Der Riese Rauber

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Der Riese Rauber


Die riesenhafte Statur und Bärenkräfte des Andreas Rauber waren bereits zu seinen Lebzeiten legendär, sodass er den Beinamen der „Deutsche Hercules“ erhielt, nach dem stärksten Helden der Mythologie. Schon bald erschienen erste Beschreibungen seiner Heldentaten in Druck. Mit einer der frühesten Schilderungen wollen wir euch hier bekannt machen. Sie ist über 300 Jahre alt und stammt aus Johann Weichard Valvasors Beschreibung des Herzogtums Krain, wo Raubers Besitz Weineck (heute Kraviek) lag.


Dieser Herr Andreas Eberhard Rauber zu Talberg und Reineck auf der Festung Petronell Ritter und Keysers Maximiliani deß Andren Hof=Kriegs=Raht hat Seiner Majestet von Jugend auf gedient; ist auch mit derselben in die Länder gezogen und also die Keyserliche Huld gegen ihm mit aufgewachsen. Angemerkt ihn nicht allein solche vieljährige Bedienung, sondern auch andre Qualitäten demselben angenehm machten, ja endlich in so große Gnade setzten, dass der Keyser ihm eine Hof=Kriegs=Rat=Stelle und auch seine natürliche Tochter zur Gemahlin gab. Denn Seine Majestät hatte ihn jederzeit treu und aufrichtig, dazu gar rittermässig und mit ungemeiner Leibes=Stärcke begabt gefunden. Wie dann auch seine hochansehnliche Leibes= und Barts=Länge niemand ohne Verwunderung und Gunst anschauete. Seine Leibes=Statur überhöhete drey Ellen und seine Stärcke die gewöhnlichen Kräffte andrer Leute. Ein Hufeisen, mochte noch so fest seyn, er riß es entzwey. Überdas sperrete er jedwedem die Augen auf mit seinem ungemeinem herrlich=langem Bart: welcher ihm nicht nur biß auf den Fußtritt hinabhing, sondern auch noch viel weiter sich erlängte, also dass er vom Fuß wieder zuruck hinauf ging und allda bey der Mitte noch erst einen Stock hatte. Auf dem Schloß Talberg in Steyer welches die Patres Jesuitae, nach der Zeit übernommen haben, sieht man diesen lang=gebärteten Herrn (der mit seinem Bart über die alte lang=bärtige Longobarder gar weit hätte triumphiren können) dreymal gekonterfeytet und jedes Mal den Bart länger gemalt, zu verstehen nach der Masse wie er im Wachsthum zugenommen. Damals waren noch die langen Bärte in grossen Ehren und nicht für so altfränckisch oder bäurisch geachtet wie heutiges Tages, da man unter glatten Mäulern gar offt rauhe Hertzen verbirgt und eine solche Manier von Bärten eingeführt, welche den Augen unserer Vorfahren wie eine gemähete Wiesen würde vorgekommen und für einen grossen Einbuß der Ernsthafftigkeit und Mannhafftigkeit aufgenommen seyn. Zu unserer Zeit ist zwar dieses Zeichen männlicher Gravitet, der Bart nemlich, gewaltig subtil und die Lang= oder Breitbärtigkeit von Teutschland unter politen Leuten ganz ausgemustert worden: Hingegen aber pflegt das ernsthaffte Teutsche Alterthum damit zu prangen. Weswegen auch dieser großmütige Ritter, der Herr Andreas Eberhard Rauber, sich nicht wenig damit geziert schätzte, als mit einem Schmuck, den ihm die Natur selbsten wie einem gutem Felde ein langes Gras, einer herzlichen Linden breites Laub, dem tapferen Leuen und Roß eine prächtige Mähne und dem zierlichen Pfauen einen langen Spiegel=Schweiff angekleidet hätte. Gestaltsam er selten nach Hofe gefahren oder geritten, sondern meist zu Fuß dahin gegangen: weils ihm mächtig wolgefallen, daß ihn die Leute in großer Menge an= und nachgesehn, indem er den Bart gemeinlich alsdann gantz fliegen ließ als wie ein ausgebreitetes Fähnlein seiner manhafften Strengheit und Erbarkeit.


