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Sanierung von Gewölbebrücken im LuFV-III-Rahmen

Brückenprogramm der Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung Sanierung von Gewölbebrücken im LuFV-III-Rahmen

von Jens Müller, Younes Bouyrakhen, Thomas Bösche

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In den letzten fünf Jahren hat die DB Netz AG im Rahmen der Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung (LuFV) II allein 902 Eisenbahnüberführungen erneuert. Trotz des erfolgreichen Abschlusses der Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung II besteht weiterhin ein durchgängig hoher Erneuerungsbedarf bei Eisenbahnüberführungen. Vor diesem Hintergrund hat man sich gemeinsam mit dem Bund auf eine Fortsetzung des größten Modernisierungsprogramms in der Geschichte der Eisenbahn verständigt. So gilt seit Januar 2020 die neue Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung III zwischen Bund und Bahn, mit der mehr Mittel für die Eisenbahninfrastruktur zur Verfügung stehen als je zuvor.

1 Leistungs- und

Finanzierungsvereinbarung III

Konkret sieht die Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung III bis 2029 die Modernisierung, Anplanung und Instandsetzung von insgesamt 2.000 Eisenbahnüberführungen vor. Die sanktionsbewehrte Qualitätskennzahl wurde im Rahmen der Verhandlungen zur Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung III weiterentwickelt. So unterteilt sich diese Qualitätskennzahl in drei unterschiedliche Dimensionen bzw. Kennzahlen. Hierzu zählen:

LuFV-III-Vertragsziel

(in Zahl der Eisenbahnüberführungen)

1.200

500

300 Anmerkungen

das heißt Verbesserung der jeweiligen Zustandskategorie von mindestens 1.200 voll- bzw. teilerneuerten Brücken um mindestens eine Zustandskategorie

das heißt mindestens in Leistungsphase 3 erbrachte Planungsleistung von mindestens 500 voll- bzw. teilerneuerungsbedürftigen Brücken mit dem Ziel einer Verbesserung der Zustandskategorie ab 2030

das heißt Verbesserung der jeweiligen Zustandskategorie von mindestens 300 instandgesetzten Brücken um mindestens eine Zustandskategorie

1 Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung III, Anlage 13.6 Qkz-Zielwerte: Zustand der Brücken © DB Netz AG

Eine erfolgreiche Umsetzung des Brückenprogramms erfordert jedoch geeignete Rahmenbedingungen. In den vergangenen Jahren stellte vor allem die Marktentwicklung im Bereich Brückenbau das Programm vor große Herausforderungen und erschwerte dessen Realisierung. Durch das steigende Bauvolumen im Allgemeinen und die erhöhte Nachfrage der Straßenbaulastträger im Besonderen ist eine besorgniserregende Marktverknappung zu beobachten. So führt die hohe Nachfrage bei Brücken nicht nur zu einem deutlichen Kostenanstieg, sondern teilweise auch zu Versorgungsengpässen. Dem wird weiterhin durch gezielte Lieferantenentwicklung entgegengewirkt, wie schon beim 20. Symposium Brückenbau in Leipzig erläutert, nachzulesen in Ausgabe 1/2 • 2020 der Zeitschrift »Brückenbau«. Da die teilweise langwierige Dauer der Planung, Genehmigung und Ausführung von Brückenprojekten eine weitere Herausforderung ist, wird es auch in den nächsten Jahren einen Hochlauf bei der Erneuerung, Instandsetzung und Anplanung von Eisenbahnüberführungen im Zuge des Brückenprogramms geben. Nichtsdestotrotz wurden im ersten Jahr der Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung III bereits über 110 Eisenbahn-

überführungen für eine Übergabe an die Anrechnung der Qualitätskennzahl umgesetzt. Trotz der Tatsache, dass Eisenbahnbrücken eine extrem lange Nutzungsdauer haben, werden bis Ende 2024 mindestens 600 Eisenbahnüberführungen erneuert; bei weiteren 100 wird der Anlagenzustand durch bestimmte Instandhaltungsmaßnahmen verbessert. Das Portfolio für die zweite Hälfte der Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung III zwischen 2025 und 2029 wird im Rahmen der diesjährigen Planungsrunde definiert. Schwerpunkt des Brückenprogramms im Rahmen der Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung III sind in Bezug auf die anstehenden Erneuerungen insbesondere Bayern, Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen sowie Baden-Württemberg.

