Verbrecher Verlag Vorschau Herbst 2014

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Verbrecher Verlag Vorschau herbst 2014 w w w. V e r b r e c h e r e i . d e


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VERBRECHER VERLAG

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Konditionen für den Buchhandel Wir würden uns freuen, wenn Sie einen oder mehrere der hier vorgestellten Titel in Ihr Sortiment aufnehmen. Reiserabatt 40 %, Partien 11/10 sind selbstverständlich. Unsere Bücher sind auch über die Barsortimente Umbreit, KNV und LIBRI zu beziehen.

Verlag Verbrecher Verlag Jörg Sundermeier Gneisenaustraße 2a 10961 Berlin tel 030/28 38 59 54 fax 030/28 38 59 55 info@verbrecherei.de www.verbrecherei.de

Verbrecher Versammlungen Jeden zweiten und vierten Dienstag im Monat ruft der Verbrecher Verlag ab 20:30 Uhr zur Verbrecher Versammlung in der Fahimi-Bar in der Skalitzer Straße 133 in 10999 Berlin-Kreuzberg. Dort wird gelesen, gehört, gesehen und diskutiert. Das jeweilige Programm finden Sie auf unserer Webseite.

Presse & Lesungen Kulturagentur Rahm Evelyn Rahm Gneisenaustraße 2a 10961 Berlin tel 030/39 37 51 29 fax 030/28 38 59 55 info@kulturagentur-rahm.de evelyn.rahm@verbrecherei.de

Lesungen Unsere Autorinnen und Autoren stehen gerne für Lesungen zur Verfügung. Bitte wenden Sie sich an Evelyn Rahm.

Weitere Informationen zu unserem Verlagsprogramm und den Autorinnen und Autoren finden Sie unter www.verbrecherei.de

Der Verbrecher Verlag unterstützt die Arbeit der Kurt Wolff Stiftung, Leipzig.

Rechte & Lizenzen Herbach & Haase Literarische Agentur Xantener Straße 2 10707 Berlin tel 030/88 00 16 07 fax 030/88 00 16 09 info@herbach-haase.de Filmrechte Diadik GmbH Roland Schmidt Hohenzollerndamm 7 10717 Berlin tel 030/69 20 59 54 fax 030/69 20 99 59 mail@diadik-lizenzen.de Theaterrechte schaefersphilippen™ Marc Schäfers und Tobias Philippen Gottesweg 56–62 50969 Köln tel 0221/67 77 21 70 fax 0221/67 77 21 79 buero@schaefersphilippen.de

Verlagsvertretung Deutschland Büro indiebook Bothmerstr. 21 80634 München Tel.: 089 / 12 28 47 04 Fax: 089 / 12 28 47 05 www.buero-indiebook.de Nicole Grabert grabert@buero-indiebook.de Baden-Württemberg, Bayern, RheinlandPfalz, Saarland Regina Vogel vogeol@buero-indiebook.de Berlin, Brandenburg, Hessen, MecklenburgVorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Thüringen Christiane Krause krause@buero-indiebook.de Bremen, Hamburg, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Schleswig-Holstein Verlagsvertretung Schweiz Andreas Meisel Hedingerstrasse 13 CH-8905 Arni tel +41 (0)56 634 24 28 fax +41 (0)56 634 24 28 andreas.meisel@bluewin.ch Auslieferung Deutschland / Österreich LKG Leipziger Kommissions- und Großbuchhandelsgesellschaft mbH An der Südspitze 1–12 04579 Espenhain tel +49 (0)3 42 06 65 - 124 fax +49 (0)3 42 06 65 -17 56 kwolf@lkg-service.de Auslieferung Schweiz Kaktus Verlagsauslieferung Unterlachenstrasse 32 / Postfach 3120 CH-6002 Luzern tel +41 (0)41 202 14 17 fax +41 (0)41 202 14 18 auslieferung@kaktus.net www.kaktus.net


VORWORT

Liebe Leserinnen und Leser, der Verbrecher Verlag wurde auf der Leipziger Buchmesse mit dem Kurt-Wolff-Preis 2014 ausgezeichnet – wir danken sehr für die vielen Gratulationen! Wir hoffen, Ihnen auch in diesem Herbst ein Programm präsentieren zu können, das eines Preisträgers würdig ist. Den Finnland-Schwerpunkt der Frankfurter Buchmesse 2014 bereichern wir mit einem Klassiker – Henrik Tikkanens Roman »Brändövägen 8 Brändö. Tel. 35« wird den großen Autor auch dem deutschen Publikum bekannt machen. Zudem freuen wir uns, mit »Schmutzige Hände« den langersehnten zweiten Teil des Monumentalromans »Das Büro« des niederländischen Autors J. J. Voskuil vorlegen zu können. Eine Publikation der weiteren Bände ist in rascher Folge geplant. Vorsicht, hier herrscht Suchtgefahr! Das sind nicht die einzigen Klassiker in diesem Programm – so erscheint der siebte Band in der Edition der Tagebücher Erich Mühsams, und auch die Christian Geissler-Werkausgabe wird mit »Schlachtvieh / Kalte Zeiten« fortgesetzt. Mit dem Erzählungsband »Kopfstand« legen wir endlich wieder ein Buch des großen Autors Aras Ören auf Deutsch vor! Mit den Illustrationen des Malers Wolfgang Neumann wird dies ein einzigartiges Buch, das passend zum 75. Geburtstag Örens erscheint. Mit Karsten Krampitz und Björn Kuhligk präsentieren wir zwei jüngere Autoren, die allerdings beide schon längst bekannt sind. Krampitz’ Roman »Wasserstand und Tauchtiefe« und Kuhligks Berliner Szenen in »Großraumtaxi« werden mit ihrem Humor überzeugen! Im Sachbuchbereich sticht die Analyse »Yuropa« von Tanja Petrović hervor, die uns einen neuen Blick auf das ehemalige Jugoslawien werfen lässt. Der Inhalt der Studie »Alfred Andersch desertiert« wiederum wird nicht nur die vielen Andersch-Fans überraschen. Und der Band »Klasse – Geschichte – Bewusstsein« entdeckt Georg Lukács’ Werk neu. In unserer Filmliteratur-Reihe »Filit!« erscheint der Band »Die Entdeckung Deutschlands«, der zeigt, wie avantgardistische Kunstformen schon während des Ersten Weltkrieges der Propaganda dienten. In unserem Verlag gibt es zwei Veränderungen: Zum einen vertreibt der Verbrecher Verlag nun den von Johannes Grützke begründeten Goethe Verlag und von nun an wird unser Vertrieb von Kristine Listau geleitet. Wir hoffen, dieses Herbstprogramm gefällt Ihnen so gut wie uns! Ihre Verbrecherinnen und Verbrecher

