Umrisse 1/2018

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Pilotprojekte im Wohnungsbau

Wohnen zwischen Großer und Kleiner Freiheit Wohnen in ausgezeichneter Nachbarschaft Experimenteller Wohnungsbau in Bayern Reallabor »Energetisches Nachbarschaftsquartier« Das Modellvorhaben der Variowohnungen Bestandssanierung mit belebenden Ideen

Aktuell

Brückenbau und Baukultur in (ganz) Europa

[Umrisse] Zeitschrift für Baukultur


LE PONT

BRÜCKEN

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CONSTRUCTION & ENGINEERING

Zum ersten deutsch-französischen Symposium

BRÜCKENBAU CONSTRUCTION & ENGINEERING laden wir nach Luxembourg ein. Termin: 5. + 6. Juni 2018 Unser Partner in Frankreich veranstaltet seit vielen Jahren das Symposium »Le Pont« in Toulouse. Wir erhoffen uns von dieser Partnerschaft für Teilnehmer und Referenten die Vermittlung neuer Erkenntnisse, Verfahren und Vorgaben. Dass die Gelegenheiten zum Netzwerken, ein ganz wesentlicher Faktor, dabei nicht zu kurz kommen werden, betonen wir besonders. Wir sind sicher, unsere Gespräche mit der Universität Esch-sur-Alzette, den Campus betreffend, in Kürze mit einem positiven Ergebnis abschließen zu können – um dann über nähere Details wie Tagungsort, Kosten und Schwerpunktthemen zu verfügen. Gerne informieren wir Sie, wenn Sie, wie gewohnt, unter office@verlagsgruppewiederspahn.de die Unterlagen anfordern. Unter www.symposium-brueckenbau.de stellen wir ab 10.04.2018 das vorläufige Programm mit Angabe der Anmeldekonditionen usw. zum Abruf bereit.

Weitere Informationen und Anmeldung

VERLAGSGRUPPE W I E D E R Smit MixedMedia P A Konzepts HN

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Biebricher Allee 11 b 65187 Wiesbaden Tel.: +49/611/98 12 920 Fax: +49/611/80 12 52 kontakt@verlagsgruppewiederspahn.de www.verlagsgruppewiederspahn.de www.mixedmedia-konzepts.de www.symposium-brueckenbau.de

[Umrisse]


Vorbilder ohne Verfallsdatum

[Umrisse]

Wohnen ist zweifellos ein Grundbedürfnis (wohl) aller Menschen, was aber noch nichts darüber be- oder aussagt, wie angemessene Behausungen aussehen und wo sie am besten liegen oder stehen sollten, ja welche Kriterien sie letztendlich überhaupt zu erfüllen haben. Ganz unabhängig von der Frage betrachtet, ob jedes technische Regelwerk, sämtliche Bau- und Rechtsverordnungen oder die inzwischen arg beliebten und deshalb weitverbreiteten Gestaltungssatzungen tatsächlich immer und überall zur Anwendung gelangen müssen, lässt sich das ohnehin nicht generalisieren, in irgendeiner Form verbindlich festschreiben oder gar über Jahre bis Jahrzehnte im Voraus definieren, wechseln die Wünsche und Vorstellungen der aktuellen wie künftigen Mieter und Eigentümer doch beinahe genauso häufig wie die Mode, die ihre Kleiderwahl offenbar nicht selten bestimmt. Und dennoch finden sich einige Parameter, kann man durchaus ein paar Mindeststandards aufzählen, die stets einzuhalten sind, wie etwa der gesetzlich verankerte Anspruch auf Unverletzlichkeit der Wohnung, zu einem gewissen Grad die Funktionstüchtigkeit derselben und natürlich die Möglichkeit zur individuellen Möblierung wenigstens innerhalb des selbst(aus)gesuchten Domizils, zumal in den meisten Gebäuden ein Verrücken oder Eliminieren einer der, wie es so schön heißt, (eigenen) vier Wände nur mit erheblichen Schwierigkeiten zu bewältigen wäre. Daneben gibt es freilich auch Richtgrößen von eher variierendem Charakter, die sich dem Einfluss der späteren Nutzer in vergleichbarer Weise entziehen, da sie aus politisch gewollten Rahmenbedingungen resultieren oder eben am und vom sogenannten Markt (vermeintlich) reguliert werden, wie unter anderem die seit Urzeiten ansteigenden Strom-, Miet- und Immobilienpreise. Zu den Konstanten oder, wesentlich prägnanter ausgedrückt, den kontinuierlich auftauchenden Phänomenen gehören hingegen die von ihren Befürwortern oft und gerne als alternativlos bezeichneten Bestrebungen um Wiedererzeugung oder Rekonstruktion von Baukörpern, an deren ursprüngliches Erscheinungsbild sich kaum einer zu erinnern vermag.

Die Triebfeder und infolgedessen Basis für solche Bemühungen um Geschichtsklitterung hat zum Beispiel Peter Rühmkorf untersucht, nachzulesen in seinem bereits 30 Jahre alten und nichtsdestotrotz bis heute gültigen Essay »Beschwörung der Vergangenheit«, der mit den zu Anfang zitierten Zeilen beginnt und im zweiten, dem hier im Vorspann nicht minder anzutreffenden Abschnitt quasi schon auf den Punkt kommt: »Beschwörung von Heimatgefühl durch Bilder der Vergangenheit ...« Um realiter zu erkennen, dass Kopien, Nachahmungen und Ab- wie Aufgüsse nie und nirgends zum Ziel führen, sie also lediglich für eine Sinnestäuschung sorgen, der es an jeglichem (Mehr-)Wert mangelt, empfiehlt sich wiederum das Studium der anschließenden Seiten und damit einer Publikation, die statt der üblichen, mitunter stark changierenden Losungen in toto mit Lösungen aufwartet, die Originale und zudem von einleuchtend hoher und höchster Qualität sind – und insofern eine Perspektive bieten, die zwischen (flüchtigem) Spreu und (dauerhaftem) Weizen zu trennen hilft. Wer nun glaubt, die vorhergehenden Passagen inklusive Resümee bereits irgendwann oder irgendwo goutiert zu haben, braucht sich jetzt nicht zu grämen, denn bei diesem Editorial handelt es sich (tatsächlich) um die modifizierte bzw. paraphrasierte Fassung eines Textes aus Heft 3 •2013, damals das »Wohnen in der Gemeinschaft« kommentierend: Manche Einschätzungen verlieren einfach nicht an Relevanz, verdienen ergo eine zweite Würdigung, um ins Gedächtnis zu rufen, dass und warum Vorbilder ohne Verfallsdatum stets unverzichtbar bleiben (werden) – gerade beim Thema »Wohnen« und in einer Zeit, in der andernorts mit erstaunlicher Verve über sinn- und zweckentleerende Niveauabsenkungen diskutiert wird. Michael Wiederspahn

[Editorial

»Diese gewisse fortschreitende Trostlosigkeit unserer Stadtlandschaften ist schlechterdings nicht zu leugnen. Sie ist auch ihren Unternehmern bereits aufgefallen, und sie haben – immer hübsch im Rahmen ihrer Ersatzvorstellungen – auf Abhilfe gesonnen. Wer sich von besagtem Kaufhof fortbegibt und nun eilig seinem Bus oder Taxi zustreben möchte, wird durch verständnisvolle und um des Fußgängers Wohlbefinden besorgte Leitplanken zunächst zu McDonald´s weitervermittelt, und – ah! – da scheint es noch einmal auf, das verlorene Paradies, oder doch zumindest so etwas wie ein Abklatsch seines früheren Wesens, eine gemütsaktive Attrappe, ein erinnerungsgesättigter Bilderfries, sprich, eine Galerie von nachgedruckten Bahnhofsansichten und Lokomotiv-Veteraninnen, die einen in die Imbissstation hinein- und wieder herausbegleitet, da sollte mal einer kommen und sagen, die Vergangenheit wäre bei ihren Bewältigern nicht allerbestens aufgehoben. (...) Ein Unterkapitel unseres en passant gefundenen Themas könnte dann vielleicht so heißen: Beschwörung von Heimatgefühl durch Bilder der Vergangenheit. Anscheinend ist der Begriff ohne das Begleitgefühl des drohenden Verlustes gar nicht mehr zu denken, wird Heimat sehr allgemein bereits als verlorene Heimat betrachtet, anders man seine Neigung gewiss nicht unentwegt durch Reproduktionen des (ehern) Vergangenen, (wertbeständig) Antiken, (bleibend) Überlieferten oder (ehrenvoll) Dahingeblichenen wachzuhalten suchte.«

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] Inhalt

Editorial

Vorbilder ohne Verfallsdatum Michael Wiederspahn

Pilotprojekte im Wohnungsbau

Wohnen zwischen Großer und Kleiner Freiheit Stefan Wirth

Wohnen in ausgezeichneter Nachbarschaft Stefan Teufel

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Experimenteller Wohnungsbau in Bayern Karin Sandeck

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Reallabor »Energetisches Nachbarschaftsquartier« Sven Rosinger, Julia Masurkewitz-Möller, Ulrich Fortmann

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Das Modellvorhaben der Variowohnungen Johanna Burkert

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Bestandssanierung mit belebenden Ideen Jens Duffner

43

4]

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6

[Umrisse]


[Inhalt

Aktuell

Brückenbau und Baukultur in (ganz) Europa Siegfried Löffler

48

Rubriken

Immobilienmarkt

52

Produkte und Projekte

54

Software und IT 61

Nachrichten

63

Termine

68

Bücher

70

Impressum

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[Umrisse]

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Zentral gelegene Stadthäuser im Norden des Pestalozzi-Quartiers © Jochen Stüber

Wohnen zwischen Großer und Kleiner Freiheit Pestalozzi-Quartier in Hamburg-St. Pauli

Auf historischem Grund An stadthistorisch vielfach bedeutender Stelle, zwischen der Großen und der Kleinen Freiheit, mitten in Hamburg-St. Pauli, wurde 2007 ein städtebaulicher Realisierungswettbewerb für eine Neubebauung eines ehemaligen Grundschulareals ausgeschrieben. Anlass war die Schließung der 1928 nach Plänen des damaligen Altonaer Bausenators Gustav Oelsner erbauten und unter Denkmalschutz stehenden Pestalozzi-Schule aufgrund von Schülermangel im Jahr 2006. Dass familiengerechter Wohnraum an dieser Stelle dringend benötigt wurde, stand außer Frage, jedoch waren sich der Bezirk und die politischen Parteien anfangs noch nicht einig über die angestrebte Dichte und Durchmischung des neuen Quartiers in einer sehr exponierten, über die Jahrhunderte gewachsenen Nachbarschaft.

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Bis zum Rückzug der Dänen aus Holstein 1864 hatten entlang der Großen Freiheit ca. 40 Kirchen und Gemeindehäuser gestanden, in denen neben Mormonen und Katholiken unter anderem auch vor der Verfolgung aus den Niederlanden geflüchtete Mennoniten eine neue Heimat gefunden hatten. Als sich das Viertel Anfang des 20. Jahrhunderts hin zur Amüsiermeile entwickelte, veräußerten die Mennoniten ihre Liegenschaften an die Stadt Hamburg und gründeten in Altona eine neue Gemeinde. Ihre Kirche wurde im Zweiten Weltkrieg zerstört, zwei sehr große Wohnund Gemeindehäuser haben sich bis heute erhalten. In den an das Neue Quartier im Norden direkt angrenzenden ein- bis zweigeschossigen Hinterhäusern entlang der PaulRosen-Straße wohnten 1960 die Beatles,

als sie in der Großen Freiheit 36 und im berüchtigten »Indra« Konzerte gaben und damit den Grundstein für ihre Weltkarriere legten. Direkt dem Schulgelände gegenüber stehen die die Stadtsilhouette prägenden Hochhausscheiben aus den 1970erJahren, während unmittelbar neben dem historischen Quartier die um die Jahrtausendwende von der SAGA SiedlungsAktiengesellschaft Hamburg errichteten Wohnbauten liegen. Zum Zeitpunkt des städtebaulichen Wettbewerbs hatte das sogenannte Rotlichtmilieu schon Teile des bislang bürgerlichen Wohnquartiers nördlich der Simon-vonUtrech-Straße »übernommen« und damit die bis dato respektierte unsichtbare Grenze zwischen dem Vergnügungsviertel und dem bürgerlichen Wohnquartier überschritten. Diese negative Entwicklung sollte gestoppt werden.

[Umrisse]


In der Auslobung des Wettbewerbs wurde die Verdichtung des ehemals weitläufigen Schulareals unter Berücksichtigung und Einbeziehung des denkmalgeschützten Schulbaus sowie der ebenfalls unter Schutz stehenden benachbarten Mennoniten-Häuser und des als wertvoll erachteten Baumbestands gefordert. Insgesamt sollten auf dem Areal ca. 100–150 familiengerechte Wohneinheiten in einer Durchmischung von mehrgeschossigen Wohnbauten sowie Stadt- und Reihenhäusern entstehen. Im Wettbewerb konnten Renner Hainke Wirth Zirn Architekten aus Hamburg mit ihrem Vorschlag überzeugen. Um das Quartier gegen die stark befahrene Simonvon-Utrecht-Straße abzugrenzen, schlugen die Architekten eine gewerbliche Blockrandbebauung vor, die als Lärmschutzriegel vor der neuen »Wohnlandschaft« des Pestalozzi-Quartiers liegt. Dahinter sollte ein durchmischtes Wohnquartier entstehen, das jedem Alter und jeder Wohnform gerecht wird. Der Bezirk Hamburg Mitte beauftragte Renner Hainke Wirth Zirn Architekten mit der Erarbeitung eines Funktionsplans, der die Grundlage für den nachfolgenden Bebauungsplan bildete.

Lageplan des Pestalozzi-Quartiers © Renner Hainke Wirth Zirn Architekten

Das Entertainmenthaus St. Pauli In enger Abstimmung und Zusammenarbeit mit dem bekannten Theatermacher Norbert Aust, der unter anderem das Schmidts Tivoli, das Schmidts Theater auf der Reeperbahn und die Hamburg School of Entertainment in der benachbarten Seilerstraße leitete, der Stadterneuerungs- und Stadtentwicklungsgesellschaft Hamburg (STEG), dem alteingesessenen Bauunternehmen Aug. Prien sowie dem Fachamt Stadt- und Landschaftsplanung des Bezirksamtes Hamburg Mitte entwickelten die Architekten entlang der stark befahrenen Simon-von-Utrecht-Straße das sechsgeschossige »Entertainmenthaus St. Pauli«. In diesem fand die in St.Pauli ansässige Aida Entertainment ihre dringend benötigten neuen Proberäume und Bühnen, eine 1.000 m² große Kostümschneiderei, einen Fundus, Musikstudios und vieles mehr. Zusätzlich wurde hier ein Gründerzentrum für Entertainment und Musik untergebracht. Kopfbau des Entertainmenthauses mit großer Akrobatenbühne © Jochen Stüber

[Umrisse]

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Baukörper mit ablesbarer Rhythmik © Jochen Stüber

Das Quartierskonzept Der als Stahlbetonbau errichtete Neubau nimmt den Richtungsverlauf der Straße durch unter- und übereinander schwingende und auskragende Kuben auf, die so die Rhythmik von Tanz und Musik in der Fassade widerspiegeln. Der östliche Gebäudekopf ragt prägnant in den Straßenraum herein. Hier befindet sich die durch ein großes »Schaufenster« zum städtischen Leben hin geöffnete Akrobatenbühne, die bei Tag und Nacht Einblicke in das künstlerische Werden erlaubt. Das Gebäude besitzt neben der 10 m hohen Akrobatenbühne drei große Tanz-Probesäle, die in ihren Abmessungen der Bühnenfläche der Kreuzfahrtschiffe entsprechen. Während sich die formale Ausgestaltung der Fassade aus der Probentätigkeit ableitet, stellen ihre Materialität und Farbgebung eine Referenz an die in dem Gebäude untergebrachte Kostümbildnerei dar. Das transluzente, gläserne Fassadenkleid in seiner textil anmutenden Verwebung von unterschiedlichen Rot-, Pink- und Orangetönen stellt gleichzeitig in seiner Farbwahl den Bezug zu den denkmalgeschützten Backsteinbauten der unmittelbaren Nachbarschaft her.

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Der einmalige Mix von Hafen, Kultur und urbanem Wohnen in St. Pauli ist über die Stadtgrenzen hinaus bekannt. Die heterogene multikulturelle Bevölkerung macht diesen dichtbewohnten Stadtteil zu einem einzigartigen, über 24 h lebendigen Ort. Die Energie des Ortes beruht auf dem Streben der Menschen, hier individuell leben zu wollen. Dieser Vielfalt trugen Renner Hainke Wirth Zirn Architekten in ihrem Entwurf Rechnung, indem sie ein Konzept entwickelten, das trotz Verdichtung viele Freiräume zur Begegnung aufweist und die unterschiedlichen Bestandsgebäude unter Wahrung ihres Solitärcharakters ebenso wie den zu erhaltenden Baumbestand selbstverständlich mit der Neubebauung verbindet. Die Neubauten orientieren sich sowohl in ihrer Materialität als auch in ihrer Typologie an den für Hamburg typischen mehrgeschossigen Backsteinbauten aus dem Anfang des 20. Jahrhunderts sowie den gleichfalls aus dieser Zeit stammenden Einzel- und Stadthäusern und interpretieren diese behutsam neu.

Der Entwurf reagiert dabei gezielt auf die unterschiedlichsten Straßenränder. Die Blockränder sind grundsätzlich geschlossener gehalten. In Ost-West-Richtung ist das Quartier aufgelockerter. Lücken mit Treppen, Rampen, Mauern und kleinen Plätzen öffnen es fußläufig zur Kleinen bzw. Großen Freiheit. So entstehen unterschiedliche städtische Räume, die zur Mitte hin an Individualität zunehmen und eine Vielzahl an Nutzungen erlauben. Oberstes Ziel ist es, Freiräume für die Anwohner des Stadtblocks zu schaffen. Jeder Bewohner soll einen Ort vorfinden, der seinen Bedürfnissen entspricht, wobei der Schwerpunkt auf Familien mit Kindern liegt. Der bewusste Verzicht auf lange Gebäudefluchten lässt viele einzelne Plätze entstehen, die axial aneinander ausgerichtet sind. Die weitestgehend erhaltenen Großbäume markieren diese Orte und geben ihnen ein besonderes Flair. Aus der Kleinen Freiheit werden zwei Tiefgaragen mit einer Gesamtzahl von 41 Stellplätzen erschlossen. Hier befinden sich auch die Fahrradabstell- und zum Teil ebenerdigen Müllräume.

Die Wohntypologien Die neue Wohnbebauung mit kleinen Zweiund Dreizimmerwohnungen im direkten Anschluss an das Aida Entertainmenthaus an der Ecke von Großer Freiheit und Simon-von-Utrecht-Straße sollte in der ersten Konzeptphase durch die jungen Künstler des Entertainmenthauses zum Wohnen genutzt werden. Diese Wohnungen sind so konzipiert, dass sie baulich sehr hohen Schallschutzanforderungen gerecht werden. Sie sind weniger für Familien geeignet, denn man wohnt hier immerhin vis-à-vis der beiden Hamburger Musikclubs »Indra« und »Grünspan«, die abends bestens frequentiert sind. Das nördlich angrenzende und zuletzt durch die Schule genutzte Stadthaus aus der Zeit der Jahrhundertwende in der Großen Freiheit 63 wurde zu einem Bürohaus mit Wohnung umgebaut. Auf ca. 350 m² hat sich hier der Investor selbst mit seiner Hausverwaltung und einer kleinen Einliegerwohnung niedergelassen.

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Große Freiheit: Entertainmenthaus und anschließende Wohnbebauung © Jochen Stüber

Innenhof zwischen Entertainment- und ehemaligem Schulgebäude © Jochen Stüber

Das Wohnquartier Zurückgesetzt hinter den beiden Gebäuden an der Großen Freiheit und zentral über einen beruhigten Innenhof zwischen ihnen erschlossen, liegt das denkmalgeschützte ehemalige Schulhaus, das auf den Grundmauern einer alten Mormonenkirche errichtet wurde. Aus jeweils zwei Klassenzimmern rechts und links einer zentralen Erschließung wurden pro Geschoß zwei großzügige 130–145 m² große Wohnungen.

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Insgesamt entstanden hier acht Wohneinheiten. Das Dach des Gebäudes wurde um ca. 1 m angehoben und der an der Westseite gelegene ehemalige zentrale Toilettentrakt, der an die ehrwürdigen Gewölbedecken des Treppenhauses anschloss, rückgebaut: So fand sich Platz für großzügig dimensionierte Balkone. Der kleine intime Wohnhof mit privaten Gärten im Erdgeschoß und den westorientierten Balkonen der Gebäude an der Großen Freiheit ergibt einen qualitativ hochwertigen Stadtraum mit innerstädtischer Ruhe und Nachbarschaften.

Die bewusst offen gestaltete Zugangssituation ist mit einem Tor versehen, das in den Nachtstunden verschlossen werden kann, um sich gegen den Publikumsverkehr der in der direkten Nachbarschaft gelegenen Musikclubs abzugrenzen. Die den Wohnungen zugeordneten Pkw-Stellplätze befinden sich in der Tiefgarage unter dem angehobenen Wohnhof.

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... mit Gewerbeeinheiten im Erdgeschoß © Jochen Stüber

Die Wohnungen im ersten und zweiten Obergeschoß teilen sich mit den im Westen angrenzenden Stadthäusern die Gartenfläche auf der gemeinsamen Garage. Große Freiheit: fünfgeschossige Mehrfamilienhäuser ... © Jochen Stüber

In den obersten Geschossen wird der Garten durch Balkone und eine großzügige Dachterrasse ersetzt. Die Tiefgarage erreichen die Bewohner über einen internen Zugang im Erdgeschoß.

Für den familiengerechten Wohnungsbau wurde direkt an der Großen Freiheit und nördlich der ehemaligen MennonitenHäuser ein fünfgeschossiger Stadthaustyp entwickelt. Die für eine gewerbliche Nutzung vorgesehenen Erdgeschoßebenen sind jeweils mit einer darüber angeordneten Maisonettewohnung verbunden. Über ein zentrales Treppenhaus erreicht man die sechs familiengerechten 85–125 m² großen Drei- bis Vierzimmerwohnungen, die zum Teil über zwei Ebenen organisiert sind.

