Glaube Liebe Hoffnung

Page 1



Kunsthaus Kunsthaus Graz Graz Space02

S. 36 Zlatko Kopljar Aus: Reliquary

Identifikation S. 34 Birgit Jürgenssen Ohne Titel

• • S. 35

• S. 37

S. 33 Österreichisch (steirisch?) Portatile

S. 31 Harun Farocki Übertragung

• S. 32

Unbekannter deutscher Meister Aus: Die Wunder von Mariazell

2

Inge Morath Aus: Grenz.Räume, Last Journey

S. 38 Karol Radziszewski The power of secrets

Luc Tuymans The Spiritual Exercises

Wunder & Übertragung

S. 24 S. 23 Steirisch Iris Andraschek SchutzmantelI am /mein Mund, madonna meine Zunge

• • • S. 28 Kris Martin Fu Maria


S. 42 Artur Żmijewski Sztuka Kochania / The Art of Loving

S. 40 Louise Bourgeois Busenanatomie

S. 41 Steirisch Sitzende Madonna S. 29 mit Kind Danh Võ Do you know what she did, your cunting daughter?

S. 14 Willem De Rooij Bouquet IX

& Nähe

S. 15 Fritz Hartlauer Studie zu einer Urzelle

Abstraktion & Körperlichkeit S. 19 Berlinde De Bruyckere S. 21 S. 16 Glass Dome I Ulrike Rosenbach Adel Abdessemed Glauben Sie nicht, God is Design dass ich eine S. 17 Amazone bin Steirisch/kärntnerisch S. 18 Flügelaltar Guillaume Bruère S. 27 16.02.2018 (Alte Galerie, Graz) VALIE EXPORT 15.02.2018 (Alte Galerie, Graz) Rekonstruktion/Body Position 14.02.2018 (Alte Galerie, Graz) S. 26 Linda Fregni Nagler S. 22 The Hidden Mother Christoph Schmidberger S. 23 House in the Wood Iris Andraschek Oh Tony! Martina J. Till the End of Times S. 25 Maja Bekan At Some Point We All Have to Dance

Liebe & Selbstbestimmung

3


Kunsthaus Graz Space01

S. 57 Hannes Priesch Göttlicher Humor

S. 54 Johann Bernhard S. 55 Fischer von Erlach Guillaume Bruère Entwurf für Immaculata den Hochaltar (06.03.2017) in Mariazell

S. 44 Markus Wilfling Schleuse

S. 51 Slavs and Tatars Dear 1929, Meet 1989

• •

S. 48 Danh Võ Ohne Titel

S. 46 Franz Kapfer zur Errettung des Christentums –Aviano

4

S. 52 Hermann Nitsch Blutorgelbild

S. 52 Hermann Nitsch Partitur zur 66. Aktion (Städelschule Frankfurt)

S. 46 Franz Kapfer MARIA Hülf

S. 47 TEER Weiße Fahne

Birgit Jürgenssen Jeder hat seine eigene Ansicht

Slavs and Tatars Mystical Protest S. 49 Azra Akšamija Palimpsest of '89

• S. 45

Unterdrückung & Bekenntnis


S. 71 Santiago Sierra Person facing into a corner

• S. 67

S. 57 Hannes Priesch Fahnen

S. 68 Maria Hahnenkamp Ohne Titel

Opfer & Ritual S. 53 Alois Neuhold Es ist aufgetischt…

• S. 65

S. 61 Manfred Erjautz ME/WE

S. 59 Manfred Willmann Aus: Das Land Aus: Die Welt ist schön

S. 66 Maja Bajević Double-Bubble

• •

• S. 70

Maria Kramer Ohne Titel (Madonnen-Serie) (Glaube Liebe Hoffnung) (Eva und Adam)

Zugehörigkeit & Ausschluss

S. 62 Muntean/Rosenblum Ohne Titel

S. 68 Maria Hahnenkamp V9/11 „Kirchenlieder – Psychoanalyse“

S. 68 Maria Hahnenkamp Aus: Regina Fritsch

Luc Tuymans Candle S. 65 Luc Tuymans The Worshipper

S. 60 Anna Jermolaewa Shopping with family

Schuld & Macht

Monica Bonvicini GUILT

S. 56 Kris Martin All Saints

5

S. 69 Guillaume Bruère Ohne Titel (Agnus Dei)

S. 62 Muntean/Rosenblum The White Exploit

S. 63 Azra Akšamija Diaspora Scroll (Kapitel Graz)


S. 79 Anna Baranowski, Luise Schröder Facing the Scene

S. 81 Dan Graham Rock my Religion

Günter Brus Der helle Wahnsinn

S. 74 Günter Brus Bittere Dekoration

S. 73 Adrian Paci The Guardians

6

Loslösung & Kontinuität

• S. 74 •

S. 82 S. 78 Franz West Hilde Fuchs Schnorre MINIDRAMEN

S. 80 Anna Meyer Sein oder Online...

Kommerz & Präsentation

S. 76 Werner Reiterer Gott erschafft das „Ewige Leben“

S. 75 Norbert Trummer Seckau

Kulturzentrum bei den *Minoriten


*

Schmerz & Identifikation S. 85 Anri Sala Uomoduomo

• S. 87

S. 86 Berlinde De Steirisch Bruyckere Stamen, 2017-2018 Auferstandener

S. 84 Marlene Dumas Jesus-Serene

7

S. 88 Artur Żmijewski The Singing Lesson 2 / Gesangsstunde 2


Abstraktion & Körperlichkeit * Liebe & Selbstbestimmung Wunder & Übertragung Identifikation & Nähe Unterdrückung & Bekenntnis Opfer & Ritual Zugehörigkeit & Ausschluss Schuld & Macht Loslösung & Kontinuität Kommerz & Präsentation Schmerz & Identifikation

8


„800 Jahre Diözese Graz-Seckau“ im Kunsthaus Graz? „800 Jahre Diözese Graz-Seckau“ – das klingt nach Wiederkehr eines besonderen Gründungsdatums und weniger nach einer kritischen Bestandsaufnahme, wie es mit dem Verhältnis zwischen Religion, Gegenwartskunst und Gesellschaft steht. Warum ein derartiger Blick ins Lokale? Auf den ersten Blick scheint dieser Fokus ziemlich ungewöhnlich zu sein. In der Steiermark prägen katholische Bilder und christliche Werte seit rund 1000 Jahren das öffentliche Leben – Kirche und Politik waren bis zum Ende der Habsburgermonarchie aufs Engste verbunden. Diese Allianz von Thron und Altar hat sich unmittelbar auf die Politik und den Alltag der Menschen in diesem Land ausgewirkt, und noch heute gibt es ein Kooperationsmodell von Kirche und Staat vor allem im Bereich des Sozialen und der Schulen, von dem beide Seiten profitieren. In ihrer Bausubstanz spiegeln dörfliche und städtische Strukturen sowie Architekturen und Kunstwerke die Dominanz der katholischen Kirche wider: Allein im öffentlichen Raum von Graz findet man rund 60 Kirchen sowie eine Vielzahl von Marienund Heiligenfiguren, und auch steirische Museumssammlungen sind reich an Objekten, an denen sich das katholische Erbe ablesen lässt. Wir nehmen das 800-Jahr-Jubiläum der Diözese Graz-Seckau im Jahr 2018 zum Anlass, die katholische Prägung der westlichen Bildkultur zu untersuchen und setzen uns aus der Perspektive des 21. Jahrhunderts mit diesem Erbe, seinen Spuren und Reflexionen in der zeitgenössischen bildenden Kunst auseinander: Welchen Stellenwert nehmen Religion und Spiritualität in der Gegenwartskunst ein? Welche Faktoren bestimmen 9

das komplexe Spannungsfeld zwischen Anziehung und Abstoßung, innerhalb dessen sich Künstler/innen seit dem 20. Jahrhundert an Fragen der Kirche und des Glaubens abarbeiten? Und nicht zuletzt: Welche Formen des bildgebundenen ethischen wie auch gesellschaftlichen Diskurses sind bis heute wesentliches Erbe einer kirchlichen Entwicklungsgeschichte? Aus diesen Überlegungen entstand die Idee für das Ausstellungsprojekt Glaube Liebe Hoffnung, für dessen Realisierung sich zwei Partner zusammengetan haben: Das Kunsthaus Graz versteht sich als Ausstellungshaus, das globale Tendenzen zeitgenössischer Kunst mit regionalen und lokalen Agenden verbindet. Das KULTUM (Kulturzentrum bei den Minoriten, Graz) ist ein Mehrspartenhaus für zeitgenössische Kunst, Gegenwartskultur und Religion. Es ist somit ausdrücklich sowohl der Kunst als auch der Religion verpflichtet. Das KULTUM verfolgt ein Museumskonzept für Religion in der Gegenwartskunst, das als Prozess verstanden wird: Nicht was verlorengegangen ist, steht dabei im Vordergrund, eher finden sich hier Reibungen, Widerständigkeiten, aber auch ungeahnte Symbiosen wie etwa durch Ausstellungen wie Entgegen (1997), Himmelschwer (2003), IRREALIGIOUS! (2011), reliqte, reloaded (2015/16) oder VULGATA (2017). Dass Graz zu einem Zentrum des intensiven Dialoges von Kunst und Religion werden konnte ist darüber hinaus auch der Arbeit von Egon Kapellari, dem ehem. Hochschulseelsorger in Graz und späteren Bischof von Graz-Seckau, Josef Fink († 1999), dem Gründer des Kulturzentrums bei den Minoriten,


Alois Kölbl (QL-Galerie) als oftmaligem Kooperationspartner und langjährigem CoRedakteur der Zeitschrift kunst und kirche, sowie Hermann Glettler, dem ehem. Pfarrer von Graz-St. Andrä und jetzigen Bischof von Innsbruck geschuldet. Die beiden letztgenannten haben dieses Projekt auch ganz entscheidend mitinitiiert. Ausgehend von der ambivalenten Ausgangssituation zwischen Kirche und Kunst erforschen die Kuratorinnen und der Kurator mögliche Schnittfelder: Was trennt, was verbindet beide? Welche Reibungspunkte können sich als produktiv erweisen? Welche Kommunikationsebenen lassen sich zwischen den ausgewählten Werken der zeitgenössischen Kunst und Objekten der Alten Galerie, des Volkskundemuseums und des Diözesanmuseums herausarbeiten? Diese Museumssammlungen belegen eindrucksvoll, wie sehr das menschliche Leben über Jahrhunderte von der Geburt bis zum Tod von katholischen Vorstellungen bestimmt wurde. Ursprünglich kirchlich geprägte Begriffe wie „Schuld“ oder „Buße“ finden sich heute oft pathetisch verdichtet in der Jugend- bzw. Populärkultur, in der Werbung oder in TV-Serien wieder. Auch der Titel Glaube Liebe Hoffnung trägt ein großes Stück Pathos vor sich her: Diese „drei göttlichen Tugenden“ gelten als Eckpfeiler christlicher Frömmigkeitskultur und finden als künstlerisch dargestellte Allegorien und Symbole Eingang in das kulturelle Gedächtnis. Heute gehören Kreuz („Glaube“), Herz („Liebe“) und Anker („Hoffnung“) zu den beliebtesten Tattoo-Motiven, was als ein zeitgenössisches Beispiel für den Transfer, die Aneignung bzw. Einverleibung christlicher Werte gedeutet werden kann, wovon die Ausstellung in zentralen Punkten handelt. Eng damit verbunden ist die Frage nach 10

der Macht der Definition: Was bedeuten Begriffe wie Glaube, Liebe und Hoffnung heute, was können sie in unterschiedlichen Zusammenhängen ausdrücken, welchen Transformationen sind sie unterworfen und wie manifestiert sich dies für den Einzelnen, aber auch für eine zunehmend säkulare Gesellschaft? Können ehemals kirchlich gebundene Begriffe wie Glaube, Liebe und Hoffnung in ihren weltlichen Verwendungen auf ihre ehemals sakralen Bedeutungen „zurückleuchten“? Die Werke der Ausstellung gliedern sich entlang umstrittener Begriffe, Begriffspaare und Begriffsfelder, deren Ziel es ist, unterschiedliche Perspektiven zu öffnen und diskutieren zu lassen. Die Farbgebung der Ausstellungsgestaltung verweist auf begrifflich und inhaltlich gefundene Verwandtschaften, die sich als schillerndes Farbspektrum auf vier Ausstellungsflächen – Außenraum, Space02, Space01 (Kunsthaus) und im KULTUM – ausbreiten. Wenn die Figur des Kapuzinerpaters Aviano (Franz Kapfer) im Außenraum beschwörend ein Kreuz in die Höhe hält und dabei an die verschiedenen, bis heute immer wieder zitierten Siege der Christen über das „feindliche Morgenland“ erinnert, schwingen nicht überwundene Religionskonflikte mit. Dies spiegelt sich in den Begriffen Unterdrückung und Bekenntnis und zeigt auf, dass diese Ausstellung einen selbstkritischen Blick gegenüber weiterlebenden Legenden(-bildungen) einnimmt. Parallel dazu geht es in der Needle mit der Anrufung Marias (Franz Kapfer) und an der BIXFassade mit „GUILT“ (Monica Bonvicini) um eine öffentliche Markierung von Schuld und Erlösung. Den eigentlichen Anfang der Ausstellung setzt im Space02 die Frage nach der möglichen Gestalt des Göttlichen. Ob das Abstrakte, das Symbolische oder das Figurative


und Körperhafte als Repräsentanten dienen können, diese Frage trennt Religionen und Kulturen. In der Beantwortung liegen mitunter feine soziale, philosophische, theologische, aber auch Macht definierende Interpretationsunterschiede. Sie können bis heute zu Bruderkriegen führen. Für Islam und Judentum ist das Abbildverbot leitend. Der Ornamentalität, die gerade in der islamischen Kultur zur Hochblüte gebracht worden ist, steht die Behauptung „Gott ist Design“ (Adel Abdessemed) gegenüber. Ob Konkurrenz, Entwertung und Banalisierung eine tragende Rolle in der Interpretation übernehmen, entscheidet die jeweilige Kultur. Die katholische Version des Christentums hat sich für eine vielfache Körperlichkeit entschieden und dabei das biblische Bilderverbot weitgehend hinter sich gelassen. Kind, Körper, Kreuz, Verklärung werden in Bildern entsprechend sichtbar. Körperlichkeit aber ist nicht ohne Emotion zu haben. Liebe und Selbstbestimmung, das in der Ausstellung anschließende Assoziationsfeld um Identität und Körper, wird von Diskursen der letzten Jahrzehnte neu definiert – im feministischen Diskurs und in Neudefinitionen von nicht nur binären Geschlechterrollen (Karol Radziszewski). Auch „Vermittlung“, ein stereotyp weibliches Thema, wird hier neu zur Sprache gebracht. Gerade am religiösen Bild haften die Bildmagie, der Zauber und die Kraft für eine Heilung: Wunder und Übertragung sind aber nicht nur religiöse Themen; auch in der Kunst finden sich Beispiele, mit deren Mitteln Möglichkeiten des Transfers hin zu anderen Kontexten ermöglicht werden (Harun Farocki, Birgit Jürgenssen, Zlatko Kopljar). Bilder sind gerade im Rückspiegel religiöser Bildkultur fast niemals nur Abbilder von etwas, sie fordern Identifikation. Bilder fordern zum Mitgefühl, zum Mitleid heraus; sie schaffen Identifikation und Nähe. In der Ausstellung 11

wird dieses Feld mit Werken der Gegenwartskunst ausgelotet, die bewusst an Grenzen bisheriger Bild- oder Rollenverständnisse gehen. Eine Ausstellung, die die Prägungen der Gegenwartskunst durch religiöse Bildkultur untersucht, kann sich nicht nur auf Bilder beschränken. Auch Regeln, Rituale und Riten sind dabei in den Blick zu nehmen, zumal sie Religionen und Gesellschaften ganz wesentlich strukturieren. Unser tägliches Leben ist von Ritualen geprägt. Wenn unterschiedliche Verhaltensweisen, Kulturen und Religionen aufeinandertreffen, wird das bislang scheinbar Selbstverständliche hinterfragt, es gerät ins Wanken oder lässt Neues entdecken. Mitunter ereignen sich Verschiebungen und Transfers, dabei können auch Humor und Witz einen Platz finden. Wenn Erinnerungen an kathartische Riten Überarbeitungen erfahren (Günter Brus, Hermann Nitsch oder Hannes Priesch, aber auch Alois Neuhold), evozieren sie auch die Begriffe des Opfers, der Schuld und der Macht (Luc Tuymans, Maja Bajevic), und zeigen sie als zentrale Reizworte der Religions- und Kunstgeschichte: Schuldgefühle können niederdrücken. Frömmigkeitsformen mit einem hohen pathologischen Gehalt sind nicht weit davon entfernt. In der Bildwelt des Barocks wird etwa gerade die Verbindung von Leiden, Liebe, Schuld auf die bildliche Spitze getrieben. Die Kritik daran setzt erst in der Moderne ein und findet sich entsprechend häufig in zeitgenössischer Kunst – schließlich sind an diesen Gefühlen auch viele Biografien zerbrochen. Dies ist nicht selten mit missbrauchter Macht verbunden. Es mag erstaunen, denn im Christentum zeugen „Kreuz“ oder „Lamm“ vom Gegenteil der Macht und versprechen die Hinwegnahme von Schuld (Guillaume Bruère). In der Ausstellung schließen unter


„Anderen“ in unserer Gesellschaft einen Zugehörigkeit und Ausschluss Gemeinschaftsdiskurse daran an. Sie sind kirchlicher, unerwartet selbstverständlichen Auftritt (Artur Żmijewski) gewähren. gesellschaftlicher und auch individueller Glaube Liebe Hoffnung – die Ausstellung Natur und verhandeln Muster, Sprache und Formeln einer identitätsstiftenden Zugehörig- wirft Schlaglichter auf eine Gesellschaft, in der es der Mehrheit materiell ziemlich gut geht, keit (Azra Akšamija, Maria Hahnenkamp, deren Mitglieder sich jedoch zunehmend Manfred Erjautz). weniger solidarisch verhalten. Der Titel stellt nicht zufällig Bezüge zu Ödön von Horváths Die Erosion des Religiösen in der Moderne und der Gegenwart ist einerseits den großen gleichnamigem Drama aus dem Jahr 1932 her, das eine Zeit und Gesellschaft beschreibt, Thesen wie dem „Tod Gottes“ von Friedrich Nietzsche geschuldet, andererseits aber auch in der Glaube, Liebe und Hoffnung schwinden und die Barmherzigkeit abhandenkommt. den nicht minder wirkungsvollen Einflüssen des Wissenschafts- und Konsumzeitalters und Auch die drei Teile von Ulrich Seidls Filmtrilogie Paradies heißen Liebe, Glaube und einer generellen Lebenssicherheit, die mit einer Konzentration auf das eigene Diesseits Hoffnung. Sie zeigen eine kalte, konsumgeeinhergeht. Nicht zuletzt aber ist das Abwen- prägte Gesellschaft und Charaktere, die von unterdrückten Sehnsüchten getrieben sind. den vom Religiösen auch eine Konsequenz einer enttäuschten Nachkriegsgeneration, die Schließlich haben in den letzten Jahrzehnten auch Museen und Ausstellungshäuser sehr nach dem großen Desaster neu anfangen häufig auf Glaube, Liebe und Hoffnung wollte. Das Assoziationsfeld Loslösung und als titelgebende Begriffe zurückgegriffen – Kontinuität versammelt im letzten Kapitel im KULTUM daher Werke, „die Gott stürzen“ diesen Titel erneut auf den Prüfstand zu stellen, (Günter Brus) oder aber – bedingt durch eine bedeutet für unser kooperatives Projekt mit beispiellose Religionsverfolgung – dem Gött- zahlreichen Partnerinnen und Partnern, den lichen nachspüren möchten (Adrian Paci) oder lokalen Museumssammlungen sowie den Leihgeberinnen und Leihgebern eine große Historisches neu sichtbar machen (Norbert Herausforderung, die wir nur dank der Trummer). Daran unmittelbar anschließend Initiative von vielen am Projekt Beteiligten knüpfen künstlerische Positionen an, die sich und Mitdenkerinnen und Mitdenkern schaffen mit Kommerz und Kommerzialisierung konnten. Ein großer Dank gilt ihnen allen von Gesellschaft und Religionen befassen (Anna Meyer, Anna Baranowski, Luise Schröder sowie nicht zuletzt den Künstlerinnen und Künstlern, die sich mit viel Neugier und Offenund auch Werner Reiterer). Wir schließen mit der Frage um die Bedeutung des Schmer- heit auf einen Dialog mit den Themenkomplexen und dem Ort eingelassen haben. zes, die in der Bildkultur des Christentums Als kritische Bestandsaufnahme des Vereinen zentralen Aspekt einnimmt (Berlinde De hältnisses von Religion, Gegenwartskunst und Bruyckere, Marlene Dumas, Anri Sala). Wie in diesem Zusammenhang glaubwürdig Gesellschaft wird dieses Projekt von der Diözese Graz-Seckau, der Stadt Graz und dem Identifikation möglich ist, zeigt die letzte Arbeit im KULTUM, wenn Gehörlose mit aller- Land Steiermark gleichermaßen getragen. Nicht zuletzt liegt heute darin die politische größter Hingabe eine berührende Kantate von Johann Sebastian Bach singen und dem Dimension von Glaube, Liebe, Hoffnung.

