INTERVIEW 15
Technik und Didaktik: Ein Henne-Ei-Problem Die Corona-Krise war ein Impulsgeber für digitales Lernen an den Hochschulen. Um solche Ansätze künftig zu forcieren, braucht es entsprechende didaktische Konzepte und technische Skills, sagt der Universitätsprofessor für technologiegestütztes Lernen Stefan Oppl.
Illustration: Matthieu Bourel
Interview: Tanja Traxler
upgrade: Welche Chancen birgt die Digitalisierung der Hochschullehre Ihrer Meinung nach? Stefan Oppl: Die größte Chance dabei ist, Personen akademische Bildungsangebote zu machen, die sonst nicht die Möglichkeit dazu hätten. Es gibt viele Faktoren, die jemanden daran hindern können, ein klassisches Studium zu absolvieren: Betreuungs pflichten, Erwerbstätigkeit, Sprach kennt nisse oder Schulbildung. Leider ist es immer noch so, dass viele Studien für einen prototypischen Ideal-Studierenden konzipiert sind und nicht für Heterogenität. Technologie und Digitalisierung können die Werkzeuge liefern, um Bildung zugänglicher zu machen. Welche Risiken müssen dabei im Blick behalten werden? Oppl: Problematisch ist, wenn Technologie unreflektiert eingesetzt wird. Beispielsweise
bloß, weil die Technologie da ist oder weil man denkt, es wird dadurch günstiger und effizienter. Die Vorstellung, dass eine aufgezeichnete Lehrveranstaltung dazu führt, dass wir nicht mehr präsent sein müssen, erfüllt sich nicht in der Realität. Die Technologie ist nicht so weit, die Lehrperson zu ersetzen – das wäre auch eine Dystopie. Technologie kann nur ein Werkzeug sein, kein Ersatz für die Präsenz von Lehrenden. Bedingt durch die Corona-Krise wurde die Hochschullehre vielerorts rasch auf Distance Learning umgestellt. Denken Sie, die Lehrenden werden nach der Pandemie anders unterrichten als zuvor? Oppl: Mein Eindruck war, dass der Umstieg erstaunlich gut funktioniert hat. An den Hochschulen hat sich in den vergangenen Monaten definitiv mehr bewegt, als sonst in zehn Jahre weitergegangen wäre. Meine Sorge ist aber, dass wenig hängenblei-
upgrade 2/2020