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PRESSESTIMMEN ZU

Das Büro 1. Direktor Beerta PRESSESTIMMEN

Der Roman entfaltet einen Sog, der einen mitnimmt und tröstet. »Das Büro« ist aber mehr als ein Trost-, es ist ein Weltroman. Elmar Krekeler, Die Welt Was Voskuil aus einem unscheinbaren Berufs- und Privatleben als Volkskundler und Literat in Worte gegossen hat, gehört zu den ganz großen Werken des 20. Jahrhunderts. Dirk Schümer, FAZ Eine Art literarischer Lebensalltagsbegleiter. Anja Hirsch, Deutschlandfunk »Das Büro« ist real existierendes, absurdes Wichtelmännchen-Theater, ungeschminkt, trocken und urkomisch. Peter Urban-Halle, Neue Zürcher Zeitung Wer »Stromberg« guckt und Luhmann liest, wird den 800-Seiten-Roman »Das Büro« lieben. Anne Kreby, Jungle World Woody Allen trifft auf Franz Kafka. Markus Kratzer, ORF

EDITIoNSPLAN

Foto: Bert Nienhuis

Johannes Jacobus Voskuil, geboren 1926 in Den Haag, war ein niederländischer Volkskundler. Bereits 1963 veröffentlichte er seinen ersten Roman, doch zur Berühmtheit der niederländischen Literatur wurde er erst mit dem Romanwerk »Das Büro«, dessen erster Teil 1996 und dessen letzter 2000 erschien. 2008 starb Voskuil in Amsterdam. Weitere Informationen unter www.das-büro-der-roman.de

Das Büro 1. Direktor Beerta – 978-3-95732-006-3 Das Büro 2. Schmutzige Hände – 978-3-95732-007-0 (Herbst 2014) Das Büro 3. Plankton – 978-3-95732-008-7 (Frühjahr 2015) Das Büro 4. Das A. P. Beerta-Institut – 978-3-95732-009-4 (Herbst 2015) Das Büro 5. Und auch Wehmütigkeit – 978-3-95732-010-0 (Frühjahr 2016) Das Büro 6. Abgang – 978-3-95732-011-7 (Herbst 2016) Das Büro 7. Der Tod des Maarten Koning – 978-3-95732-012-4 (Frühjahr 2017)

Der erste Band ist zur Zeit beim Verlag C.H. Beck erhältlich! Neuausgabe im Verbrecher Verlag: Voraussichtlich 2015


BELLETRISTIK

J. J. Voskuil

das büro schmutzige hände Wie ein langer, ruhiger Fluss plätschern im Amsterdamer Büro für Volkskunde die Jahre 1965–1972 dahin: die Zeit der Studentenrevolte und des revolutionären Aufbruchs. Doch davon ist im Büro selbst nicht viel zu spüren. Nicht einmal ein Umzug bringt merkliche Veränderungen – nachdem die unvermeidlichen Raumverteilungskämpfe erst einmal ausgefochten sind. Man werkelt weiterhin still vor sich hin – oder tut lieber gleich gar nichts. Der frühere Direktor Beerta kommt auch nach seiner Pensionierung noch täglich zur Arbeit, um sich der Wissenschaft zu widmen, was in seinem Falle vor allem bedeutet: Briefe zu schreiben und sich bei Konflikten auf die Seite des voraussichtlichen Siegers zu schlagen.

Maarten und Nicolien Koning beziehen eine hochherrschaftliche Mietwohnung an der Herengracht und schämen sich für ihren neuen Luxus. Das Büro wächst derweil – und die Probleme wachsen mit, etwa in Gestalt der beiden neuen »wissenschaftlichen Beamten« Ad Muller und Bart Asjes: ewig »krank« der eine, ein Quertreiber der andere, personelle Totalausfälle beide. Und auch mit dem Großprojekt des »Europäischen Atlas« läuft es gar nicht gut. »Das Büro« (»Het Bureau«) war in den Niederlanden mit über 400.000 verkauften Exemplaren ein Riesenerfolg. Auch hierzulande wurde Band 1 (erschienen im Verlag C. H. Beck) begeistert aufgenommen. J. J. VOSKUIL

SCHMUTZIGE HÄNDE DAS BÜRO 2

Ich lese Voskuil wahnsinnig gern, und zugleich wird mir schwindelig bei der Vorstellung, ich müsste selbst ein solches Werk schreiben. Es ist eine fast übermenschliche Leistung – mein Kompliment! Gerbrand Bakker »Das Büro« lässt kein Auge trocken – man weiß allerdings nicht, ob vor Lachen oder vor Weinen. Iris Berben

J. J. Voskuil DAS BüRo 2. SCHMUTZIGE HäNDE Aus dem Niederländischen von Gerd Busse Mit einem Nachwort von Pieter Steinz Leinen mit Leseband ca. 600 Seiten, 29 € ISBN 978-3-95732-007-0 Erscheint im September 2014. Auch als E-Book erhältlich.

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T E X TAUS ZUG

»Neuschnee knirscht unter Stiefeln und Rädern. Eine Ruhe liegt über dem ort, wunderbar. Weiter hinten ist Kinderlärm zu hören. Keine Ahnung, zu wem die gehören. Drei Bengels werfen Schneebälle auf Autos, die der Glätte wegen im Schritttempo fahren müssen. Wer weiß, wie lange der Schnee liegen bleibt. Alles geht vorbei. Und der Schnee von gestern wird der Regen von morgen sein. Heute aber denkt hier niemand an morgen. Niemand hetzt. Ich schon gar nicht. Mein Bester! Lehn dich zurück – darin haben wir beide übung: Ich schiebe dich durch den ort, und wir halten es wie die Philosophen in den Arkaden, beim Umherwandeln sinnieren wir, suchen den Sinn des Lebens. Woher kommen wir? Wohin gehen wir?

Karsten Krampitz, Jahrgang 1969, war gemeinsam mit Peter Wawerzinek Initiator der Trinkerklappe in Wewelsfleth/Schleswig-Holstein. Er hat erfolgreich eine Bettelakademie gegründet und mit obdachlosen und Junkies Berliner Nobelhotels besetzt. 2004 erhielt Krampitz das Alfred-Döblin-Stipendium der Akademie der Künste Berlin. In Klagenfurt wurde er 2009 beim Ingeborg-Bachmann-Wettbewerb mit dem Publikumspreis ausgezeichnet, im folgenden Jahr war er Klagenfurter Stadtschreiber. Zwischen 2010 und 2013 war der Historiker Promotionsstipendiat der Rosa-Luxemburg-Stiftung. Im Herbst 2014 wird am Klagenfurter Ensemble sein Theaterstück »Sucht & ordnung« uraufgeführt. Krampitz hat diverse Romane und Erzählungen veröffentlicht, unter anderem: »Affentöter« (2000), »Der Kaiser vom Knochenberg« (2002) und »Heimgehen« (2009). 2011 gab er zusammen mit Manja Präkels und Markus Liske die literarische Anthologie »Kaltland. Eine Sammlung« heraus.

