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Foliendach für den Ausblick zum Himmel in Braunschweig

Neubau am (entstehenden) Forschungsflughafen Braunschweig © Hanno Keppel

formTL Foliendach für den Ausblick zum Himmel in Braunschweig

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Otto Lilienthal gebührt die Ehre, als Erster Gleitflüge durchgeführt zu haben. Und so beruhen auch die noch heute gültigen Beschreibungen der Flugzeugtragflächen auf seinen Erfahrungen. Nun wurde ein Gebäude in Braunschweig errichtet, das seinen Namen trägt.

Name, Lage und Haus

Das viergeschossige Gebäude wurde 2017 eröffnet und in direkter Nachbarschaft zum Luftfahrt-Bundesamt angesiedelt. Eigenwillig und innovativ wie Lilienthal, basiert die Geometrie auf der dreieckigen Form des Baugrundstücks, die der Architekt freilich an drei Seiten ausgebaut hat. Das Resultat ist ein lichtdurchflutetes Atrium, das als Lichthof das Herzstück des Lilienthalhauses bildet. Öffentlich zugänglich bietet es Platz für Veranstaltungen, Ausstellungen und Vorträge. Blickfang ist eine frei stehende Wendeltreppe aus weiß lackiertem Stahl, die zur Erschließung der Büroräume in den vier Obergeschossen dient. An der stumpfen Dreiecksseite, direkt unterhalb des Daches, befinden sich ein Bereich mit Besprechungsräumen, Skylounge genannt, sowie eine vorgelagerte Terrasse, wobei über allem ein

Grundriss © Architekten Rüdiger/formTL

Gebäudelängsschnitt © Architekten Rüdiger/formTL

Dachdraufsicht © formTL Blick aus der Skylounge ins Innere der Tragstruktur © Hanno Keppel

ETFE-Großkissen als transparenter Abschluss schwebt. Das heißt, oberhalb der massiv ausgeführten Außenwände kippt die Fassade nach außen und öffnet das Atrium quasi gen Himmel. Das Dach löst sich also vom eigentlichen Baukörper, wirkt durch die vermeintlich fehlende Tragkonstruktion noch leichter und verliert sich dann optisch im Seilnetz und den Folien.

Längs- und Querschnitt des Kissendachs © formTL

Atrium als Herzstück des Lilienthalhauses © Hanno Keppel

Lichthof auf dreieckiger Grundfläche © Hanno Keppel

Entwurf der Dachstruktur

Ursprünglich sollte ein Glasdach entstehen. Die letztendlich gewählte Lösung bietet aber diverse Vorteile. Die Folie selbst ist B1 nichtbrennend abtropfend und hat einen Schmelzpunkt von 280 °C, bei höheren Temperaturen zieht sie sich außerdem zusammen und öffnet die Dachfläche in weiteren Bereichen. Die umlaufende Stahlkonstruktion wurde oberhalb des Massivbaus angeordnet, sodass sich direkt über dem Atrium nur die 10-mm-Edelstahlseile befinden, aber keine größere Masse, die im Brandfall herabfallen könnte. Ausschlaggebend für diese Lösung war hingegen das überwiegend »konstruktionslose« Erscheinungsbild, deren Tragprinzip einfach ist: Sowohl die Folie als auch die Seile tragen die Lasten über Krümmungen ab – und je mehr Krümmungen zugelassen werden, desto schlanker können die einzelnen Elemente dimensioniert werden. Bemessungsrelevant waren indessen die Schneelasten mit 156 kg/m². Diese Belastung muss im Bedarfsfall überdrückt werden, um die Entwässerung des Dachs zu den Seiten zu gewährleisten. Der Innendruck war deshalb auf über 1.600Pa zu erhöhen, was sich auf die Kräfte in der Hülle und an den Auflagern niederschlägt. Für Abhilfe sorgen dabei die Krümmungen. Das Kissen wurde sehr bauchig konzipiert, um die Kräfte reduzieren. Auch Wölbungen der einzelnen Folienfelder wurden zugelassen, und zwar mit der Absicht, die Abstände der Seile untereinander möglichst groß zu halten. Und dennoch wird das Volumen von 1.100 m³ lediglich bei horizontaler Betrachtung sichtbar – bestens erkennbar aus der Skylounge aus zu sehen, denn von dort eröffnet sich einem der Blick ins Innere des Tragwerks, in den Luftraum. Resultat des Entwurfsgedankens sind 10-mm-Spiralseile 1×19 aus Edelstahl 1.4401 in einem Abstand von ca. 1.500mm sowie eine dazwischenliegende, 250 µm dicke EFTE-Folie. Letztere ist nicht mechanisch mit den Seilen verbunden und legt sich nur durch den Druck auf ihnen ab. Der lose Druckkontakt hat zudem den Vorteil, dass sich die beiden Elemente gegenseitig verschieben und so Spannungsspitzen ausgeglichen werden können: Die Folie schwimmt sozusagen auf der Seilunterkonstruktion. Die Konfektionierung der gesamten Fläche von 420 m² erfolgte an einem Stück, wobei die drei Folienlagen im Werk miteinander dicht verschweißt und vor Ort dann lediglich entlang

