Verkehrshaus Magazin 22/48

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RUBRIK

Neuigkeiten aus dem Verkehrshaus der Schweiz

April 2022 | Nr. 48

FOKUS DAS

BAHNJUBILÄUM INTERVIEW DER HERR DER GONDELN IN MOTION DER SMARTSHUTTLE

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03 FILMTHEATER Serengeti 04 MUSEUM World of Racing 06 PLANETARIUM Jenseits der Sonne 07 ENTDECKT Erster Bahnfahrplan

175 Jahre Schweizer Bahnen Die Schweiz ist ein Bahnland. Im internationalen Vergleich liegt die Schweiz bei den jährlich per Bahn zurückgelegten Personen­ kilometern zusammen mit Japan an der Spitze. Vor 175 Jahren wurde am 7. August die erste Bahnstrecke in der Schweiz, Zürich – Baden, feierlich eingeweiht. In der ersten Woche fuhren

08 FOKUS 175 Jahre Schweizer Bahnen

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9025 ­P ersonen mit der Spanisch-Brötli-Bahn. Die Frequenzen brachen aber ein, sobald der Reiz des Neuen verschwunden

10 INTERVIEW Adi Kaufmann, Technischer Leiter 12 LUFTFAHRT Die Orion 9C Spezial 16 IN MOTION Selbstfahrende Fahrzeuge

war. Im Juli 1848 benutzten nur noch 973 Personen täglich die damalige Schweizerische Nordbahngesellschaft. Die Geschichte des Verkehrshauses hat einen engen Bezug zum Schienenverkehr. Der Gründungs- und Versammlungsort des ­V ereins Verkehrshaus der Schweiz war am 26. Februar 1942 das Bahnhofbuffet 2. Klasse in Zürich. Der am 7. September 1919 in Luzern geborene Alfred Waldis trat 1937 als Stationslehrling in den Dienst der SBB, wechselte 1942 in die Kreisdirektion ­L uzern und wurde Anfang 1957 als Direktor zum Aufbau des ­g eplanten Verkehrshauses der Schweiz in Luzern berufen. Die heutige Mobilität ist vielfältiger denn je. Die Bahn bleibt das leistungsfähige Rückgrat der Verbindung zwischen den grösseren

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Agglomerationen in der Schweiz. Strasse und Schiene werden aus Sicht der Kunden zunehmend zu einem Verbundprodukt, da sich die Angebote der Transportunternehmen immer mehr ­e rgänzen. Die Nachfrage nach Mobilitätsdienstleistungen ­a ller Art wird weiter zunehmen. Dabei werden neue Konzepte ­h elfen, die Nachfrage effizienter und ökologischer zu befriedigen. Lesen Sie auf den Seiten 7 bis 9 mehr über die Entstehungs­ geschichte der Schweizer Bahnen. Ab Mitte April erwartet Sie in der Halle Schienenverkehr eine neue Eisenbahn-Ausstellung. Ich freue mich wieder auf zahlreiche Besucherinnen und ­B esucher im meistbesuchten Museum der Schweiz. Herzliche Grüsse

Impressum: Herausgeber Verkehrshaus der Schweiz, Lidostrasse 5, 6006 Luzern Mitarbeiter dieser Ausgabe Olivier Burger (Redaktions­l eitung), Moritz Imfeld ­( Anzeigen) Texte ­O livier Burger, Heinz Stahlhut, Marc ­H orat, Claudia ­H ermann, Luzius Mäder, Manuel Huber, Simon Müller, Benjamin Küchler, Fabienne Schnarwiler Layout aformat.ch, Luzern ­T itelbild Verkehrshaus ­B ildquellen Red Bull, Hans Erni Museum, Verkehrshaus, E&S, Verkehrshaus Dokumen­t ationszentrum (VA-37897, VA-58151, ­VA-58158, Fe 5), SBB Historic, ETH Bibliothek, Max-Frisch-Archiv, P ­ ostAuto, Gameorama Übersetzung ­A postroph Group, Lausanne Korrektorat typo viva, ­E bikon Druck Engelberger Druck AG, Stans Auflage 23 000 Ex. Wemf-­A uflage 16 690 Ex. Erscheinung 4× jährlich Gründung /Jahrgang 2005/4 Preis CHF 4.50/Ex., CHF 18.− pro Jahr Kontakt magazin@verkehrshaus.ch, 041 375 75 75

Martin Bütikofer Direktor Verkehrshaus der Schweiz Offizielle Partner


FILMTHEATER

Serengeti Der Film «Serengeti» zeigt die eindrückliche Fauna der gleichnamigen Savanne im Norden Tansanias. Die Hauptrolle spielen die bekanntesten Tiere Afrikas.

AGENDA FILMTHEATER TAGESPROGRAMM

DINOSAURIER DER ANTARKTIS Reise ins Zeitalter der Dinosaurier.

SERENGETI Tierleben in Afrika.

AUTOR OLIVIER BURGER

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n der Serengeti spielt sich das Leben in ei­ nem noch nie da gewesenen Ausmass ab. Sie beherbergt die meisten der bekann­ testen Tiere Afrikas und ist Schauplatz eines der grössten Naturereignisse der Welt: der jährlichen Gnuwanderung. Die Natur hat eine perfekte Sinfonie inszeniert, in der jede Tierart eine ganz bestimmte Rolle spielt. Ziel ist es, das Gleichgewicht eines ganzen Öko­ systems zu erhalten. Die Jungtiere imitieren ihre Eltern und lernen so, sich in der heraus­ fordernden Wildnis zu behaupten. Dieser fesselnde Dokumentar film auf Grosslein­ wa n d ze i g t, w i e d i e N a t u r i n e i n e m d e r grössten Lebensräume der Welt funk tio­ niert.

Endlose Ebenen Der 1951 eröffnete Serengeti-Nationalpark mit einer Fläche von fast 15 000 km² ist ei­ nes der grössten Naturschutzgebiete der Welt. Der Name «Serengeti» entstammt der Sprache der Massai und bedeutet «endlose Ebene». Die V ielfalt an L andschaf ten ist gross. Es gibt endlose Grassavannen mit Inselbergen, savannenähnliche Gebiete mit ve r e i n ze l te n A k a z i e n, B u s c h s ava n n e n, Baum­s avannen und Galeriewälder an Flüs­ sen. Die Serengeti liegt durchschnittlich auf rund 1300 Metern Meereshöhe. Mehrere

HÖHLENWELTEN Abenteuerliche Entdeckung von Höhlen.

