Wolfgang Buschmann, geboren 1943, war Schulleiter im Erzgebirge. Er machte sich seit 1974 als Kinderbuchautor mit zehn Titeln beim Kinderbuchverlag Berlin, einen Namen.
Eine Sammlung verspielt-tiefschürfender Gedichte. Ausflüge in die konkrete Poesie stehen neben vergnügten Wortspielen, Ernst und Können findet man im fröhlichsten Humor. Die Lüge muss mit ernstem Gesicht auftreten - es ist die Wahrheit, die immer auch mit einem Lachen gesagt werden kann. Wolfgang Buschmann dichtet dieses Lachen der Wahrheit.
16.90 EUR [D] ISBN 978-3-940884-19-0
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© VAT Verlag André Thiele, Mainz am Rhein 2011 Umschlag: Christine Brand, Leipzig Satz und Gestaltung: Heerde Grafik Lektorat: Nora Bartels Druck und Bindung: Anrop Ltd., Jerusalem Alle Rechte vorbehalten. www.vat-mainz.de ISBN 978-3-940884-19-0
Wolfgang Buschmann
DER DICHTER HAT DEN DICKSTEN BAUCH
Verlag André Thiele
I
Der Dichter hat den dicksten Bauch. Die Leute sagen: Was, Sie auch? Kommen die Wehn? Gibt es Beschwerden? Wissen Sie schon, was es wird werden? Wirds ein Gedicht? Wirds ein Roman? Wann kommt das Kindlein endlich an? Ich bin nicht schwanger, sagte nett der alte Dichter, ich bin fett.
7
Was kann man als Dichter erwarten? Disteln im Blumengarten, Trauer um verwelkte Liebe. Vom Kritiker Tritte und Hiebe, Ebbe im Portemonnaie doch auch das Tiefste, den Satz! (im Kaffee).
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DICHTER – EIN WUNDERBARER BERUF Dichter Wald genoss das Sein. Dichter Krug war voller Wein. Dichter Staub lag auf dem Bett. Dichter Tiegel briet Kotelett. Dichter Busch lauschte dem Specht. Dichter Schirm entspannte echt. Dichter Rauch zeigte sein Werk. Dichter Reif zog übern Berg. Dichter Deich sang mit dem Meer. Dichter Hagel tanzte sehr. Dichter Pelz wärmte das Ohr. Dichter Pulk lief durch das Tor. Dichter Dampf entstieg dem Bad. Dichter Rasen golfte grad. Dichter Schaum blies blaue Blasen. Dichter Ball sprang übern Rasen. Dichter Hut besaß Verstand. Dichter Samt war weltbekannt. Dichter Postsack packte Geld. Dichter Rucksack sah die Welt. Dichter Zaun hielt hundert Pfauen. Dichter Zwirn umgarnte Frauen. Dichter Park verbarg die Schöne. Dichter Zweig strich ihr die Beene. Dichter Bart lockte das Haar. Dichter sein ist wunderbar!
9
DICHTER KUNATH VERSUCHT, SICH AUF DIE DINGE DER WELT EINEN REIM ZU MACHEN Stern Stein Meer Delfin Halme Rind Mensch
– – – – – – –
fern Sein ringsumher ziehn Palme Wind Zensch? Lensch? Geflensch?
DER REIM Mord! ich kleb am Leim, röchelte der Reim. Schrecklich ist es, hier zu kleben, flatternd zwischen Tod und Leben, sterbend zwischen Fliegen, Mücken. Bitte mich schnell zu erdrücken! Dichter sah die Not. Klatsch, der Reim war tot. Denkste! Tot waren die Fliegen. Reime sind nicht totzukriegen.
10
DICHTER WIGLAFF EXPERIMENTIERT MIT ALTEN FORMEN UND TEILT ETWAS ÜBER DIE PFLEGE DES KLASSISCHEN VERSFUSSES MIT Dichter Wiglaff denkt versunken: Klopstocks Versfuß hat gestunken! War der Alte auf Verlangen Rilkes viel zu weit gegangen? Hat er ihm, bei Epilogen, dicke Socken angezogen? Warum hat er ihn in Gassen aus Kopfstein nie springen lassen? War der Schuh, zum Schaft geführt, zudem allzu fest geschnürt? Auf dem schweren Weg zum Preis ward der Versfuß nass vom Schweiß! Ist kein Wunder, wenn er stinkt und am Ende schlurft und hinkt. Wie dem sei, er muss in raschen Kreisen ihn im Fußbad waschen. Danach wird er gut gepflegt, eingesalbt und hochgelegt. Wenn er einen Fußpilz hat, ab zum Doktor in die Stadt! Kalt geduscht und warm frottiert, läuft er wieder wie geschmiert! Alter, zeige, was du kannst, wenn du, fest im Rhythmus, tanzt!
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DER KRACH Der Dichter mahnt die Muse: Hรถr auf mit dem Geschmuse! Was nutzt mir Kuss auf Kuss? Los, setzt dich hin! Schreib ein Gedicht! Ein gutes, klar! Kannst du das nicht, dann mach ich mit dir Schluss.
