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23.03.2012
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Diamantscheiben mit Durchblick Ungewöhnliche Werkzeuge für die Ausarbeitung von Schienen
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eder fünfte Deutsche knirscht während des Schlafens. Hier helfen Schienen, schlimme Schäden zu reduzieren. Ein weiterer Teil der Bevölkerung benötigt Bissanhebungen oder temporäre Versorgungen. Das Einsatzspektrum für die Schienentechnik ist deshalb groß. Der Essener Zahntechnikermeister Ulrich Heker stellt verschiedene Schienenvarianten her.
ZTM Ulrich Heker, Jahrgang 1958, ist seit 1996 mit seinem Dentallabor in Essen selbstständig. Früh interessierte er sich für Studiofotografie und Computer. 2007 stellte er die englischsprachige Webpräsenz Teeth’R’us für Zahnärzte und Patienten in Großbritannien online.
Zwanzig Prozent der Bundesbürger sollen nachts mit den Zähnen mahlen. Demnach gäbe es in Deutschland 16 Millionen Knirscher. Als Folge leiden diese Menschen unter Kopf- und Nackenschmerzen, Schlifffacetten, Abrasionen, Schmelzrissen und Entzündungen. Oft kommen noch Kiefergelenksprobleme hinzu. Bei etwa 15 Prozent treten durch das Knirschen krankhafte Beschwerden auf, die behandelt werden müssen. Als besonders betroffen gelten Frauen zwischen 30 und 45 Jahren, weil die sich häufig beruflich und familiär in einer aufreibenden Lebensphase befinden. „Nachts, im Schlaf, wandern die Sorgen vom Kopf in den Kiefer“, beschrieb kürzlich das Magazin Stern seinen Lesern die Ursache des Knirschens und bezeichnete Knirscher als „Traumbeißer“, die ihren Zahnschmelz durch das massive Reiben schrittweise abschleifen. Durch den extremen Druck könnten Zähne am Zahnhals aufreißen. Dies wiederum führe zu überempfindlichen Zähnen. Schlimmstenfalls würden Zähne sogar brechen.
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bleiben nicht hängen, und die Scheibe schneidet sich selbst frei“, beschreibt Heker seine Erfahrungen (Abb. 2). Zudem ist die große Diamantscheibe durch ihre besondere Konstruktion so gestaltet, dass man während des Laufs problemlos hindurchblicken und sie präzise ansetzen kann. Darum eignet sie sich auch hervorragend zum anschließenden Konturieren (Abb. 3). Die Ränder werden am einfachsten mit Faservliesrädern poliert. Solche elastischen Räder enthalten Schleifpartikel und schmiegen sich schön an das Werkstück an (Abb. 4). Am besten setzt man nacheinander zuerst die braune, dann die graue und schließlich die rote Variante ein. Neben Tiefziehschienen als Abrasionsschutz verwendet Heker tiefgezogene Schienen auch als zahngetragene Basis für Bissschablonen.
Abb. 1: Schärfe und Stabilität machen die große
Abb. 2: Die Scheibe kombiniert eine Sägeverzahnung
Diamanttrennscheibe zum idealen Werkzeug für zähe
mit beidseitiger superscharfer Diamantierung.
Abb. 3: Guter Durchblick erlaubt präzises Konturieren.
Tiefziehplatten.
Gut für Grobes und Feines Die schnellste Verbesserung für Knirscher bringt noch immer die tiefgezogene Aufbissschiene. Zwar verfolgt sie als typische Schutzschiene kein therapeutisches Ziel, aber sie bremst die Kieferbewegungen und reduziert den Kaudruck und verhindert so die Abrasion. Auch das Dentallabor Heker stellt solche tiefgezogenen Aufbissschienen her. Zum Ausschneiden der gezogenen Form aus den zwei Millimeter starken Platten verwendet Heker seit Neuestem die große Diamanttrennscheibe von Komet (Abb. 1). Die ist zwar eigentlich für saubere Trennschnitte in Zahnkränzen aus Superhartgips und Modellkunststoff entwickelt worden, aber ihre Schärfe und Stabilität macht sie auch für zähe Tiefziehplatten zum idealen Werkzeug. „Durch ihre Kombination aus Sägeverzahnung und superscharfer Diamantierung zieht die Scheibe butterweich durch den Werkstoff. Späne
Beispielsweise fertigt er vor umfangreichen Totalrestaurationen zwei identische Schienen. Eine dient dazu, die Bisssituation zu verschlüsseln (Abb. 5 und 6), die andere wird vom Patienten bis zur Präparation getragen. Wenn der Patient zum Präparationstermin in die Praxis kommt, dient diese Schiene dem Behandler als Hilfe beim stumpforientierten Arbeiten. Feinheiten an den Rändern werden mit einem CeraLine-Fräser ausgearbeitet. Der Fräser, der hell weiß leuchtet, besitzt ein Arbeitsteil aus Keramik (Abb. 7). Wie bei modernen Küchenmessern sind dessen Schneiden bei richtiger Handhabung langlebig und dauerhaft scharf.
Nahezu unsichtbar Als dritte Schienenvariante stellt Heker aus glasklarem Kunststoff modifizierte Tanner-Schienen her. Sie dienen der Stabilisierung der Bisslage bei Freiendsituationen (Abb. 8) oder zur Bisshebung bei seitlichen Schaltlücken (Abb. 9). Die beiden Kunststoffsättel werden dafür
Quelle: DZW ZahnTechnik · Ausgabe 3/12 vom 07.03.2012
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mit einem konfektionierten oder individuell gegossenen CrCoMo-Bügel verbunden. Auf den Sätteln wird die Okklusion eingeschliffen und der Kunststoff mit Faservliesrädern poliert.
Abb. 4: Mit elastischen Faservliesrädern lassen sich die Ränder gut polieren.
Die Übergänge vom Kunststoff zum Metall kann man mit einem Softcutter ausarbeiten. Das Werkzeug mit der ungewöhnlichen Vierkantform trägt effektiv Kunststoff ab, ohne angrenzende Metalloberflächen zu beschädigen oder aufzurauen (Abb. 10). Nach dem Polieren mattiert Heker die Kunststoffwälle okklusal mit 50 µm Alumuniumoxid ab. Dadurch sind die Bahnen des Gegenbisses auf der mattierten Kunststoffoberfläche besser zu erkennen. „Angenehm bei dieser Schienenvariante ist für den Patienten, dass im Frontzahnbereich kein Kunststoff die Zähne überlappt und dementsprechend weder die Konstruktion sichtbar ist, noch die Sprache beeinträchtigt wird“, sagt Heker. Thomas Dürr, Bremen
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Abb. 5: Eine tiefgezogene Basis als Abstützung …
Abb. 8: Modifizierte Tanner-Schienen dienen zur Bisslagenstabilisierung einer Freiendsituation …
Abb. 9: … oder zur Bisshebung bei seitlichen Schaltlücken.
Abb. 10: Der Softcutter mit seiner markanten
Abb. 6: … für eine zahngetragene Bissschablone
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Abb. 7: Für die Ränder zäher Tiefziehschienen eignet
Vierkantform trägt Kunststoff ab, ohne die
sich gut ein CeraLine-Fräser mit einem Arbeitsteil aus
Metalloberfläche aufzurauen.
Keramik.
Bildnachweis: Abb. 1–3, 5–10: Heker; Abb. 4: Komet
Quelle: DZW ZahnTechnik · Ausgabe 3/12 vom 07.03.2012