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RÜCKSPIEGEL

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Take it easier

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Mittagstisch für Studierende: Restaurant Plattengarten.

RÜCKSPIEGEL — 1918

Kalte Hörsäle, warmes Essen

Aufgrund des knappen Heizmaterials wurde im Winter 1918/19 der Stundenplan gestrafft. Vielen Studierenden war es zeitlich nicht mehr möglich, zuhause zu essen. Der Anglist und damalige Rektor Theodor Vetter wollte deshalb in Universitätsnähe einen Mittagstisch schaffen. Zunächst reagierten die Behörden verhalten. Ausserdem herrschte ein Konkurrenzkampf, da die Freistudentenschaft ähnliche Ambitionen hegte. Vetter gab nicht auf und intervenierte erfolgreich beim Erziehungsrat. Schlussendlich rauften sich die UZH, die ETH und die Ernährungsämter des Kantons und der Stadt Zürich zusammen und eröffneten einen Mittagstisch im Restaurant Plattengarten.

Betrieben wurde er von Gattinnen von Professoren und freiwilligen «jungen Frauen». Die Studierenden konnten sich so über Mittag für 1.20 Fr. verpflegen. Im Schnitt nutzten über 140 Personen das Angebot. Nach Auflösung des städtischen Lebensmittelamtes und seiner Küche übernahm der Verein «Volkswohl» den Betrieb. Im PhysikalischTherapeutischen Institut wurde für mehrere tausend Franken eine neue Küche eingerichtet. Die Kostenübernahme blieb ungeklärt und noch acht Monate nach der Errichtung warteten die Gläubiger auf ihr Geld. Ausserdem sank 1921/22 die Zahl der Besuchenden stark. Vetter schrieb daraufhin seinem Nachfolger im Rektorat. Die Studierenden würden sich beklagen, aber Verbesserungsvorschläge blieben aus. Ausserdem gebe es «ein lächerliches Wettrennen verschiedener Institutionen». Die «Herren Theologen» sammelten sogar Geld in den Kirchen für das christliche Studentenheim und die Katholiken verfolgten ähnliche Ziele.

Der Rektor antwortete, dass der Mittagstisch als unflexibel empfunden werde, da man für eine ganze Woche Mahlzeiten kaufen müsse. Weiter seien die Möglichkeiten wieder besser, um zuhause zu essen, und die ganz armen Studierenden könnten nicht mehr als einen Franken pro Tag ausgeben. Auch die gehegten Hoffnungen, die Liegenschaft zu erwerben und ein Studentenheim einzurichten, zerschlugen sich. So wurde der Mittagstisch nach drei Wintersemestern 1922 eingestellt.

Martin Akeret, Leiter UZH-Archiv

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