Adolf Loos in Brünn

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Adolf Loos in Brünn




Brünner Architekturmanual (BAM): Handbuch zur Architektur 1918–1989 Das Projekt vermittelt Architekturwissen in den Straßen der Stadt. Auf den Internetseiten ist für Fachleute und Laien eine Datenbank mit architektonischen Objekten zugänglich. In Form kurzer Texte und Audio-Aufnahmen zum Herunterladen sind hier kurz die Geschichte der Bauten, die Umstände ihrer Entstehung, die Schicksale der Eigentümerinnen und Eigentümer, ebenso wie die der Architektinnen und Architekten erfasst. Zum Erlangen von Informationen dienen Markierungen auf den Gehsteigen, die den Code des Gebäudes und die Internetseiten enthalten. So lassen sich ganz einfach mit Hilfe eines

Smartphones Informationen über das Objekt abrufen oder sich dessen Geschichte direkt in den Straßen Brünns anhören. Die Spaziergänge durch die Stadt sind auch in gedruckter Version als Kartenbroschüre oder Architekturführer erhältlich. Bisher wurde der Zeitraum zwischen den beiden Weltkriegen umfassend bearbeitet. Zurzeit wird die Realisierung der Phase der Nachkriegszeit vorbereitet, also die Zeit des sog. kommunistischen bzw. sozialistischen Regimes, das mit der Samtenen Revolution 1989 endete. www.bam.brno.cz



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Bildhaueratelier von Adolf Loos sen. / Geburtshaus von Adolf Loos

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Adolf Loos sen. / Skulpturenschmuck des Landhauses (Zemský dům)/ heute Verfassungsgericht (Ústavní soud)

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Adolf Loos sen. / Brunnen mit der Skulptur dreier angelnder Jungen in Lužánky

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Vereinshaus (Besední dům) / heute Philharmonie Brünn (Filharmonie Brno)

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Zweites deutsches k. k. Staatsgymnasium in Brünn heute Magistrat der Stadt Brünn (Magistrát města Brna)

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K. K. deutsche höhere Staatsgewerbeschule in Brünn / heute Magistrat der Stadt Brünn (Magistrát města Brna)

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Kunstgewerbemuseum in Brünn (Uměleckoprůmyslové muzeum v Brně)

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Karl-Herold-Haus (Dům Karla Herolda)

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Bauer-Schlösschen (Bauerův zámeček)

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Nicht realisiertes „Haus auf dem Dach“ (Dům na střeše)

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Vereinte kunstgewerbliche Betriebe (Spojené uměleckoprům. závody) und „Wohnungskultur“ (Bytová kultura)

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A. Loos-Denkmal (wird realisiert)

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BILDHAUERATELIER VON ADOLF LOOS SEN. / GEBURTSHAUS VON ADOLF LOOS KOUNICOVA 20–22 Auf dem Gelände des heutigen Hotels Continental, nicht weit vom ehemaligen Stadtfriedhof (heute Tyrsch-Park), stand die Steinmetzwerkstatt von Adolf Loos Senior. Hier wurde am 10. Dezember 1870 dem Ehepaar Adolf und Marie Loos ein Sohn geboren, der in der nahe gelegenen St.Thomas-Kirche nach seinem Vater auch auf den Namen Adolf getauft wurde. Loos‘

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Firma hatte auch Niederlassungen und ein Lager in Břeclav, Třebíč und besaß einen Marmorsteinbruch in Nedvědice unter der Burg Pernštejn. An Loos‘ Geburtsort erinnert am Eingang zum Hotel Continental eine Gedenktafel, die hier gleichzeitig mit der Fertigstellung des Hotels im Jahr 1964 installiert wurde. Gegenüber ragen Steinblöcke aus dem Boden, die aus der ehemaligen Steinmetzwerkstatt von Loos stammen.

