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Heimatmuseum Stiebritz
Auf der Saale-Ilm-Platte, oberhalb des Gönnabaches liegt das Dörfchen Stiebritz. 1992 zog es Familie Rhode aus Jena hierher in die Idylle - in das vakante Wirtschafts- und Verwaltungsgebäude der ehemaligen LPG Altengönna. Als 2006 das „850-Jährige“ des Dorfes nahte, wollten die „Fremmen“ etwas zu seiner Geschichte und der der näheren Umgebung beitragen. Da die Ärztin Dr. Rhode, aktuell an der Uni Jena in der biomedizinischen Forschung tätig, sich nebenbei als passionierte Bodendenkmalpflegerin engagiert, sollte es die vor- und frühgeschichtliche Zeit betreffen. „Für Geologie und Fossilien interessierte ich mich schon als Schülerin. Im Kulturbund, professionell begleitet, sammelten wir geologische Erkenntnisse und Fossilien, die sich ja rund um Jena reichlich finden lassen. Um den Fundus für eine geplante archäologische Ausstellung noch um einiges ‚Einheimische‘ zu bereichern, ‚scannten‘ wir an Wochenenden systematisch die umliegenden Äcker ab. Wir wussten, dass früher der Hainichener Pfarrer Arno Schröder und der Stiebritzer Lehrer Hugo Jacob mit Schülern schon rund 40 000 archäologische Fundstücke zusammentrugen (jetzt im Jenaer Institut für Ur- und Frühgeschichte), was unsere Erwartungen auf sensationelle Funde dämpfte. Doch die neuzeitlich tiefere Bodenbearbeitung ermöglichte die Sensation: Wir fanden ein Steinbeil aus Amphibolit, einem harten schwarzgrünen, Gneis ähnlichen Gestein - 5000 Jahre alt. Der Stein dafür stammt nicht aus unserer Gegend, wahrscheinlich aus den Karpaten oder aus Anatolien, was auf den schon damals florierenden Handel mit oder auf Ansiedlung südlicher Völker hindeutet.“ Ein Beispiel für die Aussagekraft solcher Funde über das Leben der sehr Altvorderen zu Zeiten ohne schriftliche Überlieferungen. Ein zweiter sensationeller Fund bestätigt das: Ein römischer Denar von 191, mit dem Bildnis des damaligen Cäsaren Commodus, den Dr. Rhode auf dem Acker erspähte. Schließlich entstand im einstigen Schafstall ihres Gehöfts ein Heimatmuseum von knapp 5x5m, mit einer Fülle von Fossilien, Rudimenten von Steinwerkzeugen, Band- und Schnurkeramikscherben, baulichen Überresten, menschlichen Gebeinen aus Hockergräbern und Leichenbrandteilchen von Feuerbestattungen in der Bronzezeit. Auch der Rest eines Bronzekessels findet sich, damals ein wertvoller Gegenstand, ein Erbteil. Alles sorgfältig deklariert, in Vitrinen geordnet und doch zum „Anfassen“ gedacht. „Wir wollen besonders jungen Menschen vermitteln, was uns diese Funde über die Menschen von vor 5000 Jahren bis zum Mittelalter erzählen oder vermuten lassen: Wie sie lebten, welche Bräuche sie pflegten, welches Gerät sie nutzten und darüber, wie sie arbeiteten, welche Handwerke es gab, welche Handwerkzeuge sie herstellten und gebrauchten, um Holz und Stein zu bearbeiten, zu spinnen, zu weben, zu jagen, zu schlachten, Lebensmittel zuzubereiten, beispielsweise Einkorn, Emmer und Dinkel zu schroten und zu mahlen, mit Reibstein und Mahlstein.“ Eine mobile „Mühle“ dieser Art führten römische Legionäre auf Kriegszügen mit – und vergaßen sie wohl bei Stiebritz. Interessierte Besucher erfahren, dass die Bearbeitung von Stein, vor allem von Feuerstein zu Schneidwerkzeugen und Pfeilspitzen, besondere, heute nur schwer nachahmbare handwerkliche Fertigkeiten erforderten. „Bei uns kann man sich mit dem Bogen selbst von der Durchschlagskraft nachgebauter Pfeile überzeugen, vor allem aber anhand von Fakten und Phantasie in die vergangene Zeit versetzen. Das große ‚Archiv‘ dazu liegt (fast) ungehoben in der Erde. Unser kleines Archiv stellt nur ein Puzzleteil dar. Der Fundus gehört überdies, wie alle Erdfunde, dem Land Thüringen. Freundlicherweise überließ ihn uns der Freistaat, unterm Dach des „Stiewartser Traditionsvereins“, der auch ein Begleitheft von Hans u. Dr. Heidrun Rhode dazu herausgab.“ Wilhelm Schaffer Foto: Rhode