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Klappbrücke Dronryp als Kanalquerung

Entwurf und Ausführung Klappbrücke Dronryp als Kanalquerung

von Marion Kresken

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1 Bewegliche Brücke im geschlossenen Zustand © Henk Snaterse/ipv Delft

Im Auftrag der Provinz Friesland hat das Ingenieurbureau ipv Delft einen neuen Entwurf für die Brücke Dronryp gemacht. Zuvor hatte der Auftraggeber einen Bildqualitätsplan und einen Grundlagenkatalog erstellt, der als Basis für den Entwurf diente. Einige wichtige Entscheidungen wurden dabei schon im Vorfeld getroffen: Es sollte eine Klappkonstruktion werden, die eine »robuste« Ausstrahlung hat, über eine vertikale Grundform verfügt und eine schlanke horizontale Brückentafel aufweist. Zudem sollte ihr beweglicher Teil gut erkennbar und wie bei allen zukünftigen Brücken über den Van Harinxmakanaal eine rote Unterseite haben. Außerdem galt es alle weiteren Ausstattungselemente, wie zum Beispiel die Beleuchtung, die Schlagbäume, die Lichtsignalanlagen und die Kameras integral in die Gesamtkonzeption einzuarbeiten.

1 Friesische Eigenart

Diese Brücke entstand in direkter Zusammenarbeit mit dem Bundesland Friesland und der Kommune Dronryp. Das Ergebnis ist ein besonders durchdachter Entwurf, der dem Standort gerecht wird und dabei an das Vorgängerbauwerk erinnert: eine schlichte und robuste friesische Brücke mit eigener Eleganz und Aufmerksamkeit fürs Detail. Was als Erstes auffällt, sind die vertikalen Elemente und ihre »luftige« Erscheinung. Die Positionen und die Verarbeitung der vertikalen Elemente ermöglichen eine durchlässige und offene Ausstrahlung. Kennzeichnend für den Entwurf sind die weißen, kastenförmigen Stützen, welche neben der Brückentafel und nicht, wie üblich, unter dem Überbau angeordnet sind. Daraus resultiert eine optische Offenheit mit Durchblicken unter der flachen Unterseite der Brückentafel. Die Kanalquerung verfügt so über ein relativ transparentes Erscheinungsbild und bietet eine freie Durchsicht von allen Seiten trotz der robusten Stützen.

2 Sichtbare Funktion

Der Antrieb und das Gegengewicht, welche sich oberhalb des nördlichen Ufers unterhalb der beweglichen Brückentafel befinden, sind vom Wasser wie vom Land aus gut zu sehen. Durch die Nutzung des freien Raumes zwischen den Pfeilern konnte auf einen Brückenkeller verzichtet werden. Um die Erkennbarkeit der beweglichen Elemente zu erhöhen, wurden nicht nur die Unterseite der Brückentafel, sondern auch der Antrieb und das Gegengewicht in Rot lackiert. Auf diese Weise wird einerseits die Funktion der einzelnen Elemente betont, andererseits spielen sie gleichzeitig eine wichtige Rolle bei der Bauwerksgestaltung.

2 Erscheinungsbild »entlang« dem Van Harinxmakanaal © Droneview/ipv Delft

Die Position der Stützen, und zwar in Relation zueinander wie zum Ufer, tragen ebenfalls zur besonderen Ausstrahlung bei. Die südliche Unterstützung wurde im Uferbereich ca. 1,50 m hinter der Kaimauer angeordnet. An jener Stelle ist die Stütze geschützt, und so ließ sich hier auf eine aufwendige Schutzdalbenkonstruktion, welche für die zwei anderen Stützen sehr wohl nötig war, verzichten. Die nicht vorhandenen Schutzdalben sorgen quasi, zusammen mit der breiten freien Durchfahrt unter dem unbeweglichen Teil der Brücke, für ein ruhiges Erscheinungsbild und eine weite Durchsicht. Dies wäre anders, wenn die südlichen Stützpunkte im Wasser verortet wären – ein Vorteil auf mehreren Ebenen. Interessant ist zudem der Entwurf der Stützpunkte, denn sie werden, von Norden aus betrachtet, in Richtung Süden stets schmaler. Dies unterstreicht in subtiler Form den Übergang vom städtischen ins ländliche Gebiet. Außerdem handelt es sich um eine logische Konsequenz aus der Funktionalität: Der nördliche Brückenpfeiler, der sogenannte Basküle-Pfeiler, beansprucht viel Platz für den Antrieb. Der mittlere fällt hingegen mit dem Auflager für den beweglichen Teil der Brücke schon etwas schmaler aus. Und der Stützpunkt im Südufer ist der schmalste, da er »nur« die Zugangsbrücke tragen muss.

