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Wir und digitalisieren? Jetzt mal im Ernst!

«Wir und digitalisieren? Jetzt mal im Ernst»

Ein praxisorientierter Ratgeber für die Realisierung von Digitalisierungsprojekten und den lang fristigen Wandel zum digitalen Unternehmen.

>> Dirk Apel | Batix Schweiz AG

Der Fortschritt in der IT ist von Entwick lungsschritten geprägt, die eine markante Veränderung des Umgangs mit der Techno logie zur Folge hatten. Beispiele hierfür sind Personal Computer, E-Mail, das Internet oder das Smartphone. Einen ähnlichen Schritt erle ben wir mit der fortschreitenden Digitalisie rung. Nur ist es diesmal statt einer einzelnen technologischen Neuerung die Adoption von Technologie auf breiter Ebene. Darin liegen Chance und Risiko für die Unternehmen. Statt jahrelanger Forschungsprojekte können Inno vationen heute schnell und kosteneffektiv vali diert und entweder verworfen oder weiterent wickelt werden. Dies steigert den Druck, dass ein Mitbewerber unaufholbare Marktvorteile entwickelt.

Ausgangslage Die Realität in vielen Unternehmen ist eine Zeitreise in die 1990er-Jahre. Vielerorts ist immer noch Papier das hauptsächliche Trans portmedium für Pläne, Aufträge und Berichte. Statt einer systematischen Datenverarbeitung werden Excel-Dateien per Mail versendet. ERP, CRM, PPS, E-Shop und Websites sind Inseln, die im besten Fall über Schnittstellen einander Daten bereitstellen. Von durchgängig vernetzten Prozessen sind viele Unternehmen noch weit entfernt.

Und nun wird den Unternehmen suggeriert, dass Sie unbedingt die digitale Transformation starten müssen, weil sonst morgen ein ande res Unternehmen den Markt disruptiert und einen selbst obsolet macht. Statt dieser Hor rorszenarien bietet sich ein kritischer Blick auf das eigene Unternehmen und den Umgang mit der verfügbaren Technologie an. Weder den Kopf in den Sand stecken noch in Panik ausbrechen sind probate Mittel, um der Digi talisierung zu begegnen.

Die 3 Phasen der Digitalisierung Eine Unterteilung der Digitalisierung in drei Phasen erleichtert es, die Position des eigenen Unternehmens einzuschätzen. Ausgehend von der Position kann ein Unternehmen eine Ziel vision definieren und darauf hinarbeiten oder erstmal die Grundlagen der Digitalisierung schaffen.

Phase 1: Digitale Optimierung Die digitale Optimierung zielt darauf ab, die Computerisierung und Konnektivität zwischen den einzelnen Arbeitsstellen im Unternehmen zu realisieren. Im Prinzip geht es darum, Informationen bereitzustellen und dadurch wiederum Messpunkte für die Datenerhebung zu schaffen. Ein Beispiel hierfür ist ein Tablet, welches Pro duktionsaufträge in der Fertigung an der Maschine bereitstellt und gleichzeitig als Medium für die Betriebsdatenerfassung dient. Die Konnektivität betrifft Technik (Maschinen liefern Informationen) wie auch Prozesse (Abläufe über Systeme). Statt einen Fertigungsauftrag isoliert pro System zu betrachten, wird dieser vom Bestellsystem über Produktionsplanung, Ausfüh rung bis hin zur Auslieferung und schlussendlich auch im Falle einer Reklamation begleitet. In jedem dieser Schritte fallen wichtige Informationen an, die nur durch eine systematische Datenverarbeitung nutzbar gemacht werden. Idealerweise rechnet sich jeder Schritt auf diesem Weg. Es kann jedoch auch sein, dass für eine Optimierungsmassnahme kein ROI gerechnet werden kann. Nichts destotrotz ist sie notwendig, wenn sie wertvolle Informationen über das eigene Unternehmen und seine Abläufe liefert.

