Steirerland im Arbeitsg’wand. Bilder einer Wirtschaftsgeschichte

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Steirerland im Arbeitsg’wand Bilder einer Wirtschaftsgeschichte

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Walter Feldbacher Nicole-Melanie Goll

Steirerland im Arbeitsg’wand

Bilder einer Wirtschaftsgeschichte

Museum für Geschichte Universalmuseum Joanneum www.museumfürgeschichte.at


Impressum Steirerland im Arbeitsg’wand Bilder einer Wirtschaftsgeschichte Autor/in Walter Feldbacher Nicole-Melanie Goll Herausgeberin Bettina Habsburg-Lothringen Lektorat Jörg Eipper-Kaiser, Birgit Pachler Grafische Gestaltung Leo Kreisel-Strauß Druck KurzDruck GmbH Umschlagbild Malerinnen und Anstreicherinnen Josefa und Hedwig Trukenthaner in Deutschlandsberg, 1916 Während des „Großen Krieges“ s­ tießen die beiden Schwestern Josefa und ­Hedwig – auf dem Foto 20 bzw. 21 Jahre jung – in eine Männerdomäne vor. Josefa Trukenthaner legte später auch die Meisterprüfung ab. Fotograf/in unbekannt, Sammlung Dr. Gerhard Fischer Graz 2019


Inhalt Vorwort

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Exkurs: Landesaufnahme II – ­ Steirische Wirtschaftsgeschichte in medienhistorischen Artefakten seit 1850

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Steirerland im Arbeitsg’wand Bilder einer Wirtschaftsgeschichte

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Historische Industrielandschaft Steiermark

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Über und unter Tage

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Steiermark hat Energie

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Von A nach B

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Vom Fließband

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Von Meisterhand

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„Auslagen schauen“

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Marketing auf gut Steirisch

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Inserate

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Über den Ladentisch

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Office

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Karriere mit Lehre

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Frauen in der Arbeitswelt

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Die soziale Frage

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Erfolgsgeschichten

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Politiker/innen bei der Arbeit

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After Work

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Sehr geehrte und liebe Gäste des Museums für Geschichte!

Ziegelei in Unterpremstätten, 1950er-Jahre Fotograf/in unbekannt, Multimediale Samm­ lungen/UMJ

Wirtschaft. Hinter diesem knappen Begriff verbirgt sich eine Vielzahl komplexer Themen, die zu behandeln grundlegend für jedes zeitgemäße Geschichtsmuseum ist: Wirtschaftsformen und -systeme, der Umgang mit Ressourcen und Energie, die Entwicklung von Technik und Infrastruktur, der Wandel von Arbeiter/innenschaft und Unternehmer/innentum, Fragen der Sozialfürsorge und Gesundheit, Werbung und Konsum, das Verhältnis der Geschlechter, Recht und Politik. All diese Themen werden in Steirerland im Arbeits­ g’wand auf kleiner Fläche zumindest angedeutet. Wo man aufgrund der Breite und Bedeutung der Thematik Tausende Quadratmeter füllen könnte, führt die Fotoausstellung am Beispiel steirischer Betriebe vor, worum es geht. Und bleibt dabei nah an jenen Prinzipien, die für unsere Arbeit immer wichtig sind: der Bezug zum Menschen, der Blick in die unterschiedlichen Regionen des Landes, schließlich die Zusammenarbeit mit lokalen Institutionen, Expertinnen und Akteuren. Ihrer Unterstützung verdankt sich schlussendlich, dass Walter Feldbacher diese Ausstellung als Kurator zusammenstellen konnte. Wegweiser war ihm zudem ein zweijähriges, durch das Land Steiermark gefördertes Projekt zu den historischen Fotobeständen in steirischen Firmenarchiven. Allen Förderinnen und Förderern, insbesondere der WKO Steiermark, sei an dieser Stelle sehr herzlich gedankt! Bettina Habsburg-Lothringen Leiterin Museum für Geschichte 5


Exkurs: Landesaufnahme II – ­Steirische Wirtschaftsgeschichte in medienhistorischen Artefakten seit 1850 Im Rahmen des Projekts Landesaufnahme II – Steirische Wirtschaftsgeschichte in medien­ historischen Artefakten seit 1850, gefördert vom Land Steiermark, Referat Wissenschaft und Forschung, setzten die Multimedialen Sammlungen (MMS) am ­Universalmuseum Joanneum (UMJ) 2017/18 mit ihren Partnerinnen und Partnern ihre (medien)geschichtliche Spurensuche in den steirischen Regionen fort. Die Landesaufnahme II knüpfte an die Idee des 2016 erfolgreich abgeschlossenen Projekts Landesaufnahme I – Rettung des steirischen analogen fotografischen und audiovisuellen Erbes an. Im Fokus standen diesmal analoge fotografische und audiovisuelle Zeugnisse zur steirischen Wirtschafts- und Industriegeschichte seit der Mitte des 19. Jahrhunderts. Dabei waren Foto-, Film-/Video- und Tondokumente von bestehenden Industrieleitbetrieben und Gewerbeunternehmen genauso von Interesse wie jene bereits „verschwundener“ Wirtschaftsbetriebe und/oder -zweige. Zudem unterstützte das Projekt die Erschließung und qualitative Entwicklung der Foto-, Film- und Tonbestände in den MMS, die mit ihren 2,5 Millionen Objekten zu den bedeutendsten fotografischen und audiovisuellen Sammlungen Österreichs zählen. Ausgewählte Ergebnisse wurden laufend im Internet präsentiert und fließen nun in die Ausstellung Steirerland im Arbeitsg’wand. Bilder einer Wirtschaftsgeschichte ein. Im ersten Projektabschnitt wurden Firmenarchive bzw. im Falle nicht mehr bestehender Unternehmen auch private und öffentliche Sammlungen geortet. In Kooperation 6

