Unabhängige Studierendenzeitung der Humboldt-Universität seit November 1989
Februar 2017 | Nr. 239
ch i p p e T m e d r e Unt
UnAufgefordert 02/2017
Unter dem Teppich
UnAufgefordert 02/2017
Unter dem Teppich
Inhalt
In eigener Sache
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Kolumne: Meine WG & die Süßigkeitenecke
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UNTER DEM TEPPICH
POLITIK Glosse: Der Dominante
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Glossar: Fachschaft, die
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Unter Beobachtung: Vereinbarkeit von politischem Engagement und Lehre - ein Kommentar
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Wunschliste
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LEBEN
Die Meldungsmacher
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Demenzpatienten als Versuchskaninchen der Forschung
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Einmal im Leben: Fischpediküre
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Das ganz andere Uni-Gefühl: EramusStudierende über das Studium in Berlin
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Kein Täter werden: Pädophilie ist nicht gleich Kindesmissbrauch
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Bundesteilhabegesetz - Mogelpackung oder ein Schritt in inklusiver Gesellschaft?
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Alle gegen Renzi
11 Super Jut: Porno-Karaoke
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Post aus ... Riga, Lettland
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CAMPUS Portrait: Der Postbeauftragte
Endstation: Mit der S5 nach 12 Hoppegarten
Drei Fragen an: den Personalrat der studentischen Beschäftigten
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Minimieren statt strukturieren
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Gebäude der HU: Hausvogteiplatz 5-7
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Bauprojekte an der HU - ein Überblick
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Illustration: Lorenz Willkomm
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Meine WG und die Süßigkeitenecke
In eigener Sache Impressum Die Studierendenzeitung der Humboldt-Universität zu Berlin. Erstmals erschienen am 17. November 1989. Beste deutsch sprachige Studierendenzeitung 2005 und 2008. Herausgeber: Kuratorium des Freundeskreises der UnAufgefordert e.V. Humboldt-Universität zu Berlin Unter den Linden 6 10099 Berlin Die UnAufgefordert wird vom Deutschen Fachjournalisten-Verband, der Humboldt-Gesellschaft und der BMWStiftung gefördert. Chefredaktion: Birthe Berghöfer, Sophia Sorge, Vanessa Zutz (V.i.S.d.P.) Schlussredaktion: Antonie Habermas, Maria-Mercedes Hering, Janne Hoppe, Luisa Jabs, Vilma-Lou Sinn, Annika Werner, Benedikt Wurdak Redaktion: Birthe Berghöfer, Hanna Bird (Pseudonym), Caroline Cozzella, Benedikt Ertelt, Lena Fiedler, Loretta Gomell, Emma Grünewald (Pseudonym), Sophie-Isabel Gunderlach, Antonie Habermas, Pauline Halm, Maria-Mercedes Hering, Janne Hoppe, Hana Idzko, Luisa Jabs, Victoria Kuntermann, Manuela Müller, Alexandra Ratke, Lukas Sonnabend, Johann Stephanowitz Kontakt: redaktion@unauf.de Anzeigen: werbung@unauf.de Layout & Gestaltung: Nathalie Nowak Illustratoren: Paulina Hillebrand, Linda Hüetlin, Lorenz Willkomm Titelbild: Paulina Hillebrand Druck: Gemeindebriefdruckerei, 29393 Groß Oesingen Auflage: 4.000 Die Artikel und Beiträge spiegeln nicht notwendigerweise die Meinung der Redaktion wider. Nachdruck und Vervielfältigung nur nach vorheriger Genehmigung. Die Redaktion behält sich vor, Leserbriefe gekürzt zu veröffentlichen. Redaktionsschluss dieser Ausgabe: 15. Januar Die UnAufgefordert erscheint seit dem 17. November 1989 an der Humboldt-Universität zu Berlin und ist eine der ältesten Studierendenzeitungen Deutschlands. Seitdem begleitet sie den Weg der HU durch unabhängige und professionelle Berichterstattung über Forschung und Lehre, studentisches Leben und Kultur. Bereits zweimal wurde ihr dafür der Pro-Campus Presse Award als beste deutschsprachige Studierendenzeitung verliehen.
Liebe Leserinnen und Leser, in euren Händen haltet ihr unsere letzte Ausgabe. Nach einem aufregenden und spannenden Jahr übergeben wir unser Amt. Ab April kümmert sich die neue Chefredaktion mit Vilma-Lou Sinn, Luisa Jabs und Martin Wischnath um die UnAufgefordert. Wir danken euch, unserer Redaktion sowie dem Freundeskreis der UnAufgefordert herzlich für die tolle Unterstützung während unserer Zeit und verabschieden uns mit diesem Heft gleichzeitig von unseren Layoutern. Ab sofort begrüßen wir wieder „the good old layout“. Mit diesem Heft wollen wir uns Themen widmen, die in den letzten Monaten nur wenig Aufmerksamkeit bekommen haben. Die dpa veröffentlicht täglich bis zu 3.000 Artikel zu den verschiedensten Themen. Die einzelnen Zeitungen und Journalist_innen müssen entscheiden, welche sie davon mit ihrer Leser_innenschaft teilen. Im letzten Halbjahr von 2016 beherrschten besonders europäische und us-amerikanische Politik die Schlagzeilen. Ende Juni schrieben alle über den Brexit. Dann begannen schon die Berichte über Donald Trump, die ihren Höhepunkt Anfang November fanden. Und immer noch beherrschen sie die Seiten und Titel der Medien. Aber was spielte sich eigentlich auf der landes- und bundespolitischen Bühne ab? Welche wichtigen Themen wurden dabei unter den Teppich gekehrt? Lest zum Beispiel auf Seite neun über die kürzliche Gesetzesänderung zu Tests an demenzkranken Menschen oder auf Seite zehn über das im Dezember 2016 verabschiedete Bundesteilhabegesetz. Wir erheben in diesem Heft keinesfalls den Anspruch der Vollständigkeit aller (durch Trump) „unter den Teppich gekehrten“ Themen, denn auch wir müssen uns entscheiden, worüber wir berichten wollen. Lest zu diesem Findungsprozess mehr in „Die Meinungsmacher“ auf Seite acht. Außerdem widmen wir uns in diesem Heft ausführlicher der kommenden Strukturplanung an der HU – oder sollten wir sagen Minimierungs-Planung? Auf Seite 16 und 17 bieten einige Karten einen Überblick über die derzeitigen und zukünftigen Bauprojekte der HU. Wie „porno“ Karaoke sein kann, lest ihr auf Seite 25, bevor die S5 nach Hoppegarten euch an unsere heutige Endstation bringt. Viel Vergnügen beim Lesen und eine erholsame Semesterpause,
UnAufgefordert online: www.unauf.de Kostenlos abonnieren: www.unauf.de/abo Offene Redaktionssitzung jeden Montag im Semester, 18:30
Vanessa, Birthe und Sophia
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KO LU M
NE
Manche Dinge verraten viel. Viel über die Menschen, die ihr Leben um diese Dinge herum fristen. Über ihre Macken und ihre Leidenschaften, ebenso aber auch über die Banalitäten ihres Alltages. Manche Dinge verraten so viel, dass sie zu einem philosophischen Diskurs über das Sein, das Nichts, und das gute Leben einladen. Die Autorin bringt Licht ins Dunkle dieser Gegenstände: Ein Jahr lang stellt sie uns jeweils ein Ding aus ihrer Wohnungsgemeinschaft vor. Illustration: Lorenz Willkomm
A
lexander von Humboldt, kleiner Bruder des Gründers der Humboldt-Universität und weltberühmter Naturforscher, sagte einmal: „Kein zweites Mal hat die Natur eine solche Fülle der wertvollsten Nährstoffe auf einem so kleinen Raum zusammengedrängt wie gerade bei der Kakaobohne.“ Mein Gedanke dazu: Wenn eine Kakaobohne alleine schon so viele Nährstoffe in sich vereint – wie viel hat dann erst eine Tafel Schokolade zu bieten? Und wenn eine Tafel Schokolade schon überquellt an Nährstoffen, wie reichhaltig ist dann bitte ein Sammelsurium von Schokotafeln, -bonbons, und -pralinen?! In unserer WG haben wir ein solches buntes Power-Allerlei: unsere Süßigkeitenecke. In der Küche, neben dem Kühlschrank, beansprucht sie ein ganzes Regalfach. Auf Augenund Greifhöhe liegt dort vielleicht das Liebste und Beste, was die Welt zu bieten hat: Schokolade. Ich mag weiße Schokolade mit Nüssen, meine Mitbewohnerin weiße Schokolade mit Früchten und mein Mitbewohner dunkle Schokolade mit Rum. Für jeden Geschmack ist etwas dabei. Und zwar immer. Denn das ist das Gesetz der Süßigkeitenecke: Der Vorrat darf niemals verebben. Andere Regeln gibt es bei uns nicht. Schokolade macht bekanntlich glücklich, und wie viel Schokolade man gerade braucht, um glücklich zu sein, hängt ganz davon ab: Wie lang war der Tag, wie aufwendig die Hausarbeit, wie schlimm der Zoff mit dem Freund oder der Freundin...? Es gibt für jede Situation das richtige Maß an Schokolade. Und überhaupt – ist es nicht vernünftig, immer einen kleinen Vorrat Glück im Haus zu haben?
Eines Abends kam uns bei gemütlicher Runde und einer Tafel Schokolade eine Idee für eine Motto-Party: Jeder muss sich als seine Lieblingssorte Schokolade verkleiden. Als Schmuck und Snack zur Party gäbe es, natürlich, eine sehr große Menge an Schokolade. Wir begannen zu diskutieren, wer von uns welche Sorte sein wollte. Bei einer Recherche im Internet stellten wir fest, dass es auch für so erfahrene Nascher wie uns noch viele Sorten zu entdecken gibt. Und nicht alles klingt besonders reizvoll: Knoblauch? Curry-Banane? Aber Achtung! Es gibt auch viele Scherz-Sorten im Internet, zum Beispiel Weinbergschnecke-Zitrone. Am Anfang machten wir uns einen Spaß daraus, wer die verrückteste Sorte fand. Aber dann, es war bereits spät geworden, stießen wir auf unseren wunden Punkt, die Achillesferse unserer Süßigkeitenecke: die Einhornschokolade. Die Verpackung ist rosa-glitzernd, außerdem ziert sie ein fluffiges Einhorn. In Großbuchstaben steht darauf der Werbespruch „Quadratisch. Magisch. Gut. “Das Besondere an der Sorte ist ihre zauberhafte Einzigartigkeit. Nur 150.000 Stück hat Ritter Sport produziert und weigerte sich nach einem rasanten Ausverkauf, weitere herzustellen. Die Reaktionen im Netz reichten vom spöttischen Hohn bis zur Verzweiflung. Auch wir waren hin- und hergerissen. Meine Mitbewohnerin und ich waren kurz davor, eines der begehrten Exemplare auf Ebay zu ersteigern – für den zehnfachen Preis. Kritik an der
Lena Fiedler (21, Kultur und Technik mit Kernfach Philosophie)
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„Die im Grundgesetz der Bundesrepublik verbürgte Pressefreiheit schließt die Unabhängigkeit und Freiheit der Information, der Meinungsäußerung und der Kritik ein. Verleger, Herausgeber und Journalisten müssen sich bei ihrer Arbeit der Verantwortung gegenüber der Öffentlichkeit und ihrer Verpflichtung für das Ansehen der Presse bewusst sein. Sie nehmen ihre publizistische Aufgabe fair, nach bestem Wissen und Gewissen, unbeeinflusst von persönlichen Interessen und sachfremden Beweggründen wahr. [...]“ - aus der Präambel des Pressekodex
Illustration: Nathalie Nowak
UnAufgefordert 02/2017
Unter dem Teppich
Die Meldungsmacher
UNTER DEM TEPPICH
Die Deutsche Presse-Agentur (dpa) versorgt deutschsprachige Medien täglich mit Meldungen aus aller Welt. Aber wie zuverlässig ist die Berichterstattung der dpa? Und aus welchen Gründen ist ein kritischer Blick sinnvoll?