Phase 2: Digitale Transformation Nachdem in der Phase der digitalen Optimierung Transparenz im Unternehmen hergestellt wurde, kann in der digitalen Transformation der nächste Schritt in Angriff genommen werden. In dieser Phase stellen wir uns die Fragen: ∙ Was passiert? ∙ Warum passiert es? ∙ Und daraus abgeleitet: Was wird passieren? Die Datenströme werden konsequent analysiert und auf wiederkehrende Muster geprüft. Nehmen wir wieder das Beispiel der Fertigung. Durch die Bereitstellung von Tablets und geeigneter Software werden Maschinenstillstände und Probleme dokumentiert. Darüber hinaus werden Informationen über den Grund eines Still stands direkt (Mitarbeiter erkennt Grund und erfasst diesen) und indirekt (bei einem bestimmten Produkt kommen gehäuft Stillstände an der Sortiermaschine vor) gesammelt. Diese wertvollen Informationen finden ihren Weg wieder in die digitale Opti mierung. Statt reaktiv auf Probleme zu reagieren, werden Handlungsoptionen geschaffen. Die Einführung eines digitalen Wissensmanagement kann eine dieser Optionen sein. Bekannte Probleme werden einem Auftrag mitgesendet und dem Mitarbeiter Handlungsanweisungen visualisiert. Entweder um das Problem von vorneherein zu verhindern oder um es zumindest selbstständig lösen zu können. Ein wichtiger Aspekt ist, dass die Umwälzung des Unternehmens von innen her aus geschieht. Das Delegieren der Digitalisierung an einen Dienstleister wird nicht zum gewünschten Erfolg führen. Im Minimum muss sich das Unternehmen in den Beifahrersitz begeben. Dabei müssen die Mitarbeiter des Unternehmens aktiv ein gebunden werden. Eine hohe Transparenz gegenüber den Mitarbeitern und Integ ration dieser ist essenziell für die Akzeptanz jeder digitalen Transformation.

Digitale Optimierung

Digitale Transformation

Digitale Disruption

Digitalisierung

Phase 3: Digitale Disruption Aus der Optimierung und der Transformation münden schlussendlich die Möglichkeiten einer grundlegenden Innovation und neuer Geschäftsmodelle. In der Regel versteht man dar unter neuartige Einnahmequellen wie zum Beispiel Serviceleistungen zu Produkten. Doch die Disruption geht weit darüber hinaus. So nutzt ein Fertigungsbetrieb Künstliche Intelligenz, um die systembedingten Stillstand zeiten zu optimieren und macht Vorschläge, was Mitarbeiter mit den geschaffenen Freiräu men machen können: Zum Beispiel Ausbildung oder das Kind aus der Kita holen. Dies führt schlussendlich dazu, dass die Mitarbeiter viel stärker mit dem Unternehmen verbunden sind und qualifizierte Fachkräfte einfacher auf dem Arbeitsmarkt gefunden werden könne. Dank hoher Motivation wird die Effektivität viel stärker gesteigert, als dies durch die Nutzung der freien Zeiten zur Erledigung von noch mehr Aufträgen möglich wäre.

Minimierung des Risikos Mit einem agilen MVP-Ansatz (Minimum Viable Product) lässt sich das Risiko minimieren. Statt grosser Mammut-Vorhaben wird ein Team zusammengestellt, ein Ziel definiert, ein zeitlicher Rahmen fixiert und das Investitionsvolumen bestimmt. Dieser Ansatz lässt sich selbst auf physi sche Produkte ummünzen. Alle zwei Wochen wird der aktuelle Stand hinterfragt und entschieden, ob die Vision weiter erreichbar ist, oder ob das Produkt bereits vor Ablauf der Zeit genügt. Wird das Projekt weiterverfolgt, werden die Ziele für den nächsten 2-Wochen-Rhythmus definiert.

Ein möglicher Fehlschlag ist dabei nicht negativ behaftet. Der möglichst frühe Fehlschlag ist sogar Teil des Konzeptes. Lieber früh erkennen, dass eine Idee nicht funktioniert und dafür die nächste angehen, als viel Zeit und Energie in ein Projekt stecken, um dann am Ende doch vor dem Nichts zu stehen.

Fazit Es muss nicht gleich ein neues Geschäftsmodell sein. Die aktive Auseinandersetzung mit der eigenen Position in der Digitalisierung und die Ableitung von geeigneten Massnahmen sind Schritte, die zwar nicht notwendigerweise Revolutionen auslösen, aber notwendig sind, um fit für die Zukunft zu sein. <<

Der Autor

Die Einteilung der Digi talisierung in drei Phasen erleichtert es Unterneh men, die eigene Position einzuschätzen. Davon ausgehend können Ziele angestrebt oder zuerst Grundlagen geschaffen werden (Copyright: Dirk Apel)

Referent topsoft 2019 Dirk Apel

Digitalisierung – Risiko oder Chance? Mittwoch, 28.8.2019, 15:45 Uhr Die Divergenz zwischen realer und fiktionaler Digi talisierung ist Tatsache. Dirk Apel schafft mit konkreten Handlungsanweisungen für etwas Klarheit.

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