Seilanschluss (außen) und Erscheinungsbild von innen © formTL/Hanno Keppel

dem umlaufenden Randträger mit Aluminiumprofilen festgeklemmt wurden. Dadurch ist im Vergleich zu einzeln geklemmten Kissenlagen eine recht hohe Dichtigkeit vorhanden.

Entwässerung und Wärmeeintrag

Da im Atrium eine Beleuchtung mit abgehängter Konstruktion erforderlich war, bot es sich an, ein horizontales Entwässerungsrohr unterhalb des Kissens anzuordnen. Das heißt, es wurden flexible Schläuche mit 40-mm-Durchmesser gewählt und linear unterhalb jenes abgehängten Rohres installiert, sodass sich eine Redundanz ergab:

Isometrie des Kissendachs © formTL

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Einbau der unteren Seile begann. Danach wurde das bereits fertig konfektionierte dreilagige ETFE-Kissen mit einem Gesamtgewicht von 450 kg mittels Mobilkran eingehoben.

Schlussbemerkung

Die durchdachte Planung der Atriumüberdachung überzeugt in puncto Wirtschaftlichkeit durch den hohen Vorfertigungsgrad und die zügige Montage, sorgt aber in gleicher Weise für die gewünschte Nutzerfreundlichkeit, da dieser Lichthof doch ganzjährig eine nachgerade vorbildlich zu nennende Aufenthaltsqualität bietet.

Stahlkonstruktion zur Abtragung der Horizontallasten © formTL BauHErr Volksbank BraWo Projekt GmbH, Braunschweig

arcHItEktEn Rüdiger Architekten, Dipl.-Ing. Architekt Hartmut Rüdiger, BraunschweigSollte ein Schlauch verstopft oder abgeknickt sein, bleibt das Gesamtsystem dennoch funktionsfähig. Genau wie bei Glasüberdachungen war auch hier das Problem des sommerlichen Wärmeintrags zu lösen. Da andere Alternativen nicht realisierbar erschienen, musste die obere Lage der Kissen bedruckt werden, um den gWert in einen vertretbaren Bereich zu »bekommen«. Da 0,30 oder weniger gefordert waren, galt es einen sehr hohen Bedruckungsgrad zu erzielen: Durch die große Gesamtfläche, ohne aufwendige und enge Unterkonstruktion, ist die Wirkung des Dachs sehr homogen, leicht und trotzdem transparent. Die Bedruckung wird lediglich im Vergleich zum ungestörten Blick auf den Himmel wahrgenommen. Als Fassung der Dachfläche dient ein umlaufender gebogener Rahmen aus Rohren mit einem Durchmesser von 168,30 mm, der zum Abtrag der Horizontallasten aus der Kissenvorspannung und den äußeren Lasten auf der Attika des Massivbaus aufgeständert und auf die Decke über dem dritten Obergeschoss nach außen abgespannt wurde.

Konstruktion und Herstellung

Das Dachtragwerk hat ein Flächengewicht von 1,50 kg Seile/m² und zusätzlich 1kg Folie/m². Berücksichtigt man auch die Stahlkonstruktion ab Oberkante Massivbau, so liegt das Konstruktionsgewicht bei ca. 23kg/m² inklusive der Tragstruktur für die umlaufenden Fassaden. Aus Sicherheitsgründen und zur Begehung wurde ein leichtes Sicherungsnetz eingehängt, bevor man mit dem

traGwErkS- und fOlIEnplanunG atrIuM formTL ingenieure für tragwerk und leichtbau gmbh, Radolfzell

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Transparente Überdachung des Atriums nach Fertigstellung © Hanno Keppel

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