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KOLLEGIALER HINWEIS Klempner Kaprun nahm mich beiseite und sprach zu mir: Wir dichten beide! Doch mein Gedicht, dies zu berichten, zählt immer zu den wasserdichten. Was man von deinen, guter Mann, den Faltschiffchen, kaum sagen kann. Im Dorfbach schwimmen sie recht schÜn, eh sie im Strom, leck, untergehn.
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DICHTERSCHULE Wer sein Gedicht ins Wasser schreibt, der sieht sofort, was davon bleibt. Gibts dazu andre Meinung hier? Nein, nicht. Dann sparen wir Papier. Und alle Dichter gehen gleich runter zum Teich!
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VERGEBLICHKEIT – EINE ART TRINKLIED Ein erotisches Gedicht bring ich, doch es trägt mich nicht. Deshalb lass ichs lieber sein und trink einen Moselwein. Ein naturnahes Gedicht bring ich, doch es rettet nicht. Deshalb lass ichs lieber sein und trink noch ’nen Moselwein. Ein politisches Gedicht bring ich, doch es ändert nicht. Deshalb lass ichs lieber sein, und trink! – Mensch, ich bin ein Schwein! Heute noch mach ich die Frau, die regiert, sehr derb zur Sau. Dann schlaf ich zufrieden ein, hingestreckt vom Moselwein.
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IM HAUS AM FRAUENPLAN, VERWALTET VON ECKBERT WINTERFELD, DER IN SEINER FREIZEIT GEDICHTE SCHREIBT Wenn ich vor dem Denkmal steh, es begreife, in mich geh, und ich darf des großen Alten Marmorbild in Armen halten, darf es wischen, zag berühren, das Gewicht der Werke spüren; bis ich, eingeknickt im Knie, abzustützen es mich müh, wobei ich mit Lappen, Tuch Arm und Hand zu wischen such, muss ich mir, von Schmerz benommen, kraftlos, welk und klein vorkommen. Denn der Marmor drückt mir jetzt auf den Kopf, hart aufgesetzt! Nein, die Last kann ich nicht tragen! Kurz vorm Fall darf ich es klagen: Goethe war, trotz Stock und Falten, stark genug, Juno zu halten. Von Stein war ihm nie zu schwer, er stemmte Pindar, Homer. Aus der Last zog er die Kraft, in den Adern stieg der Saft. Er war bis ins hohe Alter ein Titan als Büstenhalter!
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DIE KLAGE DES LYRIKERS J. STILLER Bei mir im Haus, das ist ein Ding, zog ein Familie Schmetterling. Erst war sie leise, jedoch dann zeigt jeder, wie er schmettern kann. Der groĂ&#x;e Sohn, der Tom, der schnelle, schmettert ins Fenster Tennisbälle. Der mittlere, der schmettert jede Nacht laut auf einer Wecktrompete. Der kleinste, das ist allerhand, schmettert die Fibel an die Wand. Die Schwester, um von der zu reden, schmettert Kirschsaft an Tapeten. Hab allen Viern das Fell gegerbt! Umsonst, das Schmettern ist vererbt. Der Vater schmettert auf die Mutter Bierflaschen, Becher, Wurst und Butter. Die Mutter schmettert auf den Vater Bratpfannen, Teller, Besen, Hader. Ich hab geklagt und laut gewettert. Die Klage wurde abgeschmettert. Kein Ort! Nirgends! Wo kann ich bleiben? Wo essen, trinken, schlafen, schreiben? Herr, Gott, ich hielts im eignen Haus bei dem Geschmetter nicht mehr aus. Seitdem wohn ich im Fahrradschuppen und warte, bis sie sich verpuppen. 17
ERMAHNUNG Wie, du hast ein Buch geschrieben? Auf, Poet, jetzt fix gemacht! Kunz, mein Bester, hat schon sieben, und Karl May hat mehr als acht!
ENTWICKLUNG Kunz entwickelte sich stark. Wenn ich seine Verse lese, merk ichs. Fr체her schrieb er Quark, heute schreibt er K채se.
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KRITERIUM DER WAHRHEIT Wirkt der Dichter asozial, bettelt er vorm Lesesaal, wird Kunst klar. Jeder entdeckt jetzt das lyrische Subjekt.
BEFÜRCHTUNG Ein Jahr sitzt Kunz am Buch und schreibt. Hinz fürchtet, dass er sitzen bleibt!
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Wolfgang Buschmann, geboren 1943, war Schulleiter im Erzgebirge. Er machte sich seit 1974 als Kinderbuchautor mit zehn Titeln beim Kinderbuchverlag Berlin, einen Namen.
Eine Sammlung verspielt-tiefschürfender Gedichte. Ausflüge in die konkrete Poesie stehen neben vergnügten Wortspielen, Ernst und Können findet man im fröhlichsten Humor. Die Lüge muss mit ernstem Gesicht auftreten - es ist die Wahrheit, die immer auch mit einem Lachen gesagt werden kann. Wolfgang Buschmann dichtet dieses Lachen der Wahrheit.
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