Nördliche Durchquerung des Quartiers als geschützte öffentliche Privatheit © Jochen Stüber

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Neubebauung mit Kleinkindspielplatz © Jochen Stüber

Parallel zur Paul-Roosen-Straße entwickelt sich im Norden des Quartiers die Bebauung in Ost-West-Richtung zum öffentlichen Raum hin. Über der Gemeinschaftsgarage findet man im Zentrum des Quartiers dreigeschossige Stadthäuser mit privaten Gärten, die sich mit einer ca. 2 m hohen Mauer zu den öffentlichen Durchgangsbereichen abgrenzen. Die Wohnbebauung nimmt mit ihrer internen Höhenentwicklung Bezug auf die angrenzende Hinterhausbebauung der PaulRoosen-Straße. Die vier Stadthäuser sind als Einfamilienhäuser geplant und haben jeweils einen internen Zugang in die Tiefgarage. Die als zweite Reihe im Quartier angeordneten Stadthäuser wurden in Varianten zum Teil mit Split-Level realisiert. Die südlich und zwischen den Mennoniten-Häusern und dem alten Schulgebäude gelegenen fünf mit einem Achsabstand von 5,80 m Breite konzipierten Stadthäuser sind als Einfamilienhäuser mit fünf Zimmern auf 100–110 m² Wohnfläche geplant und liegen im Herzen des Pestalozzi-Quartiers.

Private Gärten der Stadthäuser – mitten auf dem Kiez © Jochen Stüber

Während man zu den Eingängen der Stadthäuser drei Stufen emporsteigen muss und damit die städtische Qualität der Erdgeschoßnutzung zum öffentlichen Raum bewahrt, öffnet sich das Haus durch eine großflächige Verglasung zum privaten

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Garten. Dieser ist zum Eingang um ca. 1 m abgesenkt, um das Niveau der angrenzenden Bebauung aufnehmen zu können und so beiden Wohnbebauungen optimierte Belichtungsmöglichkeiten zu schenken.

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Stadthäuser mit zum Schulgebäude hin geschlossenen Fassaden © Jochen Stüber

Die Wohnnutzung organisiert sich um einen zentralen Luftraum, der alle Ebenen miteinander verbindet. Während das erste Obergeschoß als Kinderetage konzipiert ist, sieht die Planung eine Nutzung des Staffelgeschosses für die Eltern vor. Die Dichte zum Schulgebäude und die Anordnung einer Dachterrasse in Richtung Osten ermöglichen das Schließen der Fassaden zum Oelsner-Bau und das großzügige Öffnen von Bad und Elternzimmer in den Patio. Auf Höhe des Quartiersplatzes bildet ein viergeschossiger Geschoßwohnungsbau den Kopf der Wohnzeile (F1). Das Gebäude hat zwei Geschoß- und vier Maisonettewohnungen, die über den »Balkon« und die Große Freiheit Sichtbezug in den städtischen Taschenpark im Osten haben. Für die Wohnungen im Erdgeschoß, die zum Quartiersplatz um 1 m erhöht sind, ist eine private Gartennutzung vorgesehen. Die Wohnungen in den Obergeschossen nutzen Balkone und die Terrassen des Staffelgeschosses als private Freifläche. Das Gebäude ist, wie auch die angrenzenden Stadthäuser, in Ost-West-Richtung orientiert.

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Geschoßwohnungsbau am Quartiersplatz © Jochen Stüber

Nord-Süd-orientiert ist das noch in Bau befindliche Haus G, das als geförderter Seniorenwohnungsbau den Schlussstein des Quartiers bildet. Der Erstbezug des

Wohnhauses mit zehn Zweizimmerwohnungen auf vier Etagen ist für Anfang Juni 2018 geplant. Dann soll auch der Quartiersplatz fertiggestellt sein.

Geschoßwohnungsbau am Quartiersplatz, rechts fünf Stadthäuser im Inneren des Areals © Jochen Stüber

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Die Individualität der unterschiedlichen Wohngebäude wurde in den Fassaden durch einen Mix aus vier unterschiedlichen Verblendmauerwerkssteinen erreicht. Im ganzen Quartier sind die Fensteröffnungen mit scharfkantigen, eloxierten Aluminiumzargen gefasst, was gestalterisch vereint aber durch die dann wieder unterschiedlichen Füllpaneele jedem Haus seine eigene Identität verleiht. Im Westen der beschriebenen Bebauung, in der ehemaligen Schule von Gustav Oelsner und entlang der Kleinen Freiheit, entstehen in dem Quartier vier weitere Mehrfamilienhäuser mit ca. 50 Wohneinheiten. Hier wurde ebenfalls familiengerechtes Wohnen für Baugruppen, durchmischt mit Gewerbe, umgesetzt. Der Pestalozzi-Platz wird zukünftig von einem Bioladen, einem vietnamesischen Restaurant sowie einer Agentur belebt. Die stark perforierten Blockränder in Massivbauweise entlang der Großen und der Kleinen Freiheit schaffen durch ihre Eingangsbereiche und Platzsituationen ein heterogenes, jedoch in sich geschlossen wirkendes Straßenbild, das sich von Süden nach Norden immer mehr öffnet.

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Große Freiheit zwischen Wohnen und Amüsement © Jochen Stüber

Neues Viertel mit Auszeichnung Mit dem Pestalozzi-Quartier ist mitten in St. Pauli ein neues Viertel entstanden, das in seiner Vielfältigkeit der Lebendigkeit der Nachbarschaft entspricht, sie um ein weiteres Element bereichert und dabei die Historie des Ortes würdigt und fortschreibt. Das zeigt sich an der großen Akzeptanz, die das Vorhaben seit seiner Fertigstellung erfahren hat. Möglich wurde dies durch den respektvollen Umgang mit dem Vorhandenen – sei es baulich oder atmosphärisch – und durch eine sorgfältige Stadtplanung und gute Architektur. Letztere erfuhr ihre Würdigung, als das noch immer nicht fertiggestellte Quartier bereits am 9. November 2017 mit dem ersten WohnbauPreis Hamburg 2017 ausgezeichnet wurde.

Bauherren GbR »Pestalozzi-Quartier«, Hamburg (Wohnbebauung Große Freiheit) Aug. Prien Immobilien PE Große Freiheit GmbH & Co. KG, Hamburg (Aida Entertainmenthaus)

Dipl.-Ing. Stefan Wirth Renner Hainke Wirth Zirn Architekten GmbH, Hamburg

Fassadenplanung Prof. Michael Lange Ingenieurgesellschaft mbH, Hamburg (Aida-Entertainmenthaus)

Architekten und Stadtplaner Renner Hainke Wirth Zirn Architekten, Hamburg Tragwerksplanung Wetzel & von Seht, Ingenieurbüro für Bauwesen, Hamburg (Aida Entertainmenthaus) Ingenieurbüro Faltings, Hamburg (Pestalozzi-Quartier)

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Wohnanlage wagnisArt: Eingang zum öffentlichen Hofbereich mit Praxen, Werkräumen und Café © Michael Heinrich

Wohnen in ausgezeichneter Nachbarschaft Das Genossenschaftsprojekt wagnisArt in München

Genossenschaftliches Wohnen Der Grundgedanke einer Genossenschaft lässt sich vereinfacht zusammenfassen als das Bestreben, gemeinsam etwas zu erreichen, das die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Einzelnen übersteigt, wobei die Eigenständigkeit und Selbständigkeit gewahrt werden. Diese auf verschiedensten Feldern und in unterschiedlichsten Ausprägungen schon seit Jahrhunderten gelebte Praxis hat erst zum Ende des 19. Jahrhunderts und damit erst relativ spät Eingang in den Wohnungsbau gefunden. Heute sind große Wohnungsbaugenossenschaften

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ein wichtiger Faktor bei der Bereitstellung von Wohnraum. Laut der letzten Erhebung des Statistischen Bundesamtes betrug im Jahr 2011 der Bestand an Wohngebäuden 18.387.704 mit 39.887.964 Wohnungen. Im Besitz von Wohnungsbaugenossenschaften befanden sich hiervon 288.241 Bauten mit insgesamt 2.101.767 Wohnungen. Während in großen Genossenschaften mit oft ebenso großen Verwaltungsstrukturen und teilweise weit über 10.000 Mitgliedern der Aspekt der Gemeinschaft meist hinter dem wirtschaftlichen Vorteil zurücksteht,

gibt es seit Jahrzehnten kleinere Genossenschaften, die sich gemeinsam ihre Wohnträume erfüllen und in denen die Mitbestimmung ein wesentliches Element des Miteinanderwohnens ausmacht. Der Weg dorthin ist nicht immer leicht, gilt es doch, unterschiedlichste Charaktere und Wünsche miteinander zu verbinden bzw. Kompromisse zu finden. Neben vielen erfolgreichen Genossenschaftsprojekten gibt es daher regelmäßig auch solche, die schon in der Projektierungsphase scheitern.

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»Dorfplatz« als Treffpunkt © Julia Knop

wagnis eG und Projekte Ein besonderes Beispiel für eine erfolgreiche Wohnungsgenossenschaft ist die Münchner wagnis eG, die in den letzten Jahren insgesamt fünf Wohnprojekte verwirklichen konnte, von denen jedes auf seine Art sowohl in puncto Konzept und Lebensqualität als auch in architektonischer Hinsicht überzeugt. Zwei weitere Projekte befinden sich derzeit im Bau bzw. in der Planungsphase, und für ein drittes laufen erste Vorbereitungen. Wagnis steht hierbei für: – Wohnen und – Arbeiten in – Gemeinschaft, – Nachbarlich, – Innovativ und – Selbstbestimmt.

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Im Jahr 2000 von 21 Mitgliedern gegründet, ist die Zahl mittlerweile auf 2.000 angewachsen. Gemäß dem selbstgestellten Anspruch, die traditionellen Genossenschaftsthemen Selbsthilfe, Selbstverwaltung und Selbstverantwortung mit neuem Leben zu erfüllen, liegen die Schwerpunkte ihrer Quartiere auf nachbarschaftlichem ökologischem Wohnen. Diese Quartiere weisen zudem in ihrer Anlage meist eine moderne Interpretation dörflicher Strukturen inmitten der Stadt auf. Bereits Ende 2004 war mit wagnis1 auf dem ehemaligen Kasernenareal am Ackermannbogen die erste Anlage mit vier Häusern und 92 Wohnungen bezugsbereit. Neben geförderten und frei finanzierten Wohnungen bietet sie einen Gemeinschaftsgarten, Büros, Gästezimmer, eine Nachbarschaftsbörse, ein Café Rigoletto und einen Backshop. Bereits 2006 folgte in fast unmittelbarer Nähe mit wagnis2 ein Wohnbau mit 45 Einheiten und 2009 mit wagnis3 an der Messestadt Riem ein weiteres Gebäudeensemble aus fünf Baukörpern mit 97 Wohnungen, drei Gästeapartments, einem Öko-Speiserestaurant, einem Bewohnertreff, Gemeinschaftsräumen und -terrasse sowie Einzel- und Gemeinschaftsgärten.

2014 konnte mit wagnis4, wiederum im Ackermannbogen, eine aus drei miteinander verbundenen Häusern und 53 Wohnungen sowie zwei Gästeapartments, einem Café, einem Kiosk, einer sogenannten Stadtplatzlounge, Gemeinschaftsräumen, einer Praxis und einem Pflegestützpunkt bestehende Anlage von ihrer neuen Gemeinschaft bezogen werden. Gemeinschaftliches generationenübergreifendes Wohnen in selbstorganisierten und selbstverwalteten Hausgemeinschaften mit individuellen und gemeinschaftlichen Räumen zu verwirklichen, ist eine Herausforderung, insbesondere, wenn die Stimme jedes Mitglieds gleichermaßen zählt. Das gesamte Projekt ist jeweils Gemeinschaftseigentum, in dem die Bewohner »Mieter im eigenen Haus« sind. Über eine einmalige Einlage, die die wirtschaftliche Grundlage bildet, erwerben sie ein lebenslanges Wohnrecht und zahlen dauerhaft günstige Mieten. Diese Einlagen betragen ca. 30 % des Gesamtinvestitionskapitals.

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Öffentlicher Hof mit Veranstaltungssaal »Lihotzky« © Michael Heinrich

Wohnen auf allen Geschossen in begrünter Privatheit © Michael Heinrich

Mediale Aufmerksamkeit sind die Mitglieder der Genossenschaft gewohnt. Schon mehrfach wurden ihre Projekte in jüngerer Vergangenheit in Zeitschriften und im Fernsehen porträtiert, wenn es darum ging, zukunftsweisende Wohnformen aufzuzeigen. Und auch Auszeichnungen und Preise würdigten das besondere Engagement. So erhielt beispielsweise wagnis3 im Jahr 2010 den »Genossenschaftspreis Wohnen«, und der Dachgarten von wagnis4 wurde in der Kategorie »Quartiersentwicklung und Wohnumfeld« mit dem Deutschen Landschaftspreis 2017 ausgezeichnet. Die ungebrochen andauernde Begeisterung und große Aufmerksamkeit, welche die Fertigstellung ihres jüngsten Quartiers wagnisArt im Schwabinger Norden seit 2016 auslöst, gehen darüber weit hinaus und haben die Beteiligten überrascht und teilweise überwältigt. Gründe hierfür lassen sich auf vielen Ebenen ausmachen.

Privatheit bei gleichzeitiger Teilhabe am öffentlichen Leben © Julia Knop

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[Umrisse]


Wohnanlage wagnisArt Im heutigen Domagkpark und damit auf dem Gelände einer ehemaligen Funkkaserne entsteht auf Basis eines Beschlusses der Landeshauptstadt München ein neues Wohnquartier. In enger Abstimmung mit der Stadt und untereinander entwickeln Baugenossenschaften, Baugemeinschaften sowie städtische und private Wohnungsbaugesellschaften hier einen lebendigen Ort des Miteinanders für unterschiedlichste Bewohner und Bedürfnisse. Am südöstlichen Ende des Geschehens hat die wagnis eG ihr bislang experimentellstes Projekt realisiert. Umringt von Zeilen- und Blockrandbebauungen sowie linear aufgereihten Punkthäusern findet sich wagnisArt, eine an eine Skulptur erinnernde bewegte Wohnlandschaft aus fünf Passivhäusern mit 138 unterschiedlich geförderten sowie frei finanzierten genossenschaftlichen Wohnungen.

Blick ins Innere des halbprivaten Wohnbereichs © Michael Heinrich

Mit dem Namen verbindet die Genossenschaft die Erinnerung an die auf dem Areal zwischenzeitlich einmal bestehende Künstlerkolonie. Gleichzeitig spielt er auf die unmittelbare Nähe zu den über 100 städtischen Künstlerateliers, den DomagkAteliers, an. Darüber hinaus steht der Name jedoch für das Grundprinzip von wagnis eG, eine zukunftsorientierte LebensArt, in der urbanes Leben als gemeinschaftliches Miteinander in kreativer, aktiver und generationenübergreifender Nachbarschaft verstanden wird.

Und gemeinschaftlich war es schon vom Beginn an. Die wagnis eG hatte mehrere Architekturbüros zu einer Art kooperativem Bewerbungsgespräch mit den zukünftigen »Genossen« geladen. Aus dem Verfahren gingen letztendlich zwei von ihnen als Sieger hervor, die für das Projekt gemeinsam beauftragt wurden: bogevischs buero, die bereits wagnis3 in München-Riem realisiert hatten, sowie Schindler Hable Architekten.

Erscheinungsbild der Anlage von außen © Michael Heinrich

[Umrisse]

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Schwarzplan Š Arge bogevischs buero und Schindler Hable Architekten

Grundriss des Erdgeschosses Š Arge bogevischs buero und Schindler Hable Architekten

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[Umrisse]


Umlaufende Stege als Verbindungen und private Treffpunkte zwischen den »Kontinenten« © Michael Heinrich

Grundriss des vierten Obergeschosses © Arge bogevischs buero und Schindler Hable Architekten

[Umrisse]

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Treppenhäuser als innere Erschließungen ... © Udo Schindler

Gemäß dem Grundsatz der Partizipation, den die wagnis eG auf allen Ebenen praktiziert, waren die zukünftigen Bewohner am weiteren Planungsprozess beteiligt. Das betraf sowohl die letztendliche Gebäudeform und die Zuordnung der Wohnungen und weiteren Einrichtungen als auch die Fassaden. Nach gemeinsam festgelegten Regelwerken wurden von den zukünftigen Bewohnern gemeinsam mit den Architekten Gestaltungselemente entwickelt. Ein zentraler Aspekt für die Gemeinschaft sind die verschiedenen Flächen im Freiraum, da Hof- und Zwischenräume dem Ankommen und der Begegnung dienen. Basierend auf diesen Wünschen der Bewohner, entwickelte sich dann über mehrere gemeinschaftliche Workshops das Gesamtprojekt. Dabei veränderte sich die klassische Rolle der Architekten als Entwerfer und Gestalter dahingehend, dass sie zu Moderatoren eines Prozesses wurden, dem sie anschließend die erforderlichen Formen gaben.

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... mit großen Fenstern und Sichtbezügen © Julia Knop

Die Vorgaben des Bebauungsplans beschränkten sich auf eine umlaufende Baugrenze und die Limitierung auf fünf Geschosse. Dies bot die Möglichkeit, Häuser zu kreieren, die über Plätze und Durchgänge mit der umgebenden Nachbarschaft in einen Dialog treten und gleichzeitig im Inneren einen Ort der Gemeinschaft bilden. Die Gebäudegruppe besteht aus fünf frei stehenden, einander zugewandten Baukörpern, die von den Bewohnern nach den fünf Erdteilen benannt wurden und sich jeweils um einen zentralen Erschließungskern fügen. Sie sind zudem miteinander in zurückspringenden Dachgeschossen über Brücken verknüpft, so dass eine Dachgartenlandschaft von einmaliger Größe und Vielfalt entstand. Im Erdgeschoß der Häuser befindet sich eine Vielzahl an Gemeinschaftsräumen, Ateliers, Werkstätten und Freiräumen, die den Bewohnern sowie dem gesamten Quartier dienen, außerdem Praxis- und Büroräume sowie ein Kunst-und-KulturCafé mit Veranstaltungsräumen und eine Nähstube, ein Waschsalon, ein »Toberaum« für die jüngeren Bewohner, Proberäume und Gästeapartments.

Direkt vor den Gebäuden wurden die Freiflächen als Erweiterung der angrenzenden Nutzungen geplant – als Caféterrasse, als erweiterte Arbeitsbereiche vor den Ateliers und Werkstätten, zum Aufenthalt vor den Gemeinschaftsräumen und als Vorbereiche vor den Hauseingängen. Neben herkömmlichen Wohnungen wurden auch im genossenschaftlichen Wohnungsbau neue Wohnformen, die sogenannten Clusterwohnungen, umgesetzt: Bis zu acht kleine Apartments mit Bad und Kochnische wurden um gemeinschaftliche Wohnbereiche angeordnet. Das Resultat sind gemeinschaftliche Großwohnungen mit bis zu 400 m² Wohnfläche.

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Zwei große ineinanderübergehende Höfe, von denen der mit umlaufenden Brücken eingefasste bezeichnenderweise Dorfplatz genannt wird, bieten darüber hinaus Freiraum für Spiel und Gemeinschaftsaktivitäten für die 180 Bewohner, die gemeinsam die Kosten von 42 Mio. € für ihre Lebenswelt aufgebracht haben. Diese Welt gliedert sich in eine Nutzfläche von ca. 11.000 m² mit 9.591 m² Wohnfläche, 683 m² Gewerbeflächen und, Dachgärten und -terrassen sowie Höfe zusammengerechnet, 7.500 m² Freiflächen. Die Freiflächen sind nach einem von den Landschaftsarchitekten entwickelten Prinzip in öffentliche gekieste und halb- bis ganz private begrünte Anlagenbereiche differenziert.

Dachgarten samt privilegierter Aussicht © Michael Heinrich

Ausgezeichnetes Resultat Die Außergewöhnlichkeit des Projektes wurde schon während seiner Realisierung erkannt. Bereits 2016 erhielt wagnisArt den Deutschen Städtebaupreis. Im darauffolgenden Jahr wurde die Wohnanlage mit dem Deutschen Landschaftsarchitektur-Preis in der Kategorie »Partizipation und Planung«, mit einer Anerkennung beim Deutschen Architekturpreis und mit dem

DGNB-Preis »Nachhaltiges Bauen« ausgezeichnet. 2018 folgten dann der DAM-Preis für Architektur in Deutschland und einer der Preise für Baukultur der Metropolregion München als vorläufig letzte Würdigungen des intensiven gemeinsamen Ringens von Bauherren und Architekten um eine besondere Lebens-, Wohn- und Baukultur in der Stadt. Stefan Teufel Fachjournalist, München

Bauherr Wohnbaugenossenschaft wagnis eG, München Architekten Arbeitsgemeinschaft bogevischs buero architekten & stadtplaner gmbh, München SHAG Schindler Hable Architekten GbR, München Tragwerksplanung Henke Rapolder Frühe Ingenieurgesellschaft mbH, München Landschaftsplanung Arbeitsgemeinschaft bauchplan landschaftsarchitekten und stadtplaner PartGmbB, München, Wien Auböck + Kárász Landscape Architects, Wien Perspektive aus luftiger Höhe auf den privateren Außenbereich © Julia Knop

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Experimenteller Wohnungsbau in Bayern Nachuntersuchung des Modellvorhabens »Wohnen in allen Lebensphasen«

Modellprojekt in Hof: Laubengangverbindungen zwischen den Gebäuden und in die Flussaue © Henning Köpke/OBB-Experimenteller Wohnungsbau

Spiegel gesellschaftlicher Entwicklung Experimente in Bayern – es gibt sie doch! Seit Anfang der 1980er Jahre initiiert die Oberste Baubehörde im Bayerischen Staatsministerium des Innern, für Bau und Verkehr Modellvorhaben zu zeitaktuellen Themen des Bauens und Wohnens, denen so eine größere Bedeutung zukommen soll. Bei den als »Wohnmodelle Bayern« bekanntgewordenen Vorhaben handelt es sich um innovative Projekte des öffentlich geförderten Wohnungsbaus, die zwar vom Ministerium angeregt, finanziell unterstützt und bis zur Fertigstellung und darüber hinaus eng begleitet, aber von engagierten bayerischen Wohnungsbaugesellschaften finanziert und realisiert werden. Sie sollen Signalwirkung für den allgemeinen Wohnungsbau in Bayern haben, den Anspruch

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an Baukultur verdeutlichen und helfen, die bayerische Wohnraumförderung weiterzuentwickeln. Die Themen der Wohnmodelle ergeben sich aus dem sozialen und gesellschaftlichen Wandel, aus technischen Neuerungen, energetischen und demographischen Herausforderungen und aus der Kostenfrage beim Wohnbauen. Entsprechend lesen sich die Schwerpunkte der Modellvorhaben der letzten Jahre wie ein Logbuch dessen, was die Gesellschaft, den Wohnungsbau und die Bauwirtschaft jeweils bewegte: Es ging um den Anschub von Genossenschafts- oder Baugemeinschaftsprojekten (2003), um generationengerechtes Wohnen (2005), um nachhaltigen, energetisch ambitionierten und dabei bezahlbaren Wohnungsbau (2007), um

neue Konzepte für Familienwohnen mitten in der Stadt (2010) sowie um standardreduziertes, flächenoptimiertes, serielles und dichtes Bauen (2015) – alles innerhalb der engen Kostenobergrenzen und der Vorgaben des öffentlich geförderten Wohnungsbaus. Die Kreativität der Architektinnen und Architekten hat dieser Rahmen nie spürbar eingeschränkt. Im Gegenteil: Die Herausforderung, gut und wirtschaftlich für noch unbekannte künftige Nutzer zu bauen, wurde inhaltlich und gestalterisch stets ausgesprochen überzeugend gelöst.