„Ich weiß, wer es wird, aber ich sage es Ihnen nicht“, habe Hannelore Kraft auf die Frage, wer Kanzlerkandidat der SPD werde, gesagt. Im Internet war die Ministerpräsidentin von NRW deswegen Spott und Häme ausgesetzt. „Klar kenne ich die Lottozahlen – ich sage sie Ihnen aber nicht“, twitterte man dazu. Hashtag: „Speaking like #Kraft“. Das Problem dabei: Hannelore Kraft soll das so nie gesagt haben. Die Quelle dieses Zitats war für viele Medien, die darüber berichteten, die dpa. Diese hatte sich ihrerseits auf die Richtigkeit der Aussage verlassen, die die Rheinische Post zuerst veröffentlichte, ohne die Information nochmals zu überprüfen. Dadurch gelangte das angebliche Zitat deutschlandweit schnell in den Umlauf. Von 60 Büros in Deutschland –und über 100 weltweit – recherchieren die Korrespondenten der dpa aktuelle Nachrichten, die als Text, Bild oder Video den Kunden der Agentur – das sind etwa Zeitungen, Fernsehsender oder Online-Nachrichtenportale – gegen Gebühr zur Verfügung gestellt werden. Oberstes Gebot ist hierbei die Neutralität: Die dpa bezieht keine Stellung, sondern berichtet die Fakten, die die Basis für die Berichterstattung der Nachrichtenmedien darstellt. Gesellschafter der dpa sind ihre Medienkunden, die jeweils aber nicht mehr als 1,5 Prozent der Geschäftsanteile besitzen dürfen; der Staat hält keine Anteile und unterstützt die dpa auch nicht mit Subventionen. Dieses Modell soll die Unabhängigkeit der dpa gewährleisten. Was berichtet wird, beschließt somit allein die Redaktion vor Ort.
Sorgfalt soll in jedem Fall vor Schnelligkeit stehen, und „wenn wir uns nicht ganz sicher sind, verzichten wir.“ Diese muss demnach auch darüber entscheiden, was relevant ist und was nicht. In vielen Fällen ist das Gefühlssache. Florian Schmidt, bis vor kurzem HU-Student, hat für die dpa unter anderem in London gearbeitet. Dort sei die Schwelle für die Wichtigkeit von Nachrichten relativ hoch gewesen, und etwa die britische Opposition betreffende Meldungen seien häufig als unbedeutend für Deutschland eingeschätzt worden. Natürlich wird versucht, möglichst umfangreich zu berichten. Am Ende entscheidet aber der Medienkunde, welche der über 3000 Artikel pro Tag er übernimmt. Eine schwerwiegende Panne löste in der Vergangenheit eine Diskussion über die Zuverlässigkeit der dpa aus: Am 10. September 2009 meldete die dpa einen Bombenanschlag auf die
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kalifornische Kleinstadt Bluewater. Wenige Stunden später stellte sich heraus, dass man auf Falschmeldungen im Rahmen einer Marketingaktion zur Bewerbung eines Kinofilms hereingefallen war – tatsächlich existierte die Stadt Bluewater nicht einmal. Im Anschluss wurden dpa-intern Maßnahmen ergriffen, um Fehler wie diesen in Zukunft zu vermeiden. Sorgfalt soll in jedem Fall vor Schnelligkeit stehen, und „wenn wir uns nicht ganz sicher sind, verzichten wir“, so dpa-Pressesprecher Chris Melzer. Diese Zuverlässigkeit und die mit ihr verbundene Recherche versteht die dpa als entscheidendes Qualitätsmerkmal ihres Angebots. Dennoch gibt es Stimmen, die die Arbeit der dpa kritisieren. In einer Studie der Otto-Brenner-Stiftung von 2010 bemängeln die Autoren die Berichterstattung der dpa zur Finanzkrise unter anderem dahingehend, dass sich diese stark an der Interpretationslinie der Regierung orientiert habe. Der Journalist Michalis Pantelouris wirft der dpa gar vor, bei politisch entscheidenden Stellen bewusst falsch zu berichten, nämlich dann, wenn es der politischen Propaganda dient. Besteht eigentlich ein Konkurrenzdruck zu anderen Agenturen wie Thomson Reuters, der die dpa dazu zwingt, möglichst hochwertig zu arbeiten? „Man muss schon ein Land suchen, in dem es mehr Konkurrenz unter den Agenturen gibt“, führt Melzer aus. Andere hingegen sehen seit der Schließung der dapd Nachrichtenagentur im Jahr 2013 keine ernstzunehmende Konkurrenz für die dpa mehr in Deutschland. Dennoch räumen viele Kritiker wie Günter Bartsch, Geschäftsführer der gemeinnützigen Journalistenvereinigung Netzwerk Recherche, ein, dass ein grundsätzliches Vertrauen in die Arbeit der dpa bestehe. Alleine, weil der Druck der Medienkunden dafür sorge, dass die dpa möglichst sorgfältig berichtet. Trotzdem hält er es für wichtig, dass Nachrichten der dpa von den berichtenden Medien nicht unhinterfragt übernommen, sondern stets nur als Basis für die eigene Recherche genutzt werden, um guten Journalismus zu gewährleisten.
Alexandra Ratke (20, Rechtswissenschaft) Lukas Sonnabend (23, Kunst- und Bildgeschichte)
UnAufgefordert 02/2017
Unter dem Teppich
Demenzkranke jetzt Versuchskaninchen der Forschung? Am 11. November 2016 hat der Bundestag eine umstrittene Arzneimittelreform verabschiedet: Diese Gesetzesänderung ermöglicht nun Studien an nicht einwilligungsf ähigen Menschen, z.B. an Demenzpatienten, auch wenn diese von der Studie überhaupt nicht profitieren. Kritiker sehen darin einen ethischen Tabubruch - zu Recht?
I
n der tosenden Aufregung nach dem Wahlsieg Trumps wurden einige Themen öffentlich kaum diskutiert - wenn nicht sogar unter den Teppich gekehrt. So auch die beschlossene Arzneimittelreform des Bundestages, das Vierte Gesetz zur Änderung arzneimittelrechtlicher und anderer Vorschriften, nach der gruppennützige Forschung an nicht einwilligungsfähigen Personen im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben zulässig sein soll. Vereinfacht gesagt: Seit der Reform kann an Demenzpatienten geforscht werden, ohne dass der demente Proband selbst von der konkreten Studie profitiert. Vorausgesetzt ist, dass die Probanden im noch nicht fortgeschrittenen Krankheitszustand eingewilligt haben. Werden Demenzpatienten jetzt zu Forschungsobjekten instrumentalisiert? Ist es nicht ein absoluter Tabubruch, dass klinische Studien an Menschen durchgeführt werden, die zum Zeitpunkt der Studie möglicherweise nicht in der Lage sind, Risiken, Belastung und Folgen abzuschätzen? Befürworter der Reform, darunter Gesundheitsminister Hermann Gröhe, stellen dieser Befürchtung das Selbstbestimmungsrecht des Einzelnen gegenüber: Jeder sollte frei entscheiden können, ob er an einer Studie teilnimmt, auch wenn sie ihm selbst nichts nützt, sondern den Menschen der gleichen Krankheitsgruppe. Darauf basierend sei eine gruppennützige Forschung ethisch vertretbar und verspreche einen zusätzlichen Erkenntnisgewinn. Ein Missbrauch sei ausgeschlossen, da klinische Prüfungen in Deutschland strenge Voraussetzungen haben: Teilnehmende müssen im noch nicht fortgeschrittenen Krankheitszustand eine Vorabverfügung abgeben, die eine vorherige ärztliche Beratung voraussetzt. Zudem muss der gesetzliche Betreuer des Erkrankten zustimmen, dass sich der Wille des Demenzpatienten seither nicht verändert habe. Die Studien seien risikoarm und minimal eingreifend; jede Studie werde von der Ethikkommission überprüft. Je tiefer ich in die Thematik eingedrungen bin, desto mehr wurden die strikten Schutzmechanismen deutlich, die eigentlich einen Nachteil für Probanden verhindern sollten. Dennoch ist die Arzneimittelreform ein Schritt in eine Richtung, die ich als sehr problematisch empfinde. Das Selbstbestimmungsargument der Befürworter überzeugt mich nicht. Selbstverständlich können Menschen frei entscheiden, ob sie sich aus Solidarität der Forschung zur Verfügung stellen, um zur Bekämpfung von Krankheiten beizutragen. Ethische Richtlinien zur Durchführung und Vorbereitung solcher medizinischen Forschung an Menschen sind unter anderem im Nürnberger Kodex von 1947 verankert. Nach diesem müssen Teilnehmer an medizinischen Studien vorab Sinn, Zweck,
Nutzen und Risiken der Studie kennen. Mittels dieser Informationen kann dann die Entscheidung über die Teilnahme getroffen werden, und gleichzeitig muss jederzeit die Möglichkeit bestehen, auch wieder auszusteigen. Bei Demenzpatienten ist die Lage jedoch eine ganz andere, weil die Probanden sich zum Zeitpunkt der Einwilligung möglicherweise in einer vollkommen anderen Situation befinden als zum Zeitpunkt der Studie. Dazwischen kann ein langer Zeitraum von mehreren Jahrzehnten liegen, in dem sich der Wille und das Wissen der Person und der Stand der Forschung geändert haben können. Während der Studie können die Patienten nicht mehr beurteilen, wie genau und warum an ihnen geforscht wird, an ihnen körperliche Eingriffe durchgeführt werden und somit in ihre Persönlichkeitsrechte eingegriffen wird.
Ist es nicht ein absoluter Tabubruch, dass klinische Studien an Menschen durchgeführt werden, die zum Zeitpunkt der Studie möglicherweise nicht in der Lage sind, Risiken, Belastung und Folgen abzuschätzen? Wegen der eingeschränkten kognitiven Fähigkeiten von Demenzpatienten ist ihre Schutzbedürftigkeit besonders hoch. Das langjährige Verbot der Forschung an Demenzpatienten ohne Nutzen für die Probanden war eine gesetzliche Schranke. Mit der Reform wurde diese Schranke nun beseitigt. Viele Experten aus dem medizinischen Bereich kritisieren, dass die Aufhebung des Verbots gar nicht nötig sei und man auf die Reform verzichten könne. Es sei noch kein Forschungsvorhaben bekannt, das an dem Verbot der gruppennützigen Forschung gescheitert ist. Sogar der Verband forschender Arzneimittelhersteller erachtet die Reform als überflüssig. Solange die Arzneimittelreform weiterhin ethisch so umstritten ist und die Notwendigkeit der gruppennützigen Forschung nicht nachgewiesen wird, ist das gruppennützige Forschen äußerst fragwürdig. Vielleicht hätte eine größere öffentliche Debatte dazu beigetragen, diese Reform zu verhindern. Benedict Ertelt (20, Jura)
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UnAufgefordert 02/2017
Unter dem Teppich
UnAufgefordert 02/2017
Bundesteilhabegesetz
Alle gegen Renzi
Mogelpackung oder ein Schritt in Richtung inklusive Gesellschaft?