Aber nicht so. Vater, wie du wieder dasitzt! Erst müssen wir deinen Körper zurechtrücken. Hängst im Rollstuhl wie hingeschüttet. Ein Glück, dass Arm- und Rückenlehnen den Körper beisammenhalten. Und dann erst dein Kopf! Das schwere Haupt auf dünnem Hals. Und wie bleich du bist. Siehst nicht gut aus. Aber man erkennt dich. Das große Stirnbein lässt deinen Blick wie früher aussehen, als hättest du ein Dach über den Augen. Deine Augen flackern. Haste Angst? Musste nicht. Wovor denn? Ich passe auf. Dir wird nichts passieren. Nichts, was dir nicht schon passiert ist. Mein Lieber, wir gehen spazieren.«

Foto: Nane Diehl


BELLETRISTIK

karsten krampitz

wasserstand und tauchtiefe In der DDR kannten die Menschen ein geflügeltes Wort: »Das interessiert mich so wenig wie die Wasserstandsmeldungen.« Hieß es doch in den Radionachrichten nach dem Wetterbericht immer: »Abschließend die Wasserstände und Tauchtiefen: … Frankfurt/oder 112 plus 5, Glugow 275 plus drei, Eisenhüttenstatt 237 plus drei …« »Wasserstand und Tauchtiefe« ist ein moderner Heimatroman aus der Endmoräne, ein Brandenburg-opus, in dessen Mittelpunkt ein Vater-Sohn-Konflikt steht. Wir lesen von einer bizarren Geiselnahme, die sich über Monate hinzieht und von der Krankenkasse bezahlt wird. Mark Labitzke führt ein recht einseitiges Zwiegespräch mit seinem Vater, der nach mehreren Schlaganfällen sein Sprachvermögen verloren hat, nun muss er ihm endlich zuhören. Der einstige SED-

Funktionär und Bürgermeister ist auf Pflege angewiesen und der Erzähler auf die Rente des Vaters. Zwei Männer – ein Konto. »Wasserstand und Tauchtiefe« sind die letzten Nachrichten aus einem untergegangenen Land. Der Roman handelt von der Sehnsucht nach einer Heimat, von den radikalen Veränderungen der heutigen Arbeitswelt und vom Pflegenotstand einer immer älter werdenden Gesellschaft.

KARSTEN KRAMPITZ

WASSERSTAND UND TAUCHTIEFE ROMAN

Karsten Krampitz WASSERSTAND UND TAUCHTIEFE Roman Hardcover ca. 250 Seiten, 19 € ISBN 978-3-95732-013-1 Erscheint im September 2014. Auch als E-Book erhältlich.

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T E X TAUS ZUG

In Finnland ist die Geschichte wie ein Wintertag. Kurz und dunkel, und es ist schwer, die zu sehen, die ein bisschen weiter weg sind. Ich beginne mit der Geschichte in meinem Blickfeld, doch wo ihr Anfang liegt, weiß ich nicht. Genauso wenig wie ich weiß, wie er aussieht. Selbstredend klage ich die Falschen an, ich verzerre und verdrehe alles. Ich winde mich wie ein Wurm, der vom Haken freikommen will. Am besten wäre es, alles auf das Schicksal zu schieben, das mich in einem unmöglichen Land zur Welt kommen ließ, in dem knapp über drei Millionen Menschen leben, die eine Sprache sprechen, die sonst kein Mensch auf der Welt versteht. Damit nicht genug. In diesem Land sprechen meine Eltern eine andere Sprache, die lediglich ein Zehntel der Bevölkerung kapiert. Die Ausdrucksweise meiner Eltern ist darüber hinaus von einer Art, die lediglich ein Hundertstel dieses Zehntels begreift. Um den Rest des Volkes scheren sie sich ohnehin einen Dreck. Andererseits sind sie großzügig genug, das gesamte russische Volk zu hassen, das ihr Nachbar ist. Selbstverständlich haben sie niemals versucht, Russisch zu lernen, sodass sie nicht ein Wort von dem verstehen, was zweihundert Millionen Menschen sagen und denken, und darauf sind sie stolz. In diesem Land erblickte ich das Licht der Welt sechs Jahre nach einem glorreichen Krieg, in dem die eine Hälfte des Volkes die andere besiegt hatte. Die Sieger stopften den Besiegten das Maul, und daraufhin war die besiegte Hälfte für zwanzig Jahre stumm. Wer auch nur den bescheidensten intellek-

tuellen Anspruch an das Leben stellte, verzichtete gern darauf, in dieses Kommunikationsvakuum hineingeboren zu werden. Meine Eltern aber waren vor meiner Geburt schon genauso verantwortungslos wie danach. Nachdem sie sich bei meiner Großmutter durch ein barbarisches Weihnachtsessen mit elf Hauptgerichten gefressen hatten, zeugten sie mich ohne einen einzigen Gedanken, wozu sie mich überhaupt haben wollten. Der beste Beweis dafür ist, dass sie ein deutsches Kindermädchen für mich einstellten, das mir Deutsch als erste Sprache beibrachte. Ich hatte drei ältere Brüder. Keiner von ihnen sprach Deutsch. Mein Vater hatte in Dresden studiert und konnte Deutsch, aber er hatte mir außergewöhnlich wenig zu sagen. Meine Mutter sprach ein ganz leidliches Schuldeutsch, doch war sie selten zu Hause. Mein Vater mochte es nicht, wie das Kindermädchen das -r in Fenster verschluckte, wie man es in Berlin tut. Er fand, sein Sohn würde vulgär reden, und darum begann er, mich ironisch auf Französisch Beau zu nennen. Meine Brüder, die weder Deutsch noch Französisch konnten, machten aus Beau Bobo, und mit diesem Namen, der am besten zu einem Schimpansen passt, wurde ich unter Menschen ausgesetzt, von denen die meisten ein B als P aussprechen. Aus Popo machten sie dann noch Pupu, weil Pupu auf Finnisch Hase bedeutet. Es ist aber nicht leicht, ein Hase unter Menschen zu sein, die sich selbst für Gottes auserwählte Helden halten.


Bu C H m e s s e N s C H w e r p u N K t F i N N l a N D

BELLETRISTIK

henrik tikkanen

brändöVägen 8 brändö. tel. 35 »Brändövägen 8 Brändö. Tel. 35« – ein Titel, der aus einer finnischen Adresse und einer Telefonnummer besteht, was sagt der schon? Brändö (finn. Kulosaari) ist eine kleine Insel im Stadtgebiet von Helsinki, die 1907 von reichen schwedischsprachigen Kaufmannsfamilien nach dem Vorbild englischer Gartenstädte als Villenvorort angelegt wurde, »für gebildete Schwedisch sprechende Menschen aus gutem Haus und ohne finanzielle Sorgen«, wie es in Henrik Tikkanens Roman heißt. »In echt finnlandschwedischem Geist hatte man sich in einer Festung eingeigelt und die zunehmend unappetitlichere Wirklichkeit ausgesperrt.« Hier wächst der mit dem

Autor identische Ich-Erzähler auf; Vater Architekt, Mutter Tochter eines Bonbonfabrikanten, Großvater Professor für Kunstgeschichte. Der Roman erzählt »eine gruselige Geschichte über vorzeitigen Tod, Unheil, Unzucht und Schnaps«, wie bereits der erste Satz des Buches verspricht. Henrik Tikkanen beweist dabei seine stilistische Prägnanz und seinen durch und durch grimmigen Witz. »Brändövägen 8 Brändö. Tel. 35« ist ein Klassiker der schwedischsprachigen Literatur Finnlands, eine schonungslose Abrechnung mit der oberschicht Helsinkis – und mit dem eigenen Leben.