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Wohnen in allen Lebensphasen Im Jahr 2005, und damit deutlich vor Beginn der allgemeinen Demographiediskussion, startete das Modellvorhaben »Wohnen in allen Lebensphasen«, in der Kurzform als WAL bezeichnet. Gesucht waren neue Wohnkonzepte, geeignet für eine bunte Bewohnermischung aus Jung und Alt, so dass man von Kindesbeinen bis ins Alter – und auch mit zunehmender Gebrechlichkeit – in seiner Wohnung und dem angestammten Umfeld bleiben kann. Bei Neubauprojekten mussten Haus und Umfeld barrierefrei gestaltet sein, für Bestandsmodernisierungen sollten in Anlehnung an die DIN kreative Konzepte gefunden werden, gemäß dem Grundsatz »Jede beseitigte Barriere zählt«. Das Neue an WAL war die Aufforderung an die Bauherren, im geförderten Wohnungsbau organisatorische und bauliche Konzepte insbesondere für die Unterstützung hilfebedürftiger Bewohnerinnen und Bewohner anzubieten. Diese zielten neben Serviceangeboten für alle Generationen vor allem auf ältere Mieterinnen und Mieter ab und sollten von Maßnahmen gegen Vereinsamung und Dienstleistungen zur Bewältigung des Alltags bis hin zur Betreuung und zeitweisen Pflege reichen, um einen Umzug ins Heim möglichst zu vermeiden oder zumindest weiter an das Lebensende zu schieben. Gleichzeitig sollten die Wohnanlagen und ihre Angebote, um alle Generationen unter einem Dach zu vereinen, auch attraktiv für junge Singles und für Familien mit Kindern sein.

Lage im Stadtgebiet »Eintrittskarte« für die Teilnahme am Modellvorhaben waren Architektenwettbewerbe oder Parallelbeauftragungen für den jeweiligen Standort, um aus einer Vielzahl guter Entwürfe den besten für die jeweilige Realisierung wählen zu können. In sechs Jahren Modelllaufzeit wurde so, über ganz Bayern verteilt, eine variantenreiche Mischung von zwölf Pilotprojekten mit ganz unterschiedlichen Ausgangslagen, Rahmenbedingungen, Bauprogrammen und Organisationsstrukturen realisiert. Dazu zählten neben Neubauvorhaben auch Modernisierungen und Bestandsergänzungen. Nach mehreren Jahren im Praxistest erfolgte 2016 eine Nachuntersuchung, um aus den Ergebnissen Schlussfolgerungen für Folgeprojekte ziehen zu können. Die Oberste Baubehörde im Bayerischen Staatsministerium des Innern, für Bau und Verkehr beauftragt für solche Ex-post-Evaluationen externe Institute und Büros oder Hochschulen, um durch den neutralen Blick von außen eine unverstellte Beurteilung des Gebauten und vor Ort Gelebten zu erhalten. Den Auftrag für die WALNachuntersuchung erhielten die Münchner Büros Dirtheuer Architekt Stadtplaner gemeinsam mit den Wirtschafts- und Sozialgeographen Salm & Stegen. Aus der 2017 durch das Ministerium veröffentlichten Studie sowie aus eigenen Schlussfolgerungen der jahrelangen Projektbegleitung lassen sich für den Bau ähnlich gelagerter Projekte die nachfolgend aufgeführten Erkenntnisse ableiten.

Ausgehend davon, dass Altstadtbereiche und gewachsene Kernstadtlagen mit ihrer Infrastruktur, ihrem vielfältigem Angebotsspektrum sowie ihren kurzen Wegen günstig für das Wohnen in allen Lebensphasen sind, wurden bereits bei der Wahl der Modellstandorte Faktoren wie soziale Dichte, Wohnzufriedenheit und Wirtschaftlichkeit der Maßnahmen berücksichtigt. So konnte bei Projekten, die in unmittelbarer Nähe bereits vorhandener sozialer Einrichtungen und Nachbarschaftstreffpunkten lagen, auf die Vorhaltung diesbezüglicher Räume in der Wohnanlage selbst verzichtet werden. Zudem finden sich in dichter und heterogen bewohnten Innenstadtbereichen größere Möglichkeiten für soziale Kontakte und damit bessere Voraussetzungen für nachbarschaftliche Hilfe. Von Bewohnerinnen und Bewohnern werden besonders die Nähe von Einkaufs- und Versorgungsmöglichkeiten geschätzt, die meist zu einer längeren Selbständigkeit im Alter beitragen und zudem ein eigenes kostspieliges Auto überflüssig machen.

Modellvorhaben in Straubing: unten Wohngemeinschaften, oben Familienwohnungen © Henning Köpke/OBB-Experimenteller Wohnungsbau

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Unterstützungskonzepte Die Anforderungen an die Modellvorhaben hinsichtlich »Kümmern«, Unterstützung und professionelle Betreuung bei Bedarf wurden von den Bauherren entsprechend der jeweiligen Nachfrage und den örtlich vorhandenen Anknüpfungspunkten oder Versorgungslücken sehr unterschiedlich organisiert. Je nach Art und Intensität stehen unentgeltliche sowie gegen geringe Gebühren erhältliche oder auch leistungsbezogene Angebote zur Verfügung und können entweder in der Wohnung, innerhalb der Wohnanlage oder im Quartier abgerufen werden. Sie reichen von Freizeitaktivitäten über Beratungen und fürsorgerische Hilfen bis hin zur medizinisch-gesundheitlichen Pflege. Da regelmäßige Sprechstunden zur Beratung von den Bewohnern nicht in einem Maße angenommen wurden, das für einen wirtschaftlichen Betrieb ausreichend gewesen wäre, wurden diese in den meisten Projekten durch Individualberatung bei Bedarf zuhause oder im Quartiersbüro ersetzt. Der Umfang der sozialen Beratung beträgt nun zwischen 18 h/Monat bis zu 24 h/Woche. Häufige Themen dabei sind Mietschulden- und generelle Konfliktberatungen. Außerdem können die sozialpädagogischen Fachkräfte als »Clearingstelle« sich anbahnende Probleme erkennen und durch ihr Wissens- und Kontaktnetzwerk zu Lösungen beitragen. Oftmals organisieren sie auch Veranstaltungen für die Bewohnerschaft oder gemeinsam mit ihnen. Drei der Modellvorhaben waren in von der jeweiligen Wohnungsbaugesellschaft organisierten übergeordneten Betreuungsstrukturen eingebettet (»Wohnen in Maßen bis zur Pflege«, »In der Heimat Wohnen – ein Leben lang«, »Wohnen im Viertel«), bei denen ein Netzwerk aus ehrenamtlich Tätigen und professionellen Angeboten in Kombination mit externen Dienstleistern bzw. Trägern der Wohlfahrtspflege ein abgestuftes Angebotsspektrum anbietet, das Beratung und Unterstützung bis hin zu Pflegeleistungen im angestammten Umfeld ermöglicht.

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Modellprojekt in Bamberg-Gaustadt: Initiative »In der Heimat wohnen« © Henning Köpke/OBB-Experimenteller Wohnungsbau

Wohnungsgrundrisse, Wohnumfeld Die daraus resultierende Verbindlichkeit gibt den Bewohnern Sicherheit über langfristig zur Verfügung stehende Leistungen, die vor allem bereits bedürftigen Bewohnerinnen und Bewohner wichtig sind. Entsprechend überwiegt in solchen Wohnanlagen der Anteil an älteren Menschen und an Mietern mit Unterstützungsbedarf. Da die Bauherren diese Zielgruppe von Projektbeginn an im Fokus hatten, sind die Wohnanlagen durch eine sehr hohe Anzahl von Ein- bis Zweipersonenwohnungen geprägt. Bei vier Modellprojekten besteht eine enge Kooperation mit benachbarten Pflegeheimen. Die dortigen Angebote reichen vom Mittagstisch über freizeitorientierte Beschäftigungen bis hin zur Kurzzeit- und Tagespflege. So kann auf eigene Unterstützungsangebote und dazu benötigte Räumlichkeiten und Ressourcen innerhalb der Wohnanlage weitgehend verzichtet werden.

Eine planerische Herausforderung bei Neubauprojekten war die Konzeption von Grundrissen, die für jedes Lebensalter adaptierbar und geeignet sind. Dieser Anforderung kommen nutzungsneutrale Zimmer, die eine individuelle Funktionszuordnung je nach Lebensphase zulassen, entgegen. Die einige Zeit im Wohnungsbau propagierten Schalträume zwischen zwei Wohnungen, welche im Bedarfsfall der einen oder anderen Wohnung zugeschlagen werden können, haben sich als nicht praxistauglich erwiesen, da die Bedürfnisse der an die Schalträume angrenzenden Nachbarwohnungen jeweils zeitgleich zu einer Umverteilung passen müssen. Daher wurden solche Konzepte im Modellvorhaben nicht verfolgt. Realisiert wurden hingegen Gästewohnungen, die sich im Bedarfsfall auch für eine Pflege- oder Betreuungskraft als »Wohnung auf Zeit« nutzen lassen, sowie familiengerechte Maisonettewohnungen, deren zwei Ebenen die Möglichkeit zur Abtrennung in zwei Kleinwohnungen auf jeweils einer Etage erlauben.

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Barrierefreiheit Im Rahmen des Modellvorhabens sind zudem eine therapeutische Wohngemeinschaft sowie zwei Wohngemeinschaften nach dem Prinzip des sogenannten Clusterwohnens entstanden. Bei Letzterem werden eigenständige Kleinwohnungen um einen gemeinschaftlichen Koch- und Wohnbereich gruppiert, so dass die Bewohner die Wahl zwischen der Gemeinschaft und dem Rückzug in die eigenen vier Wände haben. In Bädern wurde der spätere Umtausch der meist zunächst auf Bewohnerwunsch eingebauten Wannen mit einer bodengleichen Dusche bereits von Anfang an konstruktiv berücksichtigt, um einen Austausch im Bedarfsfall leicht realisieren zu können. Bei Projekten im Bestand lag das Hauptaugenmerk häufig darauf, die Bewegungsflächen in den ehemals meist knapp zugeschnittenen alten Bädern durch das Entfernen oder Versetzen nichttragender Wände so zu vergrößern, dass auf Gehhilfen oder einen Rollator angewiesene Bewohner dort besser selbständig zurechtkommen. Um weniger mobilen Mietern einen von der Wohnung aus direkt zugänglichen Freisitz zuordnen zu können, wurden, wenn diese fehlten, Balkone angebaut.

Höfe, Gärten und Hausvorzonen sollten in ihrer Gestaltung und Möblierung den Bedürfnissen von Kindern, Erwachsenen sowie älteren Menschen gleichermaßen entgegenkommen, dabei die Privatheit der den Erdgeschoßwohnungen zugeordneten Gartenbereiche schützen und außerdem eine ungezwungene Kommunikation unter Nachbarn ermöglichen. Dies wurde durch eine Zonierung in unterschiedliche Bereiche und die Anordnung explizit ausgewiesener und dafür möblierter Begegnungsbereiche, aber ebenso durch informelle Treffpunkte etwa bei der Briefkastenanlage oder den Fahrradabstellplätzen erreicht. Für die Anordnung und Ausbildung von Gemeinschaftsräumen fanden die Architekten jeweils unterschiedliche kreative Konzepte, die von frei stehenden Einzelgebäuden bis ins Erdgeschoß oder in ein Penthouse der Anlage integrierte Lösungen reichen. Solche Räume sind häufig um 40–50 m2 groß und mit einer Kochgelegenheit sowie einer Toilette ausgestattet. Das ist meist auch für größere Wohnanlagen ausreichend, da nicht alle Bewohner die in den Gemeinschaftsräumen angebotenen Beratungen, Veranstaltungen oder zielgruppenspezifischen Kurse wie beispielsweise ein Antisturztraining wahrnehmen wollen. Zur Kostenbegrenzung wurden zudem Doppelnutzungen, zum Beispiel durch einen sowohl von der Hausgemeinschaft als auch von einem Kindergarten genutzen Raum, umgesetzt, die allerdings nicht immer konfliktfrei funktionieren.

Gebäudeerweiterung in Regensburg: Gemeinschaftsraum mit Dachterrasse © Henning Köpke/OBB-Experimenteller Wohnungsbau

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Bei Neu- und Ergänzungsbauten wurde entsprechend den Zielen des Modellvorhabens die DIN-gemäße Barrierefreiheit im Haus und im Wohnumfeld vorausgesetzt, welche beispielsweise notwendige Bewegungsflächen für Kinderwagen, für Rollatoren und, eingeschränkt, auch für einen handbewegten Rollstuhl gewährleisten. Nach jeweils vorab ermitteltem örtlichem Bedarf wurden außerdem sogenannte R-Wohnungen, also Wohnungen, welche für Personen, die auf die Nutzung eines Elektrorollstuhls angewiesen sind, »eingestreut«. Ihr Anteil betrug ca. 7 % und lag damit im Vergleich deutlich über dem Durchschnitt sonstiger geförderter Wohnbauprojekte in Bayern. So kann bei bestehendem Mobilitätshandicap die Inklusion gewährleistet werden. Bei Bestandsmodernisierungen sollten jeweils mindestens eine Wohnebene, etwa durch eine Rampe ins Erdgeschoß, barrierefrei zugänglich sein sowie die Grundrisse aller Geschosse barrierearm ausgestaltet werden, um gegenüber dem Ist-Zustand Verbesserungen zu erzielen. Bei zwei Dritteln der Modernisierungsprojekte konnte sogar annähernd der DIN-Standard erreicht werden.

Modernisierung in Rödental, Oberfranken: informeller Treffpunkt am Eingangsbereich © Henning Köpke/OBB-Experimenteller Wohnungsbau

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Modernisierung in Nürnberg: Anbau von Rampe und Begegnungszonen © Henning Köpke/OBB-Experimenteller Wohnungsbau

Erschließung Wo es wirtschaftlich nicht darstellbar war, wurde auf den Einbau eines Aufzugs verzichtet, wenn er nicht bauordnungsrechtlich vorgeschrieben war. Bei Neubauprojekten hingegen musste, selbst wenn er in erster Stufe nicht zur Ausführung kam, die Nachrüstbarkeit eines Aufzugs planerisch vorgesehen und nachgewiesen werden. Tatsächlich wurden, entsprechend der Intention des Modellvorhabens und gemäß den Erwartungen der Mieterinnen und Mieter an eine zeitgemäße Wohnung, in fast allen Projekten – mit Ausnahme eines niedriggeschossigen Teilabschnitts eines Neubauprojekts sowie von zwei Bestandsmodernisierungen – Aufzüge errichtet. Die Barrierefreiheit wird nicht nur von älteren Bewohnerinnen und Bewohnern sehr geschätzt, sie erleichtert außerdem die Zugänglichkeit der Wohnanlagen mit Kinderwägen oder anderen Transportmitteln.

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Bei Neubauten dominierte die Laubengangerschließung, welche eine wirtschaftliche und barrierefreie Erreichbarkeit einer großen Anzahl an Wohnungen mit jeweils nur einem Lift ermöglicht und die außerdem, mit einem konstruktiven Wetterschutz versehen, in allen Jahreszeiten sicher nutzbar ist. Sie wurde mehrheitlich bei Wohnanlagen mit einem hohen Anteil kleiner Wohnungen realisiert, da das Laubengangkonzept Auswirkungen auf die Grundrissstruktur hat, weil die Aufenthaltsräume einseitig auf die erschließungsabgewandte Seite verlagert werden. Damit entsteht insgesamt weniger Varianz. Die Laubengänge erhielten allerdings neben der Erschließungsfunktion oft auch Kommunikations- und Aufenthaltscharakter, sei es durch privat nutzbare Frühstücksbalkone oder Aufweitungen mit Sitzgelegenheiten, die von den Bewohnern gerne aufgesucht werden.

Wo konzeptbedingt nur etwa vier Wohnungen von einer Treppe erschlossen werden konnten, kam ein an oder vor der Außenwand angeordnetes querliegendes Treppenhaus mit einläufiger Treppe und einem Aufzug zur Ausführung. Bei den Bestandsprojekten war vor allem die traditionelle Spännererschließung mit innenliegendem Treppenhaus und einem um eine halbe Etage angehobenen Erdgeschoß mit jeweils zwei von den Treppenpodesten zugänglichen Wohnungen pro Ebene eine Herausforderung. Hierbei ist die nachträgliche Einfügung eines Aufzugs mit einem hohen Aufwand verbunden, da zu einer barrierefreien Erschließung vertikale und horizontale Durchstiche zu Lasten bestehender Wohnungen nötig sind. Deshalb wurde nur bei solchen Modernisierungsprojekten nachträglich ein Aufzug vorgesehen, bei denen bereits eine Laubengangerschließung vorhanden war, an die der Aufzug außen angebaut werden konnte oder bei denen sich aufgrund der vorgefundenen Baustruktur die innere Flurerschließung von einer größeren Anzahl an Wohnungen anbot. Bei zwei Modernisierungsprojekten ohne vorhandenen Aufzug ließ sich dessen Fehlen durch die Errichtung von zusätzlichen barrierefreien Neubauten oder durch eine konsequent barrierefreie Umgestaltung der Erdgeschosse im gesamten Wohnquartier kompensieren.

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Ersatzneubau in Oberammergau © Henning Köpke/OBB-Experimenteller Wohnungsbau

Modernisierung in Würzburg: Ausblick auch aus sitzender Position © Henning Köpke/OBB-Experimenteller Wohnungsbau

Bewohnermischung

Wohnzufriedenheit

In den meisten WAL-Projekten ist, gemäß dem Lebensphasenkonzept, eine gemischte, alle Altersgruppen berücksichtigende Bewohnerschaft anzutreffen, die gut zusammenlebt. Gerade bei der Durchmischung unterschiedlicher Lebensalter, Kulturen und Einkommensschichten spielt der größere Zuschnitt der Wohnanlage eine Rolle, da hier anders als in Kleinanlagen leichter unterschiedliche Wohnungsgrößen und -ausstattungen sowie Mietund Eigentumsmodelle angeboten werden können. In vier der Projekte dominieren Senioren, entweder, weil sie langjährige Altmieter sind, oder, weil die spezifische Zielgruppenausrichtung jener Projekte diese Bewohner besonders im Fokus hatte, denn gerade von älteren Menschen wurde die Homogenität der Nachbarschaft an einem Treppenhaus als besonders positiv wahrgenommen.

Die Wohnzufriedenheit in den WAL-Projekten ist insgesamt überwiegend sehr hoch. Nur in wenigen Wohnanlagen tendiert sie in der Bewertung eher gegen »Durchschnitt«. Als Faktoren für die Bewertung wurde insbesondere ein Zusammenhang mit der von den Bewohnern wahrgenommenen Familien- oder Seniorenfreundlichkeit und den gelebten sozialen Kontakten ausgemacht. Immerhin drei Viertel der Mieter hatten sich ganz bewusst für den Bezug einer WAL-Wohnanlage entschieden. Ausschlaggebend dabei waren meist die Kriterien Barrierefreiheit und gute Lage sowie der Grad der Hilfsbedürftigkeit. Allgemein wird von den Mieterinnen und Mietern eine höhere Fürsorge im Umgang der Bewohnerschaft im Vergleich zu üblichen Wohnanlagen konstatiert.

