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Drei frühe Lieder für sechs- bis zehnstimmigen Chor transkribiert von Clytus Gottwald (2009)

Alma Mahler (1879−1964)

1. Die stille Stadt Text von Richard Dehmel

Langsam

Träumerisch (poco andante) = 69

= 60

Soprani

Die

stil

le

Stadt.

Die

stil

le

Stadt.

Liegt

ei

ne Stadt

im

Ta

le,

ein

I Alti

Liegt

ei

ne Stadt,

Liegt

ei

ne

liegt

ei

ne Stadt,

im

II

Stadt

im

Ta

le, ein

le,

ein

im Ta

le, ein

I Tenori

Die

8

stil

le

Stadt.

Liegt

ei

ne Stadt

im

Ta

II 8

Liegt

ei

ne

Stadt

Liegt

ei

ne

Stadt

ei

ne

Stadt

ei

ne

Stadt

I

Die

Bassi

stil

le

Stadt.

im

II

Liegt

Bassi

im

III

Liegt

rit.

4

blas

ser

Ta

im

a tempo

Tag

ver

geht,

le, ein blas ser

Tag

blas

ser

Tag

8

blas

ser

Tag

8

blas

ser

Tag

Ta

le,

Ta

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Ta

le,

ver

ver

ver

es

wird nicht lang,

geht,

es

wird nicht lang

geht,

es

wird nicht lang

blas ser

ein blas ser

© Copyright 2009 by Universal Edition A.G., Wien

ver

geht,

ein blas ser

ein

es wird nicht lang

geht,

mehr

mehr

ver geht,

Tag

ver geht,

es wird nicht lang

Tag ver geht,

Tag

mehr

es

wird nicht lang

mehr

ver geht, Universal Edition UE 34 957


7

2. Laue Sommernacht Text von Gustav Falke

Etwas drängend ( = 80)

Sehr frei im Vortrag

rit.

I

Lau e Som mer nacht, am

Alti II

Lau

e

Som mer nacht, lau

e Som mer nacht, am

*)

I

Lau

8

Tenori

e

Som

mer nacht,

lau

e Som mer nacht, am

nacht,

lau

e Som mer nacht, am

nacht,

lau

e Som mer nacht, am

II 8

Lau

e

Som

e

Som

mer

I

Lau

Bassi

mer

II

Lau e Som mer nacht, am

a tempo

4

3

Him mel stand kein Stern,

in

wei

ten Wäl dern such ten wir

uns

tief im Dun kel, und wir

3

Him mel stand kein Stern,

in

wei

ten Wäl dern such ten wir

uns

tief im Dun kel, und wir

3

8

Him mel stand kein Stern,

in

wei

ten Wäl dern such ten wir

uns

tief im Dun kel, und wir

ten Wäl dern such ten wir

uns

tief im Dun kel, und wir

ten Wäl dern such ten wir

uns

tief im Dun kel, und wir

ten Wäl dern such ten wir

uns

tief im Dun kel, und wir

3

8

Him mel stand kein Stern,

in

wei 3

Him mel stand kein Stern,

in

wei 3

Him mel stand kein Stern,

in

wei

*) Original: fis / f UE 34 957


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3. Bei dir ist es traut Text von Rainer Maria Rilke

Nicht zu langsam ( = 72−76) I Soprani II

Bei

dir

ist es

traut,

Bei

dir

ist es

traut,

I

Alti

II

Bei

dir

ist

es

III

Bei

dir,

bei

I 8

Tenori

Bei

dir

ist es

traut,

bei

dir

ist es

traut,

bei

dir

ist es

dir

ist es

traut,

bei

dir

ist es

traut,

bei

dir

ist es

es

traut,

bei

ist es

traut,

bei

es

traut,

bei

II 8

Bei

I

Bei

dir

ist

Bassi II

Bei

dir

III

Bei

dir

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ist


Alma Mahler : Drei frühe Lieder Die Geschichte ist bekannt: Als Gustav Mahler sich 1901 mit Alma Schindler verlobte, schlug er der Braut vor, ihre eigenen kompositorischen Ambitionen zurückzustellen und seine Musik als ihre gemeinsame aufzufassen; denn wie stellst Du Dir so ein komponierendes Ehepaar vor? Alma gab daraufhin das eigene Komponieren auf, ein Opfer, das sie Gustav nie verziehen hat. Dabei hatte sie bei Alexander Zemlinsky eine professionelle kompositorische Unterweisung durchlaufen, war also alles andere als eine frustrierte Amateurin. Ebenfalls 1901 hatte Arnold Schönberg Zemlinskys Schwester Mathilde geheiratet, und beide, Zemlinsky und Schönberg, gründeten 1904 die Vereinigung Schaffender Tonkünstler, der eigentliche Anfang der Zweiten Wiener Schule. Und das mag erklären, weshalb manche Biographen an Almas Musik den spezifisch Mahlerschen Ton vermissten. Sie stand den Ideen der jungen Wiener Avantgarde näher als jenen Gustav Mahlers. Tatsächlich unterscheidet sich ihre musikalische Sprache deutlich von der ihres Mannes: sie ist harmonisch reicher, komplexer und manchmal auch gewagter. So hätte Gustav ein Lied wie die Laue Sommernacht niemals mit einem Dominantseptakkord enden lassen. Auch literarisch war Alma Gustav voraus. Wo dieser sich bei der altdeutschen Lyrik aus Des Knaben Wunderhorn beschied, vertonte sie Richard Dehmel, Gustav Falke und Rainer Maria Rilke. Freilich hat ihre Musik am Kontrapunkt ihre Grenze. Aber dafür fand