HENRIK TIKKANEN

BRÄNDÖVÄGEN 8 BRÄNDÖ. TEL. 35 ROMAN

Henrik Tikkanen BRäNDÖVäGEN 8 BRäNDÖ. TEL. 35 Roman Aus dem Schwedischen von Karl-Ludwig Wetzig Leinen mit Leseband ca. 160 Seiten, 22 € ISBN 978-3-95732-014-8 Erscheint im September 2014 Auch als E-Book erhältlich.

Henrik tikkanen, 1924 in Helsinki geboren, war in den 70er- und frühen 80erJahren einer der bekanntesten Karikaturisten Nordeuropas. Zugleich war er einer der renommiertesten Autoren Finnlands, seine »Adressbücher-Trilogie« – »Brändövägen 8 Brändö. Tel 35« (1975) »Bävervägen 11 Hertonäs« (1976) und »Mariegatan 26 Kronohagen« (1977) – war ein großer Erfolg. 1963 heiratete er Märta Tikkanen, die Frauenrechtlerin und Vorkämpferin der Emanzipation in Finnland, die mit ihrem Buch »Wie vergewaltige ich einen Mann?« auch in Deutschland einen großen Erfolg feierte. Das Ehepaar breitete sein bürgerliches Privatleben in mehreren Büchern aus. Märta punktete durch offenheit, Direktheit und Anklagen gegen die patriarchalen Verhältnisse, Henrik bestach durch seine Fähigkeit, fast aus jedem Satz einen blitzenden Aphorismus zu machen. 1984 starb Henrik Tikkanen in Helsinki an Leukämie.

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wolfgang Neumann studierte von 1998 bis 2004 an der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste Stuttgart bei Moritz Baumgartl und Cordula Güdemann Malerei, Zeichnung und Intermediales Gestalten. Von 1998 bis 2009 gehörte er der Mafioso-Groove-Pop-Band die drahtzieher an. Seit 2012 ist er Sänger, Komponist und Texter des Bandprojekts Art-Attacke. Neumann lebt in Waiblingen. Zuletzt erschienen: »Labile Seitenlage« (2013) und »Peak Flow« (2013).

Foto: Nane Diehl

aras Ören wurde 1939 in Istanbul geboren. Er arbeitete als Schauspieler und Dramaturg an verschiedenen Bühnen. Seit 1969 lebt er in Berlin. Er war Redakteur des SFB und Leiter der türkischen Redaktion von Radio Multikulti des RBB. 1981 erhielt er die Ehrengabe der Bayrischen Akademie der Schönen Künste, 1985 wurde Aras Ören mit dem Adelbert-von-Chamisso-Preis ausgezeichnet, und 1999 hatte er eine Poetik-Dozentur an der Universität Tübingen inne. Seit 2012 ist er Mitglied der Akademie der Künste, Berlin. Ören schreibt auf Türkisch und arbeitet bei der übersetzung seiner Werke ins Deutsche mit. Einige seiner Werke erschienen zuerst auf Deutsch. Werke u. a.: »Was will Niyazi in der Naunynstraße« (1973), »Privatexil« (1976), »Deutschland. Ein türkisches Märchen« (1978), »Bitte nix Polizei« (1981), »BerlinSavignyplatz« (1995) und »Sehnsucht nach Hollywood« (1999).


BELLETRISTIK

aras ören

kopfstand Die Titelerzählung spielt zur Zeit des Golfkrieges, 2003: Ein Mann erfährt, dass er erblinden wird, wenn er sich daran gewöhnt, die Dinge aus der Sicht eines anderen zu betrachten – dann ruft George W. Bush an und die Wohnung explodiert! Ein anderer Text handelt von einer Frau, die in einer Kneipe nach und nach alle Männer mit einem Wollfaden umwickelt. In der Toskana wiederum finden schießwütige Männer plötzlich ein neues opfer – den Erzähler! In Aras Örens Geschichten geht es immer darum, wie sich Literatur verselbständigt, wie der Erzähler den Erzählfaden verliert, und dass das, was ist, nicht

das ist, was berichtet werden will. Der große Dichter und Erzähler Ören meldet sich mit diesem Band nach über zehn Jahren wieder in der deutschen Literatur zurück! Alle Texte in »Kopfstand« werden erstmals auf Deutsch publiziert oder waren bislang nur in Kleinstauflagen erhältlich. Sie wurden eigens für diesen Band gründlich überarbeitet und von dem Maler Wolfgang Neumann kongenial illustriert.

75. Geburtstag von Aras Ören am 30. November 2014!

ARAS ÖREN

KOPFSTAND Illustriert von Wolfgang Neumann

Aras Ören KoPFSTAND Geschichten Mit vierfarbigen Illustrationen von Wolfgang Neumann Aus dem Türkischen übersetzt von Cornelius Bischoff Leinen mit Leseband ca. 180 Seiten, 22 € ISBN 978-9-95732-015-5 Erscheint im oktober 2014 Auch als E-Book erhältlich.

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erich mühsam

tagebücher band 7 / 1919–1921

ERICH MÜHSAM

TAGEBÜCHER BAND 7 1919–1921

Erich Mühsam TAGEBüCHER Band 7 / 1919–1921 Herausgegeben von Chris Hirte und Conrad Piens Leinen mit Leseband ca. 350 Seiten, 30 € ISBN 978-3-940426-83-3 Erscheint im November 2014. Zum editionsplan siehe www.verbrecherei.de

November 1919. Seit sieben Monaten sitzt Mühsam in bayerischer Haft. Aus der überzeugung, dass die Weltrevolution bevorsteht, schöpft er die Kraft und den Mut weiterzukämpfen – gegen die Kerkermeister, die sein öffentliches Wirken behindern, für den Sieg der geeinten Linken über das Regime der Freikorps und der korrupten Parteien. Die Krisen und Unruhen in ganz Deutschland geben ihm recht, der Sieg über die Putschisten vom März 1920 weckt neue

Hoffnungen. Doch die Revolutionäre von 1918 sind zerstrittener denn je, auch unter Mühsams Mithäftlingen bilden sich verfeindete Gruppen. Er wird von »Genossen« geschlagen und bespuckt, die Bewacher schüren den Streit nach Kräften. Nur in der strafverschärfenden Einzelhaft findet Mühsam Zeit und Ruhe, einige seiner wichtigsten Werke zu verfassen: Das Judas-Drama und seine Streitschrift zur Einigung des Proletariats.

erich mühsam, geboren am 6. April 1878 in Berlin, war Dichter, Anarchist und politischer Publizist. Seit 1909 lebte er in München-Schwabing. Als zentrale Figur der Schwabinger Boheme war er befreundet mit Heinrich Mann, Frank Wedekind, Lion Feuchtwanger, Fanny zu Reventlow und vielen anderen. Mühsam war Mitarbeiter des Münchner Kabaretts und verschiedener satirischer Zeitschriften wie des Simplicissimus und der Jugend. Von 1911 bis 1919 gab Erich Mühsam in München die Zeitschrift Kain heraus. Er war maßgeblich an der Ausrufung der Münchner Räterepublik beteiligt, wofür er zu 15 Jahren Festungshaft verurteilt wurde. 1933 wurde er verhaftet und am 10. Juli 1934 im KZ oranienburg von der SS-Wachmannschaft ermordet.

