Christian Volbracht
Tr端ffeln Mythos und Wirklichkeit
Inhalt Einleitung Trüffel-Paradoxe 5 Eiszeit Krise auf den Trüffelmärkten 9 Trüffelarten Die unterirdischen Geschwülste 21 Spurensuche Antike und Mittelalter 29 Namen Von Trüffeln und Tartuffeln 37 Lust Die 2000-Jahre-Legende vom Aphrodisiakum 43 Wissenschaft Unter dem Mikroskop und im Labor 53 Genüsse Von lukullischen Freuden bis in Teufels Küche 63 Trüffelmania Delikatessen für die Tafeln der Könige 69 Gastrochauvinismus Weiß gegen schwarz 73 Gastrosophie Die Geburt der Gastronomie 81 Kultur Vom Bauernwald zur Plantage 91 Kultur und Kommerz Im Land der Optimisten 101 Schwein und Hund Immer der Nase nach 115 Lug und Trug Trüffeltäuschereien und Gelbe Gefahr 123 Trüffelküche Vom Kilo zum Gramm 129 Deutschland Die verspätete Trüffelnation? 139 Enthusiasten Trüffeljagd in Deutschland 153 Trüffelträume Wach bleiben! 163 Epilog Sechs Trüffeln im Kühlschrank 167 Anhang Fußnoten 171 Trüffellexikon 178 Trüffel-Informationen 179 Märkte 179 Bibliographie 180 Danksagung 182 Über den Autor 183 Abbildungen 183
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Grimod de la Reynière (1804): Bibliothek des Feinschmeckers
Trüffel-Paradoxe »Sie haben die Wissenschaftler gefragt, was das für eine Knolle sei, und nach 2000 Jahren Diskussion haben die Wissenschaftler geantwortet wie am ersten Tag: ›Wir wissen es nicht.‹ Sie haben die Trüffel selbst befragt und die Trüffel hat geantwortet: ›Esst mich und lobet Gott!‹« So ratlos besingt Romancier und Lebemann Alexandre Dumas im Jahr 1873 die Trüffeln, für ihn das »Sacrum sacrorum des gastronomes«, das Allerheiligste der Feinschmecker. Viel anders ist die Lage auch 140 Jahre nach dem Erscheinen von Dumas’ »Großem Küchenlexikon« nicht, trotz aller Forschung: Um die seit der Antike begehrten Pilze ranken sich Mythen, Legenden und Irrtümer. Bis heute geben die unterirdisch wachsenden Knollen der Wissenschaft Rätsel auf. Das Trüffel-Paradox lautet: je mehr wir über Trüffeln wissen, desto weniger werden geerntet. Und je weniger gefunden werden, desto höher steigen die Preise für eine der teuersten Delikatessen der Welt, Inbegriff des kulinarischen Luxus. Man kann sich damit begnügen, die himmlische Speise zu genießen und Gott zu loben, doch ich begebe mich auf Trüffelsuche, um Mythos und Wirklichkeit zu erkunden. Vor allem ins Trüffelland Frankreich, zu Trüffelsuchern, Züchtern, Händlern, Historikern und Forschern. Ich mache lange Ausflüge in die eigene Pilzbuch-Bibliothek, stöbere in alten Kräuterbüchern, den frühen Schriften über Trüffeln, in Kochbüchern und Lexika und in den aktuellen Berichten von wissenschaftlichen Kongressen und Tagungen. Und schließlich entdecke ich die kleine, aber enthusiastische Trüffelszene in Deutschland.
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Die ersten Mutmaßungen über diese rätselhaften unterirdischen Knollen stammen von den Griechen, die auch deren Ruf als Aphrodisiakum, als ein die Liebe förderndes Mittel begründeten. Die ersten Rezepte sind von den Römern überliefert, die aber unsere Edeltrüffeln ebenso wenig wie die Griechen kannten. Dann herrscht dunkles Mittelalter, und erst mit der Renaissance beginnt der Sieges zug der Trüffel durch Europa. Zunächst werden die verschiedenen Arten höchst ungenau unterschieden. Dann beginnt der Konkurrenzkampf zwischen Frankreich und Italien: Auf der einen Seite etabliert sich die schwarze Périgord-Trüffel Tuber melanosporum ganz oben, der »Diamant der Küche« des Gastrosophen Jean Anthèlme Brillat-Savarin, auf der anderen Seite die weiße Piemont-Trüffel Tuber magnatum, die Trüffel der Adligen. Fürstenhöfe beschenken einander mit Trüffeln, schon im 18. und 19. Jahrhundert grassiert in Europa »Trüffel-Verrücktheit«, die »Trüffelmania«. Suchhunde werden zuerst aus Italien nach Deutschland und bis England exportiert. Dann erreichen Trüffeln auch die Tafeln des gehobenen Bürgertums. Deutschland schwingt sich gar zum Trüffelexporteur auf, wenn es auch nur wenige Trüffeln und nicht die edelsten Arten zu bieten hat. Der Wirrwarr um Kenntnis und Benennung der Arten hält bis heute an, auch Fachleute der Gastronomie kennen die Unterschiede zwischen Edeltrüffeln und Speisetrüffeln der anderen Kategorien oft nicht oder verschweigen sie gern. Wer die Literatur und das Internet durchforscht, findet immer wieder dieselben Legenden, die gleichen Fehlinterpretationen und die vielen einfach abgeschriebenen Irrtümer. Seit jeher wurde die Unkenntnis ausgenutzt. So ist die Geschichte der Trüffeln in Europa auch eine von Lug und Trug, von gefälschter Trüffelwurst und -pastete, von Imitaten und billigen Chinatrüffeln, von nicht deklarierten Aroma stoffen, von skrupellosen Verkäufern und ahnungslosen Feinschmeckern und von vielen enttäuschten Hoffnungen. