Gerhard Veit | Jeffrey Veit
Obstbaumschnitt Kulturgeschichte, Schnitt und Pflege
Gerhard Veit | Jeffrey Veit
Obstbaumschnitt Kulturgeschichte, Schnitt und Pflege
verstehen - handeln - gestalten
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Inhaltsverzeichnis Vorwort........................................ 7
3. Ziel des Schnittes Von der Naturkrone zur Kulturform.... 54
1. Geschichte des Obstbaus
Schnittzeitpunkt ............................... 56
Bodenkultur und Obstbau . ............... 10
Werkzeuge für den Obstbaumschnitt............................... 60
Anfänge des Obstbaus....................... 11 Gen Zentren...................................... 13 Griechische und römische Kultivierung....................................... 16 Die Germanen................................... 18 Im Schutz der Klostermauern............. 19 Kaiser und Könige . ........................... 22 Herrschaftliche Lustgärten und die Ausdehnung in die Landschaft........... 24 Von Lucas bis heute .......................... 28
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Entwicklung des Obstbaumschnitts . ........................... 32
4. Gesetzmäßigkeiten der Schnittwirkung Gesetze der Triebbildung .................. 68 Gesetze des Rückschnitts .................. 72 Fruchtholzerneuerung ...................... 74 Fruchtholzneutrieb ........................... 75 Der richtige Schnitt .......................... 76
5. Schnittmaßnahmen in den verschiedenen Altersphasen Pflanzschnitt ..................................... 80
2. Aufbau des Obstbaumes
Erziehungsschnitt . ............................ 82
Bestandteile des Baumes.................... 36
Überwachungsschnitt ....................... 84
Wurzelarten und Pflanzung................ 38
Verjüngungsschnitt ........................... 86
Versorgungssystem des Baumes......... 42 Veredelung........................................ 44
6. Allgemeine Kulturhinweise
Ast- und Triebformen......................... 48
Empfehlenswerte Sorten.................... 90
Baumformen der Obstgehölze........... 49
Befruchtung...................................... 96
Unterlagen bei Obstgehölzen ........... 50
Alternanz / Ausdünnen........................ 97
Wundbehandlung.............................. 98 Baumanstrich / Kalkbrühe .................. 99 Pflanzenschutz . .............................. 100 Düngung . ...................................... 101
7. Anhang Adressen.......................................... 104 Literaturverzeichnis ......................... 105 Abbildungsnachweis........................ 106 Impressum ...................................... 107
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Vorwort Der Obstanbau ist seit hunderten von Jahren ein fester und wichtiger Bestandteil im Leben des Menschen. In der letzten Zeit hat die Neuanpflanzung von Obstgehölzen in den Hausgärten und das Anlegen von Streuobstwiesen wieder verstärkt Zuspruch gefunden. Obstbäume dienen als Gestaltungselement in den Gärten und in der Landschaft. Sie fördern den Lebensraum der Tier- und Pflanzenwelt und verbessern das Kleinklima. Die Menschen schätzen besonders die schöne Blüte im Frühjahr. Am Wichtigsten ist die reiche Obsternte im Herbst, die auf vielfältige Weise verwendet werden kann. Für die richtige Erziehung des Obstbaumes sind fundierte Kenntnisse in der Pflege und im Schnitt notwendig. In diesem Buch werden die Grundlagen des Obstbaumschnitts durch theoretische Ausführungen und erklärende Illustrationen verständlich dargestellt.
Gerhard Veit & Jeffrey Veit Landshut, Februar 2009
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Ge schichte de s O bs t baus Die Kunst, Obstbäume zu schneiden und zu pflegen, ist aus dem Altertum bekannt. Die Schnittmaßnahmen haben sich im Laufe der Jahrhunderte immer wieder durch neue wissenschaftliche Erkenntnisse und moderne Anbausysteme verändert.