AMERIKAS WILDNIS Expedition in die Wildnis der USA.

Flüsse, die ganzjährig Wasser führen, mün­ den in den Victoria-See. Entlang der Fluss­ läufe wächst dichter Galeriewald, ein schüt­ zender Lebensraum für viele Tiere. In der Regenzeit (November bis Mai) bevöl­ kern hunderttausende Tiere die Savannen im Süden und Südosten der Serengeti. Dort kommen auch im Februar, wenn alles er­ grünt und ausreichend Nahrung vorhanden ist, die Kälber zur Welt. n

SCHILDKRÖTENODYSSEE Unterwegs mit der Grünen Schildkröte.

OCEANS 3D Eine Odyssee durch die Ozeane.

Änderungen vorbehalten. 3


MUSEUM

HANS ERNI MUSEUM

Der Berg ruft! Im Frühjahr wird das Hans Erni Museum zum Mekka von Alpinisten und Kunstfreunden gleichermassen: In der Ausstellung «Alpensinfonie. Der Berg in der Kunst» sind Darstellungen von Bergen vom 18. Jahrhundert bis heute zu sehen. AUTOR HEINZ STAHLHUT

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a s M oti v d e s B e rg e s z i e ht sich kontinuierlich durch das Werk von Hans Erni von frü­ hen gegenständlichen Gemälden aus den 1940er-Jahren bis in das Schaf fen der späten Lebensjahre. Zeigt sich der Luzerner zu Anfang vor alle m be geiste r t von de r ein­ drücklichen Erscheinung der den Vierwaldstättersee rahmenden Ber­ ge und der sich um sie rankenden Sagenwelt, so nimmt er später die Bedrohung der Bergwelt durch Tou­ rismus und Bautätigkeit in den Blick. Reichhaltiges Programm Grund genug, der Darstellung von Bergen eine Ausstellung zu widmen. Sie spannt den Bogen von der zu­ nehmenden Erforschung der Gebirge im 18. Jahrhundert über die touristi­

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RACING

sche Erschliessung im 19. Jahrhun­ dert und die wachsende Bedrohung im 20. und 21. Jahrhundert. Ein Kata­ log und ein reichhaltiges Veranstal­ tungsprogramm begleiten die Schau. Mit Werken von Cuno Amiet, Giorgio Avanti, August Babberger, Hansjürg B u c h m e i e r, R u th B u c k, H e i n r i c h ­D anioth, Hans Erni, M ­ ichel Grillet, Ferdinand Hodler, Christopher Lehm­ pf u h l, A l o i s L i c h t s te i n e r, A l b e r t M e r z, B r u n o M ü l l e r-­M e ye r, L e t a Peer, Patrick Rohner, Michel Roth, Stefan Rüesch, Jules Spinatsch, Andri Stadler, Andy Warhol, Caspar Wolf, Bernd Zimmer und anderen. Die Ausstellung «Alpensinfonie. Der Berg in der Kunst» findet vom 17. März bis 19. Juni 2022 im Hans Erni ­M useum statt.

Reifen wechseln Als Boxenstopp bezeichnet man im Motorsport das kurzfristige Stoppen eines Fahrzeugs in der Box, um aufzu­ tanken, neue Reifen zu montieren, kleine Reparaturen oder mechanische Einstellungen vorzunehmen oder den Fahrer auszutauschen. Welche Tätig­ keiten erlaubt sind, schreibt das ­R egelwerk der jeweiligen Motorsport­ art vor. In der Red Bull World of Racing in der Halle Strassenverkehr kann neu das Reifenwechseln eines Formel-1-­ Wagens selber vorgenommen werden: Was am Fernsehen in der Boxengasse innert Sekunden erfolgt, könnte im Verkehrshaus etwas länger dauern.


AGENDA VERKEHRSHAUS

SCHIENENVERKEHR

Bahnland Schweiz Seinen Anfang nahm der Schweizer Bahn­ verkehr vor 175 Jahren mit der Inbetrieb­ nahme der Spanisch-Brötli-Bahn (siehe auch Seiten 7–9). In der Halle Schienen­ verkehr widmet das Verkehrshaus diesem Thema die Schwerpunktausstellung «175 Jahre Bahnverkehr». Zahl­r eiche analoge und digitale Inhalte ­g arantieren abwechslungsreiche Erlebnisse. Entdecken Sie das Schweizer Bahnnetz auf einer inter­ aktiven Karte, treffen Sie auf zeit­g emäss inszenierte Klassiker wie die Fallblatt­ anzeige oder lassen Sie sich vom Charme eines histo­r ischen Bahnwärterhäuschens ­v erzaubern. Die Ausstellung geht auf die thematischen Schwerpunkte «Fahrzeuge und Rollmaterial», «Kundinnen und Kunden» und «Bahnbetrieb» ein.

ROAD DAYS 8. BIS 10. APRIL 2022 Ein Wochenende im Zeichen des ­S trassenverkehrs.

LOGISTIC DAYS 21. BIS 24. APRIL 2022 Erlebnisse und Interaktionen im Bereich der Logistik.

TOURISM- AND ROPEWAY DAYS 29. APRIL BIS 1. MAI 2022 Die Welt der Seilbahnen entdecken.

POWERFUEL WEEK 14. BIS 22. MAI 2022 Konferenz, Fachmesse und Publikums­ ausstellung zum Thema «Wasserstoff».

CAMPING DAYS 26. MAI BIS 6. JUNI 2022 Präsentationen von Campern und ­Wohnwagen.

PUBLIC TRANSPORTATION DAYS 16. BIS 19. JUNI 2022 Vier Tage lang öffentlicher Verkehr pur.

