Video-Mapping auf ein formdynamisches Objekt als interaktive Installation

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Video-Mapping auf ein formdynamisches Objekt als interaktive Installation

Bachelorthesis im Studiengang Audiovisuelle Medien Hochschule der Medien, Stuttgart

vorgelegt am 15.11.2012 von Tobias Isakeit Matrikelnummer 20412

1. Pr체ferin: Prof. Susanne Mayer 2. Pr체fer: Dipl. Ing. (FH) Horst J채kel



Erkl채rung Diese Arbeit wurde von mir selbst채ndig und ohne fremde Hilfe verfasst. Zitate sind als solche gekennzeichnet, auf alle verwendeten Quellen wird verwiesen.

Tobias Isakeit Stuttgart, den 11.11.2012



I. EINLEITUNG

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II. THEORETISCHER TEIL

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1. Interaktive Kunst

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1.1. Die Anfänge

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1.2. Neue Technik

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1.3. Kunst im öffentlichen Raum

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2. Kinetische Skulpturen

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2.1. Vorwort

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2.2. Op-Art

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2.3. Pioniere der kinetischen Kunst

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2.4. Ausstellungen und Gruppen

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2.5. 1960 bis Heute

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3. Videomapping

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3.1. Eine kurze Geschichte der Projektion

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3.2. Ein Ausflug in die Lichtkunst

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3.3. Videokunst und Audiovisualisierungen

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3.4. Was ist Mapping

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3.5. Von der Leinwand zum Objekt

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3.6. Statische Objekte

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3.7. Dynamische Objekte

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4. Ein erstes Résumé

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III. PRAKTISCHER TEIL

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1. Mapping auf ein formdynamisches Objekt

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1.1. Was ist ein formdynamisches Objekt

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1.2. Die Vision

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2. Das Modell

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2.1. Die Grundform

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2.2. Prototyping von Form und Mechanik

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2.3. Miniaturmodell für Mechaniktests

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2.4. Steuerung des Modells

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2.5. Konstruktion des finalen Modells

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3. Videomapping

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3.1. Stand der Technik

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3.2. Vorbereitung des 3D-Modells

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3.3. Das 3D-Modell in ›vvvv‹

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3.4. Simulation der Modellbewegung in ›vvvv‹

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3.5. Projektion und Texturierung

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3.6. Steuerung der Parameter

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IV. FAZIT UND AUSBLICK

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V. DANKSAGUNG

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VI. QUELLENNACHWEIS UND ABBILDUNGSVERZEICHNIS

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I. Einleitung Das Thema ›Videomapping/Projektionsmapping‹ ist in den letzten fünf Jahren sowohl im Bereich der visuellen Unterhaltung als auch in der Werbung und dem Marketing zu einem beliebten Medium geworden. Diese Arbeit behandelt den momentanen Stand des interaktiven Videomappings und gliedert sich in einen theoretischen und einen praktischen Teil. Im theoretischen Teil werden in den einzelnen Kapiteln die verschiedenen Kunstbereiche ›interaktive Installationen‹, ›kinetische Kunst‹ und ›Videomapping‹ in ihrer Entwicklung dargestellt. Es wird mit Beispielen auf die jeweiligen Besonderheiten eingegangen und deren gegenseitiger Einfluss aufgezeigt. Im praktischen Teil werden Konzeption und Umsetzung eines dynamischen und interaktiven Objektes in Kombination mit einem Projektionsmapping geschildert. Der Grundgedanke ist, von der traditionellen Art des Videomappings einen Schritt weiter zu gehen und sich nicht auf ein statisches Objekt zu beschränken, sondern ein Objekt zu konstruieren, das sich in seiner Gestalt dynamisch verändern kann und während dieses Vorgangs in Echtzeit gemappt wird. Im Mittelpunkt steht die Frage der Realisierbarkeit und wie ein solches Objekt, im Vergleich zu einem statischen Videomapping, auf den Betrachter wirkt.



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II. Theoretischer Teil


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Interaktive Kunst » Die Anfänge

1. Interaktive Kunst 1.1. Die Anfänge Abseits der traditionellen Kunstinstitutionen, wie Galerien oder Museen, hat sich die interaktive Kunst hauptsächlich entwickelt. Gab es bereits schon 1913 im ›Variety Theater Manifest‹ Ansätze der Zuschauerbeteiligung von Filippo Tommaso Marinetti, welche auf die physische Teilnahme der Besucher abzielte, bot Max Ernst 1920 in der zweiten Kölner Dada-Ausstellung die Möglichkeit eines seiner Werke mittels einer daneben angebrachten Axt zu ›beurteilen‹1. 1938 plante Marcel Duchamp zusammen mit Salvador Dalí, Max Ernst und Man Ray eine Beteiligung des Publikums an der Ausstellung ›Exposition Internationale du Surréalisme‹. Dabei wurden den Besuchern Lampen zur Verfügung gestellt, mit denen sie die ausgestellten Bilder selbst beleuchten konnten. Die anfängliche Idee, die Bilder automatisch zu beleuchten, nachdem die Besucher eine Lichtschranke durchschritten haben, musste aufgrund technischer Schwierigkeiten aufgegeben werden2. Die Kunstformen ›Happening‹ und ›Fluxus‹, welche in den sechziger Jahren entstanden, hatten vorrangig einen provokativen und schockierenden Charakter, der das Publikum zu einer Reaktion und Teilnahme bewegen sollte.

1 vgl. Dinkla, S. Pioniere Interaktiver Kunst. ZKM Edition. Karlsruhe: Cantz; 1997. S. 25 2 vgl. Dinkla, S. Pioniere Interaktiver Kunst. ZKM Edition. Karlsruhe: Cantz; 1997. S. 26


Interaktive Kunst » Neue Technik

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1.2. Neue Technik In den späten fünfziger und sechziger Jahren entstanden die ›cyborg art‹ und die sogenannten ›reactive environments‹. Bei diesen Stilen lag das Hauptaugenmerk erstmals auf den elektromechanischen Systemen als technische und automatisierte Komponente, welche auf direkte oder indirekte Umweltreize reagierten. So erschuf Nicolas Schöffer 1956 die erste kybernetische Skultpur namens ›CYSP 1‹ (cybernetic-spatiodynamic) in Zusammenarbeit mit dem Unternehmen Philips. Die Skulptur reagiert sowohl auf Helligkeit, als auch auf Farben und Töne. So zeigt sie eine beschleunigte Bewegung bei der Farbe Blau, sowie bei Stille oder Dunkelheit, wohingegen die Farbe Rot, ein gehobener Geräuschpegel oder extreme Helligkeit eine Verlangsamung zur Folge haben.3 Nicolas Schöffer gilt als Vater der kybernetischen Kunst: „He was an artist with far reaching ideas about the future function of art in society and he was disgusted by the bourgeois world of galleries and the art market. As a pioneer of kinetic art he was the first artist to make interactive sculptures.“

Gab es bei den Happenings eine Reaktion des Publikums, so bezog sich diese auf den Inhalt der Darbietung. Mit dem Einzug technischer Kontroll- und Steuermöglichkeiten in die Kunst verlagerte sich die Interaktion

Abb. 1: ›CYSP 1‹ von Nicolas Schöffer aus dem Jahr 1956

der Teilnehmer hin zu einer bewussten und gezielten Beteiligung und zwang den Besucher, sich mit dieser neu aufkommenden Form der Technologie auseinanderzusetzen. Die Maschine als gleichwertig gestellte Instanz zum Menschen, als Konter-

http://www.thecentreofattention. org/exhibitions/schoeffer.html [Stand 17.09.2012]

part und/oder Dialogpartner zu sehen, war eine neue Sichtweise auf die Verwendung von Technologie in der Kunst.

3 vgl. http://www.olats.org/schoffer/cyspe.htm [Stand 17.09.2012] und Gardiner, H. Art Practice in a Digital Culture. Farnham: Ashgate Publishing, Ltd.; 2010. S. 64


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Interaktive Kunst » Neue Technik

Häufig fand diese neue Interaktion in spielerisch-experimenteller Form statt, wie es viele der ›reactive environments‹ und ›closed-circuit-Installationen‹ zeigen. Nam June Paiks ›Participation TV II‹ aus dem Jahr 1969 versetzt die Besucher durch einen geschlossenen Videokreislauf, bestehend aus drei Kameras und einem Monitor, in einen spielerischen Dialog mit dem Werk. Die verschiedenen Installationen von Myron W. Krueger setzten in dem Bereich der interaktiven Kunst und der ›reactive environments‹ Maßstäbe. Mit seinem 1969 realisierten Projekt ›Glowflow‹ gaukelte er dem Besucher einen sich nach hinten verengenden Raum vor. Das erreichte er durch geschickt positionierte leuchtende Röhren, die sich in einer schwarzen Umgebung zu einem imaginären Fluchtpunkt hin nähern. Damit erwecken sie den Anschein, es gäbe ein Gefälle im Raum. Zusätzlich gab es noch Klänge eines Synthesizers, die auf Abb. 2: Funktionszeichnung ›Glowflow‹ von Myron Krueger, 1969

sechs Lautsprechern, die im Raum verteilt waren, abgespielt wurden. Die visuellen und akustischen Ereignisse wurden mittels unsichtbar angebrachten Drucksensoren durch die Besucher ausgelöst.4 Seine weiteren Werke haben, jedes für sich, einen eigenen Schwerpunkt in der Entwicklung von interaktiven Installationen. Bei ›Metaplay‹ spielte der Künstler selbst wieder eine wichtige Rolle. In einem separaten Raum manipuliert er über eine spezielle Schnittstelle das projizierte Umfeld, in dem sich der Besucher befindet und interagiert. ›Psychic Space‹ fokussiert auf spielerische Weise das Ver-

Abb. 3: Funktionszeichnung ›Metaplay‹ von Myron Krueger, 1970

hältnis zwischen Besucher und Kunstwerk auf Basis gewisser sozialer und psychologischer Regeln. Bei ›Critter‹ und ›Human Critter‹ lag

4 vgl. Dinkla, S. Pioniere Interaktiver Kunst. ZKM Edition. Karlsruhe: Cantz; 1997. S. 70 ff.


Interaktive Kunst » Neue Technik

das Hauptaugenmerk auf der Programmierung, wodurch die Installation auf unterschiedliches Besucherverhalten reagieren konnte. ›Videoplace‹, das aus den Erkenntnissen der vorangegangenen Projekten entstand, vereinte die unterschiedlichen Schwerpunkte in seinen verschiedenen Spielmodi. Durch die Interaktion der – meist unvorbereiteten – Besucher mit der Installation, werden diese zusätzlich zu ihrer Rolle als Betrachter zu Initiatoren und Akteuren und damit zu einem wesentlichen Bestandteil des Werkes. „Dieser Dialog mit dem System wird zum künstlerischen Material.“ Dinkla, S. Pioniere Interaktiver Kunst. ZKM Edition. Karlsruhe: Cantz; 1997. S. 41

Eine entscheidende Komponente der interaktiven Kunst ist, dass die Besucher ohne Vorahnung und genaue Anweisungen eine dialogartige Beziehung zur Installation aufbauen können. Nicht weniger wichtig ist, dass Dauer, Interaktionsgrad und Kontextbildung dem Besucher überlassen sind. Diese Ausgangssituation ist in der interaktiven Kunst nicht nur konzeptionell mit eingeplant und antizipiert sondern notwendig für das Funktionieren der Installationen. Im Zuge der Entwicklung des Computers in den späten siebziger Jahren und die damit einhergehende höhere Leistungsfähigkeit und Geschwindigkeit führte dazu, dass die Installationen im Laufe der Zeit technisch versierter wurden und den Besuchern verschiedene Möglichkeiten des interaktiven Eingreifens boten. Dieser technologische Wandel wurde später selbst zum Thema der interaktiven Kunst und veranlasste den Besucher zu einer kritischen Reflektion über die Entwicklung der Gesellschaft und seine Situation in einer zunehmend computergesteuerten Welt.