12

Katrin Bucher Trantow, Johannes Rauchenberger, Barbara Steiner


Abstraktion & Körperlichkeit * Sich kein Bildnis machen Abbild Bildwerdung Symbolik Reinheit Klarheit Verkörperung Figur Leibhaftigkeit Inkarnat Geburt Leibesfrucht

Liebe & Selbstbestimmung Wunder & Übertragung Identifikation & Nähe Unterdrückung & Bekenntnis Opfer & Ritual Zugehörigkeit & Ausschluss Schuld & Macht Loslösung & Kontinuität Kommerz & Präsentation Schmerz & Identifikation

13


Willem De Rooij Bouquet IX

*1969 in Beverwijk (NL), lebt in Berlin (DE)

Die Arbeiten des Niederländers Willem De Rooij „problematisieren das Sehen und das Machen von Bildern“. 1 Durch Kontext- und Zeitverschiebungen arbeiten sich seine Bilder, Filme oder plastischen Objekte an ikonischen Bildebenen ab. Bouquet IX ist Teil einer stetig wachsenden Reihe, die der Künstler mit dem früh verstorbenen Jeroen De Rijke 2002 begann. Es besteht aus exakt zehn verschiedenen weißen Blumen, die – einem genauen schriftlichen Konzept und fotografischen Vorbild entsprechend – von einem Floristen interpretiert erst vor Ort real werden. Betörend schön, stets frisch, ist die strahlende Komposition kultivierter Natur weniger in einem Museum als am Empfang eines Luxushotels zu erwarten. Im Ausstellungsraum wird das konzeptuelle Werk aber zum temporären und einzigartigen Vexierbild seiner selbst: Die unterschiedlichen, nicht saisonalen Blumen sind Hinweise sowohl auf den weltweiten Referenzabbildung: Bouquet IX, 2012 – Blumenhandel als auch auf holländische Stillinterpretiert von Katarzyna Wardecka und leben des 17. Jahrhunderts – beide prägende Ula Klys kulturgeschichtliche Exportgüter aus De Rooijs Sockel, Keramikvase, Blumen: Lilie, Gladiole, Heimat. Darüber hinaus verweisen sie auf Gerbera, Rose, Prärieenzian, Nelke, wirtschaftliche und symbolische BedeutungsChrysantheme, Aster/Schleierkraut, ebenen hinter dem ornamentalen PflanzenAnthurium, Froschgoscherl gesteck. Insgesamt Bezug nehmend auf die Courtesy des Künstlers, Galerie Buchholz, Vergänglichkeit allen Lebens, steht die weiße Köln/Berlin/New York, und Regen Projects, Lilie allein etwa für Herrschaft und Macht. Los Angeles Wegen ihrer Schönheit in der Antike der Göttin Hera zugeordnet, verweist sie in der christlichen Symbolik auf Keuschheit und – ebenso wie Nelke und Rose – auf die absolute Reinheit Marias. Dirck Möllmann, „Körper Teile. Briefe an Willem De Rooij“, in: Camera Austria 135 (2016), S. 35.

1

14


Fritz Hartlauer Studie zu einer Urzelle

1975 (Abguss 2005) Bronze; 25 × 25 × 25 cm Courtesy Sammlung des Quartiers Leech, Diözese Graz-Seckau

*1919 in Kumberg (AT), † 1985 in Graz (AT)

1948 begann Fritz Hartlauer mit der künstlerischen Analyse des menschlichen Kopfes und entwickelte daraus die Urzelle als zentrales Motiv seiner künstlerischen Forschungsarbeit. Von dieser Formanalyse und Geometrisierung des Kopfes ausgehend baute er 1955 die Urzelle zu einem dynamisch-symmetrischen System aus konstruktiven Grundelementen aus, das er als „Urzellensystem“ bezeichnete und das „er als Bild der Verwobenheit des Menschen ins Schöpfungsganze sah“.1 Das Grundelement der Urzelle ist das Quadrat, aus dem durch Übereckstellung das Achteck und das Kreuz entstehen. Neben die christlichen Interpretationen rückt eine elementar anmutende Materialität, die Masse und Energie in dreidimensionaler Form veranschaulicht. Die hier gezeigte kleine „Urzelle“ in Form einer kugelartigen Bronze kann auch als Lebensmetapher des Zellwachstums gelesen werden. Hartlauer beschäftigte sich mit der Archetypenlehre C. G. Jungs, mit vergleichender Religionswissenschaft und mit Metaphysik. Er suchte nach einer Möglichkeit, das universelle Bezugssystem des Menschen und gleichzeitig die Grundprinzipien der organischen und unbelebten Natur in seinen Zeichnungen, Reliefs und Vollplastiken visuell sichtbar zu machen. Im Auftrag der katholischen Kirche realisierte er Skulpturen im öffentlichen Raum. Alois Kölbl, „,Urzelle’ und das Geheimnis des Kreuzes, in: ders. (Hg.), Mit der Kunst im Gespräch. Die Sammlung des Quartier Leech, Weitra 2016, S. 9. 1

15


Adel Abdessemed God is Design

*1971 in Constantine (DZ), lebt in Paris (FR)

2005 Video; S/W, Ton von Silvia Ocougne, 4 min 8 s Courtesy des Künstlers und Christine König Gallery Soundtrack unterstützt, der aus der Feder der „God is Design“. Eine starke Behauptung. Im Judentum, Christentum und Islam wird die brasilianischen Musikerin Silvia Ocougne stammt. Damit verschiebt Abdessemed das Frage nach der Darstellbarkeit Gottes Thema auch ein Stück weit in die Populärunterschiedlich beantwortet. In den 3.050 kultur. Wenn man die Symbole nicht lesen Zeichnungen, die dieser Videoarbeit kann, dann wird einem die Sprengkraft ihres zugrunde liegen, greift Abdessemed auf gemeinsamen Vorkommens im Video nicht religiöse Symbole wie den Davidstern oder bewusst sein – dann bleiben es lediglich Muster. das Kreuz sowie auf islamische Ornamentik zurück. Diese überlagert er mit naturwissenschaftlichen Abbildungen menschlicher Zellstrukturen. Es entstehen geometrische Strukturen, die immer neu zusammenfinden. Der eigentümliche Rhythmus und die intensive Sogwirkung des Videos werden durch den

16


Steirisch/kärntnerisch Flügelaltar

Außenflügel: Verkündigung, Rückseite: Vera Icon, Innen: Jesus und die Apostel, um 1490 Tempera auf Fichtenholz; 68 × 72,5 cm (geöffnet: 68 × 145 cm) Courtesy Alte Galerie, Universalmuseum Joanneum

17

→ Provenienz: aus der Gegend von Köflach

Der geschlossene Klappaltar aus dem späten 15. Jahrhundert führt anschaulich die zwei großen Begründungen vor, weshalb sich das Christentum nicht für das Ornament, sondern für das Bild entschieden hat: Auf der einen Seite erscheint die „Vera Icon“, das wahre Antlitz Jesu. Es ist ein Tuch, auf dem nur das Gesicht erscheint, gezeichnet vom Leiden: Das Gesicht ist nicht tot, sondern lebendig, mit offenen, rot unterlaufenen Augen, aus denen äußerst plastisch gemalte Tränen kullern. Bildgeschichtlich steht diese „Vera Icon“ zwischen dem Schweißtuch der Veronika und der viel älteren Tradition des Mandylions. Dieses ist aus der östlichen Bildtradition nach Rom und somit in die westliche Bildwelt gelangt. Es ist ein lebendiges Antlitz, das auch im Blick zu heilen vermag, so die Legende. Auf der anderen Seite verkündet der Engel Maria die Fleischwerdung des Wortes – den Anfang der Menschwerdung Gottes. Maria, in die Lektüre eines Buchs versenkt, wird die Inkarnation Gottes über ihrem Kopf in Form einer Taube zuteil. Die Inspiration ist Teil dieser Fleischwerdung. Der Engel erfüllt seinen Botendienst mithilfe eines langen Schriftbandes, das „Ave Maria, Gratia plena“ ist zu imaginieren – Buchstaben als solche sind nicht zu finden. Beides – Erscheinung am Tuch wie die Materialisierung des Göttlichen im Menschenleib der Jungfrau Maria – wird aber noch einmal aufgehoben im umschlossenen Inneren dieses Klappaltars, wo Christus mit der vergoldeten Weltenkugel erscheinen wird.


Guillaume Bruère 16.02.2018 (Alte Galerie,Graz)

Ölkreide, Buntstift, Aquarell auf Papier; 70 × 50 cm Courtesy des Künstlers → S. 55

18

*1976 in Châtellerault (FR), lebt in Berlin (DE)


Berlinde De Bruyckere Glass Dome I

2007 Wachs, Glas, Holz; 77 × 50 cm Courtesy Olbricht Collection

19

*1964 in Gent (BE), lebt in Gent (BE)

Es ist eine Art Schaudern, das Menschen beim Betrachten von Berlinde De Bruyckeres Arbeiten zuweilen erfasst: Was uns wie ein schützenswertes naturwissenschaftliches Präparat unter einem Glassturz präsentiert wird, erscheint wie der fleischliche Überrest eines Lebewesens, womöglich sogar eines Menschen. Dieser ist hässlich, zugleich aber von eigenwilliger Schönheit. In De Bruyckeres Werk begegnen wir häufig versehrten, fragmentierten Körpern. Sie erinnern uns an unsere eigene Körperlichkeit und daran, dass wir letzten Endes immer auch Fleisch sind, das vergänglich und mitunter schwach ist. Wie die Bürger/innen einer Gesellschaft mit ihren persönlichen Schwächen und mit denen anderer umgehen, sagt zuletzt immer auch etwas über die Menschlichkeit dieser Gesellschaft aus. Im Christentum ist der Glaube an die Menschwerdung – und damit auch an die Fleischwerdung und Leibhaftigkeit Gottes – zentral. Ihre irdische Geschichte endet schließlich im Leiden und am Kreuz, woraus der christliche Glaube die Geschichte der Erlösung der Menschheit schreibt.


* Abstraktion & Körperlichkeit Liebe & Selbstbestimmung

Mutterliebe Vaterliebe Kindesliebe Schutz Haus Gefäß Emanzipation Gehorsam Hingabe Opfer Vermittlung

Wunder & Übertragung Identifikation & Nähe Unterdrückung & Bekenntnis Opfer & Ritual Zugehörigkeit & Ausschluss Schuld & Macht Loslösung & Kontinuität Kommerz & Präsentation Schmerz & Identifikation

20


Ulrike Rosenbach Glauben Sie nicht, dass ich eine Amazone bin

*1943 in Bad Salzdetfurth (DE), lebt in Nettersheim-Roderath (DE)

1975 Video; S/W, Ton, 10 min Courtesy der Künstlerin In ihrer Video-Performance Glauben Sie nicht, dass ich eine Amazone bin, die sie anlässlich der Biennale des Jeunes 1975 in Paris realisierte, nimmt Ulrike Rosenbach – wie eine Amazone mit einem Bogen bewaffnet – eine der kunstgeschichtlichen Ikonen, die Madonna im Rosenhag (1451) von Stefan Lochner, unter Beschuss: Insgesamt 15 Pfeile schießt sie auf die Reproduktion des mittelalterlichen Madonnenbildes. Im Video wird das Gesicht der Madonna durch ihr eigenes überblendet, weshalb die Pfeile immer auch die Künstlerin selbst treffen. Wir werden hier Zeuginnen und Zeugen davon, wie sich Rosenbach an unterschiedlichen Idealen, Vorstellungen und stereotypen Klischees, mit denen sie sich

21

als Frau konfrontiert sieht, abarbeitet: „Ich bin eine Madonna. Ich bin eine Amazone. Ich bin eine Venus. Ich bin alle zusammen und keine von diesen,“1 schreibt sie in einem Statement zu der präsentierten Arbeit. Die Madonna, wie sie in der christlichen Bildmotivik eine lange Tradition hat, ist liebende Mutter, mit Demut und Anmut gleichermaßen aufgeladen und wird gerade in den 1970er-Jahren aus feministischer Perspektive mehrfach dekonstruiert. Die Amazone dagegen ist aggressiv und eigenwillig. Rosenbach findet in beiden Frauenbildern Aspekte von sich selbst wieder, sträubt sich aber dagegen, sich von einem einzelnen vereinnahmen zu lassen. Vgl. Ulrike Rosenbach (Hg.), Ulrike Rosenbach. Videokunst, Foto, Aktion/Performance, feministische Kunst, Köln 1982, S. 3.

1


Christoph Schmidberger House in the Wood

2017 Öl auf Holz; 74,5 × 53,5 cm Courtesy des Künstlers und Reinisch Contemporary

22

*1974 in Eisenerz (AT), lebt in Frauenberg (AT)

Der steirische Künstler Christoph Schmidberger war viele Jahre als bildender Künstler in Amerika erfolgreich und ist bekannt für seine überrealistischen Buntstiftzeichnungen, die uns eine Art Scheinwelt vor Augen halten. Man mag dem Gezeigten bisweilen mit Misstrauen begegnen, zu perfekt wirkt es auf uns. Schmidberger macht den Blick, den wir auf andere Menschen richten, selbst zum Thema. Seine Zeichnungen sind nicht Bilder von Menschen, sondern Bilder von Bildern – sie wirken überbelichtet und inszeniert. Damit antwortet der Künstler auch auf massenmediale Bilderfluten, die Alltag geworden sind, und auf schnelle Selbstinszenierungen, wie sie in den „sozialen Netzwerken“ zu finden und gleich wieder zu vergessen sind. Diese verleiten zu einem bewussten oder unbewussten Vergleich mit den medialen Präsentationen anderer Menschen. In den beiden Werken House in the Wood und Oh Tony! begegnen wir den Abbildungen liebevoller Momente: Die Darstellungen eines Mannes mit Kind im Arm legen die Interpretation nahe, dass hier Vater und Sohn gemeinsam in Szene gesetzt sind. Als Triptychon inszeniert, haben diese Bilder zusätzlich ein abstraktes, lichtes Seestück als Zentrum (Till the End of Times). In einer Ausstellung, in der die christliche Tugend der Liebe eine besondere Rolle spielt, sind Sinnbilder der Mutterliebe (wie etwa Madonnen mit Jesuskind) selbstverständlich. Die Liebe einer Mutter zu ihrem Kind gilt gemeinhin als die höchste Form der Liebe. Zur Vaterliebe wird vergleichsweise wenig gesagt.


Iris Andraschek Martina J.

2002 Fotografie; 150 × 100 cm Courtesy der Künstlerin und Galerie Raum mit Licht

23

*1963 in Horn (AT), lebt in Wien (AT) und Horn (AT)

Aus dem Ornament formt sich eine Figur. Schrift ergänzt die fließende Ordnung und wird zum zeichnerisch-tätowierten Palimpsest persönlicher Traumata. Die Zeichnung, die Iris Andraschek unter die Schutzmantelmadonna aus dem 14. Jahrhundert legt, entstand während einer Reihe von Zeichennachmittagen mit Frauen der Notschlafstelle der Caritas in Graz, einem Ort des Schutzes: Sie gibt der historischen Helferin die Aktualität zurück – das Bedürfnis nach Schutz ist, gerade für Frauen auf der Flucht, immer wieder von existenzieller Bedeutung. Das Aufweichen starrer Ordnungen ist ein wiederkehrendes Thema in der Arbeit Iris Andrascheks. Seit Ende der 1990er-Jahre schafft die Künstlerin fotografische und filmische Porträts von Menschen, die ihre Existenz außerhalb einer allgemein verstandenen Norm verankern. Andraschek widmet sich in ihren mitunter partizipativen Projekten dem Ausweg und den existenziellen Alternativen an sich. Wiederholt geht es um die Rolle der Frau, die sich in vorgezeichneten gesellschaftlichen Mustern wiederfindet. Martina J. ist das Bild einer Mutter mit drei Kindern, in deren Brüste, Bauch und Scham sich das Muttersein sichtbar eingeschrieben hat. Eigenwillig schaut sie fast unbekleidet an der Kamera vorbei. Die ernste Sachlichkeit der mütterlichen Haltung ist ungewohnt, erinnert an ethnografische Dokumentarfotografie und spricht ebenso vom Selbstbewusstsein des gewählten Lebensweges wie von dessen Schwere. In Zusammenarbeit mit der Akademie Graz und dem Marianum der Caritas Steiermark.


Steirisch Schutzmantelmadonna

Um 1350/60 Fichtenholz, geschnitzt, polychrom gefasst; Höhe: 84 cm Courtesy Alte Galerie, Universalmuseum Joanneum

24

→ Provenienz: aus Schrems bei Frohnleiten

„Maria breit den Mantel aus, mach Schirm für uns daraus, lass uns darunter sicher stehn, bis alle Stürm vorübergehn ...“ Das bis heute volkstümliche Kirchenlied aus dem Jahr 1640 greift ein Bildmotiv auf, das bereits im 13. Jahrhundert entstanden ist: die „Schutzmantelmadonna“. Die stehende Madonna hält unter ihrem Mantel Menschen, die dort Zuflucht gefunden haben; später sind darunter auch unterschiedliche Stände vertreten – von den einfachen Bauern bis zum Herzog, Kaiser und Papst. Ihre rechtskulturelle Basis hatte diese Darstellungsform im Rechtsbrauch des Mantelschutzes, wonach man einer Person durch Bedecken mit dem eigenen Mantel rechtlichen Schutz gewährt. Einige von den unter diesem Mantel Zuflucht Suchenden hätten diese Praxis somit durchaus selbst anwenden können. Bei der frühen, fast 700 Jahre alten steirischen Schutzmantelmadonna, die aufgrund der vorhandenen Faltenwürfe um 1350 entstanden sein dürfte – andere datieren sie in die zweite Hälfte des 13. Jahrhunderts – sind einfache kleine Menschlein mit erhobenen Händen unter dem Mantel abgebildet. Die Naivität der Darstellung besticht, auch die fehlende Differenzierung in soziale Hierarchien. Alle scheinen unter diesem Mantel gleich zu sein. Unter diese Schutzmantelmadonna legt die Wiener Künstlerin Iris Andraschek eine Zeichnung, die während einer Reihe von Zeichennachmittagen mit Frauen der Notschlafstelle in Graz entstanden ist.