mit der Wirtschaftskammer Österreich (WKO) und dem Institut für Geschichte, Fachbereich Zeitgeschichte, der KarlFranzens-Universität Graz wurden hierfür verschiedene Wirtschaftsbetriebe in allen steirischen Bezirken (mit Ausnahme der Landeshauptstadt Graz) ausgewählt und um Projektteilnahme angefragt. Kern des Projekts war eine zahlenmäßige und inhaltliche Erfassung der analogen wirtschaftshistorischen Foto-, Film-/Video- und Tonbestände. In einem zweiten Projektabschnitt konnte in den Bezirken Deutschlandsberg und ­Voitsberg auch eine neue Art der Wissensgenerierung erprobt werden: Gemeinsam mit dem Verein „Inspire ­thinking“ wurde eine kulturwissenschaftliche Tiefenbohrung durchgeführt, um eine Verbindungslinie zwischen der Industrieund Wirtschaftsgeschichte und aktuellen regionalpolitischen Entwicklungen herzustellen. Gemeinsam mit der lokalen Bevölkerung gingen wir u. a. folgenden Fragen nach: Welche Auswirkungen hatten die ­Veränderungen von Wirtschaft und Industrie in den Bezirken Voitsberg und Deutschlandsberg in den letzten zwei Jahrhunderten? Wie hat sich dies in den Naturraum und die ­Menschen, die diesen Raum bewohnen, eingeschrieben? Welche Spuren, auch baulicher Natur, haben Gewerbe und Industrie hinterlassen? In welcher Form präg(t)en Industrie, Wirtschaft und Arbeit die regionalen Identitäten?


Oben Streifzug in Pölfing-Brunn, 2018/06, Fotograf: J.J. Kucek/UMJ Mitte Wirtschaftshistorischer Stadtrundgang in Voitsberg, 2018/10/19, Fotograf: J.J. Kucek/UMJ Unten Streifzug durch die ehemalige „Bergarbeiterkolonie“ in Pölfing-Brunn, 2018/06, Fotograf: J.J. Kucek/UMJ

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Walter Feldbacher, Nicole-Melanie Goll

Steirerland im Arbeitsg’wand Bilder einer Wirtschaftsgeschichte Politische und gesellschaftliche Umbrüche, technischer Fortschritt sowie wirtschaftliche Krisen und Chancen haben die Arbeitswelt stetig verändert. Über 300 Fotografien vom „Arbeiten“ und „Wirtschaften“ in der Steiermark von der Mitte des 19. Jahrhunderts bis zur Jahrtausendwende zeichnen diese Entwicklung nach. Schon um 1900 zählte die Steiermark zu den industriellen Kernzonen der Habsburgermonarchie. In Fabriken gaben Maschinen den Rhythmus vor, Produktivität wurde in vielen Betrieben zum wichtigen Schlagwort. Manche Berufe und Branchen verschwanden nun, andere sind erst als Folge des Strukturwandels entstanden. Die neuen Produktionsund Arbeitsverhältnisse wirkten sich massiv auf die Steirer/innen aus. Ein zähes Ringen um den Wohlfahrtsstaat begann. Automatisierung und neue Kommunikationsmittel beschleunigten die Arbeitsprozesse nachhaltig. Dem Ruf nach Work-Life-

Balance begegnete die steirische Freizeit­ wirtschaft mit vielen neuen Angeboten. Heute sind Globalisierung und Digitalisierung neue Herausforderungen für Politik und Wirtschaft. Das Projekt „Landesaufnahme – Steirische Wirtschaftsgeschichte in medienhistorischen Artefakten seit 1850“ untersuchte den wirtschaftshistorischen Bilderkanon des Landes. Dabei bot sich die Gelegenheit, auch in Archive von weniger bekannten Unternehmen sowie in Familienalben traditions­ reicher Klein- und Mittelbetriebe zu blicken. Dort fanden sich professionelle Fotografien ebenso wie Fotos von sogenannten „Knipserinnen und Knipsern“. Die Ausstellung zeigt ein großes Spektrum: Es reicht von Pionierleistungen bis hin zur täglichen Arbeit in Geschäften, Büros, ­Werkstätten und Fabriken. Alle gezeigten Fotos sind digitale Reproduktionen aus ­Firmenarchiven – ergänzt um Bestände aus privaten und öffentlichen Sammlungen.

Rechts oben Am Brennofen im Magnesitwerk in Trieben, undatiert Fotograf/in unbekannt, Privatbesitz Walter Feldbacher ← Vorherige Doppelseite Regulierung der Raab bei Gleisdorf, 1939 Fotograf: J. Kober, MiR/Stadtarchiv Gleisdorf

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Rechts unten Zigarrenproduktion in der Tabakfabrik Fürstenfeld, 1953 Fotograf/in unbekannt, Museumsverein Fürstenfeld


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Historische Industrielandschaft Steiermark 1900 lebten 1,356.494 Menschen im Herzogtum Steiermark. 10 Jahre später war diese Zahl bereits auf 1,441.604 gestiegen.

Bedeutende Betriebe entstanden, die eng mit der Region bzw. dem Standort verbunden waren und oftmals bis heute sind.

Die Steiermark boomte. Aus allen Teilen der Monarchie fanden Menschen hier Arbeit und ein neues Zuhause, vor allem in der MurMürz-Furche, im Raum Eisenerz, im weststeirischen Kohlerevier sowie im Großraum Graz. Auch innerhalb des Landes begann eine Wanderbewegung vom agrarisch dominierten Süden nach Norden.