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Interaktive Kunst » Kunst im öffentlichen Raum

1.3. Kunst im öffentlichen Raum Da die ›reactive environments‹ hauptsächlich im Kunstumfeld und in den dementsprechenden Einrichtungen und Veranstaltungen gezeigt wurden, beschränkte sich das Publikum auf Kunstinteressierte und Technikaffine, die den Fortschritt dieser speziellen Kunstform verfolgten. Mit der Realisierung des Philips-Pavillons zum Anlass der Expo in Brüssel im Jahr 1958 war ein erster großer Schritt getan, auch das öffentliche Interesse an einer neuen Art der audiovisuellen Kunst zu wecken. Obwohl diese Installation keinen interaktiven Teil bereitstellte, war sie doch ein frühes Beispiel für die multimediale und räumliche Verknüpfung von akustischen und visuellen Inhalten. Schon allein die Architektur war in dieser Zeit ein Bruch mit dem Gewohnten und bot Platz für 500 Besucher. Im Innern der hyperbolischen Paraboloid-Architektur konnte man eine acht Minuten lange Vorführung einer Komposition aus Licht, Ton und Raum erleben. Die Projektionen fanden auf mehreren Innenwänden der Konstruktion statt und das speziell komponierte Musikstück von Edgard Varèse konnte dank der circa 350 im Raum verteilten Lautsprecher Abb. 4: Der Philips-Pavillon auf der Expo 1958 in Brüssel

frei positioniert werden.5

5 vgl. VEP project, [Video] http://www.edu.vrmmp.it/vep/VEP_documentary.html [Stand 29.07.2012]


Interaktive Kunst » Kunst im öffentlichen Raum

Ein ähnliches Spektakel konnte man 1969 mit der Aufführung ›HPSCHD‹ von John Cage erleben. Während der Premiere, mit einer Gesamtdauer von über fünf Stunden, war der Besucher dazu angehalten, sich frei zu bewegen sowie nach eigenem Ermessen die Aufführung zu verlassen oder wieder zu betreten. Dargeboten wurde eine 360° Rundumprojektion auf mehreren Polyethylenflächen in ungefähr 36 Metern Höhe. Auf diese Flächen wurden mithilfe von 64 Diaprojektoren und 8 Filmprojektoren 6400 Dias und 40 Filme

Abb. 5: Installation ›HPSCHD‹ von John Cage im Jahr 1969

projiziert. Sie zeigten Bilder über die Geschichte des Bewußtseins der Menschheit vom Kosmos, angefangen von Höhlenmalereien bis hin zu den damals aktuellsten Bildern der NASA. Akustisch wurde das Ganze untermalt von bis zu sieben Cembali (engl. Harpsichord, daher auch der Titel) und 51 Bandaufnahmen von computergenerierten Klängen.6 In der Kunstszene gab es zu dieser Zeit eine Art Hybrid zwischen Happening, Performance und Environment. Wie zum Beispiel das von Jeffrey Shaw als Mitglied der ›Eventstructure Research Group‹ realisierte Projekt ›Corpocinema‹ (Körperkino). Die Installation war eine transparente PVC-Halbkugel mit einem Durchmesser von sieben Metern und einer Höhe von viereinhalb Metern. Im luftgefüllten Innern fanden verschiedene Aktionen mit Dampf, Rauch, Farbpigmenten und Pyrotechnik statt. Von Außen wurden zusätzlich Dia- und Filmaufnahmen auf die Kuppel projiziert.7 Aufgrund ihrer strukturellen Beschaffenheit bildete sich für solche und ähnliche Installationen der Begriff ›Inflatables‹.

6 Youngblood, G. Expanded Cinema. Toronto and Vancouver: Clarke, Irwin & Company Limited; 1970. S. 374 f und http://www.johncage.info/workscage/hpschd.html 7 vgl. Dinkla, S. Pioniere Interaktiver Kunst. ZKM Edition. Karlsruhe: Cantz; 1997. S. 98

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Interaktive Kunst » Kunst im öffentlichen Raum

Gene Youngblood prägte für experimentelle Videos und frühe Computerfilme sowie Performances und Videoprojektionen den Begriff ›Expanded Cinema‹. „When we say expanded cinema we actually mean expanded consciousness. Expanded cinema does not mean computer films, video phosphors, atomic light, or spherical projections. Expanded Cinema isn‘t a movie at all: like life it‘s a process of becoming, man‘s ongoing historical drive to manifest his consciousness outside of his mind, in front of his eyes.“8 „Expanded Cinema isn‘t a movie at all …“ Youngblood, G. Expanded Cinema. Toronto and Vancouver: Clarke, Irwin & Company Limited; 1970. S. 41

So könnte man auch den Pepsicola-Pavillon, welcher 1970 auf der Expo in Osaka ausgestellt wurde, als ›Expanded Cinema‹ oder sogar als ›Inflatable‹ bezeichnen. Billy Klüver und die von ihm gegründete Gruppe ›Experiments in Art and Technology‹ schufen zusammen mit weiteren Künstlern den Pepsicola-Pavillon und damit eine riesige öffentliche Skulptur als multimedialen Performanceraum und ›reactive environment‹. Abb. 6: Der Pepsicola-Pavillon auf der Expo 1970 in Osaka, Außenansicht

8 Youngblood, G. Expanded Cinema. Toronto and Vancouver: Clarke, Irwin & Company Limited; 1970. S. 41


Interaktive Kunst » Kunst im öffentlichen Raum

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Im Außenbereich bewegten sich sieben interaktive sogenannte ›Floats‹ des Künstlers Robert Breer. Die geodätische Kuppel im Stil von R. Buckminster Fuller wurde von einem künstlichen Nebel eingehüllt, der sich den Wetterbedingungen anpasste und vier Lichtmaste spannten um diese Kuppel ein schräg im Raum liegendes Rechteck auf. Den Kern des Pavillons bildete eine Halbkugel aus verspiegeltem Mylar (eine spezielle Polyester-Folie) und hatte einen Durchmesser von ungefähr 27 Metern und eine Oberfläche von über 1200 Quadratmetern. In dieser Halbkugel fanden Aufführungen statt und die Besucher konnten durch die besondere verspiegelte Oberfläche und Umhergehen das Geschehen von jeder Seite betrachten. Auf dem Boden gab es einen Bereich mit zehn verschiedenen Belägen. Die Besucher hörten über ein Handgerät unterschiedliche Geräusche zu den jeweiligen Belägen, sobald sie darüber liefen. Ein spezielles Soundsystem bespielte 37 Lautsprecher, die hinter der verspiegelten Kuppel installiert waren. Hierdurch konnte der Klang beliebig im Raum positioniert werden.9

Abb. 7: Der Pepsicola-Pavillon auf der Expo 1970 in Osaka, Innenansicht

„Hauptanliegen der an der Konzeption beteiligten Künstler war es, den Besuchern des Pavillons ein Erlebnis aus Wahlmöglichkeit, Verantwortung, Freiheit und Teilhabe zu vermitteln.“ Klüver, B. ARCH+. Ausgabe 149/150. S. 126

9 vgl. http://www.zakros.com/projects/pavilion/original_new.html [Stand 30.07.2012]


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Interaktive Kunst » Kunst im öffentlichen Raum

Die Verbindung zwischen der speziellen Welt der Künstler und dem hedonistischen Nachtleben des feiernden Partyvolkes fand sich während den sechziger Jahren in New York. Genauer gesagt in den Ereignissen in und um der von Andy Warhol geschaffenen Einrichtung ›The Factory‹. Hier vereinten sich Maler, Musiker, Tänzer, Schauspieler, Filmemacher, Selbstdarsteller und Experimentierfreudige. Mit Abb. 8: ›Exploding Plastic Inevitable‹ von Andy Warhol, 1967

der damaligen Band ›The Velvet Underground‹ als Hauptattraktion plante Andy Warhol 1967 das Ereignis ›Exploding Plastic Inevitable‹.

„Then they flash lights on you and everything and turn you into wallpaper. Then, you’re supposed to go out of your mind.“ Aus einem Werbeplakat für das Event ›Exploding Plastic Inevitable‹, Hart, S. Warhol Live. Montreal: Prestel Publishing Ltd.; 2008. S. 152, Bild 69

Diese facettenreiche Show attackierte die Besucher mit lärmender Musik, Stroboskopblitzen und weiteren Lichteffekten, sowie Dia- und Filmprojektionen mit teils sadomasochistischem Inhalt. Nach ihrer Premiere im ›Open Stage‹ wurde sie extrem populär und tourte durch verschiedene Szeneclubs von New York und anderer Städte der USA.10 Damit war das multimediale Ereignis, ermöglicht durch neue Technologien, als Symbiose aus Musik, Film und Performance in der öffentlichen Wahrnehmung endgültig angekommen.

10 Hart, S. Warhol Live. Montreal: Prestel Publishing Ltd.; 2008. S. 140 ff


Kinetische Skulpturen » Vorwort

2. Kinetische Skulpturen 2.1. Vorwort Der Thematik und des Umfangs dieser Arbeit wegen ist der Begriff und die spezielle Richtung der kinetischen Kunst erst einmal einzugrenzen. Die frühen Maschinen und Automaten, welche zum Beispiel zur Zeitmessung oder zum Verrichten immer wiederkehrender Tätigkeiten schon zur Zeit der Griechen und später im 18. Jahrhundert hergestellt wurden, sollen nicht Bestandteil dieser Untersuchung sein. Auch geht es nicht um die Generierung von Kunst mithilfe von kinetischen Apparaten, wie zum Beispiel die ›Méta-Matic‹-Reihe von Jean Tinguely oder die ›Preußische Brautmaschine‹ von Rebecca Horn. Auch die beweglichen Gebilde von Man Ray und die Mobiles von Alexander Calder oder ähnliche kinetische Skulpturen, die das Medium Wind aufnehmen, sollen hier außen vor gelassen werden. Vielmehr richtet sich der Fokus auf kinetische Objekte, welche reale und/oder virtuelle Formen abbilden und mit dem Blickwinkel des Betrachters spielen.

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Kinetische Skulpturen » Op-Art

2.2. Op-Art Möchte man also die kinetische Kunst, wie sie in dieser Arbeit gesehen wird, genauer betrachten, so wirft man am Besten einen Blick auf die Op-Art. Diese Kunstrichtung, entstanden aus den experimentellen Bereichen des Konstruktivismus und geprägt von Victor Vasarely, stellt eine körperliche Darstellung der visuellen Wahrnehmung und der optischen Täuschung dar.11 „Kinetische Kunst ist eine künstlerische Ausdrucksform, in der seit 1920 Bewegung nicht als Skulptur oder Bild dargestellt wird […], sondern real bewegte, meist maschinengestützte Objekte zu sehen sind, die vom Betrachter in Gang gesetzt werden. […] Die Licht- und Bewegungsobjekte bzw. Maschinen der Kinetischen Kunst führten durch das Moment der virtuellen oder realen Bewegung die vierte Dimension – die Zeit – ein.