Chris Hirte und Conrad piens arbeiten seit 2009 gemeinsam an der historisch-kritischen Ausgabe der »Tagebücher«. Chris Hirte war Mitherausgeber der Erich-Mühsam-Werkausgabe beim Verlag Volk und Welt (1978–1985). Seine Mühsam-Biografie erschien 1985 im Verlag Neues Leben. Conrad Piens ist Informatiker und Antiquar. Gemeinsam mit seiner Frau Irina betreibt er seit 1999 die Website www.muehsam.de. Auch sorgt er für die Aufbereitung der Tagebuchtexte für die online-Edition und betreut die Webseite www.muehsam-tagebuch.de.


BELLETRISTIK

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erich mühsam

das seid ihr hunde wert! ein lesebuch Es ist nicht möglich, Leben und Werk Erich Mühsams zu trennen. Er war Bohemien, Dichter, Anarchist, Humorist, politischer Publizist, Dramatiker, bisexueller Erotomane, Revolutionär, selbst in größter Not unbeirrbarer Menschenfreund und schließlich eines der ersten prominenten opfer der Nazis. 1933 wurde er noch in der Nacht des Reichstagsbrandes verhaftet und nach monatelanger Folter im KZ oranienburg ermordet.

Aufgabe dieses Lesebuchs soll es sein, Mühsams lebenslangen Kampf »für Gerechtigkeit und Kultur« mit Texten aus seinem reichhaltigen Werk nachzuerzählen, die bis heute nichts an ihrer politischen Aktualität verloren haben. Neben einigen Mühsam-Klassikern enthält diese Sammlung auch bislang unveröffentlichte Gedichte, Auszüge aus längeren Werken, ausgewählte Briefe und die Beschreibung seiner letzten Tage aus der Feder seiner Frau Zenzl.

80. Todestag von Erich Mühsam am 10. Juli 2014

markus liske und manja präkels leben als freischaffende Autoren in Berlin. Mit ihrer Band Der singende Tresen veröffentlichen sie parallel zum Buch die CD »Mühsam Blues« mit neuen Vertonungen von Mühsam-Gedichten. Bereits 2001 riefen sie das Berliner Erich-Mühsam-Fest ins Leben und gründeten 2009 die Gedankenmanufaktur Wort & Ton.

Erich Mühsam DAS SEID IHR HUNDE WERT! Ein Lesebuch Herausgegeben von Manja Präkels und Markus Liske Broschur, 356 Seiten, 16 € ISBN 978-3-943167-84-9 Erscheint im Mai 2014. Auch als E-Book erhältlich. Bereits angekündigt


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»Eindringlich und geradezu beängstigend, wie Geissler zeigt, dass der Mensch in die Werbung eingefangen wird, dass er nicht mehr unterscheiden kann, was Schein und was Wirklichkeit ist, dass er glaubt, das und das haben zu müssen, um so zu sein, wie ihn die Werbung sehen will. (Öfter mal was Neues. Hast du was, bist du was!) Ich halte ›Kalte Zeiten‹ für ein Meisterwerk in der literarischen Auseinandersetzung mit der industriellen Arbeitswelt.« Max von der Grün

Christian Geissler wurde 1928 in Hamburg geboren. Nach einem nie abgeschlossenen Studium der Theologie, Philosophie und Psychologie in Hamburg, Tübingen und München arbeitete er ab 1956 als freier Schriftsteller. Geissler arbeitete u. a. beim NDR, war Mitherausgeber der linken Literaturzeitschrift Kürbiskern, Dokumentarfilmer und Dozent an der Deutschen Filmund Fernsehakademie Berlin. Neben seinem Debüt »Anfrage« (1960) ist »Kamalatta« (1988) sein bekanntester Roman. Er lebte zumeist in Hamburg und ostfriesland und starb am 26. August 2008. Außer seinen Romanen veröffentlichte Geissler zahlreiche Hör- und Fernsehspiele, Dokumentarfilme und Lyrik-Bände. Im Verbrecher Verlag erscheint eine Christian-Geissler-Werkschau. In dieser erschien bislang der Roman »Wird Zeit, dass wir leben« (2013).


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christian geissler

schlachtVieh kalte zeiten Reisende in einem Zug. Einige Abteile sind versperrt, die Fenster lassen sich nicht öffnen, dann ist die Fernsprechverbindung unterbrochen, und die Fahrgäste hören unheimliche Durchsagen. Einige fragen sich, was los ist, diskutieren und wollen der Sache auf den Grund gehen. Das Schreibabteilmädchen versucht sogar, die Notbremse zu ziehen und wird festgesetzt. Die Mehrheit aber will die Reise einfach fortsetzen, mit dem Segen eines Kirchenmannes – das ist das Drehbuch »Schlachtvieh«. Freitag in Hamburg-Wilhelmsburg: Der junge Bauarbeiter Jan Ahlers bekommt seine Lohntüte, legt eine Sonderschicht ein und träumt von einem größeren Auto. Seine Frau Renate kümmert sich währenddessen um den Haushalt, später verliert sie sich beim Stadtbummel in den Kaufangeboten. Ein Kind wäre schön, aber das kostet. Beide sind gefangen in Konsumwünschen und verraten dabei ihre Liebe und sich selbst – das ist der Roman »Kalte Zeiten«.

Als der Brecht-Schüler Egon Monk 1960 Leiter der NDR-Fernsehspielabteilung wurde, begann er mit einer Umsetzung von Christian Geisslers erstem Roman »Anfrage«. Darauf folgten bis Mitte der 70er-Jahre weitere Fernseharbeiten Geisslers, die großen Einfluss auf seine spätere Prosa hatten. Unter dem Eindruck der Wiederbewaffnung Deutschlands schrieb Geissler 1963 das Drehbuch »Schlachtvieh«, ein Lehrstück. Warum wehrt sich kaum jemand, wenn die eigenen Interessen mit Füßen getreten werden? Auf der Suche nach einer Antwort entstand das Fernsehspiel »Wilhelmsburger Freitag« (1964), die Vorlage für den Roman »Kalte Zeiten«. Michael Töteberg beleuchtet in seinem Nachwort erstmals das Schaffen Christian Geisslers als Autor von Fernsehspielen und Dokumentarfilmen.

Von »schlachtvieh / Kalte Zeiten« wird es eine auf 20 exemplare limitierte Vorzugsausgabe mit je einer Original-tuschezeichnung der portugiesischen Künstlerin maria lino geben. Bei interesse melden sie sich bitte beim Verlag.