EM MIT UNSER ER T T E L NEWS den

m Laufen stets auf de us.ch/ verkehrsha newsletter

Änderungen vorbehalten. 5


PLANETARIUM

AGENDA PLANETARIUM TAGESPROGRAMM

Ferne Welten In der neuen Familienshow «Jenseits der Sonne – Auf der Suche nach einer neuen Erde» geht es auf die Suche nach ­E xoplaneten ausserhalb unseres Sonnensystems. Bereits wurden mehr als 5000 solcher Planeten gefunden.

JENSEITS DER SONNE Entdeckungen der Exoplaneten.

AUTOR MARC HORAT

Ü MISSION ERDE Ausblick auf unseren Heimatplaneten.

WELTEN JENSEITS DER ERDE Expedition ins Sonnensystem.

REISE INS UNIVERSUM LIVE Die Suche nach fremden Welten.

FRÜHLINGSHIMMEL LIVE Der Nachthimmel im Frühling.

MIT APOLLO ZUM MOND Die Geschichte des ersten Mondflugs.

Änderungen vorbehalten. 6

ber tausende von Jahren kannte die Menschheit nur gerade die Planeten, die man von blossem Auge am Nachthimmel sieht. Uranus und Neptun ka­ men dann im 18. und 19. Jahrhunder t mit d e m Ei ns at z vo n Fe r n ro h re n d a zu. Zw i­ s c h e n ze i t l i c h g a l te n a u c h d i e h e u t i g e n Zwergplaneten Ceres und Pluto als vollwer­ tig e Pla n ete n, a b e r inz w isc h e n hat ma n zahlreiche weitere Objekte dieser Grössen­ klasse entdeckt, welche diese neue Kate­ gorie rechtfertigen. Mit der fortschreitenden Te c h n o l o g i e w u rd e d i e S o n n e n s y s te m -­ Familie immer grösser. Lange vermuteten Wissenschaf tler, dass es auch um andere Sterne Planeten geben muss. Der zweifels­ freie Nachweis dazu gelang erst Mitte der neunziger Jahre des 20. Jahrhunder ts mit d e r E n td e c k u n g e i n e s j u p i te r ä h n l i c h e n ­P laneten um den Stern 51 Pegasi durch die Genfer Astronomen Michel Mayor und ­D idier Queloz. Die beiden Forscher erhielten für diese Arbeit 2019 den Nobelpreis für Physik.

Reise zu den Exoplaneten Seither hat sich viel getan. Mit kontinuierlich verbesserten Methoden wurden seither im­ mer mehr Planeten um ferne Sonnen ent­ deckt, gegenwärtig sind es bereits mehr als 5000 in allen möglichen Grössen. Der digi­ tale Weltraumsimulator des Planetariums im Verkehrshaus erlaubt es, auf Erkundungs­ tour zu gehen. Real sind diese Welten viel zu weit weg, als dass sie je ein Raumschif f ­b esuchen könnte. Im Planetarium ist zumin­ dest der vir tuelle Besuch möglich und der dor tige Sternenhimmel ist sichtbar. In der neuen Familienshow «Jenseits der Sonne – Auf der Suche nach einer neuen Erde» nimmt die Protagonistin Celeste die Besu­ cher auf eine solche Reise mit. n


ENTDECKT

Die Spanisch-Brötli-Bahn: Zugs­k omposition mit Lokomotive, ­K ohlewagen und ­P ersonenwagen mit Bremser.

Erster Bahnfahrplan Vor 175 Jahren wurde am 7. August 1847 die erste Bahnstrecke in der Schweiz, von Zürich nach Baden, feierlich eingeweiht. AUTORIN CLAUDIA HERMANN

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m 5. August 1847 teilte die Direktion der Schwei­ zerischen Nordbahngesellschaft SNB mit, dass die erste Bahnstrecke, Zürich – Baden, vier Tage später dem öf fentlichen Verkehr übergeben werde. ­D ieser Einleitung wurden die Fahrpläne Zürich – Baden und Baden – Zürich, mit Zwischenhalten in Altstetten, Schlieren und Dietikon, sowie der Tarif für den Per­ sonentransport angefügt. Die pünktliche Abfahrt sollte nach der Anzeige der Bahnhofuhren er folgen. In jede Richtung fuhren täglich vier Züge; ein gewaltiger Unter­ schied zu heute, wo man im Online-Fahrplan 138 Züge von Baden nach Zürich zählt. Aber auch der Tarif für die Strecke hat sich vermehrfacht. 1847: Fr. 1.60 (1. Kl.), 1.20 (2. Kl.), 0.80 (3. Kl.), 0.40 (3. Kl./Kinder); 2022: Fr. 23.40 (1. Kl.), 13.40 (2. Kl.), 6.70 (2. Kl. Halbtax/Kinder). In der ersten Woche fuhren 9025 Personen mit der SNB. Die Frequenzen brachen aber ein, sobald der Reiz des ­N euen verschwunden war. Im Juli 1848 benutzten nur noch 973 Personen täglich die Spanisch-Brötli-Bahn.

Briefausschnitt mit Beschreibung einer Fahrt mit der Schweizerischen Nordbahn (1850).

Fahrplan Zürich – Baden der Schweizerischen Nordbahn (1847).

1847 dauer te die Fahr t 45 Minuten, heute z wischen 16 und 37 Minuten. Damit sind insbesondere bei den Regionalzügen die Differenzen in den Fahrzeiten nicht so gross. Aber für Reisende der SNB war die Zeiterspar­ n i s g e g e n ü b e r d e r P o s t k u t s c h e b e d e u te n d, e i n e ¾-Stunde statt 5 Stunden, wie ein Vater seiner Tochter Julie de Mer veilleux in Neuenburg am 10. Juli 1850 schreibt. Beeindruckt erwähnt er unter anderem, was ihm bei den Angestellten der Höllenmaschine – «cette machine infernale» – aufgefallen sei: ihre ernste Aus­ strahlung. Trotz ihrer jungen und schönen Gestalt schie­ nen ihm diese Menschen durchdrungen zu sein von der Wichtigkeit ihrer Funktionen und den schrecklichen Fol­ gen, die die geringste Unvorsichtigkeit oder Nachlässig­ keit ihrerseits für viele Menschen haben könnten. n

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FOKUS

Bahnerfolg Schweiz Die Schweiz startete mit Verspätung ins Eisenbahnzeitalter, musste viele Fehlschläge verkraften, konnte sich dann aber als wahre Pionierin in vielerlei Hinsicht auszeichnen. Der Schweizer Bahnverkehr feiert 2022 sein 175-Jahr-Jubliläum.

