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DATEN UND IHRE BEDEUTUNG FÜR DIE PERSONALENTWICKLUNG
Wissenschaftliche Erkenntnisse durchdringen jeden Bereich unseres Lebens, von den Mikrochips in unseren Smartphones bis hin zu den grossen Rätseln des Universums. Für die alltägliche Arbeit an einer Universität spielen Daten eine essenzielle Rolle, nicht nur für die Grundlagenforschung, sondern auch, um wirkungsvolle Trainingsprogramme für Angestellte und Führungskräfte in der Praxis zu gestalten – wie und warum möchten wir hier aufzeigen.
DATEN UND WIE SIE GEWONNEN WERDEN
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Fast alle kennen Querschnittstudien: die übliche Form dieser Studienart ist die Umfrage. Hierfür wird eine geeignete Stichprobe ausgewählt und befragt, beispielsweise Menschen in einer bestimmten Altersgruppe oder in einem bestimmten Beschäftigungsfeld. Querschnittstudien sind vergleichsweise schnell und einfach durchführbar und liefern verlässliche Erkenntnisse darüber, wie oft bestimmte Eigenschaften in der Bevölkerung vertreten sind. Sie erlauben jedoch keine Aussagen über deren Ursachen oder Auswirkungen. Um hierüber belastbare Aussagen treffen zu können, braucht es Experimentalstudien. Dabei werden die Teilnehmenden in eine Experimental- und eine Kontrollgruppe aufgeteilt. Die Kontrollgruppe wird lediglich beobachtet, während man in der Experimentalgruppe eine sogenannte Intervention vornimmt, indem man beispielsweise ein Medikament verabreicht oder ein Training durchführt. Die Datenerhebung findet für beide Gruppen gleichzeitig statt, und zwar bevor und nachdem die Intervention in der Experimentalgruppe durchgeführt wurde. Da beide Gruppen zur selben Grundgesamtheit gehören, kann man davon ausgehen, dass unterschiedliche Entwicklungen zwischen den Gruppen auf die Intervention zurückzuführen sind.
DATEN FÜR DAS ARBEITSLEBEN
Experimentalstudien kommen auch häufig bei der Evaluierung der Wirksamkeit von Personalentwicklungsprogrammen zum Einsatz. Die einfachste und am häufigsten eingesetzte Datenquelle, die Selbstbewertung, gibt einen Einblick in die Person selbst und ihre Einschätzung der Wirksamkeit des Trainings. So erhobene Daten sind jedoch stark subjektiv: Personen, die sich einen Trainingseffekt erhoffen, werden sich danach üblicherweise besser bewerten als zuvor, auch wenn sich eigentlich nichts geändert hat. Zudem besagt der sogenannte Hawthorne-Effekt, dass allein das Durchführen einer Studie dazu führen kann, dass eine gefühlte Verbesserung in allen möglichen Bereichen eintritt. Um dem entgegenzuwirken, hat sich die Methode des 360-Grad-Assessment etabliert. Hierbei werden nicht nur Daten von den Teilnehmenden des Trainings selbst erhoben, sondern auch in ihrem Umfeld – Vorgesetzte, gleichgestellte und unterstellte Kolleg:innen – wodurch sich ein holistischer Eindruck der tatsächlichen Veränderungen gewinnen lässt. Häufig reicht aber auch das nicht aus, denn auch solche Einschätzungen sind stets subjektiv. Digitalisierung und technologische Innovationen ermöglichen hier objektive (computergestützte) Analyseverfahren. Diese bieten sich zwar nicht bei allen Arten von Interventionen an, aber vor allem, wenn es darum geht, das Verhalten der Teilnehmenden zu beeinflussen (z.B. ihre Kommunikation oder die Fähigkeit zur konkreten Zielformulierung), zeigen sie ihre Stärke. So kann beispielsweise Eye-Tracking Veränderungen im Blickverhalten erfassen, computergestützte Textanalyse kann geschriebene oder gesprochene Worte kategorisieren und Prosodieanalysen erlauben durch Auswertung von Silbenlänge und Tonhöhe einen Einblick in die individuelle Art zu sprechen.