CHRISTIAN GEISSLER

SCHLACHTVIEH KALTE ZEITEN

Christian Geissler SCHLACHTVIEH KaLTE ZEITEN Mit einem Nachwort von Michael Töteberg Leinen mit Leseband ca. 260 Seiten, 24 € ISBN 978-3-95732-016-2 Erscheint im November 2014. Auch als E-Book erhältlich.


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Foto: Nane Diehl

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bJörn kuhligk

grossraumtaxi berliner szenen Berlin ist die Protagonistin in Björn Kuhligks Alltagsbeobachtungen, die er zwischen Lankwitz und Spandau, zwischen Müggel- und Schlachtensee macht. Kuhligk läuft mit seinen Kindern durch die Stadt, fährt Taxi, besucht Kneipen und entdeckt die Berliner Stadtmusikanten. In seinen Reportagen begleitet er Zeitungszusteller, 1. Mai-Demonstranten und Rummel-Besucher. Und nicht zuletzt beschreibt er die Veränderungen einer ostberliner Arbeiterkneipe. Kuhligk schildert den U-BahnBettler, der seit Jahren von Astronautennahrung lebt, den Typen in der Eckkneipe, der für 20 Euro Wind machen würde, schwere Melancholiker, die musizieren und Lars Eidinger, der Theaterbesucher anpöbelt. Er erzählt von spätpubertierenden Hipstern in Mitte, einer unsicheren Malerin in ihrem Atelier, einem Besuch im Bürgeramt, einem Kleinverleger, der mit 100 Bücherkisten umzieht, dem BambusGott im Zoo und drei Mädchen, die beim Klauen erwischt wurden. BJÖRN KUHLIGK

GROSSRAUMTAXI Björn Kuhligk wurde 1975 in Berlin geboren. Er schreibt Lyrik und Prosa und veröffentlichte mehrere Bücher sowie Beiträge in zahlreichen Anthologien. 1997 gewann er den open Mike der Literaturwerkstatt Berlin, 2007 erhielt er das Arbeitsstipendium der Stiftung Preußische Seehandlung, im Jahr darauf das Arbeitsstipendium des Berliner Senats. 2013 erhielt er den Kunstpreis Literatur von Lotto Brandenburg. Zuletzt erschienen: »Von der oberfläche der Erde« (2009), »Bodenpersonal« (2010), »Die Stille zwischen null und eins« (2013) und »Wir sind jetzt hier. Neue Wanderungen durch die Mark Brandenburg« (2014, gemeinsam mit Tom Schulz).

BERLINER SZENEN

Björn Kuhligk GRoSSraUMTAXI Berliner Szenen Broschur ca. 200 Seiten, 14 € ISBN 978-3-95732-017-9 Erscheint im oktober 2014 Auch als E-Book erhältlich.


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»Indem die ehemaligen Jugoslawen nur als pragmatische,

TTANJA A N J A PETROVIĆ PETROVIĆ

rational handelnde, profitorientierte Menschen gesehen werden, die mit ihrer Vergangenheit abgerechnet haben, wird ihnen nicht nur der Zugang zu ihren Gefühlen abgeschnitten – sie werden auch von der Verantwortung freigesprochen, ein offeneres und aufrichtigeres Verhältnis zu

YUROPA YUROPA

sich selbst und zu anderen aufzubauen, und sie werden vor allem der Pflicht enthoben, die Verantwortung für die Ge-

JJugoslawisches ugoslawisches EErbe rbe uund nd ZZukunftsstrategien ukunftsstrategien iin postjugoslawischen n postjugoslawischen GGesellschaften esellschaften

schehnisse des letzten Jahrzehnts des 20. Jahrhunderts zu übernehmen.«

Tanja Petrović YURoPA Das jugoslawische Erbe und Zukunftsstrategien in postjugoslawischen Gesellschaften übersetzt von Aleksandra Bajazetov Broschur ca. 260 Seiten, 21 € ISBN 978-3-95732-018-6 Erscheint im August 2014 Auch als E-Book erhältlich.

Tanja Petrović

Foto: Privat

tanja petrović, geboren 1974 in Svetozarevo (heute Jagodina, Serbien), promovierte 2005 an der Ljubljana School of Humanities und lehrt heute als Privatdozentin am Research Center of the Slovenian Academy of Sciences and Arts in Ljubljana. 2010/2011 war sie Fellow am Wissenschaftskolleg zu Berlin, 2013/14 Fellow am Netherlands Institute for Advanced Study in the Humanities and Social Sciences. Sie publizierte neben »Yuropa« die Bücher »Ne tu, ne tam: Srbi v Beli krajini in njihova jezikovna ideologija v procesu zamenjave jezika« (2006) und »A Long Way Home: Representations of the Western Balkans in Political and Media Discourses.« (2009). In Deutschland erschien zuletzt der Aufsatz »The past that binds us: Yugonostalgia as the politics of future« in dem von Srđa Pavlović und Marko Živković herausgegebenen Sammelband »Transcending Fratricide: Political Mythologies, Reconciliations, and the Uncertain Future in the Former Yugoslavia« (2013).


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Tanja PeTrović

Yuropa das jugoslawische erbe und zukunftsstrategien in postjugoslawischen gesellschaften

Das untergegangene Jugoslawien gehört bei vielen Bürgerinnen und Bürgern seiner Nachfolgestaaten nicht mehr zu ihrer eigenen biografischen Erfahrung. Dennoch füllen die in den vergangenen Jahren entstandenen Abhandlungen zum ehemaligen Jugoslawien eine ganze Bibliothek. Woher rührt das große Interesse an diesem untergegangenen Staat? Dieser Frage geht Tanja Petrović in ihrem Buch »Yuropa« nach. Im ersten Teil des Buches behandelt Petrović die Vorstellungen vom ehemaligen Jugoslawien, die in den äußerungen von EU-Politikern aufscheinen und nicht selten auch in den postjugoslawischen Staaten selbst artikuliert werden. So wird etwa der Terminus »Westbalkan« am ehesten negativ definiert: Er bezieht sich auf die Staaten, die (noch) nicht zur EU gehören, wird aber vor allem dazu be-

nutzt, um nicht zu benennen, was diese Staaten einmal waren – nämlich Teile Jugoslawiens. Auch innerhalb des postjugoslawischen Raums gibt es ein Arroganzgefälle von Nordwest nach Südost: Genau so gönnerhaft wie sich etwa Österreich gegenüber Slowenien verhält, verhält sich Slowenien gegenüber Kroatien und Kroatien gegenüber Serbien. Der eine Staat gehört einfach »mehr zu Europa« als der andere. Diese internen orientalismen spiegeln die Auffassung wider, der Balkan sei eine ewige Peripherie, die es zu zivilisieren gelte. Im zweiten Teil des Buches werden die Verleugnungsmechanismen, die sich die postjugoslawischen Staaten angeeignet haben, aufgezeigt. Die sozialistische Vergangenheit Jugoslawiens wird nicht nur von den EU-Politikern ignoriert – ihre

positiven Seiten werden auch von den postjugoslawischen politischen Eliten in Abrede gestellt. Besonderes Augenmerk legt Petrović dabei auf den Modebegriff der »Jugonostalgie«, der die Gefühle der Postjugoslawen in demselben Maß trivialisiert, in dem sie der neuerdings von Tim Judah lancierte Begriff der »Jugosphäre« ignoriert. Mit »Yuropa« hat Petrović ein Buch verfasst, das die aktuell vorherrschenden Spannungen in und zwischen den Nachfolgestaaten Jugoslawiens erklärt. Zugleich macht sie nachvollziehbar, warum beispielsweise junge Leute, die die Herrschaft Titos nicht mehr selbst erlebt haben, plötzlich Chöre begründen, die sozialistische Arbeiterlieder singen.