Die historische Industrielandschaft der ­Steiermark ist vielfältig. Sie reicht von der Eisen- und Stahlindustrie über Braunkohle-, Magnesit- und Talkbergbaue, Salinen und Glashütten, Holz- und Papierindustrie, Maschinen- und Fahrzeugproduktionen, Textilfabriken, Zündwarenfabriken, Elektrizitätswerke bis hin zu Brauereien und einer Tabakfabrik.

In der Obersteiermark griff die Industrialisierung besonders stark. Das Vorkommen von Bodenschätzen und Rohstoffen, die Anbindung an das Eisenbahnnetz, die Mur als Wasserkraftader – all diese Faktoren schufen ideale Voraussetzungen für den wirtschaftlichen sowie gesellschaftlichen Aufschwung.

Industrieanlagen wurden zu beliebten Fotound Postkartenmotiven, zeugen sie doch vom Fortschritt und Reichtum einer Region. Eine Auswahl aus der Zeit von 1870 bis 1945 veranschaulicht die Branchenvielfalt und wirtschaftliche Struktur der Steiermark.

Staatsbahnwerkstätte in Knittelfeld, 1914/15 Postkarte, Kunstverlag Albin Sussitz, Privatbesitz Walter Feldbacher

Rechts oben Tagbau am Erzberg, 1928 Postkarte, Fotograf: HelffLichtbild, Privatbesitz Walter Feldbacher Rechts unten Stahlwerk in Eibiswald, um 1870 Fotograf/in unbekannt, Sammlung Herbert ­Blatnik

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Portlandzement-Fabrik in Retznei, um 1910 Postkarte, Fotograf: Wendl, Sammlung Kubinzky Glashßtte Oberdorf, um 1900 Fotograf/in unbekannt, Glasmuseum Bärnbach

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Werksanlage der Veitscher Magnesitwerke AG in Veitsch, 1913 Postkarte, Fotograf: L. Harl, Sammlung Kubinzky Hochofenanlagen in Donawitz, 1927 Fotograf: Karl Krall, Privatbesitz Walter Feldbacher

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Über und unter Tage Die Steiermark ist reich an Rohstoffen und Bodenschätzen. Eisenerz, Magnesit, Kohle, Talk, Grafit, Gips, Steinsalz und Kalkstein begründeten die wirtschaftliche Struktur der „ehernen Mark“ und bedingten ihre kulturelle und soziale Entwicklung. Für Dampfmaschine und Eisenbahn brauchte man große Mengen an mineralischen Brennstoffen. Die Bahn benötigte Kohle für den eigenen Antrieb und transportierte sie zu Industriebetrieben. Die Braunkohlereviere Fohnsdorf, Köflach und Voitsberg erlebten seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts einen Aufschwung. Bergwerke wurden zu wichtigen Arbeitgebern in der Region.

Der Bau der Bahnstrecken ließ auch den Bedarf an Eisen steigen. Seit der Mitte des 19. Jahrhunderts expandierte die Schwerindustrie. Der steirische Erzberg lieferte 1913 alleine 64 % der Eisenproduktion in der gesamten Monarchie. Stahl war zugleich Grundlage des wirtschaftlichen Aufstieges der Betriebe in der Mur-Mürz-Furche. Nach 1945 war der Bergbau eine wichtige Säule des wirtschaftlichen Wiederaufbaus des Landes. Mit der Umstellung auf Erdöl und Erdgas als Energieträger schlitterten die Kohlebergbaue mit Beginn der 1960erJahre in die Krise.

Bergbaue Lampl in St. Ulrich im „Wies-Eibiswalder-Braunkohlerevier“, um 1920 Fotograf/in unbekannt, Archiv GKB Bergbau GmbH

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Böhler Stahlwerke Kapfenberg, Arbeit am Wasserhammer „Gamsbart Luckner“, um 1930 Fotograf/in unbekannt, Archiv Böhler Edelstahl Kapfenberg

Steinsalzgewinnung in Altausee, um 1955 Postkarte, Fotoverlag August Rastl, Sammlung Kubinzky

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Werkshalle der Veitscher Magnesitwerke in Neuberg an der MĂźrz, 1920 Fotograf: Franz Josef BĂśhm, Multimediale Sammlungen/UMJ

Elektrobagger am Erzberg, 1930 Postkarte, Fotograf: Max Meyer, Privatbesitz Walter Feldbacher

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Trassabbau in Gossendorf bei Feldbach, 1950er-Jahre Fotograf/in unbekannt, Multimediale Sammlungen/UMJ

Talkabbau am Rabenwaldkogel bei Anger, um 1960 Fotograf/in unbekannt, Archiv Imerys Talc Austria GmbH

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Steiermark hat Energie Holz und Kohle waren noch zu Beginn des 20. Jahrhunderts die wichtigsten Energie­ lieferanten der Steiermark. Mit der „Energiewende“ setzte man jedoch verstärkt auf Wasserkraft. Die Mur und ihre Nebenflüsse boten gute Voraussetzungen für die Gewinnung der „weißen Kohle“. Erste E-Werke entstanden – die wachsende Industrie brauchte Strom. In den 1930er-Jahren war die Steiermark im Bereich Kohle und Strom autark geworden und lieferte Energie auch über die Landesgrenzen hinaus.

Krafthaus Peggau, 1908 Fotograf/in, Archiv Verbund AG

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Ab den 1970er-Jahren suchte man nach „alternativen“ Energieformen. Anstoß dazu gaben Energiekrisen – man wollte von Zulieferung aus dem Ausland unabhängig sein –, aber auch Ziele wie Umweltschutz und Nachhaltigkeit. Solar-, Wind-, Erdwärme- oder Biomasseanlagen bildeten neue Möglichkeiten, die Steiermark mit Energie zu versorgen.