Maja Bekan At Some Point We All Have to Dance

*1975 in Trebinje (BA), lebt in Rotterdam (NL)

2018 Videoinstallation; Farbe, Ton, ca. 57 min, Konstruktionselemente, Farbe, Text; Größe variabel Courtesy der Künstlerin Arbeit und (Frei-)Zeit, deren Nutzung, Form und Ritualisierung sind die Untersuchungsfelder von Maja Bekan. Verschiedene Formen der Zusammenarbeit werden bei ihr zum Medium, das sich dem Publikum als Performance, Film, Text und interaktive Installation zeigt. In konstruierten Situationen formulieren sich Fragestellungen zu sozialer Gestaltung, Teilhabe und Kreativität, aber auch zu Vertrauen und Misstrauen im Zusammenleben. Für At Some Point We All Have to Dance bringt Bekan Frauen zusammen, die für zwei Institutionen stehen und für diese in der Öffentlichkeit sprechen: das Museum und die Kirche. Drei Schwestern aus Grazer Ordensstrukturen treffen auf vier Vermittlerinnen des Joanneums und testen die jeweiligen Institutionen und ihre Arbeitsfelder, indem

sie sie gemeinsam und gegenseitig erfahren. Anlässlich der 800-Jahr-Feier der Diözese Graz-Seckau öffnen sich dieses Jahr einige – vor allem weibliche – Konvente dem Publikum. Diesen Umstand nimmt Bekan zum Anlass, Inhalt und Form der weiblich konnotierten Arbeit des Vermittelns prozessual zu bearbeiten. Im gemeinsamen Gespräch über aufgeladene Orte, Kunstwerke und repräsentative Frauenbilder gelingt es, ein sensibles Bild weiblichen Selbstverständnisses und Sendungsbewusstseins zu schaffen. Als Film und performative Installation ergibt sich eine Reflexion über weibliche Arbeit, die den Begriff der Hingabe als existenzielle und spirituelle Notwendigkeit ebenso inkludiert wie feministisch geprägte, intellektuelle Selbstentfaltung. Mit Dank an Stroom Den Haag

25


Linda Fregni Nagler The Hidden Mother

Referenzabbildung: Linda Fregni Nagler, #0965, aus: The Hidden Mother, 2006–2013 Courtesy Collection Nouveau Musée National de Monaco, № 2014.8.1

26

*1976 in Stockholm (SE), lebt in Mailand (IT)

„Meine Arbeit basiert auf der Analyse, der Rekontextualisierung und der Reformulierung von vorgefundenem Material“, schreibt Fregni Nagler in ihrer 2013 herausgegeben Monografie The Hidden Mother. Ihr künstlerisches, soziales und historisches Untersuchungsfeld ist das fotografische Archivmaterial. Das Archiv der versteckten Mütter besteht aus mehr als 1.000 Fotos und ist eine Sammlung einer längst vergangenen ikonografischen Konvention: immer dasselbe Motiv eines hingebungsvoll der Kamera offerierten Kindes, gehalten von einer unsichtbar gemachten Mutter. Die ausdrucksstarken Motive aus dem vorletzten Jahrhundert hat Fregni Nagler über mehrere Jahre im Internet zusammengesucht. Teilweise handkolorierte Daguerreotypien, Cartes de visite – Fotografien auf Albuminpapier, die um 1870 von Paris aus ein Welterfolg wurden – und Ferrotypien erzählen von einer bis 1920 gängigen Praxis, die heutigen digitalen Bildbearbeitungsprogrammen vorausging und einen ungewollten Teil aus dem Foto „ausradiert“. Wegen langer Belichtungszeiten mussten Bezugspersonen Kleinkinder vor der Kamera stillhalten. Die Mütter, deren Umrisse in Teppichen, Vorhängen, Schals oder Stühlen auftauchen, sind anhand ihrer stützenden Hände erkennbar. Tief bewegend und doch irritierend, wird zugunsten der Versicherung der Existenz des neugeborenen Kindes – die Kindersterblichkeit war relativ hoch – der bekannte Bildtypus „Mutter mit Kind“ zur Frau als opferbereit Verschleierte.


VALIE EXPORT Rekonstruktion/ Body Position

Rekonstruktion/Body Position (Re-Enactment von Botticellis Madonna mit dem Granatapfel, 1487), 1973 Bleistift auf Papier; 29 × 40,9 cm Courtesy Neue Galerie Graz, Universalmuseum Joanneum Mitten im Wohnzimmer sitzt eine Frau auf einem Hocker vor dem Ausblick auf eine Landschaft, die von dunklen Vorhängen seitlich gerahmt wird. Die Frau ist nackt und hält einen Staubsauger in ihren Armen, so als wäre er ihr Kind. Ihre langen Haare sind in der Mitte gescheitelt, ihr Kopf ist geneigt. Sowohl in der Komposition als auch in der Haltung der Frau knüpft VALIE EXPORT an klassische Madonnenbildnisse an – hier konkret, Botticelli zitierend, an die Renaissance. Maria ist zwar nicht Teil der göttlichen Trias, aber sie ist ein dafür wichtiges und somit heiliges Gefäß. Selten sieht man sie ohne

27

*1940 in Linz (AT), lebt in Wien (AT)

ihren Sohn dargestellt. Ein Madonnenbild zu schaffen war in der christlichen Bildgeschichte lange Zeit Männern vorbehalten. Der männliche Blick fiel meist auf ein idealisiertes Mutterbild, das von Hingabe und Selbstlosig-keit geprägt ist. VALIE EXPORT zieht ihre Madonna aus, stellt sie in voller Blöße dar und politisiert das Geschehen zu einem häuslichen Alltagsereignis, in das sie auch das stereotype Frauenbild der 1970er-Jahre hineinprojiziert. VALIE EXPORT gilt als Ikone der feministischen Avantgarde. Bereits ab den 1960erJahren hat sie sich mit Fragestellungen rund um gesellschaftliche Macht- und Repräsentationsstrukturen und die damit verbundene Rolle der Frau beschäftigt. In einer Reihe von Arbeiten – zu der diese Zeichnung gehört – fragt sie nach dem ideologischen Gehalt der christlichen Bildsprache. Welche dieser weiblichen Rollenbilder sind noch heute aktuell?


Kris Martin Fu Maria

2015 Statuette, Pfeife; 30 × 10 × 10 cm Courtesy des Künstlers und KÖNIG GALERIE, Berlin/London

28

*1972 in Kortrijk (BE), lebt in Gent (BE)

Der belgische Künstler Kris Martin arbeitet mit dem Vokabular des Vorhandenen, das er sich aneignet, auf unerwartete Weise mit anderem verbindet und im Kontext verschiebt. Wenn in Fu Maria (übers. „Es war einmal Maria“, aber auch der lateinische Name für„Erdrauch“, ein alkaloidhaltiges Mohngewächs) eine Pfeife in die zarte, für die gläubigen Massen hergestellte Porzellanstatuette einer betenden Madonna gesteckt ist, erkennen wir darin einen vielschichtigen, gewaltsamen, ikonoklastischen Akt. Durchaus verschmitzt wird die Pfeife zum überraschend wohlproportionierten Kopfersatz. Mit Referenz auf die berühmte Pfeife von René Magritte, die die Realität des Abbilds infrage stellt, verweben sich hier Fragen nach Bild-Verklärung und Bild-Anbetung in Kunst und Religion. Martins Arbeiten, die auch Zeichnungen, fragile Wachsabformungen und konzeptuelle Interventionen umfassen, können durchaus monumentalen Charakter annehmen. In All Saints begegnen wir einer vielteiligen Sammlung antiker Glashauben, die, wenn wir ihrem Titel folgen, ursprünglich Heiligenreliquien schützten. Nun zu nachdenklichen Zeugen der Vergänglichkeit des einst Verehrten geworden, verweisen sie auf die Schönheit der Absenz. Martins poetische Versuchsanordnungen untersuchen die Aufladung von Objekten und Handlungen in Bezug auf Fragen der Ästhetik, das Vergehen der Zeit und die menschliche Existenz sowie auf den Wandel kultureller Werte.


Danh Võ Do you know what she did, your cunting daughter?

2018 Gold auf Karton, Schrift von Phung Võ; 224g Courtesy des Künstlers → S. 48

29

*1975, Bà Ria (VN), lebt in Berlin (DE) und Mexiko-Stadt (MX)


* Abstraktion & Körperlichkeit Liebe & Selbstbestimmung Wunder & Übertragung

Gabe Heilung Vergeistigung Durchdringung Übertragung Ansteckung Manipulation Propaganda Aneignung Anpassung

Identifikation & Nähe Unterdrückung & Bekenntnis Opfer & Ritual Zugehörigkeit & Ausschluss Schuld & Macht Loslösung & Kontinuität Kommerz & Präsentation Schmerz & Identifikation

30


Harun Farocki Übertragung

*1944 in Nový Jičín (CZ), † 2014 in Berlin (DE)

2007 Video; Farbe, Ton, 43 min (Loop) Courtesy Sammlung Generali Foundation – Dauerleihgabe am Museum der Moderne Salzburg

Wahrnehmens produzieren. Sie legen Material zur Betrachtung vor, und zwar so, dass man diese Betrachtung als Vorgang erfährt, den man bewusst gemeinsam ausführt. Farocki fahndet nicht von einer bestimmten Das Video zeigt Menschen, die Objekte aus Position aus nach einem bestimmten Ergebnis, Marmor, Bronze, Metall und Stein berühren, sondern fragt nach der Position selbst, von betreten und küssen. Farockis Kamera richtet der aus sich ein Gegenstand so betrachten sich auf die Interaktion zwischen Menschen, lässt, dass er sein Geheimnis preisgibt.2 Harun Farocki wählt stets verschiedene PerDingen und ritualisierten Gesten. Zwischenspektiven auf das Dargestellte. In über 100 titel beschreiben die jeweiligen Objekte und Fernseh- und Filmproduktionen, als Autor und Orte – den Fußabdruck des Teufels, den Herausgeber des Magazins Filmkritik, als Salbungsstein Jesu in der Jerusalemer GraKurator und Gastprofessor in Berkeley, Harbeskirche, einen Gedenkstein für Opfer des vard und Wien vermittelte er seine ÜberleKZ Buchenwald etc. Es sind Behälter, Aufgungen zum Verhältnis zwischen Gesellschaft, bewahrungsorte, die kollektive, mystische, aber auch ökonomische oder abergläubische Politik und Film.3 Geschichten und Bedeutungen verwahren und an künftige Generationen weitergeben.1 1 Vgl. Tessa Giblin, steirischer herbst (Hg.), Hall of Half-Life, Graz 2015, S. 48–49. Mit der Berührung werden Dinge fassbar 2 Vgl. Jan Verwoert, „Sehen, was sich zeigt – Über die gemacht. Ihre Kraft und Bedeutung wird Arbeitsweise von Harun Farocki“, in: Yilmaz Dziewior angeeignet und übertragen. Der Kunstkritiker (Hg.), Harun Farocki. Weiche Montagen, Köln 2011, Jan Verwoert schrieb über Farockis Filme, S. 17–32. 3 Vgl. Yilmaz Dziewior, „Harun Farocki. Weiche dass sie ein gesellschaftliches Moment des Montagen“, in: http://kulturhaeuserat.srv56.adino.at/ web/kunsthaus-bregenz.at/html/welcome00.htm? archiv2015.htm [Zugriff: 04.01.2018].

31


Unbekannter deutscher Meister Die Wunder von Mariazell

1883 25 Holzschnitte, um 1520, faksimiliert; je 37,5 × 27 cm Courtesy Alte Galerie, Universalmuseum Joanneum, Graz

32

→ Erschienen im G. Hirth‘s Kunstverlag,

München & Leipzig

„Heilige Orte“ aufzusuchen war im Mittelalter eine „heilige Pflicht“: Zunächst zählten zu ihnen Rom, Santiago de Compostela und Jerusalem. Die lokalen Wallfahrtsorte vor allem ab dem 14. Jahrhundert gründen in besonderen Erzählungen in Form von Legenden, Reliquien oder Wunderberichten vor Ort. Mit der Mobilität der Wallfahrer aber kamen auch die Vergleiche: Es gab erfolgreichere und weniger erfolgreiche Wallfahrtsorte. Einer der erfolgreichsten ist der bis heute hoch frequentierte Marienwallfahrtsort Mariazell. Er verdankt seinen Aufstieg nicht nur seiner besonderen Favorisierung durch die jeweiligen Herrscher, sondern auch der gut durchdachten Öffentlichkeitsarbeit. Die am Ende des Mittelalters neu entstehende Druckgrafik wurde dabei gezielt eingesetzt. Etwa zeitgleich wurden um 1500 die Wunder von Regensburg, Altötting oder Mariazell konkurrierend in Umlauf gebracht. Eine Holzschnittfolge eines unbekannten deutschen Meisters erschien 1520, worauf sich der zeitgleich entstandene „Große Mariazeller Wunderaltar“ in direkter Abhängigkeit bezieht. Es sind 47 Szenen, die von den Vorzügen der Madonna von Mariazell in Schrift und Szene erzählen. Bis zur Mitte des 17. Jahrhunderts war diese große Tafel der Lettneraltar in Mariazell, mit dem barocken Umbau wanderte er auf die Rückseite der Gnadenkapelle. In der Aufklärungszeit wurde er schließlich entfernt. Er ist das bedeutendste Dokument der Wallfahrtsgeschichte in Österreich.


Österreichisch (steirisch?) Portatile

Portatile mit Wurzel Jesse mit Propheten und Heiligen, oben Mitte: Thronende Madonna, um 1290/1300 Tempera auf Fichtenholz, eingelassen in Fohnsdorfer Muschelkalk; 31,5 × 39,5 cm Leihgabe der Pfarre Predlitz bei Murau, Alte Galerie, Universalmuseum Joanneum

33

→ Provenienz: Leihgabe der Pfarre Predlitz

bei Murau

Fasst man dieses Objekt als Bild auf, ist seine Mitte leer und abstrakt: eine dunkle Steinplatte mit ornamentaler Binnenmusterung. Einzelbilder treten am Rahmen auf: Sie sind durch ein Flechtwerk verbunden, dessen Umrundungen medaillonartige Öffnungen freigeben. Einzelne erhaltene Bezeichnungen – „Abakuk“, „Ezechiel“, „Ieremias“, „Iesaias“ – weisen sie als Propheten aus. Aber auch die Madonna und Heilige sind am rechten Rand zu sehen. Die Ranken wachsen aus einer liegenden Figur, die den Stammvater Jesse zeigt: „Aus dem Baumstumpf Isais wächst ein Reis hervor“ ( Jes 11, 1). Es ist eine sehr kleine Form für einen Altar, jedoch mit hoher Dichte. Dass die Heilige Messe auf einer Steinplatte zu feiern war, galt in der Rechtsordnung der katholischen Kirche über 1000 Jahre lang. Wo kein geweihter Altar vorhanden war, konnte ein tragbarer Altar im Kleinformat seine Dienste tun – sofern der Priester auf Reisen ging. Ein schweres Utensil im Gepäck. Ein derartiger „Altare portatile“ stammt aus der obersteirischen Pfarre Predlitz bei Murau. Durch die Umrankung des Stammbaums Christi erhält die Steinplatte mit ihrem genuinen ornamentalen Binnenmuster in der Mitte eine besondere Aura: Sie markiert einen Ort, auf dem bereits vor mehr als 700 Jahren die Eucharistie gefeiert wurde – 1215, nur drei Jahre vor dem Gründungsdatum unserer Diözese, wurde kirchlich definiert, dass sich in der Messe die Verwandlung – Transsubstantiation – von Brot und Wein in Leib und Blut Christi ereignet.


Birgit Jürgenssen Ohne Titel

1980 Fotocollage; 29,7 × 21 cm Courtesy Galerie Hubert Winter, Wien → S. 45

34

*1949 in Wien (AT), † in 2003 in Wien (AT)


Inge Morath Grenz.Räume, Last Journey

2001 „Maria Tscheppes Elternhaus, Stalltüre, Langegg“, aus: Grenz.Räume, Last Journey, 1997–2001 Schwarz-Weiß-Fotografie Courtesy Fotohof

*1923 in Graz (AT), † 2002 in New York (US)

und historischer Rückblick, Trennung und Vereinigung fließen in dieser Arbeit zusammen. „Ich bin langsam zur Fotografie gekommen. Ich habe an der Universität Sprachen studiert, arbeitete als Übersetzerin für amerikanische Besatzungstruppen in Salzburg und Wien. 2002 erfüllte sich Inge Morath 78-jährig Nach dem Krieg hatte ich oft darunter eine „heimliche Sehnsucht“: Sie besuchte mit gelitten, dass meine Muttersprache für den der Dokumentarfilmerin Regina Strassegger größten Teil der Welt die Sprache des das Land ihrer Vorfahren – das heute Feindes war. Obwohl ich Texte in Englisch steirisch-slowenische Grenzland, das jahroder Französisch schrieb, berührten sie nicht zehntelang zur Doppelmonarchie gehörte die Wurzeln. Sich dem Bild zuzuwenden, und nach dem Zweiten Weltkrieg durch Kapi- fühlte sich wie eine Erleichterung und auch talismus und Kommunismus getrennt wurde. wie eine innere Notwendigkeit an.“2 1953 Resultate dieser fotografisch-filmischen Reise wurde Inge Morath eines der ersten weiblichen waren ein Film, ein Buch und eine Ausstellung Mitglieder der bis heute renommierten Fotoagentur Magnum Photos. Grenz.Räume war für „Graz 2003“, Kulturhauptstadt Europas. eines der letzten Projekte vor ihrem Tod 2002. Die Fotografien in Graz und Seggau1 zeigen Wohnräume mit Herrgottswinkeln, Kreuzen und Symbolen wie die Buchssträuß- 1 In der Kooperations-Ausstellung anlässlich „800 Jahre Diözese Graz-Seckau“ Grenze. Öffnung & Heimat im chen, die Haus und Hof segnen sollen südsteirischen Schloss Seggau sind weitere Fotografien und von einem Landstrich sprechen, in dem aus der Serie Grenz.Räume zu sehen. 2 die Not immer wieder zu Hause war. Ver„Inge Morath“: in: http://ingemorath.org/ [Zugriff: 03.01.2018]. gangenheit und Gegenwart, Biografisches 35


Zlatko Kopljar Reliquary

Referenzabbildung: Reliquary, 2015–2018 versilberte Bronze; 60 × 17,5 × 80 cm Courtesy des Künstlers

36

*1962 in Zenica (BA), lebt in Zagreb (HR)

Der kroatische Künstler Zlatko Kopljar hat in den letzten 25 Jahren performativ sein Künstler-Ich in alle nur erdenkliche Konstellationen zur Gesellschaft gesetzt. Stellvertretung, Widerstand, Würde, Mitleid, ethisches Handeln wurden etwa dabei verhandelt, nicht selten in Form von Performances, streng komponierten Videofilmen oder aufwendigen Fotoarbeiten. In den letzten zehn Jahren geht es bei Kopljar mehr und mehr um das Verschwinden und die Leere. In K16, die in der Ausstellung Last & Inspiration zu sehen ist, schaufelt sich der Künstler, der bis dahin in seinen Filmen selbst die Hauptrolle gespielt hat, als Lichtfigur ein Loch – ein Grab? – in die Erde, bis er am Ende für immer darin verschwindet. K20, aus dem die für diese Ausstellung transformierte Reliquary werkgeschichtlich stammt, zeigt ein Miniaturarchitektur-Modell im Betonguss, wie man es im Tast-Format für Blinde kennt. Die beiden Museumsikonen für Gegenwartskunst, die Tate Modern in London und das MOMA in New York, werden hier im Titel vielmehr als Reliquiare vorgeführt. Die Bronzeabgüsse sind versilbert und tragen Patina. Kunst hat sich als selbst ernannte Erbin der Religion jene Kräfte und Präsenzbehauptungen zu eigen gemacht, die einst religiöse Bilder auszeichneten: Aura, Wahrheit, Unbedingtheit, Deutungshoheit. Ihr sakrosankter Status wird hier auf die Bildebene ehemals religiöser Reliquiare übertragen: Die Hülle ist allerdings fest verschlossen.