AUTOR LUZIUS MÄDER*

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ls a m 7. August 1847 de r Eröf f nungs zug de r Schweizerische n Nordbahn (SNB), im Volks­ mund als Spanisch-Brötli-Bahn bekannt, die Strecke Zürich – Baden in 33 Minuten hinter sich gelegt hatte, war die Freude immens. Der Schweiz gelang nach vielen Uneinigkeiten, Diskussionen und Verhandlungen endlich der Startschuss ins Eisenbahnzeitalter. Aber der Reihe nach. 1830 wurde in England die erste öffentliche Dampfeisenbahnstrecke eröf fnet. Zentral für diesen Meilenstein in der Verkehrsgeschichte waren die Ent­ wicklung der Dampfmaschine sowie die Erfindung der Schiene. Bald folgten weitere Bahnstrecken auf dem ­e uropäischen Festland und in den USA. Politische Hindernisse Dass es in der Schweiz noch 17 Jahre dauern sollte, bis der erste Zug fuhr, hat te vielerlei Gründe. Einerseits herrschte ein ausgeprägter Konservatismus, der Neuem grundsätzlich mit Vorurteilen begegnete. Andererseits gab es medizinische Bedenken und Ängste, die hohen Geschwindigkeiten der Züge könnten die Passagiere in ein regelrechtes Delirium versetzen, das ihnen ihre ­S inne raube. Der Hauptgrund für die zaghafte Entwicklung der Eisenbahn war jedoch politischer Natur. Die Schweiz, bis 1848 lediglich ein loser Staatenbund, sah sich mit zahl­ reichen internen Konflikten konfrontiert, welche 1847 im Sonderbundskrieg zwischen den konservativen und den liberalen Kantonen gipfelten und schliesslich zum Bun­ desstaat und zur ersten Verfassung führten. 8

Grosse Konkurrenzdruck Nichtsdestotrotz gab es bereits in den 1830er-Jahren erste Bestrebungen zum Bau einer Eisenbahn, aus der die Basel-Zürcher-Eisenbahngesellschaf t entstand. Aufgrund finanzieller Probleme kam die Gesellschaf t ­a llerdings nie über die Planungsphase hinaus und wur­ de bereits nach fünf Jahren wieder aufgelöst. Nach der ­E röf fnung der Bahnlinie zwischen Zürich und Baden 1847 erlebte die Eisenbahn in der Schweiz regelrechte Boom-Jahre. Allein im 19. Jahrhundert entstanden über 100 verschiedene Privatbahn-Gesellschaften. Der Kon­ kurrenzdruck im äusserst kostenintensiven Eisenbahn­ geschäft war entsprechend hoch und viele Eisenbahn­ gesellschaf ten verschwanden bereits nach wenigen Jahren wieder. Entweder weil sie mit anderen Gesell­ schaften fusionierten oder weil sie Konkurs gingen. Die Eisenbahn veränder te in dieser Anfangszeit sowohl Landschaf t und Gesellschaf t als auch Industrie und Wirtschaft tiefgreifend. Geburt der SBB Gegen Ende des 19. Jahrhunderts begannen die Bestre­ bungen des Bundes zur Verstaatlichung der gros­s en Privat­b ahnen. Eine koordinier te Gesamtentwicklung war, so der Grundgedanke, nur in Form einer Staatsbahn möglich. Die Profitorientierung der Privatbahnen ent­ sprach nicht der Idee dessen, was man ­h eute unter «ser­ vice public» versteht. Das Vorhaben des Bundes wurde in einer Volksabstimmung überwältigend bestätigt. 1902


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1 D ie Spanisch-Brötli-Bahn im Jahr 1948.

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2 D er Bahnhof von Baden um 1850. 3 P lakat zum Abstimmungsergebnis von 1898: 68% Ja-Stimmen ­b efürworten eine Staatsbahn. 4 1996: Spatenstich zur Bahn 2000 in Mattstetten. 5 L uftaufnahme des Gotthard-­ Basistunnel (Nordportal Erstfeld).

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waren die Schweizerischen Bundes­b ahnen, die SBB, geboren und realisierten in der Folge zahlreiche Meilen­ steine, die das Land noch heute massgeblich prägen. Zu nennen sind die Pionierleistungen in Bezug auf die Elekt­ rifizierung der Eisenbahn, die ins­b esondere durch den Kohlemangel während der beiden Weltkriege rasant vor­ anschritt. Weiter sind Infrastrukturbauten wie der erste Gotthardtunnel, der Simplontunnel oder der gesamt­ schweizerische Ausbau des Schienennetzes im Rahmen des Projekts «Bahn 2000» und nicht zuletzt der Gott­ hard-Basistunnel zu erwähnen. Auch die Einführung des Taktfahrplans 1982 war ein wichtiger Schritt zur Stär­ kung der Wettbewerbs­f ähigkeit der Eisenbahn gegen­ über dem Strassenverkehr. Spitzenreiter in Europa Aller Anfang ist schwer. Auch wenn die Startphase von Fehlschlägen und Verzögerungen geprägt war, kann die Schweiz heute zu Recht stolz sein auf 175 Jahre Bahn­ verkehr im kleinen Alpenland. Das Eisenbahnnetz der Schweiz ist heute nicht nur eines der am dichtesten ­b efahrenen der Welt, sondern ist auch in Bezug auf Fahrgastzahlen, Pünktlichkeit und Sicherheit ein Spit­ zenreiter in Europa. n

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* L uzius Mäder, Fachführung Erschliessung und ­B ewertung, Historisches Archiv SBB Historic.