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einen englischen Park abgeändert. In den Jahren 1853–1855 wurde hier nach einem Entwurf des Architekten Ludwig Förster ein Casinogebäude im Neurenaissancestil erbaut. Vor dessen Gartenfassade wurde im Anstelle des ursprünglichen Nutz – und Zier- Jahr 1860 ein Brunnen mit einer Skulptur gartens des von Kaiser Joseph II. aufgelös- dreier angelnder Jungen von Franz Melten Jesuitenordens, wurde im Jahre 1786 nitzký und Adolf Loos sen. errichtet. der älteste (erste öffentliche) Stadtpark auf tschechischem Gebiet gegründet. Seine ursprünglich französische Gartengestaltung wurde im Einklang mit den Modetrends in den 30er Jahren des 19. Jahrhunderts in ADOLF LOOS SEN. / BRUNNEN MIT DER SKULPTUR DREIER ANGELNDER JUNGEN IN LUŽÁNKY PARK LUŽÁNKY, LIDICKÁ

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ADOLF LOOS SEN. / SKULPTURENSCHMUCK DES LANDHAUSES/ HEUTE VERFASSUNGSGERICHT JOŠTOVA 8

nach einem Projekt der Wiener Architekten Anton Hefft und Robert Raschka realisiert. Für Adolf Loos sen. war es wahrscheinlich der letzte große Auftrag, denn er stirbt im März 1879 im Alter von fünfzig Jahren.

In den Jahren 1875–1878 arbeitete Adolf Loos sen. zusammen mit dem Bildhauer Jan Tomola an einem renommierten Auftrag – dem figurativen Skulpturenschmuck der Attika des Landhauses. Den Bau des einzigen Parlamentsgebäudes mit Plenarsaal, das sich auf der Brünner Ringstraße befand, wurde von der Baufirma von Joseph Arnold 04

VEREINSHAUS / HEUTE PHILHARMONIE BRÜNN KOMENSKÉHO NÁM. 534/8 Die Tschechische Brünner Kulturgemeinschaft sehnte sich Ende des 19. Jahrhunderts nach einem eigenen repräsentativen Gesellschaftsgebäude. Für diese Aufgabe wählte sie den Architekten der Wiener Ringstraße Theophil Hansen aus. Das Palais im Neurenaissancestil wurde 1870–1873 erbaut. An der Ausgestaltung des Hauptkonzertsaals beteiligte sich skulptural Adolf Loos sen. Seine Bewunderung

für dieses Gebäude brachte der Architekt Adolf Loos auch in seinem Artikel „Von der Sparsamkeit“ zum Ausdruck, der 1924–1925 in der Zeitschrift „Wohnungskultur“ publiziert wurde: „Jedes Mal, wenn ich in Brünn war und das Deutsche Haus und das tschechische Vereinshaus betrachtete, sagte mir der Charakter dieser beiden Gebäude sofort, wie das mal mit Brünn enden wird. Aber nachdem, was ich vor kurzem in Prag gesehen habe, denke ich, dass die tschechischen Architekten in die Formen des Brünner Deutschen Hauses gehen. Das ist ein schlechtes Zeichen.“

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K. K. DEUTSCHE HÖHERE wo im Jahr 1889 Adolf Loos sein Abitur abdas er nach einem Jahr in Brünn wechselte. „Das Verhalten ist zwar entsprechend, der STAATSGEWERBESCHULE IN BRÜNN / HEUTE legte. Damals, in den Jahren 1888-1891, wurde Fleiß jedoch ungleichmäßig, die Ausführung in der heutigen Kudelova-Straße Nr. 8. ein MAGISTRAT DER STADT BRÜNN schriftlicher Arbeiten sehr nachlässig. Laneues Schulgebäude nach einem Entwurf HUSOVA 12 tein, Tschechisch, Deutsch und Mathematik der Architekten und Pädagogen der Schule In den Jahren 1871–1883 siedelte das Zwei- ungenügend, nur Naturkunde ausreichend Die K. k. deutsche höhere Staatsgewerbe- von Wilhelm Dwořak und Alois Prastorfer erschule in Brünn gründete, basierend auf dem richtet, das mit Stuckelementen des Bildte deutsche k. k. Staatsgymnasium im Ge- und Sport lobenswert.“ Erfolg der Wiener Weltausstellung von 1873, hauers Heinrich Leger verziert wurde. Zu den bäude des Alten Landhauses, des heutigen Neuen Rathauses. Ein Schuljahr absolvierte Eduard Wilde, ein Schüler des deutschen Ar- bedeutendsten Absolventen der Schule gehier in den Jahren 1880–1881 auch Adolf chitekten Gottfried Semper, der auch erster hörten z.B. später bekannte Architekten wie Loos. Seine „Studienerfolge“ können dem Direktor der Schule wurde. Die Schule befand Leopold Bauer (1891), Hubert Gessner (1889), bis heute erhaltenen Zeugnis auf dem Igsich damals auf der neugebauten Brünner Josef Hoffmann (1891), Ernst Wiesner (1909) lauer Gymnasium entnommen werden, an Ringstraße, der heutigen Husová-Straße 12, und weitere. ZWEITES DEUTSCHES K. K. STAATSGYMNASIUM IN BRÜNN / HEUTE MAGISTRAT DER STADT BRÜNN DOMINIKÁNSKÉ NÁMĚSTÍ 1