Oben Eröffnungsfeier des Kraftwerks Arnstein, 1925/03/28 Fotograf: Franz Allmann, Archiv Verbund AG Rechts „Erdölfieber“ im unteren Murtal, 1952 Fotograf/in unbekannt, Privatbesitz Stefan Leicht

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Verladen eines „Läufers“ vor der ELIN-Werkshalle in Weiz, 1951 Fotograf/in unbekannt, Album „Industry Branch oft he Styrian Chamber of Commerce, Graz“, Sammlung Robert Fürhacker Verlegung eines 110-KV-Kabels bei Messendorf (Umspannwerk Graz-Ost), Frühjahr 1971 Foto Weber, Archiv Energie Steiermark

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Bau des Fernheizkraftwerks Mellach, 1985/06/26 Fotograf/in unbekannt, Archiv Verbund AG

Elektroautos an der ersten Solar-Tankstelle in Graz, 1991/06/19 Foto Vogrincic, Archiv Energie Steiermark

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Von A nach B Eisenbahn und Kraftfahrzeuge veränderten das wirtschaftliche und g ­ esellschaftliche Leben. Immer öfter wurde auswärts ­gearbeitet, was den Typus des Pendlers/der Pendlerin hervorbrachte. Die Eisenbahn beförderte Menschen von A nach B, doch vor allem verband sie die Steiermark mit internationalen Absatzmärkten. Die Südbahn durchzog als wirtschaftliche „Schlagader“ die grüne Mark. Motorrad und Automobil revolutionierten den Individualverkehr. Dieser war lange Zeit nur Wohlhabenden vorbehalten. 1907 gab es in der Steiermark 105 Autos und 339 Motorräder. Die Entwicklung war nicht mehr aufzuhalten: Ein eigenes Fahrzeug stand für Schnelligkeit, Flexibilität und ein modernes Lebensgefühl.

Der Ausbau des steirischen Straßennetzes war notwendig geworden. Der Bau der Packstraße – das steirische „Prestigeprojekt“ – wurde in den 1920er-Jahren in Angriff genommen. 1925 waren hierzulande bereits 929 PKWs, 646 LKWs und 1894 Motorräder zugelassen. Bis in die 1950er-Jahre blieb jedoch für die meisten Menschen das Fahrrad das wichtigste Fortbewegungsmittel – war es doch günstig in der Anschaffung und unkompliziert in der Erhaltung. Erst in den 1960er-Jahren sollte sich das Auto endgültig durchsetzen.

Ausflug mit dem Motorlastwagen nach St. Peter am Ottersbach, 1914/07 Fotografin: Thersese Mostler, Sammlung Felix Kreisler

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Straßenbau bei Hartberg, 1925 Foto: Hartberger „Photo-Haus“, Privatbesitz Walter Feldbacher Waldbahn Deutschlandsberg – Freiland auf der Talstrecke im großen „S“ bei Km 1,2 nahe Deutschlandsberg, Sommer 1954 Foto: Eugen Hauber, Sammlung Manfred Feischl

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Berufsverkehr auf Höhe der Hauptbrücke in Graz, 1958 Fotograf: Egon Blaschka, Multimediale Sammlungen/UMJ Ausbau der Wechselbundesstraße (B54) bei Pinggau, um 1958 Fotograf: Macher, Multimediale Sammlungen/UMJ

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Verkehrssicherheit auf unseren StraĂ&#x;en, 1961/03 Fotograf: Egon Blaschka, Multimediale Sammlungen/UMJ

Grazer Hauptplatz, 1970 Fotograf: Fleischmann & Jäger, Postkarte, Privatbesitz Walter Feldbacher

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Vom Fließband Im Zuge der industriellen Revolution wurden einfache Formen der Massenproduktion eingeführt und später perfektioniert. Effizienz, Produktivität und Gewinn waren dabei die Maximen. Durch den Einsatz von Maschinen verlor das Handwerk an Bedeutung. ­Produkte wurden nun in Masse hergestellt, die Arbeit in einzelne Produktionsschritte – oft nur wenige Handgriffe – unterteilt. Arbeiter/innen wurden auf eine oder wenige Tätigkeiten spezialisiert. Sie arbeiteten im Akkord in einem mechanisierten Arbeits­ prozess.

Produkte konnten so in großer Menge, in gleicher Form und bei gleichbleibender ­Qualität produziert werden. Die Fließbandproduktion veränderte die Arbeitswelt nachhaltig. Die Entwertung der Arbeitskraft steht als Kritik im Raum.

Unten / rechts oben / rechts unten Bauknecht-Werk in Spielberg (heute: ATB Spielberg Austria Antriebstechnik AG), Mitte der 1970er-Jahre Fotograf/in unbekannt, Zentralarchiv ATB Spielberg Austria Antriebstechnik AG

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Von Meisterhand Um ein Gewerbe selbstständig führen zu können, war die erfolgreich absolvierte Meisterprüfung notwendig. Nach Jahren als Lehrling und Gesellin oder Geselle war dies die letzte Ausbildungsstufe. Der Meisterbrief bestätigte die Beherrschung des Handwerks. Zu den Pflichten eines Meisters gehörte stets die Ausbildung von Lehrlingen. Lange Zeit war das innerbetriebliche Verhältnis zwischen Meister und Mitarbeitern familiär geprägt. Sie lebten oft in einer Art „Hausgemeinschaft“, in der beide Seiten Pflichten zu erfüllen hatten: der Meister zur Fürsorge, der Lehrling zu Gehorsam und Fleiß.

Bis heute ist der Meistertitel Inbegriff für Können, Qualität und das Streben nach Perfektion. Manche „alte Berufe“ sind in den letzten Jahrzehnten ganz oder beinahe von der ­Bildfläche verschwunden: Seiler, Wagner, Fassbinder, Kürschner oder Hutmacher. Hat das Handwerk noch goldenen Boden? Den Bedarf gibt es jedenfalls.