die Komponistin in dem zitierten Lied Laue Sommernacht zu einer musikalischen Prosa, die mit der Partitur-Anweisung Sehr frei im Vortrag nur annähernd beschrieben wird. 1910 geriet, ausgelöst durch die Affäre Gropius, die Mahlersche Ehe in die Krise. Mahler suchte sogar Rat bei Sigmund Freud, und Freuds Intervention mag es zuzuschreiben sein, dass Gustav Almas musikalische Intelligenz ernst zu nehmen begann. Er setzte sich sogar bei der Universal Edition erfolgreich für eine Publikation ihrer Lieder ein. Dem aufmerksamen Leser bleibt nicht verborgen, dass der Bearbeiter sich in dem Rilke-Lied Bei dir ist es traut einige harmonische Konjekturen gestattet hat. So steht in Takt 17ff eine pendelnde Akkordfolge, wie sie in der Popularmusik üblich war. Dabei erinnerte ich mich, dass Maurice Ravel 1920 auf Einladung des Schönberg-Kreises in Wien weilte und drei Wochen bei Alma logierte. Und ich stellte mir vor, dass Alma ihm ihre Lieder gezeigt hat und dass Ravel beim Durchspielen an eben dieser trivialen Passage Anstoß genommen hat: Aber Madame, das ist vielleicht zu viel Grinzinger Weinlauben-Atmosphäre. Dann spielte er ihr die Stelle in seiner, Ravels Fassung vor. Und auf einmal wuchs den Takten jener Zauber zu, den Alma sich gewünscht hatte. So könnte es gewesen sein ...

Clytus Gottwald Ditzingen im April 2009


Alma Mahler : Three Early Songs The story is familiar. When Gustav Mahler became engaged to Alma Schindler in 1901, he suggested to his fiancée that she put aside her own ambitions as a composer and regard his music as theirs together, asking how do you imagine a married couple where both are composers? Alma consequently gave up her own composing, a sacrifice for which she never forgave Gustav. She was far from being a frustrated amateur, having received professional tuition in composing from Alexander Zemlinsky. Also in 1901, Arnold Schönberg married Zemlinsky’s sister Mathilde and together Zemlinsky and Schönberg founded the Society of Creative Musicians in 1904, which was the start of the Second Viennese School. This may explain why some biographers believed that Alma’s music lacked the distinct Mahleresque tone. She was closer to the ideas of the young Viennese avant-garde than those of Gustav Mahler. Her musical language does indeed differ considerably from that of her husband – her harmonies are richer, more complex and at times more adventurous. Gustav would never have ended a song such as Laue Sommernacht with a dominant seventh chord. Alma was also more advanced than Gustav in her lyrics. Whereas he was content with the old German verse from Des Knaben Wunderhorn (The Youth’s Magic Horn), she set Richard Dehmel, Gustav Falke and Rainer Maria Rilke to music. Her music does have its limitations in the

use of counterpoint, although the composer found a musical prose in Laue Sommernacht which the score direction very freely only comes close to describing. In 1910, the Mahlers’ marriage suffered a crisis due to Alma’s affair with Walter Gropius. Mahler even sought advice from Sigmund Freud, and it may be thanks to Freud’s intervention that Gustav began to take Alma’s musical intelligence seriously. He even successfully convinced Universal Edition to publish her songs. Observant readers will notice that I, the arranger, have allowed myself a number of harmonic conjectures in the Rilke song Bei dir ist es traut. Thus there is an oscillating chord succession in bar 17 et seq., as was common in popular music. I remembered that in 1920 Maurice Ravel visited Vienna at the invitation of the Schönberg circle and stayed with Alma for three weeks. I also imagined that Alma showed him her songs and that Ravel took exception while playing just this trivial passage: But Madame, I think this may have too much of a Viennese wine tavern ambience. He then played her his own version of the passage and the bars suddenly developed the magic that Alma had wished for. This is how it might have been ...

Clytus Gottwald Ditzingen, April 2009


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