„Die Licht- und Bewegungsobjekte bzw. Maschinen der Kinetischen Kunst führten […] die vierte Dimension – die Zeit – ein.“ http://www.zkm.de/algorithmische-revolution/index.php?module= pagemaster&PAGE_user_op=view_page&PAGE_id=30 [Stand 23.08.2012]

In der Kinetischen Kunst und Op-Art wird der Betrachter, durch physische Interaktion, sei es durch Knopfdruck oder Positionierung, zu einem wesentlichen Bestandteil des Werks, der das Kunstwerk durch seine Eingriffe verändern kann. Das Kunstwerk wird somit variabel und seine Teile werden programmierbar, sei es durch eine Maschine oder durch den Menschen.“12 11 vgl. Gassen, R.W. Vasarely. Ludwigshafen am Rhein: Hatje; 1998. S. 118 ff 12 http://www.zkm.de/algorithmische-revolution/index.php [Stand 23.08.2012]


Kinetische Skulpturen » Pioniere der kinetischen Kunst

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2.3. Pioniere der kinetischen Kunst Der Beginn kann im Jahr 1920 mit der von Naum Gabo konstruierten Drahtskulptur ›Kinetische Konstruktion N°1‹ gesehen werden. Sie erzeugte durch ihre mechanisch schwingende Bewegung ein virtuelles Volumen. Diese Integration des Faktors ›Zeit‹ in den Skulpturen inspirierte viele Künstler.13 So zum Beispiel auch László Moholy-Nagy, der mit seinem ›LichtRaum-Modulator‹ von 1930 die Umgebung in sich ständig wechselnde Muster und Farben tauchen konnte oder Alexander Calder, der ab 1932 mit seinen ›Mobiles‹ bekannt wurde. Diese und viele andere Konstruktionen, aber auch Veröffentlichungen wie ›Kinetismus‹ von Zdeněk Pešánek aus dem Jahr 1941, stellten die einzelnen Entwicklungsschritte und -richtungen dieser speziellen und neuartigen Kunstgattung bis zum Beginn der vierziger Jahren dar.

Abb. 9: ›Kinetische Konstruktion N°1‹ von Naum Gabo, 1920

1944 schufen die beiden Brüder John und James Whitney eine ausgeklügelte Pendelanlage, welche in ihren ›Film Exercises Nr. 1–5‹ absolut synchron zu synthetisch erzeugter Musik lief. Vier Jahre später verwendet Jean Tinguely erstmals einen Motor zur Erzeugung virtueller Drehkörper und verhilft der Kunstform somit zum nächsten Evolutionsschritt. Abb. 10: ›Licht-Raum-Modulator‹ von László Moholy-Nagy, 1930

13 vgl. http://www.zkm.de/algorithmische-revolution/index.php [Stand 23.08.2012]


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Kinetische Skulpturen » Ausstellungen und Gruppen

2.4. Ausstellungen und Gruppen Es folgten verschiedene Ausstellungen wie ›Le Mouvement‹ 1955 in Paris, oder die ›Nuit de la Poésie‹ im Folgejahr, bei der Nicolas Schöffer seine elektronisch gesteuerte Skulptur ›Cysp I‹ dem Publikum vorstellt. 1959 fand mit der ›Vision in motion – Motion in vision‹ eine Sammelausstellung kinetischer Kunst in Antwerpen statt, 1962 gab es die ›Dylaby - Dynamic Labyrinth‹ im Stedelijk Museum in Amsterdam und 1964 die ›Licht und Bewegung‹ auf der Documenta III in Kassel.14 In diesem Zug der Entwicklung sind sowohl die beiden italienischen Künstlervereinigungen ›Gruppo T‹, ›Gruppo N‹ zu erwähnen, die sich dem Verhältnis von Zeit und Raum im Kunstwerk und den kinetische Strukturen widmeten, als auch das französische Künstlerkollektiv ›GRAV‹ (Groupe de Recherche d’Art Visuel). Aber auch die deutsche Künstlergruppe ZERO trug ihren Teil dazu bei, die kinetische Kunst und die Lichtkunst voranzutreiben. Ihre „Objekte zwischen Bild und Skulptur, die mit Licht und Kinetik in den Raum greifen.“15 schufen eine neue puristische Ästhetik. Die Gruppe wurde von Otto Piene zusammen mit Heinz Mack und Günther Uecker im Jahr 1958 gegründet. Pienes Arbeitsmaterial war hauptsächlich das Licht und dessen Wirkung im Raum. So entstanden Lichtinstallationen, wie die ›Electric Rose‹ oder das ›Lichtballett‹.16

Abb. 11: Manifest der Künstlergruppe ›ZERO‹, 1963 14 vgl. http://www.zkm.de/algorithmische-revolution/index.php [Stand 23.08.2012] 15 http://www.medienkunstnetz.de/kuenstler/zero/biografie/ [Stand 23.08.2012] 16 vgl. Stachelhaus, H. Zero. Düsseldorf: ECON; 1993. S. 13 f und S. 144 f


Kinetische Skulpturen » 1960 bis Heute

2.5. 1960 bis Heute Einige Künstler zwischen 1960 und 1980, deren Werke besonderen Fokus auf die Kinetik setzten, also der Veränderung der Form und Geometrie an sich, werden nachfolgend aufgeführt, da sie einen nahen Bezug zum Thema dieser Arbeit und dem darin angestrebten Ziel haben. So zum Beispiel Siegfried Cremers ›kinetisches Objekt‹ aus dem Jahr 1960. Hier sind in einem rechteckigen Rahmen weitere Rahmen und Rechtecke frei beweglich eingefügt. Diese können vom Betrachter per Hand gedreht werden, wodurch sich die flächige Figur in eine räumliche wandeln lässt. Durch die Färbung der Vorder- und Rückseiten der Elemente in Schwarz oder Weiß ergeben sich verschiedene Verhältnisse der Flächen zueinander.17 Abb. 12: ›kinetisches Objekt‹ von Siegfried Cremers, 1960

Hartmut Böhms ›kinetisch magnetisches Objekt‹ von 1964, das aus 484 kleinen quadratischen Kästchen besteht, öffnet und schließt jeden einzelnen dieser Kleinräume durch Magnetschalter. Hierdurch ergeben sich verschiedene Muster und Variationen von offenen und geschlossenen Kästchen.18 Leo Erb, Mitbegründer der ›Neuen Gruppe Saar‹, konstruierte mit seinem ›Objekt‹ 1968 ein Kunstwerk, dessen Oberfläche aus weißem Stoff sich an scheinbar zufälligen Stellen ausbeult. Hinter dem Stoff

Abb. 13: ›kinetisch magnetisches Objekt‹ von Hartmut Böhm, 1964

befinden sich drei Rollen, die sich an dem Gewebe entlang bewegen und je nach Position (vorderer oder hinterer Bereich innerhalb des Objektes) zu einer Wölbung führen beziehungsweise den Stoff

17 vgl. Städtisches Museum Gelsenkirchen. Kinetische Kunst. Heidelberg: Gelsenkirchen-Stiftung; 1998, S. 94 18 vgl. Städtisches Museum Gelsenkirchen. Kinetische Kunst. Heidelberg: Gelsenkirchen-Stiftung; 1998, S. 18

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Kinetische Skulpturen » 1960 bis Heute

unberührt lassen. Auch hier ergibt sich aus einem zunächst flachen Objekt durch Manipulation eine plastische Skulptur.19 Roger Vilders Kunstwerk ›ohne Titel‹ aus dem Jahr 1972 besteht aus miteinander verbundenen Stahlfedern, welche ein Viereck ergeben. Die Eckpunkte sind auf jeweils einem von vier Kettenbändern montiert, welche sich vor einem schwarzen Hintergrund bewegen. Dadurch werden die Federn gedehnt und entspannt und ergeben eine sich ständig verändernde Form des Vierecks in seinen verschiedenen Permutationen.20

Abb. 14: ›o.T.‹ von Roger Vilders, 1972

Mit der Entwicklung der Computertechnologie ab den späten sechziger Jahren kamen neue Mittel der Bewegung, Steuerung und Produktion auf und ermöglichten somit komplexe Gebilde und diffizile Konstruktionen. Was Nicolas Schöffer damals mit großem technischen Aufwand und komplizierten und riesigen Rechenmaschinen bewerkstelligte, ist heutzutage nicht unbedingt an die finanzielle und materielle Unterstützung großer Firmen gebunden. Kompakte und preiswerte elektronische und technische Komponenten ermöglichen Künstlern einen größeren Spielraum und verschiedenste Wege zu Experimentieren. Abb. 15: ›Varietal Urbanus Female‹ von U-Ram Choe, 2007

19 vgl. Städtisches Museum Gelsenkirchen. Kinetische Kunst. Heidelberg: Gelsenkirchen-Stiftung; 1998, S. 20 20 vgl. Städtisches Museum Gelsenkirchen. Kinetische Kunst. Heidelberg: Gelsenkirchen-Stiftung; 1998, S. 34


Kinetische Skulpturen » 1960 bis Heute

Durch die Kombination von Ingenieurswissenschaften mit programmierbaren Mikrocontrollern ist man in der heutigen Zeit in der Lage, filigranste und vielschichtige Skulpturen wie die Wesen von U-Ram Choe oder Bob Potts zu realisieren. Computergesteuerte Konstruktionen, wie die von Julius Popp oder Christian Moeller, aber auch riesige Objekte wie die ›Strandbeests‹ von Theo Jansen sind nunmehr kein Ding der Unmöglichkeit. Die beiden Ausstellungen ›Kinetica Art Fair‹ in London und ›Ars Electronica‹ in Linz widmen sich den Bereichen Kunst und Wissenschaft und begeistern den Besucher mit zeitgenössischen Exponaten der kinetischen, elektronischen und kybernetischen Kunst. Ebenso gibt es das ›Zentrum für Kunst und Medientechnologie‹ in Kalsruhe und die ›Documenta‹ in Kassel, die neben audiovisuellen und multimedialen Exponaten auch kinetische Kunst präsentieren.

Abb. 16: ›bit.reflection‹ von Julius Popp, 2008/9

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Videomapping » Eine kurze Geschichte der Projektion

3. Videomapping Als Einführung zum Thema ›Videomapping‹ ist die Entwicklung der Videoprojektion unumgänglich. Auch das Medium Licht und die Videokunst sind ein wichtiger Bestandteil auf dem Weg zum Videomapping. Im Folgenden soll jedoch nur auf die wichtigsten Meilensteine eingegangen werden, um in das Thema einzuführen und es greifbar zu machen.

3.1. Eine kurze Geschichte der Projektion Die Wiege der Videoprojektion liegt in der ›Laterna Magica‹, dem Vorläufer des Diaprojektors. Mithilfe dieses Apparates konnte man einzelne Bilder an eine kleine Leinwand projizieren. Das Gerät fand vom 17. bis zum 19. Jahrhundert Gebrauch und wurde häufig auf Jahrmärkten zur Unterhaltung und zum bebilderten Erzählen von Geschichten eingesetzt.21 Der Schritt zum Bewegtbild gelang Ende des 19. Jahrhunderts den Gebrüdern Lumiére. Ihr Vater erwarb zu seiner Zeit ein Kinetoskop, das von Thomas Edison hergestellt wurde (die Erfindung stammt ursprünglich von William Kennedy Laurie Dickson22). Zusammen mit ihrem Vater entwickelten sie durch Verbesserung des Filmtransports und der Beleuchtung eine Möglichkeit, auf große Leinwände zu projizieren. Damit war der Cinématograph geschaffen, womit 1895 die erste öffentliche Filmvorführung im Grand Café in Paris realisiert wurde23. Im Laufe der Zeit und dem Voranschreiten der Entwicklung des elektrischen Lichts wurden die Apparate zur Projektion immer kompakter und leistungsstärker.