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KUNSTGEWERBEMUSEUM IN BRÜNN HUSOVA 14 Der Klub der Architekten in Prag und die Vereinten Kunstgewerblichen Betriebe von Jan Vaněk in Brünn initiierten gemeinsam einen Zyklus an Vorlesungen der wichtigsten avantgardistischen in- und ausländischen Architekten, die von November 1924 bis Februar 1925 in Brünn und Prag stattfanden. Die Brünner veranstaltete das Prorektorat der Professoren der Technischen Universität im Hörsaal des Kunstgewerbemuseums.

Das repräsentative Museumsgebäude auf der Brünner Ringstraße entwarf 1884 der Museumsdirektor, der Architekt Johan Georg Schön, im historischen Stil mit Bezug auf die Florentiner Renaissance. Am 30. Januar 1925 hielt hier auch Adolf Loos seinen Vortrag „Von der Ökonomie in der Architektur“. Sein Vortrag und die Beiträge weiterer berühmter Architekten, wie Walter Gropius, Direktor der Bauhaus-Schule, und J. J. Pieter Oud, beeinflussten zahlreiche junge Brünner Architekten.

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KARL-HEROLD-HAUS JIRÁSKOVA 26 Die Bauherren Heinrich Schmidt und Gottlob Alber errichteten 1888-1889 gleich fünfzehn einstöckige Familienvillen mit Vorgärten in der Tivoli-Straße, die heutige Jirásková. Nach der Fertigstellung wurden die Häuser an Privateigentümer verkauft, einschl. des Hauses Nr. 26. Des Hauses Nr. 26. Das Haus wechselte mehrmals den Besitzer, 1910 kaufte es der Textilfabrikant Karel Herold, der das Haus seinen Bedürfnissen anpassen

und in das ursprüngliche Dreiflügelgebäude mit Seitentreppe noch ein weiteres, sog. Gartenzimmer mit separaten Eingang bauen ließ. Der Entwurf des neuen Zimmers und die Änderungen der weiteren Einrichtungen für Karl Herold wurden wahrscheinlich von Adolf Loos ausgearbeitet – späterer Schriftverkehr und Zeugnis des Schülers von Loos, des Architekten Robert Hlawatsch. Es handelt sich somit um seine erste Brünner Umsetzung. Das Haus ist in Privatbesitz und für die Öffentlichkeit nicht zugänglich.

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BAUER-SCHLÖSSCHEN VÝSTAVIŠTĚ 1 Das Schlösschen wurde Anfang des 19. Jahrhunderts erbaut und war Teil des Altbrünner Zuckerfabrikareals des Großunternehmers Moritz Bauer. Von 1911 wurden die Familienunternehmen von seinem Enkel Viktor Ritter von Bauer verwaltet. Während seiner Amtszeit wurden die Grundstücke in Brno-Pisárky zwangsweise für den Bau des Messegeländes aufgekauft. Der Reisende, Anwalt und begeisterte Anthropologe Viktor Bauer bewegte

sich in Kreisen der Wiener Modernisten, wo er auch den Architekten Adolf Loos kennenlernte. Um das Jahr 1925 bat er ihn um die Gestaltung seiner Brünner Villa. Dessen Speisesaal, verkleidet mit Cipollin-Marmor und verziert mit einer figürlichen Stuckleiste (erhalten ist auch teilweise die Schlafzimmereinrichtung), ist das einzige öffentlich zugängliche, erhaltene Werk des Architekten in seiner Heimatstadt, obwohl wir heute wissen, dass Adolf Loos für Viktor Bauer die architektonische Gestaltung des gesamten Interieurs des Schlösschens entworfen hat.