3 Brückentafel während des Öffnungsvorgangs © Henk Snaterse/ipv Delft 4 Antrieb und Gegengewicht in Rot © Henk Snaterse/ipv Delft

3 Multifunktionale Masten

Die vertikalen Elemente bestehen nicht nur aus den wuchtigen Stützpunkten. Das heißt, aus jedem Stützpunkt ragt ein multifunktionaler Mast heraus, der seitlich im Pfeiler verankert ist. In diesen Masten sind verschiedene technische Installationen integriert: – öffentliche Beleuchtung, – Verkehrssignale und Beschilderung für den Straßenverkehr, – Überwachungskameras zur (Fern-)Bedienung der Brücke, – Lautsprecheranlage. Die Schranken und die Schrankengehäuse sind hingegen nicht in den Masten integriert, befinden sich aber auf derselben Höhe und Sichtlinie direkt neben ihnen. Dies ergibt ein ruhiges Gesamtbild, sowohl vom Wasser als auch von der Straße aus betrachtet. Die gewählte Anordnung ist außerdem für die Wartung der Kameras und der Beleuchtung sehr wichtig: Die Lichtmasten bestehen nämlich aus einem feststehenden Mittelteil und zwei kippbaren Seitenteilen und haben insgesamt eine Breite von 50 cm und eine Tiefe von 25 cm. Beim Kippen schiebt sich der bewegbare Teil der Masten genau über die nebenstehenden Schranken. In den beweglichen Teilen sind wiederum Kontragewichte untergebracht, wodurch sich die Masten problemlos kippen lassen. Auf diese Weise können alle technischen Elemente vom Brückendeck aus gewartet werden. Darüber hinaus wird der vertikale Charakter der Stützpunkte durch die seitliche Verlängerung der Masten entlang ihren sichtbaren Seitenflächen optisch unterstrichen.

4 Materialwahl und Ausführung

Schon während der Entwurfsplanung ist die Gestaltung des Bauwerks weitestgehend festgelegt worden – und zwar insbesondere in Bezug auf Design, Spannweiten und Gliederung der Brücke. Ganz bewusst haben die Provinz Friesland und die Planer von ipv Delft einen Spielraum für die Optimierung des Entwurfs im Hinblick auf die Materialwahl und die Möglichkeiten der Ausführung durch den Bauunternehmer offengehalten. Die endgültige Materialwahl wurde zum Beispiel dem Auftragnehmer Oosterhof Holman in Zusammenarbeit mit Machinefabriek Rusthoven überlassen.

5 6 Lichtmasten: Montage und Aussehen nach Fertigstellung © Henk Snaterse/ipv Delft

7 Einheben der Brückentafel © Klaas Koopmans/ipv Delft

Auch für die technische Ausarbeitung der Stützpunkte gab es verschiedene Alternativen. Am Ende entschied sich der Auftragnehmer, alle Elemente der Brücke in Stahl auszuführen. Obwohl die meisten friesischen Brücken aus Beton sind, ist die Brücke Dronryp vollständig aus Stahl gefertigt worden. Dies hat unter anderem den Vorteil, dass innerhalb des Stahlstützpunktes der Klappbrücke ausreichend Platz für die elektrische Installation vorhanden ist. Das bedeutet, es wurde kein separater Raum für den Antrieb an einer anderen Stelle benötigt. Ursprünglich war ein solcher Raum am nördlichen Ufer unter dem Bauwerk vorgesehen worden. Da das Brückendeck aus Stahl hergestellt wurde, ließ sich dort auch die nötige Auflagefläche für die Pfeiler integrieren. Meistens sind die Auflagebalken, auf denen der bewegliche Teil der Brücke ruht, seitlich erkennbar. So konnte der Stahlbauer, Machinefabriek Rusthoven, hier sehr gut den Wunsch nach möglichst viel Transparenz und Durchsicht unter der Brücke erfüllen.