21 vgl. Ganz, T. Die Welt im Kasten. Zürich: Neue Zürcher Zeitung; 1994. S. 27 f 22 vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/Kinetoskop [11.10.2012] 23 vgl. Ganz, T. Die Welt im Kasten. Zürich: Neue Zürcher Zeitung; 1994. S. 126 f


Videomapping » Ein Ausflug in die Lichtkunst

3.2. Ein Ausflug in die Lichtkunst Der Boom des elektrischen Lichtes im 20. Jahrhundert brachte auch eine völlig neue Kunstform hervor. Man experimentierte mit Lichtstrahlen, Lichtflächen verschiedenen Leuchtmitteln wie Glühbirne, Gaslampe oder Neonröhre und allen erdenklichen und möglichen Farben, die das neue Medium zu bieten hatte. Hier trifft man wieder auf alte Bekannte aus den vorherigen Kapiteln, wie Otto Piene mit der ›ZERO‹ Gruppe, László Moholy-Nagy, Albert Biasi aus der ›Gruppo N‹ und nicht zuletzt Nicolas Schöffer. Dadurch zeigt sich einem die enge Verflechtung dieser verschiedenen Kunstbereiche der Interaktion, Kinetik und Licht und die Einflüsse und Inspirationen, die die Künstler in ihren Werken zu kombinieren versuchen. Aber auch neue Gesichter kamen hinzu und brachten ihre Perspektiven und Interpretationen mit ein. So zum Beispiel Kurt Schwerdtfeger, der mit seinen ›Reflektorischen Lichtspielen‹ von 1923 „mittels bewegter Lampen und unterschiedlich geschnittener Schablonen […] Farbformflächen auf Leinwände […]“24 projizierte. James Turrell schuf mithilfe spezieller Lichtstimmungen und Farben unwirkliche Räume (Slow Dissolve, 1989) und virtuelle Körper (Raethro Blue, 1967). Aber auch die gewaltigen Lichtinszenierungen von Albert Speer im Jahr 1937 sind im Hinblick auf diese Form der Kunst und Nutzung des Lichts erwähnenswert.25

Abb. 17: ›Slow Dissolve, Space Division‹ von James Turrell, 1989

24 Schmitz, N. in Schwarz, M. Licht und Raum. Köln: Wienand; 1998, S. 36 25 vgl. Schwarz, M. Licht und Raum. Köln: Wienand; 1998, S. 42 f und S. 80 ff

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Videomapping » Videokunst und Audiovisualisierungen

3.3. Videokunst und Audiovisualisierungen Bei der Verwendung von Projektion in Kombination mit einer musikalischen Darbietung sind die ›Vortex Concerts‹ von Henry Jacobs und Jordan Belson in den Jahren 1957–1960 ein Meilenstein in der Entwicklung dieses besonderen audiovisuellen Spektakels.26 „Für ihre vielseitigen Aufführungen erweiterten Jacobs und Belson die bereits vorhandene Projektions- und Lichttechnik des Planetariums, so dass ihnen zahlreiche Spezialprojektoren und ein durch einen Synthesizer steuerbares Soundsystem zur Verfügung standen.“27 Diese Konzerte im Morrison Planetarium in San Francisco, waren einer der Grundpfeiler in der Entwicklung der sogenannten ›VJs‹. Abb. 18: ›Vortex Concerts‹ Henry Jacobs (links) und Jordan Belson im Morrison Planetarium

VJ (Visual Jockey) „Der VJ mischt Bildmaterial, meist Videos, Grafiken oder Computeranimationen live, zur gespielten Musik. […] Das Ergebnis der Visual Jockeying (VJing) genannten Arbeit eines VJs, wird […] auf Leinwände projiziert oder auf Monitoren im Raum präsentiert. Die live erstellten Bildmixes und -Collagen werden Visuals genannt.“ Eine ausführliche Ausarbeitung der Entwicklung des ›VJ-ing‹ und von ›Visuals‹ leisteten Volker Dreixler und Ingo Schraut in ihrer Diplomarbeit. Dreixler/Schraut; Visual Jockeying in Theorie und Praxis, Diplomarbeit an der HdM, 2005, S. 32

26 vgl. Youngblood, G. Expanded Cinema. Toronto and Vancouver: Clarke, Irwin & Company Limited; 1970. S. 388 27 Dreixler, V., Schraut, I. Visual Jockeying in Theorie und Praxis [Diplomarbeit]. Stuttgart: Hochschule der Medien. 2005. S. 30


Videomapping » Videokunst und Audiovisualisierungen

Hat sich der Zelluloidfilm als Medium für das Bewegtbild tapfer bis in die heutige Zeit gehalten, so gab es dennoch einige Evolutionsstufen für das Speichern von filmischem Material. Nicht selten haben sich die Entwicklungen am Endverbraucher im privaten Sektor orientiert. Beispiel hierfür ist unter anderem das ›VHS‹, welches sich ab den späten siebziger Jahren auf dem Markt etablierte.28 Gleichzeitig

VHS (Video Home System)

schritt die Digitalisierung von Bild und Ton voran und brachte neben

Analoges System für VideoMagnetbandaufzeichnungen. Ab 1980 der europäische Standard im Heimvideobereich, bis es ab 2000 mit den Jahren von der DVD abgelöst wurde.29

der nur kurz existierenden ›Laserdisc‹ die ›Videodisc‹ hervor.

29

Nach

diesem digitalen Evolutionsschritt war das Video nicht nur im Bereich der Unterhaltung heimisch, sondern gewann auch viele Anhänger in der Kunst. Nutzten Künstler wie Paik oder Krueger dieses neue, kompakte und interaktive Bewegtbildmedium, um es auf Röhrenmonitoren in ihren Installationen zu verstörenden oder berauschenden Gebilden zu verarbeiten, so verwendeten andere es für großformatige Projektionen. Mit dem Aufkommen und der zunehmenden Popularität der

Laserdisc/Videodisc Optisches Speichermedium für Videos. Populär während der achtziger und neunziger Jahre. Interessant war die Möglichkeit erstmals Kapitel direkt auszuwählen und somit eine interaktive Steuerung zu erreichen.30

elektronischen Musik ab 1980 bildete sich eine Lücke auf der Bühne bezüglich der Performance des Künstlers30. War es doch üblicherweise eine ganze Band, die das Publikum auch visuell unterhielt, so sah man bei den DJs nicht viel an Aktion. Genau diese Lücke wurde von den VJs gefüllt, indem sie mit großformatigen Projektionen von verschiedenem Bildmaterial das Auge des Besuchers unterhielten. In diesem Bereich war es auch, wo sich das Videomapping – um wieder zum Thema zurück zu kommen – nach der Jahrtausendwende als beliebte Kunstform zu etablieren begann. 28 http://de.wikipedia.org/wiki/Video_Home_System [Stand 18.10.2012] 29 http://de.wikipedia.org/wiki/Laser_Disc [Stand 18.10.2012] 30 vgl. Lund, H. Audio.Visual. Stuttgart: Arnoldsche; 2009. S. 308

23


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Videomapping » Was ist Mapping

3.4. Was ist Mapping Der englische Begriff ›Mapping‹ kommt ursprünglich aus der Kartografie und bedeutet ein begrenztes Gebiet kartografisch zu erfassen und in eine Karte einzutragen.31 Generell kann man das ›Mapping‹ auch als das Überführen und Abbilden von Elementen aus einem Raum in einen Anderen bezeichnen. So gibt es in der Computergrafik verschiedene Techniken und Methoden, die sich dieses Verfahrens bedienen. Beispiele hierfür sind unter anderem das ›bump mapping‹, das ›uv-mapping‹ oder das ›texture mapping‹.

3.5. Von der Leinwand zum Objekt Der Begriff ›Videomapping‹ begann sich seit 2008 langsam im Bereich der interaktiven Videoprojektion, speziell des ›VJ-ing‹ zu bilden.32 Das Videomapping ist eine bestimmte Technik im Bereich der Videoprojektion mit der eine beliebige Oberfläche als Projektionsfläche genutzt wird. Dafür bedient man sich spezieller Software, welche die Bilder, Videos oder andere visuelle Elemente wie Text oder Illustrationen auf die gewünschte Form verzerrt und eventuell zusätzlich maskiert. Diese im Computer umgerechnete Grafik wird dann üblicherweise mit einem oder mehreren Projektoren auf die gewünschte Oberfläche projiziert. In den meisten Fällen sind das einfache, zweidimensionale, geometrische Flächen, auf die das selbe Bildmaterial, verschiedene Ausschnitte des selben oder unterschiedliche Bildmaterialien projiziert werden. Der Einsatz dieser Technik ermöglicht ein äußerst freies Gestalten der Projektionsflächen und deren Formen. 31 vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/Mapping [Stand 9.10.2012] 32 vgl. http://anhnguyen.gdnm.org/2012/04/27/short-history-of-projection-mapping [Stand 14.10.2012]


Videomapping » Statische Objekte

Eine Weiterentwicklung dieser Technik nennt sich ›3D-Mapping‹. Hierbei werden die Grafiken auf Oberflächen, welche schräg im Raum liegen, projiziert. Das können geometrische Objekte, Objekte des täglich Gebrauchs, wie zum Beispiel ein Handy oder ein Auto, oder sogar ganze Häuserfassaden sein. Ziel ist es, durch eine geschickte Nutzung der räumlichen Geometrie der Projektionsflächen einen dreidimensionalen Effekt zu erhalten und diesen mit entsprechenden Videoinhalten zu verstärken. Dadurch erhält das projizierte Material einen plastischen Charakter und erhöht somit die Immersion und erzeugt eine täuschende Echtheit im Vergleich zur Projektion auf eine zweidimensionale Fläche. Ein weiterer Effekt der Projektion auf dreidimensionale Objekte ist das ›zum Leben erwecken‹ des Objektes. Es lassen sich verschiedenste Oberflächen oder Texturen projizieren, welche die physikalischen Eigenschaften des Objektes zu verändern scheinen. Eine stabile Wand aus Wasser, ein Betonwürfel, der plötzlich transparent wirkt oder ein in sich zusammenstürzendes Haus sind nur einige Beispiele der Möglichkeiten beim ›3D-Mapping‹.

Abb. 19: Stagedesign mit 3D-Mapping für die Show ›AMON TOBIN ISAM 2.0‹ des Musikers Amon Tobin, 2012

3.6. Statische Objekte Bei den Bühnen-Set-ups von Konzerten oder in Clubs sind es häufig freie, abstrakte, geometrische Formen, die an Stelle der Leinwand montiert sind und frontal mit einem oder mehreren Projektoren bespielt werden. Bei größeren Veranstaltungen werden auch ganze Gebäudefassaden ›gemappt‹ und durch Nachahmung und visuelle Verfremdung der Architektur selbige zum Leben erweckt.

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Videomapping » Dynamische Objekte

Auch auf den Bühnen von Theatern und Opern kommt diese Technik zunehmend zum Einsatz, wie man in der serbischen Produktion ›BUDJENJE‹ von 2010 sehen kann33. Hier wird zum Beispiel die Kulisse nur in groben Zügen konstruiert und durch das Mapping mit Fotos, Filmen, Mustern oder Strukturen versehen. Dies ermöglicht nicht nur verschiedene Sets auf Basis der selben Kulisse sondern auch schnelle Szenenwechsel ohne lange Umbauphasen. Der Vorteil bei der Verwendung von statischen Objekten, die sich weder räumlich noch in sich selbst bewegen, liegt darin, Abb. 20: Kulisse mit 3D-Mapping des Theaterstücks ›BUDJENJE‹, 2010

dass ein sehr genaues Ausrichten der Projektion auf die gemappten Flächen möglich ist.

Auch bezüglich der Produktion des visuellen Inhaltes bietet es Vorteile, da das Material nur für eine fixe Position und Perspektive angelegt werden muss und wärend der Show keine Veränderung an Geometrie oder Ausrichtung stattfindet.

3.7. Dynamische Objekte Beim ›Mapping‹ von dynamischen Objekten entstehen gleich zwei größere Probleme. Zum einen muss das sich bewegende Objekt verfolgt und geortet werden, was man in der Fachsprache als ›Tracken‹ bezeichnet. Zum anderen muss die Projektion auf diese Änderungen reagieren und das zu projizierende Bildmaterial dementsprechend modifiziert werden.