Schladminger Bäuerinnen bringen Hochgebirgsschafwolle zum Lodenwalker, vor 1938 Fotograf/in unbekannt, Privatbesitz Familie Steiner

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Wagnerei Rudolf Brunner in Mariazell, um 1910 Fotograf/in: vermutl. J. Kuss, Archiv Tischlerei Lammer/Mariazell Salami- und Rohwurstmeister Ferdinand Sorger mit Ehefrau Franziska, um 1950 Fotograf/in unbekannt, Privatbesitz Familie Sorger

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„Auslagen schauen“ Als Auslage bezeichnet man eigentlich die ausgelegte Ware, die in einem Schaufenster präsentiert wird. Die Waren sind meist attraktiv dekoriert, denn das Schaufenster soll die Laufkundschaft ansprechen und zu Spontankäufen verleiten. „Früher ging man ins Geschäft, wenn man etwas kaufen musste, jetzt kauft man etwas, weil es im Geschäft ist.“ (S. Fischer, Der Verkäufer. Praktisches Handbuch für Verkäufer und Verkäuferinnen in allen Branchen, Berlin 1899, S. 149) Das Schaufenster entwickelte sich im ­späten 19. Jahrhundert zu einer viel beachteten urbanen Attraktion. „Window shopping“ oder Schaufensterbummeln galt über viele Jahrzehnte als vorwiegend weibliche Passion. Erst die industrielle Massenproduktion machte diese moderne Form der Waren­ werbung notwendig und möglich. Je anonymer die Kundenbeziehung wurde, desto deutlicher mussten die Waren für sich selbst sprechen.

Glas als Inszenierungsmittel war wichtig für die moderne Verkaufskultur: Lange war Glas ein teures Material und es fehlte ihm an Durchsichtigkeit und Großflächigkeit. Früher waren Fenster und Türen von Geschäfts­ lokalen mit hölzernen Läden verschlossen – deswegen wurden Geschäfte auch als „Läden“ bezeichnet. Ab den 1880er-Jahren waren Geschäfte auch mittels Gas und Elektrizität beleuchtet: Hell erleuchtete Verkaufsräume, Fassaden und Schaufenster steigerten den Umsatz. Fotografische Straßen- und Geschäftsansichten zeigen Orte des Konsums mit ihrem Warenangebot und dokumentieren architektonische Trends sowie Moden in der Schaufenstergestaltung.

Lederwarengeschäft Schönbauer, Ecke Sporgasse/Hauptplatz in Graz, 1953 Fotograf/in unbekannt, Multimediale Sammlungen/UMJ

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„Spazierstockgeschäft“ Roman Fladerer, Ecke Murgasse/Neutorgasse in Graz, vor 1900 Fotograf: Leopold Bude, Multimediale Sammlungen/UMJ

Autogeschäft Salis & Braunstein in der Neutorgasse in Graz, 1955 Fotograf/in unbekannt, Multimediale Sammlungen/UMJ

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Marketing auf gut Steirisch Inspiriert von den Weltausstellungen und internationalen Warenhäusern entwickelten auch steirische Kaufleute Methoden, mit denen sie den Verkauf ankurbeln und Kaufentscheidungen steuern konnten. Dazu ­zählen die ästhetische Warenpräsentation auf Kirtagen und Messen, Handwerksausstellungen und Leistungsschauen mit ­Blumenkorso ebenso wie Werbeaktionen im öffentlichen Raum oder Schriftzüge auf Firmenautos. Die Landwirtschafts- und Industrieausstellung 1870 am Gelände des landwirtschaftlichen Versuchshofes in der Annenstraße kann als ein Vorläufer der Grazer Messe­ tradition gesehen werden. 1906 besuchten über 60.000 Menschen die 1. Grazer Herbstmesse mit 123 Geschäftsleuten und 46 Schaustellern in der Industriehalle. Viel

beachtete frühe Wirtschaftsschauen in der Region waren etwa die Mürztaler Hand­werkerausstellung 1906 sowie die 1. ­Österreichische Handwerker-Ausstellung in Gleisdorf 1907. Nach der Mangelwirtschaft in den ersten Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg ­markierte 1948 die Grazer Herbstmesse mit 652 Firmen den Aufbruch in die Konsum­ gesellschaft der 1950er- und 1960er-Jahre. Produktpräsentationen und der Vergnügungspark animierten zum Massenkonsum. Zu einem Publikumsmagneten entwickelte sich ab Herbst 1966 auch der „Gady Markt“ in Lebring mit seinen „Marktwettbewerben“.

„Konsumtheater“ – Kinder stellen Konsumgüter dar, um 1930 Fotograf: Franz Josef Böhm, Multimediale Sammlungen/UMJ

Rechts oben Werbefoto für Gösser Bier, um 1935 Fotograf: Karl Krall, ­MuseumsCenter Leoben Rechts unten Riege der „Landmaschinen-Vertreter“ (noch ohne weiße Mäntel) auf einem Massey Ferguson 165, um 1968 Fotograf/in unbekannt, Archiv Familie Gady

