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RAUM, GESELLSCHAFT, UMWELT Eine gemeinsame Zukunft

In April dieses Jahres habe ich die Professur für Architektur und Gesellschaft an der Universität Liechtenstein übernommen. Ich untersuche die Verbindung zwischen Menschen und dem, was wir in verschiedenen Massstäben bauen. Nicht nur Objekte wie Häuser oder Infrastruktur, sondern auch die Handlungsweisen, Strukturen und menschliche Interaktionen, die sie ermöglichen, sind Teil meiner Forschung zu Mobilität und nachhaltigem Bauen mit Erde.

Während wir von Globalisierung als einem zeitgenössischen Phänomen sprechen, ist sie eigentlich bereits seit Jahrhunderten die Grundlage unserer sozialen und wirtschaftlichen Entwicklungen. Dies wird in der stark vernetzten Region des Alpenrheintals (ART) offensichtlich. Obwohl die grossen urbanen Regionen, die ich zuvor im südlichen Afrika untersuchte, ganz andere Merkmale aufweisen, haben Liechtenstein und die Bodenseeregion (BSR) diese Art von grossräumiger, hoch urbanisierter Verflechtung mit ihnen gemeinsam. Die Urbanisierung prägt sowohl makroökonomische Kräfte wie die Industrialisierung und Produktion von Wohnraum als auch Mikroentscheidungen, die wir alle in unserem Alltagsleben treffen.

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Leider haben wir – wie Megatrends wie Klimawandel, demografische Änderungen, neue Formen der Mobilität und zunehmende Digitalisierung aufzeigen – an mehreren Fronten nicht immer die verantwortungsvollsten Entscheidungen getroffen oder die besten Antworten gegeben. Deshalb sehe ich es als meine Verantwortung als Forscherin in Liechtenstein und Mitglied der Gesellschaft, zu untersuchen, wie wir es besser machen können. Ich glaube, dass dies möglich ist, indem wir (1) das Fürstentum in seinem sozial-räumlichen Kontext verstehen lernen; und (2) gemeinsam eine Strategie entwickeln, die die Planung und das Bauen nachhaltiger macht.

MOBILITÄT UND ALLTAGSPRAXEN VERSTEHEN

Eine der grössten Herausforderungen für eine nachhaltige Siedlungsentwicklung ist die individualisierte Mobilität. Jede und jeder hat eine andere Routine, eine sogenannte «räumliche Praxis»: zwischen Wohnung und Arbeit pendeln, einkaufen gehen, die Kinder zur Schule bringen. Meine bisherigen Forschungen zeigen, dass es oft Diskrepanzen zwischen diesen Erfahrungen und der Politik gibt, die unsere Umwelt gestaltet.

Der grosse Ballungsraum der Gauteng City-Region (GCR) in Südafrika, die Städte wie Johannesburg und Pretoria umfasst, zeigt, wie die Menschen privat betriebene Minibustaxis nutzen, um Möglichkeiten in den Zentren wahrzunehmen. In Liechtenstein reisen schätzungsweise mehr als 20 000 Menschen täglich mit privaten Fahrzeugen in das Fürstentum ein und mehr als 12 000 aus; das Land hat eine der höchsten ProKopf-Raten an Autobesitz: 700 Fahrzeuge pro 1 000 Einwohner. Folgt man den Mustern und Pfaden der Urbanisierung entlang des ART, wird deutlich, dass diese Art von Alltagspraxen nicht nur Liechtenstein, sondern die gesamte vernetzte BSR betrifft.