33 http://vimeo.com/26366491 [Stand 18.10.2012]


Videomapping » Dynamische Objekte

Das Problem des ›Tracken‹ kann umgangen werden, indem man die Bewegungen vorab in einem zeitlichen Ablauf definiert und man dadurch bereits weiß, wann sich das Objekt an welchem Ort befindet. Damit lässt sich auch die Ausrichtung und Geometrie des Objektes berechnen, was in der Produktion der Projektion berücksichtigt werden kann. Hierdurch wäre auch das zweite Problem umgangen und es muss keine Reaktion auf die Bewegung erfolgen. Die Veränderung des Objektes und die Projektion laufen zwar separat voneinander ab, aber aufgrund des vorgeschriebenen Ablaufes dennoch synchron. Diese Methode ist bei geometrischen Körpern mit einer mechanischen Steuerung verhältnismäßig gut zu realisieren. Handelt es sich jedoch um beispielsweise Darsteller eines Bühnenstückes, so sind deren Bewegungen, sowohl örtlich als auch die des Körpers an sich, fast unmöglich vorher festzulegen. Dies erschwert auch das Anpassen der Projektion. In solchen Fällen ist eine andere Technik namens ›Videotracking‹ angemessener. Hierbei werden die Darsteller optisch mit Kameras erfasst und deren zweidimensionale Fläche mittels aufwendigen Algorithmen vom Computer berechnet und festgelegt. Diese Fläche kann dann zur Maskierung des zu projizierenden Bildmaterias verwendet werden. All das geschieht in Echtzeit und benötigt daher auch leistungsfähige Geräte. Bei diesem Verfahren gibt es immer gewisse Latenzen, was bedeutet, dass die Projektion und die Maskierung immer ein wenig der Bewegung hinterher hinken. Je nach Umfang und Geschwindigkeit der Bewegungen fällt diese Verzögerung mehr oder minder stark ins Gewicht. Des Weiteren gibt es noch diverse erwähnenswerte Techniken, die sich zum Tracken von Objekten, Personen oder deren Bewegungen eignen.

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Videomapping » Dynamische Objekte

Beim Infrarottracking werden an markanten Eckpunkten des Objektes kleine Infrarotlampen oder Marker mit hochreflektierendem Material, das mit Infrarotlicht angestrahlt wird, befestigt. Der Computer registriert mithilfe einer oder mehrerer speziellen Kameras diese Punkte und kann auf dieser Basis die Position und Verzerrung der Projektion berechnen. Dieses Verfahren ist sehr gut geeignet für geometrische Formen und Objekte. Zudem ist es relativ schnell und präzise, aber auch störanfällig, wenn nicht immer alle Eckpunkte, zum Beispiel durch Abschattung oder Verdeckung, erkannt werden. Auch die Kinect arbeitet ebenfalls mit einer raffinierten Infrarot-

Kinect Berührungsloser Controller zur Steuerung der Spielekonsole ›Xbox 360‹. Sie wurde von der Firma PrimeSense zusammen mit Microsoft entwickelt und ist seit Ende 2010 erhältlich.

technik. Sie ist bei interaktiven Anwendungen in der kreativen Kunstszene ein beliebtes Instrument und wird direkt über den Computer ausgelesen. Sie projiziert ein Infrarot-Punktemuster auf die zu trackende Szene und registriert das Ergebnis dieser Projektion auf den Objekten und Personen mit einer speziellen Kamera34. Diese Daten werden intern verarbeitet und liefern eine sogenannte ›depth map‹ und beim Erkennen von Personen zusätzlich eine Repräsentation derselben durch ein Punkteskellett. Der Vorteil hierbei ist einerseits die kompakte Bauweise andererseits die Tatsasche, dass das

http://de.wikipedia.org/wiki/Kinect Stand 23.10.2012

Gerät die Berechnung der Daten intern ausführt.

34 vgl. http://patentscope.wipo.int/search/en/WO2007043036 [Stand 18.10.2012]


Videomapping » Dynamische Objekte

Ein gutes Beispiel für die Projektion auf dynamische Objekte ist die von Klaus Obermaier konzipierte Tanzperformance ›Apparition‹, die auf dem ›Brighton Festival‹ 2012 den ›Argus Angel Award‹ erhielt.35 Eine ebenfalls interessante Technik wurde 2012 bei der ›Mothership‹-Tour des Musikers ›Skrillex‹ eingesetzt. Während seiner Auftritte trug er einen speziellen Motioncapture-Anzug namens ›Xsens MVN‹.36 Damit

Abb. 21: Tanzperformance ›Apparition‹ mit dynamischem Videomapping; konzipiert von Klaus Obermaier

wurden seine Körperbewegungen live auf wechselnde Avatare übertragen und überlebensgroß hinter ihm auf die Bühne projiziert. Das Bühnenbild selbst wurde mittels 3DMapping aufwändig bespielt und animiert.

Abb. 22: Bühnenprojektion mit 3D-Mapping und live animiertem Avatar; ›Mothership‹-Tour des Musikers ›Skrillex‹

35 vgl. http://www.exile.at/apparition [Stand 18.10.2012] 36 vgl. http://www.xsens.com/en/entertainment/live-entertainment/skrillex-live-on-stage [Stand 18.102012]

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Ein erstes Résumé

4. Ein erstes Résumé Die gestalterischen und technischen Möglichkeiten ›interaktiver Installationen‹ haben seit dem Beginn der Kunstform stetig zugenommen. Sie reichten von simplen Schaltkreisen und Feedbacks bis hin zu komplizierten, scheinbar unsichtbaren, computergesteuerten Mechanismen. Den Sprung aus den Galerien in den öffentlichen Raum hat diese Kunst schon längst hinter sich und begeistert noch heute das Publikum in den verschiedensten Ausführungen und Varianten. Auch die kinetischen Objekte und ihre Schöpfer profitierten von der technischen Revolution seit dem Beginn des 19. Jahrhunderts. Anfangs durch einfache Mechaniken in Bewegung versetzt, wurden immer häufiger aufwändige und komplexe Verfahren zur Steuerung der Kunstwerke eingesetzt. Ihre Nähe zum Medium Licht bescherte auch der Video- und Projektionskunst einen gewaltigen Fortschritt. Vom Stand- zum Bewegtbild, vom Dia zum Video, vom gedrehten Film zur live und in Echtzeit generierten Grafik. Diese Entwicklung der drei behandelten Kunstbereiche wird durch deren Kombination im praktischen Teil weitergeführt. Von der Projektion auf eine Leinwand über das Bespielen einer freien, dreidimensionalen Geometrie bis hin zum interaktiv gesteuerten, dynamischen Videoobjekt.


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III. Praktischer Teil


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Mapping auf ein formdynamisches Objekt » Was ist ein formdynamisches Objekt

1. Mapping auf ein formdynamisches Objekt 1.1. Was ist ein formdynamisches Objekt Das Wort ›formdynamisch‹ ist angelehnt an die von Nicolas Schöffer geprägten Begriffe ›spatiodynamisch‹, ›luminodynamisch‹ und ›chronodynamisch‹.37 Seine Skulpturen, eingeteilt in diese drei Kategorien, behandeln die Integration des Raumes, des Lichtes oder der Zeit. So stellt ein formdynamisches Objekt die Integration des Körpers selbst dar und ist in der Lage mehrere verschiedene Formen und Gestalten anzunehmen.

1.2. Die Vision Der Grundgedanke dieser Thesis ist, von der traditionellen Art des Videomappings einen Schritt weiter zu gehen und sich somit nicht auf ein Objekt zu beschränken, das an eine einzige Form gebunden ist. Das Ziel ist es, ein Objekt zu schaffen, das sich in seiner Gestalt dynamisch ändern kann und während dieses Vorgangs in Echtzeit gemappt wird. Dieser Übergang von einer Form zur anderen soll interaktiv gesteuert werden können, um dem Anwender die Möglichkeit zu geben, verschiedene Interpolationen des Vorgangs beziehungsweise des Körpers zu erhalten und mit der Form zu spielen. Damit wäre es möglich, die Illusionen, die das konventionelle Mapping erzeugt, indem virtuelle Formen auf flache oder räumliche Geometrien projiziert werden, als reelle physische Körper abzubilden. Mit diesen tatsächlichen Formen können dann wiederum Illusionen auf einer weiteren Ebene erzeugt werden. Hierbei stellt sich die Frage, wie die Wirkung auf den Betrachter ist und welche Rolle die Dimensionen und Betrachtungswinkel bei der Projektion spielen. 37 Gardiner, H. Art Practice in a Digital Culture. Farnham: Ashgate Publishing, Ltd.; 2010. S. 64


Das Modell » Die Grundform

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2. Das Modell 2.1. Die Grundform Die einfachsten zweidimensionalen Formen sind das Dreieck, das Quadrat und der Kreis. Ihre dreidimensionalen Gegenstücke sind der Tetraeder, der Würfel und die Kugel. Bei der Wahl der Form lag es daher nahe, sich auf diese Körper zu beschränken und fiel schlussendlich auf den Würfel, da dieser Körper optisch am einfachsten zu begreifen ist. Um eine zweite Form zu finden, in die sich der Würfel verändern beziehungsweise aus der er sich formen sollte, gab es verschiedene Möglichkeiten. So lässt sich der Würfel zum Beispiel als Abwicklung seiner Flächen betrachten, was jedoch optisch nicht sehr ansprechend ist und zu schnell auf den Körper schließen lässt. Die Idee, den Würfel aus seinem Dual (dem Oktaeder) entstehen zu lassen, wurde ebenfalls verworfen. Der technische Aufwand und die dafür nötigen Ingenieurskenntnisse würden den Umfang einer Bachelorthesis übersteigen. Die Komplexität sollte nicht in der Form, sondern im Übergang zu finden sein. Weitere Versuche mit den platonischen Körpern brachte ein interessantes Ergebnis zum Vorschein. Anstatt des Oktaeders lässt sich

Dual Die fünf platonischen Körper Tetraeder, Hexaeder (Würfel), Oktaeder, Dodekaeder und Ikosaeder besitzen jeweils ein Dual. Man erhält es, wenn man die Mittelpunkte der Flächen miteinander verbindet. Die Eckenzahl eines Körpers entspricht der Flächenzahl seines Duals. http://de.wikipedia.org/wiki/ Platonischer_Körper [Stand 23.10.2012]

ein Tetraeder so in einen Würfel einbeschreiben, dass seine sechs Kanten die Flächendiagonalen des Würfels bilden (siehe Abb. 23 c). Damit kann die Oberfläche des Würfels durch die Oberflächen von vier dreiseitigen Pyramiden abgebildet werden (siehe Abb. 24). Im aufgeklappten Zustand entsteht eine Form, die in esoterischen Kreisen als ›sacred geometry‹ (dt. heilige Geometrie) bezeichnet wird.