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[ Geschichtliche Entwicklung des Obstbaus]
Bodenkultur und Obstbau
B
odenkultur und Obstbau sind
lungen in unterschiedlichen Gebie-
stets eng miteinander verbun-
ten zu verschiedenen Zeiten und zu
den. Noch im 18. Jahrhundert
unterschiedlichen
glaubte man, dass Haustierzucht,
statt. Insofern ist es völlig natürlich,
Bedingungen
Ackerbau und Obstbau im orienta-
dass nebeneinander verschiedene
lischen Südwesten entstanden sind,
Zentren und Stufen landwirtschaft-
d.h. in den fruchtbaren Gebieten
licher Kultur, verschiedene Haus-
südlich vom Kaspischen Meer. Man
und Nutzpflanzenarten, die sich
war der Annahme, dass von dort die
Anfangs in Abgeschlossenheit ent-
gesamte Kultur zu den Völkern der
wickelten, später in der Zeit der Völ-
Mittelmeerländer, den Griechen
kerwanderungen vermischten und
und den Römern kam. Durch diese
ihre Errungenschaften gegenseitig
Vorläufer der heu-
Völker gingen die Kenntnisse über
ergänzten. Dieser Zusammenstoß
tigen Wildobstar-
die Alpen zu den nördlichen Stäm-
war auch der Anfang eines neuen
men. Dennoch haben die Menschen
Fortschritts in der Geschichte des
in sehr weit auseinander gelegenen
Obstbaus. [Schulz, 1913]
ten gab es schon
¬
in der Kreidezeit
und im Tertiär
Gebieten zu verschiedenen Zeiten und unabhängig voneinander eine Entwicklung aus Jägern oder Hirten zu Ackerbauern vollzogen, wobei die Haustier- und Nutzpflanzenzucht von jeder Volksgemeinschaft selbstständig erfunden wurde. So fanden immer unterschiedliche Entwick-
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[ Geschichtliche Entwicklung des Obstbaus]
Anfänge des Obstbaus
D
ie Entwicklung vom Wildobst
mend). [Schweigert, 1991]
bis zu den heutigen Kultursor-
Unsere jungsteinzeitlichen Vorfah-
ten war ein langer Weg. Vorläufer der
ren (ca. 3000 – 1800 v. Chr.) sammel-
heutigen Wildobstarten gab es schon
ten Äpfel, Birnen, Pflaumen, Kir-
in der Kreidezeit und im Tertiär. Be-
schen, Schlehen, Holunderbeeren,
reits vor 70 Millionen Jahren gab es
Haselnüsse und vieles mehr. Aus
in den tropischen und subtropischen
dem Fund einer Apfelfrucht aus die-
Gebirgswäldern Südostasiens primi-
ser Zeit aus Gemarkung Heilbronn-
tive Vorläufer der Wildäpfel. Auf-
Böckingen und anderen Funden, wie
grund des warmen Klimas im Tertiär
den sogenannten Pfahlbauäpfeln im
konnten sich die Gefäßpflanzen, zu
Bodenseeraum, sowie bei den Seen
denen der Apfel gehört, stark entfal-
im Schweizer Mittelland wird gefol-
ten. Aus der Zeit des Oberpliozäns
gert, dass sowohl der Süßapfel (Ma-
(3,8 – 2,5 Millionen Jahre) sind ver-
lus pumila), als auch der Holzapfel
steinerte Apfelkerne bekannt. Sie
(Malus sylvestris) schon in der mitt-
werden Malus fossilis (versteinerte
leren Steinzeit (ca. 5000 Jahre v.
Äpfel) genannt. [Hegele, 2007]
Chr.) bei uns heimisch gewesen sind.
So fand man Abdrücke in Sauerwas-
[Winter/Jansen/Kennel/Link/Silberei-
serkalk von Äpfeln in Stuttgart-Un-
sen, 1981]
tertürkheim, die ca. 120000 Jahre
Aus den Samen weggeworfener
alt sind. Die kleinen Äpfelchen wer-
Fruchtreste wuchsen, ohne Zutun
den als Holzapfel bezeichnet und der
der Menschen, fruchttragende Bäu-
Art Malus sylvestris zugeordnet. (syl-
me und Sträucher im Umfeld der
vestris = wild, im Wald vorkom-
Siedlungen. Natürlich handelte es
Der Süßapfel und der Holzapfel sind seit ca. 5000 v. Chr.
¬
bei uns heimisch
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Au f bau de s Baume s Die ObstgehĂślze bestehen in der Regel aus zwei Partnern: der Unterlage und der Edelsorte. Diese beiden Partner werden durch die Veredelung zusammengefĂźgt.