Luc Tuymans The Spiritual Exercises

2007 7 Farblithografien von 7 Steinen; je 70 × 50 cm Courtesy des Künstlers → S. 65

37

*1958 in Mortsel (BE), lebt in Antwerpen (BE)


Karol Radziszewski The power of secrets

2018, Courtesy des Künstlers und BWA Warszawa Referenzabbildung: Unbekannt, Hl. Kümmernis (Wilgefortis), 2. Hälfte 18. Jh. Holz, farbig gefasst; Höhe: 107 cm Courtesy Diözesanmuseum Graz

38

*1980 in Białystok (PL), lebt in Warschau (PL)

Maria Padilha ist eine zentrale Figur, die in den lateinamerikanischen Kulten der Umbanda und Candomblé auftaucht. Diese sind der Synthese von afrikanischen Naturreligionen mit dem Katholizismus entsprungen. Götter erhielten eine heidnisch-katholische Doppelidentität, die bis heute überdauert hat. Maria Padilha steht für ungebändigte Sexualität und verkörpert die unabhängige Verführerin, was sich auch in der Art der Opfergaben – u. a. Champagner, Lippenstift, Parfüm, Rosen – spiegelt. Diese Figur bildet gemeinsam mit der Hl. Kümmernis aus dem Diözesanmuseum den Ausgangspunkt für Radziszewskis Installation The power of secrets (2018) ergänzt durch Leihgaben aus dem Volkskundemuseum, die um Aberglauben, heidnische und christliche Rituale, aber auch um das Spiel von Identitäten und Geschlechterrollen kreisen. Die Objekte werden zeitgenössisch interpretiert: So erinnert die „Heilige Kümmernis“ – die zum Mann gewordene Heilige – etwa an Conchita Wurst. LGBTQ (= Lesbian, Gay, Bisexual, Transgender, Queer)-Communities geben Einblick in verschiedene, teilweise individuell praktizierte religiöse Rituale und ihre Adaptionen. Radziszewski setzt auf die befreiende Kraft der Aneignung und Umdefinition – auf „queering“ im besten Sinn –, verstanden als Emanzipation von zugewiesenen und konstruierten Rollenzuschreibungen. Er gibt seit 2005 das DIK Fagazine heraus, eine Zeitschrift, die sich Homosexualität und Maskulinität widmet, und ist Gründer des Queer Archives Institute.


* Abstraktion & Körperlichkeit Liebe & Selbstbestimmung Wunder & Übertragung Identifikation & Nähe

Aneignung Übertragung Empathie Mitleid Barmherzigkeit Nähren Begehren Sexualität Inzest Gewalt

Unterdrückung & Bekenntnis Opfer & Ritual Zugehörigkeit & Ausschluss Schuld & Macht Loslösung & Kontinuität Kommerz & Präsentation Schmerz & Identifikation

39


Louise Bourgeois Busenanatomie

*1911 in Paris (FR), † 2010 in New York (US)

Aus der Mappe Anatomy, 1989/90 Radierung auf Bütten; 63,5 × 45,8 cm Courtesy Neue Galerie Graz, Universalmuseum Joanneum Die Mehrfachbrust erinnert an Archetypen von Frauenidolen und scheint für das Nähren von vielen zu stehen. „Manchmal dreht sich bei mir alles um weibliche Formen“, meinte Louise Bourgeois einst, „aber oft vermische ich auch Männliches und Weibliches, Aktives und Passives“.1 Brüste, Vulven und Uteri sind wiederkehrende Motive in ihrem Œuvre und stehen immer wieder für das Thema des Mütterlichen und des Schutzes. Louise Bourgeois deutete ihr Werk autobiografisch. In ihren Zeichnungen, Malereien, Installationen, Bildhauereien und Texten versuchte sie zum

einen, sich von den Angst- und Hassgefühlen in Bezug auf ihren Vater zu befreien und zum anderen brachte sie den Wunsch zum Ausdruck, von der früh verstorbenen Mutter beschützt zu werden. Erst 70-jährig eroberte die Künstlerin mit ihrer Retrospektive im Museum of Modern Art in New York (1982) den internationalen Kunstbetrieb und ist seitdem bei Biennalen, Documentas und internationalen Ausstellungen vertreten. Ihr Œuvre handelt von Sexualität und Lebenskraft und ist durchwachsen von Archetypen-Urbildern menschlicher Vorstellungsbilder. Thomas McEvilley, „Geschichte und Vorgeschichte in Louise Bourgeois’ Werk“, in: Peter Weiermair, Louise Bourgeois, Frankfurt 1989, S. 34.

1

40


Steirisch Sitzende Madonna mit Kind

Um 1420/30 Kalkstein; Höhe: 59 cm Courtesy Alte Galerie, Universalmuseum Joanneum

41

→ Provenienz: aus Burg Finstergrün (AT)

Im 14. und 15. Jahrhundert entstehen die sogenannten „Schönen Madonnen“ der internationalen Gotik, wovon es auch in der Steiermark einige herausragende Beispiele gibt: Von der Admonter Madonna in der Alten Galerie über die Neuberger Madonna bis zu jenen aus Bad Aussee, Judenburg oder Übelbach. Maria steht stets aufrecht und hält an der Seite ihr Kind. Diese Statuen haben nicht selten einen repräsentativen Charakter. Die frühen Darstellungen der Maria mit Kind, die aus der Romanik stammen, weisen die Muttergottes gleichsam als Thron für Christus aus: Maria ist die Gottesgebärerin, die Theotokos. Etwa zeitgleich mit den „Schönen Madonnen“ entsteht die „Pietà“, ein privates Andachtsbild jenseits des offiziellen Kults: Maria hält erneut ihren Sohn im Schoß, doch ist dieser bereits gestorben und gerade vom Kreuz abgenommen worden. Die hier zu betrachtende Maria hält ihr Kind – ähnlich der Pietàhaltung – im Schoß. Es ist kein stolzes Zeigen wie bei den repräsentativen „Schönen Madonnen“, sondern das Wiegen eines Kindes, das getragen und geschaukelt werden will. Der Blick Marias ist nicht dem Kind zugewandt, sondern der Betrachterin, dem Betrachter. Er gibt auch eine melancholische Innerlichkeit preis, die von einer überzeitlichen Ahnung zum letzten Tragen dieses Kindes nach seinem qualvollen Tod am Kreuz Zeugnis gibt.


Artur Żmijewski Sztuka Kochania / The Art of Loving

2000 Video; Farbe, Ton, 5 min 54 s Courtesy des Künstlers, Galerie Peter Kilchmann, Zürich, Foksal Gallery, Warschau. Sammlung CNAP, Paris, Frankreich Artur Żmijewski lotet in beiden Filmen Grenzen des Vorstellbaren, Physisch-Möglichen und Gesellschaftlich-Passenden aus. In Gesangsstunde 2 singt eine Gruppe Schwerhöriger in der Thomaskirche Leipzig Kantaten von Johann Sebastian Bach. Die Jugendlichen können ihre Stimmen weder hören noch kontrollieren. Während der Chorproben bedienen sie sich der Gebärdensprache. Was zunächst als Zerstörung der vollendet perfekten Komposition Bachs anmutet, erweist sich beim wiederholten Hören als berührende und auch anrührende musikalische Interpretation, die das Augenmerk auf eine lautliche, atonale Ebene lenkt. Das gemeinsame Singen mit der

*1966 in Warschau (PL), lebt in Warschau (PL)

Mezzosopranistin Ewa Lapińska verschränkt Momente der Harmonie und Disharmonie. In Zusammenhang mit der Ausstellung Glaube Liebe Hoffnung erinnert Żmijewskis Film an Zeiten, in denen die Kirche uneins war, ob Taubstumme zur heiligen Kommunion zugelassen werden.1 Die Kunst des Liebens zeigt Menschen im fortgeschrittenen Stadium der Parkinson’schen Krankheit. Diese bewirkt, dass sich Körperfunktionen aufgrund einer chemischen Störung im Gehirn verselbstständigen. Im Film von Żmijewski liebkosen sich Kranke gegenseitig durch unbewusste Zuckungen ihrer Hände, berühren und küssen sich, darunter auch Großmutter und Enkel. Beide Filme setzen sich über imaginative, körperliche und soziale Grenzen hinweg. Seit den späten 1990er-Jahren ist Żmijewski auch als Kurator tätig (Ich und Aids, 1996; Forget Fear, Berlin Biennale, 2012). Vierteljahrschrift für Theologie und Kirche, hg. v. Dr. Lücke, Dr. R. Wieseler, Göttingen 1846

1

42


* Abstraktion & Körperlichkeit Liebe & Selbstbestimmung Wunder & Übertragung Identifikation & Nähe Unterdrückung & Bekenntnis

Prägung Entscheidung Geständnis Beschwörung Anerkennung Zugehörigkeit Bezeichnung Einengung Wegschauen (Selbst)Verleugnung Gewalt

Opfer & Ritual Zugehörigkeit & Ausschluss Schuld & Macht Loslösung & Kontinuität Kommerz & Präsentation Schmerz & Identifikation

43


Markus Wilfling Schleuse

*1966 in Innsbruck (AT), lebt in Graz und Wien (AT)

2017 Edelstahl, Stahl; 200 × 108 × 25 cm Courtesy des Künstlers Der rechteckige Edelstahlrahmen lädt dazu ein, ihn als Schleuse zu benutzen, um von einem Ort an einen anderen zu gelangen. Wie der Ortswechsel verläuft, hängt davon ab, was man selbst zulässt – will man seinen Status quo verändern? Markus Wilfling arbeitet mit scheinbar einfachen Objekten oder Dingen, die im Alltag präsent sind und uns durch ihre Selbstverständlichkeit nicht mehr auffallen: ein Tisch, ein Sessel oder auch eine Parkbank. Darüber hinaus interessiert es ihn, das Phänomen des Zweidimensionalen im Raum in den Bereich der Skulptur zu übertragen. Das Spiel der Illusion ist dabei ganz wesentlich, denn nur Schatten oder Spiegel sind dazu in der Lage, Körper 1:1, unmittelbar und in Echtzeit auf 44

eine Fläche zu bannen. Wilfling hat dabei schon oft das temporäre Schatten- oder Spiegelbild zum skulpturalen Moment eingefroren. Der Schatten des Grazer Uhrturms aus dem Jahr 2003 ist sicher das berühmteste Beispiel dafür. Seine Arbeit Schleuse bildet auch eine Schwelle. Was erwartet uns auf der anderen Seite – ist es ein Spiegelbild? Unser Schatten? Oder wird es ein neuer Weg, den wir beschreiten?


Birgit Jürgenssen Jeder hat seine eigene Ansicht

1975/2006 Schwarz-Weiß-Fotografie auf Barytpapier; 40 × 30 cm Courtesy Galerie Hubert Winter, Wien

45

*1949 in Wien (AT), † in 2003 in Wien (AT)

Die Collage Ohne Titel, 1980, verwendet die Struktur des Stammbaumes, um eine innere Verwandtschaft und grundsätzliche Skepsis gegenüber weiblichen religiösen Vorbildfiguren zu formulieren. Kettenelemente werden zusammengefasst und im stützenden Gürtel der griechischen Göttin ebenso wie in der giftigen Schlange oder im Ring aus Gold der Muttergottes gefunden. In der lapidaren Wiederkehr der ewig gleichen weiblichen Attribute ortet Jürgenssen den Schmuck der Frau als Fesseln der Macht, des Kapitals und der Kirche. Von den späten Sechzigerjahren bis zu ihrem frühen Tod 2003 arbeitete Birgit Jürgenssen vor allem in den Medien Fotografie, Collage, Zeichnung, aber auch in der Lehre an Stereotypen des Weiblichen, deren Fetischisierung und möglichen Transformation. Zusammen mit VALIE EXPORT, Renate Bertlmann oder auch Maria Lassnig gehört sie zur österreichischen feministischen Avantgarde, lehrte über 20 Jahre an der Akademie der bildenden Künste in Wien und prägte eine ganze Generation. Seit einigen Jahren wiederentdeckt, gilt ihr international wahrgenommenes beeindruckendes Schaffen als eine der produktivsten Auseinandersetzungen mit der Psychoanalyse und dem Surrealismus. Jeder hat seine eigene Ansicht – mit Lehm auf den nackten Rücken der Künstlerin geschrieben – formuliert den Zwiespalt zwischen dem Körper als begehrenswertes, stereotypisiertes Fetischobjekt und als Ort der eigenen, individuell formbaren Existenz.


Franz Kapfer zur Errettung des Christentums – Aviano

*1941 in Fürstenfeld (AT), lebt in Wien (AT)

2015 Installation, Lack auf Holz; 400 × 110 × 180 cm Courtesy des Künstlers Bewusst setzt der Diskurs dieser Ausstellung mit Fragen der Angst und deren Verbindung zu Macht und Religion an: Aviano, Franz Kapfers ausschreitender Heiliger, tritt den Besucherinnen und Besuchern des Kunsthauses als launige Pappfigur mit hoch erhobenem Kreuz entgegen und erinnert sowohl an Filme wie Der Exorzist wie auch an das eine oder andere zusammengezimmerte Wahlplakat. Aviano war ein predigender Kapuzinerpater, der kurz vor der entscheidenden Schlacht gegen das seit Monaten von Osmanen belagerte Wien am 12. September 1683 eine flammende Predigt hielt. Dann zog das Heer unter dem polnischen König Jan III. Sobieski in die Schlacht – und gewann. Das christliche Abendland war gerettet. Jahrhunderte später, als es in der „austrofaschistischen“ 46

Ständestaat-Diktatur galt, historische Figuren zur Rettung des christlichen Abendlandes vorzuführen, hat Engelbert Dollfuß Aviano geschickt vereinnahmt. Kapfer erinnert an die untergründigen politisch-religiösen Wurzeln unserer Kultur. In der Needle des Kunsthauses blinkt der aus großen Holzlatten gebaute Schriftzug „MARIA“. Dies kann als eine künstlerische Referenz an den Ort gelesen werden: Viele Marienbilder sind nicht nur in der nahen Kirche, sondern auch auf den Fassaden der Mariahilferstraße zu finden. Im Kontext des Kunsthauses wird die blinkende „MARIA“ weniger als helfende Mutter Gottes wahrgenommen. Die Geschichte des Bezirks Lend und das flackernde Rotlicht des Namens könnten eher eine Bar assoziieren lassen.


TEER Wolfgang Temmel & Fedo Ertl Weiße Fahne

Wolfgang Temmel *1953 in Deutschlandsberg (AT), lebt in Wies (AT) Fedo Ertl *1952 in Graz (AT), † 2014 in Graz (AT)

1987/2018 Fahne, Projektion; 150 x 400 cm Courtesy Wolfgang Temmel 1987 vom Künstlerduo TEER für den Grazer Schlossbergplatz konzipiert, wurden Pentagramm, Kreuz, Halbmond, Hakenkreuz, Hammer und Sichel eine Woche lang auf ein weißes, an einer Fahnenstange befestigtes Tuch projiziert. Auch wenn sich bestimmte Bedeutungen dieser Symbole mit der Zeit in den Vordergrund geschoben haben – wie etwa das Hakenkreuz für Nationalsozialismus, der Halbmond für den Islam oder Hammer und Sichel für den Kommunismus – sind die jahrhundertealten Zeichen mehrfach aufgeladen. Ein Beispiel: In der frühchristlichen Ikonografie ein Zeichen für die fünf Wunden Christi, ist das Pentagramm auch ein magisches Zeichen zur Abwehr des Bösen, ein Symbol der Freimaurer und Teil vieler Nationalflaggen. Das umgekehrte Pentagramm 47

wird mit Satanismus in Verbindung gebracht. Gemeinsam ist allen auf das weiße Tuch projizierten Symbolen: Sie fanden oder finden sich auf Nationalflaggen wieder. Die Symbole werden nun bei TEER überblendet. Auf diese Weise wird die weiße Fahne, ein Schutz- und Warnzeichen, aber auch Symbol der Kapitulation vor dem Feind, zum Träger verschiedener sich ausschließender, aber auch durchaus komplizenhafter Aufladungen. Die öffentliche Installation wurde von Unbekannten zerstört. 2018 wird sie vor dem Kunsthaus reinstalliert und durch ein weiteres Zeichen – den Davidstern – ergänzt, der in der ersten Fassung fehlte. TEER realisierte zwischen 1985 und 1995 gemeinsame Kunstprojekte.


