Brückenbau 1-2/2021

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SYMPOSIUM Partizipativer Prozess zur ersten Edelstahlbrücke Englands

Pooley Bridge im Lake District Nationalpark von Héctor Beade Pereda, Laura Langridge, Bartlomiej Halaczek

1 Frühere Steinbogenbrücke über den Fluss Eamont © Peter McDermott

Nach der Zerstörung ihres 250 Jahre alten Wahrzeichens durch eine schwere Sturmflut wurde eine Ersatzbrücke für den im Nordwesten Englands gelegenen Ort Pooley Bridge entwickelt. So wurde hier unter enger Einbeziehung der lokalen Bevölkerung die erste Straßenbrücke Großbritanniens in Edelstahlverbundbauweise geplant und im Herbst 2020 fertiggestellt. 1 Einleitung Am 6. Dezember 2015 verlor die kleine Gemeinde Pooley Bridge im Nordwesten Englands ihr namengebendes Wahrzeichen. Das 200-Seelen-Dorf liegt am östlichen Ende des länglichen Sees Ullswater, eines der großen Seen des Lake District Nationalparks. Die malerisch situierte Ortschaft gilt als eines der Tore zu dem Unesco-geschützten Seengebiet, das sich ca. 130 km nördlich von Manchester befindet. Der Fluss Eamont, der aus dem Ullswater entspringt, wurde in Pooley von einer 250 Jahre alten steinernen Brücke überquert.

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BRÜCKENBAU | 1/2 . 2021

Die denkmalgeschützte dreigliedrige Steinbogenbrücke war die einzige Flussquerung im Umkreis von 10 km und deshalb wichtig für den regionalen Verkehr. Sie war jedoch weit mehr als ein Infrastrukturprojekt: Das elegante, 50 m lange Bauwerk war zentraler Bestandteil des Ortes und für das Selbstverständnis der Bürger so essentiell, dass sich der Name des Dorfes, »Pooley Bridge«, von ebendieser Brücke ableitete. Entsprechend tief war der Schock unter den Einwohnern, als die Pfeiler ihrer Brücke den Fluten des Dezemberunwetters 2015 nachgaben und das gesamte Bauwerk einstürzte. Die massive Querung, und speziell ihre zwei Wasserpfeiler, waren zwar auf Flutereignisse ausgelegt, der Sturm Desmond brachte aber ein Rekordhochwasser mit sich – es war aktuellen Berechnungen nach ein 700-Jahr-Ereignis –, bei dem der Flusspegel schnell bis hin zur Brückenbrüstung anstieg. Die Brücke wurde zu einem Damm, hinter dem sich das Wasser eines ganzen Sees aufstaute. Während der Rückstau erhebliche Schäden in dem Ort anrichtete, unterspülte das Wasser allmählich die Pfeiler, bis sie keinen Halt mehr fanden – und Pooley Bridge verlor sein Wahrzeichen.

Da viele weitere Orte in der Umgebung von dem Sturm betroffen waren, bei dem insgesamt 700 Brücken beschädigt wurden, leitete die zuständige Grafschaft Cumbria County Council ein 120 Mio. £ umfassendes Nothilfeprogramm in die Wege, um die entstandenen Schäden zu beheben, aber auch um eine Resilienz gegenüber zukünftigen Extremereignissen, die in ihrer Häufigkeit zunehmen, zu etablieren. Es wurde eine temporäre Fertigteilbrücke (Bailey Bridge) errichtet, um die Teile des Dorfes wieder miteinander zu verbinden. Die lokale Bevölkerung machte allerdings klar, dass langfristig eine neue Brücke erforderlich sein wird, deren Charakter über ihre Funktion als technisches Bauwerk deutlich hinausgeht.


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