Während der Brexit als Untergang Europas hinaufbeschworen, hat man in Deutschland über das Referendum in Italien nur relativ wenig gehört. Dabei ist das Nein der Italiener beim Referendum genauso wichtig für die Zukunft der EU wie das Ja der Briten zum Brexit.
Im Dezember 2016 wurde das Bundesteilhabegesetz verabschiedet, das die gleichberechtigte Teilhabe am gesellschaftlichen Leben – kurz die Inklusion – von behinderten Menschen verbessern soll. Dieser Schritt unterliegt außerhalb der großen Koalition jedoch auch starker Kritik
A
ngekettete Rollstuhlfahrer vor dem Reichstagsgebäude, bundesweite Protestaktionen, Anfeindungen der Opposition: Es geht um das Bundesteilhabegesetz, das im Dezember 2016 mit Nachbesserungen in 68 Punkten vom Bundestag verabschiedet wurde. Sinn und Zweck dieses Gesetzes ist eine Neuregelung von Sach- und Geldleistungen, die zu mehr Selbstbestimmung und gesellschaftlicher Teilhabe behinderter Menschen führen soll. Damit soll auch die vor sieben Jahren ratifizierte UN-Behindertenrechtskonvention in die Tat umgesetzt werden. Diese erklärt Inklusion, also die Ermöglichung von gleichberechtigter Teilhabe am gesellschaftlichen Leben, explizit zum Menschenrecht. Das betrifft Selbstverständlichkeiten (für Nicht-Betroffene) wie den Zugang zu qualitativ hochwertiger Bildung, Barrierefreiheit und Selbstbestimmung. Wenn also das Bundesteilhabegesetz eigentlich mit dem Ziel der Inklusion verabschiedet wurde, stellt sich die Frage: Woher kommt die Kritik? An dieser Stelle werden Stimmen wie die der Grünen-Politikerin und Fraktionssprecherin für Behindertenpolitik Corinna Rüffer laut: Sie spricht von einem „Gesetz, das weit hinter den Erwartungen zurückbleibt, weil es die Lebenssituation von Menschen mit Behinderungen nicht wesentlich verbessert“, und „mit dem die Bundesregierung das Vertrauen behinderter Menschen verspielt hat“. Einer der größten Kritikpunkte ist, dass erzwungene Heimeinweisungen nach der Formulierung im neuen Gesetz nach wie vor möglich sind, was der UN-Behindertenrechtskonvention widerspricht. Ability-Watch, eine Aktionsplattform für Menschen mit Behinderung, erklärt den Umstand so: Betroffene können auch weiterhin gegen ihren Willen in einer speziellen Wohnform, wie beispielsweise in Heimen, untergebracht werden, sobald diese Unterbringung vom Sozialamt für zumutbar erachtet wird und sich als kostengünstiger erweist. Neu sei lediglich, dass die vom Betroffenen gewünschte Wohnform offiziell und explizit als eines der Kriterien für die Bewertung der sogenannten Zumutbarkeit genannt werde. Ein weiterer Einwand ist das Zwangspooling. Danach sollen sich mehrere Menschen mit Behinderung einer Einrichtung eine Assistenz teilen. In der Folge bedeutet das, dass in der Freizeit aufgrund ständiger Absprachen die selbstbestimmte Alltagsplanung eingeschränkt wird. Wer sich außerdem als körperlich oder geistig beeinträchtigter Mensch ehrenamtlich engagieren möchte, habe es durch die Neuregelung nicht leichter. Assistenzleistungen werden in Zukunft erst dann finanziert, wenn diese nicht durch Freunde, Familie und Bekannte freiwillig abgedeckt werden können.
Sie spricht von einem „Gesetz, das weit hinter den Erwartungen zurückbleibt, weil es die Lebenssituation von Menschen mit Behinderungen nicht wesentlich verbessert“, und „mit dem die Bundesregierung das Vertrauen behinderter Menschen verspielt hat“. Im Gegensatz dazu sieht Andrea Nahles, Bundesministerin für Arbeit und Soziales, das neue Bundesteilhabegesetz eindeutig als Fortschritt an. In ihrer Parlamentsrede zu dem neu für Arbeit und Soziales, das neue Bundesteilhabegesetz eindeutig als Fortschritt an. In ihrer Parlamentsrede zu dem neu verabschiedeten Gesetz nennt sie die „drei Meilensteine“, die aus ihrer Sicht den Weg hin zu einer inklusiven Gesellschaft ebnen: Der erste Punkt bezieht sich auf Antrags- und Verfahrenserleichterungen für Betroffene. In Zukunft soll durch bessere Absprache von Ämtern und Stellen ein Antrag genügen, um verschiedene Leistungen zu beantragen. Des Weiteren sollen Einkommen und Vermögen der Lebenspartner*innen von Menschen, die Eingliederungshilfe beziehen, nicht mehr herangezogen werden. Damit es sich lohne eine Arbeit aufzunehmen, wird es Betroffenen außerdem künftig ermöglicht nicht nur 2.600 Euro ihres Barvermögens ohne Anrechnung auf die Eingliederungshilfe zu behalten, sondern ab 2017 bis zu 27.600 Euro. Als dritten Punkt nennt Nahles den erleichterten Zugang zum Arbeitsmarkt für Betroffene. Mit dem sogenannten Budget für Arbeit sollen Arbeitgeber*innen, die Menschen mit Behinderung anstellen, finanziell unterstützt werden, indem sie 75 Prozent des Lohns erstattet bekommen. Diese Argumente werden jene kritischen Stimmen wohl nicht verstummen lassen, die mit dem neuen Gesetz die UN-Behindertenrechtskonvention zum Teil missachtet sehen. Aber sie zeigen auf, an welchen Stellen im Bereich Inklusion noch dringend etwas verbessert werden muss und wo bereits richtige Maßnahmen ergriffen werden. Was Ability-Watch als „Reförmchen der bisherigen Gesetzgebung“ bezeichnet, ist am 01.01.2017 in Kraft getreten. Jetzt gilt es für Kritiker*innen, am Ball zu bleiben, um in Zukunft größere Schritte in Richtung inklusive Gesellschaft zu gehen.
Loretta Gomell (21, Public und Nonprofit-Management)
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016 war ein Jahr mit wichtigen Referenden und Wahlen: USA, Großbritannien und Österreich. Vieles hat sich verändert. Der Brexit wurde als Untergang Europas stilisiert – nun ist er eingetreten. Im dritten Anlauf der Bundespräsidentenwahl in Österreich ging es für die Pro-Europa-Bewegung nochmal gut aus. Und in Italien? Von dem Verfassungsreferendum, das am 4. Dezember stattfand, wurde in Deutschland, das ist zumindest mein Eindruck, nur wenig berichtet. Diese Beobachtung teilt auch Hartwig Heine, einer der Betreiber des Blogs aussorgeumitalien.de, in dem deutsche und italienische Wissenschaftler und Journalisten die politische Lage in Italien analysieren. „Die Berichterstattung über Italien war in den deutschen Medien nicht sehr breit. Das ist ein großer Irrtum der Medien, denn Großbritannien hatte innerhalb der EU schon immer eine Außenseiterposition, während Italien eines der Gründungsmitglieder ist.“ Die Hintergründe des Verfassungsreferendums und was eigentlich zur Abstimmung stand, war deshalb – und ist vielleicht immer noch – den meisten mehr oder weniger unklar. Im Kern ging es darum, das Zweikammer-System Italiens zu reformieren. Der Senat, die zweite Kammer, sollte von 315 auf 100 Sitze verkleinert werden und bei den meisten Gesetzesvorhaben nur noch eine beratende Funktion haben. Auch die Kompetenzen der 20 Regionen Italiens sollten durch die Verfassungsänderung beschnitten werden. Ministerpräsident Matteo Renzi wollte Entscheidungswege effektiver machen und den teuren Staatsapparat entschlacken – eine dringend überfällige Reform, sagen viele politische Beobachter. Renzi hat seine eigene politische Zukunft mit dem Referendum verknüpft. „Ein schwerer Fehler“, so Hartwig Heine. Denn für viele ging es beim Referendum um mehr als nur die Änderung der Verfassung: Es war laut Hartwig Heine „eine Gelegenheit, Renzi loszuwerden“. In einem Debattenbeitrag beschrieb die Journalistin Maria Maggiore die Zwickmühle vieler Italiener vor dem Referendum so: „Wenn ich Ja wähle, lege ich unsere Demokratie und unsere Geschichte in die Hände eines einzigen Mannes und einiger Oligarchen und opfere die Gewaltenteilung. Wenn ich für Nein stimme, wird sich das Land nicht verändern.“ Renzi gegenüber stehen zwei
Unter dem Teppich
Nein stimme, wird sich das Land nicht verändern.“ Renzi gegenüber stehen zwei unterschiedliche Lager, die zusammen die absolute Mehrheit haben. Auf der einen Seite sind die konservativ-populistischen Parteien wie die Forza Italia des ehemaligen Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi, auf der anderen die EU-skeptische MoVimento 5 Stelle des Satirikers Beppe Grillo, die in aktuellen Umfragen auf rund 30 Prozent kommt. Viele kennen aus der italienischen Politik nur Silvio Berlusconi und seine Skandale. Was viele nicht wissen: Von der Wirtschaftskrise 2008 konnte sich das Land bisher nicht wirklich erholen. Noch immer stagniert das Wachstum, das Einkommen vieler Familien ist in den letzten Jahren sogar gesunken. Dementsprechend groß ist die Frustration. Die etablierten Machteliten werden nicht mehr ernst genommen. Zusätzlich bereitet die populistische Grillo-Bewegung vielen Sorgen – da scheint die Verfassung noch als beruhigende Konstante. Am Ende haben 58,4 Prozent der Wahlberechtigten gegen die Verfassungsänderung gestimmt. Renzi trat noch am selben Abend zurück. Doch bereits am nächsten Morgen überlegte er es sich anders und forderte sofortige Neuwahlen, da sich die knapp 60 Prozent gegen ihn auf zwei Lager aufteilten und seine Partei schließlich weiterhin stärkste Kraft bliebe. Renzi ist ein Zocker, Staatspräsident Mattarella nicht – er ernannte eine Übergangsregierung unter dem Demokraten Paolo Gentiloni (Partito Democratico), dem bisherigen Außenminister. Und der hat nun eine Menge zu tun: die Bankenkrise, ein neues Wahlgesetz und der Wiederaufbau nach den verheerenden Erdbeben. Wahrscheinlich wird es im Juni zu Neuwahlen kommen. Renzi selbst versucht, Spitzenkandidat seiner Partei zu werden, um seine Reformpolitik fortzusetzen. Hartwig Heine sieht pessimistisch ins neue Jahr: „Beppe Grillo will ein Referendum über den Euro. Wie das ausgehen wird, ist im Moment völlig unklar. Aber eins ist klar: Scheidet Italien als Gründungsmitglied aus der EU aus, dann sehe ich für die EU schwarz.“
Johann Stephanowitz (18, Kulturwissenschaft und Europäische Ethnologie)
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Portrait: Der Postbeauftragte
Parlamentsreport
Am 15. Dezember trat das 24. Studierendenparlament das letzte Mal im Jahr 2017 zusammen. Bei der kurzen Sitzung herrschte meist Harmonie. WAHLEN
CAMPUS
Matthias Ubl wurde zum Hauptreferent für Publikationen im Referent_innenRat berufen. Ubl ist den Mitgliedern des StuPa schon als Hauptreferent für Hochschulpolitik bekannt und warb für eine Erneuerung der HUch!-Zeitung. Auch die Stellen des Haupt- und Co-Referenten wurden neu besetzt.