5 Einpassung und Erhöhung

Die neue Brücke Dronryp hat eine Länge von 76 m. Die Gesamtbreite des Brückendecks beträgt ca. 9,40 m und hat damit ungefähr die gleichen Abmessungen wie vorher. Die neue Brücke verfügt jedoch über eine größere Durchfahrtsöffnung: Die vorherige lichte Höhe war 4,78 m + NAP (Normaal Amsterdams Peil), die neue lichte Höhe ist 5,21 m + NAP. Und: Die ursprüngliche Durchfahrtsbreite betrug nur 5 m und wurde um 12 m auf jetzt 17 m erweitert! Die Kombination aus einer höheren und breiteren Passage stellte eine Herausforderung bei der Einpassung der neuen Brücke dar. Ihre Oberkante liegt ca. 1 m höher als jene der alten Brücke. Wegen der vorhandenen Bebauung an der Nordseite war jedoch nicht so einfach möglich, eine derartige Erhöhung zu realisieren. Eine Lösung zu finden, erwies sich als relativ simpel: Anstatt das Brückendeck als durchlaufende horizontale Linie auszuführen, wurde ihr Verlauf leicht gebogen konzipiert. Die Brücke ist also leicht gekrümmt, wobei sich der höchste Punkt in ihrer Mitte befindet. So konnte der zu überwindende Höhenunterschied zwischen der Brücke und den angrenzenden Zugängen auf 0,50 m reduziert werden. Das Ergebnis ist ein fließender Verlauf mit einem leichtgebogenen Brückendeck, welches den Verkehrsteilnehmern eine optimale Sicht über das gesamte Bauwerk gewährleistet.

6 Optimierung der Verkehrsführung

Die Fahrspur auf der alten Brücke war schmaler als die Breiten der angrenzenden Verbindungsstraßen und bildete somit einen Engpass, welcher zu unsicheren Situationen führte. Dieses Problem trat vor allem auf, wenn größere Fahrzeuge aneinander vorbeifahren wollten. Zur Erhöhung der Verkehrssicherheit ist die Breite der neuen Brücke auf die Abmessungen der angrenzenden Straßen abgestimmt worden. In Absprache mit den Dorfbewohnern wurde zudem beschlossen, sowohl die Straße »It Heech« als auch die Brücke mit Fahrradwegen auszustatten und als 30-km/h-Zone auszuweisen.

7 Kontext und Verbesserungen

In vielerlei Hinsicht ist die neue Brücke eine moderne Variante der alten. Der Standort ist beispielsweise derselbe geblieben, und die Anzahl der Stützen und die Form der Brücke haben sich nur wenig verändert. Auch die Sichtlinie über die Brücke aus südlicher Richtung zur katholischen Dorfkirche ist intakt geblieben. Die multifunktionalen Masten bilden nun sogar einen visuellen Rahmen für jene Sichtlinie. Ein weiterer Aspekt, der die Verbesserungen zeigt, ist die Verbindung zum Kriegsdenkmal auf der Nordseite direkt neben der Brücke. Dieses Denkmal ist während der Bauarbeiten jederzeit erreichbar gewesen und jetzt über eine neue Treppe mit Handlauf auf beiden Seiten zugänglich.