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Die Publikation mit den detaillierten Ergebnissen der Evaluierung »WAL-Wohnen in allen Lebensphasen. Nachuntersuchung der Pilotprojekte aus dem Modellvorhaben des Experimentellen Wohnungsbaus« kann auf dem Broschürenbestellportal der Bayerischen Staatsregierung in gedruckter Form angefordert oder elektronisch heruntergeladen werden (www.bestellen.bayern.de). Ministerialrätin Karin Sandeck Dipl.-Ing. Architektin Leiterin des Sachgebiets »Technische Angelegenheiten des Wohnungsbaus, Experimenteller Wohnungsbau« Oberste Baubehörde im Bayerischen Staatsministerium des Innern, für Bau und Verkehr, München

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Reallabor »Energetisches Nachbarschaftsquartier« Partizipative Entwicklung des Fliegerhorstes in Oldenburg

Visualisierung der Neubauplanungen: Fläche des zukünftigen Reallabors in Orange © Stadt Oldenburg/Jens Gehrcken

Neues Leben an verlassenen Orten Die Geschichte des ehemaligen Fliegerhorstes Oldenburg reicht zurück bis in die 1930er Jahre. Als kommerzieller Flugplatz 1933 im Nordwesten der Stadt eröffnet, wurde er schon 1936 von der Luftwaffe übernommen und diente bis Kriegsende als Stützpunkt für Kampf- und Jagdgeschwader. In den 1950er Jahren reaktivierte die britische Royal Air Force das Gelände für Teile ihrer in Deutschland stationierten Flugstaffeln und baute es ihren Erfordernissen entsprechend aus. Nach der Rückgabe an die Bundesrepublik Deutschland im Jahr 1957 wurde das Areal von der Luftwaffe der Bundeswehr genutzt, die 1993 den Flugbetrieb einstellte und das insgesamt 309 ha große Gelände dann 2006 aufgab. Damit bot sich für die Stadt

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Oldenburg die Gelegenheit, die auf ihrem Gebiet liegende Fläche von 193 ha zurückzuerwerben. Die verbleibenden 116 ha entfielen auf die beiden Nachbargemeinden Wiefelstede und Bad Zwischenahn. Das Areal im Besitz der Stadt Oldenburg umfasst den ehemaligen Kasernenbereich und die sogenannte Hallensichel sowie einen Teil des Flugfelds inklusive der Landebahn. Auf diesem Flugfeld erstreckt sich bis in die Flächen der Nachbargemeinden eine Photovoltaikanlage, die 2012 durch die IFE Eriksen AG in Betrieb genommen wurde. Kasernenbereich und Hallensichel weisen einen Gebäude- und Hallenbestand aus den 1930er bis 1980er Jahren auf, der zu Teilen erhalten werden soll, um den Charakter des Fliegerhorstes zu bewahren.

Es handelt sich dabei vornehmlich um den Ort prägende Gebäude wie das Offiziersheim und die Truppenküche. Dazu gehört auch der markante Tower der Flugsicherung aus den 1930er Jahren mit seiner gläsernen Kanzel, der signethaft für die Geschichte des Areals steht. Zudem ist vorgesehen, auf dem Gelände des künftigen Reallabors insgesamt zwei bis vier Gebäude, sowohl aus den 1930er als auch 1980er Jahren, zu erhalten.

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Südöstlich der Landebahn gelegener Kasernen- und Hallensichelbereich © Stadt Oldenburg

Vom Militärflughafen zum Wohnquartier Die Umwandlung dieses besonderen Areals in ein neues Stadtquartier stellt für Oldenburg eine bedeutende Aufgabe der Stadtentwicklung in den kommenden Jahren dar. Hier soll insbesondere der zunehmenden Nachfrage nach Wohnraum für Familien und Personen mit mittleren bis niedrigen Einkommen Rechnung getragen werden. Insgesamt sollen ca. 900 Wohnsowie zusätzliche Gewerbeeinheiten und Büroflächen entstehen. Dabei ist es ein wichtiges Ziel, die langfristige und zukunftsgerichtete Entwicklung des Areals zu konzipieren und diese mit aktuellen, zeitnahen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Bedürfnissen und Anforderungen zu verbinden. Deshalb ist das Projekt in das Stadtentwicklungsprogramm »step2025«, das für die Kommune Oldenburg Leitziele vorgibt, eingebunden. Zu diesen zählen unter anderem die Schaffung von Urbanität durch Konzentration, Mischung und Dichte, die Entwicklung urbaner Freiräume sowie die Förderung von Technologien als Motor von Wirtschaftsund Stadtentwicklung. Um den vielfältigen Anforderungen gerecht zu werden, entschied sich die Stadt Oldenburg Anfang 2015 für die Durchführung eines partizipativen Verfahrens, das sowohl Bürgerinnen und Bürger als auch Verwaltung, Expertinnen und Experten zu verschiedenen Themen der Stadt- und Quartiersentwicklung einbezieht.

Anfang 2015 wurde zunächst eine Ideensammlung gestartet, in deren Rahmen alle Interessierten die Möglichkeit erhielten, ihre Vorschläge für die Nachnutzung des Fliegerhorsts einzureichen. Darauf aufbauend fand im Juni 2015 eine einwöchige

Stadtwerkstatt auf dem Gelände des Fliegerhorsts statt, aus der zehn Leitsätze zur Entwicklung des Areals hervorgingen. Der Beteiligungsprozess wurde in fünf Schritten strukturiert

Truppenküche und Unterkunftsgebäude © Peter Duddek

Tower am Rande der Hallensichel © Peter Duddek

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Ablauf der Stadtwerkstatt unter Einbeziehung der verschiedenen Teilnehmergruppen © Institut für Partizipatives Gestalten Saal im ehemaligen Offiziersheim © Peter Duddek

Szenarien und Schwerpunkte Die zehn Leitsätze bilden für die Entwicklung des Gebiets und die Erstellung des Masterplans eine zentrale Grundlage.1 Sie lauten: – Auf dem Fliegerhorst soll eine vielfältige Baukultur für Bestand und Neubau entstehen. – Auf dem Fliegerhorst soll Mobilität vom Menschen her gedacht werden. – Auf dem Fliegerhorst sollen Funktionen zentriert werden.

Shelterbau im Sommer © Stadt Oldenburg

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– Auf dem Fliegerhorst soll ein resilientes und nachhaltiges Quartier mit zukunftsfähigen Strukturen für die nächsten Generationen entstehen. – Die Erholungsqualitäten des Fliegerhorstes sollen in organisierten und nicht organisierten Formen genutzt werden können. – Auf dem Fliegerhorst soll sich die städtebauliche Entwicklung an den natur- und landschaftsräumlichen Gegebenheiten orientieren. – Der Fliegerhorst soll in seiner wohnlichen Struktur und im öffentlichen Raum das Miteinander verschiedener Gruppen ermöglichen. – Die Alleinstellungsmerkmale und die besondere Identität des Fliegerhorstes sollen im Quartier sichtbar bleiben. – Das neue Quartier soll mit seiner Umgebung verflochten werden. – Im neuen Quartier sollen experimentelle Räume für Finanzierungs-, Prozess- und Lebensmodelle gefunden werden.

Entgegen anderen Konversionsvorhaben hat man sich in Oldenburg bereits zu Anfang des Projektes gegen einen später auszulobenden städtebaulichen Wettbewerb und für die Festlegung auf ein Planerteam entschieden, das schon sehr früh in alle Überlegungen mit eingebunden war. Bei der Ausschreibung des Planungsauftrages für den Masterplan Fliegerhorst wurde Wert auf ein interdisziplinär arbeitendes Team gelegt: Die Planungsbüros wurden gebeten, sich in einem Team aus Architekten, Stadt-, Landschafts- und Verkehrsplanern sowie Wasser- und Energieexperten für die Erarbeitung dieses Planes zu bewerben. Dem beauftragten Team gehören neben Experten der Verwaltung auch folgende Unternehmen an: Machleidt GmbH (Städtebau und Stadtplanung), KSV Krüger Schuberth, Vandreike (Architektur), Hanke und Partner (Landschaftsarchitektur), Performative Architektur (Energiestrategien, Wassermanagement), SHP Ingenieure (Verkehr und Mobilität) und Thies Schröder (Kommunikation und Moderation). Die Experten unterschiedlicher Fachrichtungen innerhalb der Stadtverwaltung arbeiteten mit dem Planungsteam drei unterschiedliche, noch sehr grobe Szenarien aus, die sich zum Beispiel durch die Lage der Grünflächen oder der Erschließungsstraßen unterschieden. Diese Szenarien wurden dem Koordinierungsgremium, einem Gremium aus Entscheidungsträgern und der Stadtverwaltung und des Rates, präsentiert und zur Diskussion gestellt.

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Engagierte Diskussionen in Kleingruppen © Machleidt GmbH Erstes Innovationscamp: Erarbeitung unterschiedlicher Nachnutzungsszenarien © Machleidt GmbH

Nach einer intensiven Betrachtung aller Aspekte und Auswirkungen der jeweiligen Vorschläge in Arbeitsgruppen wurde das Szenario 3 »Zentraler Park an der Bäke zwischen Fliegerhorst und Brookweg« ausgewählt. Es überzeugte durch die vielfältigen Anbindungsmöglichkeiten an den Landschaftsraum, die Wahrung der Identität des Fliegerhorstes, die Führung einer überörtlichen Verbindungsstraße am nördlichen Rand des Fliegerhorstes und durch den Erhalt prägender baulicher Strukturen und Grünflächen. Dieses Szenario wurde in einem nächsten Schritt weiter konkretisiert und im Maßstab 1:1.000 erneut in drei Varianten in verschiedene Richtungen weitergedacht. Dabei wurden unterschiedliche Möglichkeiten zur künftigen städtebaulich-freiräumlichen Grundstruktur des Fliegerhorstes, zur Quartiersbildung und zur Erschließung aufgezeigt. Innerhalb des nächsten großen Beteiligungsbausteins wurden jene Varianten im Rahmen eines ersten sogenannten Innovationscamps allen Teilnehmenden vorgestellt, an Plan und Modell intensiv diskutiert, dabei Vor- und Nachteile herausgearbeitet und im Anschluss Arbeitshinweise für das Planerteam formuliert.

Das Planungsbüro Machleidt hat mit seinen Partnern als Masterplaner an allen Tagen der Stadtwerkstatt teilgenommen und die Innovationscamps maßgeblich begleitet. Ebenfalls begleitet wurde die Erarbeitung des Planes darüber hinaus durch ein Expertenteam aus der Universität Oldenburg, dem Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie, den Masterplanern, den Moderatoren und der Verwaltung im Rahmen des Förderprojektes »Zukunftsstadt 2030«, einem Forschungsprojekt des Bundesministeriums für Bildung und Forschung. Unter Berücksichtigung der Ergebnisse des Innovationscamps erarbeitete dieses Team den Vorschlag für einen möglichen Konsensplan, der die Vorteile aller drei Varianten miteinander in Einklang brachte und möglichst viele der identifizierten Nachteile aufhob. Der so entwickelte Plan wurde dem Ausschuss für Stadtplanung und Bauen vorgestellt und durch das Koordinierungsgremium als Grundlage für die weitere Ausarbeitung verabschiedet.

Zweites Innovationscamp: Vertiefung der Themen in Arbeitsgruppen © Machleidt GmbH

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In einem zweiten Innovationscamp erfolgte dann die Vorstellung des Konsensplans, der erneut an verschiedenen Thementischen auf seine räumlichen Vertiefungen hin diskutiert wurde. Die in diesem Rahmen geäußerten Hinweise und Änderungen wurden mit der Stadtverwaltung abgestimmt und nach Abwägung der jeweiligen Belange zu Teilen in den Masterplan aufgenommen.2 Der Masterplan (Planzeichnung und Dokumentation) enthält neben der Dokumentation des Beteiligungsprozesses Aussagen zur städtebaulichen Struktur, zu öffentlichen Freiräumen, zur Wasserwirtschaft, zu Umnutzungsmöglichkeiten vorhandener Gebäude, zur Energiestrategie und zum Mobilitätskonzept. Bereits in der Findungsphase der städtebaulichen Struktur wurde ein »Experimentierfeld Wohnen«, ein sogenanntes SmartCity-Labor, vorgesehen.

Konkretisierung für die Weiterentwicklung des Fliegerhorstes © Machleidt GmbH

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Die Smart-City-Strategie Parallel zur Entwicklung des Masterplans beauftragte die Stadt Oldenburg das Forschungsinstitut OFFIS mit der Erarbeitung eines Vorschlags für eine »Smart City« für das Gesamtareal des Fliegerhorstes. Gemeinsam mit Vertretern der Wirtschaft, der Forschung und der Verwaltung wurde dieses Vorhaben konkretisiert und das Konzept im Anschluss auf das gesamte Stadtgebiet übertragen. Für die Entwicklung der Stadt Oldenburg zu einer Smart City wurde eine solche von den Stakeholdern wie folgt definiert: »Eine ›Smart City‹ umfasst unterschiedliche Schwerpunktbereiche, die in einem ganzheitlichen Entwicklungskonzept dazu beitragen sollen die Stadt nachhaltiger, effizienter, lebenswerter und zukunftsfähig zu gestalten.« In Oldenburg steht ebenjene Entwicklung unter dem Leitprinzip »Der Mensch im Mittelpunkt«. Dies bedeutet, dass im SmartCity-Kontext zu entwickelnde Projekte oder Strategien einen konkreten Nutzen für den Menschen haben sollen, einzelne Maßnahmen aber nicht immer zwingend auf die Gesamtbevölkerung zugeschnitten oder technischer Natur sein müssen. Stattdessen liegt das Augenmerk auf zielgruppenspezifischen Lösungen. Dabei gilt es jedoch übergreifend darauf zu achten, dass insgesamt Lösungen für alle Bevölkerungsgruppen bereitgestellt werden und kein Exklusivitätsanspruch entsteht. Die Bürger und Bürgerinnen, Vereine, Organisationen, Unternehmen und Forschungseinrichtungen sollen in den Prozess weiter eingebunden bleiben und gemeinsam Vorschläge entwickeln, erproben und evaluieren – all dies unter der Prämisse, dass die Identität der Stadt insgesamt sowie ihrer Stadtteile dabei erhalten bleiben. Die Neugestaltung des Fliegerhorstes bietet der Stadt die einmalige Gelegenheit, sich als Vorreiter für die Entwicklung von Smart-City-Konzepten für vergleichbare Kommunen und Städte in Deutschland und Europa zu positionieren.

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Vorschlag zur Gestaltung des zentralen Quartiersplatzes © Jens Gehrcken

Ausbildung und Bebauung des Mittelwegs im Entwurf © Jens Gehrcken

Das Energiestrategische Nachbarschaftsquartier Auf Basis des erklärten Ziels der Stadtentwicklungspolitik wurde ein Teilbereich des Areals mit einer Größe von 3,90 ha als »lebendes« Labor für die Erprobung neuer Smart-City-Technologien, unter anderem in den Bereichen Energie, Mobilität und Gesundheit, ausgewiesen. Er soll mit einer zukunftsorientierten, noch zu entwickelnden Infrastruktur versehen werden. Dies wird eine enge Integration und damit eine gemeinsame »Eignungsprüfung« einer Vielzahl unterschiedlicher Technologien ermöglichen, die bislang meist isoliert von verschiedenen Interessenträgern untersucht und erprobt werden konnten.

Das »Energetische Nachbarschaftsquartier« (ENaQ) stellt das erste Forschungsprojekt im Fliegerhorst aus dem Bereich Quartiersentwicklung, Energie und Sektorkopplung dar. In Zukunft sollen weitere Vorhaben auf dem Gelände realisiert werden. Daher ist es unbedingt notwendig, bereits in der aktuellen Planungsphase des Geländes die richtigen Voraussetzungen für eine nachhaltige Gestaltung des Reallabors zu schaffen.

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Deshalb wurde das Oldenburger Informatikinstitut OFFIS Anfang 2016 von der Stadt auch damit beauftragt, ein Strategiepapier mit konkreten Ansätzen für die Umsetzung in den Bereichen Energie, Verkehr, Verwaltung und Lebensqualität zu entwickeln und im Anschluss ein Konsortium bei der Einwerbung von Förderprojekten zu unterstützen. Daraus ist das Verbundvorhaben »ENaQ – Energetisches Nachbarschaftsquartier Fliegerhorst Oldenburg« entstanden. Es wurde im Rahmen der Förderung von Forschung, Entwicklung und Demonstration auf dem Gebiet energieeffizienter Gebäude und Quartiere in der Förderinitiative »Solares Bauen – Energieeffiziente Stadt« erfolgreich beantragt und wird im Rahmen des sechsten Energieforschungsprogramms gemeinschaftlich von den Bundesministerien für Bildung und Forschung (BMBF) sowie Wirtschaft und Energie (BMWi) gefördert. Im Zuge der Digitalisierung der Energiewende bietet das Vorhaben als lebendes Labor die Möglichkeit, Service und Mehrwerte für die Bewohner zu entwickeln und direkt zu evaluieren. Bei der Realisierung des Wohnquartiers mit ca. 110 Wohneinheiten erfolgt eine Integration der Energieformen Strom, Gas und Wärme bzw. Kälte in einem lokalen multimodalen Energiesystem. So sollen »energetische Nachbarschaften« entstehen, ein Verbund von Erzeugern und Verbrauchern, die sich in räumlicher Nähe zueinander befinden und ihre überschüssige Energie in andere Energieformen umwandeln, speichern oder direkt bereitstellen, damit benachbarte Verbraucher sie nutzen können. Das Konzept beruht auf dem Gedanken, die Energieeffizienz zu steigern, indem »Abfallenergie« vermieden und eine Maximierung des lokalen Verbrauchs von »nachbarschaftlich« erzeugter Energie angestrebt wird. Zusätzlich zur Sektorenkopplung wird eine offene, sichere und datenschutzkonforme digitale Plattform entwickelt, die es den Bürgern erlaubt, den lokalen Energietausch zu automatisieren.

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Gekennzeichnete Fläche: Entwicklung nach Bebauungsplan N-777F mit ENaQ als Teilfläche © Jens Gehrcken/Stadt Oldenburg

Neben diesen beiden technischen Voraussetzungen für das Entstehen nachhaltiger energetischer Nachbarschaftsquartiere werden insbesondere auch die sozialen und betriebswirtschaftlichen Interaktionen der Akteure erforscht. Denn Bürgerakzeptanz und bürgernahe Kooperations- und Geschäftsmodelle werden letztendlich ausschlaggebend für den langfristigen Erfolg klimaneutraler Energieversorgung aus Eigenerzeugungsanlagen auf Quartiersund Stadtteilebene sein.

Vor ebenjenem Hintergrund adressiert das Vorhaben folgende Fragestellungen: – Wie muss ein lokaler Energieaustausch eines Nachbarschaftsquartiers aus sozialer und betriebswirtschaftlicher Sicht ausgestaltet sein, um eine hohe Akzeptanz bei Anwohnern, Besitzern von Erzeugungseinheiten sowie Dienstleistern zu erlangen und um auch langfristig sozial attraktiv sowie betriebswirtschaftlich tragbar zu sein? – Welchen Mindestanforderungen muss die physische Infrastruktur genügen, um die Energieflüsse des multimodalen Versorgungsnetzes mit dem Ziel der CO2-Minimierung automatisier- und optimierbar zu machen und um in Bestandsquartieren Anwendung zu finden? – Wie müssen eine digitale Plattform und deren Kommunikation mit Anlagenbesitzern bzw. Prosumern standardisiert werden, und wie können Anreizmodelle zur Partizipation der Quartiersbewohner aussehen, um eine schnelle und preiswerte Etablierung von zum Beispiel Energiegenossenschaften in einer Vielzahl von Bestandsquartieren zu ermöglichen?

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Das interdisziplinäre und aus allen relevanten Branchen zusammengesetzte Projektkonsortium mit kommunaler Beteiligung umfasst einen Energieversorger, einen Netzbetreiber, Unternehmen der Informations- und Kommunikationstechnik, Forschungs- und Entwicklungsinstitute sowie Universitäten, Komponenten- und Anlagenhersteller, Ausstatter für erneuerbare Energien, eine Wohnbaugesellschaft und ein Innovationsnetzwerk. Mit der Erarbeitung des Masterplans für den Fliegerhorst wurde eine robuste städtebaulich-freiräumliche Basis unter Einbeziehung der vorhandenen baulichen und landschaftlichen Strukturen inklusive der Entwicklung eines nachhaltigen Wasserund Energiekonzeptes entworfen. Für das Quartier ist der zeitliche Verfahrensablauf für Flächennutzungs- und Bebauungsplan, Erschließung, Sanierung und Neubau bereits skizziert. Etwa Ende 2020 ist mit dem Einzug von ersten Bewohnern zu rechnen, der im Projekt dann den Beginn der etwa zweijährigen Evaluationsphase einläutet. Dr.-Ing. Sven Rosinger Gruppenleiter Energieeffiziente Smart Cities OFFIS e.V., Oldenburg Julia Masurkewitz-Möller Stabsstelle Digitalisierung Stadt Oldenburg Dipl.-Ing. Ulrich Fortmann Stadtplanungsamt, Stadt Oldenburg

Eckdaten zum Leuchtturmprojekt ENaQ Fördermaßnahme: Förderinitiative »Solares Bauen – Energieeffiziente Stadt« im Rahmen des sechsten Energieforschungsprogramms Laufzeit: 1. Januar 2018 bis 31. Dezember 2022 Förderkennzeichen: 03SBE111 Fördervolumen des Verbundes: ca. 18,10 Mio. €, zusätzlich ca. 8 Mio. € Industrieanteile

Projektpartner OFFIS e.V., Institut für Informatik, Oldenburg Stadt Oldenburg Anleg GmbH, Wesel Arbeitsgruppe für regionale Struktur- und Umweltforschung GmbH, Oldenburg BTC Business Technology Consulting AG, Oldenburg Carl von Ossietzky Universität Oldenburg, Oldenburg Deutsche WindGuard GmbH, Varel DLR-Institut für Vernetzte Energiesysteme, Oldenburg Electric-Special Photronicsysteme GmbH, Oldenburg embeteco GmbH & Co. KG, Oldenburg EWE Netz GmbH, Oldenburg Fraunhofer-Institut für Fertigungstechnik und angewandte Materialforschung, Bremen GSG Oldenburg Bau- und Wohngesellschaft mbH, Oldenburg Jade Hochschule Oldenburg, Oldenburg Junge Haie GmbH, Oldenburg KEHAG Energiehandel GmbH, Oldenburg Leuphana Universität Lüneburg, Lüneburg New Power Pack GmbH, Vechta Oldenburger Energiecluster OLEC e.V. , Oldenburg Quantumfrog GmbH, Oldenburg Schulz Systemtechnik GmbH, Visbek

Anmerkungen 1 Der gesamte Masterplan inklusive aller weiterer Rahmenbedingungen kann eingesehen werden unter: http://www.oldenburg.de/ fileadmin/oldenburg/Benutzer/PDF/ Fliegerhorst/Masterplan_Fliegerhorst.pdf 2 Der Masterplan Fliegerhorst sowie weitere Informationen zum partizipativen Entwicklungsprozess sind abzurufen unter http:// www.oldenburg.de/de/microsites/fliegerhorst/ masterplan.html

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Das Modellvorhaben der Variowohnungen Förderprogramm zur Erprobung innovativer Wohnkonzepte Das Programm Seit Jahren steigt die Nachfrage nach Wohnraum in deutschen Städten und Ballungsgebieten. Parallel sind die Mietpreise gerade in prosperierenden Metropolregionen, in Großstädten und an Hochschulstandorten deutlich angestiegen. Dort wird es zunehmend schwieriger, bezahlbaren Wohnraum zu finden. Eine immer mobiler werdende Gesellschaft, in der in bestimmten Berufsgruppen und Einkommensschichten doppelte Wohnsitze nicht mehr ungewöhnlich sind, sowie neue, sich stetig wandelnde Formen des individuellen und gemeinschaftlichen Lebens und eine alternde Gesellschaft verstärken die Nachfrage nach kleinen und variablen Wohnungen. Neben älteren Menschen, Geflüchteten und sogenannten Young Professionals sind insbesondere Studierende und Auszubildende von der angespannten Wohnungsmarktsituation betroffen. Vor diesem Hintergrund hat das Bundesbauministerium Ende 2015 im Rahmen der Forschungsinitiative »Zukunft Bau« das Förderprogramm für Modellvorhaben zum nachhaltigen und bezahlbaren Bau von Variowohnungen aufgesetzt. Als Variowohnungen werden mindestens 20 m² große modulare Wohneinheiten verstanden, die aus einem Wohnraum, einer Kochgelegenheit und einem Bad mit Toilette bestehen. Denkbar sind auch Wohngemeinschaften mit gemeinsamer Küche und Bad. Die Idee ist, dass diese zunächst von Studierenden, Auszubildenden und gegebenenfalls zum Teil auch von Rentnern bewohnt werden, man sie bei Bedarf später jedoch flexibel umbauen kann. Gefördert werden zukunftsfähige Wohnungsbauprojekte mit festgelegten Höchstmieten von maximal 320 € pro Wohnplatz und Monat für einen Zeitraum von zehn Jahren, die sich darüber hinaus durch innovative, schnell zu errichtende und nachhaltige Lösungen auszeichnen. Schon bei der Planung der Variowohnungen soll durch flexible, leicht veränderbare Grundrisse eine mögliche Nachnutzung, beispielsweise durch Familien oder Senioren, berücksichtigt werden.