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Inserate → Vorherige Doppelseite 1. Reihe von links nach rechts 1. Österreichische Handwerker-Ausstellung in Gleisdorf, 1907, Plakat, Litho: Oscar Rohr (Graz), MiR/Stadtarchiv Gleisdorf Katalog zur Allgemeinen Landes-Ausstellung für ­Steiermark in Graz, Landes-Ausstellungs-Comité 1890, Museum für Geschichte/UMJ Schuhmacher Alois Wallner in Leoben, um 1900, ­Postkarte, Verlag Oskar Fleischer, Sammlung Kubinzky Katalog zur Allgemeinen Landes-Ausstellung für ­Steiermark in Graz, Landes-Ausstellungs-Comité 1890, Museum für Geschichte/UMJ 2. Reihe von links nach rechts „Feinstes Vanille in Busserln“, F. Spreng (Graz), ­undatiert, Einlageblatt, Privatbesitz Walter Feldbacher Perbersdorfer Sprudel, 1930er-Jahre, Etikette, Litho: August Mattéy (Graz), Privatbesitz Familie Gröbacher Katalog zur Ausstellung von Erzeugnissen der Landund Forstwirtschaft, des Bergbaues, des Hüttenwesens, der Industrie und Kunst in Graz, Leykam 1870, Museum für Geschichte/UMJ 3. Reihe von links nach rechts Katalog zur Allgemeinen Landes-Ausstellung für ­Steiermark in Graz, Landes-Ausstellungs-Comité 1890, Museum für Geschichte/UMJ Katalog zur Ausstellung von Erzeugnissen der ­Landund Forstwirtschaft, des Bergbaues, des Hüttenwesens, der Industrie und Kunst in Graz, Leykam 1870, Museum für Geschichte/UMJ Katalog zur Ausstellung von Erzeugnissen der ­ Land- und Forstwirtschaft, des Bergbaues, des Hüttenwesens, der Industrie und Kunst in Graz, Leykam 1870, Museum für Geschichte/UMJ Warenhaus und k.k. Tabak-Haupt-Verlag Anton Hengl in Fürstenfeld, um 1910, Postkarte, Sammlung Kubinzky → Rechte Seite Wagen vom „Hotel Gruber“ beim Autokorso am Kindberger Kirtag, 1957 Fotograf/in unbekannt, Stadtarchiv Kindberg

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Über den Ladentisch Auf Massenproduktion, steigende Kaufkraft und Konsumbedarf reagierten die Händler mit der Spezialisierung ihres Sortiments. Auch die Ladenöffnungszeiten wurden angepasst: Bis zum Ende der Monarchie durften die Geschäfte von 5 bis 20 bzw. 21 Uhr geöffnet sein. 1901 waren 83 % der steirischen Handelsbetriebe in Graz ansässig. Auch Kastner & Öhler eröffnete 1883 eine Niederlassung in der Sackstraße 7, 1913 entstand hier ein für die Donaumonarchie herausragendes Warenhaus. Nach dem Vorbild städtischer ­Konsumkultur wurde die Präsentation der angebotenen Waren immer wichtiger: ­Auslagen, Geschäfts- und Verkaufsräume sollten zum Kauf animieren.

Lange Zeit dominierten kleine Familienbetriebe. Spezereien, Viktualien- und Kolonialwarenhandlungen – später Greißlereien und Gemischtwarenhandlungen – waren Nah­ versorger und auch soziale Treffpunkte. „Man kannte sich“ und das „Anschreiben“ – das Bezahlen beim nächsten Einkauf oder Monatsende – war gängige Praxis. Allmählich änderten sich die Ansprüche der Kundinnen und Kunden. Zeitersparnis und Selbstbedienung lösten persönlichen ­Kontakt und Beratung im Handel ab.

Konsumfiliale im Raum Mürzzuschlag, um 1925 Fotograf: Franz Josef Böhm, Multimediale Sammlungen/UMJ

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Bäckerei Stadler in Kindberg, 1963 Fotograf: Johann Wurzinger, Privatbesitz Johann Wurzinger Textilhandlung Purr (vulgo „Purrweber“) in Groß St. Florian, 1950er-Jahre Fotograf/in unbekannt, Familienarchiv Purr/Groß St. Florian

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Office Verwaltung war ursprünglich eine Männerdomäne: Der Beruf des Buchhalters, ­Sekretärs, Prokuristen oder Bürodieners wurde vor allem von Männern ausgeübt. Schreib- und Rechenmaschinen, Stenografie und später das Telefon führten zur mechanisierten Büroarbeit, die immer öfter auch von Frauen verrichtet wurde. Sie übernahmen „Routineaufgaben“ bzw. „Hilfsarbeiten“ – unter Aufsicht männlicher Vorgesetzter.

Die Büroräume waren häufig offen gestaltet – schon lange bevor Großraumbüros wieder zum Trend werden sollten.

Großraumbüro des Konsums in Neuberg an der Mürz, 1924 Fotograf: Franz Josef Böhm, Multimediale ­Sammlungen/UMJ

Rechts oben Konstruktionsbüro der VOEST Liezen (ehemals ­Schmidhütte), 1958 Fotograf/in unbekannt, Stadtarchiv Liezen

Seit den 1980er-Jahren veränderten Fax und Computer den Büroalltag. Heute liegt der Trend – dank Handy und Internet – beim Home-Office.

Rechts unten „Maschinschreibkurs“ in Graz, 1930er-Jahre Photo Hasler, Privatbesitz Walter Feldbacher

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Karriere mit Lehre Die systematische Berufsausbildung hat in Österreich lange Tradition. Der Meister bildete in seinem Betrieb den Nachwuchs aus. Schon im 19. Jahrhundert entstanden auch erste Fortbildungsschulen, deren Besuch ab 1897 verpflichtend war. Für Frauen und Mädchen war eine weiterführende Schulbildung bis 1900 nur eingeschränkt möglich. Zögerlich entstanden Ausbildungsmöglichkeiten in „typisch weiblichen“ Berufsfeldern. In der NS-Zeit wurden berufsbildende ­Schulen intensiv gefördert. Es galt, Fachkräfte für die Kriegsindustrie auszubilden.

