil hell verputzt der Maschinenraum der Wasserreservoire und mit einem Eingangsrisalit aus Travertin realisiert, an den Tureček anschließend mit Sandsteinrelief verziert ist. Pisárecká 1
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BEDŘICH ROZEHNAL (REALISIERUNG 1946—1954)
Kinderkrankenhaus Bereits Mitte des 19. Jahrhunderts wurden Autor, ein führender Experte für mediziniauf dem Gipfel des Schwarzfelder Hügels sche Einrichtungen, der Architekt Bedřich (černopolský kopec) mehrere Gesund- Rozehnal, kommunizierte während der geheitseinrichtungen erbaut, einschließlich samten Bauphase mit den Ärzten, um deren einer Spezialklinik für Kinder, für die 1898 Ansprüchen an das Gebäude so gut wie der Architekt Hugo Kranz neue Gebäude möglich zu entsprechen. Er wählte daher ein entwarf. Die Entwicklung des medizinischen sog. Block-Bausystem, einen Komplex aus Bereichs und die Kriegsschäden führten kommunikativ und strukturell miteinander 60 Jahre später zur Errichtung eines neuen verbundenen Pavillons, die von Grünflächen Areals des Kinderkrankenhauses, die in umgeben waren. Dessen architektonisches zwei Etappen in den Jahren 1948–1952 Design lobte auch der größte Architekt des und 1952–1954 realisiert wurde (es handelt 20. Jahrhunderts, Le Corbusier, in einem sich somit um das letzte funktionalistische Brief an den Krankenhausdirektor. Gebäude in der Tschechoslowakei). Sein Černopolní 9
02  Hotel Avion: Interieur
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Konzeption und Text: Lucie Valdhansová, Co-Autorin des BAM
Cover: Sprungbrett – Městské lázně v Zábrdovicích (Stadtbad in Zábrdovice), Foto: B. und K. Poneš Foto: Barbora und Karel Poneš, BAM, Pocket media s.r.o. (David Tieku), Vladimír „Kiva“ Novotný, David Židlický, Muzeum města Brna (Museum der Stadt Brünn), Studio Flusser TIC BRNO, p. o. wird finanziell von der Statutarischen Stadt Brünn unterstützt. 2019 www.ticbrno.cz