Die Umsetzung Die Erprobung und Erforschung dieser innovativen Modellvorhaben im Rahmen des Förderprogramms sollen Antworten geben darauf, wie angesichts der Anforderungen einer alternden und sich wandelnden Gesellschaft sowie individueller Wohnbedürfnisse in Gemeinschaften die Schaffung von anpassbarem urbanem Wohnraum funktionieren kann. Ein spezielles Augenmerk liegt dabei auf Innovationen im Bereich des modularen und vorgefertigten Bauens und auf der Frage, wie sich der Anspruch an hohe architektonische Qualität mit niedrigen Mieten in Einklang bringen lässt.

Seit der Bekanntmachung des Modellvorhabenprogramms Anfang November 2015 sind beim Bundesinstitut für Bau-, Stadtund Raumforschung (BBSR) 40 Projektanträge eingegangen. In einem zweistufigen Antragsverfahren konnten bis zum Ende des letzten Jahres 20 Projekte beschieden werden, die die anspruchsvollen Anforderungen der Förderrichtlinie erfüllen. Alle Bewerbungen wurden anhand von acht vorab definierten Förderbausteinen (FB) durch eine fachliche Prüfung vom BBSR auf ihr Innovationspotential hin bewertet.

20 Modellvorhaben in zehn Bundesländern © Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung

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Das Innovationspotential wurde hinsichtlich folgender Bewertungskriterien eingeschätzt: 1) erhebliche Bauzeitverkürzung 2) städtebauliche Maßnahmen 3) Umsetzung des Konzepts »ready« oder »ready-Plus« 4) Umsetzung eines flexiblen Nach nutzungskonzepts 5) besondere Aufwendungen zur Senkung der Betriebskosten 6) innovative Konzepte des Zusammen wohnens 7) ökologische Freiraumgestaltung 8) Ausbau der Erdgeschosse mit erhöhter Geschoßhöhe Im Zusammenspiel aller Förderbausteine sollten Bauzeiten durch optimierte Planungsprozesse, element- und modulbasierte Vorfertigung oder serielle Produktion (FB 1) möglichst verkürzt werden. Um Nebenkosten zu senken und bezahlbare Mieten sicherzustellen, sollen zudem besondere Aufwendungen zur Senkung der Betriebskosten (FB 5) in die Projekte implementiert werden. Neben der geforderten Flexibilität (FB 4) bilden innovative Konzepte zum Wohnen in Gemeinschaft (FB 6), die vorgesehene (nachrüstbare) Barrierefreiheit (FB 3) und eine ökologische Freiraumgestaltung (FB 7) nachhaltige Aspekte des Wohnens ab. Die Bebauung von Restflächen und eine hohe städtebauliche Qualität (FB 2) sowie die bauliche Vorhaltung der Möglichkeit, das Erdgeschoß für nichtwohnliche Zwecke zu nutzen (FB 8), sorgen für eine ressourcenschonende Nachverdichtung und Vernetzungen in vorhandene Quartiere hinein.

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Die Besonderheit des Modellvorhabens ist seine Kombination als Investitionsund Forschungsprogramm. So wird neben Investitionen in Innovationen auch eine integrierte wissenschaftliche Begleitung sichergestellt. Die forschende Einrichtung wird durch den Bauherrn beauftragt und bildet von Anfang an einen wesentlichen Teil des Modellvorhabenprojekts. Die jeweilige wissenschaftliche Begleitung untersucht an jedem Projekt die innovativen Planungs-, Bau- und Nachnutzungsprozesse. Dabei werden die Anforderungen an Variowohnungen und deren Umsetzung in die Praxis dokumentiert und analysiert, um Grundlagen für die Entwicklung und die nachhaltige Nutzung der innovativen Wohnkonzepte zu schaffen. Die geforderte Gebäudezertifizierung bietet schließlich eine zusammenfassende und vergleichbare Darstellung der Nachhaltigkeitsaspekte der Projekte untereinander und dient gleichzeitig als integrales Planungsinstrument. Das Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR), das für die fachlich-wissenschaftliche Betreuung und administrative Realisierung des Programms zuständig ist, setzt die Erkenntnisse in einer projektübergreifenden Querauswertung in den übergeordneten fachlichen und aktuellen Kontext. Ein vom BBSR beauftragtes Team, bestehend aus der Berliner sol•id•ar planungswerkstatt, der Hochschule Ostwestfalen-Lippe und der Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin ist dabei unterstützend tätig.

Die Bandbreite der 20 ausgewählten Projekte reicht von kleineren, innerstädtischen Baulückenschließungen mit ca. 20 Wohneinheiten über größere Neu- oder Umbauten mit durchschnittlich 130 Wohneinheiten bis hin zur Komplettsanierung einer Hochhausscheibe mit mehr als 300 Wohnungen. Die geförderten Variowohnungen werden sowohl in Neubauvorhaben – diese machen 70 % aller Projekte aus – als auch im Rahmen von Umbauten (30 %) entstehen. Ebenso unterschiedlich wie die Vorhaben sind die Träger: Unter den Bauherren befinden sich private Investoren, Studierendenwerke, kommunale Wohnungsbaugesellschaften und eine selbstverwaltende Organisation. Bis Ende 2019 sollen so deutschlandweit ca. 2.600 Wohneinheiten überwiegend für Studierende, aber auch für Auszubildende, entstehen. Bei einigen Projekten wurde bereits mit dem Bau begonnen. Nachfolgend sollen anhand von drei Modellvorhaben in Berlin, Heidelberg und Halle die Besonderheiten von Variowohnungen veranschaulicht werden. Die äußeren Rahmenbedingungen und die baulichen Lösungen dieser Projekte könnten unterschiedlicher nicht sein, wobei jedes von ihnen auf seine Weise die Leitideen des Variowohnenkonzepts transportiert.

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Junges Wohnen in Berlin-Marzahn

Perspektive von der Parkseite © Thoma Architekten

Im Stadtteil Marzahn am östlichen Rand Berlins wird ein neues Wohnquartier mit 255 Wohnungen entstehen. Die kommunale Wohnungsbaugesellschaft Degewo realisiert hier ein Ensemble aus fünf frei stehenden Punkthäusern. Mit einer komplexen Durchwegung zwischen den einzelnen Gebäuden soll die Verbindung zu dem dahinterliegenden Bürgerpark geschaffen werden. Ein differenziertes und großzügiges Angebot an Gemeinschaftsflächen in Innen- und Außenraum sorgt für die Einbindung der Neubauten in ihre Umgebung. Das am südlichen Ende gelegene Gebäude wird als Modellprojekt für Variowohnungen mit 112 Wohnplätzen errichtet. Die fünf Häuser unterscheiden sich durch die unterschiedliche Anzahl ihrer Geschosse und staffeln sich im Uhrzeigersinn von fünf über sechs bis hin zu sieben Geschossen. Danach kommt wieder ein sechsgeschossiges Gebäude, bis schließlich der südlichste Baukörper mit acht Geschossen den Hochpunkt bildet.

Lageplan © Thoma Architekten

Bauherr Degewo Marzahn Wohnungsbaugesellschaft mbH, Berlin Architekten Thoma Architekten, Berlin Forschung Prof. Dr. Peter Schwehr, Leiter Forschung Architektur, Hochschule Luzern Projekt Neubau von 112 Wohnplätzen

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Achtgeschossiges Haus mit Variowohnungen am Südende des Quartiers © Thoma Architekten

In dem achtgeschossigen Gebäude entstehen auf sieben Ebenen jeweils vier Dreizimmer- und vier Studiowohnungen mit Balkon. Jedes der baugleichen Geschosse verfügt über einen großzügigen, teilweise doppelgeschossig ausgebildeten Gemeinschaftsraum mit Küchenzeile und Balkon. Im Erdgeschoß werden den Bewohnern ein Conciergedienst, ein Waschsalon mit Café und ein Multifunktionsraum für gemeinschaftliche Aktivitäten zur Verfügung gestellt. Um die Planungs- und Bauzeit zu optimieren, setzen die Planer auf eine kompakte Gebäudeform, vereinheitlichte Bäder sowie eine durchgängige Trag- und Haustechnikstruktur. Die Verwendung von Stahlbetonfertig- und -halbfertigteilen im Rohbau und von vorgefertigten Schachtbauteilen für die technische Gebäudeausrüstung sowie die Entscheidung für eine Holzfassade aus vorgefertigten Systembauteilen sollen eine weitere Verkürzung der Bauzeit bewirken. Das konstruktive System aus tragendem Kern und tragender Fassade sowie großzügige Schachtabmessungen und Trennwände in Trockenbauweise bieten die Voraussetzungen für flexible Umnutzungsmöglichkeiten. Die in den doppelgeschossigen Gemeinschaftsräumen befindlichen Deckenöffnungen können durch bereits vorgesehene wandseitige Auflagerpunkte nachträglich geschlossen und selbige so in Wohnungen umgewandelt werden.

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Grundriss des zweiten Obergeschosses © Thoma Architekten

Im gesamten Gebäude wird das sogenannte Ready-Konzept umgesetzt. Das Projekt »ready – vorbereitet für altengerechtes Wohnen« entstand am Institut Wohnen und Entwerfen der Universität Stuttgart unter Leitung von Prof. Dr.-Ing. Thomas Jocher. Hierbei handelt es sich um ein Planungskonzept, das neue Standards für eine stufenweise altengerechte Wohnungsanpassung definiert.

Das Erdgeschoß verfügt über Zugänge von allen Seiten und wird gegenüber den übrigen Geschossen erhöht hergestellt. Um die Bewohner zu motivieren, Betriebskosten zu sparen, wird über einen Bildschirm im Eingangsbereich der Verbrauch von Strom, Wasser und Heizung wohnungsweise aufgezeigt. Hausinterne Wettbewerbe und monatliche Informationsveranstaltungen zu den Themen »Energieeinsparung« und »Klima« sollen dies unterstützen.

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Auch der Außenraum wird unter ökologischen Gesichtspunkten gestaltet. Eine extensive Dachbegrünung und die Verwendung von Ökopflaster sorgen für eine dezentrale Versickerung und eine Reinigung des Niederschlagswassers. Der erhaltene Baumbestand wird durch die Anpflanzung einheimischer Gehölze und die Schaffung großzügiger Wiesenflächen ergänzt. Wissenschaftlich begleitet wird das Projekt von Prof. Peter Schwehr vom Kompetenzzentrum Typologie & Planung in Architektur (CCTP) der Hochschule Luzern. Anhand einer »typologischen Evaluation« werden Nutzen und Wert von Gebäuden nach dem Variowohnungenprinzip analysiert, Systematiken erstellt und Entscheidungshilfen und Planungstools für spätere Projekte abgeleitet.

Forschungsdesign zur wissenschaftlichen Begleitung © Hochschule Luzern

Collegium Academicum: Selbstverwaltetes Studierendenwohnheim Heidelberg

Modellfoto mit Ansicht der Fassade © Drexler Guinand Jauslin Architekten

Der Anspruch des Projekts Collegium Academicum (CA) ist es, selbstverwaltetes Wohnen mit gemeinschaftlichem Leben und Lernen in Heidelberg zu kombinieren. Entstanden aus einer studentischen Initiative, umfasst die Gruppe heute Studierende der Universität und der Pädagogischen Hochschule Heidelberg sowie Doktoranden und junge Berufstätige. Sie plant den Bau und Betrieb eines Studierendenwohnheims auf einer Konversionsfläche des U.S. Hospital in Heidelberg-Rohrbach.

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Bauherr Collegium Academicum GmbH

Diesem Modellvorhaben liegt ein auf allen Ebenen sehr stringent verwirklichtes Gemeinschaftskonzept zugrunde. So ist der Betrieb des Wohnheims in Selbstverwaltung durch die BewohnerInnen vorgesehen. Einen weiteren wichtigen Eckpfeiler bildet das Angebot für ein Studium Generale mit projektbasiertem Lernen. Auf dem ehemals militärisch genutzten Areal sollen durch Neubau und die Umnutzung von zwei Altbauten insgesamt 164 Wohneinheiten entstehen. Ziel hierbei ist es, ein Gebäude ausschließlich in Holzbauweise zu errichten, das hohen Ansprüchen an die Nachhaltigkeit gerecht wird und gemeinschaftliche Wohnungen bietet, deren Grundrisse sehr flexibel sind.

Architekten Drexler Guinand Jauslin Architekten, Frankfurt am Main Forschung Dr.-Ing. Arch. Matthias Fuchs, ee concept, Darmstadt Projekt Neubau von 164 Wohnplätzen

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Rendering der geplanten Gesamtanlage © Drexler Guinand Jauslin Architekten

Daher wird das Gebäude in kleinteiliger modularer Holzbauweise erstellt. Statt großer Montageelemente werden kleinere identische Bauteile in einer hohen Stückzahl verwendet. Diese im Industriebau häufig angewendete Konstruktionsart soll hier auf ihre Übertragbarkeit auf dem Wohnungsbau erprobt und überprüft werden. Die Bauherren versprechen sich, da so die Trocknungszeiten von Beton, Mauerwerk und Putz entfallen, eine kurze Errichtungsdauer, die durch den Einsatz von vorgefertigten Sanitärbereichen sowie Fassadenelementen zusätzlich verkürzt wird.

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Grundriss des Erdgeschosses © Drexler Guinand Jauslin Architekten

Das Zusammenleben ist in Einheiten von Dreizimmer- und Vierzimmerwohngemeinschaften organisiert. Die Grundform jeder Einheit weist eine zentrale Gemeinschaftsfläche mit Küche und Aufenthaltsbereich auf, um die die als Kernzimmer bezeichneten Individualräume und ein Sanitärbereich angeordnet sind. Zusätzliche großzügige Gemeinschaftsflächen mit Aula, Werkstatt und Multifunktionsraum sowie begrünte Außenbereiche bieten den Bewohnern viel Platz zur Entfaltung. Alle Einheiten sind als potentielle Seniorenwohnungen geplant. Die Konstruktion ermöglicht es, die Innenwände im Selbstbau mit einfachen Mitteln herzustellen und

zu versetzen. Durch die flexible Zuschaltbarkeit lassen sich mit sehr geringem Aufwand außerdem größere Wohneinheiten für Großwohngemeinschaften, für ein betreutes Wohnen oder auch Grundrisse für Familien realisieren. Die wissenschaftliche Begleitung durch die ee concept GmbH erfolgt im Rahmen einer prozessbegleitenden Analyse, bei der planungsrelevante Alternativen verglichen und bewertet werden. Das Projekt wurde von der IBA Heidelberg als ein Leuchtturmprojekt ausgewählt, da es mit hohem baukulturellem und inhaltlichem Gestaltungsanspruch die Ziele einer zukunftsweisenden Stadtentwicklung reflektiert.

Nutzungsvariante: Studenten-WG © Drexler Guinand Jauslin Architekten

Nutzungsvariante: Familienwohnung (4 Personen) © Drexler Guinand Jauslin Architekten

Nutzungsvariante: Senioren-WG (4 Personen) © Drexler Guinand Jauslin Architekten

Nutzungsvariante: Cluster-WG (9–11 Personen) © Drexler Guinand Jauslin Architekten

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Bestand: Scheibe C © Nuckel Architekten

Geplante Umgestaltung des Gebäudes © Nuckel Architekten

Halle Scheibe C Durch den Umbau einer seit dem Jahr 2000 leerstehenden Hochhausscheibe in der ehemaligen Großwohnsiedlung Halle-Neustadt entstehen 308 Variowohnplätze. Die 18-geschossige »Scheibe C« ist Teil eines Ensembles aus fünf baugleichen Hochhäusern. Selbige wurden in den Jahren 1970–1975 als Bestandteil des neuen Stadtzentrums von dem Architekten Ri-chard Paulick errichtet und prägen die Silhouette von Halle-Neustadt. Da bisher lediglich eines der fünf Gebäude, die sogenannte Scheibe D, saniert wurde, stellt das Modellvorhaben einen wichtigen Baustein zur Reaktivierung und Aufwertung des Stadtteils dar, der insgesamt von großem Leerstand betroffen ist – und Scheibe C, die auch in den 1970er Jahren schon als Studierendenwohnheim diente, erfährt eine bestimmungsgemäße Revitalisierung. In einem ersten Schritt sind der Rückbau der asbestbelasteten Fassade sowie die vollständige Entkernung des Hochhauses geplant. Nur der Rohbau der in Schottenbauweise errichteten Scheibe wird erhalten. In ihn sollen im nächsten Schritt vorgefertigte modulare Raumzellen eingeschoben werden, die die neuen Wohnungen bilden. Die Module in Holzkonstruktion werden elementiert auf die Baustelle geliefert und vor Ort zusammengefügt – einschließlich vorgefertigter Badzelle und Balkonplatte. So sollen bis zu fünf Module

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pro Tag per Kran eingebaut werden können und insgesamt 308 Wohnplätze als Mix aus Zweizimmerwohnungen und Einzelapartments entstehen. Mit diesem Verfahren soll die Bauzeit im Vergleich zu einer konventionellen Modernisierung nahezu halbiert werden. Durch den statisch notwendigen teilweisen Abbruch von Geschoßdecken ergeben sich beeindruckende dreigeschossige Bereiche im Mittelteil des Gebäudes, die großzügige Räume für gemeinsame Nutzungen bieten. Hier werden eine Bibliothek, Lernräume, eine Eventküche sowie Fitness- und Multifunktionsräume für die Bewohner entstehen. Das Dach wird einen Volleyballplatz und ein von den Bewohnern betriebenes Bistro erhalten, das Besuchern ebenfalls offensteht. Auch in diesem Modellvorhaben wurde bereits in der Planung die barrierefreie Anpassbarkeit der Grundrisse berücksichtigt. So sind die Wohnungen beispielsweise ebenso für Senioren geeignet. Jede Wohnung erhält ein Display, über das der Nutzer seinen eigenen Verbrauch von Heizungsenergie, Trinkwasser und Strom ablesen kann. Durch solche individuellen Rückmeldungen sollen die Bewohner motiviert werden, ihren Energieverbrauch zu reduzieren und die Betriebskosten insgesamt zu senken.

Bauherr Michael Schmidt, SLS Vermögensverwaltungsgesellschaft Halle GmbH Architekten Nuckel Architekten, Hamburg Forschung Prof. Dr. Rudolf Lückmann, Hochschule Anhalt Projekt Umbau von 308 Wohnplätzen

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Einbringen der Raummodule © Erne AG

Wissenschaftlich begleitet wird das Projekt vom Lehrstuhl für Baukonstruktion und Denkmalpflege der Hochschule Anhalt unter Leitung von Prof. Dr. Rudolf Lückmann. Hier wird das Sanierungskonzept der Raum-in-Raum-Lösung hinsichtlich umfassender Kriterien wie Wirtschaftlichkeit, Energieverbrauch und Nachhaltigkeit analysiert und bewertet. Von der Montage der Elementplatten vor Ort bis zur Feinjustierung und Fixierung der Zelle am Bestandsbau können mit dem Vorhaben viele Schnittstellenprobleme getestet sowie die baulichen und räumlichen Qualitäten ausgewertet werden. Auf Basis jener Untersuchungen sollen dann Strategien für ähnliche Umbauprojekte entwickelt werden.

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Module in Schnitt und Grundriss © Erne AG

Ausblick In den nächsten zwei Jahren wird das BBSR die Errichtung und den Betrieb der Modellvorhaben eng begleiten. Vorgesehen sind kontinuierliche Datenabfragen, Baustellenbereisungen und Gespräche vor Ort. Zweimal pro Jahr werden die Projektbeteiligten aller 20 Modellvorhaben zu Netzwerktreffen zusammenkommen, um Zwischenergebnisse zu diskutieren und Erfahrungen auszutauschen. Im Rahmen von zwei öffentlichen Symposien sollen die Ziele der Variowohnungen wie Qualität, Bezahlbarkeit, Nachhaltigkeit, Nachnutzbarkeit und Demographiefestigkeit in den übergeordneten Kontext des aktuellen Wohnbaugeschehens gebracht und gemeinsam mit Experten aus der Baupraxis, der Bauwirtschaft und der Politik einer breiten Fachöffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Das erste Symposium wird am 20. September 2018 in Berlin stattfinden.