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ZUR PERSON

ADI KAUFMANN Von 1985 bis 2019 bei Gondelbahn Grindelwald-Männlichen (GGM), zuletzt als Technischer Leiter. Seit dem Neubau der Gondelbahn stellvertretender Technischer Leiter bei der Grindelwald Grund Infrastruktur AG (GGI). Adi Kaufmann ist 59-jährig, verhei­ ratet, Vater von zwei erwachsenen Kindern und wohnt in Grindelwald. Beim Bau 1978 war die GGM mit 6,2 km die längste Gondelbahn der Welt. 2019 wurde die alte Bahn durch eine neue Gondelbahn mit modernen 10er-Kabinen ersetzt. Die ­K apazität verdoppelte sich auf 1800 Gäste pro Stunde, die Fahrzeit auf den Männlichen reduzierte sich von 30 auf 20 Minuten. 10


INTERVIEW

Neben Giganten gondeln Seit 2019 fährt eine neue Gondelbahn von Grindelwald auf den Männlichen. Der langjährige Mitarbeiter Adi Kaufmann über den Wechsel von Alt auf Neu, den natürlichen Feind der Bahn und Insiderwissen, das man bei der nächste Gondelfahrt verwenden kann.

AUTOR MANUEL HUBER

War der Neubau mit Wehmut ­verbunden? Sicher etwas. Beispielsweise liefen die alten Getriebe 40 Jahre lang ­e inwandfrei. Die heutigen Getriebe werden wohl nicht so lange ohne ­I nstandsetzung fahren. Aber bei der Steuerung standen wir mit dem Rücken zur Wand, weil es keinen Support mehr gab. Also waren Sie auch erleichtert. Ja, der Neubau war aus technischer Sicht nötig und bringt den Gästen viele Vorteile. Die V-Bahn mit EigerExpress und Männlichenbahn ­s tartet im Tal, es gibt keine Warte­ zeiten mehr, der Gast ist schneller auf dem Berg und der Transport von Schlitten und Kinderwagen ist einfacher. Wie haben Sie die Entwicklung von der alten zur neuen Bahn erlebt? Es war ein langer und schwieriger Weg. Aus dem anfänglichen SoloProjekt für die Männlichenbahn ­w urde ein Gemeinschaftsprojekt. Zudem wurden diverse Varianten geprüft. Das verzögerte den Bau der neuen Bahn. Was ist denn neu an der neuen Bahn? Die Technik ist komplett neu – wir haben nichts übernommen. Die ­Talstation wurde abgerissen und durch einen Neubau ersetzt. Auch die Mittel- und die Bergstation ­w urden neu erstellt, angebaut an die alten Gebäude, die heute als ­G arage für die Kabinen dienen. Was bedeutet die neue Technik für Betrieb und Unterhalt? Heute ist alles digitaler, von der Steuerung über die Bedienung bis zur Überwachung. Die neue Bahn

hat mehr Technik und alles ist kom­ plexer. Daher wird der Aufwand für den Unterhalt grösser sein als bei der alten Bahn. Was gehört eigentlich zu einer Revision? Die regelmässige Instandhaltung ist eine Kombination aus Inspektion, Wartung, und Instandsetzung. Ein Beispiel der Wartung: Das Seil wird bei allen Stützen abgehoben und die Batterie entlastet, um diese zu schmieren und altes Fett zu ­e nt­f ernen. Wir reinigen und zerlegen viele Bauteile, um sie auf Risse zu untersuchen. Was ist der natürliche Feind einer Gondelbahn? Vor allem Wind, aber auch Gewitter und Eisregen. Auch die Höhen­ differenz ist eine Herausforderung. Wir starten auf 1000 Metern und ­f ahren auf 2200 Meter über Meer. Wenn es im Tal regnet, nehmen wir die Nässe mit, die oben gefriert. Aber der grösste Feind ist sicher der Wind. Bei welcher Windstärke wird es heikel? Das kommt stark auf die Windrich­ tung an. Wirklich heikel wird es ab 60 km/h. Aber auch Windstärken von 40 oder 50 km/h können heikel sein, wenn der Wind quer zur ­B ahnachse weht. Ab 40 km/h gibt es eine Warnung, ab 60 km/h einen Alarm. Dann stellen wir den Betrieb ein.

also alle Gäste sicher ins Tal zu ­b ringen. Eine Gefahrensituation gab es aber nie. Und welche Tage machen Ihre Arbeit zum Genuss? Eigentlich jeder Tag, an dem die Bahn störungsfrei fährt. Speziell aber schöne Wintertage mit guten Schneeverhältnissen und vielen ­z ufriedenen Gästen. Weshalb sind die Menschen von Gondelbahnen fasziniert? Das ist wohl eine Kombination. Einer­s eits faszinieren Technik und Fahrgefühl. Das Beschleunigen aus der Talstation, das Hängen am Seil und das Abbremsen in die Berg­s tation. Andererseits ­b egeistern s­ icher auch die Höhe und das ­Panorama. Geben Sie uns zum Schluss noch etwas Gondelbahn-Insiderwissen mit. Das Stahlseil nennt man Förderseil. Bei der Männlichenbahn ist das ­F örderseil der ersten Sektion 6218 m lang und wiegt 61 300 kg, das Seil der zweiten Sektion ist 6061 m lang und 59 760 kg schwer. Anfang und Ende der Seile sind zusammen­ gespleisst, damit sie eine Endlos­ schlaufe bilden. Das Seil besteht aus Einzeldrähten, die zu Litzen ­g eformt sind. In der ­R egel verwen­ det man sechs Litzen für ein Seil. Und was man nicht e ­ rwartet: In der Mitte des Seils – s­ ozusagen das Herzstück – ist ein Kunststoffstab. n

Gab es kritische Momente? Bisher nur bei der alten Bahn. Wenn der Föhn seine Richtung nur leicht änderte und vom Mittellegigrat am Eiger ins Tal stürzte, kämpften wir plötzlich mit sehr starkem Wind und hatten Mühe, die Bahn leerzufahren, 11


BESUCH

Restaurierte Orion in Kloten neben einer Boeing 747.

Die Lockheed 9B Orion im Verkehrshaus.