ABSTIMMUNG
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Alexandra Ratke — Foto: Privat
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3 Fragen an ...
Bernd Josef, 64 gelernter Buchdrucker
as ist Bernd Josef, 64 Jahre alt, seit 40 Jahren an der HU. Bernd Josef arbeitet in der hiesigen Poststelle. Dieses Jahr wird er 65 und tritt in den Ruhestand. Nachdem der gebürtige Mecklenburger in Berlin den Beruf des Buchdruckers erlernt, die Republik meerseitig bei der Volksmarine erkundet und zwei Jahre bei einer auf Zeitungen spezialisierten Druckerei gearbeitet hat, landete er schließlich in der Hausdruckerei der HU. Diese befand sich damals in der Luisenstraße, heute existiert sie nicht mehr. Seit der Schließung ist Bernd Josef in der Poststelle der HU tätig. Diese befindet sich im Raum 1035 sowie in den benachbarten Räumen des Hauptgebäudes. Sein Spezialgebiet sind die Kuvertier- und Frankiermaschinen, die von allen liebevoll als „seine Maschine“ bezeichnet werden, obwohl es eigentlich mehrere sind. Das Kuvertieren, Frankieren und der Versand von Rückmeldeaufforderungen, Mahnungen, Studierendenausweisen – kurz: die Postverarbeitung für das Studierendensekretariat – zählt zur Hauptarbeit der Poststelle. Durchschnittlich werden 1.000 bis 2.000 eingehende und 500 bis 1.000 ausgehende Briefe nebst 100 Paketen pro Tag verteilt. Morgens um sieben holt ein Fahrer die an die HU adressierten Briefe und Pakete bei der Post ab und fährt sie zur HU-Poststelle. Dort wird alles in gelbe Kästen sortiert. Die enthaltene Hauspost gelangt dann durch zwei Fahrer an die zuständigen Fakultäten, Einrichtungen und Institute bis nach Adlershof und auch in unsere Redaktion. Ausgehende Post wird um 14.30 Uhr von der Deutschen Post abgeholt und erreicht dann innerhalb weniger Tage ihre Adressaten. Bernd Josef nennt seine Arbeit abwechslungsreich: Er habe viel mit Menschen zu tun und bekomme täglich Besuch von denjenigen, die ihre Post abholen.
Campus
Zwei Anträge zur Änderung der Geschäftsordnung waren bereits in den vergangenen Sitzungen Thema, beide wurden nun am 15. Dezember abgelehnt. Schließlich wurde nach einem Antrag festgestellt, dass das StuPa mit nur 25 Anwesenden nicht mehr beschlussfähig sei, weshalb weitere Abstimmungen verschoben werden mussten.
FINANZEN Der Haushalt für 2017 wurde angenommen. Das StuPa übernimmt ein Drittel der Kosten für zwei studentische Hilfskraftstellen bei der Geschäftsstelle für die LandesAstenkonferenz. Insgesamtwerden dafür 4.800 Euro im Jahr fällig. Das StuPa fördert zudem die Studierendeninitiative Die richtige Einstellung mit 10.000 Euro für den Kauf von Geräten für die Film- und Videoproduktion. Bei der Initiative können sich Studierende die Geräte ausleihen und damit ihre eigenen Projekte angehen. Schließlich übernimmt das StuPa 11.000 Euro für eine Betreuer_innenstelle im Kinderladen Die Humbolde Maria-Mercedes Hering (23, Sozialwissenschaften)
den Personalrat der studentischen Beschäftigten
1) Wie setzt sich der Personalrat zusammen und was sind seine Aufgaben? Der Personalrat der studentischen Beschäftigten (PRstudB) ist die gewählte Vertretung der an der HU beschäftigten Studierenden. Wir arbeiten wie ein Betriebsrat und vertreten die Interessen der Beschäftigten. Wir unterstützen bei Konflikten und beraten rund um Arbeitsrecht und -schutz. Zusätzlich haben wir eine Kontrollfunktion gegenüber der Arbeitgeberin HU. Das heißt, wir achten darauf, dass der Tarifvertrag und die Arbeitsgesetze eingehalten werden, prüfen Ausschreibungen und Einstellungen auf Fairness und Transparenz, können an Bewerbungsgesprächen teilnehmen und Arbeitsplatzbegehungen machen. Dabei arbeiten wir als demokratisches Gremium und versuchen, die Beschäftigten einzubinden. Momentan sind wir 13 Mitglieder, die jährlich gewählt werden. 2) Setzt sich der Personalrat mit der neuen Fakultätsreform auseinander? Wie positioniert sich der Rat diesbezüglich? Wir sind in einer absurden Situation: Studentische Beschäftigte werden als „Sachmittel“ und nicht als „Personalmittel“ geführt. Da die Kürzungen im neuen Strukturplan aber nur Personalmittel betreffen,sind studentische Beschäftigte von den Kürzungen nicht betroffen. Das bedeutet aber nicht, dass der Strukturplan keine Auswirkungen auf uns hat. Wir fürchten weitere Arbeitsverdichtung, unbezahlte Überstunden, Nacht-, Samstags- und Sonntagsarbeit. Qualifizierte Arbeit wird sich wohl noch stärker auf die verhältnismäßig billigen studentischen Beschäftigten verlagern. Bisher hat die Unileitung uns nicht offiziell über die Details des Strukturplans informiert. 3) Studentische Beschäftigte haben viele Rechte, die ihnen häufig gar nicht klar sind. Möchtet ihr an dieser Stelle auf einige hinweisen? Zuallererst das Recht, „Nein“ zu sagen. Es kommt zu Anweisungen wie: „Backe Brot für unsere nächste Veranstaltung!“ oder „Pass auf mein Kind auf!“ – beides echte Fälle aus den letzten Jahren. Das Grimm-Zentrum wollte Krankmeldungen bis neun Uhr morgens, selbst wenn die Schicht erst um 16 Uhr anfängt. Die Wenigsten wissen, dass solche Weisungen rechtlich nicht gedeckt sind. Als Personalrat können wir solche Regelungen kippen. Dabei sind wir darauf angewiesen, dass sich Betroffene bei uns melden und uns informieren. Jede*r studentische*r Beschäftigte kann sich außerdem für den Personalrat aufstellen lassen und ihn wählen. Je mehr wir sind, desto besser können wir unsere Rechte durchsetzen. Birthe Berghöfer (25, Gender Studies) Victoria Kuntermann (20, Deutsche Literatur)
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Campus
UnAufgefordert 02/2017
Minimieren statt strukturieren Dass die Berliner Universitäten regelmäßig dem Senat Strukturpläne vorlegen müssen, ist Teil der Berliner Hochschulverträge. Um Gelder vom Land zu erhalten, müssen sich die Universitäten an gemeinsam ausgehandelte Zielvorgaben halten. Eine davon ist, in einem fortgeführten Strukturplan darzulegen, wie die Universität sich in Zukunft aufstellt, um keine Schulden zu machen. Doch was genau bedeutet das eigentlich? Und warum ist es sinnvoll, dagegen zu protestieren? Ein Kommentar
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ereits seit 1997 gibt es in Berlin Hochschulverträge zwischen dem Land und den Universitäten. Sie sollen den Unis helfen, langfristig planen zu können. Gleichzeitig dienen sie aber auch der Aushandlung gemeinsamer Ziele. In einem Strukturplan steht, welche Professuren an den einzelnen Instituten strukturgebend sind und welche Stellen die Universität braucht, um in Lehre, Forschung und Verwaltung zu funktionieren. 2004, als Thilo Sarrazin noch Finanzsenator der rot-roten Landesregierung war, gab es ein ganz großes Ziel: Die Universitäten sollten 75 Millionen Euro einsparen. Arm, sexy und mit einem großen Stück Lehre weniger. Die 2004 beschlossenen Strukturpläne erreichten unter anderem, dass sich die FU von 86, die TU von 59 und die HU von 78 Professuren verabschieden mussten. Nach dem aktuellen Hochschulvertrag vom Januar 2014 hätte die neue Strukturplanung nun bis zum 30.06.2015 vorliegen müssen. Mit der Begründung, die Zukunft der aus der Exzellenzinitiative entstandenen Professuren sei noch nicht geklärt, kam die HU dieser Aufforderung jedoch bis jetzt nicht nach. Neue Frist: Juni 2017. Es ist also verständlich, dass die Zeit, einen neuen Strukturplan aufzustellen, drängt. Nicht verständlich ist jedoch, warum mit der neuen Planung erst im Oktober richtig begonnen wurde. Diesmal soll erreicht werden, dass die HU bis 2030 ihre Struktur durch dauerhafte Landes- und Bundesmittel finanzieren kann. Um dies zu bewerkstelligen, muss jedoch bis 2030 ein Finanzloch von 10,356 Millionen Euro ausgeglichen werden. Der Start des neuen Präsidiums unter Sabine Kunst in die Verhandlungen um den neuen Strukturplan war, gelinde gesagt, etwas holprig. Von den Fakultäten zu fordern, bis Januar neue Pläne zu bekommen, wie jede Fakultät acht Prozent einsparen könnte, ist wohl als ein denkbar ungünstiger erster Zug zu bezeichnen. Denn in knappen vier Monaten und neben langatmigen Gremienprozessen ist nicht viel Zeit, um eine so große Aufgabe transparent und unter Einbeziehung aller Statusgruppen zu bewältigen.
Erst recht nicht, wenn der Arbeitsprozess zunächst mit Schadensbegrenzung beginnen muss: Neben den ungenauen Zahlen aus dem Bericht stießen auch die offensichtlichen Hinweise auf erfolgreiche und weniger erfolgreiche Institute auf Unverständnis. Außerdem blieben viele Fragen unbeantwortet: Warum ist das Finanzloch überhaupt entstanden? Und warum wurde entschieden, die Einsparungen zu 60 Prozent über die Fakultäten laufen zu lassen? Wenn gespart werden soll, müssen also Teile der Struktur aufgegeben werden. Das können Stellen sein, die schon lange unberufen sind und damit nicht so sehr auffallen, aber auch wichtige Strukturstellen, die eigentlich nur für den Moment nicht besetzt sind. Es kann vor allen Dingen bedeuten, dass es zukünftig noch weniger Zeit und Ressourcen für die Betreuung und Lehre der immer größer werdenden Zahl der Studierenden gibt. Damit reiht sich die neue Strukturplanung, bei der es scheinbar weniger um das Planen von Struktur geht als um das Reduzieren eben dieser, in eine Dynamik ein, die bereits jetzt seltsame Auswüchse hat. Es werden Studienplätze geschaffen, die nicht ausfinanziert sind, und es scheint unmöglich, die Bedingungen der Lehre zu verbessern. Sobald die Universität mehr Lehrende einstellt, wird ihre Lehrkapazität neu berechnet und sie verpflichtet, mehr Studierende aufzunehmen. Als gäbe es kein Entkommen aus dem Status Quo überfüllter Seminare und Vorlesungen. Gegen die Strukturreform rührt sich bereits Protest. Bisher gibt es Stellungnahmen von Studierenden und dem Mittelbau der Kultur-, Sozial- und Bildungswissenschaftlichen Fakultät. Vielleicht habt auch ihr auf der Vollversammlung am 19. Januar schon den Aufstand beschlossen? Denn natürlich kann das Präsidium sagen, es müsste sich an den Hochschulvertrag halten und dass ein Protest vor ihrer Bürotür die Falschen treffe. Doch wo anfangen, wenn nicht im Kleinen? Die Strukturplanung ist zwar nur ein Teil des Problems, dass Universitäten immer mehr auf Kosten unabhängiger Forschung im Wettbewerb um Geld stehen. Dagegen zu protestieren, lohnt sich aber allemal.