DATENGESTÜTZTE PERSONALENTWICKLUNG
IN DER PRAXIS
Ganzheitliche Führung durch Self-Leadership Im Rahmen einer Studie an Führungskräften wird erforscht, wie sich die Führungsleistung und die Stressbewältigungskompetenz infolge eines 6-wöchigen Online-Trainings in Self-Leadership, Leadership- und Mindfulness-Trainings verändern. Bei den Teilnehmenden handelt es sich um Führungskräfte auf der mittleren Ebene, also Modul-, Gruppen- und Segmentleitende sowie deren Stellvertretungen und Teamleitende, die sich durch ein hohes Mass an Verantwortung für ihre Mitarbeitenden sowie das Unternehmen auszeichnen und dadurch einer hohen Arbeitsbelastung ausgesetzt sind. Durch die zufällige Einteilung in Experimental- und Kontrollgruppe können hier besonders verlässliche Aussagen über die Auswirkungen des Trainings getroffen werden. Zusätzlich zur Befragung der Teilnehmenden werden zu jeder Führungskraft je mindestens drei Mitarbeitende befragt, was eine sogenannte Mehrebenenanalyse zulässt. Dieser Prozess findet
einmal vor und einmal nach der Studie statt. Dabei soll herausgefunden werden, ob die Mitarbeitenden ihre jeweilige Führungskraft nach dem Ende der Studie verändert wahrnehmen und ob Veränderungen im Verhalten der Führungskraft zu einer Stärkung der Mitarbeitenden führen.
Visionäre Führung durch Charisma Einen anderen Ansatz zur Steigerung der Führungsleistung verfolgen Trainings zur Steigerung des individuellen Charismas. Aktuelle Forschungsergebnisse konnten zeigen, dass Charisma gar nicht so schwer greifbar und definierbar ist, wie man lange Zeit dachte. Tatsächlich basiert es grösstenteils auf verbalen und nonverbalen Kommunikationstechniken, wie der Nutzung von Metaphern, Kontrasten, emotionaler Sprache, ausgeprägter Gestik, Mimik und Sprachmelodie. Direkt auf diesen und weiteren Befunden aufbauend, wurde deshalb an der Universität Liechtenstein ein datengestütztes Training in charismatischer Kommunikation entwickelt, welches derzeit evaluiert wird. Um eine direkte Übertragung des Trainings in die Praxis sicherzustellen, wird bei diesem Kurs vor allem auf die direkte Einübung der Kommunikationstechniken in verschiedenen Kontexten zurückgegriffen. Neben 360-GradAssessments kommen hier auch Videoaufnahmen für die Evaluierung zum Einsatz, welche händisch Wort-für-Wort und in Folge auch maschinell mittels computergestützter Textanalyse ausgewertet werden. Somit lassen sich Änderungen im Kommunikationsverhalten exakt und objektiv quantifizieren und die Wirksamkeit des Trainings optimieren.
Mehr Resilienz durch Mindfulness Der Arbeitsplatz stellt derzeit den meistgenannten persönlichen Stressor dar; die Verringerung beruflicher Überlastung und die Sicherstellung der psychischen Gesundheit bei Mitarbeitenden ist zu einem der dringlichsten Themen der heutigen Zeit avanciert (World Bank, 2019). Befinden sich jedoch zwei Personen in einer vergleichbar anspruchsvollen Situation, so können manche darin eine Herausforderung sehen und sich persönlich weiterentwickeln, während sich bei anderen lediglich Überforderung und Erschöpfung einstellen. Im Rahmen einer Studie mit Angestellten im Bereich Soziale Arbeit wird untersucht, welche persönlichen Eigenschaften (wie Selbstbewusstsein oder Achtsamkeit) diese verschiedenen Wahrnehmungen verursachen und ob die Teilnehmenden mithilfe von Mindfulness-Trainings ihre Resilienz steigern können. Die Teilnehmenden durchlaufen ein 8-wöchiges Training, in dem sie verschiedene Aufmerksamkeits- und Achtsamkeitsübungen erlernen und mithilfe einer App regelmässig üben. Neben der Datenerhebung per Fragebogen kommt bei dieser Studie zusätzlich ein computergestützter Reaktionszeittest zum Einsatz, bei dem gemessen wird, wie schnell und genau die Teilnehmenden emotionale Mimik erkennen und darauf richtig reagieren.