Seit Herbst 2008 können Lehrlinge ­parallel zur Berufsausbildung auch die Matura absolvieren. Heute gibt es in unserem Bundesland 16 Berufsschulstandorte, österreichweit stehen 242 Lehrberufe zur Auswahl. Zu den beliebtesten Lehrberufen bei Männern zählen nach wie vor Metall-, Elektro- und Kraftfahrzeugtechniker. Bei Frauen stehen Büro- und Einzelhandelskauffrau sowie Friseurin hoch im Kurs.

Nach 1945 wurde die Lehrlingsausbildung als „duales System“ organisiert und die Ausbildungszeit stetig verlängert. Die Berufsschule vermittelt theoretisches Wissen, das im Lehrbetrieb praktisch angewendet wird. Kaufmännisches Lehrlingsheim Knittelfeld, 1917 Postkarte, Fotograf/in unbekannt, Privatbesitz Walter Feldbacher

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Landesberufsschule Mureck fĂźr Landmaschinenmechaniker, um 1975 Postkarte, Foto Weghofer, Privatbesitz Walter Feldbacher Landesberufsschule fĂźr das Gastgewerbe in Bad Gleichenberg, Anfang der 1970er-Jahre Postkarte, Foto: Frank-Verlag, Privatbesitz Walter Feldbacher

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Frauen in der Arbeitswelt Erwerbs-, Haus- und Familienarbeit begann sich ab dem Ende des 18. Jahrhunderts zu verändern. Die Menschen mussten „zur Arbeit gehen“. In der bürgerlichen Gesellschaft war die außerhäusliche Erwerbstätigkeit Aufgabe der Männer, Hausarbeit und Kinderbetreuung oblag den Frauen. Arbeiterinnen mussten aber auch außer Haus zum Unterhalt beitragen. Sie leisteten schwere Arbeit in Fabriken – ohne gesetzliche Regelungen – und verdienten weniger als Männer. Vor allem in der Tabak-, Papierund Textilindustrie fanden Frauen Beschäftigung. Die Arbeiterinnenbewegung versuchte die Situation der arbeitenden Frauen schritt­weise zu verbessern. Im Ersten Weltkrieg stieg die Zahl der berufstätigen Frauen stark an.

Frauen übernahmen „Männerarbeiten“ – auch in der Schwerindustrie oder im Hüttenbetrieb unter Tage. Nach dem Ende des ­Krieges im Jahr 1918 sollte wieder die traditionelle Rollenverteilung gelten. Die NS-Ideologie betonte vor allem die ­Mutterrolle der Frau. Doch mit Kriegsbeginn wurden zunehmend auch weibliche Arbeitskräfte benötigt. Auch nach 1945 blieb der Bedarf an arbeitenden Frauen zunächst hoch. Sie wurden gerade für minderqualifizierte, schlecht bezahlte Jobs gesucht. Das 1979 beschlossene Gesetz zur Gleichbehandlung von Männern und Frauen – auch in Lohnfragen – schlägt sich oft bis heute nicht auf dem Lohnzettel nieder.

Josefa Mally, verehelichte Sorger, als ­Chefköchin mit Personal im Hotel „SchimmelGollner“ in Graz, um 1880 Fotograf: Franz Völker, Privat­ besitz Sorger

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„Gleichlegerei“ in der Zündwarenfabrik Solo in Deutschlandsberg, um 1910 Fotograf/in unbekannt, Sammlung Dr. Gerhard Fischer Zigarrenproduktion in der Tabakfabrik Fürstenfeld, um 1930 Fotograf/in unbekannt, Museumsverein Fürstenfeld

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Qualitätskontrolle bei Ballonflaschen aus der Glasfabrik Oberdorf, 1956 Fotograf/in unbekannt, Glasmuseum Bärnbach

Frauen fädeln sog. „Kabelbäume“ für Telefonnebenstellenanlagen in der „E. Schrack Elektrizitäts-Aktiengesellschaft“ in Kindberg, nach 1972 Fotograf/in unbekannt, Privatbesitz Rudolf Dorn

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„Sortierfrauen“ der Talkumwerke Naintsch, um 1980 Fotograf/in unbekannt, Archiv Imerys Talc Austria GmbH

Labor der „Ennstal Milch“, um 1960 Fotograf/in unbekannt, Archiv Ennstal Milch

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Die soziale Frage Die Industrialisierung veränderte Wirtschaft und Gesellschaft nachhaltig. In Massen zogen Menschen in die neuen Industriezentren – sie hofften, dort ein ­besseres Leben führen zu können. Die Mur-Mürz-Furche mit ihren wachsenden Betrieben erschien vielen besonders attraktiv, allerdings litten sie massiv unter den teils unmenschlichen Arbeitsbedingungen. Angesichts dieser Missstände entstand die Arbeiter/innenbewegung – von den Behörden scharf bekämpft. Erst gegen Ende des 19. Jahrhunderts ­wurden breitere Schichten der Arbeiter/ innen mobilisiert und politisiert.

Arbeiter/innenbewegung, Sozialdemokratie und neu entstandene gewerkschaftliche Interessensvertretungen kämpften gegen soziale Ungleichheit. Allmählich verbesserten Gesetze die Situation der Arbeiter/innen, aber erst der Ausbau des Sozialstaates nach dem Zweiten Weltkrieg führte zu einer „Entschärfung“ der „sozialen Frage“. Und heute? Soziale Ungleichheit, Armut, gesellschaftlicher Wandel und Arbeitslosigkeit fordern Politik und Gesellschaft erneut heraus.