Aber der geneigte Himmel hatte ihn nicht allein mit einem so wunder=großem Bart, sondern auch obberührter Massen mit wunderbarer Stärcke begünstigt. Welche er unter andren bey diesen beyden Begebenheiten insonderheit erwiesen. An Erzhertzog Carls Hofe hielt sich ein getauffter Jude auf, der von Person und Leibes=Kräfften einem Riesen fast ähnlich schien. Nun war dem Erzhertzog gleichfalls nicht unbekandt, was für sonderbare Stärcke dem Herrn Rauber beywohnte: also ward er einsmals lüstern zu erfahren, welcher unter diesen Beyden dem Andren in der Stärcke überlegen wäre: vermögte sie demnach, daß Ihm zu gehorsamen Ehren jedweder seine Kräffte beweisen und Einer dem Andren einen Faust=Streich oder Schlag aushalten, doch aber zuvor um den Vor=Streich spielen sollten. Der getauffte Jud gewann hierinn den Vorzug und das Recht am ersten zu schlagen; gab hierauf dem Herrn Rauber einen so harten Schlag, daß er davon zu Boden fiel, nicht anderst als ob ihn Einer von deß Vulcans Schmiedgesellen mit seinem Hammer aus voller Krafft getroffen hette. Ja er fühlte sich so unsanfft gerührt daß er wol acht Tage deßwegen zu Bette ligen und noch viel länger zu Hause bleiben musste. Welches Haus zu Gräz annoch vorhanden und sehr groß, doch nach der Zeit denen Herrn Breinern zu Theil worden ist. Man hat es den Rauber=Hof genannt: wie dann auch so gar die Gasse noch heutiges Tages die Rauber=Gasse geheissen wird. Nachdem sich über geraume Zeit der Herr Rauber wiederum ziemlich erholt und neue Kräffte gewonnen hatte: bestimmte man Tag und Stunde, darinn nunmehr der getauffte Jud deß Herrn Raubers Faust gleichfalls prüfen und demselben auch einen Schlag aushalten sollte. Weil nun der Aushaltende auch ziemlich=lang gebärtet war, ergriff ihn Herr Rauber bey dem Bart wand denselben zwey Mal um die lincke Hand und schlug mit der Rechten so hart darauff, daß nicht allein der Bart sondern auch der untere Kinnback dem Herrn Raubern in der Hand verblieb. Worüber der Jude bald sein Leben geendet. Keyser Commodus kunnte mit einem Faust=Streich einen Stier todt und Maximinus mit der Faust einem Pferde die Zähne einschlagen. Ich weiß aber nicht, ob dieser Schlag deß Herrn Raubers nicht eine noch grössere Stärcke anzeigt: denn weil dem armen Menschen nicht allein der Bart sondern auch der gantze Unter=Kinnback mit herabgerissen worden, muß der Schlag meines Bedunckens mit einer erschrecklichen Gewalt geführt worden sein. Ob aber solche tödtliche Verletzung deß (gleichwol getaufften) Judens nicht vielmehr eine Probe des schmertzenden und erbitterten Rachgier, als der Stärcke und der bestimmten Weise deß Schlagens gemäß gewesen sey; steht dahin. Die Göttliche Feder titulirt solches ein ungöttliches Schlagen mit der Faust. Und muß ich, wann ich als ein Christ von der Sache reden soll, bekennen, der gute Ertzhertzog Carl hette viel besser gethan, wann Er diesen Beyden keine so gefährliche Krafft=Probe zugemutet, wodurch bey dem Einen eine fast tödtliche Schwach= und Kranckheit, bey dem Andren aber der Tod selbst