DATEN ALS VORTEIL FÜR DIE GESAMTE REGION
Warum lohnt es sich nun, derart aufwendige Studien durchzuführen? Für die Entwicklung eines neuen Medikaments ist die sorgfältige Evaluation der Wirksamkeit schnell einleuchtend; geht es aber um «weichere» Auswirkungen wie etwa die Effektivität von Führungsverhalten, vertrauen viele auf persönliche Erfahrung und andere wenig wissenschaftliche Datenquellen. Den Sustainable Development Goals der UNO zufolge ist qualitativ hochwertige Bildung jedoch ein Grundpfeiler einer nachhaltigen gesellschaftlichen Weiterentwicklung. Um diesem Ziel gerecht zu werden, reicht es auch nicht aus, Daten aus wissenschaftlichen Studien heranzuziehen, um Trainings zu gestalten. Wir benötigen auch Daten, um deren Wirksamkeit zu überprüfen, sie stetig weiterentwickeln und so die höchsten Qualitätsstandards sicherstellen zu können. Nur dann können wir substanziell zum aktuellen Forschungsstand beitragen und den Teilnehmenden unserer Trainings die grösstmöglichen Erfolge in Aussicht stellen.
Die Resultate werden sowohl für Führungskräfte als auch für Unternehmen der Region von grossem Interesse sein, denn Führungskräfte und Mitarbeitende, die über ein hohes Mass an Self-Leadership-Kompetenz, Charisma und Achtsamkeit verfügen, können erwiesenermassen effektiver mit Stress umgehen, flexibler und proaktiver an ihre Aufgaben herangehen und sicherer in einem dynamischen Umfeld agieren. Sie werden ihre Teams objektiv betrachtet geschickter wie auch in der eigenen subjektiven Wahrnehmung effektiver führen. Charismatische Führungskräfte haben sich vor allem in Krisenzeiten als essenziell erwiesen, Unternehmen möglichst wohlbehalten aus unsicheren Gewässern hinauszusegeln. Diese besondere Fähigkeit, die den Unterschied zwischen Unternehmenserfolg und -misserfolg ausmachen kann, beruht vor allem auf der Kompetenz von Führungskräften, effizient zu kommunizieren, ihren eigenen Enthusiasmus auf ihre Mitarbeitenden zu übertragen und eine gegenseitige Identifikation zu erleichtern.
Der Erfolg dieser Trainings sowie deren Wert für die Praxis kann nur dann sichergestellt werden, wenn Daten in all ihrer Breite und Tiefe und aus unterschiedlichsten Quellen bei ihrer Erstellung einbezogen und für ihre laufende Evaluierung und Weiterentwicklung eingesetzt werden. Trainings in Self-Leadership, Achtsamkeit und charismatischer Kommunikation können einen wertvollen Beitrag dazu leisten, gute Führungskräfte zu herausragenden zu machen. Unternehmen, die ihren Angestellten eine gezielte Kompetenzentwicklung ermöglichen, können Burnout-Risiken vermeiden sowie die individuelle Stresstoleranz und Führungsleistung steigern. So wird die nachhaltige Innovationsfähigkeit des Unternehmens gewährleistet, was sich schliesslich positiv auf das Unternehmen und die Gesellschaft auswirkt.
Simon Liegl, Wissenschaftlicher Mitarbeiter / Doktorand am Lehrstuhl für Entrepreneurship und Leadership
Sebastian Moder, Wissenschaftlicher Mitarbeiter / Doktorand am Lehrstuhl für Entrepreneurship und Leadership
Julia Tenschert, Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Entrepreneurship und Leadership
Referenzen
– Antonakis, J., Bastardoz, N., Jacquart, P., & Shamir, B. (2016). Charisma:
An ill-defined and ill-measured gift. Annual Review of Organizational
Psychology and Organizational Behavior, 3, 293-319. – Antonakis, J., Fenley, M., & Liechti, S. (2011). Can charisma be taught?
Tests of two interventions. Academy of Management Learning & Education, 10(3), 374-396. – Avolio, B. J., Reichard, R. J., Hannah, S. T., Walumbwa, F. O., & Chan, A. (2009). A meta-analytic review of leadership impact research: Experimental and quasi-experimental studies. The Leadership Quarterly, 20(5), 764-784. – World Bank. (2019). World development report 2019: The changing nature of work.