2 3 Göltzschtalviadukt von 1851: Längsansicht und Querschnitt © DB Netz AG

2 Gewölbebrücken 2.1 Alter und Maßnahmen

Die meisten der 25.700 Eisenbahnbrücken wurden im Zusammenhang mit dem rasanten Streckenausbau in den Jahren zwischen 1850 und 1920 errichtet, damit hat ein Großteil von ihnen seine normative Nutzungsdauer bereits überschritten. Viele dieser Brücken müssen in den kommenden Jahren erneuert werden, um einen störungsfreien und sicheren Eisenbahnbetrieb zu garantieren. Rund 25 % der Eisenbahnbrücken bestehen heute noch aus Gewölbebrücken, die im Mittel 127 Jahre alt sind, wobei die meisten von ihnen aus Naturstein oder Ziegelmauerwerk errichtet wurden. Bei den Mängeln der Gewölbebrücken handelt es sich in aller Regel um defekte Abdichtungen und mangelhafte Entwässerung, was zu Durchfeuchtung und Verwitterung führt. Hinzu kommen in manchen Fällen Schäden aus konzentrierten Lasten mit entsprechenden Rissen und Abplatzungen. Eine hervorragende und langfristig wirksame Methode zur Beseitigung der Schadensursachen stellt der Einbau einer Fahrbahnwanne dar, welche zudem das Problem einer meist zu geringen Fahrbahnbreite durch Auskragungen lösen kann. Die Dauerhaftigkeit eines Neubaus lässt sich freilich nur erreichen, wenn gleichzeitig alle vorhandenen Schäden beseitigt, Bewuchs entfernt und die Entwässerungsanlagen wiederhergestellt werden. Auch Steinersatz und Neuverfugung sind häufig zwingend erforderlich.

2.2 Beispiel: Göltzschtalviadukt

Ein prominentes Beispiel für die erfolgreiche Sanierung einer Gewölbebrücke ist das Göltzschtalviadukt bei Netzschkau, bei dem das Gleistragwerk erneuert und der Fahrweg verbreitert wurde. Im Rahmen der geplanten Elektrifizierung des Streckenabschnitts Reichenbach–Hof ergab sich am 1851 dem Verkehr übergebenen Göltzschtalviadukt die Aufgabe, den Brückenkopf für die neuen Nutzungsanforderungen auszubauen. Über vergrößerte Auskragungen eines neuen Gleistragwerks sollte ein moderner Fahrweg hergestellt werden, welcher den vorgesehenen Geschwindigkeiten bis zu 160 km/h gerecht wird. Gleichzeitig mussten die Voraussetzungen für die Anordnung von Oberleitungsmasten geschaffen werden. Neben einer Vielzahl von bautechnischen und baubetrieblichen Randbedingungen standen bei der Planung und Bauausführung ebenso die Aspekte der Denkmalpflege im Mittelpunkt.

Das Göltzschtalviadukt ist mit über 570 m Länge und einer Höhe von 78 m in Brückenmitte die größte Ziegelbrücke der Welt. Die 29 Tragbögen in bis zu vier Etagen überführen den Eisenbahnverkehr über das Tal der Göltzsch. Neben ca. 26 Mio. Ziegeln für die Hintermauerungen und die Pfeiler wurde auch Mauerwerk aus Sandstein, Porphyr und Granit für die Tragbögen, Kämpfer und Pfeilerfüße verwendet. Der ursprüngliche Fahrweg auf der Brücke war zwischen Gesimsen mit massiven Mauerwerksbrüstungen angelegt. Die zwei Gleise hatten einen Abstand von 3,50 m, die lichte Breite zwischen den Brüstungen betrug ca. 8,00 m. Wegen der vorgesehenen Elektrifizierung und Anhebung der Streckengeschwindigkeit auf 160 km/h musste im Zuge des aktuellen Bauvorhabens der Fahrweg am Brückenkopf angepasst werden. Die lichte Breite zwischen den Geländern war zur Gewährleistung der geforderten Sicherheitsräume auf 10,60 m zu verbreitern, wodurch sich eine erforderliche Auskragung von 1,64 m ergab. In Zusammenarbeit mit dem Architekten wurden Details zur Positionierung der Oberleitungsanlagen mit der Denkmalbehörde abgestimmt. Die Maste wurden in den Pfeilerachsen angeordnet und durch gestaltete Kanzeln betont. Als etwas schwierig erwiesen sich die Diskussionen zur Ausbildung der Absturzsicherungen. Die Denkmalbehörde hatte die ursprünglich vorhandenen durchlaufenden Brüstungen als wichtiges Gestaltungselement wiederentdeckt. Der durchgängigen Anordnung einer geschlossenen Brüstung konnte aber wegen der Gefahr von Schneeverwehungen nicht zugestimmt werden. Als Kompromiss zwischen Funktionalität und Denkmalschutz wurden schließlich nur in Teilbereichen massive Betonbrüstungen hergestellt. Die Brüstungselemente wurden im Bereich des großen Mittelbogens und an den Kanzeln der symmetrisch verteilten Oberleitungsmaststandorte vorgesehen. Durch den Architekten wurde für die restlichen Abschnitte ein mit Gitterrostelementen gefülltes Geländer entwickelt, welches, aus der Entfernung betrachtet, den Eindruck einer geschlossenen Brüstung vermittelt, jedoch durch seine Gliederung Schneeverwehungen verhindert.