Das Ziel der projektübergreifenden Querauswertung ist die Entwicklung übertragbarer Handlungsempfehlungen für ähnliche Vorhaben. Die abschließende Publikation soll Planern, Bauherren und Baufirmen Ideen und Empfehlungen für den kostengünstigen und nachhaltigen Bau von Variowohnungen liefern. Ergänzend dazu wird das BBSR die Forschungsberichte über die einzelnen Modellvorhaben veröffentlichen. Weitere Informationen zum Programm sowie detaillierte Projektsteckbriefe aller Modellvorhaben finden sich auf der Internetseite der Forschungsinitiative Zukunft Bau unter www.forschungsinitiative.de/ variowohnungen. Johanna Burkert Referentin Referat II 3 (Forschung im Bauwesen) Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung im Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung, Berlin

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Blick von der Bahntrasse auf die beiden Ergänzungsbauten des Quartiers © Thomas Rohnke/Unternehmensgruppe Nassauische Heimstätte/Wohnstadt

Bestandssanierung mit belebenden Ideen Ganzheitliches Konzept für eine Wohnlage in Frankfurt am Main

Weg zum nachhaltigen Quartier Die zukunftsfähige Weiterentwicklung eines bestehenden Wohnquartiers ist neben der planerischen und finanziellen immer auch eine soziologische Herausforderung. In ihrer an der Ecke von Adolf-Mierschund Melibocusstraße in Frankfurt-Niederrad gelegenen Wohnanlage verwirklicht die Unternehmensgruppe Nassauische Heimstätte/Wohnstadt seit einiger Zeit ein weitgreifendes ganzheitliches Konzept, um diese in ein langfristig attraktives, lebendiges und zukunftsorientiertes Lebensumfeld umzugestalten.

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Neben der notwendigen energetischen Sanierung der Bestandsgebäude und dem Neubau von zwei ergänzenden Wohnhäusern mit 25 geförderten Wohnungen im Passivhausstandard bringt die Nassauische Heimstätte mit der »Essbaren Siedlung« den aus dem Amerikanischen stammenden Urban-Gardening-Gedanken in das Wohnviertel. Darüber hinaus setzt sie auf das Car-Sharing-Konzept sowie auf ein Angebot an haushaltsnahen Dienstleistungen für ältere Mieter. Zusätzlich wird die Siedlung mit dem »Cubity« um ein innovatives Wohnkonzept für Studenten bereichert und so eine stärkere Durchmischung der Bewohnerstruktur erreicht. Damit soll beispielgebend ein Zeichen für die ressourcenschonende Weiterentwicklung von Bestandsbauten gesetzt werden.

Die Gruppe mit Sitz in Frankfurt am Main und Kassel bietet seit 95 Jahren umfassende Dienstleistungen in den Bereichen Wohnen, Bauen und Entwickeln. Mit ca. 60.000 Mietwohnungen in 140 Städten und Gemeinden gehört sie zu den größten deutschen Wohnungsunternehmen. Der Wohnungsbestand wird aktuell in vier Regionalcentern betreut, die in 13 Servicecenter untergliedert sind, wobei das Regionalcenter Frankfurt am Main ca. 19.800 Wohnungen bewirtschaftet, davon allein 16.000 direkt in der Mainmetropole. Bis 2022 sind hier Gesamtinvestitionen von ca. 1,50 Mrd. € in den Neubau von Wohnungen und die Bestandssanierung geplant. Insgesamt sollen in den nächsten fünf Jahren 4.900 zusätzliche Wohnungen entstehen. Der Schwerpunkt liegt jedoch auf der Revitalisierung existierender Quartiere unter neuen zukunftsweisenden Gesichtspunkten.

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Passivhäuser mit Innenhoforientierung © Thomas Rohnke/Unternehmensgruppe Nassauische Heimstätte/Wohnstadt

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Neubauten als Ergänzung

Nachhaltigkeit mit vielen Facetten

Das Quartier an der Ecke von AdolfMiersch- und Melibocusstraße entstand in den 1950er Jahren und umfasste bislang insgesamt 486 Wohneinheiten mit Größen von 34–90 m2. Die beiden neuen Gebäude im Passivhausstandard ergänzen es nun um 25 öffentlich geförderte Wohneinheiten: Die 15 Dreizimmer- und zehn Vierzimmerwohnungen mit Größen von 78,10–91,30 m2 sind alle barrierearm gestaltet. Die neuen Wohnungen, die am Westgiebel der Häuser in der Melibocusstraße 62 und 70 realisiert wurden, bilden einen weiteren Baustein im umfangreichen Entwicklungskonzept für das Niederrader Quartier. So wurde im Keller des Neubaus an der Melibocusstraße 70 a eine Heizzentrale mit zwei Pelletkesseln installiert, die neben jenem künftig auch zwei Bestandsgebäude mit Wärme versorgt.

Gemeinsame Aktivitäten und unterstützende Offerten stärken den nachbarlichen Zusammenhalt der zunehmend älter werdenden, hier nicht selten seit Jahrzehnten ansässigen Mieterschaft und ermöglichen so vielen Bewohnern einen Verbleib in ihren eigenen vier Wänden und damit auch im vertrauten Umfeld. So bietet der von dem Wohnungsunternehmen mit der städtischen Wohnungsbaugesellschaft ABG Frankfurt Holding ins Leben gerufene Mieter-Service »Wir in Niederrad« (WiN3) haushaltsnahe Dienstleistungen wie Einkaufen, Hausputz, Gardinenaufhängen, Botengänge und kleinere Reparaturen für ein geringes Entgelt; für ältere und kranke Mieter sind sie sogar teilweise kostenfrei. In Frankfurt-Niederrad, wo die beiden Unternehmen insgesamt ca. 3.000 Wohnungen bewirtschaften, sind immerhin ca. 50 % der Bewohner über

65 Jahre alt. Dritte im Bunde bei WiN3 ist die Beschäftigungsgesellschaft für betriebliche Integration und Beteiligung (BI-WAG), die den Service im Auftrag der Wohnungsunternehmen betreibt. Das Projekt vermittelt darüber hinaus Bewohnern aus dem Quartier neue berufliche Perspektiven und hilft manchem von ihnen, längerfristig auf dem ersten Arbeitsmarkt wieder Fuß zu fassen.

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Bestandsbauten nach Sanierung © Marc Strohfeldt/Unternehmensgruppe Nassauische Heimstätte/Wohnstadt

Die gleichzeitige energetische und soziale Quartiersentwicklung ist laut Aussage der Nassauischen Heimstätte das Herzstück der Nachhaltigkeitsstrategie des Unternehmens, das davon überzeugt ist, dass der Erhalt des Bestands einen wichtigen Beitrag zum ressourcenschonenden Wohnen der Zukunft darstellt. Dabei liegt der Fokus nicht darauf, für jedes einzelne Gebäude das individuelle technische Optimum an energetischer Sanierung zu erreichen, sondern durch übergreifende Maßnahmen die beste Energiebilanz für das Gesamtquartier zu erzielen. Bei ihren Investitionen in die Modernisierung der Gebäude und Freiflächen wird die Nassauische Heimstätte zusätzlich unterstützt durch Fördermittel der sogenannten Energetischen Stadtsanierung.

Bauliche Eingriffe in vorhandene Wohnanlagen bedeuten für die Bewohner immer eine Belastung. Um die Mieter einzubeziehen, sie also mit ins Boot zu holen, wurde deshalb in einem Container ein Treffpunkt eingerichtet, in dem sich die Bewohner

bei Kaffee und Kuchen mit ihren Nachbarn austauschen konnten. Regelmäßig war hier auch ein Mitarbeiter vor Ort, um Fragen rund um das Bauvorhaben zu beantworten und Kritik oder Anregungen persönlich entgegenzunehmen.

»Wir in Niederrad« als zusätzliches Angebot © Thomas Rohnke/Unternehmensgruppe Nassauische Heimstätte/Wohnstadt

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Erste Pflanzaktion mit Mietern: Obststräucher in den Freianlagen © Thomas Rohnke/Unternehmensgruppe Nassauische Heimstätte/Wohnstadt

Zweite Pflanzaktion: Hochbeete für die »Essbare Siedlung« © Thomas Rohnke/Unternehmensgruppe Nassauische Heimstätte/Wohnstadt

Gemeinsam pflegen und ernten

Konzept für Umweltschutz

Die Einbindung der Mieter geht jedoch deutlich weiter: Verknüpft mit Modernisierung und Neubau war auch die Umgestaltung der Außenanlagen – und hier entschied das Freiflächenmanagement des Unternehmens, statt Rasenflächen wieder herzurichten und Ziersträucher zu setzen, die Idee der »Essbaren Siedlung« zu realisieren. Das heißt, in gemeinsamen Aktionen mit den Bewohnern wurden in der Melibocusstraße Obst- und Nussbäume, Beerensträucher und Kräuter gepflanzt. Nach und nach sollen dort Brombeere, Himbeere, Johannisbeere, Holunder und Heidelbeere Früchte tragen sowie Schnittlauch, Thymian, Borretsch, Melisse, Pfefferminze, Majoran und weitere Kräuter, geerntet vor der eigenen Haustür, in Zukunft die Speisen der Mieter verfeinern. Das Gemeinschaftsgärtnern, im besten Fall komplettiert durch den gemeinsamen Genuss der Früchte, soll das Zusammengehörigkeitsgefühl stärken. Außerdem wird mit dieser Art des Freiflächenmanagements ein wichtiger Beitrag zum Erhalt der Artenvielfalt geleistet, da die Blühpflanzen unter anderem Bienen als Nahrungsquelle dienen. Hinzu kommen »Insektenhotels« sowie Nisthilfen für Mauersegler und Singvögel, die den bedrohten Arten einen Lebensraum bieten.

Neu ist auch ein weiteres Angebot: Die Nassauische Heimstätte stellt dem überregional vertretenen Car-Sharing-Anbieter stadtmobil.de zwei Parkplätze an der Melibocusstraße zur Verfügung, und im Gegenzug gewährt selbiger den Mietern Sonderkonditionen. So entfällt die übliche Aktivierungsgebühr, gezahlt wird nur für die Nutzungszeit und die gefahrenen Kilometer, Benzin und Vollkaskoversiche-

rung inklusive. Dieses Angebot gilt über Frankfurt hinaus in weiteren 100 Städten Deutschlands. Positive Erfahrungen mit jenem Konzept konnte das Unternehmen bereits in mehreren Wohnanlagen der Stadt machen. Angesichts der angespannten Verkehrs- und Parkplatzsituation in Frankfurt am Main lassen sich so Verkehrsentlastung, Klimaschutz und Mobilität der Mieter einfach verbinden.

Studentischer Wohnblock »Cubity« am Quartiersrand © Thomas Ott/Unternehmensgruppe Nassauische Heimstätte/Wohnstadt

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Durchmischung des Quartiers In unmittelbarer Nähe entstand auf dem Grundstück der Nassauischen Heimstätte mit dem »Cubity« ein zukunftsorientiertes Wohnhaus für Studenten auf Basis eines Konzepts, das Architekturstudenten der Technischen Universität Darmstadt unter der Leitung von Prof. Annett Maud-Joppien im Rahmen des Solar-Decath-lon-Wettbewerbs entwickelt hatten. Realisiert wurde es von der Deutschen Fertighaus Holding, die auch die Bewirtschaftung übernahm; Generalmieter ist das Frankfurter Studentenwerk. Das 250 m2 große Gebäude aus nachwachsenden Rohstoffen und einer Polycarbonat-Fassade wurde nach dem Haus-im-Haus-Prinzip konstruiert, was bedeutet, dass in einer großräumigen Halle sechs zweigeschossige Wohn-Cubes angeordnet wurden. In jedem dieser Wohnwürfel von 8 m² befinden sich ein Bett, Tisch, Stuhl, Schrank und zusätzlicher Stauraum sowie ein eigenes Bad. Der großzügige Gemeinschaftsbereich mit gemeinsamer Küche als zentralem Marktplatz, einer Galerie und Terrasse bietet Raum für ein vielgestaltiges Zusammenleben. Als Plus-Energie-Haus erzeugt der »Cubity« mit Hilfe einer Photovoltaikanlage zudem mehr Energie, als er verbraucht, welche ins allgemeine Stromnetz eingespeist wird. In direkter Nähe des Quartiers ist so mit den Studenten eine die Nachbarschaft bereichernde neue Bewohnergruppe eingezogen.

Gemeinschaftsbereiche im Cubity-Innern © Thomas Ott/Unternehmensgruppe Nassauische Heimstätte/Wohnstadt

Zimmereinrichtung aus Festeinbauten © Thomas Ott/Unternehmensgruppe Nassauische Heimstätte/Wohnstadt

Jens Duffner Unternehmensgruppe Nassauische Heimstätte/Wohnstadt, Frankfurt am Main Bauherr und Planung Nassauische Heimstätte Wohnungs- und Entwicklungsgesellschaft mbH, Frankfurt am Main Tragwerksplanung Ingenieurbüro Dipl.-Ing. Klaus Röder, Frankfurt am Main Landschaftsplanung Architekturbüro für Garten- und Landschaftsplanung Harald Kirschenlohr, Erlensee

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Brückenbau und Baukultur in (ganz) Europa 18. Symposium der Verlagsgruppe Wiederspahn in Leipzig

Aktuell

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Tradition mit Resonanz Genau wie in all den Jahren zuvor hatte die Verlagsgruppe Wiederspahn mit MixedMedia Konzepts nach Leipzig eingeladen. Und diesmal sollten der Einladung genau 200 Brückenbauexperten aus dem In- und Ausland folgen – zum inzwischen 18. »Symposium Brückenbau« am 6. und 7. Februar, das damit ausgebucht war! Die Teilnehmerzahl blieb also wiederum auf gewohnt hohem bis noch höherem Niveau: ein überaus eindrucksvolles Indiz für das Renommee eines Ingenieurtreffens, das schon von jeher durch die Qualität seines Vortrags- wie des Rahmenprogramms zu überzeugen wusste. Eine zweite Tradition, welche die Leipziger Tagungsreihe seit Anbeginn auszeichnet, ist das sogenannte Referentenessen am Vorabend, das eine erste Gelegenheit zu Dialogen wie Diskussionen bietet und dementsprechend stets regen Anklang findet. Über die Hälfte der angemeldeten Brückenbauspezialisten reiste daher bereits am 5. Februar an, um sich in zwangloser Atmosphäre auszutauschen, neue Kontakte zu knüpfen oder aber um bestehende weiter zu intensivieren. Verteilt auf die beiden Veranstaltungstage, gliederte sich das Symposium in exakt 22 Vorträge und deckte insofern ein außerordentlich breitgefächertes und zudem international ausgerichtetes Spektrum ab, das in diesem Jahr darüber hinaus mit der

»Partnerregion Linz« als einem Schwerpunkt aufwartete. Und so verhalf es, wie bisher immer, sämtlichen Teilnehmern zu mannigfaltigen Ein- und Ausblicken, ja zu einer Vielzahl von Erkenntnissen und Perspektiven, die sich anderenorts sicherlich kaum gewinnen lassen.

Brückenbau in Bayern Den offiziellen Auftakt bildete die Begrüßung durch Dipl.-Ing. Michael Wiederspahn am Dienstagmorgen, der nach ein paar erläuternden Sätzen zum Programm und dessen Ablauf wie Inhalt sogleich den ersten Referenten ankündigte: Ministerialrat Prof. Dipl.-Ing. Karl Goj, der hier mit »Sanierung bzw. Austausch der Spannglieder nach dem Einsturz des Lehrgerüsts beim Bau der Talbrücke Schraudenbach im Zuge der A 7« für eine wahrlich singuläre und thematisch dennoch genauso passende wie umfassende Einstimmung sorgte, indem er die schwierigen Randbedingungen inklusive aller Voruntersuchungen beleuchtete, die bei einem solchen Vorhaben fast unweigerlich Beachtung, ja konsequente Anwendung finden müssen, um trotz der eingetretenen Schäden substantieller Art überhaupt ein Resultat in der geforderten Neubauqualität erzielen zu können.

Eine in diverser Hinsicht nicht minder bemerkenswerte Herangehens- oder sogar Umgangsweise dokumentierten direkt im Anschluss Baudirektor Dipl.-Ing. Tobias Bäumler und Dipl.-Ing. Hans-Joachim Caspar mit dem »Monobogen als Tor zum Spessart«, informierten sie doch über Entwurf, Planung und Errichtung eines Tragsystems mit beidseitigen Seilabspannungen, das den Wunsch nach einer sogenannten Landmark an bzw. über der auf sechs Fahrstreifen zu verbreiternden Autobahn 3 zweifelsohne sinnstiftend zu erfüllen vermag. »Die perfekte Welle«, zwar unweit gelegen, nach ihrer Verwirklichung aber zur Überführung der A 73 über eine ICE-Ausbaustrecke dienend, lässt sich ebenfalls als eine Lösung bezeichnen, die in puncto Gestalt und Konstruktion Akzente setzen wird, wie Ltd. Baudirektor Dipl.-Ing. Bernd Endres und Dipl.-Ing. Rolf Jung schon einleitend signalisierten, bevor sie dann en détail über einen Designentwicklungsprozess aufklärten, auf den bahnspezifische Vorgaben einen erheblichen Einfluss ausübten.

Schrägseil-Brückenfamilie in Linz, Österreich © SOLID architecture ZT GmbH

Monobogen an der A 3 im Spessart © Hajo Dietz/Nürnberger Luftbild

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[Umrisse]


Linz als Partnerregion

Künftiges Wahrzeichen: Hängebrücke in Linz © von Gerkan, Marg und Partner

und Dipl.-Ing. Walter Skala als »Operation am offenen Herzen« definierten. Nach dem von ihnen minutiös beschriebenen Konzept einer Schrägseilbrücken-Familie folgte mit »Ein neues Wahrzeichen für Linz« freilich erneut ein Vorschlag, der in einem zuvor ausgelobten Wettbewerb mit dem ersten Preis prämiert wurde. Von der Jury als eine Struktur geadelt, die schwerelos erscheine, handelt es sich bei ihr im Prinzip um eine echte bzw. nachgerade klassisch anmutende Hängebrücke mit horizontalem Deck, die sich in das sensible Landschaftsbecken westlich von Linz offenbar harmonisch einbetten wird, weil ihre Tragseile im Fels der Uferwände verankert werden sollen, sie also keiner Pylone bedarf, wie Dipl.-Ing. Franz Sempelmann und Dipl.-Ing. Thomas Fackler kompetent zu begründen wussten. Die Vorstellung der dritten zu realisierenden Donauquerung staffelte sich hingegen in zwei separate Präsentationen, wobei Dipl.-Ing. Jacques Durst den Anfang machte und einen siegreichen Wettbewerbsentwurf präzisierte, dessen Entstehung auf der Intention beruhte, durch die Aneinanderreihung von Stahlbögen die Konturen der früheren Eisenbahnbrücke sowohl

nachzuempfinden als auch zeitgenössisch zu interpretieren. Das heißt, die zur Aufnahme einer zweispurigen Fahrbahnplatte, einer von ihr getrennten Straßenbahntrasse sowie von Geh- und Radwegen gedachte »Neue Donaubrücke in Linz« verkörpert eigentlich eine Kombination aus ab- oder ausgerundeten Zügelgurten und V-förmigen Streben, die in die Flusspfeiler münden. Welche Konsequenzen eine derartige Konfiguration von Traggliedern auf die statische Berechnung und die Dimensionierung sämtlicher Elemente hat, beantwortete danach Dipl.-Ing. Christian Stadler, der im Rahmen seiner Schilderung ebenso Kriterien der Fertigung und späteren Montage fachkundig erhellte.

[Aktuell

Während in den Vorjahren unter anderem Österreich oder die Schweiz als Partnerland fungierten, konzentrierte sich das Interesse nun erstmalig auf eine Region – nämlich auf Linz und insofern auf eine Agglomeration mit verschiedenen Besonderheiten, die sie unter mannigfaltigen Aspekten prägten und prägen, wie zum Beispiel durch die Tatsache, dass ihr Zentrum von der Donau quasi ge- oder unterteilt wird und sie zudem über wesentlich mehr Arbeitsplätze als Einwohner verfügt. Darüber hinaus gilt sie als die Stahlhauptstadt Österreichs, wie Dipl.-Ing. Martin Pöcheim betonte, der sich zu Beginn des sich in Summe über fünf Referate erstreckenden Vortragsblocks der Frage widmete, warum der Bau zusätzlicher Flussquerungen letztlich alternativlos bleibt, wenn man die Verkehrssituation in und um Linz signifikant entzerren und auf Dauer verbessern will. Eines jener Entflechtungsoder Entlastungsprojekte ist die Ergänzung der stark frequentierten und in naher Zukunft überdies zu ertüchtigenden Voestbrücke um zwei Bypässe, die als innerörtliche Straßenverbindungen rechts und links von ihr in ähnlicher Formensprache angeordnet werden, was Ing. Josef Reischl

Großprojekte aus Europa Der dritte Teil des Symposiums rückte Projekte aus Europa ins Blickfeld, die durchwegs illustrierten, wie die generell zu befriedigenden Ansprüche an Ästhetik, Gebrauchstauglichkeit, Wirtschaftlichkeit und Langlebigkeit adäquat miteinander zu vereinbaren sind – und das primär oder sogar überwiegend unter Nutzung neuester Methoden, Technologien oder Strategien. So zeigten zunächst Dipl.-Bauing. Guido Biaggio und Dipl.-Ing. Bauing. Rainer Hohermut, weshalb sich die Anberaumung eines Wettbewerbs im sogenannten selektiven Verfahren anbietet, wenn es ein diffiziles Geflecht aus Forderungen von und an Politik, Mobilität, Städtebau und Immissionsschutz zu entwirren gilt. Dass im und für das schweizerische Kriens im Endeffekt ein Brückenhaus als optimale Idee zur Verknüpfung zweier Tunnelportale ausgewählt wurde, stieß im Auditorium demgemäß auf große Resonanz. Mit der gestalterischen »Qualitätssicherung bei knapp bemessenen Budget« beschäftigte sich wiederum Dipl.-Ing. Bart Halaczek, der Selbige am Fall der Mersey Gateway, eines Autobahnabschnittes im Norden Englands, nuanciert erläuterte, natürlich unter explizitem Verweis auf die hier zur Anwendung gekommenen Regelwerke und Genehmigungsschritte, wie etwa die Planning Policy Statements, die Competitive Dialogue Phase oder das Design and Access Statement.