erfolgt ist. Die Gestirne deß Himmels werden bißweilen an ihrem Schein durch eine Fisterniß verhindert; gleich also auch jemaln die klare Gedancken hoher Personen in etwas überschattet. Die andre denckwürdige Bewehrung sonderbarer Stärcke dieses Herrn Raubers hat Keyser Maximilian der Andre durch einen unblutigen Schertz veranlasst auf diese Weise. Es hatte Ihm in seiner noch ledigen Jugend ein gräfliches Fraeulein von Ost=Frießland, so unter den Schönen ihrer Zeit gleichsam die Fürstinn war, sein junges Hertz durch den Glantz ihrer Wunder=edlen Gestalt beflammt und darauf die Abkühlung seiner Brunst ihm an ihr selbsten zu erfahren, durch seine verliebte Freundlichkeit und hoch=angesehene Bitte sich bewegen lassen. Aus solcher gar zu freundlichen Bitte und viel zu leutseligen Gewehrung, wie auch allzu vertraulichen Beweglichkeit ist ein schönes Zweiglein entsprossen, nemlich das holdselige Fräulein Helena Scharseginn: deren Zier und Schönheit mit den Jahren wuchs und zu einer solchen Rosen ward, die mancher fürnehmer Cavallier wünschte, daß sie auf einem Ehbette blühen mögte. Vor Andren sehnten sich nach solcher Glückseligkeit ein fürnehmer Spanier und dieser Herr Rauber. Jenen begleitete das Lob eines männlichen Heldens: so diente ihm gleichfalls die ansehnliche Länge, womit er den Herrn Rauber übertraff zu keiner mittelmässigen Recommendation. Wer aber der Stärckste unter diesen Beyden wäre kunnte man nicht wissen; ob man gleich so viel wusste, daß der Liebes=Eyfer bey Beyden in gleicher Stärcke und Hitze stünde. Jedweder von ihnen wollte dieses Schönheit=Wunder die Scharseginn haben, und mit einer Braut, die eines Keysers Tochter (ob gleich natürliche) wäre, prangen. Der Keyser als ein leutseliger und lustiger Herr ersann ein artliches Mittel, diesem Handel den Ausschlag zu geben und stellte Jedwedem seine eigene Tapfferkeit oder Stärcke zum Richter, ob er oder sein Gegen=Eyferer dieses schönen Kleinods am fähigsten wäre. Wie dann? Er ließ ihnen Beyden einen nach der Grösse und Länge hierzu bereiteten Sack bringen und dabey andeuten, daß welcher den Andren in Seiner Majestet Gegenwart darein zwingen und hineinstecken würde, derselbe die Scharseginn zu Gemahlin haben sollte. Sie nahmen die Bedingung mit allerunterthänigstem Danck an: und that Jeder sein Möglichstes, seinen Gegner in den Sack zu schieben. zuletzt aber zog doch gleichwol der gute lange Spanier den Kürtzern und musste alles Widerstrebens ungeachtet hinein: welchen Schimpff er ihm aber so sehr zu Hertzen nahm, daß er sich gleich hernach verlohr: damit er nicht dem Hofe zur Kurtzweil und täglichem Gelächter dienen mögte. Allso bekam nun Herr Rauber die schöne Scharseginn zur Braut und liebseligen Ehgefärtin; aber doch keinen Erben mit Ihr: denn Sie starb ihm hernach ohne Kinder. Nach ihrer vielbeklagten Hinfahrt gab der Keyser ihm aus seinem Frauenzimmer ein andres Fräulein Namens Ursula von Tschillack auf Niemptschitz, eine Ungarin zur Ehe: welche ehedessen bey der Einnahm von Niemptschitz in der Flucht als ein noch kleines Kind in einem verborgenen Ausgange verlohrn und von einem


Teutschen Hauptmann gefunden worden: der sie aus Erbarmung eine Zeitlang bey sich behalten nachmals aber dem Keyser geschenckt. Welcher solches Kind in seinem Frauenzimmer auferziehen lassen und nachdem sie erwachsen, dem Herrn Rauber zur zweyten Gemahlin zugeeignet. Diese ersetzte ihm den bißherigen Mangel der Kinder gar reichlich und brachte acht Zwillinge; nemlich einen Sohn der nach seinem Namen Andreas Eberhard hieß; und sieben Töchter: wovon Eine lediges Standes gestorben die übrige sechs aber verheirathet worden. Offt=Obesagter Herr Andreas Eberhard Rauber aber ist endlich im Jahr 1575 auf seinem Schloß Peternell unweit von Presburg verblichen; ligt auch allda mitten zwischen vorermeldten seinen beyden Gemahlinen in der Pfarr=Kirchen begraben. Oberhalb deß Begräbnisses steht an der Wand sein Wappen und Bildniß in Marmelstein gehauen so fünffhundert Mährische Thaler gekostet. Den Bart hat man ihm in zwey Theile geflochten biß unten auf den Fußtritt gelassen; das übrige aber abgeschnitten, so Herr Felix Friedrich Rauber bekommen.


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