Wir können sowohl etablierte, qualitative Forschungsmethoden aus der Soziologie als auch neue technische Tools einsetzen, um solche Phänomene zu untersuchen. Für meine Forschung habe ich eine Smartphone-App mit Volunteered Geographic Informationen (VGI) mitentwickelt, um grundlegende Aspekte der Mobilität zu verstehen: Multimodalität, Umsteigepunkte, Kosten, Zeiten, was auf dem Weg passiert. Die App integriert geografische Daten – GPS-Standorte und Verkehrsmittel durch die integrierte mobile Sensorik des Telefons – mit einer Umfrage und interaktiven Funktionen für die Benutzer. Durch die Verwendung von VGI, um Ankerpunkte festzulegen sowie Trajektorien dazwischen, war ich in der Lage, die Verkehrsmuster im GCR auf eine viel komplexere Weise zu verstehen.

Ich plane, ähnliche Studien in Liechtenstein durchzuführen. Von der Coronavirus-Pandemie bis zu den Waldbränden im Jahr 2020 sind wir wie nie zuvor mit den negativen externen Effekten unseres urbanen Lebens konfrontiert. Das Verständnis der grossräumigen Mobilität ist eine Möglichkeit, dies zu erkennen und neue Wege zu finden, um Herausforderungen gemeinsam zu begegnen.

DIE TRANSFORMATION DER GEBAUTEN UMWELT

Nachhaltigen Beton gibt es nicht. Er ist ein wichtiges strukturelles Baumaterial, aber seine Produktion trägt wesentlich zum Klimawandel bei. Ausserdem werden Ressourcen der Erde entnommen und in Gewinne umgewandelt, ohne dass Menschen und Gesellschaften davon langfristig profitieren. Wir müssen parallel zur Entwicklung innovativer Wege des Zusammenlebens auch unsere Baukulturen verändern, um Pfadabhängigkeiten und Marktdynamiken zu überwinden.

Eine Möglichkeit, dies zu tun, ist der Lehmbau. Das Bauen mit Lehm erfordert wenig Einsatz von Beton; er hat eine niedrige graue Energie und kann beliebig oft vollständig recycelt werden. Und aus sozialer Sicht können Menschen und Gemeinschaften in Design und Konstruktion einbezogen werden. Vor allem Stampflehm hat sich im ART im architektonischen Diskurs etabliert und es gilt im Zusammenhang mit der Urbanisierung sein Potenzial für ein nachhaltiges Bauen weiter zu untersuchen.

Wir alle sind für die sorgsame Verwaltung von «kollektiven» Gütern verantwortlich: Saubere Luft, bodensparsame Infrastruktur, Klima oder identitätsstiftende Baukultur. Aber wir müssen uns bewusst dafür entscheiden, diese Ressourcen gemeinsam zu verwalten. Die Idee von «forging reciprocity» aus der kollaborativen Planungstheorie beschreibt, wie Konzessionen und der Aufbau von Vertrauen über verschiedene Bereiche der Gesellschaft zum Vorteil für alle gereichen kann. Unsere Städte sind genau der Ort, an dem urbane und architektonische Experimente – wie das Überdenken von Mobilität und das Bauen mit Erde – stattfinden müssen. Die akademische Forschung kann in diesem Prozess eine wichtige Rolle spielen, indem sie versucht zu verstehen, Unterschiede wertschätzt und eine ökologisch und sozial gerechtere Zukunft anstrebt.

Dr. Lindsay Howe, Assistenzprofessorin (mit Tenure-Track), Institut für Architektur und Raumentwicklung

Quellen

1 Howe, LB (2021) Thinking Through People: The Potential of Volunteered

Geographic Information. Urban Studies. doi: 10.1177/0042098020982251. 2 Stiftung Zukunft.li (2019) Raumentwicklung Liechtenstein: Gestalten statt nur geschehen lassen. Online: https://www.stiftungzukunft.li/application/ files/3015/5369/5337/ web_stiftung_zukunft_brochure.pdf 3 Heringer, A, Howe, LB and Rauch, M (2019) Upscaling Earth. Material,

Process, Catalyst. Zurich: gta Verlag, pp. 32–35. 4 Innes, JE and Booher, DE (1999) Consensus Building and Complex

Adaptive Systems. A Framework for Evaluating Collaborative Planning.

Journal of the American Planning Association 65(4): 412-423.

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