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Das Modell » Prototyping von Form und Mechanik

2.2. Prototyping von Form und Mechanik Um ein besseres Verständnis der Formen zu erhalten und den Übergang zwischen den beiden Zuständen zu verstehen, wurde ein kleines Papiermodell angefertigt. Anhand dieses Modells konnten weitere Überlegungen zur Mechanik und Konstruktion angestellt werden. Von Vorteil war das Zusammentragen aller relevanten geometrischen Informationen und Verhältnisse der beiden Formen und Körper. Angefangen bei den Berechnungen des In- und Umkreises der Grundfläche der Pyramiden sowie deren Höhe, bis zu der Kantenlänge des Würfels und den verschiedenen Winkeln im offenen und geschlossenen Zustand.

a)

b)

c)

Abb. 23: Formfindung mit Würfel als Basis a) Abwicklung der Flächen als Standardnetz b) Würfel mit seinem Dual (Oktaeder) c) Würfel mit einbeschriebenem Tetraeder

Abb. 24: Übergang vom Würfel zur Pyramidenform

Abb. 25: Auflistung aller Winkel und Maße von Dreieck, Würfel, Tetraeder und Pyramide


Das Modell » Prototyping von Form und Mechanik

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Parallel zur Konstruktion der Papiermodelle wurde am Computer ein 3D-Modell angefertig. Dies half die Bewegungen zu simulieren und mögliche Platzprobleme im Inneren der Form im Voraus zu erkennen. Für die Erstellung des Modells wurde die

Abb. 26: 3D-Modell in ›Blender‹; geschlossene und geöffnete Form

freie Software ›Blender‹ verwendet. Für den Klappmechanismus wurden verschiedene Lösungsmöglichkeiten erörtert. Angefangen bei einer Spannfeder in Kombination mit einer Seilwinde über hydraulische und pneumatische Komponenten bis hin zu Linearmotoren. Diese Ansätze wurden aus unterschiedlichen Gründen verworfen. So wäre die Berechnung der Federkräfte ein kompliziertes Unterfangen, ebenso wie die Beschaffung/Herstellung. Der Einsatz von Pneumatik oder Hydraulik wäre sehr kostspielig und brächte, ebenso wie die Verwendung von Linearmotoren, ein

Blender „Blender is the free open source 3D content creation suite, available for all major operating systems under the GNU General Public License.“

http://www.blender.org/ [Stand 28.10.2012]

Platzproblem im Innern der Konstruktion mit sich. Ein zweiarmiges Winkelsystem mit Servomotoren als Antrieb erwies sich in diesem Fall als beste Lösung. Erste Versuche wurden mit einer vereinfachten Pappkonstruktion durchgeführt, um die optimale Länge der Gelenkstäbe und die Anschlagpunkte festzulegen.

Abb. 27: Vereinfachter Papierprototyp des Klappmechanismus

Abb. 28: Pappmodell des Mechanismus mit Servomotor


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Das Modell » Miniaturmodell für Mechaniktests

2.3. Miniaturmodell für Mechaniktests Nachdem die Verhältnisse und die Funktionsweise der Mechanik festgelegt waren, konnte ein Miniaturmodell angefertigt werden. Dieses war als Test für die Bewegung und Steuerung konzipiert und sollte Aufschluss darüber geben, ob die ermittelten Werte in der Praxis bestehen. Es wurde in einem verkleinerten Maßstab von 1:2 konstruiert und hatte im geöffneten Zustand eine Spannweite von 50 cm und eine Höhe von ca 42 cm. Als Material kamen die leicht zu verarbeitenden KAPA-Platten zum Einsatz, welche trotz ihres geringen Gewichtes KAPA

eine hohe Stabilität aufweisen. Diese Eigenschaften ermöglichten

Eine Produktreihe von Leichtstoffplatten bestehend aus einem Polyurethanschaum als Kern und einem beidseitigen Deckschichtenverbund.

eine Verwendung von konstengünstigen Servomotoren mit niedri-

Diese Sandwichkonstruktion ermöglicht eine hohe Stabilität bei geringem Gewicht.

sonst ein vollständiges Einklappen der seitlichen Pyramiden behin-

ger Leistung und geringer Größe. Hier lag auch einer der kritischen Faktoren bezüglich des zur Verfügung stehenden Platzes im Innern der Konstruktion. Die Motoren durften nicht zu groß sein, da sie dern würden. Das Winkelsystem wurde diesmal aus Kunststoffprofilen angefertigt.

http://www.kapaplatten.de/ kapa/kapa_information.html [Stand 26.10.2012]

Es stellte sich heraus, dass die kleinen Servomotoren aufgrund der Hebelwirkung der Gelenkstäbe bei einer größeren Belastung schnell an ihre Grenzen stoßen. Der Hebelmechanismus selbst funktionierte

wie erwartet und konnte als Schema für das finale Modell übernommen werden. Auch die verwendeten Scharniere zwischen den Pyramidenelementen wirkten stabil und ermöglichten eine reibungslose Bewegung über den benötigten Winkel von 109,5°. Auch das Konstruktionsmaterial KAPA überzeugte durch seine Stabilität. Bezüglich der Servomotoren mussten für das finale, größere Modell leistungsfähigere Komponenten veranschlagt werden.


Das Modell » Steuerung des Modells

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2.4. Steuerung des Modells Für die hardwareseitige Ansteuerung der Servomotoren standen mehrere Möglichkeiten zur Auswahl. Es gibt spezielle Mikrocontroller, die explizit für die Steuerung von Schritt- und Servomotoren ausgelegt sind. Die Schwierigkeit hierbei liegt in der Kommunikation zwischen dem Computer und dem Controller. Diese läuft in den meisten Fällen über eine serielle Schnittstelle wie zum Beispiel RS-232 und benötigt

Arduino

je nach Controller andere Steuerkommandos.

Kompakter Mikrocontroller mit anlogen und digitalen Ein- und Ausgängen. Er kann, mit dem Computer verbunden, gesteuert und ausgelesen werden oder vorprogrammiert als eigenständiger Controller für interaktive Objekte dienen.

Erleichtert wird die Prozedur durch die Verwendung eines Mikrocontrollers namens Arduino, welcher in der Lage ist, bis zu sechs Servomotoren anzusteuern. Der Vorteil des Arduino ist seine einfache Programmierbarkeit und die relativ gut zu realisierende Ansteuerung über Drittsoftware. Gerade im Bereich des ›physical computing‹ wird dieser Controller gerne eingesetzt. Ein weiterer positiver Aspekt ist die stetig wachsende und hilfsbereite Internetgemeinde zur ArduinoPlattform. Als Software zur Ansteuerung des Arduino wurde die visuelle Programmierumgebung ›vvvv‹ verwendet (näheres zur Software

Gerade bei Projekten an Kunsthochschulen und im Bereich der interaktiven Kunst ist dieser Mikrocontroller sehr beliebt. http://arduino.cc/ [Stand 26.10.2012]

in Kapitel 3). Die Gründe hierfür waren, neben der freien Verwendung dieser Software für nicht-kommerzielle Zwecke, die problemlose Kommunikation mit dem Controller und die Möglichkeit mit ihr auch gleichzeitig den visuellen Inhalt zu generieren und für das Projektionsmapping zu manipulieren. Somit stammen alle notwendigen Parameter aus einer Quelle und können mehrfach verarbeitet und genutzt werden. Abb. 29: Arduino (rechts) mit drei angeschlossenen Servomotoren


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Das Modell » Konstruktion des finalen Modells

2.5. Konstruktion des finalen Modells Die Maße des endgültigen Modells liegen im geschlossenen Zustand als Würfel bei einer Kantenlänge von 36 cm und als geöffnete Form bei einer Spannweite von einem Meter mit einer Höhe von 86,6 cm. Die bereits bewährten KAPA-Platten wurden als Material für die Grundflächen der Pyramiden beibehalten. Die Basis des mittleren Elementes wurde zusätzlich mit einer 1,5 mm starken Kunststoffplatte verstärkt. Das bietet eine stabilere Grundlage zur Befestigung des Modells an einem Stativ oder einer anderen Ständerkonstruktion. Abb. 30: Pyramidenbasis aus KAPA; mitte: dreieckige Grundform, rechts: mit Aussparungen zur besseren Weiterverarbeitung

Die Spitzen der Pyramiden – und somit die Oberfläche des Würfels – wurden aus weißem Papier mit einer Grammatur von 180g/m2 gefaltet und auf die Basisflächen aufgeklebt. Die spezielle Dreiecksgeometrie erzeugte eine hohe Steifheit, wodurch die Papierkonstruktion sehr stabil wurde und sich auch bei ruckartigen Bewegungen nicht verformte.

Abb. 31: Pyramidenkuppel aus Papier


Das Modell » Konstruktion des finalen Modells

Das Winkelsystem aus Kunststoffprofilen funktionierte auch im vergrößerten Maßstab. Die Abmessungen der leistungsstärkeren Servomotoren relativierten sich im Verhältnis zur Größe der Gesamtkonstruktion und ließen genug Spielraum zum Einklappen der äußeren Pyramiden. Zudem war noch genug Platz vorhanden, um den Arduino mit in der Form unterzubringen. Dies ermöglichte kurze Kabelverbindungen zu den Servomotoren. Dennoch gab es einen kleinen Nachteil. Die Stromversorgung per USB-Kabel vom Computer beschränkt sich auf 500 mA für alle am Controller angeschlossenen Komponenten. Bei einem Spitzenverbrauch von bis zu 800 mA bei Volllast (und circa 200 mA Normallast) pro Servo musste für das finale Modell eine zusätzliche Stromversorgung an den Arduino angeschlossen werden. Abb. 32: Servomotoren mit Gelenksystem aus Kunststoff

Abb. 33: Finales Modell im Übergang vom Würfel zur Pyramidenform

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Das Modell » Konstruktion des finalen Modells

Abb. 34: Finales Modell im geöffneten Zustand, Vorderseite

Abb. 35: Finales Modell, Rückseite mit Technik


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Bei weiteren Recherchen zur speziellen Dreiecksform des aufgeklappten Zustandes fanden sich interessante Ergebnisse.

Das Symbol exisitert in der babylonisch-assyrischen Keilschrift mit folgender Bedeutung: Licht, machen, gewähren, in Übereinstimmung bringen*

Das selbe Zeichen um 180° gedreht steht in manchen religiösen Kulturen für die Dreifaltigkeit des Vaters, des Sohnes und des heiligen Geistes.

In der Videospielreihe ›The Legend of Zelda‹ symbolisiert dieses als ›Triforce‹ genannte Zeichen die drei Charaktereigenschaften Kraft, Weisheit und Mut.**

*Faulmann, C. Buch der Schrift. zweite vermehrte und verbesserte Auflage. Wien: kaiserlich-königliche Hof- und Staatsdruckerei; 1880. S. 72 Auch einzusehen unter: http://archive.org/stream/dasbuchderschri02faulgoog#page/n92/mode/1up [Stand 28.10.2012] ** http://de.wikipedia.org/wiki/ The_Legend_of_Zelda#Das_Triforce [Stand 28.10.2012]


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Videomapping » Stand der Technik

3. Videomapping 3.1. Stand der Technik Für ein statisches Mapping gibt es verschiedenste Programme, welche die Möglichkeit bieten auf unterschiedliche Geometrien zu projizieren. Möchte man auf dynamische Objekte mappen, reduziert sich die Auswahl auf einige wenige Programme, die häufig mit einer Kombination aus Tracking und Maskierung arbeiten. Dabei wird jedoch keine Korrektur oder Anpassung der Form im dreidimensionalen Raum vorgenommen und ist somit im eigentlichen Sinne kein 3D-Mapping. Greift man zu spezieller Software aus dem Mediensteuerungsund Eventbereich findet man zwar Lösungen, welche 3D-Modelle als Basis für ein Videomapping importieren können, aber auch hier ist eine dynamische Änderung dieses 3D-Objektes regulär nicht vorgesehen und nur über zusätzlichen Programmieraufwand möglich. BeiAbb. 36: Mapping auf einen Polyring; Youtube-User ›Pasudomoyka‹

spiele hierfür sind die lizenzpflichtigen Programme ›MX Wendler‹38 und ›Pandora Box‹ von Coolux39. Versuche in Richtung ›dynamisches Mapping‹ ohne die Verwendung von High-End-Mediensteuerungssystemen wurden beispielsweise von dem Youtube-User ›Pasudomoyka‹ (siehe Abb. 36) und der Agentur ›Grosse 8‹ (siehe Abb. 37) vorgenommen, indem sie einen Polygontorus beziehungsweise einen Polyeder drehten und in Echt-

Abb. 37: Mapping auf einen Polyeder; Agentur ›Grosse 8‹

zeit mappten.