Bau der Arbeiterkolonie in Hörmsdorf bei Eibiswald mit italienischen Arbeitsmigranten, Sommer 1907 Fotograf/in unbekannt, Sammlung Herbert Blatnik

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Das „Rote Haus“ am Beginn der Arbeiterkolonie in Kindberg-Aumühl, um 1925 Fotograf/in unbekannt, Firmenchronik voestalpine Tubulars GmbH & Co KG (Privatbestand Damberger) Bewohner/innen mit Spendenbüchse vor dem „Armenhaus“ in Mariazell, 1929 Fotograf: J. Kuss, Stadtmuseum Mariazell

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Arbeitslose vor den Stempelstellen der Arbeitsämter in der Steiermark, um 1933 Fotograf: Alfred Steffen, Multimediale Sammlungen/UMJ Wohnbaracke einer vierkÜpfigen Familie in der Nachkriegszeit in Graz, Winter 1946 Fotograf: Egon Blaschka, Multimediale Sammlungen/UMJ

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Mitarbeiter/innen der Papierfabrik Arland protestieren im Grazer Burghof, 1965/12 Fotograf: Walter Stipperger, Multimediale Sammlungen/UMJ Entlassung von Hunderten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in der „Merino Pelzveredelungsund Konfektionsfabrik Knebl & Ditrich“ in Feldbach, 1974/11 Fotograf: Alfred Steffen, Multimediale Sammlungen/UMJ

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Erfolgsgeschichten Wie misst man den Erfolg eines Unternehmens? Ist er mehr als das, was unter dem Strich bleibt? Je weiter der Erfolgsbegriff gefasst wird, umso schwieriger ist es, ihn zu messen. Wirtschaftliche Kennzahlen reichen oft nicht aus, um zu beurteilen, ob (nachhaltiger) Erfolg vorliegt.

Und wie wird man erfolgreich? Patentrezept dafür gibt es wohl keines. In einem Kochbuch aus 1913 heißt es jedenfalls: „Drei Dinge den Meister machen ­sollen: Wissen, Können und Wollen.“ 11 Beispiele aus der Steiermark zeigen ­Pioniergeist, Fortschrittsglaube, Wandelbarkeit und ­Zielstrebigkeit.

Oben „Puch-Schammerln“ ­werden zum Export ­verladen, um 1960 Fotograf/in unbekannt, Multimediale Samm­ lungen/UMJ Unten Arbeiter der MosdorferSchmiede in Weiz, 1930er-Jahre Fotograf/in unbekannt, Archiv Knill Gruppe

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Anton Paar mit SchlosserwerkstĂźck, 1930er-Jahre Fotograf/in unbekannt, Archiv Anton Paar GmbH AVL-Messtechnik fĂźr Verbrennungsmotoren, 1971 Fotograf: Alfred Steffen, Multimediale Sammlungen/UMJ

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Politiker/innen bei der Arbeit Der Einsatz von Hacke, Schaufel und ­Spaten stand früher am Beginn eines Bauvorhabens. Prominente, Politiker/innen und Unternehmer/innen vollziehen noch heute symbolisch den „ersten“ Spatenstich oder durchschneiden Bänder bei Eröffnungen. Sie sind Teil einer festlichen Inszenierung und zeigen die starke Verschränkung von Wirtschaft und Politik.

Betriebsbesuche von Politikerinnen und Politikern stehen meist auch in engem Zusammenhang mit wirtschaftlichen ­Problemlagen oder dem Kampf um Wählerstimmen. Hier wird mediale Aufmerksamkeit erzeugt und Volksnähe gezeigt.

Oben Bundespräsident Rudolf Kirchschläger besucht die „Wickelei“ im Elektromotorenwerk Bauknecht in Spielberg, 1975 Fotograf/in unbekannt, Zentralarchiv ATB Spielberg Austria Antriebstechnik AG Unten Bundeskanzler Josef Klaus in Bergla im Wieser Braunkohlerevier unter Tage, 1970/02 Fotograf: Gerhard Steffen, Multimediale Sammlungen/UMJ

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Eröffnung des EUMIG-Werks in Fohnsdorf, Bundeskanzler Bruno Kreisky, 1978/11/24 Fotograf/in unbekannt, Archiv eumigMuseum Landeshauptmann Waltraud Klasnic beim Spatenstich für eine Fabrik der MAGNA-Tochter „Steyr Powertrain“ für Automobil-Komponenten, -Module und -Systeme in Ilz, 2000/08/28 Fotograf: Gerhard Dusek, Archiv STVP

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After Work Freizeit und Arbeit bilden Gegensätze. ­Während Arbeit oft mit Zwang, Notwendigkeit und Fremdbestimmung verbunden wird, steht Freizeit für Erholung und persönliche Entfaltung. Früher bildeten Arbeit und Freizeit eine „organische“ Einheit. Die „freie Zeit“ unterstand religiösen, häuslichen und sozialen Regeln. Erst die Festsetzung bzw. Verkürzung der Arbeitszeit sowie die Trennung von Lebensund Berufswelt schufen Freiraum zur individuellen Gestaltung.

„Arbeiter-Mandolinenverein“ der Glashütte Oberdorf, 1928 Fotograf/in unbekannt, Glasmuseum Bärnbach

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War Freizeit zunächst der Oberschicht vorbehalten, begannen Bürgertum und später auch die Arbeiterschaft dieses Konzept zu übernehmen. Dabei sollte die freie Zeit „sinnvoll“, etwa zur Weiterbildung genutzt werden. Freizeit gestaltete sich zunehmend organisierter, aufwendiger und kostspieliger – sie war nicht mehr für alle leistbar. Heute scheinen die Grenzen zwischen Freizeit und Arbeitszeit wieder mehr zu verschwimmen. Wie steht es um Ihre ­„Work-Life-Balance“?


„Ausflügler“ im Gesellschaftswagen des Hotels Lang im Salzatal (Hochleiten), 1928 Fotograf: J. Kuss, Stadtmuseum Mariazell

„Was gibt’s im Kino?“, Lichtspielbühne ­Kapfenberg, 1952 Fotograf/in unbekannt, Stadtmuseum Kapfenberg

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