Peenestromquerung bei Wolgast »als« Zügelgurtvariante © DEGES GmbH

[Umrisse]

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Aktuell

]

Brückenbau in Deutschland »Reinforcement works on the Grand Pont de Thouaré and other examples« lautete indessen der Titel eines Vortrags, der eine erst seit kurzem existierende Möglichkeit zur Ertüchtigung von Brückenkonstruktionen veranschaulichte: ein Aspekt, den Thomas Dupeyroux und Serge Jaffrelo selbstredend nicht zu erwähnen vergaßen. Eine als absolut ebenbürtig einzustufende Perspektive eröffneten jedoch Dipl.-Ing. Uwe Heiland und Dipl.-Ing. Thomas Stihl, da sie jetzt am Beispiel von Umbau und Verstärkung der »Pont Grande Duchesse Charlotte in Luxembourg«, einer inzwischen über 50 Jahre alten Stahlstruktur mit orthotroper Platte, die Beschaffenheit sowie die vielen Vorzüge des als Overlay aufzubringenden Sandwich-Plate-Systems gleichsam exemplarisch verdeutlichten. Einen zumindest geographisch motivierten Themenschwenk absolvierte dann Dipl.-Ing. Gregor Gebert, indem er die Aufmerksamkeit auf »Anstehende Großbrückenprojekte« in Deutschland, ergo auf die Rheinbrücke Duisburg-Neuenkamp, die Rader Hochbrücke, die Gottleubabrücke, die Süderelbequerung und die Peenestromquerung bei Wolgast lenkte, die, wie er im Übrigen avisierte, in Bälde zu konkretisieren seien. Welches Potential den »Verbunddübelleisten im Brückenbau« innewohnt und warum ihr Einsatz bis dato nicht normiert ist, enthüllte darüber hinaus Dr. Günter Seidl, dessen eher technisch orientierter Diskurs insofern auch einen instruktiven Eindruck von dem sehr breiten Spektrum an europäischen Forschungsvorhaben vermittelte. Der offizielle Teil des ersten Konferenztages war damit abgeschlossen, das Programm sah nun, wie stets beim Leipziger Symposium, eine vergnügliche Abendveranstaltung in einer exquisiten »Lokalität« für sämtliche Teilnehmer und Gäste vor.

Den ersten Vortrag am Dienstagmorgen zu bestreiten ist mitunter nicht gerade einfach, gelang Dipl-Ing. Reiner Selig aber ganz hervorragend, zumal er mit »Großprojekt VDE 8« über die Itztalquerung mit Fester Fahrbahn berichtete, bei der die Interaktion zwischen Gleis und Brücke gravierende Probleme erzeugte und die Einhaltung der Schienenspannung deshalb erst nach diversen Laborversuchen und einer zweiten Nachrechnung gewährleistet werden konnte. Genau wie sein Vorredner lieferte der zweite Referent eine Bilanz aus Auftraggeberwarte – allerdings mit dem kleinen Unterschied, dass sich Dipl.-Ing. Martin Steinkühler mit dem »Ersatzneubau der Langenfelder Brücke«, ergo einem Projekt unter laufendem Verkehr, befasste, das sich zudem in den Abbruch des alten und den Einschub des neuen Überbaus auffächert. Was bei nur flüchtiger Betrachtung ein klein bisschen flapsig klang, bescherte den Anwesenden nichtsdestoweniger einen erheblichen Erkenntnisgewinn, denn Dr.-Ing. Hans Grassl und Nazereh Nejat

M. Sc. entführten mit »Alles BIM – beim Werksneubau in Graben-Neudorf« sozusagen in die Praxis der Brückenplanung mit Building Information Modeling: ein für die meisten Zuhörer noch fremdes Terrain, das sich laut Bundesverkehrsministerium in drei, vier Jahren freilich als Standard etabliert haben sollte. Die Aufgabe, einen Strombrückenzug aus zwei Flussquerungen und sechs Knotenpunkten im Zentrum von Magdeburg zu konzipieren und zu verwirklichen, bedingt fast zwangsläufig die vorherige Anfertigung etlicher Variantenstudien, wie Dipl.-Ing. Stefan Burgard, Leonhardt danach plausibel argumentierte, dessen Visualisierungen notabene die enorme Komplexität von innerstädtischen Bauvorhaben in Erinnerung riefen. Dr.-Ing. Stefan Franz komplettierte zu guter Letzt diesen Vortragsblock mit »Entwurf und Bau der Wehretalbrücke«, einer, wie er vorab typisierend und später resümierend attestierte, zweistegigen Spannbetonplattenbalkenstruktur von ca. 700 m Länge an der A 44 in Nordhessen, die bis 2020 fertiggestellt sein wird.

Neuer Strombrückenzug in Magdeburg © Leonhardt, Andrä und Partner AG/Visualexpression

BIM-Planungsmodell der Gesamtmaßnahme »Werksneubau« © Ingenieurbüro Grassl GmbH

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[Umrisse]


Internationale Perspektiven

[Aktuell

»Internationale Perspektiven« haben in Leipzig eine langjährige Tradition, dienen sie doch stets der Würdigung von Projekten in und aus fernen Ländern, die aus der Feder deutscher Ingenieure oder eben aus jener von Büros und Baufirmen stammen, die ohnehin anderenorts ansässig sind. Die »Chenab-Brücke in Indien«, immerhin eine der höchsten Eisenbahn-Stahlbogenkonstruktionen der Welt, markierte demnach einen als buchstäblich ideal zu klassifizierenden Auftakt, den Dipl.-Ing. Kilian Karius P. Eng. CPEng dank seiner stringenten Charakterisierung der das Tragwerk und dessen Montage bestimmenden Parameter vortrefflich meisterte. Laurent Ney, der als Nächster referierte, gehört sicherlich zu den renommiertesten Brückenplanern in ganz Europa – ein Faktum, das »Shaping forces« demonstrativ untermauerte. Die entwurfsrelevanten Kriterien zweier Bauwerke analysierend, die sich in Form und Funktion voneinander abgrenzen, skizzierte er anhand der Parkbrug in Antwerpen und der De Lentloper in Nijmegen geradezu vorbildlich, wie sich Kraftfluss und Querschnittsmodellierung paaren müssen, um elegante Resultate kreieren zu können, die außerdem den Maximen der Dauerhaftigkeit und Wirtschaftlichkeit in Herstellung und Betrieb gerecht werden. Mit einer rekordverdächtigen Maßnahme, dem »1915 Çanakkale Bridge and MalkaraÇanakkale Motorway Project«, wusste wiederum Serdar Dayan aufzuwarten, wobei er sich auf die Beschreibung der, wie er nicht ohne Stolz anfügte, »longest suspension bridge in the world by its length of main span« konzentrierte. Dass die Errichtung dieser Großstruktur von 4.608 m Länge, einer Hauptspannweite von 2.023 m und Pylonhöhen von 318 m als eine Alternative zur Bosporuspassage in erdbebengefährdetem Gebiet erfolgt, weckte einige Begeisterung, vor allem weil mit den hier erarbeiteten Lösungen durchaus Neuland betreten wird.

Parkbrug in Antwerpen © Stijn Bollaert

18. Symposium Brückenbau in Leipzig mit Fachausstellung im Foyer © Verlagsgruppe Wiederspahn

Ausklang mit Tradition Mit einem gemeinsamen Nachmittagsbuffet endete anschließend dieses überaus interessante und gelungene 18. Symposium, das den Anwesenden mit Nachdruck vergegenwärtigte: Der Neubau und die Ertüchtigung von Brücken erfolgen bis heute (gleichrangig) unter ästhetischen, funktionalen, konstruktiven und ökonomischen Aspekten. Und wie in jedem Jahr liegen ausnahmslos alle Vorträge zusätzlich in gedruckter Form vor – als Ausgabe 1/2∙2018 der Zeitschrift »Brückenbau«, das heißt als Tagungsband, der 40 € kostet und in jeder gutsortierten Fachbuchhandlung oder eben direkt über die Verlagsgruppe Wiederspahn zu erwerben ist.

www.maurer.eu

Ausgabe 1/2 . 2018

18. Symposium Brückenbau in Leipzig Aktuell ÖPP-Projekt »Ausbau der Isentalautobahn« Special Schalung und Rüstung

www.verlagsgruppewiederspahn.de

ISSN 1867-643X

Tagungsband: alle Vorträge zum Nachlesen © Verlagsgruppe Wiederspahn

Siegfried Löffler Fachjournalist, München

[Umrisse]

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Anstieg der Wohnungsmieten

Immobilienmarkt

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Analyse des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung

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Keine Entlastung auf den Mietwohnungsmärkten: Die Neuvertragsmieten sind deutschlandweit im Jahr 2017, gemessen am Vorjahreszeitraum, um 4,50 % auf durchschnittlich 7,99 €/m² gestiegen. 2016 betrug das Plus noch 4,90 % gegenüber dem Vorjahr, die Preisdynamik hat sich also kaum abgeschwächt, wie aus einer Auswertung des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) hervorgeht. In mehr als 50 kreisfreien Städten und Landkreisen zogen die Mieten inserierter Wohnungen um ≥ 6 % an, während lediglich ein Drittel aller kreisfreien Städte und Landkreise 2017 eine geringere Steigerung verzeichnete. München bleibt für Wohnungssuchende mit Angebotsmieten von durchschnittlich 16,65 €/m² im Übrigen die mit Abstand teuerste Großstadt Deutschlands, gefolgt von Frankfurt am Main (13,09 €), Stuttgart (12,62 €), Freiburg im Breisgau (11,74 €), Ingolstadt (11,28 €) und Hamburg (11,14 €). In München, Frankfurt am Main und Stuttgart strahlen hohe Mieten zudem besonders weit in den Pendelbereich aus, in anderen Metropolen wie Düsseldorf, Köln und Berlin reichen sie hingegen nur ins engere Umland. Neubauwohnungen gehören in den Großstädten in der Regel zum hochpreisigen Angebotssegment: 70 % der erfassten Wohnungsinserate für Neubauwohnungen lagen im Jahr 2017 in den kreisfreien Städten bei ≥ 10 €/m² (Erstvermietung), wobei in den sieben größten Städten (Berlin, Hamburg, München, Köln, Frankfurt am Main, Stuttgart, Düsseldorf) ≥ 90 % der Neubauwohnungen für ≥ 10 €/m² inserierten. Dort liegen auch die durchschnittlichen Angebotsmieten für Bestandsgebäude und Neubauten mittlerweile bei ≥ 10 €/m². In ländlichen Gegenden abseits der Ballungsräume müssen Neumieter weitaus weniger tief in die Tasche greifen. In den Landkreisen Wunsiedel (Bayern), Vogtlandkreis (Sachsen), Holzminden und LüchowDannenberg (Niedersachsen) zum Beispiel waren inserierte Wohnungen für ≤ 4,50 €/m² zu haben.

Angebote in puncto Preise und »Geographie« © Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung

Zur Methode: Die vom BBSR ausgewerteten Angebotsmieten basieren auf Inseraten aus Immobilienplattformen und Internetangeboten von Tageszeitungen für Erstund Wiedervermietungen von Wohnungen. Bei den berechneten Mietwerten handelt

es sich um Nettokaltmieten ohne Nebenkosten für nichtmöblierte Wohnungen zwischen 40 m² und 130 m². Mieten aus bestehenden Mietverträgen werden mit dieser Quelle nicht dargestellt. www.bbsr.bund.de

[Umrisse]


Neuer Kanzlerplatz in Bonn Entwicklungsprojekt von Art-Invest

[Immobilienmarkt

Die Postbank wird ihre bis dato neun über das Stadtgebiet von Bonn verteilten Dependancen ab dem Jahr 2021 am »Neuen Kanzlerplatz« bündeln und somit ihrem bisherigen Unternehmensstandort treu bleiben – basierend auf einem langfristigen Mietvertrag mit dem Projektentwickler Art-Invest: Es handelt sich um ein flexibles Mietkonzept mit Optionsflächen. Das heißt, die Postbank wird zunächst die Sockelgebäude beziehen, während der Großteil der Hochhausflächen noch zur Vermietung angeboten wird. Der Neue Kanzlerplatz vereint modernste und kommunikative Bürolösungen, indem hier drei Baukörper samt markantem Hochpunkt rund um einen zentralen öffentlichen Platz errichtet werden. Die Gestalt des Neuen Kanzlerplatzes wurde zuvor von Art-Invest und der Stadt Bonn in einem städtebaulichen Qualifizierungsverfahren bestimmt, wobei der Entwurf der Kölner Architekten JSWD als Sieger hervorging.

Künftiges Stadtquartier in der Bundesstadt © Art-Invest Real Estate Management GmbH & Co. KG

Das neue Stadtquartier ersetzt das 18-stöckige Bonn Center am Bundeskanzlerplatz, das am 19. März 2017 in einer kontrollierten Sprengung nach 48 Jahren aus dem Stadtbild verschwand.

Wo werben?

Start der Neubaumaßnahme soll Anfang 2019 sein, die Fertigstellung des Stadtquartiers ist für Ende 2021 geplant. www.neuer-kanzlerplatz.de www.art-invest.de

[Umrisse] Zeitschrift für Baukultur

Ganz einfach! Unsere Mediadaten können Sie als PDF unter www.umrisse.de downloaden.

[Umrisse]

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Europas modernste Testanlage in Freiberg

Produkte und Projekte

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Neuer Brandschutz-Fassadenprüfstand der MPA Dresden

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Flammen züngeln entlang der Fassade, die entstehende Hitze ist deutlich zu spüren. Bevor sich das Feuer ausgebreitet hat, wird es freilich schnell und effektiv gelöscht, und zwar von einem Mitarbeiter der MPA Dresden. Denn das Feuer ist an keinem echten Haus ausgebrochen, es wurde absichtlich gelegt – in Europas modernsten Fassadenprüfstand, der kürzlich im sächsischen Freiberg eingeweiht worden ist. Der weithin sichtbare Turm verfügt über beeindruckende Maße, ist er doch 22 m hoch, 15 m lang sowie 12 m breit und damit in dieser Größe in Europa wohl einzigartig. Die Spezialisten der MPA Dresden führen hier Brandtests zur Prüfung und Zertifizierung von Fassaden, Glasfassaden und Komponenten- oder Integralfassaden durch. Herausragend ist dabei vor allem die nutzbare Höhe des Prüfstandes, da er die Untersuchung von bis zu 15 m hohen »Gebäudehüllen« erlaubt. Das heißt, in Freiberg lassen sich auch Wärmedämmverbundsysteme (WDVS), wie sie an Hochhäusern eingesetzt werden, besonders realistischen und genauen Tests unterziehen. Die Halle weist feuerfeste Wände und zwei große Tore auf, das Dach kann zudem geöffnet werden, so dass sämtliche Tests bei jeder Witterung durchführbar sind. Der Innenraum wartet gleichfalls mit Hightech auf: Über 200 Temperaturmessstellen ermöglichen eine genaue Analyse der Brandentwicklung, dazu zeichnen Kameras das Geschehen von jeder Seite auf. Die horizontale und vertikale Ausbreitung des Feuers wird also lückenlos erfasst, was eine sehr präzise Einschätzung des untersuchten Materials gewährleistet. Bei der Planung des ca. 1 Mio. € teuren Prüfstandes wurde von Anfang an viel Wert auf seine vielfältige Nutzbarkeit gelegt. Die Experten der MPA Dresden können hier infolgedessen nicht nur die Auswirkungen von Sockelbränden testen, sondern auch Brände mit Brennkammer sowie Brände an Fassaden mit An- und Einbauten, wie zum Beispiel Photovoltaik, berücksichtigen. Zum Einsatz kommen Prüfverfahren nach den Normen E DIN 4102-20, DIN EN 13501, DIN 18089-1, BS 8414-1, SP FIRE 10,5 und Önorm B 3800-5, komplettiert um die Option, Sonderprüfun-

Einrichtung zur Prüfung und Zertifizierung von Fassaden © MPA Dresden GmbH

gen durchzuführen, ergo Brände in Hochregallagern, an Windkraftanlagen oder an Schiffswänden zu simulieren. Die MPA Dresden prüft, klassifiziert und zertifiziert Bauprodukte nach nationalen und europäischen Normen und verfügt über ein akkreditiertes Prüflabor für Feuerlöschgeräte und Feuerlöschmittel. Weitere Schwerpunkte sind die Brandschutzbewertung und Brandschutzplanung von Bestands- und Neubauten sowie gutachterliche Stellungnahmen zum Brandschutz. www.mpa-dresden.de

Gebäude von beeindruckenden Abmessungen © MPA Dresden GmbH

Große Turmhöhe als Vorteil © MPA Dresden GmbH

Genaue Erfassung der Brandentwicklung © MPA Dresden GmbH Aufzeichnung mit Kameras © MPA Dresden GmbH

[Umrisse]


Brandschutzbeschichtung mit Nachhaltigkeit Höchste DGNB-Qualitätseinstufung für Rudolf Hensel

[Produkte und Projekte

Die Deutsche Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen (DGNB) hat vor kurzem die neue Version ihres Bewertungssystems veröffentlicht. Danach erreichen Brandschutzbeschichtungen der Green-ProductLinie der Rudolf Hensel GmbH die höchste Qualitätsstufe QS 4. Zu den Green Products zählen die dämmschichtbildenden Stahlbrandschutz-Systeme Hensotherm® 410 KS, 420 KS und 421 KS, die halogen- und VOC-frei sind: Nur mit diesen Eigenschaften erreichen Brandschutzbeschichtungen die höchste DGNB-Qualitätsstufe QS 4. Darüber hinaus gehören zur Green-Product- Linie von Hensel auch Beschichtungen für den Brandschutz von Holz, von Kabeln und Beton sowie für den Abschottungsbau und die Herstellung von Brandschutzfugen, wobei sämtliche Produkte AgBB-geprüft sind und die Anforderungen nach LEED v4 erfüllen. Ein weiteres Alleinstellungsmerkmal ist das Vorliegen von Umwelt-Produktdeklarationen (EPDs) für Green Products von Hensel. Bei jenen EPDs, verifiziert vom Institut Bauen und Umwelt (IBU), handelt es sich um Typ III Umweltzeichen, die nicht nur qualitative, sondern ebenso quantitative Aussagen auf Basis von Umweltdeklarationen nach ISO 14025 treffen. Eine EPD beruht auf unabhängig überprüften Daten aus Ökobilanzen, aus Sachbilanzen oder Informationsmodulen, die mit der Normenreihe ISO 14040 konform sind. Und: Das IBU hat mit dem Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) eine Schnittstelle geschaffen, so dass alle EPDs für Bauprodukte auch in der öffentlichen Baustoffdatenbank »Ökobaudat« zu finden sind. www.rudolf-hensel.de

»Kare« im ehemaligen Heizkraftwerk in München: Green Product als Brandschutzbeschichtung © Rudolf Hensel GmbH

MPA Dresden

Akkreditiertes Brandschutzkompetenzzentrum

Brandschutztechnische Sonderfälle Unser Ingenieurbüro ist darauf spezialisiert! Wir haben als Ansprechpartner für Planer, Gutachter, Sachverständige, Bauherren, Behörden usw. die Antworten.

International für aktiven und passiven Brandschutz Prüfen Gutachten Baubegleitender Brandschutz

MPA Dresden GmbH Fuchsmühlenweg 6F 09599 Freiberg

[Umrisse]

Überwachen Brandschutznachweise Zertifizierung Schulungen

Tel. +49(0)3 731.20 393-0 info@mpa-dresden.de www.mpa-dresden.de

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Zeitgenössische Architektur in Massivbauweise

Produkte und Projekte

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Neue Informations- und Inspirationsplattform von KS-Original

Präsentation von Gebäuden und deren Urhebern © KS-Original GmbH

projekt-weiss.blog versteht sich als solide Informations- und Inspirationsplattform für alle Arten von Kalksandsteingebäuden – und soll zugleich zur Beteiligung einladen. Das heißt, der Blog lebt von der Kreativität und Mitarbeit der Architekten, Planer, Bauunternehmer und Bauherren: Sie sind aufgerufen, mit KS* Kalksandstein realisierte oder im Werden befindliche Projekte in Form von Texten und Bildern auf der Seite einzureichen. Dafür steht ein detailliertes Online-Formular zur Verfügung, das sich ausfüllen und versenden, aber auch ausdrucken lässt. Es handelt sich somit um eine anspruchsvolle Plattform, um Bauvorhaben ausführlich und zudem öffentlichkeitswirksam zu präsentieren. Herausragende Ideen, meisterhafte Realisierungsleistungen oder durchdachte Lösungen verdienen es, zusammen mit ihren Schöpfern gewürdigt zu werden. Genau deshalb geht es auf projekt-weiss.blog nicht nur um spannende Bauwerke, sondern ebenso um die Köpfe dahinter. Architekten, Planer, Bauunternehmer und Bauherren kommen hier infolgedessen zu Wort und erklären den Gedankenprozess hinter ihrer Bauaufgabe.