Emma Grünewald (24, Sozialwissenschaften)
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Gebäude der HU: Hausvogteiplatz 5-7 Die Humboldt-Universität besteht aus unzähligen Gebäuden und hinter jedem Einzelnen steckt eine Geschichte. An dieser Stelle wollen wir sie erzählen.
Foto: Luisa Jabs
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eine 300 Meter vom Gendarmenmarkt entfernt und direkt an der gleichnamigen Haltestelle der U-Bahnlinie 2 liegt das Gebäude am Hausvogteiplatz 5-7. Nur von einigen Bäumen verdeckt, hebt es sich durch seine Größe und die moderne grau-beige Fassade von den angrenzenden Altbauten ab. Davor befindet sich der Hausvogteiplatz mit einem ansehnlichen Springbrunnen und einem Denkmal, das die Vergangenheit der dort stattgefundenen Deportationen von Juden mit der Geschichte des Platzes als ehemaligem Standort der Kleidungsfabrikation verbindet. 1983 in der DDR errichtet, wurde 2010 zunächst die Fassade und dann bis 2014 auch der Innenraum saniert. Im Inneren verbinden sich Plattenbaustil und bunte Fenstermosaike – eine Verbildlichung der Vielfältigkeit in diesem Komplex. Der Hausvogteiplatz 5-7 stellt den Sitz der Professional School of Education, die zentrale Stelle für das Lehramtsstudium an der HU. Hier werden Studierende beraten, erhalten gleichzeitig die Möglichkeit an außeruniversitären Projekten teilzunehmen sowie Praktikumsstellen zu finden oder sonstige professionelle Arbeitserfahrungen zu sammeln. Neben der Fachschaft Lehramt, dem Deutschen Zentrum für Lehrerbildung Mathematik und einer Professur der Juristischen Fakultät ist in dem Gebäude ebenfalls das
sogenannte bologna.lab ansässig. Dies ist eine Initiative der HU, um Studierenden die Möglichkeit zur freieren Gestaltung ihres Studiums zu geben. Durch ein fächerübergreifendes Lehrangebot sollen Eigenverantwortlichkeit in der Forschung und gleichzeitig Interdisziplinarität gefördert werden. Doch nicht nur die HU nutzt das Gebäude. Auch das Paul-Drude-Institut für Festkörperelektronik hat dort seinen Sitz. Die Einrichtung des Forschungsverbundes Berlin 1983 in der DDR errichtet, wurde 2010 zunächst die Fassade und dann bis 2014 auch der Innenraum saniert. Im Inneren verbinden sich Plattenbaustil und bunte Fenstermosaike – eine Verbildlichung der Vielfältigkeit in diesem Komplex. Der Hausvogteiplatz 5-7 stellt den Sitz der Professional School of Education, die zentrale Stelle für das Lehramtsstudium an der HU. Hier werden Studierende beraten, erhalten gleichzeitig die Möglichkeit an außeruniversitären Projekten teilzunehmen sowie Praktikumsstellen zu finden oder sonstige professionelle Arbeitserfahrungen zu sammeln.
Luisa Jabs (20, Geschichte und Sozialwissenschaften)
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UnAufgefordert 02/2017
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UnAufgefordert 02/2017
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Grafiken: HU Baubroschüre 2012 Tradition trifft Moderne“
Bauprojekte an der HU Zahlreiche bauliche Vorhaben und Maßnahmen sollen das Antlitz unserer HU verändern. Folgende Auflistung verrät euch was, wann, wo und wie geschehen soll. Benedict Ertelt (20, Jura)
Unter den Linden 6 (Hauptgebäude) •
Sanierungsmaßnahmen der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen: Instandsetzung und Erneuerung von Fassaden, Fenstern und Dächern, Modernisierung der Haustechnik und erhebliche Verbesserung des Brandschutzes durch Maßnahmen wie den Bau eines neuen Treppenhauses als Fluchtweg im Ostflügel, sowie Brandschutztüren und die Brandschutzverstärkung der Decken.
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Erneuerung der maroden Toiletten im Ostflügel.
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Für die Zeit der Bauarbeiten ziehen der RefRat und andere Nutzer aus. Hierfür hat die Universität Räume am Standort Ziegelstraße 5-9 hergerichtet sowie im benachbarten Palais am Festungsgraben angemietet.
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Bauarbeiten im Ostflügel haben bereits 2016 begonnen, ab 2018 weitet sich die Baustelle auf den Mitteltrakt aus. 2019 können auch das Audimax und der Kinosaal nicht mehr genutzt werden können – die Vorlesungen werden in anderen Räumen stattfinden, die Klausuren der großen Studiengänge vielleicht in den Vorlesungssälen der TU geschrieben. Geplantes Ende des Bauprojektes: 2021.
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Ebenfalls auf dem Campus Mitte •
Bebelplatz 2 (Juristische Fakultät): Dacharbeiten bis Mitte 2017 Ab 2018 bis 2019 Arbeiten an den Fassaden (v.a. Energetische Sanierung) des Alten Palais und des ehemaligen Gouverneurshauses.
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Spandauer Straße 1 ( Institut der Wirtschaftswissenschaften): Kleinere Maßnahmen (Brandschutzverbesserungen und Oberflächengestaltung des Hofes). Baubeginn: 2019, voraussichtliches Ende: 2021
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Ziegelstraße 5-9: In den leer stehenden Pavillon sollen nach Umbau und Grundsanierung Initiativen der Studierenden und ein studentisch betriebener Kinderhort einziehen.
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Am Weidendamm 2: Große Verbesserung für den Hochschulsport. Eine neue 3-Feld-Sporthalle bis Ende 2017/Anfang 2018 gebaut. Danach wird die alte Halle in mehrere Räume für die einzelnen Sportgruppen unterteilt. Dies ermöglicht eine Erweiterung des Hochschulsports.
Campus Nord •
Invalidenstraße 42 (Lebenswissenschaftliche Fakultät): Ausbau des Hauptgebäudes
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Haus 20 (Institut für Biologie): Sanierung von 2020 bis 2021
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Invalidenstraße 110 : Ausbau des Gebäudes ab 2020. Ab dann sitzen hier die philologischen Institute (Romanistik, Slawistik, Asien- und Afrikawissenschaften), das Sprachenzentrum und hoffentlich weiterhin die UnAuf Redaktion. Mit einem Kostenbetrag um die 55 Millionen ist dies eines der größten Bauvorhaben.
Campus Adlershof •
Wagner-Régeny-Straße: Erweiterung der Speicherbibliothek in Form eines dreigeschossigen Anbaus für den großen Flächenbedarf. Ende voraussichtlich Anfang 2019
Illustration: Nathalie Nowak
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Glosse: Der Dominante
Politik
Glossar: Fachschaft, die
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Er sitzt in meinem Seminar. Er ist aufmerksam und interessiert. Er weiß alles. Vor allem weiß er alles besser: der Dominante. Illustration: Linda Hüetlin
Er sitzt in meinem Seminar. Er ist aufmerksam und interessiert. Er weiß alles. Vor allem weiß er alles besser: der Dominante. Ich höre mir an, was er zu sagen hat. Ein, zwei, fünf Minuten vergehen. Er nimmt gern viel Redezeit in Anspruch: der Dominante.
POLITIK
Er redet von Marx, Kant, Hegel und Horkheimer und er wirft mit Fremdwörtern nur so um sich: der Dominante. Ungefragt erklärt er mir seine Meinung. Sie sei neutral und universell, alles andere sei falsch, sagt er. Meine Antwort provoziert ihn. Rechtfertigend und die Stimme erhebend erläutert er seine Meinung erneut. Ich studiere eine Geisteswissenschaft, die sich auf die Fahne schreibt, Gleichberechtigung und Solidarität zu leben, ein Bewusstsein für Unterdrückungsverhältnisse und eigene Privilegien zu haben. Umso schockierter bin ich von den wiederkehrenden Begegnungen mit diesem besonderen Charakter: dem Dominanten. Lieber Dominanter, es mag dir vielleicht gar nicht bewusst sein, doch nur wenige interessieren sich für die von dir als allgemeingültig deklarierte Wahrheit und deine universalisierte Weltsicht. Nicht allzu viele findenGefallen an deinen Namenskenntnissen vergangener Philosophen. Natürlich, regelmäßiges Berühren der Buchrücken dieser alten Schinken hält den Staub fern, der Inhalt saugt sich dennoch nicht durch Hand und Körper in deinen Kopf. Du magst ein Fan deiner Meinung sein, doch je lauter du sie rechtfertigst, je stärker du deine Stimme erhebst, desto weniger wird sie wohl äquivalent Gehör finden. Auch die Dauer deines Vortrags macht deinen Monolog nicht zu einem spannenden Hörspiel mit Lerneffekt. Daher, lieber Dominanter: Ein Seminar ist nicht deine Speakers Corner! Es ist kein Ort für Name-Dropping oder für Mansplaining! Es ist ein Raum gemeinsamer Diskussion und Gesprächskultur. Daher beachte auch du: In einer Welt mit Machtverhältnissen und Dominanz an jeder Ecke brauchen wir mehr Räume aufgeschlossenenund respektvollen Miteinanders!