38 http://www.mxwendler.net [Stand 05.11.2012] 39 http://www.coolux.de/products/ [Stand 05.11.2012]


Videomapping » Vorbereitung des 3D-Modells

Die hierbei verwendete Software für die Projektion war in beiden Fällen ›vvvv‹, eine nodebasierte, visuelle Entwicklungs- und Programmierumgebung, welche immer häufiger bei freien Arbeiten, aber auch kommerziellen Projekten zum Einsatz kommt. Für die Steuerung der Schrittmotoren zum Drehen der Objekte wurde ebenfalls ›vvvv‹ und der ›Arduino‹ eingesetzt.

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vvvv Anwendung zur Erzeugung und Manipulation von Video- und Datenströmen in Echtzeit, sowie zum Bespielen und Steuern von Multimedia-Installationen. Anfangs von der Firma ›Meso‹ zu internen Zwecken entwickelt wurde vvvv ab 2002 der Öffentlichkeit zugänglich gemacht.

3.2. Vorbereitung des 3D-Modells Zwar ist es in ›vvvv‹ möglich, dreidimensionale Grundkörper wie Würfel, Kugel oder Tubus zu generieren und damit komplexere Strukturen zu erstellen, aber in diesem Fall war es von Vorteil, das für die Formfindung und Bewegungstests bereits konstruierte 3DModell zu nutzen. Hier genügte es, eine einzige Pyramidenform als

Seitdem erfreut sie sich, gerade im Bereich der kreativen Programmierung und der visuellen Live-Performance, immer größerer Beliebtheit. http://www.meso.net/vvvv [Stand 23.10.2012]

Masterobjekt vorzubereiten, um es später in vierfacher Ausführung zu nutzen. Die schon bestehende Geometrie konnte beibehalten werden, während die einzelnen Flächen der Masterpyramide mit einem ›uvMapping‹ versehen werden mussten. Damit ist es in ›vvvv‹ möglich die einzelnen Flächen anzuwählen und mit neuem Inhalt zu bestücken. Das ›uv-Mapping‹ stellt sicher, dass die Texturen ihre fixe Position und Ausrichtung

Abb. 38: uv-Mapping der Masterpyramide in ›Blender‹;

auf der Geometrie behalten, selbst wenn

links: 3D-Ansicht des Modells mit zu mappender markierten Fläche, rechts: uv-Map mit korrespondierendem Texturbereich der Fläche

sich diese bewegt.


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Videomapping » Das 3D-Modell in ›vvvv‹

3.3. Das 3D-Modell in ›vvvv‹ Der Import des 3D-Modells der Masterpyramide in ›vvvv‹ gelang problemlos über das spezielle DirectX-Format. Die Ausrichtung der Weltachsen wurde korrekt übernommen und die vorher per ›uv-Mapping‹ festgelegten Texturen konnten separat angewählt, ausgelesen und ersetzt werden. Der Ankerpunkt des Masterobjektes blieb, wie vorher im 3D-Programm festgelegt, erhalten. Das stellte sicher, dass die gesamte Form aus nur einem einzigen Grundelement zusammengebaut werden konnte, was die Simulation der Bewegung erleichterte. Mit dieser in ›vvvv‹ konstruierten Form – dem Objekt im geöffneten Zustand – konnten nun schon statische Projektionstests durchgeführt werden. Hier zeigte sich bereits die Schwierigkeit des genauen Übereinanderblendens von virtuellem und realem Objekt. Würde es sich um ein statisches Objekt handlen, so wäre es möglich, die importierte 3D-Geometrie nachträglich in ›vvvv‹ manuell so zu verzerren, dass es auf die reale Form exakt passt. Doch bei einer sich verändernden Geometrie wäre eine ständige Anpassung der Verzerrung zwar notwenig jedoch unmöglich.

Abb. 39: Konstruktionsschema mit vier Masterpyramiden; Ankerpunkte farbig gekennzeichnet

Daher war es für das passgenaue Projektionsmapping wichtig, den Abstand und die Orientierung des Projektors zum Objekt so präzise wie möglich im virtuellen Raum zu rekonstruieren (siehe Abb. 40). Ebenso müssen die genauen Angaben bezüglich Auflösung, Projektionsverhältnis und Zoomfaktor des verwendeten Projektors bekannt sein. Das stellt sicher, dass die optische Verzerrung im virtuellen Raum Abb. 40: Modell mit Textur und simuliertem Projektor in ›vvvv‹

der tatsächlichen Projektion auf dem realen Objekt entspricht.


Videomapping » Simulation der Modellbewegung in ›vvvv‹

3.4. Simulation der Modellbewegung in ›vvvv‹ Wie vorher beschrieben wurde das Modell aus einem einzigen Grundelement erstellt, das viermal geladen wurde. Diese vier Elemente wurden entsprechend ihrer Position im Modell ausgerichtet. Dadurch war es möglich mit nur einer einzigen Rotationsangabe den Klappmechanismus nachzuahmen. Eine Alternative wäre das aufwändige Erstellen einer Skelettstruktur im 3D-Programm, welche dann in ›vvvv‹ hätte importiert werden müssen. Das wäre nicht nur ein größeres Unterfangen gewesen, sondern hätte die Bewegung auch auf das erzeugte Skelett beschränkt. Durch die Nutzung einzelner Elemente sind diese frei positionierbar und beweglich und bieten mehr Gestaltungsfreiraum beim Erzeugen optischer Effekte. Dies wurde genutzt, um zusätzlich zum Klappmechanismus weitere Bewegungen für das virtuelle Objekt zu erzeugen, welche mit dem physikalischen Objekt nicht möglich wären. Diese Projektionen lassen den Betrachter an der Echtheit der Form zweifeln und verwischen die Grenzen zwischen der Realität und der virtuellen Welt.

a)

b)

c)

Abb. 41: Verschiedene Bewegungsstadien des Modells in ›vvvv‹ a) – c) von der geschlossenen zur aufgeklappten Form d) mit dem realen Objekt nicht durchführbare Bewegung in ›vvvv‹ visualisiert

d)

45


46

Videomapping » Projektion und Texturierung

3.5. Projektion und Texturierung Die Schwierigkeit bei der Projektion lag darin, die verschiedenen Perspektiven und Flächen dem gewünschten Effekt entsprechend zu nutzen. Soll ein frontaler Blick auf das Objekt eine unverzerrte Grafik darstellen, muss diese vorab verzerrt werden, damit sie bei der Projektion korrekt erscheint. Verändert jedoch das Objekt seine Form – was gleichbedeutend mit der Änderung des Blickwinkels des Betrachters ist – so muss eine Anpassung der Grafik erfolgen, um einen visuell richtigen Eindruck beizubehalten. Da die Texturen separat ausgelesen werden konnten, war es möglich für jede Fläche eine eigene Transformation der Textur durchzuführen. Ein weiterer Vorteil war, dass die Parameter der Modellbewegung in ›vvvv‹ mehrfach genutzt und zur Einstellung der visuellen Korrektur herangezogen werden konnten.

3.6. Steuerung der Parameter Um das Modell und die Form im virtuellen Raum zu steuern, bot sich die Nutzung eines MIDI-Controllers an. Der ›Behringer BCD3000‹ der ›KORG nanoKONTROL‹ eigneten sich mit ihrer üppigen Ausstattung an Knöpfen, Schiebe- und Drehreglern optimal für diese Aufgabe. Mit den Controllern konnten auch die verschiedenen Grafiken, Videos und Effekte gesteuert und aktiviert werden. Die Nutzung von solch einem Gerät hat im Vergleich zur Steuerung per Tastatur und Maus den Vorteil, dass mehrere Parameter gleichzeitig geändert werden können. Außerdem bietet es eine intuitivere, schnellere und Abb. 42: Für die Steuerung verwendete MIDI-Controller ›BCD3000‹ und ›nanoKONTROL‹

zudem haptisch erfahrbare und präzisere Kontrolle.


Videomapping » Steuerung der Parameter

Abb. 43: Projektion auf das finale Modell, verschiedene Bewegungsstadien

Abb. 44: Programmierung und Steuerungslogik in den einzelnen ›vvvv‹-Patches links: Hauptpatch zur Steuerung mit markiertem Sub-Patch rechts: Sub-Patch zur Generierung von Texturen und dem Rendering des Objektes

47



49

IV. Fazit und Ausblick Wie der praktische Teil zeigt, ist der Schritt vom statischen zum dynamischen Projektionsmapping auf eine sich verändernde Form durchaus möglich. Der schwierige Teil besteht jedoch darin, diese neue Ebene der Form als Gestaltungselement und visuelles Mittel einzusetzen. Das bewusste Trennen und Vereinen von Form und Inhalt – genauer gesagt, von beweglicher Form und wechselndem Inhalt – ist der kritische Punkt und die Kunst an sich. Der Betrachter kann nur noch schwer bis gar nicht zwischen echter und projizierter Geometrie unterscheiden und somit verschmelzen die Grenzen von realem und virtuellem Raum. Die interaktive Komponente des Prototyps beschränkt sich in dieser Thesis auf die Steuerung durch den Künstler. Mit dem Gedanken, das Objekt als interaktives Kunstwerk auszustellen, könnten weitere Schnittstellen implementiert werden, die es dem Besucher selbst erlauben, Form und Inhalt zu manipulieren. Um den Grad der Verformung zu erhöhen wäre auch der Einsatz bi-elastischer Textilien möglich, welche über eine, sich verändernde Rahmenkonstruktion gespannt sind. Anstatt von Projektoren wäre es auch möglich ›OLED-panels‹ zu nutzen, welche direkt auf der Objektoberfläche montiert sind. Mit solchen Panels sind selbst gewölbte Oberflächenstrukturen realisierbar, ohne an Leuchtkraft zu verlieren. Das hätte den großen Vorteil, dass die Szene nicht im virtuellen Raum rekonstruiert werden müsste, da im eigentlichen Sinn kein 3D-Mapping mehr stattfindet, sondern die Panels direkt angesteuert werden könnten. Diese neue Art der ›physical visuals‹ könnte nicht nur im Bereich des VJ-ing von Interesse sein, sondern auch als reines interaktives Kunstobjekt ausgestellt werden oder sogar als dreidimensionales, animiertes Logo zur Anwendung kommen.



51

V. Danksagung

Besonderer Dank geht an:

Prof. Susanne Mayer Dipl.Ing. (FH) Horst J채kel VISUELL Studio f체r Kommunikation GmbH meine Familie Isabell Haas Cornelia Fehn Rebecca Glaser Nadja Weber Daniel Kather



53

VI. Quellennachweis und Abbildungsverzeichnis


54

Quellenangabe

Seite

1.

Dinkla, S. Pioniere Interaktiver Kunst. ZKM Edition. Karlsruhe: Cantz; 1997. S. 25

4

2.

Dinkla, S. Pioniere Interaktiver Kunst. ZKM Edition. Karlsruhe: Cantz; 1997. S. 26

4

3.

http://www.olats.org/schoffer/cyspe.htm [Stand 17.09.2012] und Gardiner, H. Art Practice in a Digital Culture. Farnham: Ashgate Publishing, Ltd.; 2010. S. 64

5

4.

Dinkla, S. Pioniere Interaktiver Kunst. ZKM Edition. Karlsruhe: Cantz; 1997. S. 70 ff.

6

5.

VEP project, [Video] http://www.edu.vrmmp.it/vep/VEP_documentary.html [Stand 29.07.2012]

8

6.

Youngblood, G. Expanded Cinema. Toronto and Vancouver: Clarke, Irwin & Company Limited; 1970. S. 374 f und http://www.johncage.info/workscage/hpschd.html

9

7.