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VEREINTE KUNSTGEWERBLICHE BETRIEBE UND „WOHNUNGSKULTUR“ MASARYKOVA 31 Im Jahr 1923 kam Adolf Loos regelmäßiger nach Brünn. Die Architekten Jan Vaněk, Ernst Wiesner und der Kunsthistoriker Bohuslav Markalous luden ihn dazu ein, sich der Redaktion der Zeitschrift „Wohnungskultur“ anzuschließen. Es handelte sich um eine Monatszeitschrift, die auch ihre deutsche Version hatte, deren Veröffentlichung nach einem Jahr gestoppt wurde (dann in den

NICHT REALISIERTES „HAUS AUF DEM DACH“ SEDLÁKOVA 27 Anstelle des heutigen dreistöckigen Miethauses, das von der Baufirma der Eisler-Brüder errichtet wurde, sollte ursprünglich ein nicht realisiertes, von Loos entworfenes Haus mit einem völlig unabhängigen Komplex einer Penthouse-Wohnung mit einer Terrasse im oberen Teil stehen. Der Bauherr (Jindřich) Heinrich Jordan, ein Likörhändler, beauftragte Ende 1930 den berühmten

Architekten mit dem Entwurf eines Hauses, den sie mehrmals gemeinsam persönlich und brieflich konsultierten. Dennoch beendete aber Jindřich Jordan im Februar 1931 ihre Zusammenarbeit mit folgenden Worten: „Nach gründlicher Prüfung Ihres Projektes und nach reiflicher Überlegung bin ich leider zu dem Schluss gekommen, dass es für meine Zwecke nicht in Frage kommt. Glauben Sie mir, es war ein harter Kampf, der sich zwischen meinen Wünschen und meinen Möglichkeiten abgespielt hat.“

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30iger Jahren in Prag wieder aufgenommen wurde), obwohl diese Fachzeitschrift mit Fokus auf modernes Design und Architektur nicht nur in Brünner Kulturkreisen von großer Bedeutung war. Der damalige Direktor der Vereinten kunstgewerblichen Betriebe Jan Vaněk engagierte Adolf Loos als Vertreter der Firma in Paris.

A.-LOOS-DENKMAL O. MORYS, J. SEDLÁK JANÁČKOVO NÁMĚSTÍ Nur ein sehr geringer Teil an Architektur gehört zur Kunst: Grabsteine und Denkmäler. Alles andere, alles, was einem Zweck dient, muss aus dem Reich der Kunst ausgeschlossen werden.“ Schreibt Adolf Loos in seinem Artikel „Architektur“ für die Zeitschrift „Der Sturm“ im Jahr 1910. Zum 150. Geburtsjubiläum wird an Loos‘ Geburtsort in der Kounicova-Straße ein neues Denkmal

des Architekten Adolf Loos vom Bildhauer Oldřich Morys und dem Architekten Jaroslav Sedlák installiert, dessen Konzeption auf Loos‘ Grabstein basiert, der nach seinem eigenen Entwurf gefertigt wurde und auf dem Zentralfriedhof in Wien steht. „Die Grundidee des Wettbewerbsentwurfs ist es, ein Negativ (einen Fingerabdruck) von Loos‘ letzter Ruhestätte für den Ort zu schaffen, an dem er geboren wurde, aufwuchs, und der ihn in hohem Maße geprägt hat.“


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Herausgeber: TIC BRNO, p. o. Titelfoto: Interieur des BauerSchlösschens, M. Dvořáková Foto und Bildmaterial: Museum der Stadt Brünn, Archiv der Stadt Brünn, Visualisierung des Denkmals: O. Morys und J. Sedlák, Repro: Wohnungskultur I 1924/1925 Autoren der Texte: Lucie Valdhansová, Veronika Jičínská Die Beitragsorganisation TIC BRNO, p. o. wird finanziell von der Statutarstadt Brünn unterstützt. 2020 www.ticbrno.cz www.gotobrno.cz


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