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[ Aufbau des Obstbaumes]
Bestandteile des Baumes Die Unterlage ist der wurzelbildende Teil der Pflanze. Sie beeinflusst maßgeblich die Entwicklung des Baumes:
› Gesamtgröße › Wuchsstärke › Alter › Standfestigkeit › Widerstandsfähigkeit (Krankheiten; Frosthärte) › Qualität der Früchte › Ertragsbeginn
› Ertragshöhe › Pflegeansprüche
Die Edelsorte wird mit der Unterlage zusammengefügt. Hierzu gibt es ver-
¬
Veredelungsstelle
schiedene Veredelungstechniken, z.B. Reiserveredelung oder Augenveredelung. Die meisten Obstgehölze bestehen aus zwei Teilen, bei der Verwendung eines Stammbildners aus drei Teilen. Zwischen der Unterlage und der Edelsorte wird ein Stammbildner eingefügt. Besonders bei Hochstämmen findet diese Methode Anwendung. Vorteile des Stammbildners:
› Ausbildung eines geraden Stammes › Erhöhte Widerstandsfähigkeit › Bessere Verträglichkeit mit der Edelsorte
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Edelsorte
Mitte
Leitäste
Stammbildner
FruchtspieĂ&#x; Veredelungsstelle 2
Unterlage
Veredelungsstelle 1
Wurzelwerk
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Ziel de s Schnit te s Von der Naturkrone zur Kulturform.
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[Ziel des Schnittes]
Von der Naturkrone zur Kulturform Durch den Baumschnitt wird die Naturkrone zur Kulturform. Der natürliche Aufbau wird dabei bewusst zerstört. Um ein übersichtliches und kräftiges Gerüst zu erreichen, wird eine bestimmte Anzahl von Trieben gefördert, indem man die Konkurrenztriebe herausnimmt. Auswirkungen der richtigen Schnittmaßnahmen › Verbesserung des Lichteinfalls (gute Ausfärbung der Früchte) › Verkahlung des Kronenkerns wird gemindert › Förderung eines kräftigen Gerüsts › Vergrößerung der Ertrag produzierenden Baumkrone › Regelmäßiger Ertrag › Verminderung der Alternanz
Pfropfen der Bäume,
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Holzschnitt, Ulm 1679
Blütengrundriß einer Süßkirsche
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[Ziel des Schnittes]
Schnittzeitpunkt Winterschnitt Das Schneiden der Obstbäume wurde früher von den Landwirten aus arObstbaum bei Berndorf / Landshut
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im Winter
beitstechnischen Gründen nur im Winter durchgeführt. Aus pflanzenphysiologischer Sicht besteht dazu kein Grund:
› Im Winter besteht das Problem des Wundverschlusses › Durch die stark verminderten Lebensvorgänge im Baum ist die Wundverheilung schlechter, als bei späteren Zeitpunkten › Der Winterschnitt hat zur Folge, dass das Holzwachstum gefördert wird
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› Je früher im Winter geschnitten wird, desto stärker ist der Austrieb › Zeitpunkt: Februar bis April › Bei Temperaturen unter –5˚ Celsius sollte nicht mehr geschnitten werden, da kein sauberer Schnitt durchgeführt werden kann
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Sommerschnitt In den letzten Jahren hat das Schneiden im Sommer nicht nur im Erwerbsobstanbau, sondern auch im Hausgarten vermehrt Zuspruch gefunden. Dies hat folgende Gründe:
Gut ausgereifte Früchte
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nach dem Sommerschnitt
› Geringes Wachstum nach dem Schnitt, besonders stark wüchsige Sorten kann man dadurch ruhig halten (ausgeglichenes Wachsen und Fruchten) › Alternanzminderung (periodisches Tragen) › Besonders bei Süß- und Sauerkirschen geeignet, da weniger Gummifluss auftritt › Möglichkeit zur Verbindung von Ernte und Schnitt › Zeitpunkt: Ende Juli bis Ende August
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Schnit t maßnahmen in den ver schie denen A lter sphasen Von der Anzucht bis zum Absterben eines Obstbaumes werden im Laufe der Jahre verschiedene Schnittmaßnahmen durchgeführt.
ÂťDer Garten ist der letzte Luxus unserer Tage, denn er erfordert das, was in unserer Gesellschaft am kostbarsten geworden ist: Zeit, Zuwendung und Raum.ÂŤ
ISBN 978-3-00-026715-4
9 7830 0 0 267154
Dieter Kienast