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hanno plass (hg.)

klasse geschichte bewusstsein was bleibt von georg lukács’ theorie? HHANNO A N N O PPLASS L A S S ((HG.) HG.)

KKLASSE LASSE GGESCHICHTE ESCHICHTE BBEWUSSTSEIN EWUSSTSEIN Was Was bleibt bleibt von von Georg Georg Lukács’ Lukács’ Theorie? Theorie?

Hanno Plass (Hg.) KLASSE – GESCHICHTE – BEWUSSTSEIN Was bleibt von Georg Lukács’ Theorie? Broschur Ca. 350 Seiten, 20 € ISBN: 978-3-95732-006-3 Erscheint im November 2014 Auch als E-Book erhältlich.

Georg Lukács’ »Geschichte und Klassenbewusstsein« ist ein Werk mit einer geradezu überzeitlichen Wirkung. Als Reaktion auf das Scheitern der deterministisch antizipierten proletarischen Weltrevolution nach dem Ersten Weltkrieg erschien diese Sammlung von Essays und Aufsätzen erstmals 1923. Das Buch war aufgrund seiner scharfen Kritik am ›orthodoxen Marxismus‹ für die Herausbildung des sogenannten westlichen Marxismus von zentraler Bedeutung, auch wenn Lukács es nach Kritik und Anfeindungen seitens des parteioffiziellen Marxismus widerrief. Eine emanzipatorische Linke rezipierte Lukács immer wieder, besonders wurde er 1968 wieder ins Gedächtnis gerufen. Die von ihm

verwendeten Begriffe von Dialektik, Verdinglichung, Entfremdung und Totalität bieten Gelegenheit, die Notwendigkeit der Abschaffung der bestehenden Verhältnisse mit philosophisch geschliffener theoretischer Schärfe zu begründen. Nach dem katastrophischen 20. Jahrhundert stellt dieses Buch die Frage nach der Aktualität von »Geschichte und Klassenbewusstsein«. Die Relevanz der genannten Begriffe wird hier betont, statt – wie im postmodernen Diskurs – kleingeredet. Die Beiträge des Bandes bewegen sich zwischen den Spannungspolen von Bewusstsein und Ideologie sowie Historizität und Geschichte.

Mit Beiträgen von Ágnes Heller, Detlev Claussen, Rüdiger Dannemann, Frank Engster, Patrick Eiden-offe, Roger Behrens, Stefan Müller, Johannes Rein, Veith Selk und Bastian Bredtmann. Hanno plass ist Historiker und forscht am Berliner Zentrum für Antisemitismusforschung zur Exilerfahrung jüdischer Apartheidsgegnerinnen und -gegner aus Südafrika.


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Jörg döring, felix römer und rolf seubert

alfred andersch desertiert fahnenflucht und literatur (1944 –1952) Alfred Andersch ist Westdeutschlands berühmtester Deserteur. Sein autobiografischer Bericht »Die Kirschen der Freiheit« (1952) beschreibt die Umstände seiner Fahnenflucht aus Hitlers Wehrmacht am 6. Juni 1944 in Italien. Aber war er überhaupt ein Deserteur? Seit in seinem Nachlass ein Text auftauchte, den Andersch schon 1945 im Kriegsgefangenenlager geschrieben hatte und in dem die Gefangennahme gar nicht als Desertion geschildert wird (»Amerikaner – Erster Eindruck«), sind Zweifel daran laut geworden, ob Andersch zu Recht in der Gedenkstätte

Deutscher Widerstand in Berlin als Deserteur geehrt wird. Niemals bislang ist der Versuch unternommen worden, Anderschs Selbstbeschreibung anhand militärhistorischer Quellen zu überprüfen. Das vorliegende Buch versammelt diese Dokumente und erzählt eine in Teilen andere Geschichte: »Die Kirschen der Freiheit« im Lichte der Akten. Eine Geschichte vom überleben im Krieg, vom Heldenmut der Kampfesmüden und von den literarischen Verfahren der Selbstkonstruktion eines Autors.

100. Geburtstag von Alfred Andersch und 70. Jahrestag seiner Desertion! Jörg Döring ist Professor für Germanistik an der Universität Siegen. Zuletzt erschienen: »Alfred Andersch revisited« (gemeinsam herausgegeben mit Markus Joch 2011). Felix römer ist Wissenschaftlicher Mitarbeiter am German Historical Institute London und lehrt an der London School of Economics. Zuletzt erschienen: »Kameraden. Die Wehrmacht von innen« (2012). rolf seubert lehrt als Akademischer oberrat Erziehungswissenschaft an der Universität Siegen. Zuletzt erschienen: »›Mein lumpiges Vierteljahr Haft …‹. Anderschs KZHaft und die ersten Morde von Dachau.« In: Jörg Döring/Markus Joch (Hg.): »Alfred Andersch revisited« (2011).

JÖRG DÖRING, FELIX RÖMER UND ROLF SEUBERT

ALFRED ANDERSCH DESERTIERT Fahnenflucht und Literatur

Jörg Döring, Felix Römer, Rolf Seubert ALFRED ANDERSCH DESERTIERT Fahnenflucht und Literatur (1944–1952) Broschur ca. 120 Seiten, 17 € ISBN 978-3-943167-98-6 Erscheint im Juli 2014 Auch als E-Book erhältlich.


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VERBRECHER VERLAG

britta lange Die Filmliteratur-Reihe Filit wird von Rolf Aurich und Wolfgang Jacobsen herausgegeben und entsteht in Zusammenarbeit der Deutschen Kinemathek mit dem Verbrecher Verlag. Die Filit-Reihe lässt sich vorbestellen, jeder neue Band wird automatisch nach Erscheinen zugeschickt.