Dinkla, S. Pioniere Interaktiver Kunst. ZKM Edition. Karlsruhe: Cantz; 1997. S. 98

9

8.

Youngblood, G. Expanded Cinema. Toronto and Vancouver: Clarke, Irwin & Company Limited; 1970. S. 41

10

9.

http://www.zakros.com/projects/pavilion/original_new.html [Stand 30.07.2012]

11

10. Hart, S. Warhol Live. Montreal: Prestel Publishing Ltd.; 2008. S. 140 ff

12

11. Gassen, R.W. Vasarely. Ludwigshafen am Rhein: Hatje; 1998. S. 118 ff

14

12. http://www.zkm.de/algorithmische-revolution/index.php [Stand 23.08.2012]

14

13. http://www.zkm.de/algorithmische-revolution/index.php [Stand 23.08.2012]

15

14. http://www.zkm.de/algorithmische-revolution/index.php [Stand 23.08.2012]

16

15. http://www.medienkunstnetz.de/kuenstler/zero/biografie/ [Stand 23.08.2012]

16

16. Stachelhaus, H. Zero. D체sseldorf: ECON; 1993. S. 13 f und S. 144 f

16

17.

St채dtisches Museum Gelsenkirchen. Kinetische Kunst. Heidelberg: Gelsenkirchen-Stiftung; 1998, S. 94

17

18. St채dtisches Museum Gelsenkirchen. Kinetische Kunst. Heidelberg: Gelsenkirchen-Stiftung; 1998, S. 18

17

19. St채dtisches Museum Gelsenkirchen. Kinetische Kunst. Heidelberg: Gelsenkirchen-Stiftung; 1998, S. 20

18


55

Quellenangabe

Seite

20. Städtisches Museum Gelsenkirchen. Kinetische Kunst. Heidelberg: Gelsenkirchen-Stiftung; 1998, S. 34

18

21. Ganz, T. Die Welt im Kasten. Zürich: Neue Zürcher Zeitung; 1994. S. 27 f

20

22. http://de.wikipedia.org/wiki/Kinetoskop [11.10.2012]

20

23. Ganz, T. Die Welt im Kasten. Zürich: Neue Zürcher Zeitung; 1994. S. 126 f

20

24. Schmitz, N. in Schwarz, M. Licht und Raum. Köln: Wienand; 1998, S. 36

21

25. Schwarz, M. Licht und Raum. Köln: Wienand; 1998, S. 42 f und S. 80 ff

21

26. Youngblood, G. Expanded Cinema. Toronto and Vancouver: Clarke, Irwin & Company Limited; 1970. S. 388

22

27. Dreixler, V., Schraut, I. Visual Jockeying in Theorie und Praxis [Diplomarbeit]. Stuttgart: Hochschule der Medien. 2005. S. 30

22

28. http://de.wikipedia.org/wiki/Video_Home_System [Stand 18.10.2012]

23

29. http://de.wikipedia.org/wiki/Laser_Disc [Stand 18.10.2012]

23

30. Lund, H. Audio.Visual. Stuttgart: Arnoldsche; 2009. S. 308

23

31. http://de.wikipedia.org/wiki/Mapping [Stand 9.10.2012]

24

32. http://anhnguyen.gdnm.org/2012/04/27/short-history-of-projection-mapping [Stand 14.10.2012]

24

33. http://vimeo.com/26366491 [Stand 18.10.2012]

26

34. http://patentscope.wipo.int/search/en/WO2007043036 [Stand 18.10.2012]

28

35. http://www.exile.at/apparition [Stand 18.10.2012]

29

36. http://www.xsens.com/en/entertainment/live-entertainment/skrillex-live-on-stage [Stand 18.102012]

29

37. Gardiner, H. Art Practice in a Digital Culture. Farnham: Ashgate Publishing, Ltd.; 2010. S. 64

32

38. http://www.mxwendler.net [Stand 05.11.2012]

42

39. http://www.coolux.de/products/ [Stand 05.11.2012]

42


56

Abbildung und Quelle Abb. 1: ›CYSP 1‹ von Nicolas Schöffer aus dem Jahr 1956

Seite 5

http://www.thecentreofattention.org/exhibitions/feCYSP1sm.jpg [Stand 19.10.2012] Abb. 2: Funktionszeichnung ›Glowflow‹ von Myron Krueger, 1969

6

Dinkla, S. Pioniere Interaktiver Kunst. ZKM Edition. Karlsruhe: Cantz; 1997. S. 67 Abb. 3: Funktionszeichnung ›Metaplay‹ von Myron Krueger, 1970

6

Dinkla, S. Pioniere Interaktiver Kunst. ZKM Edition. Karlsruhe: Cantz; 1997. S. 71 Abb. 4: Der Philips-Pavillon auf der Expo 1958 in Brüssel

8

http://www.medienkunstnetz.de/werke/poeme-electronique/bilder/2/ [Stand 19.10.2012] Abb. 5: Installation ›HPSCHD‹ von John Cage im Jahr 1969

9

http://www.n3krozoft.com/_xxbcf67373.TMP/tv/hpschd.html [Stand 19.10.2012] Abb. 6: Der Pepsicola-Pavillon auf der Expo 1970 in Osaka, Außenansicht

10

http://www.medienkunstnetz.de/werke/pepsi-pavillon/ [Stand 20.10.2012] Abb. 7: Der Pepsicola-Pavillon auf der Expo 1970 in Osaka, Innenansicht

11

http://www.medienkunstnetz.de/werke/pepsi-pavillon/ [Stand 20.10.2012] Abb. 8: ›Exploding Plastic Inevitable‹ von Andy Warhol, 1967

12

Hart, S. Warhol Live. Montreal: Prestel Publishing Ltd.; 2008. S 164 Abb. 9: ›Kinetische Konstruktion N°1‹ von Naum Gabo, 1920

15

Wellmann, M. Romantische Maschinen: Kinetische Kunst Der Gegenwart. Berlin: Wienand; 2009. S. 29 Abb. 10: ›Licht-Raum-Modulator‹ von László Moholy-Nagy, 1930

15

http://www.stylemag-online.net/2009/04/03/turn-da-lights-down-low/ [Stand 22.10.2012] Abb. 11: Manifest der Künstlergruppe ›ZERO‹, 1963 Stachelhaus, H. Zero. Düsseldorf: ECON; 1993. S. 27

16


57

Abbildung und Quelle Abb. 12: ›kinetisches Objekt‹ von Siegfried Cremers, 1960

Seite 17

Städtisches Museum Gelsenkirchen. Kinetische Kunst. Heidelberg: Gelsenkirchen-Stiftung; 1998, S. 95 Abb. 13: ›kinetisch magnetisches Objekt‹ von Hartmut Böhm, 1964

17

Städtisches Museum Gelsenkirchen. Kinetische Kunst. Heidelberg: Gelsenkirchen-Stiftung; 1998, S. 19 Abb. 15: ›Varietal Urbanus Female‹ von U-Ram Choe, 2007

18

http://www.uram.net [Stand 22.10.2012] Abb. 14: ›o.T.‹ von Roger Vilders, 1972

18

Städtisches Museum Gelsenkirchen. Kinetische Kunst. Heidelberg: Gelsenkirchen-Stiftung; 1998, S. 35 Abb. 16: ›bit.reflection‹ von Julius Popp, 2008/9

19

Wellmann, M. Romantische Maschinen: Kinetische Kunst Der Gegenwart. Berlin: Wienand; 2009. S. 59 Abb. 17: ›Slow Dissolve, Space Division‹ von James Turrell, 1989

21

Schmitz, N. in Schwarz, M. Licht und Raum. Köln: Wienand; 1998, S. 81 Abb. 18: ›Vortex Concerts‹Henry Jacobs (links) und Jordan Belson im Morrison Planetarium

22

Youngblood, G. Expanded Cinema. Toronto and Vancouver: Clarke, Irwin & Company Limited; 1970. S. 388 Abb. 19: Stagedesign mit 3D-Mapping für die Show ›AMON TOBIN ISAM 2.0‹ des Musikers Amon Tobin, 2012

25

Standbild aus: http://vimeo.com/50411070 [Stand 23.10.2012] Abb. 20: Kulisse mit 3D-Mapping des Theaterstücks ›BUDJENJE‹, 2010

26

Standbild aus: https://vimeo.com/26366491 [Stand 23.10.2012] Abb. 21: Tanzperformance ›Apparition‹ mit dynamischem Videomapping; konzipiert von Klaus Obermaier

29

http://www.exile.at/apparition/photos/apparition_lines2.jpg [Stand 23.10.2012] Abb. 22: Bühnenprojektion mit 3D-Mapping und live animiertem Avatar; ›Mothership‹-Tour des Musikers ›Skrillex‹ Standbild aus: http://www.youtube.com/watch?v=2VOZ1JXWfpo [Stand 23.10.2012]

29


58

Abbildung und Quelle Abb. 23: Formfindung mit Würfel als Basis

Seite 34

Illustration, Tobias Isakeit Abb. 24: Übergang vom Würfel zur Pyramidenform

34

Foto, Tobias Isakeit Abb. 25: Auflistung aller Winkel und Maße von Dreieck, Würfel, Tetraeder und Pyramide

34

Scan, Tobias Isakeit Abb. 27: Vereinfachter Papierprototyp des Klappmechanismus

35

Screenshot, Tobias Isakeit Abb. 28: Pappmodell des Mechanismus mit Servomotor

35

Foto, Tobias Isakeit Abb. 26: 3D-Modell in ›Blender‹; geschlossene und geöffnete Form

35

Foto, Tobias Isakeit Abb. 29: Arduino (rechts) mit drei angeschlossenen Servomotoren

37

Foto, Tobias Isakeit Abb. 30: Pyramidenbasis aus KAPA;

38

Foto, Tobias Isakeit Abb. 31: Pyramidenkuppel aus Papier

38

Foto, Tobias Isakeit Abb. 33: Finales Modell im Übergang vom Würfel zur Pyramidenform

39

Foto, Tobias Isakeit Abb. 32: Servomotoren mit Gelenksystem aus Kunststoff Foto, Tobias Isakeit

39


59

Abbildung und Quelle Abb. 34: Finales Modell im geöffneten Zustand, Vorderseite

Seite 40

Foto, Tobias Isakeit Abb. 35: Finales Modell, Rückseite mit Technik

40

Foto, Tobias Isakeit Abb. 36: Mapping auf einen Polyring; Youtube-User ›Pasudomoyka‹

42

Standbild aus: http://www.youtube.com/watch?v=is8dy7eEEek [Stand 19.10.2012] Abb. 37: Mapping auf einen Polyeder; Agentur ›Grosse 8‹

42

Standbild aus: https://vimeo.com/45132037 [Stand 19.10.2012] Abb. 38: uv-Mapping der Masterpyramide in ›Blender‹;

43

Screenshot, Tobias Isakeit Abb. 40: Modell mit Textur und simuliertem Projektor in ›vvvv‹

44

Screenshot, Tobias Isakeit Abb. 39: Konstruktionsschema mit vier Masterpyramiden; Ankerpunkte farbig gekennzeichnet

44

Illustration, Tobias Isakeit Abb. 41: Verschiedene Bewegungsstadien des Modells in ›vvvv‹

45

Screenshot, Tobias Isakeit Abb. 42: Für die Steuerung verwendete MIDI-Controller ›BCD3000‹ und ›nanoKONTROL‹

46

Foto, Tobias Isakeit Abb. 43: Projektion auf das finale Modell, verschiedene Bewegungsstadien

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Foto, Tobias Isakeit Abb. 44: Programmierung und Steuerungslogik in den einzelnen ›vvvv‹-Patches Screenshot, Tobias Isakeit

47







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