Danh Võ Ohne Titel

*1975, Bà Ria (VN), lebt in Berlin (DE) und Mexiko-Stadt (MX)

2018, Courtesy des Künstlers Referenzabbildung: Cimon und Pero, sog. Caritas Romana, 18. Jahrhundert Öl auf Leinwand; 91,7 × 120,5 cm Courtesy Alte Galerie, Universalmuseum Joanneum, Graz

Neben der Vater-Tochter-Beziehung nimmt Danh Võ die Vater-Sohn-Beziehung in den Blick: Er kooperiert erneut mit seinem Vater Phong. Zum Anlass der Grazer Ausstellung schreibt Phong Võ von Heinz Peter Knes ausgewählte Textpassagen aus insgesamt Ausgangspunkt von Danh Võs Installation ist sieben Büchern Josef Winklers ab, in denen das Bild Caritas Romana aus der Alten der österreichische Autor einen Blick auf Galerie: Pero, eine junge Frau, besucht ihren die enge, dörfliche Welt Kärntens und die oft Vater Cimon täglich im Gefängnis, um ihn unerbittlichen Rituale und gesellschaftlichen mit der Milch ihrer Brüste zu nähren und Tabus eröffnet. Phong Võ sind – wie sein so vor dem Tod zu bewahren. In dieser oft Sohn schreibt – „alle westlichen Sprachen gemalten Erzählung werden zwei starke fremd“. Bei seinen Abschriften „erkennt er die Tabus gebrochen: zum einen das Tabu, einem Buchstaben des Alphabets wieder, aber Erwachsenen die Brust zu geben, und er versteht kein Wort“1. So treten der kalligrafische Aspekt, der Form und Schönheit des zum anderen das Inzest-Verbot. Võ legt sein Schreibens bevorzugt, und die von Knes vorAugenmerk auf das Kippmoment zwischen genommene Auswahl an Textfragmenten, selbstloser Tochterliebe und erotisch-sexueldie von größter Liebe, aber auch größter len Anspielungen und ist sich der doppelten Brutalität zeugen, in ein Spannungsverhältnis. Codierung von hingebungsvoller Liebe und körperlicher Lust bewusst. 48

1 Danh Võ, „Fathe-dland“, in: Danh Võ Vô Danh, Ausst.-Kat., Kunsthaus Bregenz, 2012, S. 226 f.


Azra Akšamija Palimpsest of '89 (Post-Socialist)

*1976 in Sarajevo (BA), lebt in Massachusetts (US) und Wien (AT)

2017 4-teilig, Sperrholz, Acrylfarbe; je 123 × 123 × 30 cm Courtesy der Künstlerin und Moderna Galerija, Ljubljana → S. 63

49


* Abstraktion & Körperlichkeit Liebe & Selbstbestimmung Wunder & Übertragung Identifikation & Nähe Unterdrückung & Bekenntnis Opfer & Ritual

Ritus Transfer Täter Martyrium Kreuz Tod Befreiung Auferstehung Katharsis Humor

Zugehörigkeit & Ausschluss Schuld & Macht Loslösung & Kontinuität Kommerz & Präsentation Schmerz & Identifikation

50


Slavs and Tatars Mystical Protest

* Gegründet 2006 in Berlin (DE)

2011 Leuchtfarbe, Muharram-Stoff, fluoreszierende Lichter, Baumwolle; 240 × 620 × 15 cm Courtesy Slavs and Tatars und Raster Gallery, Warschau Die Installation, Teil von Friendship of Nations: Polish Shi’ite Showbiz, rückt schiitische und katholische Riten, Muharram/Ashura und Kreuzwegprozessionen bzw. -andachten nebeneinander. Das Interesse von Slavs and Tatars gilt dem auf das Heute gerichteten Ausdruck von Protest, der diesen Riten innewohnt, sowie dem Gedenken an die Leidenden der Gegenwart und den oft übersehenen Formen des Widerstands, wie sie sich in Gesängen, Ritualen, aber auch in Witzen und Volksmärchen äußern. Diese wirken unterschwellig, geben unterprivilegierten Gruppen eine Stimme und fordern Macht heraus. In ihrer Arbeit wenden sich Slavs and Tatars gemeinsamen Fundamenten, aber auch Doppeldeutigkeiten, Fehlübersetzungen, Sprachbarrieren zwischen Shiitentum, Katholizismus 51

und Säkularismus, zwischen Tradition und Moderne, zwischen euro-amerikanischen und eurasischen Kulturen zu. Ein englischer Aphorismus, inspiriert von einem russischen Sprichwort, seriell angeordnete grün-fluoreszierende Röhren, Minimalkunst ebenso wie Islam aufrufend, gehen eine Verbindung ein mit textilen Mustern der Schia-Kultur. Ein Tisch mit Archivalien und Büchern widmet sich den Wechselbezügen zwischen den Kulturen und Religionen. Durch Humor, Hybridisierungen und spiele-rische Kombinationen geraten Abgrenzungen, die Glauben und religiöse Gemeinschaft haben können, ins Rutschen. Slavs and Tatars verstehen sich als eine Praxis, die eine „Region östlich der ehemaligen Berliner Mauer und westlich der Chinesischen Mauer“ untersucht.


Hermann Nitsch Blutorgelbild

*1938 in Wien (AT), lebt in Prinzendorf (AT)

1962 Blut, Dispersion, Kreidegrund auf Jute; 190 × 900 cm Courtesy des Künstlers und Stiftung Galerie für Zeitgenössische Kunst Leipzig „je ekstatischer gelebt wird, umso mehr tut sich die wirklichkeit auf“,1 sagt Hermann Nitsch, der das Leben als Passion samt Leidenschaft und Leidensweg versteht. Seit den 1950er-Jahren verwendet der österreichische Künstler die für ihn typische Schütttechnik. Die von ihm verwendeten Materialien wie Blut, Gedärme oder Kadaver haben ihm während der Zeit des österreichischen Aktionismus nach dem Zweiten Weltkrieg sehr viel Häme und Schelte eingebracht. Dieses neun Meter lange Blutorgelbild entstand während einer seiner ersten mehrtägigen Aktionen – gemeinsam mit Adolf Frohner und Otto Muehl – in Wien, zu der auch ein eigenes Blutorgelmanifest überliefert ist. Das Bild besteht aus verronnenem Blut, das in dünnen Lasuren in einer Richtung über die Leinwand geflossen ist. „Meine Arbeit ist ganz stark von der griechischen Tragödie beeinflusst,“ sagt Hermann 52

Nitsch in einem Zeitungsinterview2 2016, „da geht es immer um den Tod, das Leiden und die Auferstehung“. Es ist der Kreislauf des Lebens, der ihn interessiert und der aus seiner Sicht auf der ganzen Welt durch den Wechsel der Jahreszeiten besteht. Nitsch will seinem Publikum intensive Erlebnisse und vor allem eindringliche Sinneseindrücke ermöglichen. „Hermann Nitsch“, in: Britta Schmitz (Hg.), Hermann Nitsch, Orgien Mysterien Theater Retrospektive, Köln 2006, S. 22. 2 „Hermann Nitsch“, in: https://kurier.at/kultur/ kuenstler-am-wort-hermann-nitsch-im-gespraech-uebererwin-proell-die-tagespolitik-seine-blutkunst-und-dienachkriegszeit/242.662.153 [Zugriff: 23.02.2018].

1


Alois Neuhold *1951 in Eggersdorf (AT), lebt in St. Georgen an der Stiefing (AT) Es ist aufgetischt: Fülletafel und Flugschanze aus der Schöpfungsküche eines reichgedeckten Lebens

2018 Referenzabbildung: Atelier Die Bildwelt von Alois Neuhold lebt vor allem durch kleinteilige Formen und durch eine intensive Farbigkeit. Die Erfahrung von Sakralität stellt sich in der Überforderung der Sinne ein: Alles scheint prall zu leben. Die Arbeiten vermitteln eine Ahnung von einer Bildliturgie, die sich durch eine Materialisierung des Lichts in Farbe zelebriert. Nichts an Neuholds Bildern ist im engeren Sinne „christlich“. Und doch führt fast alles auch in diese Religion hinein und wieder heraus: Gesichter, Augen, Paare, Gefäße, Schreine, Blumen. „Alles ist heilig“, sagt der Künstler gerne über seine Werke. Sein Anspruch ist, weniges zu wiederholen, um es zu vertiefen. Dutzende von derartigen kleinformatigen, oft ins Körperliche verdichteten Bildern lagern

nun in dieser Ausstellung und führen auf ihre Weise ein Eigenleben. Das Bild baut er sich aus Farbe, geduldig malt er Farben über grundierte Formen und lässt das Bild organisch wachsen. Sein Sinn für rituelles Wiederholen verlangt ihm eine strenge Maldisziplin ab, was angesichts der vorliegenden Bildserien, an denen er oft Jahre arbeitet, nicht erstaunt: „Ich muss mich zwingen. Man muss dabei bleiben. Reduzieren und Straffen. Das hat auch etwas Spirituelles für mich.“1 Das wiederholte Motiv, das stete Vertiefen, Aufspüren und geduldige Entstehenlassen, hat durchaus auch etwas Opferbereites, etwas Rituelles und Demütiges an sich, das man aus Neuholds religiöser Prägung erkennen kann. Alois Neuhold im Gespräch mit Katrin Bucher Trantow und Johannes Rauchenberger, 02.01.2018.

1

53


Johann Bernhard *1656 in Graz (AT), †1723 in Wien (AT) Fischer von Erlach Entwurf für den Hochaltar in Mariazell

Vor 1704 Feder in Braun, blaugrau laviert; 47,2 × 28,6 cm Courtesy Alte Galerie, Universalmuseum Joanneum

54

Die Entwurfszeichnung des Johann Bernhard Fischer von Erlach hat im von 1698 bis 1704 ausgeführten Hochaltar von Mariazell seine reale Umsetzung erfahren. Ein Gekreuzigter im Gegenlicht, zu dem sich sein Gott, von dem er sich im Todesschrei verlassen wähnte – von dessen himmlischer Herrlichkeit kommend –, dramatisch hinunterzubeugen scheint, steht im Zentrum eines Triumphbogens. Dieser wird von einer kräftigen, im Gesimse gekröpften doppelten Säulenreihe, die sich halbkreisförmig fügt, gerahmt. Das Drama um den toten Christus wird zum Drama des dreifaltigen Gottes: Über dem Torbogen zeigt sich inmitten eines heftigen kreisförmigen Gewölks, in dem sich zahlreiche Putti tummeln, die Taube des Heiligen Geistes. Bildgeschichtlich ist die Geste Gottvaters ein aufgelöster Gnadenstuhl, wo dieser das „Kreuzesopfer“ annimmt. Das Bildmotiv entwickelt sich vor allem an der „Te-Igitur“Initiale des Römischen Messkanons, wo es am Beginn des eucharistischen Hochgebets heißt: „Te igitur – Dich aber, gütigster Vater, bitten wir …“ Und nach der Wandlung wird fortgefahren: „Dein Heiliger Engel trage diese Opfergabe zu deinem himmlischen Altar vor deine göttliche Herrlichkeit.“ Hier ist Gott selbst herabgeflogen, um staunend das Kreuz entgegenzunehmen. Zu seinen Füßen liegt eine große Weltkugel, von der das Kreuz längst schon erhoben ist. Um sie schlängelt sich die Schlange. In ihr aber ist – einzigartig in dieser Form als Tabernakel – die Eucharistie aufbewahrt.


Guillaume Bruère 06.03.2017 (Immaculata)

Acryl und Ölkreide auf Leinwand; 200 × 150 cm Courtesy des Künstlers

55

*1976 in Châtellerault (FR), lebt in Berlin (DE)

Der aus Frankreich stammende und in Berlin lebende Künstler Guillaume Bruère wuchs ohne christliche Prägung auf und fand erst im Zuge seiner künstlerischen Auseinandersetzung, besonders mit spätmittelalterlicher Malerei, zur Faszination für das Christentum: Er zeichnete in großen europäischen Museen in Zürich, Karlsruhe, Stuttgart, Berlin und im Zuge dieser Ausstellung auch eine Woche lang in der herausragenden Mittelaltersammlung der Alten Galerie am Universalmuseum Joanneum. Im Kunsthaus Graz ist er mit mehreren Werken vertreten: u. a. mit einem roten „Immaculata“-Bild, das nach einem GrazBesuch im Vorjahr entstanden ist, und einem leuchtend gelben Lamm, das auf einem Tisch liegend wie die Immaculata das Thema „Schuld“ und Überwindung der Schuld aufgreift: Unschuld in Maria, die „ohne Erbsünde empfangen, für uns arme Sünder ...“ bittet. Das Tragen der Schuld im Opferlamm. „Vorbild“ für die ungewöhnliche Mariendarstellung war eine jener Darstellungen der Jungfrau Maria des 19. Jahrhunderts, die etwa als Fatima- oder Lourdes-Madonnen weltweit bekannt sind. Bruères Bild – auf den ersten Blick „kindlich-krakelig“ – schafft es, den millionenfach gemalten „Unschuldskörper“ ebenso verletzlich wie auch im bildlichen Sinne „nackt“ zu zeigen. Bruères Museumszeichnungen sind ein oft zitterndes Ausloten von Bildfindungen meist spätmittelalterlicher altdeutscher Malerei, das er zu fiebrigen Membranen des Existenziellen werden lässt.


Kris Martin All Saints

2007 Installation aus 240 gefundenen Glockengläsern; variable Dimensionen Courtesy des Künstlers und KÖNIG GALERIE, Berlin/London → S. 28

56

* 1972 in Kortrijk (BE), lebt in Gent (BE)


Hannes Priesch Fahnen

2015 Fahnen: 1. Rot-Weiß-Rot, 2. Fahnenspruch, 3. Opferseelen, 4. „Just do it“ arabisch (Nike), 5. In diesem Zeichen siege!, 6. For God and Country / Für Gott und Vaterland Holz, Draht, Stoffe, Wolle, Stickereien, Aquarellfarben; je ca. 260 × 50 cm Courtesy des Künstlers und Galerie Artepari

*1954 in Volkersdorf (AT), lebt in Semriach (AT)

Die Texte für Göttlicher Humor stammen aus dem Buch Legende von den lieben Heiligen Gottes nach den besten Quellen neu bearbeitet und herausgegeben von Georg Ott, Priester der Diözese Regensburg im Jahre 1854. Die Geschichten zeugen von grausamen Arten und Weisen, sich martern zu lassen, von der Bereitschaft, individuelle Prieschs „Fahnen“ speisen sich aus politisch- Opfer für das Kollektiv, für eine Gemeinpatriotischen, religiösen und auch kommerzi- schaft der Gläubigen zu bringen. Ob es sich ellen Quellen, wobei die Übergänge fließend um ein Missverständnis militanten Glaubens handelt, das Gott in heiterer Gelassenheit sind. Dabei verwendet der Künstler Altertragen muss, bleibt offen. Priesch schreibt textilien, die Skulptur und „Fetzen“ gleicherwie ein Skriptor die Legenden der Heiligen maßen sind, also wenig patriotisch anmuten ab, wobei er – wie in anderen seiner Arbeiund die Vergänglichkeit hehrer Ideale mittransportieren. Im Zentrum des Interesses von ten auch – seine Quellen in eine andere Materialität übersetzt. Durch das Abschreiben, Priesch, der lange in New York gelebt hat, steht die Untersuchung des Verhältnisses von das auch ein Stück weit Aneignung ist, unterzieht er sich selbst einer Art Ritual – ohne sich Sprache, Repräsentation, Macht und Politik diesem jedoch zu unterwerfen. Dazu sowie ein tiefes Misstrauen in gewaltsame kommen reliquienartige kleine Gaben, die Formierungen eines „Wir-Gefühls“. von ihm selbst stammen: Haare, ein Stück Tuch, Blut usw. 57


* Abstraktion & Körperlichkeit Liebe & Selbstbestimmung Wunder & Übertragung Identifikation & Nähe Unterdrückung & Bekenntnis Opfer & Ritual Zugehörigkeit & Ausschluss

Gemeinschaft Erbe Verwandtschaft Zugehörigkeit Solidarität Verbundenheit Schichtung Fragmentierung Verschmelzung Inklusion Einverleibung Exklusion Entfernung

Schuld & Macht Loslösung & Kontinuität Kommerz & Präsentation Schmerz & Identifikation

58


Manfred Willmann Fischsuppe, Nibelungengasse 22

Aus: Die Welt ist schön, 1981–1983 C-Print und Cibachrome Courtesy Neue Galerie Graz, Universalmuseum Joanneum

59

*1952 in Graz (AT), lebt in Graz (AT)

Die Welt ist schön nennt Manfred Willmann eine Reihe von Fotoarbeiten, die er als Dreißigjähriger in einer dokumentarischen Form angelegt hat. Es finden sich darin Motive rund um seine Familie, seine Freunde, Alltagsszenen und Ausschnitte aus der ihn umgebenden Natur. „Ist an der Oberfläche etwas zu sehen, dann genügt es mir“, meint Manfred Willmann, der mit seinem Realismus jede Form der Inszenierung verweigert und die Dinge so in das – damals noch analoge – quadratische Fotoformat bringt, wie er sie vorfindet. Der Blick des Fotografen dient ihm als selektives und dadurch interpretatives Mittel seiner Umgebung und seiner unmittelbaren Beziehungen, die er in dieser, aber auch in anderen Serien wie etwa Das Land nach subjektiven Kriterien vermisst. Willmann antwortet mit dieser Serie dem bekannten Fotografen Albert Renger-Patzsch, der 1928 den viel beachteten Bildband unter demselben Titel herausgebracht hat und darin mit sehr viel Klarheit und Einfachheit den Blick der Betrachtenden auf Strukturen, Oberflächen und Formen von Objekten gelegt hat. Bei Willmann rückt der Blick vom Objekthaften auf soziale Beziehungsgeflechte, auf die Spuren, die Menschen beim Essen, Beisammensein, beim Leben als solchem hinterlassen.


Anna Jermolaewa Shopping with family

*1970 in St. Petersburg (RU), lebt in Wien (AT)

2013 Videoinstallation; Farbe, Ton, 16 min 9 s (Loop), Flatscreen, Stehfuß, Perücken, Mediaplayer, 2 Kopfhörer, ca. 130 x 80 x 30 cm Courtesy Neue Galerie Graz, Universalmuseum Joanneum „Ich habe definitiv nicht daran gedacht, dieses Material für meine Arbeit zu verwenden, als ich gerade einkaufen ging. Dies war eine sehr schwierige Zeit für mich, direkt nach meiner Operation und vor der Chemotherapie. Ich hatte große Angst vor der Chemo und davor, meine Haare zu verlieren. Nun, und natürlich war meine Familie auch um mich besorgt. Das Video Shopping with family berichtet über die guten und schlechten Zeiten, über die Höhen und Tiefen des Lebens. Ich bin mir sehr sicher, dass die Nöte, die uns im Leben begegnen, uns in erster Linie Dinge lehren.“1 Das Video zeigt die Künstlerin in einem amerikanischen Perückengeschäft, wie sie mit einer geschulten Verkäuferin eine Perücke nach der anderen probiert und dabei von 60

ihrer Schwester, ihrer Tochter und ihrem Mann beraten wird. In der Arbeit geht es um das Leben, um seine Verletzlichkeit und um seine tragischen und komischen Komponenten.2 Anna Jermolaewa richtet ihren Blick auf Alltägliches. In der Einfachheit der Motive legt sie soziale Strukturen, Werte und kollektives kulturelles Erbe frei. Sie interessiert sich in ihrer Arbeit für die Conditio humana, den Zustand des Menschen und die Natur bzw. Essenz des Menschen. „Anna Jermolaewa in Conversation with Christiane Erharter“, in: Anna Jermolaewa, Christiane Erharter (Hg.): Anna Jermolaewa. Dobre Czasy, Zle czasy – Good Times, Bad Times, Warschau 2015, S. 9. 2 Vgl. Susanne Rohringer, in: http://www.jermolaewa. com/works/shoppingwithfamily.html [Zugriff 19.12.2017]. 1


Manfred Erjautz ME/WE (Homeversion)

*1966 in Graz (AT), lebt in Wien (AT)

2003 Neon, Acrylglas, Aluminium, Drahtseile, Scheinwerfer; 172 × 93 × 12,5 cm Courtesy des Künstlers und Sammlung Denise & Günther Leising, Graz Referenzabbildung: Manfred Erjautz, ME/WE, 2002, Ausstellungsansicht Secession, Courtesy TBA21 Irritation auszulösen ist ein essenzieller Teil von Manfred Erjautz’ künstlerischer Praxis. So manches, was sich auf den ersten Blick als lapidares Alltagsdesign wie Uhren, Lampen oder Plakatwerbung bemerkbar macht, offenbart sich beim zweiten, genaueren Hinsehen als kritischer Kommentar auf eine hedonistisch geprägte westliche Kultur. Auch das Lichtobjekt ME/WE birgt mehrere Facetten in sich: Einerseits ist es als „ME“ zu lesen, also als „mich“ oder „ich“ – wobei es sich zugleich um die Initialen des Künstlers handelt. Andererseits verbirgt sich im gespiegelten Schatten des Lichtobjekts das „WE“, also das 61

„Wir“ einer Gemeinschaft oder Gesellschaft, das ohne „Ich“ nicht existiert. Die Einbindung des Individuums vermittelt ein Gefühl der Zugehörigkeit. Für Gesellschaften generell, aber gerade für religiöse Gemeinschaften stellen sich daher die Fragen: Wo positioniert und behauptet man sich innerhalb des Kollektivs und welches Kollektiv will man eigentlich stützen? Und nicht zuletzt: Wie wird mit jenen umgegangen, die sich von der Gemeinschaft lösen wollen?