Bisher in der Filit-reihe erschienen: Thomas Brandlmeier »Fantômas. Beiträge zur Panik des 20. Jahrhunderts« (2008) Stefan Ripplinger »I can see now. Blindheit im Kino« (2009) Carola Veit »Kraft der Melone. Samuel Beckett im Kino« (2009) Christian Schulte »Vlado Kristl. Die Zerstörung der Systeme« (2010) Tobias Ebbrecht »Bilder hinter den Worten. über Romuald Karmakar« (2010) Bettina Klix »Verlorene Söhne, Töchter, Väter. über Paul Schrader« (2010) Johannes Zeilinger »Ein träumender Leichnam. B. Traven im Dschungel der Psychopathie« (2011) Enno Stahl »Für die Katz und wider die Maus. Pohlands Film nach Grass« (2012) Ulrich Mannes »Alpenglühn 2011. Ein Dialog zum deutschen Erotikkino« (2012) Peter Nau »Irgendwo in Berlin. ostwestlicher Filmdiwan« (2013) Stefan Ripplinger »Mary Pickfords Locken« (2014) Karl Prümm »Ein notorischer Grenzverletzer. Niklaus Schilling und seine Filme« (2014)

die entdeckung deutschlands science-fiction als propaganda Im Ersten Weltkrieg wurde das Deutsche Reich von drei Marsianern besucht. Das zumindest inszeniert ein heute vergessener Film aus dem Jahr 1916: »Die Entdeckung Deutschlands durch die Marsbewohner«. Dieser war nicht nur der erste offizielle Propagandafilm in der Kriegszeit für das Inland und das »neutrale Ausland«. Er ist zugleich ein sehr früher und bisher nicht kanonisierter ScienceFiction-Film: mit Nachrichtenabhörung auf dem Mars, Sprechschreiber und Weltraumflug, aber auch mit Einschüben, die an Märchen und Liebesfilme erinnern. Das Buch geht dem Gewirr von Geschichten nach, das das Drehbuch des jüdischen Anwalts Richard otto Frankfurter entfaltet. Fragmente aus den Archiven verweben sich heute, fast einhundert Jahre später, zu einer Entdeckungsreise in den Zusammenhang von Film und Propaganda.

Britta Lange DIE ENTDECKUNG DEUTSCHLANDS Science-Fiction als Propaganda Filit Band 13 Broschur ca. 120 Seiten mit Abbildungen ISBN 978-3-95732-019-3 14 Euro Erscheint im August 2014

Britta lange forscht und lehrt am Institut für Kulturwissenschaft der HumboldtUniversität zu Berlin zu den Schwerpunkten Kulturgeschichte und ästhetik des 19., 20. und 21. Jahrhunderts, Kolonialismus, Tonund Filmdokumente, Erster Weltkrieg. »Die Entdeckung Deutschlands durch die Marsbewohner« hat sie bei ihren Recherchen über Tonaufnahmen aus dem Ersten Weltkrieg entdeckt.


GOETHE VERLAG

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GoETHE VERLAG Der Goethe gewidmete Verlag des Malers Johannes Grützke und des Dichters Tilmann Lehnert wurde im Jahr 1995 gegründet. Die in diesem Verlag erschienenen Titel sind gemeinsame Arbeiten Grützkes mit Lehnert oder dem Dichter Christoph Haupt. Alle Bücher sind sorgsam gestaltet und hochwertig verarbeitet. Nun sind erstmals alle in dem Verlag von Grützke und Lehnert erschienenen Titel mit einer ISBN versehen und überall im Buchhandel lieferbar.

Auf 200 Exemplare limitierte und nummerierte Ausgabe, handsigniert von Johannes Grützke und Tilmann Lehnert Johannes Grützke / Tilmann Lehnert DER FraUENTUNNEL Mit 17 originallithographien von Johannes Grützke Hardcover mit Lesebändchen 160 Seiten, 300 € ISBN 978-3-95732-020-9 (Dieser Titel ist nur direkt im Verlag bestellbar)

Johannes Grützke / Tilmann Lehnert PAUVRE BoBo Ein Konvolut Hardcover mit Lesebändchen 152 Seiten, 120 € ISBN 978-3-95732-021-6

Johannes Grützke / Tilmann Lehnert 30 JAHRE BoHREN Hardcover mit Lesebändchen Auf 100 Exemplare limitierte Vorzugsausgabe mit einer eingelegten Lithographie, handsigniert von Johannes Grützke und Tilmann Lehnert 172 Seiten, 75 € ISBN 978-3-95732-023-0

Johannes Grützke / Tilmann Lehnert 30 JAHRE BoHREN Hardcover mit Lesebändchen 172 Seiten, 25 € ISBN 978-3-95732-022-3

Johannes Grützke / Christoph Haupt BoNGS STALL Mit Linolschnitten von Johannes Grützke und Christoph Haupt Klappenbroschur Handsigniert von Johannes Grützke 94 Seiten, 32 € ISBN 978-3-95732-024-7


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VERBRECHER VERLAG IN DEN MEDIEN

Vorsicht ist geboten, wenn Prominente Romane schreiben. Der Schauspieler Tilo Prückner ist eine große Ausnahme. Mit 73 Jahren hat er ein wunderbares Debüt veröffentlicht. — Christoph Schröder / ZEIT oNLINE tilo prückner willi merkatz wird verlassen roman, leinen mit lesebändchen, 304 seiten, 24 € isbn: 978-3-943167-40-5

»Mensch wie Gras wie« ist ein Glücksfall von der ersten bis zur zweihundertsechsten Seite. — Andreas Platthaus / Frankfurter Allgemeine Zeitung dietmar dath / oliver scheibler mensch wie gras wie comic, hardcover, 208 seiten, 24 € isbn: 978-3-943167-76-4

Milo Raus kompaktes und facettenreiches Buch wirft wichtige Fragen an die internationale Gemeinschaft auf, die 1994 sehr wohl über den Genozid informiert war, aber die Menschen kläglich im Stich ließ – mit fatalen Folgen bis heute für das von Nachfolgekonflikten zerrüttete Nachbarland Kongo. — Frank Kaspar / Deutschlandradio Kultur milo rau hate radio sachbuch, broschur, 256 seiten, 18 € isbn: 978-3-943167-06-1

Ich habe für diese Buchmesse gute 2.000 Seiten gelesen, aber keine so geliebt wie diese 200 von »Eine Tonne für Frau Scholz«. — Joachim Scholl / Deutschlandradio Kultur sarah schmidt eine tonne für frau scholz roman, hardcover, 224 seiten, 19 € isbn: 978-3-943167-78-8

Von solchen Anstrengungen [der Auseinandersetzung mit der Kabbala] erzählt Benjamin Stein auf eine absolut unangestrengte Weise. Mit einer solchen Leichtigkeit, dass es schon etwas Begnadetes hat. — Irmtraud Gutschke / neues deutschland benjamin stein das alphabet des rabbi löw roman, leinen mit lesebändchen, 286 seiten, 24 € isbn: 978-3-943167-79-5

Ripplinger diskutiert unaufdringlich klug Mary Pickfords Filme vor dem Hintergrund von Malerei und Literatur […] Immer aber ist der Essay auch eine Rückblende auf die Anfangsjahre des Kinos, in denen die Freiheit so groß war, dass auch Frauen davon profitieren konnten, am meisten schließlich: Mary Pickford. — Matthias Dell / Deutschlandradio Kultur stefan ripplinger mary pickfords locken eine etüde über bindung. filit band 11 broschur, 96 seiten, 12 € isbn: 978-3-943167-82-5

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