Die Orion 9C Spezial Der Rumpf bestand hauptsächlich aus Fichtenholz. Nur bei einer Maschine wurde Leichtmetall verwendet – diese eine Maschine mit der Bezeichnung «9C Spezial» befindet sich als letzte überlebende Orion in der Sammlung des Verkehrshauses. AUTOR SIMON MÜLLER

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as eigentliche Verkaufsargument der Orion war deren Geschwindigkeit von 290 km/h. Damit war sie rund 100 km/h schneller als andere Flugzeuge, die den Markt dominierten. Im Vergleich zu diesen erin­ nert die Orion äusserlich auch eher an ein Jagdflugzeug als an einen Passagier flieger: Das Cockpit war h ­ inter dem Motor auf dem Rumpf aufgesetzt und das Fahrwerk konnte eingezogen werden. Letzteres war eine a ­ bsolute Neuheit im Flugverkehr und verbesserte die Aero­d ynamik massiv. Einschränkungen gab es aber in der Ladekapazi­ tät. Nur sechs Passagiere konnte die O ­ rion mitnehmen. Dies war sogleich die grösste Schwachstelle des Flie­ gers. Flugzeug setzt Massstäbe Die Swissair war die erste europäische Fluggesellschaft, die auf die se neuar tigen Schnellverke hrsf lugzeuge ­s etzte – und das nur ein Jahr nach ihrer Gründung. Sie kaufte zwei Maschinen, die auf den Expresslinien zwi­

Illustration der Lockheed 9B Orion der Swissair.

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schen Zürich, München und Wien eingesetzt wurden: Start um 9.10 Uhr ab Zürich, Landung um 10.10 Uhr in München und später um 11.40 Uhr in Wien. Die Orion war ein voller ­E r folg und ein Trendsetter für die euro­ päische Aviatik. Diese Rolle erfüllte sie schnell. Nur we­ nige Jahre nach ihrer Beschaffung wurden die beiden Flieger bereits ersetzt: Die amerikanischen Schnellflug­ zeuge des Typs Clark GA-43 hatten eine ähnlich hohe Reisegeschwindigkeit, aber mit zehn Passagierplätzen die fast doppelte Kapazität. Ausserdem waren sie mit einer Radioanlage ausgerüstet. Aufwendige Restaurierung Von den insgesamt 35 hergestellten Maschinen des Typs Orion hatten 34 einen Rumpf aus Fichtenholz. Nur bei einer Maschine wurde Leichtmetall verwendet – die Orion 9C Spezial. Diese Maschine hängt heute im roten Kleid der Swissair in der Halle Luft- und Raumfahrt. Der erste Direktor des Verkehrshauses Alfred Waldis kaufte 1976 das Flugzeug, das in Privatbesitz war, und brachte die Maschine mit Hilfe der Unternehmen von Swissair, McDonnell Douglas und Seabord World Airways in die Schweiz. Das Fokker-Team übernahm die Restaurierung der letzten überlebenden Orion-Maschine. Über 10 000 Arbeitsstunden wurden in die Restaurierung investiert. Überführung ins Verkehrshaus A m 4. August 1978 wurde die re staur ie r te O r ion in ­Z ürich verladen und nach Luzern überführt. Dafür muss­ te sie demontiert und anschliessend wieder zusammen­ geschraubt werden. Am 10. August fand die Übergabe ans Verkehrshaus statt. Heute hängt sie im Verkehrs­ haus von der Decke und kann dank der Passerelle von unten, von vorne und von oben betrachtet werden. n


MITGLIEDER

MITGLIEDER­ VERSAMMLUNG Am 11. Juni 2022 finden die Mitglie­ derversammlung und der Mitglie­ dertag mit Rahmenprogramm statt. Reservieren Sie sich das Datum. Die Einladung erfolgt mit den Unter­ lagen zur Mitgliederversammlung.

DATUM N ­VORMERKE 2 11. Juni 202

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NEUBAU

Neubau kommt voran

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ie Bauarbeiten beim Neubau kommen gut voran. Das Fun­ dament konnte planmässig erstellt werden, und der Rohbau mit der anspruchsvollen Deckenkonst­ ruktion über der stützenfreien Aus­ s te l l u n g s h a l l e w i r d A n f a n g A p r i l 2022 abgeschlossen sein. Die Eröff­ nung der neuen Ausstellung samt neuem, zusät zlichem Eingang an d e r H a l d e n s tr a s s e w i rd e i n J a h r s p äte r e r fo l g e n. I n d e n O b e rg e ­ schossen werden im Frühjahr 2023 die Büroräumlichkeiten für das Ver­ kehrshaus und Drittmieter bezogen. Im A pr il we rde n z we i B lache n im X XL Format an der Nord- und Süd­ fassade montiert. n

im Verkehrshaus

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HABEN SIE

GEWUSST,

DASS …

3 7 1 2 … das Schweizer Schienennetz insgesamt 3172 Kilometer umfasst? Der weit überwiegende Anteil davon ist Normalspur (Spurweite 1435 Mil­ limeter). Hinter Luxemburg belegt die Schweiz den zweiten Platz, wenn es um die Anzahl Meter Eisen­ bahnstrecke pro Quadratkilometer Landesfläche geht. … unsere Vorfahren etwa 8000 v. Chr. entdeckten, dass sie sich auf oder im Wasser fortbewegen konnten? Die Menschen bauten ihre ersten Wasserfahrzeuge aus Holz, Papy­ rus, Binsen und Tierfellen. Ägypter fertigten gemäss einem archäo­ logischen Fund in der Cheops-­ Pyramide 1954 schon vor mehr als 4000 Jahren hochentwickelte ­B oote. Es wurde eine 43 Meter ­l ange und in 1224 Einzelteile zer­ legte Barke des Pharaos gefunden. ... im Januar 1966 ein amerikanisches Flugzeug mit vier Atombomben abstürzte? Ein B-52-Bomber der US-Luftwaffe stiess in Spanien, bei der Küsten­ ortschaft Palomares, beim Auf­ tanken in der Luft mit einem Tank­ flugzeug zusammen und stürzte ab. Zwei der Atombomben an Bord platzten auf und verseuchten 220 Hektar Felder mit radioaktivem ­P lutonium.

