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Buchvorstellung
200 Jahre "Bitte der armenTiere" von Christian Adam Dann
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1822 veröffentlichte der Stuttgarter Pfarrer Christian Adam Dann eine „Schutz- und Bittschrift für die Thiere“, die nicht nur das bürgerliche Lesepublikum, sondern auch viele Bauern- und Handwerkerfamilien erreichte. Sie wurde zur meistgelesenen deutschen Tierschutzschrift im 19. Jahrhundert und erlebte drei Auflagen. Ihre große Wirkung verdankte die 44-seitige Broschüre der Kraft der Sprache, der lebendigen Bildhaftigkeit und der Dramatik der Darstellung, die gleichzeitig spürbar werden ließen, dass hier einer neuen Sache das Wort geredet wurde: Jede/r Leser/in sollte dazu beitragen, das Elend der Tiere zu mindern und ihr Recht auf ein Minimum an Lebensgenuss zu respektieren – letzteres war wirklich neu! Anders als frühere Äußerungen von Theologen und Philosophen wollte die Schrift nicht hauptsächlich das Verhältnis zu den Tieren theoretisch reflektieren, sondern zu Verhaltensänderungen ihnen gegenüber treiben. Die „Bitte“ markiert den historischen Übergang von der Reflexion zur Aktion, zum praktischen Schutz der Tiere. Das war etwas vollkommen Neues. Wie sich zeigen sollte, war sie der erste Schritt hin zur Entstehung der deutschen Tierschutzbewegung in Württemberg. 1822 arbeitete Pfarrer Dann in Mössingen auf der Alb. Dorthin war er 1812 aus Stuttgart strafversetzt worden, weil er das feudale Lotterleben am königlichen Hof öffentlich kritisiert hatte. Strenge moralische Maßstäbe wendeten nicht nur Pietisten wie Dann gegen das Ancien Régime, sondern das Bürgertum überhaupt. Individualismus, Gefühlskult und Empfindsamkeit wurden gegen den Spätabsolutismus in Stellung gebracht. In dieser geistigen Atmosphäre begann man auch Tiere verstärkt als Individuen wahrzunehmen und ihr Leid in die eigene Gefühlswelt einzubeziehen – ein wichtiger Antrieb für Pfarrer Dann und die spätere Tierschutzbewegung, aktiv zu werden. Der Beginn der „Bitte“ lässt das gut erkennen: Dann schildert, wie beim Ostergottesdienst im Freien neben der Kirche über den Köpfen der Gläubigen das gerade zurückgekehrte Storchenpaar hin und her flog, um ihr Nest auf dem Kirchturm in Ordnung zu bringen – erhebend und wohltuend „für unser Herz“. Wochen später, als die Jungen schon ausgeflogen sind, wird eins der Elterntiere auf einer Wiese Mössingens niedergeschossen. Wie Dann nun den vereinsamten Partner tagelang fast unbeweglich auf dem Nest stehen sieht, beschreibt er, wie er dessen Trauer teilt und ihm „Thränen … in die Augen“ treten. Es gelingt ihm, seine Leser/innen an dem Schmerz des großen Vogels teilhaben und ihn als Individuum, als Person wahrnehmen zu lassen. Das Elend der Tiere stellt Dann anschließend mit unzähligen ergreifenden Beispielen vor Augen, indem er einen mitnimmt auf Spaziergänge durch Dörfer und Städte. Schließlich lässt er die Tiere selbst sprechen, mit der äußerst bescheidenen Bitte: „Macht uns unser meist kurzes, mühevolles Leben erträglich und unsern Tod so kurz und so leicht wie möglich.“ Dass in 200 Jahren bis heute nicht einmal das erreicht wurde, zeigt jeder Blick auf das Leben der Tiere in unserer heutigen Gesellschaft. Eine ausführliche Darstellung der „Bitte“ liefert das unten vorgestellte neue Buch. ■
Eine Geschichte von Menschen und Tieren
von Wolfram Schlenker
Mitte 1837 starb C. A. Dann. So konnte er nicht mehr erleben, dass sein Wunsch nach organisiertem Schutz der Tiere ab Dezember 1837 in Erfüllung ging. Innerhalb weniger Monate wurden in Stuttgart, Tübingen und anderen württembergischen Orten sechs „Vereine gegen Tierquälerei“ gegründet. Sie gingen zwar nach wenigen Jahren wieder ein, setzten aber einen der ersten Tierschutzparagrafen in Deutschland durch. Sie wurden bis auf den Stuttgarter Verein, unseren ersten Vorläufer, völlig vergessen. Das ist für die Tierschutzbewegung insgesamt leider ziemlich typisch: Sie pflegte (und pflegt) ihre Traditionen kaum, auf die sie doch stolz sein könnte. Die Geschichtswissenschaft ignoriert bis heute weitgehend alles, was mit Tieren zu tun hat. Keine andere große soziale Bewegung ist so wenig erforscht. Das versucht das nebenstehende Buch zu ändern, das auf Grundlage unzähliger Quellen die Geschichte der württembergischen Tierschutzvereine im 19. Jahrhundert erzählt, die ihr Zentrum immer in Stuttgart hatten. Dabei geht es nicht nur um die Menschen, denen das Elend der Tiere in der menschlichen Gesellschaft keine Ruhe ließ, sondern auch um die Tiere: Durch die Augen der zeitgenössischen Tierschützer/innen entfaltet das Buch ein plastisches Panorama der damaligen Lage der Tiere.
Tiere benötigen die Verantwortung von uns Menschen. Wir übernehmen sie, wenn andere es nicht mehr können oder wollen. Sie können unsere Arbeit unterstützen und den Tieren durch eine Spende, eine Patenschaft oder einem testamentarischen Vermächtnis helfen.
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