Spuk in noe leseprobe

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Gabriele Hasmann Spuk in Niederรถsterreich



Gabriele Hasmann

SPUK I N N I E D E Rร STERREICH

Mysteriรถse Orte und Begegnungen


Mein Dank gilt allen Interviewpartnern, Michael Jäger, Marktgemeinde Wöllersdorf-Steinabrückl

1. Auflage 2016 © Carl Ueberreuter Verlag, Wien 2016 ISBN 978-3-8000-7643-7 Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden. Umschlaggestaltung: BoutiqueBrutal.com Fotos: © Gabriele Hasmann Satz: Strobl, Satz·Grafik·Design, Neunkirchen Druck und Bindung: Druckerei Theiss, St. Stefan im Lavanttal www.ueberreuter-sachbuch.at


Inhalt

Einleitende Worte

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Melk: Stift Melk Qualvolles Röcheln und ein umhergeisternder Heiliger

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Feichtenbach: Sanatorium Wienerwald Die weiße Gestalt im Park: »Ich habe Kafka geheißen.«

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Baden bei Wien: Kaiserhaus Ein ruheloser Römer, ein unglückliches Liebespaar und die alte Frau mit den Einkaufstaschen

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Heidenreichstein: Heidenreichsteiner Moor Licht im Dunklen

45

Mödling: Meiereiwiese und Husarentempel Casanovas Bruder und ein lebensmüder Kronprinz

58

Schönau an der Triesting: Schloss Schönau Ein toter Baron und die Poltergeister von Schloss Schönau

75

Wiener Neustadt/Wöllersdorf Ein kopfloser Rädelsführer, ein Höhlengeist und eine Nonne

88


Petronell-Carnuntum/Bad Deutsch-Altenburg: Römerlager Carnuntum Das Tor in die Vergangenheit/»Abstechen!«

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Quellen

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Einleitende Worte Auf meiner Reise durch Österreich auf der Suche nach gruseligen und beeindruckenden Spukerscheinungen bin ich nun in meiner Heimat Niederösterreich angekommen. Auch aus diesem Teil des Landes gibt es viel über paranormale Phänomene zu erzählen – über die spür- und sichtbaren Gestalten oder akustisch wahrnehmbaren Signale aus dem Totenreich, die Manifestationen von noch in unserer Dimension verhafteten Verstorbenen darstellen. Wahrzunehmen sind diese Kontaktaufnahmen aus dem Jenseits, die unwillkürlich passieren oder beabsichtigt hergestellt werden können, nicht für jedermann, sondern in den meisten Fällen für Menschen mit flexiblem Bewusstsein und offenem Herzen, Medien, Kinder und Tiere. Das vorliegende handliche Buch, das Sie auf Ihrer Spuktour begleiten soll, zeigt Ihnen den Weg in die Vergangenheit und zu den daraus zurückkehrenden Geistwesen, wenn Sie auf den Spuren der niederösterreichischen Gespenster wandeln und dabei Gänsehautmomente erleben wollen. Ich führe Sie an bekannte und historisch interessante Schauplätze, an denen sich Geister häufiger bemerkbar machen als an vielen anderen Orten. Hin und wieder zeigen sie sich einfach nur um darauf aufmerksam zu machen, dass sie noch da sind und nicht vergessen werden wollen. Doch manchmal versuchen sie auch, eine bestimmte Botschaft ins Diesseits zu transportieren. Viele der Wesenheiten scheinen seelenlos oder geistig verwirrt zu sein, andere wieder wirken ganz normal, nur dass sie in unserer Welt eben nicht real existie7