DAS

OBJEKT

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… Segelflugzeuge aus einem bestimmten Grund fast immer weiss gestrichen werden? Glasfaserkunststoff erweicht bei hohen Temperaturen. Daher wird fast universell weisse Farbe ver­ wendet, um den Temperaturanstieg durch die Sonnenerwärmung zu redu­z ieren. Die Segelflugzeuge aus ­F iberglas (Aluminium und Holz) ­können jedoch in jeder Farbe ­l ackiert werden. … Astronauten während eines Aufenthalts im All Knochenmasse verlieren? Der Verlust pro Monat beträgt bis zu 1,5 Prozent. Gemäss Stefan Schneider, dem Leiter des Zen­ trums für integrative Physiologie, ­e rgeht es den meisten so. Auf der Erde findet dieser Prozess ­n ormalerweise viel langsamer und erst im Alter statt.

Max Frischs Jaguar ist legendär. Er wurde fotografiert, kommentiert und fand Eingang ins literarische Werk. Der Schriftsteller kaufte das Auto im Jahr 1967. Auch Frischs Verleger Siegfried Unseld war Jaguar-­Fahrer. Reparaturanfällig war der Jaguar allerdings, wie Rosemarie Primault, Frischs ehemalige Sekretärin, zu berichten weiss. Nach einer Totalrevision, die mehrere Monate dauerte, weil die Ersatzteile m ­ ühevoll aus England beschafft werden mussten, kam der Jaguar gleich wieder in die Werkstatt: Bei einer Fahrt auf den Pfannenstiel verlor er plötzlich das rechte Vorderrad. Rosemarie Primault konnte das Auto einige Zeit später abholen, machte eine Probefahrt – und der Jaguar verlor das linke Vorderrad. Nur mit Glück brachte sie ihn zum Stehen. Zu ihren «Sekretariats­ aufgaben» gehörte auch, den Wagen regelmässig aus der Garage zu holen und ein Stück zu fahren, wenn Max Frisch auf ­R eisen war, damit die Batterie nicht den Geist aufgab. Den Jaguar behielt Max Frisch bis kurz vor seinem Tod. Als ihn 1990 der Regisseur Volker Schlöndorff besuchte, führte er den Oscar-Preisträger, der «Homo faber» verfilmte, in die Tiefgarage seines Wohn­ hauses an der Zürcher Stadelhoferstrasse. Er zeigte auf den glänzenden Wagen, hielt ihm die Schlüssel hin und sagte: «Der ­g ehört jetzt dir. Da, wo ich hingehe, ­b rauche ich ihn nicht mehr. Er eignet sich besonders zum Vorfahren bei Hotels. Da gibt es immer noch ein Zimmer …» ­Volker Schlöndorff hat sich nun entschie­ den, den Jaguar 420 dem Verkehrshaus zu schenken. Dem Auto wird in der Halle Strassenverkehr eine Themeninsel ­g ewidmet. Zu sehen sind wertvolle Original­d okumente aus dem Bestand des Max Frisch-Archivs an der ETH-­ Bibliothek. n

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IN MOTION

Autonome Pioniere Die SmartShuttles waren 2016 eine weltweite Premiere: Nie zuvor waren autonome Fahrzeuge im Personentransport auf öffentlichen Strassen bewilligt worden.

AUTOR BENJAMIN KÜCHLER

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ei der Einweihung 2016 haben die SmartShuttles von PostAuto für Furore gesorgt: Internationale Medien und Experten haben sich die Klinke in die Hand gegeben, um die Shuttles live zu erleben. Journa­ listen und E xper ten aus der ganzen Welt haben die Shuttles besucht: Vom koreanischen Fernsehsender über das schwedische Journalisten-Team bis hin zum deutschen Kinderkanal, der den Shuttle mit Plüsch­ schafen bewarf, um dessen Reaktion zu testen. Mit den Fahrten von autonomen Fahrzeugen im Personentrans­ por t auf öf fentlichen Strassen konnte nachgewiesen werden, dass ein sicherer Betrieb auf öffentlichen Stras­ sen möglich ist. Ende Oktober 2021 haben die Smart­ Shuttles in Sitten ihre letzte Runde gedreht. Eines der Shuttles hat PostAuto dem Verkehrshaus geschenkt. Dieser ist nun Teil der nationalen Mobilitätssammlung. Sonderbewilligung erteilt Am Donnerstag, 23. Juni 2016, star tete der of fizielle Testbetrieb mit zwei selbstfahrenden Fahrzeugen von PostAuto in Sitten. Die zu 100% elektrisch angetriebe­ nen Fahrzeuge wurden zuvor auf einem Privatgelände ausgiebig getestet. Für die Durchführung des Pilotversuchs brauchte es Sonderbewilligungen des Bundesamts für Strassen (ASTRA) wie auch des kantonalen Strassenverkehrs­ amts des Kantons Wallis. In Sitten fuhren die Shuttles, die elf Fahrgästen einen Sitzplatz bieten und mit maxi­ mal 20 km/h unterwegs sind, einen Rundkurs, der den Bahnhof von Sitten mit der Altstadt verband. Die Benut­ zung der autonomen Shuttles war kostenlos. Bis zum Projektende im Jahr 2020 in Sitten wurden 55 000 Fahr­ gäste beförder t. Aufgrund der Einführung der Smar t­ Shuttles haben auch andere Schweizer und ausländi­ sche Unternehmen Projekte mit autonomen Fahrzeugen gestartet. Damit ist eine Innovationswelle im Bereich der auto­n omen Mobilität in der Schweiz losgetreten wor­ den.