Muntean/Rosenblum The White Exploit

Markus Muntean *1962 in Graz (AT), lebt in Wien (AT) Adi Rosenblum *1962 in Haifa (IL), lebt in Wien (AT)

2018 Videostill, ca. 6 min Courtesy der Künstlerin und des Künstlers Ausgangspunkt des im Grazer Priesterseminar gedrehten Filmes des seit 1992 zusammenarbeitenden Duos Muntean/Rosenblum ist eine US-amerikanische Fernsehserie mit dem Titel The Leftovers (Die Übriggebliebenen). Diese Erzählung beginnt drei Jahre nach dem plötzlichen, unerklärlichen Verschwinden von drei Prozent der Weltbevölkerung. Auf der Suche nach der Ursache wenden sich mehr und mehr Menschen vom Pfarrer der Gemeinde ab und der Sekte „Die Schuldig Verbliebenen“ zu. Diese sieht sich als „lebende Mahnung“ an jene, die den Tag des Verschwindens zu vergessen versuchen. Die Mitglieder verlassen ihre Familien, kommunizieren nur noch per Schrift, kleiden sich einheitlich in Weiß und fallen durch exzessiven Zigarettenkonsum auf.

62

Weltuntergang, Schuld, Stellvertretung, Mahnung, Buße, Reinheit, Schweigegelübde, Schmerz, Fegefeuer und Hölle – die TV-Serie und Muntean/Rosenblum schöpfen aus einem christlichen Repertoire. Die Künstler machen sich dabei – wie auch in ihren Malereien und Zeichnungen – zunutze, dass religiöse Motive, Gesten, Posen, Kompositionen schon längst in Werbung, Social Media, Film und TV-Serien Eingang gefunden haben. Ausgehend von diesen medialen und populärkulturellen Überformungen, mithilfe formelhafter Gesten der Ergriffenheit und einer zur Schau getragenen Innerlichkeit gelingt es Muntean/Rosenblum, das Psychogramm einer Gemeinschaft zu erzeugen, deren Gefühlsäußerungen retortenhaft und leer anmuten und phantomhafte, verunsicherte Existenzen zeigen.


Azra Akšamija Diaspora Scroll (Kapitel Graz)

*1976 in Sarajevo (BA), lebt in Massachusetts (US) und Wien (AT)

Referenzabbildung: Azra Akšamija, Future Heritage Lab, Entwurfsskizze für Diaspora Scroll (Kapitel Graz), 2018 Courtesy der Künstlerin Die nach dem Jugoslawienkrieg in Graz aufgewachsene Azra Akšamija beschäftigt sich mit kulturellen und religiösen Konstruktionen von Identität. Mit dem Ziel, Gemeinschaft zu fördern, Traumata zu überwinden und soziale sowie politisch wertvolle Innovation zu ermöglichen, spürt die Künstlerin und Architektin, die am MIT unterrichtet, technologisches und materielles Wissen auf. In Graz entsteht eine erste Fassung einer wachsenden Stoff- und Gedächtnisrolle, die Stickmuster sammelt und lokales mit migriertem Wissen verbindet. Leihgaben aus dem Diözesanmuseum, der Volkskundlichen und Kulturhistorischen Sammlung des Joanneums sowie der bosnischen Gemeinschaft in Graz verwachsen mit digitalen Mustermutationen sowie

Aktivitäten von Wissensträgerinnen/-trägern und schaffen eine partizipative Installation, die Sticken als transnational wachsendes Kulturgut zeigt. Anhand von vier Schwerpunkten, die auf dem Kreuzstich und der traditionell lokalen rot-weißen Farbkombination aufbauen, verweben sich händisch gefertigte zeitaufwendige Muster mit schnellen, billigeren, industriell gefertigten. Der Lebensbaum – auch im christlichen Kontext häufig verwendet – ist dabei das verbindende Symbol unterschiedlicher Herkunft. Zu Akšamijas bekanntesten Arbeiten gehören u. a. die ornamentale Schindel-Gebetswand im ersten islamische Friedhof Vorarlbergs (2012) oder die Dirndlmoschee (2006), ein Kleidungsstück, das in sich Kulturen transformieren lässt. Tipp: Während der Ausstellung finden Workshops mit unterschiedlichen WissenträgerInnen statt. Das Programm finden Sie auf www.kunsthausgraz.at.

63


* Abstraktion & Körperlichkeit Liebe & Selbstbestimmung Wunder & Übertragung Identifikation & Nähe Unterdrückung & Bekenntnis Opfer & Ritual Zugehörigkeit & Ausschluss Schuld & Macht

Dominanz Hierarchie Scham Leib Leid Erbschuld Erbe Befreiung Erlösung Zerstörung

Loslösung & Kontinuität Kommerz & Präsentation Schmerz & Identifikation

64


Luc Tuymans Candle

2017 Öl auf Leinwand; 134,6 × 108,5 cm Courtesy Studio Luc Tuymans

65

*1958 in Mortsel (BE), lebt in Antwerpen (BE)

Die Bilder des belgischen Malers Luc Tuymans, der heute zu den gefragtesten Malern der Gegenwart zählt, bestechen formal durch eine stark zurückgenommene Farbigkeit. Sie wirken, als ob sie verblasste Fotografien und durch den Malprozess wieder reaktiviert worden wären. Inhaltlich sind Tuymans scheinbar stille Bilder voller Anspielungen auf Geschichte, drängende Zeitfragen und Politik – aber ebenso zurückgenommen, wie es nur ein äußerst gebildeter Künstler in der Tradition der Symbolik flämischer Stilllebenmalerei fortschreiben kann. Tuymans ist einem Land mit einem historisch starken Katholizismus entwachsen. Immer wieder kommt deshalb auch das historische Erbe – vor allem jenes der Jesuiten – in die Thematisierung seiner Bildwelt. Die religiösen Energien der Gegenwart sieht Tuymans mit Besorgnis, denn sie bergen auch Fanatismus in sich. „Es wäre besser gewesen, Theologie als Kunstgeschichte studiert zu haben, um zu verstehen, was sich derzeit in der Welt abspielt“, sagt er. Im Grazer Mausoleum malt er in der Grabkammer Ferdinands II. und dessen Mutter Maria Anna von Bayern eine genmanipulierte Blume als Fresko. Im Kunsthaus zeigt er mit The Worshipper (ein Bild aus dem Musée du Masque aus Binche) die monumentale Figur eines Geistlichen. Aber er erscheint wie ein Geist, versteinert im eigenen Körper. Das für diese Ausstellung neu entstandene Bild Candle zeigt auf den ersten Blick das Licht einer Kerze. Oder handelt es sich doch eher um einen apokalyptischen Feuerball?


Maja Bajević Double-Bubble

*1967 in Sarajevo (BA), lebt in Paris (FR)

2001 Video; Farbe, Ton, 3 min 36 s Courtesy der Künstlerin und Galerie Peter Kilchmann, Zürich Maja Bajević versteht ihre Arbeit als Kritik an der Doppelmoral institutionalisierter Religion. In ihrer Videoarbeit Double-Bubble wird der Machtmissbrauch religiöser Würdenträger ebenso angeprangert wie die Scheinheiligkeit von Gläubigen. Die Stimme der Künstlerin ist betont emotionslos, sie spricht provokant aus der Ich-Position. Ihre knappen Äußerungen gehen durch Mark und Bein – vor dem Hintergrund eines wachsenden Zusammenspiels von Religion und Politik in diesem Jahrzehnt, dem Missbrauch religiöser Bekenntnishaftigkeit und auch der Kriegserfahrung in ihrer Heimatstadt Sarajevo spricht Maja Bajević

66

als weibliche Performerin in ihrem Video in sich widersprüchliche Sätze aus: „Ich habe 55 Menschen erschossen während des Gebets im Namen Gottes“ oder „Ich befreie Menschen von ihren Sünden. Sie geben mir Geld. Alles hat seinen Preis.“ Double-Bubble wird zum Spiegelbild des Missbrauchs von Macht und Religion.


Monica Bonvicini GUILT

2017 Stahl, Edelstahl, Spiegelfolie; 400 × 330 cm Courtesy der Künstlerin und KÖNIG GALERIE, Berlin/London

67

*1965 in Venedig (IT), lebt in Berlin (DE)

Die Buchstabenfolge „GUILT“ wird zur Behauptung, Mahnung und Anprangerung ohne spezifische Adressaten. In Spiegelfolie ausgeführt, reflektiert das Objekt sein jeweiliges Umfeld. Es ist ein vielfältig besetzter Begriff, der subjektiv eine unerlaubte oder verwerfliche Handlung, und objektiv die Übertretung moralischer oder gesetzlicher Grenzen bedeutet. Er ist stets in Bezug zur Gesellschaft zu denken, denn vor allem das Einbekenntnis von Schuld fordert Zusammenleben heraus und gleichzeitig Kommunikation mit anderen ein, wenn es um Reue und Vergebung geht. Im Laufe der Jahrzehnte hat sich der Begriff aus dem kirchlich-theologischen Kontext gelöst und in Richtung Populärkultur und Psycho-Coaching verschoben. GUILT ist der Titel mehrerer Filme und Musikalben und einer US-amerikanischen Fernsehserie. Schuldbekenntnis, Reue, Vergebung werden zunehmend in Talkshows und Social Media ausgelagert und kommerzielle Anbieter offerieren Dienstleistungen, die von Schuldgefühlen befreien sollen. Schuldkultur ist durchaus auch mit Macht verbunden, denn die Erzeugung von übermäßigem Schuldbewusstsein verleiht Macht über Menschen und ihr Verhalten. An diesem Punkt setzt Bonvicinis Interesse an: In ihren medienübergreifenden Arbeiten setzt sich die Künstlerin wiederholt mit Machtstrukturen auseinander und untersucht die komplexen Beziehungen zwischen physischem und sozialem Raum sowie historische, politische und ökonomische Prägungen, die sich in diese Räume eingeschrieben haben.


Maria Hahnenkamp V9/11 „Kirchenlieder – Psychoanalyse“

2011 Audiovisuelle Installation; Video 13 min 7 s (3 x wiederholt), 5-Kanal-Ton 39 min 49 s Courtesy der Künstlerin

*1959 in Eisenstadt (AT), lebt in Wien (AT)

prunkvollen Materialien wie Damast, Leinen, Seide, Samt oder Brokat zeigen wirkungsvoll ihre repräsentative Funktion, die bei einer ausschließlich Männern vorbehaltenen Zeremonie von Bedeutung ist. Bei den Arbeiten aus der Serie Regina Aufwendig bestickte Priesterkleidung aus Fritsch legen sich blinde Flecken, Leerstellen, vier Jahrhunderten wird nach einem festen psychoanalytische Reflexionen und OrnaRhythmus angezogen und wieder abgelegt, mente über die Bildoberfläche und zeugen akustisch begleitet von einem Chor, der von der Beziehung des Abbildes zum ImaKirchenlieder aus dem „Gotteslob“ – dem ginären des Blicks und zum Symbolischen Gebet- und Gesangsbuch der deutschsprader Sprache. Identitäten bleiben fragil und chigen katholischen Bistümer – singt. Eine bruchstückhaft. Die Perforationen und die Solosopranstimme überlagert, unterbricht Ausschnitthaftigkeit der Steingipsplatte lassen oder ergänzt den christlichen Liedergesang Lücken offen und unterlaufen ebenfalls Vormit vertonten psychoanalytischen Texten stellungen von Ganzheit, Unversehrtheit und oder philosophischen Fragmenten von Unverletzlichkeit. Alle Ornamente stammen Antonin Artaud und Sophokles. Klang und aus den Vorlagenbüchern: Kirchenschmuck. Bild überlagern sich und verweben sich in Ein Archiv für kirchliche Kunstschöpfungen immer neuen Konstellationen, unterstreichen einander, befragen oder widersprechen sich. und christliche Alterthumskunde, Stuttgart, 1857–1865. Die wertvollen liturgischen Gewänder aus 68


Guillaume Bruère Ohne Titel (Agnus Dei)

2007 Verschiedene Materialien; 33 × 67 × 38cm Courtesy des Künstlers → S. 55

69

*1976 in Châtellerault (FR), lebt in Berlin (DE)


Maria Kramer Ohne Titel (Madonnen-Serie)

Ohne Titel (Blaue Madonna), 2014 aus: Madonnen-Serie Wolle auf Jute, Stickarbeit; ca. 52 × 39 cm Courtesy Privatbesitz

70

*1919 in Semriach (AT), † 2017 in Semriach

Die Autodidaktin Maria Kramer verwendet Motive aus ihrem Lebensumfeld: Blumen, Marien und Heilige, Familie und immer wieder „ihr Semriach“. Sie begann nach einem Sturz vom Kirschbaum und ihrer Querschnittslähmung zu drechseln, zu schnitzen, Intarsien zu legen, zu zeichnen und zu malen. Später widmete sie sich verstärkt dem Schreiben und leichteren kunstgewerblichen Arbeiten wie Wandbehängen, Gipsornamenten und der Möbelmalerei. Nach einem Schlaganfall 1996 – Kramer konnte nur mehr die rechte Hand verlässlich bewegen – wandte sie sich der Stickerei zu und „malte“ mit Nadel und Wolle. Die meisten der farbenprächtigen Stickereien, in erster Linie für Kissen, sind für ihre Kinder, Schwiegerkinder, Enkel, Freunde und Nachbarn entstanden und zeigen deren Geburtsdaten, für sie typische Gegenstände und religiöse Motive. Immer wieder tauchen Glaube, Liebe, Hoffnung als Symbole auf. Im Laufe der Zeit wurden Kramers Stickereien abstrakter und expressiver. Einen besonderen Stellenwert nehmen die gestickten Marienbilder ein, die in Erinnerung an Wallfahrten entstanden sind. In eine der Stickereien webte Kramer ein Andenken aus Medjugorje ein. Die Marienbilder sind Ausdruck einer starken religiösen Prägung und tiefen Gläubigkeit, sie zeugen von einer Inbrunst, die sich über körperliche Gebrechen hinwegsetzt. Die Bilder sprechen auch vom Trost der eigenen Handlung und des religiösen Dialoges und rufen die Muttergottes als Beschützerin und Helfende aller Suchenden an.


Santiago Sierra Person facing into a corner

2002 Schwarz-Weiß-Fotografie; gerahmt 225 × 150 cm Courtesy Sammlung Dr. Markus Gugatschka, Graz

*1966 in Madrid (ES), lebt in Mexiko-Stadt (MX)

Santiago Sierra zählt zu jenen zeitgenössischen Künstlern, deren Werk besonders kontrovers diskutiert wird. In seinen Arbeiten prangert er Machtstrukturen des Kapitalismus an, indem er sie selbst anwendet. So bezahlt er Menschen mit dem ortsüblichen Mindestlohn dafür, sinnlose Hilfsarbeiten auszuführen oder teils massive Manipulationen an ihrem Körper – wie etwa Tätowierungen – zuzulassen. Person facing into a corner entstand im Nachgang einer Arbeit, die Sierra im Oktober 2002 in der Lisson Gallery in London realisierte: Die sieben Beteiligten wurden über eine christliche Organisation angeworben, die sich in London in sozialen Brennpunkten engagierte. Sierra bezahlte sie dafür, für die Dauer von drei Wochen jeden Tag eine Stunde lang mit dem Gesicht zur Wand regungslos in den Galerieräumen zu verharren. Eine der Personen hatte in der Ecke zu stehen.1 Diese Positionierung weckt Assoziationen an Strafmaßnahmen, wie sie in autoritär geprägten Kontexten gegen Ungehorsame verhängt werden. Das In-der-Ecke-Stehen schließt aus einer Gruppe oder Gemeinschaft aus und zielt darauf ab, Schuldgefühl und Reue auszulösen. Der von Sierra in der Ecke postierte Mann erscheint uns automatisch als hierarchisch untergeordnet und damit bloßgestellt: Wem hat er zu gehorchen? Was sich hinter seinem Rücken abspielt, ist ihm nicht mehr zugänglich, sein Blick geht ins Leere. Zugleich ist er allerdings unseren Blicken – und etwaigen Zugriffen – schutzlos ausgeliefert. Vgl. Thomas R. Huber, Ästhetik der Begegnung. Kunst als Erfahrungsraum der Anderen, Bielefeld 2013, S. 149 f.

1

71


Abstraktion & Körperlichkeit * Liebe & Selbstbestimmung Wunder & Übertragung Identifikation & Nähe Unterdrückung & Bekenntnis Opfer & Ritual Zugehörigkeit & Ausschluss Schuld & Macht Loslösung & Kontinuität Auflehnung Widerstand Erbe Emanzipation Aneignung Belebung Bruch Distanzierung Kritik

Kommerz & Präsentation Schmerz & Identifikation

72


Adrian Paci The Guardians

*1969 in Shkodra (AL), lebt in Mailand (IT)

2015 Video; Farbe, Ton, 6 min 22 s Courtesy des Künstlers und Galerie Peter Kilchmann, Zürich Der Film The Guardians von Adrian Paci spielt auf einem stillgelegten, katholischen Friedhof seiner albanischen Heimatstadt Shkodra, einem der wenigen Orte, an dem religiöse Symbole der Vernichtung durch das kommunistische Regime Enver Hoxhas in den 1960er-Jahren entgangen sind. Der Film zeigt Kinder, die auf einem Friedhof Gräber reinigen und pflegen. Sie legen dabei nicht nur die Namen der Toten frei, sondern auch die Symbole, mit denen diese beerdigt wurden. Der Wechsel von präzisen Detailaufnahmen zu einer sich immer weiter distanzierenden Draufsicht bewirkt einen wortlosen, poetischen Rhythmus, der sich der Zeitlichkeit enthebt und ein nuanciertes Gleichgewicht zwischen Anspielung, Inszenierung und Spiritualität findet. 73

Adrian Paci hinterfragt mit seiner Arbeit das Verhältnis von Kunst und Religion in seiner Heimat Albanien, die er 1997 verlassen hat. Wie kein anderes Land hat das Regime Albaniens in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts einem wörtlich verstandenen Atheismus gehuldigt und das Ziel verfolgt, einen neuen Menschen ohne Gott oder Religion zu formen. Adrian Paci wuchs in dieser Epoche auf, über die Kunstgeschichtebücher seines Vaters waren ihm jedoch die christlichen Bildmotive der abendländischen Kunst zugänglich, die er in seinen Werken immer wieder aufgreift.


Günter Brus Der helle Wahnsinn

1968 Foto: Hennig Wolters Courtesy des Künstlers und Galerie Gerhard Sommer, Graz

*1938 in Ardning (AT), lebt in Graz (AT)

Seit den 1970er-Jahren arbeitet Günter Brus, der zuvor vor allem mit seiner Aktionskunst für Aufsehen sorgte, an sogenannten Bild-Dichtungen. Es handelt sich dabei um eine eigenwillige Verbindung von Wort und Bild: Weder fungiert hier das Bild als Illustration des Textes, noch ist der Text als Beschreibung oder Erklärung des Bildes zu verstehen. Die beiden Ausdrucksformen nehmen auf besondere Weise aufeinander Bezug, indem sie in ihrem Neben- und Miteinander in eine Art Dialog treten.1 Neben der Bild-Dichtung setzt sich auch die Dokumentation der Aktion Der helle Wahnsinn mit dem Opfer, der Selbstverzehrung und Selbsthingabe als sinnliches und auch in der Bildliturgie immer wieder verwendetes und verklärtes Ereignis auseinander. Der junge Brus zeigt sich in den verschiedenen Stationen von Leid und Ekstase, entblößt sich aber auch als animalischer und zerstörerischer Körper: urinierend, schuldgebeugt, sich selbst verletztend und sichtbar tief empfindend. Die Aktion wird zur Selbstreinigung sowie zur erotischen Grenzerfahrung. 1 Vgl. Roman Grabner, Peter Peer, Peter Pakesch (Hg.): Günter Brus. Die Gärten in der Exosphäre. Dichtungen und Bilddichtungen, Ausst.-Kat. Neue Galerie Graz, Graz 2012.