ren. Und doch sind sie da, widersetzen sich mit ihrem Erscheinen den physikalischen Gesetzen und widerlegen alle wissenschaftlichen Erkenntnisse zum Thema Tod und dem »Danach«. Sie weigern sich, endgültig ins ewige Nichts zu verschwinden, und rufen den Menschen von Zeit zu Zeit in Erinnerung, dass es nach dem Ablegen der materiellen Hülle noch mehr geben kann, wenn es das Schicksal so beschließt. Besuchen Sie mit mir zahlreiche wunderschöne und aufregende Plätze in Niederösterreich, wo Geschichte lebendig wird – und mit ihr einige Protagonisten von einst, die noch heute in geisterhafter Form existieren. Monumentale Bauten, historische Stätten und skurrile Gestalten prägen die Schauplätze der Geschichten, bei denen alles möglich scheint, wenn man sich auf das mutige Gedankenexperiment einlässt. Es verwundert jedenfalls nicht, dass die Geister dort hausen, wo die Gemäuer am geheimnisvollsten, die Wälder am düstersten und die damaligen Geschehnisse vor Ort am grausamsten sind. Lassen Sie sich verzaubern und faszinieren von den feinstofflichen Energien, treten Sie mit Ihnen in Kontakt und haben Sie keine Angst! Geister sind dem Menschen nur in den seltensten Fällen böse gesinnt, denn sie wollen sich nur in Erinnerung rufen, etwas mitteilen, erlöst werden oder sie realisieren ihre Existenz in unserer Dimension überhaupt nicht. Wenn Sie einem Wesen aus dem Jenseits begegnen, seien Sie offen für dessen Botschaft, falls Sie als Empfänger ausgewählt wurden, und bleiben Sie respektvoll – dann kann Ihnen nichts geschehen. Vergessen Sie aber nicht, dass es sich bei den Geschichten in diesem Buch, die mir von Augen- und Ohrenzeugen 8


erzählt wurden, um Momentaufnahmen von Erlebnissen einzelner Individuen handelt. Erwarten Sie daher nicht automatisch dasselbe zu erleben! Ich wünsche Ihnen eine schöne Reise! Herzlichst, Gabriele Hasmann

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Melk: Stift Melk

Qualvolles Röcheln und ein umhergeisternder Heiliger Das prächtige Benediktinerkloster am rechten Donauufer, das in seiner heutigen Gestalt im 18. Jahrhundert errichtet wurde, gehört als Wahrzeichen der Wachau und »sinnbildlichstes und dominantestes Barockgebäude« zum UNESCO-Weltkulturerbe. Das Stift ist darüber hinaus mit 1365 Fenstern das Bauwerk mit den meisten Fenstern Österreichs. Literarische Bekanntheit erlangte es durch die Figur des jungen Benediktiners Adson von Melk, einem der fiktiven Protagonisten im historischen Roman »Der Name der Rose« vom italienischen Autor Umberto Eco. Besiedelt war die felsige Anhöhe, auf der der Prachtbau thront, bereits zur Römerzeit – an der Stelle des Klosters befand sich im 1. Jahrhundert n. Chr. vermutlich ein Kastell als Teil der Limesbefestigung. Gegen Ende des 10. Jahrhunderts machte der Babenberger Leopold I. Melk zu seiner Residenz und begann von dort aus, die im Jahr 996 erstmals »Ostarrichi« genannte Mark immer weiter nach Norden und Osten auszudehnen. Noch größere Bedeutung erlangte der Herrschersitz im 11. Jahrhundert unter Markgraf Leopold II., der Schätze und Reliquien auf die Festung brachte und dort erstmalig Familienmitglieder bestatteten ließ. Als sich dann Wien im10