Hanna Bird (25, eine Geisteswissenschaft)
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In Deutschland ist in der Regel jeder Studierende von der Immatrikulation an Mitglied der Fachschaft seinen Studienganges beziehungsweise seiner Institute. Diese Mitgliedschaft bleibt bis zur Exmatrikulation bestehen. Die Aufgaben einer Fachschaft sind die Unterstützung der Studierenden, Förderung der studentischen Kultur und politische Bildung sowie Arbeit in den Unigremien. Dafür bekommt sie von der Universität Fördergelder. An der HU beispielsweise stehen allen Fachschaften ein Drittel aller Gelder der Verfassten Studierendenschaft zur Verfügung. Die Einzelverteilung erfolgt dann in Abhängigkeit von der Anzahl von Studierenden eines Faches. Fachschaften haben die Möglichkeit, durch Wahlen sogenannte
„Fachschaftsräte“ zu bestimmen. Der gewählte Rat vertritt die Interessen der Fachschaft in den Gremien der Akademischen Selbstverwaltung. Wählt eine Fachschaft keinen Fachschaftsrat, hat sie dennoch das Recht auf allgemeine Mitarbeit. Hier kommen nun die Fachschaftsinitativen zum Zuge. Fachschaftsinitativen (kurz: Innis) werden von Studenten und Studentinnen gebildet, welche auf freiwilliger Basis und ohne Wahl die Aufgaben eines Fachschaftsrates übernehmen. Vor allem kleinere Studiengänge wählen oftmals keinen Fachschaftsrat sondern bilden eine Fachschaftsinitative. Jeder kann mitmachen, unabhängig davon, ob er oder sie gewählt wurden. An der HU sind alle Fachschaftsvertreter Mitglied der Fachschaftsräteund -initiativenversammlung (FRIV). Sophie-Isabel Gunderlach (24, Moderne Europäische Geschichte)
Monitor Neues Bibliothekssystem geht in Betrieb Effizientere und standardisierte Arbeitsabläufe, weniger technischer Aufwand und Datensupport in einer privaten Cloud: Von der neuen Software Alma versprechen sich die Bibliotheken der TU, HU, FU und UdK mehr als nur eine bessere Vernetzung. Bei der Umstellung vom HU-Bibliotheksserver auf die Cloud wurde besonders auf die europäischen Datenschutzrichtlinien geachtet. Während sich für die Nutzer der UB und des Primus-Suchportals erst einmal nichts ändert, müssen sich die Angestellten erst auf die neue Software einstellen, was gegebenenfalls zu Verzögerungen führen kann. Aufschub für Moodle
rektorenkonferenz, Kultusministerkonferenz und VG Wort einen neuen Vertrag aushandeln und testen. Damit könnenStudierende die bereitgestellten Materialen weiterhin für das aktuelle Semester nutzen, in den Kursen verborgene Dateien können wieder sichtbar gemacht werden. Zum Semesterende müssen die Materialien jedoch gelöscht werden. Mit dem Wintersemester 2017/18 soll es dann eine Neuregelung geben. Umzug des Referent_innenrats Wegen Baumaßnahmen im Hauptgebäude sind der RefRat, die Tontechnik und der Studentische Wahlvorstand ab sofort in der Ziegelstraße 5 bis 9 im ersten Stock untergebracht. Der Weg zu den neuen Räumlichkeiten ist ausgeschildert, sie kön-
Kurz vor Weihnachten stand fest: Die Pauschalvergütung für urheberrechtlich geschützte Werke in Moodle bleibt bis zum 30. September 2017 bestehen – bis dahin wollen Hochschul-
Maria-Mercedes Hering (23, Sozialwissenschaften)
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Politik
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Unter Beobachtung: Vereinbarkeit von politischem Engagement und Lehre Ein Kommentar
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ass die HU einen AfD-Politiker als Professor beschäftigt, mag inzwischen bekannt sein - insbesondere seit der Aktion einiger unbekannter Personen Anfang November. Sie unterbrachen ein Seminar, um mit Flyern, Postern und Musik auf die Mitgliedschaft des Dozenten in der AfD hinzuweisen. Soweit so gut, mag man meinen. Doch der polarisierende Teil der Tat fehlt: Die Aktivist_innen überschütteten ihn mit Wasser und Glitzer. Markus Egg ist Professor an der HU. Seit einigen Jahren engagiert er sich in der Partei Alternative für Deutschland. Er kandidierte bei der letzten Bezirksverordnetenversammlung in Pankow. Er ist Koordinator des Landesfachausschusses Bildungspolitik der Berliner AfD. Gleichzeitig ist er Vorsitzender des Promotionsausschusses der Philosophischen Fakultät II der HU sowie geschäftsführender Leiter des Instituts für Anglistik und Amerikanistik. Prof. Egg, so argumentieren Viele, trenne Politik und Lehre klar voneinander, englische Linguistik sei ein „unpolitisches“ Fach und er sei schließlich Mitglied einer „demokratischen“ Partei, die auch „nur“ eine Meinung vertrete. Was ist also das Problem? Für mich war es selbstverständlich, dass eine Mitgliedschaft in der AfD unvertretbar ist. Ich nehme die AfD als eine antidemokratische und ausländerfeindliche Partei wahr. Allein dieser Fakt sollte ausreichen, um die Partei und ihre Mitglieder zu boykottieren. Das sehe ich wohl alleine so. Auf sozialen Plattformen gibt es nun den Hashtag #burstyourbubble. Mir wurden im Austausch über den Vorfall Einblicke jenseits meiner Blase gewährt. Ich hätte nicht erwartet, dass es die Leute mehr empört, wenn jemand mit einem Eimer Wasser übergossen wird, als wenn jemand im unmittelbaren Umfeld Mitglied einer rechten Partei sei. Bubble bursted. Politische Prämissen, Motivationen und Meinungen drücken sich stets in Handlungen und Aussagen aus - direkt oder indirekt. Deshalb kann es für mich keine Trennung von persönlichen politischen Annahmen und beruflicher Forschung oder Lehre geben. In einem Thesenpapier spricht der Berliner AfD-Ausschuss für Bildung viel von Re-Elitisierung der Universität, von Förderung nach individuellem Talent. Das mag für viele erst mal richtig klingen, doch vernachlässigt es die Tatsache, dass Talent nicht etwas ist, welches jede_r frei entfalten kann. Es geht des Weiteren darum, die Universität vor „ideologischen Zwängen“zu schützen, wie beispielsweise eine „erzwungene Aufnahme feministischer Inhalte“ins Lehrprogramm aufzunehmen. Weiter heißt es, dass durch zu viel studentische Beteiligung der Bürokratieapparat an der Uni ineffizient geworden sei. Ich würde ungern an einer Uni stu-
der Uni ineffizient geworden sei. Ich würde ungern an einer Uni studieren, die diese Ziele verfolgt, da sie sich gegen ein offenes und demokratisches Verständnis von Lehre stellen. Im Sommer 2016 besuchte eine Studentin ein Seminar bei Prof. Egg. Sie trug ein T-Shirt mit einem AfD-kritischen Aufdruck. Egg verwies sie des Raumes. Dies sei, so Egg, ein präventiver Eingriff, da er sicherstellen müsse, die Lehrveranstaltungen ohne Störung durchzuführen. Sie hätte auf Nachfrage, ob sie reguläre Teilnehmerin sei, nicht reagiert. Unterbindet er hier Meinungsäußerungen aus Angst kritisiert zu werden? Gerade an einer Universität sollte so etwas nicht passieren. Was soll man davon halten, wenn Bilder von einem mit Beatrix von Storch händeschüttelndem Prof. Egg im Internet kursieren? An deren Aussage, über die eventuelle Notwendigkeit Geflüchtete an der Grenze zu erschießen, erinnere ich mich nur zu gut. Ich möchte Egg nicht unterstellen, diese Meinung zu teilen, dennoch suggeriert sein Verhalten Toleranz gegenüber Frau von Storch. Eggs Engagement in der Bildungspolitik und seine Position in verschiedenen Gremien könnten ihm eine Plattform für die politischen Forderungen seiner Partei bieten, beispielsweise durch Einfluss auf Promotionsverfahren. Außerdem unterstützt er durch seine Kandidatur für die AfD das Programm einer Partei, die rechte Meinungen propagiert. Unter dem Schirm der Demokratie und hinter Voltaires Kredo „Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, das du es sagen darfst“ mag es sich korrekt anfühlen, jemanden vor Angriffen auf Meinung in Schutz zu nehmen. Doch liegt hier nicht ein entscheidender, logischer Fehler vor? Wie kann man behaupten, demokratisch zu handeln, wenn man es mit einer derart antidemokratischen Partei wie der AfD zu tun hat? Die HU solidarisierte sich mit Prof. Egg in einer Stellungnahme und spricht sich für einen respektvollen Umgang aus.
Politik
Wunschliste Am 18. September 2016 hat das Land Berlin gewählt. Inzwischen hat sich eine Koalition aus SPD, DIE LINKE und BÜNDNIS90/ Die Grünen gebildet, die im Abgeordnetenhaus für die nächsten vier Jahre regieren wird. Das Dreierbündnis aus Rot-Rot-Grün ist ein Novum für Berlin. Obwohl Michael Müller regierender Bürgermeister und die SPD stärkste Partei bleiben, wird sich einiges in der Berliner Politiklandschaft verändern. Was können sich HU-Studierende aus dem Koalitionsvertrag für die nächsten vier Jahre erhoffen?
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arkus ist vor einem Jahr nach Berlin gezogen, um an der Humboldt-Universität zu studieren. Einen festen Wohnsitz, der in Uni-Nähe liegt und bezahlbar ist, hat der Jura-Student immer noch nicht gefunden. Er ist bei weitem nicht der einzige, dem das so geht. Deshalb hat sich die neue Koalition vorgenommen, bezahlbaren Wohnraum in der Stadt zu schaffen: 400.000 Wohnungen möchte die Regierung bis 2024 in Landesbesitz bringen, um den steigenden Mietpreisen entgegenzuwirken. Gemessen am heutigen Wohnungsbestand wären dann über 20 Prozent der Wohnungen im Besitz des Landes. Diese Wohnungen sollen zu günstigen und fairen Konditionen vermietet werden – zum Beispiel an Studierende wie Markus. Schneller profitieren wird der Fahrradfahrer Markus von den geplanten Veränderungen um die Straße Unter den Linden. Der Abschnitt zwischen Humboldtforum und Brandenburger Tor soll verkehrsberuhigt werden. Auf der breiten und zentralen Straße, die direkt am Hauptgebäude der HU vorbeiführt, dürfen dann keine privaten Fahrzeuge mehr fahren - allerdings weiterhin Taxis und Busse. Für Fahrradfahrende ist generell Vieles geplant: In ganz Berlin soll es mehr Fahrradstraßen geben, die für Autos dann komplett gesperrt sind. Auf den Straßen, auf denen Autos weiterhin fahren dürfen, soll ein zwei Meter breiter Fahrradstreifen für Sicherheit sorgen. Außerdem wird diskutiert, die Ampelphasen mancher Straßen so umzuschalten, dass nicht mehr Auto-, sondern Fahrradfahrer eine grüne Welle haben. Gleichzeitig hat sich die Koalition zum Ziel gesetzt, das Abstellen von Fahrrädern sicherer zu machen.
In Berlin boomt der Fahrraddiebstahl – auch an belebten Orten wie der Dorotheenstraße verschwinden immer wieder Fahrräder. Um dem entgegenzuwirken, sind Fahrradparkhäuser geplant. Zunächst sollen an den großen Drehkreuzen Zoo und Alexanderplatz trockene und sichere Stellplätze entstehen. So wird vielleicht auch der Plan eines Fahrradparkhauses in HU-Nähe bald umgesetzt. Aber auch Fahrradmuffel können auf dem Weg zur Uni von den geplanten Veränderungen der Koalition profitieren: Die Regierung möchte die öffentlichen Verkehrsmittel verbessern. Das Straßenbahnnetz soll ausgebaut und die Taktdichte des S-Bahn-Rings auf fünf statt zehn Minuten erhöht werden. Wie das erklärte Ziel „Pünktlichkeit, Zuverlässigkeit und ein stabiler Taktverkehr“ bei der Berliner S-Bahn aber konkret erreicht werden soll, bleibt erst einmal offen. Auch die Drogenpolitik der Stadt soll sich verändern. Die Koalition will die Null-Toleranz-Zonen für den Besitz von Cannabis abschaffen. Damit wäre der Besitz von kleineren Mengen Cannabis wieder erlaubt. Außerdem wollen Grüne und Linke ein wissenschaftlich begleitetes Modellprojekt zur kontrollierten Abgabe von Cannabis an Erwachsene erarbeiten. Eine solche Studie soll den Weg für einen freien Verkauf von Cannabis ebnen. Dieser bleibt zunächst aber auch unter Rot-RotGrün verboten. Der Koalitionsvertrag liest sich für die Berliner Studierenden einigermaßen vielversprechend: Bessere Fahrradwege und eine pünktliche S-Bahn verbessern zwar nicht die Situation im Hörsaal, aber zumindest den Weg dorthin.