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Fahrten «on demand» Der Erfolg des SmartShuttle-Projekts in Sitten hatte die Stadt Sitten und PostAuto dazu bewogen, sich zusam­ men mit Partnern aus der Wissenschaft für das EU-Pro­ jekt «Avenue» zu bewerben. Avenue beteiligt sich in ver­ schiedenen europäischen Städten an der Finanzierung von Testbetrieben mit automatisierten Fahrzeugen im öffentlichen Verkehr. So konnten ab dem 12. April 2021 die Anwohnerinnen und Anwohner wie auch Touris­ tinnen und Touristen im Rahmen eines sechsmonatigen Testbetriebs die beiden Shuttles «on demand» mit einer App, per Telefon oder via Bildschirm (Touchscreen) am Bahnhof Saint-Léonard für ihre Wunschstrecke buchen. Mit dem Pooling wurden die individuellen Mobilitäts­ be dür f nis se de r Kundschaf t e r fas st. We il unnötige M e h r fa h r te n ve r m i e d e n w u rd e n, wa re n di e S m a r t­ Shuttles ökologischer unterwegs. Autonomes Fahren wird wichtiger Der Gebrauch der beiden Shuttles Valère und Tourbillon im öffentlichen Verkehr hat Spuren hinterlassen, und die Technologie hat sich in den vergangenen fünf Jahren stark weiterentwickelt. PostAuto ist überzeugt, dass das autonome Fahren künftig immer wichtiger werden wird, und sieht insbesondere in weniger gut erschlosse­ nen Randgebieten oder zu Randzeiten Potenzial für ­a utonome Postautos, die zugleich «on demand» fahren. Gerade im Bereich des autonomen Fahrens ist es aber wichtig, dass alle A k teure aus die sem Bereich ihre ­E xpertise bündeln. Deshalb hat PostAuto bereits 2020 die Swiss Association for Autonomous Driving, kurz SA AM, gegründet, deren Geschäf tsstelle von Mar tin Neubauer, Projektleiter selbstfahrende Fahrzeuge bei PostAuto, geleitet wird. Der Verein ist ein grosser Erfolg. In kurzer Zeit sind bereits 24 der wichtigsten Schweizer Akteure aus dem öffentlichen Verkehr, dem motorisier­ ten Individualverkehr sowie der Industrie und Forschung im Bereich autonomes Fahren beigetreten. Mit dabei sind nebst PostAuto auch EPFL, SBB, Mobility, AMAG, BernMobil, Siemens, Mobility Lab, TCS, ASTAG und VBZ. n


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1 U nterwegs mit einer Geschwindigkeit von maximal 20 km/h. 2 B ahnhof Sitten: Umsteigen auf den SmartShuttle. 3 F ahrt in der Sittener Altstadt. 4 B lick in die Fahrgastkabine. 5 S chenkung von Postauto: Smart­ Shuttle im Verkehrshaus der Schweiz.

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KURZINTERVIEW

beginne ich mit der Produktion von unseren Maître-Artikeln. Während meiner Arbeit treffe ich auf n ­ ette Kunden und führe sehr interessante Gespräche. Manchmal g ­ iesse ich mit Kindern Hohlfiguren oder ­d ekoriere eine persönliche Tafel­ schokolade für einen Kunden.

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gefragt

Anita Müller Maître Chocolatier

Weshalb arbeitest du im Lindt Shop im Verkehrshaus? Ich habe mir einen Job gesucht, bei dem ich meiner Kreativität nachgehen kann und gleichzeitig den direkten Kunden­ kontakt pflegen kann. Es ist wunder­ schön zu sehen, wie gross die Freude und vor allem das Interesse an unserer Lindt Schokolade ist. Wie sieht dein Arbeitsalltag aus? Am Morgen verschaffe ich mir einen Überblick, was zu produzieren ist. Dann

Welches ist deine Lieblings­ kreation im Sortiment? Von den Maître-Produkten gehören die Mix-Säckli zu meinen Lieblings­ produkten. Darin sind sieben di­verse kleine Schokoladentafeln enthalten: Der Kunde muss sich beim Einkauf nicht entscheiden und kann alle ­S orten geniessen. Beim Standard­ sortiment liebe ich die Kokos-LindorKugeln. Welches war bisher dein bestes Erlebnis mit Besuchern? Es gibt immer wieder tolle Begeg­ nungen. Ich mag die Advents- und Osterzeit, dann giessen wir mit ­K inder Teddys oder Osterhasen, die sie selber dekorieren. Es macht mir Riesenspass, die Freude und die Kunstwerke der Kinder zu sehen.

Welches sind die Herausforderungen eines Maître Chocolatier? Die grösste Herausforderung ist, wenn ich produziere und nicht von der Arbeit weglaufen kann, um den Kunden zu helfen, falls sie Fragen ­h aben. Wie erlebst du die Shopbesucher? Die Shopbesucher sind freundlich, interessiert an Schokolade und schätzen es sehr, wenn sie bei uns Schokoladen probieren dürfen. Wie würdest du einem aus­ ländischen Besucher das ­Verkehrshaus beschreiben? Ein absolutes Muss! Total abwechs­ lungsreich, es hat für jeden Besu­ cher tolle und interessante Inhalte zum Anschauen oder Erleben. Welchen Artikel wünschst du dir im Lindt Shop? Ich wünsche mir im Herbst wieder die Sticks mit Kokosfüllung, die wir jeweils nur im Sommer im Sortiment haben.

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Sudoku

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Entdecken Sie das schweizweit einmalige interaktive Spiel­ museum mitten in Luzern. Alles darf ausprobiert werden: von Spielen aus der Antike über klassische Brettspiele bis hin zu Flipperkästen und Spielkonsolen. Zahlreiche Spiele aus verschiedenen Epochen, mit unterschiedlichen Techno­ logien und aus diversen Gattungen werden vorgestellt. Abgerundet wird der Besuch im Gameorama mit einer ge­ mütlichen Pause im Brettspielcafé, wo über 550 ­B rettspiele ausprobiert werden können.

Lösungszahl bis am 30. April 2022 einsenden an: Verkehrshaus der Schweiz, Sudoku, Lidostrasse 5, 6006 Luzern, oder magazin@verkehrshaus.ch

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Zu gewinnen: 2 × 2 Erwachsenen-Eintritte für das Gameorama

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Pro Haushalt ist nur eine Person teilnahmeberechtigt, Mitarbeitende vom Verkehrshaus der Schweiz sind ausgeschlossen. Die Gewinner werden schriftlich benach­r ichtigt. Eine Barauszahlung des Preises ist nicht möglich. Es wird keine Korrespondenz geführt. Der Rechtsweg ist ausgeschlossen. Die Lösungszahl der Ausgabe 47 lautete: 81979. Zwei Freikarten für das Sauriermuseum Aathal haben gewonnen: Rita Anderhub (Buchrain), Bernard Schüle (Affoltern am Albis).

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17.3.– 19.6.2022 🐦🐦

HANS ERNI MUSEUM

www.verkehrshaus.ch/hansernimuseum

ALPENSINFONIE DER BERG IN DER KUNST



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