74


Norbert Trummer Seckau

*1962 in Leibnitz (AT), lebt in Wien (AT)

Die Heilung des Blinden, 2017 aus: Seckau, 2018 Tintenstift, Buntstifte auf Papier; 12,5 × 21 cm Courtesy des Künstlers Norbert Trummer ist bekannt für seine Animationsfilme, deren Ausgangspunkte Serien feiner Buntstiftzeichnungen sind, in denen er seinen subjektiven Blick auf unterschiedliche, ikonische Orte und Architekturen festhält. Die Zeichnungen zu Seckau sind während dreier Aufenthalte in der dortigen Abtei entstanden, in denen Norbert Trummer Einblick in den Alltag der Klostergemeinschaft der Benediktiner-Mönche erhielt. Die Zeichnungen widmen sich musterhaften und dekorativen Details, die vom Streben nach Formvollendung innerhalb der Klostermauern sprechen und Religiosität in aktive Gestaltung übersetzen: etwa das feingliedrige Detail eines Kreuzrippengewölbes, eine Erntedankkrone oder die Durchsicht auf den gebauten – für die Kontemplation bestimmten – Kreuzgang.

75

Trummers Zeichnungen fungieren als eine Art Storyboard für einen Animationsfilm. Der Film basiert auf einer Serie von Malereien, in denen Trummer die Motive der Buntstiftzeichnungen bis zu sechsmal wiederholte. In den Wiederholungen ergeben sich kleine, detaillierte Unterschiede, die dann in der weiteren Ausführung als Animationsfilm eine charakteristisch pulsierende – atmende – Bewegung erzeugen. Teil dieses wortwörtlichen Animierens sind während des Malprozesses entstandene Vorstufen der fertigen Bilder, die den Film zusätzlich beleben.


Werner Reiterer *1964 in Leibnitz (AT), lebt in Wien (AT) Gott erschafft das „Ewige Leben“ indem er den Anfang des Lebens mit seinem Ende verbindet

2017 LED-Kette, Schlauch, Elektronik; 180 × 180 × 7 cm Courtesy des Künstlers und Galerie Ursula Krinzinger, Wien Referenzabbildung: Werner Reiterer, 2-/4-dimensionaler Heiligenschein, 2017, aus: Die gezeichneten Ausstellungen, Bleistift auf Papier; 70 × 50 cm

76

„Gott erschafft das ,Ewige Leben‘ indem er den Anfang des Lebens mit seinem Ende verbindet“, meint Werner Reiterer in der Zeichnung zur gleichnamigen Lichtskulptur. Die Religionen spielen in der Zeitwahrnehmung für Werner Reiterer eine wichtige Rolle, weil sie den Menschen ermöglichen, sich Dinge vorzustellen, die es in einer physischen Wirklichkeit nicht gibt. Man kann etwa an ein ewiges Leben nach dem Tod glauben. Damit wird die Zeitachse für Reiterer zu einem Kreis, dessen Anfang zugleich sein Ende ist. In der leuchtenden Verdichtung des Kreises verschmelzen Geburt und Tod zu einem Lebenskreislauf, der einem Heiligenschein gleicht – einem der stärksten Symbole der christlichen Bildgeschichte. Werner Reiterer setzt in seiner Arbeit häufig alltägliche Gegenstände in neue Zusammenhänge und eröffnet humorvoll Gedankenräume, die zum Nachdenken anregen. Der Heiligenschein, den uns Werner Reiterer hier auch als Skulptur offeriert, beinhaltet acht LED-Ketten, die durch einen transparenten Schlauch unterschiedlich aufleuchten und so das Aussehen der sakralen Form hin zum Designobjekt verändern.


Abstraktion & Körperlichkeit * Liebe & Selbstbestimmung Wunder & Übertragung Identifikation & Nähe Unterdrückung & Bekenntnis Opfer & Ritual Zugehörigkeit & Ausschluss Schuld & Macht Loslösung & Kontinuität Kommerz & Präsentation Repräsentation Scheinheiligkeit Werbung Kommerzialisierung Ersatzreligion Ökonomisierung Verweltlichung Propaganda Doppelmoral

Schmerz & Identifikation

77


Hilde Fuchs MINIDRAMEN

*1964 in Orth (AT), lebt in Wien (AT)

Referenzabbildung: GOD, aus: MINIDRAMEN, 1992 Papierarbeiten in Schwarz-Weiß auf MDF-Platte kaschiert; 31,5 × 17 cm Courtesy der Künstlerin In den MINIDRAMEN – einer Serie von Zeichnungen – reflektiert Hilde Fuchs Heilsversprechen und Glücksverheißungen von Konsumgesellschaften. Großbildplakatwände im öffentlichen Raum sind Vorbild für die Serie – die Plakatwände werden jedoch maßstabsgetreu auf 8 % des üblichen Formats geschrumpft. Die Zeichnungen und Textcollagen basieren auf plakativen Zitaten von Werbebildern und Schlagzeilen, die Fuchs aus Zeitschriften und Werbung entnommen hat. Man kann in den MINIDRAMEN gesellschafts- und konsumkritische „Schnappschüsse“ aus den frühen 1990er-Jahren sehen, die um das Klonen, den Schutz vor Aids, Computer als 78

Wundertechnik, Kirchenskandale, Arbeitsdruck, Kaufzwang, Klassenkampf und Geschlechterverhältnisse kreisen. GOD ist nur ein Kapitel von sechs anderen, er rückt neben WOMAN, MAN, HUMAN, CAR und CRIME. „Gott“ ist austauschbar geworden. Das Repetitive der Arbeit, die insgesamt 46 Tafeln umfasst, unterstützt den Eindruck einer Produktion, die in Entsprechung zur Serialität von Werbebotschaften potenziell fortgeführt werden könnte. Der Titel MINIDRAMEN verweist auf Fuchs’ Beschäftigung mit Experimental-Theater-Methoden seit 1986. Das Minidrama (auch Dramolett oder Mikrodrama genannt) ist oft absurd, grotesk oder makaber.


Anna Baranowski Luise Schröder Facing the Scene

*1983 in Bytom (PL), lebt in Leipzig (DE) * 1982 in Potsdam (DE), lebt in Leipzig (DE) und Berlin (DE)

2011 Video; Farbe, Ton, 16 min 49 s Courtesy der Künstlerinnen Im November 2010 wurde in der polnischen Kleinstadt Świebodzin die größte Christusfigur der Welt eingeweiht. Etwa 60 Kilometer von der deutsch-polnischen Grenze entfernt, auf einem Feld nahe der Autobahn, erhebt sich auf einem aufgeschütteten Hügel die Christus-König-Statue, die mit einer Höhe von 38 Metern sogar größer ist als der berühmte Cristo Redentor in Rio de Janeiro. In Facing the Scene lassen uns Anna Baranowski und Luise Schröder an den Vorbereitungen für das Großereignis wie auch an der Einweihungszeremonie selbst teilhaben. Es werden Zelte aufgebaut, in denen Würstchen gegrillt werden, der Platz ist mit mobilen Toiletten ausgestattet, Absperrbänder sollen die erwarteten Menschenmassen organisieren. Der Grund des geschäftigen Treibens – die Christusfigur selbst – ist dabei kein einziges 79

Mal zur Gänze zu sehen. Allein das Verhalten der Menschen wird gezeigt und ihre staunenden, mitunter ergriffenen Reaktionen auf dieses kolossale Monument, das der mittlerweile verstorbene katholische Pfarrer der Kleinstadt einst initiierte. Jesus selbst habe ihm den Auftrag gegeben, zitieren ihn einige Medien. Es stellt sich die Frage, inwieweit religiöse Monumente notwendige Mittel für den leidenschaftlich ausgelebten Glauben, eine effektvolle Machtdemonstration oder bloß ein einträgliches Geschäft sind.


Anna Meyer Smartphonemadonna

*1964 in Schaffhausen (CH), lebt in Wien (AT)

2014 Öl auf Leinwand; 130 × 170cm Courtesy der Künstlerin und Krobath, Wien In den mit Sein oder Online und Digitale Wesen Befahlen betitelten Serien widmet sich Anna Meyer der zunehmend die Gesellschaft prägenden Rolle von Smartphone, Tablet und sozialen Netzwerken. Die Durchdringung aller Lebensbereiche mit mobilen Geräten und das Eindringen der Digitalisierung in den Alltag gerät in den Bildern und plastischen Modellen von Meyer düster, wenn es heißt: „Gemeinsam Vereinsamen“, „Explosions App“, „Poste deine Existenz“. Neue Religionen – Facebook, Twitter und Videospiele wie Pokémon Go – ersetzen alte Bindungen und Wertvorstellungen. Maria wird zur Smartphonemadonna, Gott zu „Pokégod“, der „immer online ist“, Jesus erleidet einen weiteren Kreuzestod – diesmal gekreuzigt auf dem „f“ von Facebook, Pokémons bevölkern 80

die apokalyptisch anmutenden urbanen Szenerien. Eine kontrastreiche, mitunter grelle Farbgebung und eine plakative Malweise unterstützen diesen Eindruck. Politik, Investment, wirtschaftliche Spekulation, Religion, Esoterik und Kommerz gehen eine Allianz ein. Alte Kulte wie Judentum, Christentum und Islam, aber auch analoge und digitale Welt, die Sehnsucht nach Gemeinsamkeit und leere Versprechungen, werden unter einem neuen Kult – dem des Kommerzes – vereint. Realität erweist sich als hybrid und geprägt durch verschiedene Elemente einer globalen Konsumkultur und Kapitalisierung, im Sinne einer Umwertung von materiellen und immateriellen Werten in Kapital. Dies erfasst alle Lebensbereiche und nimmt auch Religion und Glauben nicht aus.


Dan Graham Rock my Religion

*1942 in Urbana (US), lebt in New York (US)

1982–84 Video; Farbe, Ton, 55 min 27 s Courtesy Neue Galerie Graz, Universalmuseum Joanneum Am Beginn des Films hören wir Grahams Stimme, unterbrochen und durchzogen von der Musik der Punkrock-Sängerin Patti Smith. Erzählt wird die Geschichte von Ann Lee, eine Gründerin der Shaker-Kirche, welche die Wiederkehr Christi prophezeite. Überlagert wird sie von Aufnahmen der Rocklegende, die in ihren Songtexten Rockkultur mit Religion verglich. Anhand von Archivfilmen und audiovisuellen Montagen untersucht Rock my Religion religiöse Praktiken etwa der Ureinwohner Nordamerikas oder christlicher Freikirchen und unterlegt sie mit Ausschnitten von legendären Rockkonzerten von Jerry Lee Lewis, Sonic Youth oder The Doors. Die rauschartig sich steigernde Montage fokussiert auf gemeinschaftliche außerkörperliche Erfahrungen 81

und wird zur brillanten Formenanalyse mitreißender Rituale. Graham lässt die Religion rocken, zeigt Rock als Religion und formuliert gleichzeitig ein Rockstück der Religionen. Graham, dessen Arbeiten sich immer wieder mit kulturellen Phänomenen auseinandersetzen, gehört zu den bedeutendsten Künstlern, die seit den 1960er-Jahren anhand der Fotografie, der Text- und Bildanalyse, des Films, der Installation, aber auch aus seiner frühen Galeristentätigkeit heraus gesellschaftliche Entwicklungen präzise untersuchen. Zu seinen bekanntesten Werken gehören neben dem kämpferischen Rock my Religion auch sein fotografischer Essay seit 1965 Homes for America oder seine inzwischen auf der ganzen Welt öffentlich aufgestellten Glaspavillons und Spiegelstrukturen.


Franz West Schnorre

2007 Bambus, Hut, Epoxidharz, Mullbinden; 300 × 30 × 13 cm Courtesy diethARdT collection, graz

82

*1947 in Wien (AT), † 2012 in Wien (AT)

Franz West erlangte seit den 1970er-Jahren vor allem durch künstlerische Objekte Bekanntheit, die das passive Betrachten von Kunst hinterfragen und zur aktiven Nutzung der Werke einladen. Dass die Nutzer/innen dabei durchaus zu kuriosen Podesten bzw. Trägerinnen und Trägern seiner Werke wurden, ist Teil ihrer subversiven Qualität. Auch Schnorre gehört zu Wests Objekten mit praktischem Nutzen, die sowohl über die Trägerin bzw. den Träger, wie auch über das Tun an sich spekulieren lassen. Einerseits handelt es sich um ein skulpturales Objekt mit eigenwilliger Form. Andererseits weckt der an einer Stange angebrachte Hut konkrete Assoziationen: Zunächst erinnert er in seiner Form an den Klingelbeutel, der während der katholischen Messe den Gläubigen mit der Bitte um eine Spende entgegengestreckt wurde (mittlerweile durch ein Körbchen ersetzt). Die Geste der umgedrehten Kopfbedeckung ist uns aus dem Alltag vertraut – hält uns jemand einen Hut so entgegen, verstehen wir das automatisch als Bitte um Geld. 2007 war Franz Wests Objekt, das mit seinem Titel auf den negativ besetzten Begriff des Schnorrens anspielt, tatsächlich in der Grazer Innenstadt im Einsatz. Mit Schnorre enttarnt West den Begriff der Nächstenliebe als mögliche Bigotterie der Tragenden. Die Arbeit lässt aber in der Stadt der Menschenrechte, in der das sogenannte „Bettelverbot“ immer wieder für Diskussionsstoff sorgt, auch nach der Wertigkeit der Caritas in der heutigen Gesellschaft fragen.


Abstraktion & Körperlichkeit * Liebe & Selbstbestimmung Wunder & Übertragung Identifikation & Nähe Unterdrückung & Bekenntnis Opfer & Ritual Zugehörigkeit & Ausschluss Schuld & Macht Loslösung & Kontinuität Kommerz & Präsentation Schmerz & Identifikation Verletzung Opfer Trauer Hingabe Inbrunst Berührung Identifikation Zugehörigkeit Mitmensch

83


Marlene Dumas Jesus-Serene

*1953 in Kapstadt (ZA), lebt in Amsterdam (NL)

1994 21-teilig, Tinte, Aquarell und Bleistift auf Papier; 65 × 50 cm Courtesy Collection De Heus-Zomer 21 Porträts, in Schwarz, Weiß und grauen Schattierungen gehalten, hängen geordnet nebeneinander und zeigen ohne genauere Benennung sehr unterschiedliche Gesichter, die durch differenzierte physiognomische Eigenschaften individuell erscheinen. Marlene Dumas arbeitet häufig mit Fotografien als Vorlage. In diesem Fall verwendete sie historische Christusbilder wie das Turiner Grabtuch oder bekannte Darstellungen aus der Renaissance. In gleicher Weise verarbeitete sie dafür aber auch Fotos von Freunden. In der Gleichwertigkeit der Dargestellten wird die Serie zu einer Sichtbarmachung des Menschseins selbst, unabhängig von Geschlecht, Hautfarbe oder Alter.

84

Mit Jesus-Serene zeigt Marlene Dumas das Antlitz Jesu aus einer sehr subjektiven und persönlichen Sicht und verwebt seine Geschichte mit denen der dargestellten Freunde sowie mit der sie umgebenden Gegenwart. Dinge, die ähnlich wirken, aber doch nicht dasselbe sind, haben die bedeutende Künstlerin stets interessiert: „Es ist die Mehrdeutigkeit von Dingen, die nur den Anschein haben, dasselbe zu sein.“ Die Porträtmalerei ist eine ihrer großen Leidenschaften, ihre Neugierde trifft dabei das Individuelle wie auch das Stereotype. Das Grafische, die Zeichnung, ist dabei immer zentral, und wenn auch nicht unmittelbare Vorlage für ihre Malerei, so doch der Ausgangspunkt ihres existentiellen Schaffens.


Anri Sala Uomoduomo

*1974 in Tirana (AL), lebt in Berlin (DE)

2000 Video; Farbe, ohne Ton, 1 min 34 s (Loop) Courtesy Sammlung Goetz, Medienkunst, München Auf einer Kirchenbank im Mailänder Dom sitzt ein alter Mann, dessen Körperhaltung darauf hindeutet, dass er schläft. Kurz bevor er umkippt, richtet er sich wieder auf. Wer ist dieser Mann, der im Dom in sich versinkt? Sucht er religiöse Vertiefung, Zuflucht oder einfach nur Erholung? Durch den endlosen Kreislauf der Handlung scheint der Mann ungestört von dem hier ausgeblendeten, allerdings durchaus lebhaften Treiben im imposanten Mailänder Dom, der vor allem von schnell durchziehenden Touristen besucht wird. Der albanische Künstler Anri Sala widmet sich in seinen Videoarbeiten oft existenziellen Fragen – Überleben und Fortbestand, aber auch Vergänglichkeit spielen dabei im Sinne von Zeitlichkeit eine wichtige Rolle. Das kurze Video, das durch 85

die Unmittelbarkeit der Situation besticht und durch die ständig wiederholte Szene jede Zeitlichkeit verliert, nutzt gekonnt die Möglichkeiten des medialen Loops, um das Dokumentarische zu durchbrechen und einen sehr intimen Moment unendlich werden zu lassen. 2001 wurde Anri Sala für diesen Film auf der Biennale von Venedig mit dem Young Artist Prize ausgezeichnet.


Steirisch Auferstandener

Um 1480/90 Lindenholz geschnitzt, Fassung fragmentarisch; Höhe: 84 cm Courtesy Alte Galerie, Universalmuseum Joanneum

86

→ Provenienz: wahrscheinlich aus dem

oberen Murtal (AT)

Von den zahlreichen „Schmerzensmännern“ in der Gotik ist diese Figur nicht sehr weit entfernt. Einzig der Mantel weist sie als den Auferstandenen aus. Ob Imagination oder reale Begebenheit: Es geht darum, die offen gespreizte Seitenwunde zu betrachten und – wie beim Apostel Thomas – auch zu berühren: Das „Tangere me“ („Berühr mich“) als Aufforderung für Thomas steht in den Ostererzählungen des Johannesevangeliums (Joh 20) dem „Noli me tangere“ („Halt mich nicht fest“) an Maria Magdalena gegenüber. Zwischen diesen Erzählungen aber ist das Zeigen notiert: „Friede sei mit Euch! Nach diesen Worten zeigte er ihnen seine Hände und seine Seite“ (Joh 20, 19c–20). Die intensive Betrachtung der Wunden Christi hat im Spätmittelalter für heutige Menschen kaum mehr nachvollziehbare Stilblüten ausgebildet. Sie steigern sich nicht selten in ein Ineinander von Erotik und Andacht. Gleichzeitig weist sie gerade heute eine Bildstörung gegen den scheinbar perfekten Körper auf, wie er nicht nur in heutigen Medien erscheint, sondern wie er auch in vergangenen Gesellschaftsutopien und Diktaturen propagiert worden ist. Die Fleischlichkeit Christi ist eine des verwundeten Körpers. Diese alten Bilder bleiben, auch wenn die Leidfixierung des Christentums weitgehend überwunden ist. Und ebenso der Impuls, der jenseits einer glatten Oberflächenästhetik verstörend wirkt, so wie es etwa Joseph Beuys in seiner berühmt gewordenen Installation Zeige deine Wunde! (1976) festgehalten hat.