Respekt ist wichtig - kritischer Dialog auch. Lena Fiedler (21, Kultur und Technik mit Kernfach Philosophie)
Antonie Habermas (22, Englisch und Europäische Ethnologie)
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Leben
Einmal im Leben: Fischpediküre
Das ganz andere Uni-Gefühl
Ständig reden wir von Dingen, die wir ausprobieren wollen. Viel zu oft bleibt es bei dem Gedankenspiel. In unserer Rubrik „Einmal im Leben“ ändern wir das.
Erasmus-Studierende über das Studium in Berlin Seit bald 30 Jahren bietet das Erasmus-Programm Studierenden aus ganz Europa die Möglichkeit, ein anderes europäisches Land und sein Universitätsleben kennenzulernen. Berlin ist regelmäßig in den Top-10 der beliebtesten Erasmus-Ziele wiederzufinden. Doch wie nehmen Erasmus-Studierende die Berliner Unis wahr? Was gefällt ihnen und gut und was nicht? Wir haben mit drei von ihnen gesprochen.
Anna-Elizabeth (21) und Katerina (22) aus London haben im Rahmen ihres Germanistik-Studiums an der Universität Oxford zwei Semester an der HU studiert. Goda (22) aus Vilnius in Litauen studiert Politikwissenschaften an der Universität Vilnius und hat ein Semester an der FU studiert. Was sind für euch die größten Unterschiede zwischen dem Studium an eurer Heimatuni und dem in Berlin?
LEBEN
Anna-Elizabeth: Das System der Prüfungen und Hausarbeiten in Berlin: In England studieren wir drei Jahre lang und schreiben dann alle Prüfungen. Außerdem ist das Uni-Gefühl ein ganz anderes.
Foto: Caroline Cozzella Füße und Fische gehörten nicht unbedingt zu Themengebieten, denen ich gewohnheitsmäßig besondere Aufmerksamkeit schenke. Beides zusammen erschien mir jedoch so skurril, dass meine Neugier geweckt wurde. Ob ich Fischpediküre zukünftig zu meinen Hobbies zählen darf? Das Ambiente ähnelt dem zahlreicher Friseur- und Kosmetiksalons Berliner Szenebezirke, doch statt Fönhaube und Frisierspiegel erwarten mich hier Aquarien, jeweils vor erhöhten Sitzgelegenheiten zentriert. Der liebevoll geschmückte Weihnachtsbaum verleiht dem Raum einen verheißungsvollen Nadelduft. „Das machen wir für die Kinder!“, informiert die junge Frau, die mich gleich in die Geheimnisse der Fischpediküre einweihen wird. Bevor man die Füße in das befischte Wasser taucht, werden sie in einem bodennahen Waschbecken gewaschen. Mindestens 20 Minuten dauert die Behandlung, von der manche berichten, dass sie sich wie ein Whirlpoolbad anfühlt. Dieser Illusion wird ein jähes Ende bereitet werden. Breitbeinig über einem der Becken sitzend, schaue ich nun hinab auf diesen Schwarm kiemiger Kosmetiker – die Überwindung, die Füße in das Wasser zu tauchen, ist doch größer als gedacht. Sobald die Haut die Wasseroberfläche auch nur berührt, hängen sich die kleinen saugnapfartigen Fischmünder an wie Magnete. Unschlüssig beobachte ich, wie sich die kleinen Tiere um mich scharen und in emsiger Geschäftigkeit an mir herumknab
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knabbern. Hornhaut sei ein ganz besonderer Leckerbissen dieser türkischen Kangalfische, heißt es. Dementsprechend beleidigt nehme ich zur Kenntnis, wie die kleinen Biester mit einer besonderen Leidenschaft meine Waden anstatt meiner Fußsohlen beackern. Bevor man die Füße in das befischte Wasser taucht, werden sie in einem bodennahen Waschbecken gewaschen. Mindestens 20 Minuten dauert die Behandlung, von der manche berichten, dass sie sich wie ein Whirlpoolbad anfühlt. Dieser Illusion wird ein jähes Ende bereitet werden. Breitbeinig über einem der Becken sitzend, schaue ich nun hinab auf diesen Schwarm kiemiger Kosmetiker – die Überwindung, die Füße in das Wasser zu tauchen, ist doch größer als gedacht. Sobald die Haut die Wasseroberfläche auch nur berührt, hängen sich die kleinen saugnapfartigen Fischmünder an wie Magnete. Unschlüssig beobachte ich, wie sich die kleinen Tiere um mich scharen und in emsiger Geschäftigkeit an mir herumknabbern. Hornhaut sei ein ganz besonderer Leckerbissen dieser türkischen Kangalfische, heißt es. Dementsprechend beleidigt nehme ich zur Kenntnis, wie die kleinen Biester mit einer besonderen Leidenschaft meine Waden anstatt meiner Fußsohlen beackern. Es ist schon ein merkwürdiges Gefühl, sich zur Knabberstange dieser kleinen Schlemmerfilets zu machen. Eben noch ein Teil
Katerina: Die Intensität und der Kontakt mit den Lehrenden. In Oxford treffen wir uns mit unserem Hauptprofessor oder unserer Hauptprofessorin einmal pro Woche. Die Arbeitsintensität in Oxford auch anders: wir müssen jede Woche mindestens einen Aufsatz schreiben und auch andere Hausaufgaben erledigen. In Berlin mussten wir nur eine große Aufgabe am Ende des Semesters erledigen. Beide Unis haben sowohl etwas Positives als auch etwas Negatives: In Oxford haben wir eine engere Beziehung zu unseren Professor*innen, aber wir bearbeiten Inhalte zumeist sehr schnell, sodass wir oft das Gefühl haben, nie richtig ins Thema zu kommen. In Berlin wiederum steigt man tiefer in die Materie ein. Goda: An der FU hatte ich weniger Kurse pro Woche bzw. weniger Arbeit für die gleiche Anzahl Leistungspunkte als zu Hause. Die Auswahl der Kurse ist in Berlin auch größer als in Vilnius. Als Erasmus-Studentin hatte ich in Berlin außerdem mehr Freiheiten bei der Kurswahl. Was hat euch am Studium in Berlin besser gefallen als zu Hause? Anna-Elizabeth: Es war viel entspannter, fand ich. Man wurde mehr wie ein Erwachsener behandelt. Es gab keine ständigen Abgabefristen, sondern man konnte sich die Zeit selbst einteilen. Katerina: In Berlin verbringt man mehr Zeit mit einem Thema. Zu Hause habe ich den mittelalterlichen Text Parzival gelesen und wir mussten den ganzen Text mitsamt Sekundärliteratur dazu lesen und einen Aufsatz darüber schreiben – alles innerhalb einer Woche. In Berlin haben wir dem Text sechzehn Wochen gewidmet. Goda: Die Möglichkeit, so viele verschiedene Fremdsprachen zu lernen. Außerdem gibt es mehr Gastprofessor*innen, was mir sehr gefallen hat.
Was gefällt euch am Studium zu Hause besser als in Berlin? Anna-Elizabeth: Zu Hause haben wir etwas, das wir ‚tutorials‘ nennen. Das heißt, dass man jede Woche eine Stunde alleine oder in Paaren mit seinem*r Professor*in. Die sind natürlich viel intensiver als Seminare, weil man sprechen muss. Wenn man nichts sagt, ist es total awkward. In Tutorials bringen sie Bücher mit, lesen manchmal ein paar Zeilen vor und fragen etwas wie „Ist das nicht wunderschön?“. Sie wollen deine Meinung zu den Texten hören – was nur ein bisschen stressig sein kann, wenn man unvorbereitet ist... Katerina: In Oxford hat man viel mehr Kontakt zu den Professor*innen und eine enge akademische Beziehung zu ihnen, z.B. kennen sie dich beim Namen und bieten dir auch Hilfe in persönlichen Angelegenheiten an. Goda: Im Allgemeinen gibt es viele Ähnlichkeiten in der Organisation des Studiums in den Politikwissenschaften. Allerdings haben wir in Vilnius eine feste Studien-Gruppe. Es ist also leichter, Freundschaften zu schließen, als in Berlin, wo in den Seminaren immer unterschiedliche Leute sitzen. Was können die Berliner Unis von eurer Heimatuni lernen? Katerina: Sie könnten es einfacher machen, Kontakt mit den Lehrenden aufzunehmen. Anna-Elizabeth: Ich habe am Anfang nicht wirklich gewusst, wie ich Freunde finden soll. Letztendlich habe ich tolle Leute bei der UnAuf und Tandem-Abenden kennengelernt. Aber so etwas wie unsere „Freshers-Week“ fehlt an der Humboldt: Da trinken eine Woche lang alle zusammen und das schweißt zusammen. Goda: Sie könnten dem Fremdsprachenunterricht im Verhältnis zum Gesamtstudium noch mehr Gewicht verleihen.
Hana Idzko (21, Skandinavistik und Sozialwissenschaften)
Caroline Cozzella (25, Philosophie und Gender Studies)
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Leben
UnAufgefordert 02/2017
Kein Täter werden: Verantwortung übernehmen: Pädophilie ist nicht gleich Kindesmissbrauch Bereits seit elf Jahren hat sich das Präventionsnetzwerk „Kein Täter werden“ der Berliner Charité zur Aufgabe gemacht, Pädophilen im Rahmen eines kostenlosen, schweigepflichtigen und präventiven Behandlungsprogramms Hilfe zu leisten. Die aktuelle Bilanz des Projekts ist vielversprechend.