8 Fließender Verlauf mit leicht gebogenem Brückendeck © Henk Snaterse/ipv Delft

8 Bedienung der Brücke

Eines der Dinge, die sich mit der Realisation der neuen Kanalquerung verbessert haben, ist die Bedienung, denn die Brücke Dronryp wird vom Swettehûs in Leeuwarden ferngesteuert. Zurzeit werden von dort aus zehn Brücken betrieben, in Zukunft soll die Anzahl aber auf 40 erhöht werden. Die Brücke Dronryp ist mit einer Reihe von Kameras ausgestattet, mit denen für die Bedienung von Leeuwarden aus ein perfekter Überblick möglich ist. Die Kameras sind so eingestellt, dass die Privatsphäre der Anwohner nicht eingeschränkt wird. Die zentrale Brückensteuerung gewährleistet effiziente Abläufe und ist damit vorteilhaft für die Schifffahrt. Der Brückenwärter weiß genau, wann welche Schiffe auf dem Van Harinxmakanaal welche Brücken passieren. Da sich die Schranken auf der Brücke in der Nähe des beweglichen Decks befinden, braucht der Brückenwärter nur einen begrenzten Teil des Bauwerks für den Verkehr zu schließen, bevor die Brücke für den Schiffsverkehr geöffnet werden kann. Dies ist nicht nur sicherer, sondern auch schneller. Darüber hinaus sorgt es für eine angenehmere Wartezeit: Brückennutzer können nun über dem Kanal, auf dem festen Teil der Brücke, mit ungehinderter Sicht auf die vorbeifahrenden Schiffe warten.

9 Innovation und Nachhaltigkeit

Innovation und Nachhaltigkeit sind wichtige Ambitionen der Provinz Friesland. Sowohl beim Entwurf als auch bei der Realisierung der Brücke waren diese Aspekte zu beachten. Im Ergebnis wurde zum Preis von ca. 12 Mio. € eine sehr nachhaltige Klappbrücke mit minimalem Energieverbrauch und nur geringem Wartungsaufwand errichtet. Der minimale Energieverbrauch und der nur geringe Wartungsaufwand resultieren aus folgenden Lösungen:

9 Modifizierte Sichtlinie zur nahen Dorfkirche © Henk Snaterse/ipv Delft

10 Gesamtübersicht und Konstruktionsdetails in isometrischer Darstellung © ipv Delft

– Rampenanbau aus einem Stück:

Dadurch wird die Anzahl der gesamten Brückenübergänge begrenzt, was Material und Wartung spart. – Einbau innovativer geräuscharmer

Fahrbahnübergänge, sogenannter

Sinusgelenke: Diese sind aus rostfreiem

Stahl hergestellt, wodurch sie eine

Lebensdauer von 100 Jahren haben. – Wahl eines zukunftsorientierten

Brückenantriebs, bestehend aus einem Pleuelstangenantrieb mit geschlossener Verzahnung. – Der in den Stützen verortete Antrieb ist dort einfach für Wartungsarbeiten zugänglich. – Anordnung von Rollen- anstatt von

Elastomerlagern mit dem Vorteil verlängerter Wartungsintervalle, da ansonsten die Elastomerlager alle 10–25 Jahre erneuert werden müssten. – Konzeption von schwenkbaren multifunktionalen Masten: Alle technischen

Anlagen, die in die Masten integriert sind, lassen sich einfach und ohne

Einsatz einer Hebebühne vom Deck aus zu Wartungs- oder Inspektionszwecken erreichen. – Verzicht auf lackierten Stahl bei den

Schutzdalben: Lackierungen sind belastend für die Umwelt und müssen regelmäßig erneuert werden. Dank der

Verwendung von unlackiertem Stahl ist praktisch keine Wartung erforderlich. – Einsatz von LED-Beleuchtung: Dies erspart ca. 40 % des Energieverbrauchs und 45 % der Wartungskosten. – Installation von energieeffizienten

Motoren für den Antrieb der

Schranken. – Einsatz eines Kameratyps, der statt der üblichen 60 W nur 15 W verbraucht.

Autorin: Dipl.-Des. Marion Kresken ipv Delft, creatieve ingenieurs, Delft

Bauherr Provinz Friesland, Leeuwarten, Niederlande

Entwurf ipv Delft, creatieve ingenieurs, Delft, Niederlande

Tragwerksplanung Bartels Ingenieursbureau BV, Appeldorn, Niederlande Lievense WSP BV, Leeuwarten, Niederlande

Bauausführung Koninklijke Oosterhof Holman B.V., Grijpskerk, Niederlande Machinefabriek Rusthoven BV, Groningen, Niederlande

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