2.3 Generelle Anforderungen

Die Gewölbebrücken, welche teilweise unter Denkmalschutz stehen, erfordern nicht selten einen recht hohen Planungs- und Sanierungsaufwand. Die Finanzierung dieser Aufwendungen ist grundsätzlich gegeben, wenn diese im Rahmen von baurechtlichen Auflagen realisiert werden müssen. Insbesondere die Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung (LuFV) regelt die Finanzierung des Ersatzes bestehender Bauwerke. Soll nach einem sogenannten Vollverschleiß als wirtschaftlichste Variante eine Generalsanierung stattfinden, können alle damit im Zusammenhang stehenden Kosten voll finanzie-

4 Querschnitt am historischen Brückenkopf © DB Netz AG

5 Neuer Querschnitt am Brückenkopf © DB Netz AG

rungsfähig sein, da es sich hierbei im handelsrechtlichen Sinne um eine Zweitherstellung handelt. Auch wenn die betroffene Anlage zum Beispiel wegen denkmalschutzrechtlicher Auflagen nicht ersetzt werden darf, kommt eine Finanzierung mit LuFV-Mitteln in Betracht. Die Finanzierungsfähigkeit der Maßnahme mit Bundesmitteln bedingt eine einzelfallbezogene Abstimmung zwischen der DB AG und dem EisenbahnBundesamt auf Grundlage einer schriftlichen Anzeige vor Baubeginn.

6 Göltzschtalviadukt nach Umbau und Instandsetzung © Thomas Bösche

3 Zusammenfassung

Nach dem erfolgten Hochlauf des Modernisierungsprogramms Brücken im Rahmen der Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung II ist es nunmehr notwendig, ein langfristig stabiles, ausreichendes Niveau, und zwar in der Instandhaltung wie Erneuerung, beizubehalten. Nur so kann der Nachholbedarf reduziert und die Brückenstrategie nachhaltig umgesetzt werden. Besonders im Bereich der Gewölbebrücken soll eine nachhaltige Sanierung stattfinden. Die Fortführung des Programms ermöglicht es vor allem unseren Lieferanten, sich auf den entsprechenden Bedarf einzustellen. Dafür sind eben auch Personale aufzubauen, zu qualifizieren und Investitionen in die notwendige Ausrüstung und Maschinen zu tätigen. Die DB Netz AG ist davon überzeugt, dass das Brückenmodernisierungsprogramm erst begonnen hat und mit starkem Engagement auf einem hohen, aber realisierbaren Niveau fortzusetzen ist.

Autoren: Dipl.-Ing. Jens Müller M.Sc. Younes Bouyrakhen DB Netz AG, Frankfurt am Main Prof. Dr.-Ing. Thomas Bösche Curbach Bösche Ingenieurpartner Beratende Ingenieure PartG mbh, Dresden Literatur [1] Kertscher, G.: 150 Jahre Eisenbahn im Vogtland; in:

EI-Eisenbahningenieur, 97 Jg., H. 2, S. 53–57. [2] Bayer, P.; Stritzke, J.: Die Göltzschtal-Brücke.

Historische Wahrzeichen der Ingenieurbaukunst in

Deutschland, Band 2. Hrsg. v. d. Bundesingenieurkammer. Berlin, 2009. [3] Bösche, T.; Buchmann, L; Sieber, M.; Döring, K.-H.:

Denkmal und moderne Brücke? Der Ausbau des

Göltzschtalviaduktes für den elektrifizierten Eisenbahnverkehr Bahrmühlenviadukt. Vortrag zum

Dresdner Brückenbausymposium 2014.

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