Berlinde De Bruyckere Stamen, 2017–2018

2018 Wachs, Textil, Glas, Holz, Eisen, Epoxid; Höhe: 103 cm Courtesy der Künstlerin und Hauser & Wirth → S. 19

87

*1964 in Gent (BE), lebt in Gent (BE)


Artur Żmijewski The Singing Lesson 2 / Gesangsstunde 2

2003 Video; Farbe, Ton, 16 min 30 s Courtesy des Künstlers und Galerie Peter Kilchmann → S. 42

88

*1966 in Warschau (PL), lebt in Warschau (PL)


*

89


Rahmenprogramm 13.04., 15–16 Uhr, Kunsthaus Graz Freitag um Drei: Reizworte aus der Religionsgeschichte: GEMEINSCHAFT. Theologische und künstlerische Dispute mit Kurator Johannes Rauchenberger. 19.04., 16–19 Uhr, Kunsthaus Graz KoOgle Spezial: Sticken mit Stickerin Emma De Ro. 22.04., 15 Uhr, Kunsthaus Graz Kuratoren-Künstlerdialog mit Iris Andraschek und Katrin Bucher Trantow: Mütterbilder. 27.04., 15–16 Uhr, Kunsthaus Graz Freitag um Drei: Reizworte aus der Religionsgeschichte: OPFER. Theologische und künstlerische Dispute Kurator Johannes Rauchenberger. 28.04., 15 Uhr, Kunsthaus Graz, KULTUM Themendialog mit Teresa Schnider und Monika Holzer-Kernbichler: „Umbruch, Geist und Erneuerung“, Treffpunkt: KULTUM, Mariahilferplatz 3, 8020 Graz. 28.04., Kunsthaus Graz Kooperationsveranstaltungen im „Klanglicht“, A. Akšamija, M. Bonvicini, siehe www.kunsthausgraz.at. 29.04., 11–12 Uhr, Kunsthaus Graz Übungen in der Betrachtung von Kunstwerken: Hannes Priesch. Mit Barbara Steiner. 29.04., 15:30 Uhr, Kunsthaus Graz Führung durch die Ausstellung mit Christof Elpons.

90

04.05., 15–16 Uhr, Kunsthaus Graz Freitag um Drei: Reizworte aus der Religionsgeschichte: (UN-)SCHULD. Theologische und künstlerische Dispute mit Kuratorin Katrin Bucher Trantow, Kurator Johannes Rauchenberger und Kuratorin Barbara Steiner. 05.05., 15 Uhr, Kunsthaus Graz, Diözesanmuseum/Priesterseminar Themendialog mit Antonia Veitschegger und Karin Weninger-Stößl: „Schicksal, Angst und Wunder“, Treffpunkt: Kunsthaus Graz, Lendkai 1, 8020 Graz. 06.05., 11–12 Uhr, Kunsthaus Graz Übungen in der Betrachtung von Kunstwerken: Maria Hahnenkamp. Mit Barbara Steiner. 11.05., 15–16 Uhr, Kunsthaus Graz Freitag um Drei: Reizworte aus der Religionsgeschichte: LIEBE. Theologische und künstlerische Dispute mit Kuratorin Barbara Steiner, Kuratorin Katrin Bucher Trantow und Kurator Johannes Rauchenberger. 13.05., 15:30 Uhr, Kunsthaus Graz Führung durch die Ausstellung mit Christof Elpons. 25.05., 18:15-19:45 Uhr, Kunsthaus Graz, Diözesanmuseum/ Priesterseminar Kuratorenführung mit Johannes Rauchenberger im Rahmen der „Langen Nacht der Kirchen“, Zählkarten erhältlich im KirchenEck, Herrengasse 23.


25.05., 20:30 Uhr, Pfarrkirche St. Andrä, Kernstockgasse ANDRÄ KUNST – Eine Außenperspektive. Mit Kurator Johannes Rauchenberger und Kuratorin Katrin Bucher Trantow. 01.06., 15–16 Uhr, KULTUM Freitag um Drei: Reizworte aus der Religionsgeschichte: (OHN-)MACHT. Theologische und künstlerische Dispute mit Kurator Johannes Rauchenberger in der Ausstellung. 03.06., 15 Uhr, Kunsthaus Graz Führung durch die Ausstellung mit Christof Elpons. 08.06., 15–16 Uhr, KULTUM Freitag um Drei: Reizworte aus der Religionsgeschichte: KREUZ. Theologische und künstlerische Dispute mit Kuratorin Katrin Bucher Trantow, Kurator Johannes Rauchenberger und Kuratorin Barbara Steiner. 09.06., 15–17 Uhr, Diözesanmuseum/ Priesterseminar, KULTUM Themendialog mit Florian Traussnig und Karin Weninger-Stößl: Schönheit und Anspruch, Treffpunkt: Diözesanmuseum. 10.06., 11 Uhr, Kunsthaus Graz Übungen in der Betrachtung von Kunstwerken: Azra Akšamija. Mit Barbara Steiner. 15.06., 15–16 Uhr, Kunsthaus Graz Freitag um Drei: Reizworte aus der Religionsgeschichte: WUNDER. Theologische und künstlerische Dispute mit Kuratorin Katrin Bucher Trantow und Kurator Johannes Rauchenberger. 91

22.06., 15–16 Uhr, KULTUM Freitag um Drei: Reizworte aus der Religionsgeschichte: AUFKLÄRUNG. Theologische und künstlerische Dispute mit Kuratorin Katrin Bucher Trantow und Kurator Johannes Rauchenberger. 23.06., 11–12:30 Uhr, Kunsthaus Graz Kuratoren-Künstlerdialog mit Alois Neuhold und Johannes Rauchenberger: Glaube Liebe Hoffnung – „Heiligkeit der Schöpfung“ 13.07., 15–16 Uhr, KULTUM Freitag um Drei: Reizworte aus der Religionsgeschichte: (SCHEIN-)HEILIGKEIT. Theologische und künstlerische Dispute mit Kurator Johannes Rauchenberger und Kuratorin Barbara Steiner. 20.07., 15–16 Uhr, Kunsthaus Graz Freitag um Drei: Reizworte aus der Religionsgeschichte: ARMUT. Theologische und künstlerische Dispute mit Kurator Johannes Rauchenberger. 27.07., 29.07., 24.8., jeweils um 15:30 Uhr, Kunsthaus Graz Führung durch die Ausstellung mit Christof Elpons 26.08., 11–13 Uhr, Kunsthaus Graz, KULTUM Kuratorenführung durch die Ausstellung mit Johannes Rauchenberger, Katrin Bucher Trantow und Barbara Steiner, Treffpunkt: Kunsthaus Graz Es finden Workshops mit Stickvereinen in der Ausstellung Glaube Liebe Hoffnung statt: Termine und aktuelle Informationen zu allen Veranstaltungen finden Sie auf unserer Webseite www.kunsthausgraz.at.


800-JAHRE-GRAZ-SECKAU.AT*

Das 800-Jahr-Jubiläum der Diözese Graz-­Seckau im Jahr 2018 gibt Anlass, in Form von Ausstellungen, die Geschichte und Gegen­wart des Christentums in diesem Land zu reflektieren und dabei kulturgeschichtlich immer wieder auf die Fragen der Gegenwart Bezug zu nehmen. Kirchliche Partner haben sich mit dem Kunst­haus zusammen­geschlossen um in einen intensiven Austausch zu treten und eine Brücke zwischen verschiedenen, häufig getrennten weltanschaulichen Bereichen zu schlagen.

92


Glaube Liebe Hoffnung

*

KUNSTHAUS GRAZ & KULTUM 13. 4. – 26. 8. 2018

ABTEI SECKAU 2. 5. – 26.10. 2018

SCHLOSS SEGGAU 10. 5. – 26.10. 2018

STIFT ADMONT 24. 4. – 4.11. 2018

PRIESTERSEMINAR DIÖZESANMUSEUM • MAUSOLEUM STADTPFARRKIRCHE • QL-GALERIE

93

13. 4. – 14.10. 2018


Impressum Diese Publikation erscheint anlässlich der Ausstellung Glaube Liebe Hoffnung Eine Ausstellung von Kunsthaus Graz und KULTUM – Kulturzentrum bei den Minoriten anlässlich des Jubiläums „800 Jahre Diözese Graz-Seckau“. In Kooperation mit der Alten Galerie und dem Volkskundemuseum des Universalmuseums Joanneum und dem Diözesanmuseum Graz. Kunsthaus Graz, KULTUM – Kulturzentrum bei den Minoriten 13. April–26. August 2018 Das Kunsthaus Graz ist ein gemeinsames Engagement des Landes Steiermark und der Stadt Graz im Rahmen des Universalmuseums Joanneum. Das KULTUM – Kulturzentrum bei den Minoriten in Graz ist eine Körperschaft öffentlichen Rechts, getragen von der Diözese Graz-Seckau, der StadtGraz, dem Land Steiermark und dem Bundeskanzleramt Österreich Sektion II Kunst und Kultur. Für die großzügige Unterstützung dieses Projekts danken Kunsthaus Graz und KULTUM:

den Generalsponsoren

und dem Verein Ausstellungshaus für christliche Kunst e.V.

94

Kunsthaus Graz Universalmuseum Joanneum Lendkai 1 8020 Graz, Österreich T: +43-(0)316/8017-9200 kunsthausgraz@museum-joanneum.at www.kunsthausgraz.at KULTUM – Kulturzentrum bei den Minoriten Mariahilferplatz 3 8020 Graz, Österreich T. +43-(0)316/7111-33 office@kultum.at www.kultum.at Universalmuseum Joanneum Geschäftsführung Alexia Getzinger Wolfgang Muchitsch Kunsthaus Graz Leitung Barbara Steiner KULTUM – Kulturzentrum bei den Minoriten Leitung Johannes Rauchenberger Ausstellung Kuratorinnen und Kurator Barbara Steiner, Katrin Bucher Trantow, Johannes Rauchenberger Assistenzkuratorinnen Elisabeth Schlögl, Teresa Schnider Registratur Elisabeth Ganser, Magdalena Reininger Ausstellungsgestaltung buero bauer; Erwin K. Bauer, Christian Konrad, Rainer Stadlbauer Ausstellungsaufbau Robert Bodlos, David Bosin, Ivan Drlje, Simon Duh, Fabian Egger, Helmut Fuchs, Ivan Gorickic, Bernd Klinger, Irmgard Knechtl, Andreas Lindbichler, Stefan Reichmann, Klaus Riegler, Michael Saupper, Peter Semlitsch, Johann Zuschnegg, Mit Loidl oder Co. GmbH Konservierung, Restaurierung Paul-Bernhard Eipper, Julia Hüttmann, Anna Kozorovicka, Evgeniia Sannikova, Melitta Schmiedel, Fenna Yola Tykwer Kunst- und Architekturvermittlung Monika Holzer-Kernbichler, Verena Borecky,


Wanda Deutsch, Christof Elpons, Gabriele Gmeiner, Elisabeth Keler, Barbara Lainerberger, Marta Binder, Romana Schwarzenberger, Barbara Thaler, Antonia Veitschegger, Markus Waitschacher, Teresa Schnider

Publikation Herausgeberinnen und Herausgeber   Barbara Steiner, Katrin Bucher Trantow,   Johannes Rauchenberger Text- und Bildredaktion, Recherche   Elisabeth Schlögl Recherche   Antonia Veitschegger Texte   S. 9-12, 16, 19, 21, 22, 31, 35, 40, 61, 66, 75, 82:   Barbara Steiner, Katrin Bucher Trantow,   Johannes Rauchenberger   S. 14, 23, 25, 26, 28, 45, 63, 74, 81:   Katrin Bucher Trantow   S. 27, 44, 52, 59, 68, 73, 76, 84, 85:   Monika Holzer-Kernbichler   S. 15, 17, 24, 32, 33, 36, 41, 46, 53, 54, 55, 65, 86:   Johannes Rauchenberger   S. 60: Elisabeth Schlögl   S. 38, 42, 47, 48, 51, 57, 62, 67, 70, 78, 80:   Barbara Steiner   S. 71, 79: Antonia Veitschegger Lektorat   Jörg Eipper-Kaiser, Franziska Juritsch Grafische Gestaltung   buero bauer; Erwin K. Bauer, Christian Konrad Druck   Universitätsdruckerei Klampfer,   St. Ruprecht an der Raab Papier   Invercote G, 260 g/m²   Recycling Cyclus Print, 90g/m² Erschienen im Eigenverlag Universalmuseum Joanneum GmbH ISBN 978-3-903179-00-4 Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar.

95

Alle Rechte vorbehalten. © 2018 Kunsthaus Graz, Universalmuseum Joanneum © für die gedruckten Texte bei den Autorinnen und   Autoren, Übersetzerinnen und Übersetzern oder   deren Rechtsnachfolgern © für die abgebildeten Werke bei den Künstlerinnen   und Künstlern oder deren Rechtsnachfolgern © Bildrecht Wien, 2018: Adel Abdessemed,   Iris Andraschek, Maja Bajević, Monica Bonvicini,   Louise Bourgeois, Manfred Erjautz, VALIE EXPORT,   Maria Hahnenkamp, Anna Jermolaewa,   Birgit Jürgenssen, Franz Kapfer, Anna Meyer,   Alois Neuhold, Hermann Nitsch, Werner Reiterer,   Ulrike Rosenbach, Anri Sala, Santiago Sierra,   Wolfgang Temmel, Norbert Trummer,   Markus Wilfling Fotos: Alexandra Gschiel: S. 44 Archiv Diözesanmuseum Graz: S. 38 buero bauer: Umschlag Croce & Wir: S. 57, 70 Daniela Beranek: S. 61 E. Mathias: S. 52 Estate Birgit Jürgenssen: S. 34, 45 Fotohof Archiv: S. 35 Hennig Wolters: S. 74 Ivan Vranjić: S. 36 Johannes Rauchenberger: S. 17, 18, 24, 32, 33, 41,   53, 54, 86 Julia Gaisbacher: S. 78 Matthew Septimus S. 56 Michael Wolchover, Archiv Franz West: S. 82 Mirjam Devriendt: S. 19, 87 Nick Ash: S. 29 Niki Pommer/Reinisch Contemporary: S. 22 Nikola Milatovic: S. 15 Roman März: S. 67 Studio Guillaume Bruère: S. 55, 69 Studio Luc Tuymans: S. 65, 37 The Easton Foundation: S. 40 Trevor Good, KÖNIG GALERIE: S. 28 Universalmuseum Joanneum: S. 27 Universalmuseum Joanneum /N. Lackner: S. 48 Wim Cox: S. 84


Kunsthaus Graz und Kultum danken den Verantwortlichen der Diözese Graz-Seckau Thomas Bäckenberger, Heinrich Schnuderl den Mitdenkern an der Konzeptidee Hermann Glettler, Heimo Kaindl und Alois Kölbl den Künstlerinnen und Künstlern der Ausstellung und besonders den Künstlerinnen und Künstlern, die für die Ausstellung neue Arbeiten produzierten Azra Akšamija, Iris Andraschek, Maja Bekan, Monica Bonvicini, Guillaume Bruère, Franz Kapfer, Muntean/Rosenblum, Alois Neuhold, Hannes Priesch, Karol Radziszewski, Slavs and Tatars, Norbert Trummer, Luc Tuymans, Danh Võ den Leihgeberinnen und Leihgebern Alte Galerie, BRUSEUM, Kulturhistorische Sammlung, Neue Galerie Graz, Volkskundemuseum (Universalmuseum Joanneum); Gudrun Danzer, Renate Einsiedl, Roman Grabner, Ursula Grilnauer, Barbara Kaiser, Karin Leitner-Ruhe, Christine Rabensteiner, Roswitha Orač-Stipperger, Peter Peer, Christian Schmaranz artepari Galerie für zeitgenössische Kunst, Graz; Peter Wildbacher Atelier VALIE EXPORT; Sigrid Guggenberger Collection Vanmoerkerke; Eline Jacobs Collection Victoria and Henk de Heus; Ilse de Heus diethARdT collection; Reinhard Diethardt Diözesanmuseum Graz; Heimo Kaindl, Karin Weninger-Stößl, Birgitta Kalcher, Bernadette Mussbacher Harun Farocki GbR; Antje Ehmann Fotohof; Kurt Kaindl, Eva Mitterndorfer Fundacja Raster; Łukasz Gorczyca, Suzann Sum, Wan Cheng Generali Foundation; Sabine Breitwieser, Antonia Lotz Galerie Buchholz Köln/Berlin/New York; Anna Dobrucki Galerie Hubert Winter, Wien; Natascha Burger Galerie Kunst & Handel, Graz; Gerhard Sommer Galerie Reinisch Contemporary, Graz; Helmut Reinisch, Manuela Schlossinger Galerie für Zeitgenössische Kunst Leipzig; Franciska Zólyom, Lars Bergmann Peter Kilchmann Galerie; Annemarie Reichen, Nicola Hederich Christine König Galerie; Christine König, Robby Greif Herta Kramer-Priesch

Reza Akhavan Sammlung Götz; Susanne Touw Sammlung Markus Gugatschka, Graz Sammlung Denise & Günther Leising, Graz Sammlung Olbricht, Berlin; Noelle von Galen Sammlung Quartier Leech, Diözese Graz Seckau Studio Monica Bonvicini; Frauke Nelißen Studio Berlinde De Bruyckere; Katrien Driesen Studio Guillaume Bruère, Berlin Studio Kris Martin; Tim Vanheers Studio Luc Tuymans; Bram Bots Studio Wolfgang Temmel; Animation: Michaela Humpel, Alexander Katz Studio Danh Võ; Marta Lusena, Stefan Pedersen Weizer Energie- und Innovationszentrum; Franz Kern Zeno X Gallery, Antwerpen den Teilnehmerinnen und Teilnehmern des Projektes von Azra Akšamija Munira Akšamija, Sajra Burnić, Barbara Edlinger mit den Näherinnen und Stickerinnen des KLEIDERWERKs, Barbara Ertl-Leitgeb, Roswitha Orač-Stippberger, Emma De Ro, Gertraud Schaller-Pressler, Pfarre Mariahilf; Pater Petru Farkas und Klanglicht; Bernhard Rinner, Brigit Lill, Oliver Kern, OchoResotto den Teilnehmerinnen und dem Teilnehmer des Filmprojektes von Maja Bekan Paul-Bernhard Eipper, Sr. Laetitia Hermann, Sr. Christa Bauer, Sr. Anna Elvira Kurz, Sr. Ruth Lackner, Juliane Nitsch, Nathalie Pollauf, Antonia Veitschegger den Teilnehmerinnen und Teilnehmern des Filmprojektes von Muntean/Rosenblum Helga Bauer, Miriama Bea’kova‘, Tatjana Fiedler, Heide Gaidoschik, Nicolas Galani, Nasreddin Grilj, Eugen Gross, Lukas K., Alois Kronberger, Sophie Lagemann, Brigitte Laggner, Margareth Otti, Kerstin Pichler, Elisabeth Rainer, Ini Schnider, Peter Sura den Teilnehmerinnen und Teilnehmern des Filmprojektes von Karol Radziszewski Michele Cribari, Victoria Dejaco, Gregor Feldgrill, Iris Forstenlechner, Thomas Gluderer, Georg Kroneis, Erhard Pieber, Lisa Rücker, Kasjan Rycklik, Johanna Schröttenhamer, Natalija Vörös, Markus Waitschacher



Turn static files into dynamic content formats.

Create a flipbook
Issuu converts static files into: digital portfolios, online yearbooks, online catalogs, digital photo albums and more. Sign up and create your flipbook.