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ereits seit elf Jahren leistet das Präventionsnetzwerk Kein Täter werden der Berliner CharitéMenschen mit pädophilen Neigungen Hilfe im Rahmen eines kostenlosen, schweigepflichtigen und präventiven Behandlungsprogramms. Die aktuelle Bilanz des Projekts ist vielversprechend. „Während meiner Arbeit als Lehrer wurde es immer schlimmer. Ich hatte regelmäßig sexuelle Fantasien, in denen meine Schülerinnen vorkamen, und konnte mit niemandem darüber reden“, erzählt ein Teilnehmer des Projekts. Mit seiner pädophilen Neigung ist er nicht allein. In Deutschland hat schätzungsweise ein Prozent der männlichen Bevölkerung eine solche Neigung, über den weiblichen Anteil gibt es bisher keine gesicherten Erkenntnisse. Die Ursachen von Pädophilie sind weitgehend unbekannt. Dass ein großer Teil der Gesellschaft nicht zwischen Pädophilie und Kindesmissbrauch unterscheidet, ist die Befürchtung vieler Betroffener. Während nämlich die strafrechtliche Bezeichnung „sexueller Kindesmissbrauch“ sexuelle Handlungen mit Kindern bezeichnet, versteht man unter Pädophilie das sexuelle Interesse an kindlichen Körpern. Die Angst vor Verurteilung, Scham und folglich Isolation begleitet Betroffene regelmäßig und erschwert den Weg zu einem Eingeständnis –eine fatale Dynamik. Denn wer sich nicht traut, um Hilfe zu bitten, findet im schlimmsten Fall sein Ventil für die Frustration in einer Straftat. Ein Großteil der sexuellen Übergriffe auf Kinder oder der Konsum von Missbrauchsabbildungen, der Kinderpornografie, passieren im Dunkelfeld, werden also nicht von der Kriminalstatistik erfasst. Sexualstraftaten, die der Justiz bekannt werden, passieren im sogenannten Hellfeld. Doch ob Dunkel- oder Hellfeld: Zu spät ist es in beiden Fällen. Deshalb sind Therapien essentiell, die im Vorfeld potentielle Täter von ersten oder weiteren Sexualstraftaten abbringen. Bisher gibt es in Deutschland jedoch nur wenige solcher Angebote. Die Behandlungen richten sich vor allem an justizbekannte Täter, Opfer und Eltern. Zugleich müssen Hilfe suchende Pädophile oft mit Ablehnung kämpfen: „Wir hören immer wieder, dass niedergelassene Therapeutinnen und Therapeuten die Hilfesuchenden mit dem Satz abgewiesen haben: „So etwas wie Sie kann und will ich nicht behandeln“, so der Pressesprecher des Netzwerks Jens Wagner. Kein Täter werden füllt dabei die Lücke zwischen Diagnose und Behandlung. Es greift dort ein, wo Betroffene ihr Problem bereits erkannt haben und sich freiwillig – nicht aufgrund juristischer Auflagen –präventiv behandeln lassen wollen. Die Therapie besteht vor allem darin, die Kontrolle und den Umgang mit den eigenen sexuellen Impulsen zu erlernen. Formen dieser Therapie können beispielsweise Rollenspiele oder Empathie-Trainings sein, in denen die Männer Missbrauchssituationen nachspielen, um sich in die Gefühlswelt des Opfers zu versetzen. In einigen Fällen werden zusätzlich auch Medikamente eingesetzt, die dem Einfluss der männlichen Geschlechtshormone entgegenwirken und damit den sexuellen Drang vermindern. Die Wirkung wird verschieden wahrgenommen: Einige emp-
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Post aus.... Riga, Lettland
finden die medikamentöse Behandlung als sehr befreiend, andere als nicht besonders hilfreich und setzen sie wieder ab. Wer therapiert wird, kann sicher sein, dass Inhalte der Therapie wie beispielsweise Gespräche, Namen oder sonstige Informationen vertraulich behandelt werden. So können auch Menschen, die in der Vergangenheit eine Straftat im Dunkelfeld begangen haben, ohne Bedenken teilnehmen. An dieser Stelle wird oft die Kritik eines Täterschutzes laut. Der Berliner Diplom-Psychologe Gerold Scherner setzt dem entgegen, dass das Projekt nicht Tä terschutz, sondern durch die präventive Arbeit vielmehr aktiven Jugend- und Kinderschutz betreibe. Wissenschaftliche Evaluationen bezüglich des Projekts sprechen für den Erfolg dieser Arbeit. „Aus aktuellen Nachuntersuchungen, die im Schnitt fünf Jahre nach der Behandlung durchgeführt wurden, wissen wir, dass keiner der Teilnehmer nach der Therapie sexuellen Missbrauch von Kindern oder Jugendlichen begangen hat“, verkündet Prof. Beier, der Leiter des Instituts für Sexualwissenschaft und Sexualmedizin der Berliner Charité. Mittlerweile haben sich neben Berlin noch zehn weitere Standorte des Präventionsnetzwerks gebildet. Angesichts dieser positiven Bilanz kann sich das Netzwerk umso mehr darüber freuen, dass seine Finanzierung in den nächsten fünf Jahren durch den Spitzenverband der gesetzlichen Krankenkassen gesichert ist. Denn dass die Behandlung Teilnehmenden kostenlos angeboten wird, ist keine Selbstverständlichkeit. Im Spätsommer 2016 stand das Präventionsprojekt aufgrund der auslaufenden Förderung durch das Bundesjustizministerium kurz vor dem finanziellen Aus. Pädophile werden also auch in Zukunft mithilfe des Präventionsnetzwerks Kein Täter werdenVerantwortung für sich und ihre Neigung übernehmen können. Zu hoffen ist, dass ihnen dieser wichtige Schritt durch mehr Anerkennung solcher Projekte erleichtert wird.
Super Jut: Porno-Karaoke
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eden ersten Samstag im Monat bekommt man im PrenzRiga hat zu jeder Jahreszeit viel zu bieten und ich lauer Berg die Chance, sein Können bei einem skurrilen versuche in meinem halben Jahr als ErasmusstuWettbewerb unter Beweis zu stellen: Die Bar Zum Stardentin in der lettischen Hauptstadt, viele der Be- ken August veranstaltet ein „Porno-Karaoke“. Trashige Erosonderheiten und Schönheiten zu entdecken. tik-Filme werden auf eine Leinwand projiziert. Wer sich traut,
I Illustration: Paulina Hillebrand
Leben
m Sommer verbrachte ich die Sonnenstunden oft in einem der vielen Parks mitten in der Stadt, fuhr an die nahegelegene Ostsee oder traf in den hippen Bars und Cafés Leute aus aller Welt. Nicht nur auf den Erasmuspartys kann man tanzen, bis die Wolken wieder lila sind, sondern auch in den internationalen Clubs. Während meines Winters in Riga entdeckte ich als Zuschauerin das Eishockey für mich, Lettlands Nationalsport, sowie die Huskyschlittenfahrten bei frostigen Minusgraden. Nirgendwo kann man so gutes Knoblauchbrot essen wie in Riga – auch die lettische Braukunst ist nicht zu verachten. Dies ist natürlich nur eine Auswahl der Dinge, welche die lettische Hauptstadt zu bieten hat. Seit 1991 ist Lettland von Russland unabhängig. Viele Menschen haben nach wie vor das Bild eines von der sowjetischen Besetzung geprägten, rückschrittlichen Staates im Kopf. Doch seit Riga 2014 zur Kulturhauptstadt Europas ernannt wurde, ist hier viel passiert. Die Stadtplanung hat ganze Arbeit geleistet, mehrere kulturgeprägte Viertel haben sich entwickelt und die Stadt gewinnt immer weiter an Attraktivität. In Lettland lebt auch die größte russische Minderheit. Deren Einfluss lässt sich in Riga an vielen Stellen beobachten: es gibt russische Wohnviertel, fast alle Schilder sind zweisprachig gehalten. Große russisch-orthodoxe Kirchen prägen das Stadtbild und in den Markthallen bietet ein Großteil der Stände russische Lebensmittel und Spezialitäten an. Ich kann Riga nur jedem ans Herz legen und würde selbst gerne länger bleiben, um die Entwicklung der Stadt weiter zu beobachten. Pauline Halm (22, Kultur und Management)
Illustration: Nathalie Nowak
Loretta Gomell (21, Public- und Nonprofit-Management)
meldet sich freiwillig und hat damit die Gelegenheit, die Filme neu zu synchronisieren. In der Regel treten drei kleine Teams gegeneinander an. Über den Gewinner, entscheidet der Beifall des Publikums. Das hört sich bereits spannend an, als ich mir vor Ort selbst ein Bild davon mache, werden meine Erwartungen jedoch übertroffen! Durch den Abend führt eine Moderatorin, die für ausgelassene Stimmung sorgt. Auch sonst ist das Personal sehr unterhaltsam und hat den Laden selbst bei Hochbetrieb bestens im Griff. Das richtige Programm geht an diesem Tag erst gegen 21.45 Uhr los, allerdings ist es generell ratsam, bereits bis 20 Uhr zu erscheinen, um noch einen der begehrten Sitzplätze zu ergattern. Das ist das einzige Manko, das ich im Verlauf des Abends feststellen kann, doch im Gegensatz zu anderen Lokalen stört die Menschenansammlung auf kleinem Raum jedoch kaum. Dafür herrscht allgemein zu gute Laune: hier gehen alle auffallend offen und freundlich miteinander um. In Zeiten, in denen das Internet Pornografie in allen Variationen bereits für jeden zugänglich macht, bietet dieses Event eine Plattform, um in gemütlicher Runde einmal herzhaft über die Kuriositäten zu lachen, die die Branche in den letzten Jahrzehnten hervorgebracht hat. Wer also eine hohe Toleranz in puncto Fremdschämen mitbringt, sich nicht an unkonventionellen erotischen Darstellungen stört (oder sogar ein Faible für die ein oder andere mitbringt) und sich nach etwas Abwechslung in der Gestaltung seiner Wochenenden sehnt, der sollte auf jeden Fall einmal den Besuch des Porno-Karaoke wagen. Auch wer nicht selbst zum Mikrofon greift, kommt garantiert auf seine Kosten. Zum starken August, Schönhauser Allee 56, 10437 Berlin;Kontakt: www.zumstarkenaugust.de Eintritt: zuletzt 5 Euro Manuela Müller (24, Erziehungswissenschaften und Sozialwissenschaften)
Illustration: Nathalie Nowak
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Foto: Janne Hoppe
Endstation Wir machen uns auf den Weg ans Ende unserer Welt. Zurückbleiben bitte! Heute: Mit der S5 nach Hoppegarten.
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ach einer guten halbe Stunde Fahrt erreiche ich die Endstation im Berliner Osten. Um genau zu sein gehört Hoppegarten gar nicht mehr zu Berlin. Es handelt sich vielmehr um eine amtsfreie Gemeinde im Landkreis Märkisch-Oderland. Bekannt ist Hoppegarten wohl am ehesten für seine Galopprennbahn. Diese liegt im Zentrum des Ortes, und ist mit ihren Ställen, Tribünen und der Rennbahn selbst nicht zu übersehen. Nur schade, dass es ein Sonntag im Dezember und in ganz Hoppegarten kein Mensch auf den Straßen unterwegs ist. Ein Plakat verrät, dass ich wohl vier Monate zu früh hier bin: Die Saisoneröffnung der Rennbahn findet erst im April 2017 statt. Verzweifelt bin ich auf der Suche nach einem Café oder einem Restaurant, die hier leider nicht in allzu großer Anzahl vorhanden sind. Dennoch lohnt sich das Umherirren am nasskalten Sonntagmorgen. Ich komme an wunderschönen Gründerzeitvillen vorbei. Einige dieser alten Gebäude stehen leer, sind verfallen und verbreiten eine morbide Stimmung. Neben dem für Kleinstädte typischen Mix aus Autohäusern und Supermärkten beherbergt Hoppegarten eine Außenstelle des Bundesarchivs, nämlich Teile des Bundesfilmarchivs. Außerdem hat sich der Modekonzern Clinton in Hoppegarten niedergelassen, mit einer mehrere zehntausend Quadratmeter umfassenden Europazentrale. Wie es aussieht, ist das Clinton-eigene Restaurant eines der wenigen kulinarischen Angebote Hoppegartens, aber immerhin bekomme ich hier meinen heißersehnten Kaffee. Wiederkommen möchte ich aber auf jeden Fall – und zwar in einigen Monaten zu einem der Pferderennen. Dann kann ich vielleicht bei Sonnenschein ein paar erfolgreiche Wettge-
schäfte abschließen – vorausgesetzt, ich setze auf das richtige Pferd. Diejenigen, die etwas mehr mit Musik als mit Reitsport anfangen können, sollten sich die Rennbahn aber genauso merken: Sie steht im Gespräch, den Treptower Park als Austragungsort des Lollapalooza-Festivals 2017 zu beerben. Janne Hoppe (21, Kultur und Technik), ist auf der Suche nach einem Garten.
Gesundheit weiter gedacht
Lieber rechtzeitig fit als ständig im Stress Schwierige Phasen gibt es im Studium immer wieder. Foto: Janne Hoppe
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Studentenjobs mit PutzfimmelTherapie. 26
Deshalb ist es wichtig, seine Kräfte richtig einzuteilen. Wie das geht und wie man vor Prüfungen entspannt bleibt, zeigen dir unsere kostenlosen Tipps. Damit alles stressfrei läuft.
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