mer mehr zum Mittelpunkt des Landes entwickelte, übergab er den Bau auf dem Felsen über der Stadt im Jahr 1089 Benediktinermönchen. Leopold III. sicherte Jahre später die wirtschaftliche Existenz des Klosters mit Besitzungen in der Gegend ab. Ende des 13. Jahrhunderts zerstörte ein Feuer den größten Teil des Klosters, das jedoch dank der Hartnäckigkeit von Abt Ulrich II. trotz großer Schwierigkeiten notdürftig wieder aufgebaut wurde, sodass die Mönche nicht ihr Zuhause verloren. Doch nur wenige Jahrzehnte nach der Brandkatastrophe schwächten Pest, Missernten und das Schisma (zeitweilige Spaltung innerhalb der lateinischen Kirchen) sowohl die wirtschaftlichen Grundlagen des Gotteshauses als auch die Moral der Bewohner. Als Unterstützung schenkte der Habsburger Rudolf IV., »der Stifter«, den Gläubigen das »Melker Kreuz« als wertvolle Fassung für eine ihrer Reliquien, einen angeblichen Splitter des Kreuzes Jesu Christi. Doch das Kloster blieb überschuldet, die Disziplin der von den schweren Schicksalsschlägen demotivierten Mönche war weiterhin stark angeschlagen. In der Zwischenzeit hatte sich die einstige Burg trotz finanzieller Engpässe zu einem romanischen und danach zu einem gotischen Bau entwickelt. Anfang des 15. Jahrhunderts leitete die »Melker Klosterreform« mit Abt Nikolaus Seyringer den Umschwung ein und das Stift wurde wieder ein Ort vorbildlichen christlich-frommen Lebens. Zahlreiche Gottesmänner aus dem ganzen Land reisten ins Zentrum der Reform nach Melk, um dort zu studieren, und umgekehrt wurden hauseigene Mönche als Äbte in andere Klöster berufen. In enger Zu11


sammenarbeit mit der Wiener Universität entwickelte sich Melk in der Folgezeit zu einem kulturellen Zentrum, in den Schreibstuben des Stifts entstanden wichtige theologische und geisteswissenschaftliche Werke. Dennoch wurde das Kloster weiterhin von wirtschaftlichen Krisen gebeutelt und steckte stets in finanziellen Schwierigkeiten: Zuerst erschütterten die Hussitenkriege und die Auseinandersetzungen zwischen dem Habsburger Friedrich III. und dem Adel das Land, dann kam es zu Schwierigkeiten mit dem Ungarnkönig Matthias Corvinus und zu Beginn des 16. Jahrhunderts brachten die Türkenkriege weitere große Verluste mit sich. Gleichzeitig wandten sich viele Bürger und adlige Besitzer benachbarter Burgen der Reformation zu, was zur Folge hatte, dass sich die Zahl der Klostereintritte dramatisch verringerte. Ein Neustart gelang 1564 mit Abt Urban Perntaz, der schon bald die finanzielle Lage des Stifts erheblich verbesserte und etliche Mönche aus Süddeutschland nach Melk holte. Unter seinen Nachfolgern konnte der Wiederaufschwung im 17. Jahrhundert weiterbetrieben werden – das Kloster wurde zum Zentrum der Gegenreformation, setzte währenddessen seine literarische und wissenschaftliche Tätigkeit fort und baute die hauseigene Schule aus. Es entwickelte sich zum Kristallisationspunkt des geistlichen, kirchlichen und kulturellen Lebens. Zu Beginn des 18. Jahrhunderts wurde mit dem heutigen Barockbau in einheitlichem Stil ‒ mit Kloster und Park als Gesamtkonzept ‒ begonnen. Es entstanden die kunstvollen Fresken, prunkvolle Verzierungen und Vergoldungen, die nach einem neuerlichen Brand im Jahr 1738 um 1750 endlich 12


Benediktinerkloster Stift Melk

fertiggestellt werden konnten. Zu dieser Zeit wurden auch die neuen Glocken, die bis heute im Stift zu hören sind, gegossen: Die große Peter-und-Paul-Glocke (»Vesperin«) hängt im Nordturm. Im Südturm befinden sich die Dreifaltigkeitsglocke (»Angstglocke«), die Sieben-Schmerzen-Glocke (»Ave-Maria-Glocke«), die Kolomaniglocke und die Benediktiglocke. Schließlich gibt es noch die kleine Chorglocke in einem Türmchen am Dach der Kirche über dem Hochaltar, die täglich am Morgen zur Konventmesse geläutet wird. Im Dezember 1805 brach neuerlich ein Feuer aus, bei dem zwei- bis dreihundert russische Soldaten, die als Kriegsgefangene im Stift interniert waren, erstickten. Nach einer Reform von Habsburger-Kaiser Joseph II., Sohn Maria Theresias und Vertreter des aufgeklärten Abso13


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