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts werden die Trüffelfunde in Deutschland seltener; nach dem Ersten Weltkrieg geht’s auch bergab mit der Trüffelernte in Frankreich – wegen des Verschwindens der alten bäuerlichen Kultur, der natür lichen Wälder, wegen des Scheiterns von Wissenschaft und Trüffelzucht und nun auch wegen des Klimawandels. Mit den modernen Kulturmethoden kann die Produktion gerade eben auf niedrigem Niveau gehalten werden. Dennoch gibt es allerorten Zeichen für eine anhaltende und wachsende Trüffelbegeisterung, gar für eine neue Trüffelmania. Grund genug, tief in die Geschichte dieser Leckerbissen einzutauchen, nach den ersten Zeugnissen zu suchen, die von Irrglauben gekennzeichnete Auf klärung ihrer Lebensweise zu verfolgen. Die Forschungs- und Kulturgeschichte der Trüffeln ist eng verbunden mit ihrer Nutzung als Nahrungsmittel. Wir werden die
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vielfältigen Rezepte des Italieners Scappi entdecken, des Kochs der Päpste, und wir werden der Gier gewahr, mit der sich die Franzosen zu Beginn des 19. Jahrhunderts auf die Trüffeln stürzen, als in Paris die Gastronomie begründet wird. Wir werden erfahren, wie man in den Phasen des Überflusses mit Trüffel-Pfunden wuchert, während heute Trüffeln nur noch grammweise verwendet werden. Und wir fragen, was das für ein Mythos ist, der an den dunklen Trüffeln haftet und sich neu um sie zu bilden versucht – alter Traum oder nur moderner Schaum? Auch in Deutschland macht sich seit der Wiederentdeckung der Sommertrüffeln an der Ahr vor zehn Jahren ein bisschen Goldgräberstimmung breit. Wie sieht es mit den Chancen für eine erfolgreiche Trüffelkultur in Deutschland aus? Das Wort Trüffel hat seinen besonderen Klang, den der teuren Delikatesse, den der sympathischen zwischenmenschlichen Versprechung: »Wer Trüffel sagt, spricht ein großes Wort aus, das bei dem Geschlecht in Röcken erotische und schlemmerhafte Erinnerungen weckt und beim Geschlecht mit Bärten schlemmerhafte
Brillat-Savarin (1826): Deutsche Übersetzung von 1878 Trüffel-Paradoxe | 7
und erotische Erinnerungen«, schreibt Brillat-Savarin 1825. In s einer »Physiologie des Geschmacks« erörtert er die Frage, ob Trüffeln wirklich ein Potenzmittel seien, oder, wie er es zeitgemäßer und galanter sagt, ob »diese Knolle eine Kraft erhöht, deren Ausübung mit den süßesten Freuden verbunden ist«. Der G astrosoph hat Frauen und Männer befragt, um schließlich die Entscheidung eines Männerrats zu verkünden: »Die Trüffel ist keineswegs ein wirksames Aphrodisiakum, aber sie kann in gewissen Situationen die Frauen nachgiebiger und die Männer liebenswürdiger machen.«
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Über den Autor Christian Volbracht hat seine ersten Trüffeln vor vielen Jahren in Frankreich gefunden, bevor er dann von Hamburg nach Paris ging, wo er zehn Jahre lang das Büro der Deutschen Presse-Agentur dpa geleitet hat. Geboren in Derneburg in Niedersachsen, wo im Schlosspark die Mäandertrüffel zu finden ist, hat sich der Nachrichtenjournalist das Thema Trüffeln intensiv als Gourmet und Amateur mykologe, vor allem aber als Büchersammler erschlossen. In 30 Jahren baute er eine bedeutende Privatbibliothek mit alten Pilz- und Trüffelbüchern auf – wofür man wie das Trüffelschwein eine gewisse Versessenheit, ein bisschen Glück und eine gute Nase braucht. Im Selbstverlag publizierte er seine Bibliographie »MykoLibri. Die Bibliothek der Pilzbücher«, inzwischen das Standardwerk über die ältere Pilzliteratur. Dazu bietet er in seinem Antiquariatsbuchhandel MykoLibri (www.mykolibri.de) seltene alte Pilz- und Trüffelbücher an. Nach vielen Jahren als Leitender Redakteur und Gastronomie-Experte der dpa schreibt Christian Volbracht heute auch als Autor für das Weinmagazin »Fine« im Tre Torri Verlag und kocht begeistert Trüffelrezepte für seine Familie und seine Freunde.
Abbildungen Alle Abbildungen sind Reproduktionen aus der Bibliothek Christian Volbracht: www.mykolibri.de
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Trüffeln – Mythos und Wirklichkeit Trüffeln geben uns seit der Antike Fragen und Rätsel auf. Sie begeistern Gourmets und Gourmands als Leckerbissen und sie locken als Aphrodisiakum. Aber ihre Geschichte ist auch eine der kuriosen Irrtümer, der falschen Legenden, der raffinierten Betrüger und leeren Versprechungen. Ist es wahr, dass Trüffeln die Liebe fördern? Warum gab es sie einst im Überfluss und heute nur noch grammweise? Wie entsteht dennoch immer wieder eine neue Trüffelmania? Und wie sind die Aussichten für eine wirklich erfolgreiche Trüffelzucht – sogar in Deutschland? Christian Volbracht erforscht die kulturelle und gastro nomische Geschichte der Trüffeln, untersucht die Mythen dieser »Kinder der Götter« und erklärt ihre aktuelle Krise. Dieses Buch ist eine Huldigung an die Trüffeln als edelste aller Delikatessen und eine kritische Bestandsaufnahme für wissbegierige Genießer.
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