Auf diese Weise beteiligt sich projektweiss.blog aktiv an aktuellen Diskussionen zu den Herausforderungen bei der Planung und Entwicklung von Ein- und Mehrfamilienhäusern, ja bis hin zur Errichtung ganzer Quartiere und gewerblicher Bauten, wobei Fragen des Schall-, Brand- und Wärmeschutzes sowie Kriterien des energieeffizienten und wirtschaftlichen Bauens genauso diskutiert werden wie die Variabilität von Nutzungskonzepten, sämtliche Aspekte des nachhaltigen Bauens oder die Möglichkeiten zur Nachverdichtung in Städten. Ins Leben gerufen wurde der Blog von KS*, dem Markenverbund mittelständischer Kalksandsteinhersteller. www.projekt-weiss.blog www.ks-original.de

Fassaden für Wohngebäude Kostengünstige Keramikplatten von NBK Architekten verleihen bereits seit Jahrzehnten Gebäuden weltweit eine individuelle, unverwechselbare Fassade – dank Keramikplatten. Mit einer Breite von 1.400 mm, einer Höhe von 250–300 mm und einer Gesamtdicke von 18 mm, zum Beispiel bei »Terrart®-Clad«, ergibt sich eine relativ dünne Platte: Die neuartigen Fassadenelemente aus qualitätsvoller Keramik eröffnen eine Fülle an Gestaltungsmöglichkeiten – als kostengünstige Alternative, die sich zudem in die NBKProduktfamilie eingliedert. Die Ausdrucksformen von Terrart®-Clad und Terrart®-Light sorgen dabei für eine beeindruckende Bandbreite. Zum einen steht in der Version »Keramik natur« die gesamte Palette natürlicher Farben von warmen, erdigen Tönen bis hin zu hellgelben, rötlichen, grauen und anthrazitfarbe-

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nen Nuancen zur Auswahl. Durch das Engobieren der Oberfläche lassen sich hier natürliche Farben genauso wie eine dekorative Farbpalette mit ganz eigenen Effekten erzielen. Der Variantenreichtum erstreckt sich ebenso auf die Glasuren. Das heißt, individuelle Anmischungen für vielfältige Ausdrucksformen von Farbe, Lichteffekten und Leuchtkraft ermöglichen Fassadengestaltungen mit Design, Qualität und Sicherheit bei Neubau oder Sanierung. Ihre Wabenkonstruktion weist die speziellen keramischen Qualitäten auf, wie der seit Jahrtausenden bewährte natürliche Baustoff, umweltgerecht und mit positivem Schutz- und Dämmverhalten. Und in allen Anwendungsfällen, ob komplett oder in Teilen, ist die konstruktiv leichte Anbringung die Basis für ein aus-

Breite Palette an Farben und Glasuren © NBK Keramik GmbH

gewogenes Preis-Leistungs-Verhältnis. Bei beiden Produkten der Terrart®-Serie finden sich infolgedessen sowohl der kostenbewusste Bauherr als auch der scharfkalkulierende Architekt wieder. www.nbk.de

[Umrisse]


ADVERTORIAL

Wohnanlage in Nürnberg-Röthenbach Kostengünstiger Warmwasserkomfort dank AEG Die Siedlungswerk Nürnberg GmbH hat eine neue Wohnanlage realisiert, die Urbanität mit einem Leben nahe der Natur verbindet. Im September 2017 fertiggestellt, bietet »Am Röthenbacher Landgraben« 130 zeitgemäß ausgestattete Mietwohnungen sowie vier Gewerbeeinheiten für Arztpraxen und Läden. Die hofartige Bebauung aus fünf- und sechsgeschossigen Gebäudekörpern ermöglicht ein Wohnen für alle Generationen. So sind alle Zweibis Fünfzimmerwohnungen barrierefrei zugänglich, sie verfügen über Flächen von 40–120 m² , haben durchdachte Grundrisse, sind energieeffizient und erfüllen auch die heutigen Sicherheitsstandards. Damit Betriebs- und Nebenkosten für die Mieter auf lange Sicht niedrig bleiben, wurden besondere Anforderungen an die Energetik gestellt, beginnend mit der Einhaltung des EnEV-Standards von 2014. Ein weiteres zentrales Element war dabei die effiziente Warmwasserbereitung unter Berücksichtigung der Schlüsselkriterien Trinkwasserhygiene, Warmwasserkomfort und Energieeinsparpotentiale: Aus dem Anlagenvergleich »zentral oder dezentral« mit Wirtschaftlichkeitsberechnungen ging die dezentrale Warmwasserversorgung als Sieger hervor – und bei der Gerätewahl fiel die Entscheidung auf moderne Durchlauferhitzer von AEG Haustechnik. Insgesamt wurden 138 elektronische Durchlauferhitzer DDLE Basis mit 27 kW Leistung und 86 elektronische Durchlauferhitzer DDLE Basis mit 18 kW Leistung zur Warmwasserversorgung an Badewannen oder Duschen, Waschtischen und Küchenspülen installiert. Wo in den größeren Wohnungen Küche und Bad weit auseinanderliegen, werden die beiden Bereiche getrennt über zwei Geräte mit Warmwasser versorgt. In kleineren Wohnungen übernimmt hingegen ein DDLE Basis die Warmwasserbereitung in Küche und Bad. Die AEG Durchlauferhitzer zeichnen sich durch eine besonders energiesparende Funktion aus und erhitzen die benötigte Wassermenge exakt auf die zuvor eingestellte Temperatur. Die schnelle Regelelektronik gewährleistet dabei eine äußerst hohe Temperaturkonstanz. Selbsterklärende Bedienbarkeit spielt beim DDLE Basis ebenfalls eine wichtige Rolle. Das heißt, mit dem Drehknopf wird die Warmwassertemperatur mit dem entsprechenden

[Umrisse]

Energieeffizienter Neubau des Siedlungswerks Nürnberg © AEG Haustechnik

Mietwohnungen unterschiedlicher Größe und vier Gewerbeeinheiten © AEG Haustechnik

Symbol für »Waschtisch«, »Dusche« oder »Badewanne« eingestellt und das Warmwasser in der hierfür angenehmen Wassertemperatur erzeugt, wobei sich auch jederzeit stufenlose Einstellungen zwischen den Symbolen wählen lassen. Ein weiterer Vorzug der dezentralen Wasserversorgung sind die kurzen Leitungswege: Durch den Einsatz von Durchlauferhitzern braucht das Wasser keine langen Strecken zurückzulegen, und die zugeführte Energie wird automatisch abgeschaltet, wenn ein Mieter den Wasserhahn zudreht. So entfallen Energieverluste, und der Wasserverbrauch reduziert sich enorm, weil das Wasser von der ersten Sekunde an in der gewünschten Temperatur fließt und nicht erst Kaltwasser ablaufen muss. Auf die Installation eines kostenintensiven kilometerlangen Warmwasserverteilsystems mit aufwendiger Zirkulationsanlage ließ sich derart ebenfalls verzichten, im Übrigen genauso wie auf die Anbringung teurer Thermostatarmaturen. In der Abwägung zwischen Investitionsbedarf auf der einen und einem betriebskostenreduzierten Ergebnis auf der ande-

ren Seite war die letztlich ausgeführte Kombination aus Fernwärme für die Raumwärmeerzeugung und Durchlauferhitzern zur dezentralen Warmwasserbereitung die effektivste und langfristig hier sicherlich sinnvollste Lösung. Wer sich intensiver mit Fragen der Warmwasserversorgung auseinandersetzen will, findet in der aktuellen, kostenfreien und per Mail an marketing@eht-haustechnik.de zu ordernden oder einfach von der Internetseite herunterladbaren Broschüre »Warmes Wasser von A–Z« mannigfaltige Hinweise. www.aeg-haustechnik.de

Waschtisch mit Durchlauferhitzer © AEG Haustechnik

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Frische Luft inklusive Schallschutz

Produkte und Projekte

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Neuentwickelte Fensterkonstruktion von Hueck

Da dauernder Lärm durch Verkehr, Gewerbe und Industrie die Gesundheit schädigt, schreibt die TA-Lärm für den Schalldruck im Innenraum tagsüber einen Richtwert von 35 dB und nachts von 25 dB vor. Hueck Lambda SA absorbiert den Schall selbst in der Lüftungsposition hingegen noch um nachweislich bis zu 31 dB, weshalb diese patentierte und geprüfte Alternative bereits offiziell für den Einbau in der Hamburger Hafencity zugelassen ist. Bisher werden in Bereichen mit hoher Lärmbelastung in der Regel herkömmliche Schallschutzfenster eingesetzt, wobei die Herausforderung, Schallschutz und Lüftung zu vereinbaren, stets ungelöst bleibt.

Lambda Silent Air (SA) sorgt hier für das gewünschte Resultat: Als modulare Konstruktion für die schallgedämmte Dauerlüftung entwickelt, basiert sie auf dem hochwärme- und schallgedämmten Fenstersystem Hueck Lambda WS 090 und lässt sich deshalb im Systembaukasten vielseitig kombinieren: als Einzellösung, mit Oberbzw. Unterlicht zur Stoßlüftung oder integriert in ein Fensterband. Bei einer Bautiefe von 90 mm erlaubt sie, dank den einheitlich 183 mm breiten oberen Blendrahmen, harmonische Außenansichten zu realisieren – und gewährleistet als Kippoder Drehfenster zudem eine Öffnungsweite von 50 mm.

Komfort dank patentierter Technik © Hueck System GmbH & Co. KG

Hueck Lambda Silent Air ist vom Prüfinstitut für Bauelemente (PiB) in Rosenheim geprüft und ab sofort als Standardsystem verfügbar. www.schallgrenze.com www.hueck.com

Dachfenster plus Notausstieg Flächenbündiges Fertigelement von Lacker Lacker topSwing ist ein flächenbündiges Dachfenster in filigraner Structural-Glazing-Optik, das sich bereits ab einer Dachneigung von 5° verwenden lässt – in Pfosten-Riegel-Konstruktionen, Ziegel- oder Sheddächern und in vielen anderen baulichen Situationen, wobei es sich insbesondere auch für den Einbau in denkmalgeschützten Gebäuden anbietet. Standardmäßig als Einzelelement bis zu einer Breite von 1.000 mm und einer Höhe von 2.000 mm sowie in Form von mehrteiligen Lichtbändern in Maßen bis zu 6.000 mm verfügbar, besteht zudem die Option der Anfertigung von Individualmaßen.

Doppelte Funktion als Vorzug © Lacker AG

Alle Dachfenster sind im Übrigen mit Zweioder Dreifachglas, Sonnenschutzverglasung oder Glas mit Siebdruck ausgestattet. Die neueste Weiterentwicklung ermöglicht nun ebenso den Einsatz als Notausstieg mit einem Öffnungswinkel bis zu 60°, denn ein mittig angebrachter Griff und zwei Gasfedern erleichtern das Öffnen des Fensters im Notfall und halten es zugleich sicher in seiner Position.

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Alle topSwing-Dachfenster von Lacker sind weltweit lieferbar und werden als montagefertiges, eingeglastes Element geliefert, so dass sie schnell und unkompliziert verbaut werden können. www.lacker.de

[Umrisse]


Sonnenschutz ohne Einschränkungen Modulares Führungsschienensystem von Flexalum

Kombination aus drei Elementen © Flexalum Sonnenschutzsysteme/Hunter Douglas GmbH

Dank dem ebenfalls modularen Führungskanal, der einfach aus der Führungsschiene herauszuklicken ist, bleibt zudem eine

bequeme Revision des Sonnenschutzbehangs jederzeit realisierbar, und zwar ohne Demontage der Führungsschiene. www.flexalum.de

[Produkte und Projekte

Mit seinem neuen modularen Führungsschienensystem bietet Flexalum eine Alternative für den Einbau von Sonnenschutzvorrichtungen an: Aus Führungsschiene, Führungskanal und Ergänzungsprofilen bestehend, ermöglicht es eine Installation von Sonnenschutzlösungen unabhängig von der Tiefe des Wärmeverbundsystems. Lässt sich also beispielsweise die Führungsschiene aufgrund einer zu hohen Tiefe der Wärmedämmung nicht am Gebäude befestigen, kann sie durch Ergänzungsprofile in ihrer Tiefe in 10-mm- bzw. 30-mm-Schritten beliebig erweitert werden.

Schalung und Dämmung in einem Einzigartige Stützenherstellung dank DiHa Bislang musste beim Mauern zunächst ein Schlitz für die spätere Stütze freigelassen werden, gefolgt von zeitraubenden Schalungsarbeiten sowie dem Zuschneiden und Einkleben des Dämmmaterials. »Säule« ist nun Schalung und Dämmung in einem. Das heißt, das 1 m hohe Element wird noch vor den Mauerarbeiten an der gewünschten Position eingesetzt, wobei über seitliche Aussparungen an dieser Dämmschalung der Betonkern mittels Verbindern zum angrenzenden Mauerwerk kraftschlüssig gekoppelt wird. Außerdem sind am Dämmkörper zusätzlich Mörteltaschen in Form von Schwalbenschwanznuten angebracht. Als Alternative zur »Säule« bietet DiHa die ebenfalls neue ESM-Stützen-Dämmschalung »Stein« an: einen Schalungsstein mit

derselben Höhe wie ein Mauerstein, der in den Mauerverband mit eingebaut wird. Das fertige Höhenmaß des Kniestockankers oder der Betonstütze lässt sich so beliebig anpassen. Die kraftschlüssige Verbindung zum Mauerwerk wird beim »Stein« im Übrigen über einen Halbversatz hergestellt. Beide ESM-Stützen-Dämmschalungen von DiHa erreichen dank druckstabilem Neopor die Wärmeleitgruppe 032, bieten damit hervorragende Dämmeigenschaften und minimieren effizient weitere Wärmebrücken an der Gebäudehülle. Sie sind in den Ausführungen Wand, Ecke und Laibung erhältlich, verfügen über eine Riffelung und sind mit einem mineralischen Putzhaftgrund beschichtet. www.diha.de

Ausführung als Mauereck © DiHa GmbH

Zwei Alternativen: »Säule« und »Stein« © DiHa GmbH

[Umrisse]

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Sicherheit am Frankfurter Flughafen

Produkte und Projekte

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Widerstandsfähiger Alarmzaun von Haverkamp

Dauerhafter Schutz für die Landebahn Nordwest © Haverkamp GmbH

Die Experten von Haverkamp aus Münster haben den Folgeauftrag zur Absicherung eines weiteren Teilabschnitts am Frankfurter Flughafen erhalten, und zwar für ca. 6 km Länge: Die Fraport AG, Betreiberin von Deutschlands größtem Flughafen, erneuert die Grundstücksgrenze der Startbahn 18 West, was bedeutet, dass der derzeit bestehende Betonzaun abgerissen und durch das von Haverkamp entwickelte Alarmzaunsystem AluGard® ersetzt wird. Vor gut sechs Jahren hat Haverkamp das erste Projekt am Frankfurter Flughafen re-

alisiert – und bekam damals den Zuschlag nach aufwendigen Ausschreibungen und Vergleichstests mit anderen Alarmzäunen. In Summe 11 km Aluminiumzaun sichern seitdem einen Teilbereich des Frankfurter Airports. AluGard® ist ein Alarmzaun in Modulbauweise, er besteht zu 100 % aus Aluminium und ist deshalb extrem robust. Er kann als Gesamtsystem mit verschiedensten Übersteigdetektions- und Untergrabschutztechnologien ergänzt werden, ist zudem nahezu frei von unerwünschten Alarmen und weist

eine höchst zuverlässige Alarmierung im Echtfall aus. Sein Grundgerüst umfasst Aluminiumpfosten in unterschiedlichen Größen und Durchmessern mit Aufsteckmodulen für eine ruhestromüberwachte Übersteigdetektion mit Y-Ausleger oder für eine sensorische Übersteigdetektion mit IR, ergänzbar um die Ausstattung mit Laser- und Videogeräten oder LED-Beleuchtungselementen. Und: Die modulare Bauweise ermöglicht eine flexible Ausrichtung des Zauns, der sich so optimal in jede Umgebung einfügt. www.haverkamp.de

Lösung für fünf Einsatzbereiche Optimierte Perimeter-Dämmplatte von IsoBouw Die neue Perimeter-Dämmplatte 5-in-1 von IsoBouw zeichnet sich durch eine feine Waffelstruktur auf der Rück- sowie durch die 5-in-1-Oberflächenstruktur auf der Vorderseite aus, wobei ihr umlaufender Stufenfalz zudem die Kombination mit den bisherigen IsoBouw-Dämmplatten erleichtert. Sie lässt sich universell für fünf Anwendungsbereiche als Wärmebrückendämmung durch Schalungseinlage und Putzträger sowie als Sockelplatte einsetzen. Als Wärmedämmung erdberührter Bauteile ist diese Perimeterdämmung generell geeignet, darüber hinaus kann sie im Grundmauerschutz und in Verbindung mit einem Vlies auch als Drainage verwendet werden. Und: Es besteht die Möglichkeit,

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Rückseitige Waffelsowie 5-in-1-Oberflächenstruktur © IsoBouw GmbH

sie anzubetonieren und zu verputzen, was einen weiteren Vorteil bedeutet, im Übrigen genauso wie der umlaufende Stufenfalz, der die Bildung von Wärmebrücken sicher verhindert. www.isobouw.de

[Umrisse]


Ausschreiben ohne Einschränkungen Essentielle Programmneuerungen bei Bechmann

[Umrisse]

[Software und IT

AVA-Programme gibt es zahlreiche am Markt, das Alleinstellungsmerkmal von Bechmann liegt vor allem in der intelligenten Verknüpfung mit der Bechmann-BIMLösung: Das Zusammenspiel beider eröffnet allen Nutzern die einzigartige Möglichkeit, in jeder Planungsphase Baukosten am BIM-Modell transparent nachzuvollziehen. Aber auch ohne BIM ist Bechmann AVA ein leicht verständliches Programm für die durchgängige Bearbeitung von Baukosten, die sich im Laufe des Projektprozesses stetig weiterentwickeln und nicht mehrfach neu erfasst werden müssen. Seit kurzem ist nun die aktuelle Version verfügbar, zahlreiche Updates beinhaltend, die den Arbeitsalltag weiter vereinfachen und in der zukunftsweisende Entwicklungen und neue gesetzliche Richtlinien berücksichtigt sind. So bietet zum Beispiel das GAEB-Format X 31 deutlich mehr Flexibilität bei der Übergabe von Dateien, und zwar inklusive der vorhabenspezifischen Anpassung von Mengenlisten sowie des Vorzugs, erläuternde Informationen, Skizzen und Bilder jetzt zusätzlich übermitteln und abspeichern zu können. Das neue Handbuch AKVS 2014 »Anweisung zur Kostenermittlung und zur Veranschlagung von Straßenbaumaßnahmen« wird vom Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) herausgegeben und reguliert Kostenmanagement wie -berechnung für Straßenbaumaßnahmen im Bundesfernstraßenbau – und ist seit Anfang des Jahres für alle neuen Infrastrukturprojekte verbindlich anzuwenden. Und das bedeutet im konkreten Fall: Bechmann AVA 2017 unterstützt eben jene Kostengliederung der AKVS 2014 und lässt sich deshalb als Alternative zur bisherigen Kostengruppenstruktur AKS 85 einsetzen. Aus der Einbindung von AKVS 2014 resultiert zudem der Mehrwert der flexiblen Zusammenstellbarkeit der freien Kostengruppen, was gerade bei gemischt finanzierten Bauvorhaben hilfreich ist.

Vorzüge: Skalierbares Startmenü und Einbindung der AKVS © Bechmann GmbH

Um Bieterangebote sogar außerhalb von Bechmann AVA miteinander zu vergleichen, gibt es die Alternative, den Preisspiegel nach Microsoft Excel zu exportieren. Darüber hinaus erlaubt das Programm, Leistungsverzeichnisse aus anderen Softwarelösungen einzulesen und dann weiterzubearbeiten. www.bechmann.de

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BIM-Plattform und TGA-Objektbibliothek

Software und IT

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Kostenfreie MagiCloud Add-in-Anwendung von Progman Progman hat soeben eine kostenfreie Add-in-Anwendung für Revit veröffentlicht: Mit MagiCloud Connect lassen sich BIM-Objekte für das Design der Technischen Gebäudeausrüstung (TGA) von der Online-BIM-Plattform MagiCloud herunterladen und direkt in native Revit-Projekte einpassen. Das heißt, Autodesk-Revit-Nutzer können das Add-in jetzt installieren und kostenfrei eine ausgewählte Palette an BIM-Objekten verwenden. MagiCloud Connect fügt diese Objekte dann mittels RFA-Format direkt in das jeweilige Projekt ein.

Onlineangebot mit Suchfunktion © Progman Oy

MagiCloud ist eine umfangreiche OnlineBIM-Plattform, die ein herstellerspezifisches Produktspektrum sowie Konfigurationstools bietet. Zusätzlich zur weltweit größten Anzahl an herstellergeprüften BIM-Objekten für das TGA-Design wartet MagiCloud auch mit erweiterten Produktsuchfunktionen auf. Jedes der 1.000.000 Objekte ist im Übrigen ohne separate

Downloads automatisch über die Benutzeroberfläche der MagiCAD-Designsoftware von Progman erhältlich. Mit Hilfe des neuen Add-in haben Revit-Anwender also die Möglichkeit, ca. 10 % der gesamten MagiCloud-Auswahl kostenfrei herunterladen. www.magicloud.com www.magicad.com

Großformatdrucker mit Präzision Datenschützendes Qualitätsgerät von HP Mit den HP DesignJet T 1700 Druckern steht nun die nächste Generation der 44-Zoll-Lösungen für CAD- und GIS-Arbeitsgruppen zur Verfügung, erlaubt sie doch den Druck hochpräziser Dokumente und Karten und bietet zudem wegweisende Standards in puncto Sicherheit. Das heißt, solche Geräte gestatten es, Pläne und Zeichnungen in exzellenter Qualität zu drucken, während gleichzeitig Drucker und Daten vor unbefugtem Zugriff geschützt sind. Zu den wichtigsten Sicherheitsmerkmalen gehört unter anderem eine neue selbstverschlüsselnde 500-GB-Festplatte, die gewährleistet, dass Daten nur vom Drucker selbst gelesen werden können, und zwar selbst dann, wenn die Festplatte aus dem

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Gerät entfernt wurde. Darüber hinaus garantiert HP Secure Boot den Schutz des BIOS, ergänzt um Whitelisting, das dafür sorgt, dass sich ausschließlich zugelassene Firmware installieren und ausführen lässt. Als erster Großformatdrucker für Arbeitsgruppen vermag der HP DesignJet T 1700 überdies sehr große Dateien effizient zu verarbeiten, wobei sechs neue HP Bright Office Tinten mit abgestimmten Farbprofilen und ein Druckkopf mit hoher Dichte der Druckdüsen der Garant für kräftige, präzise Farben, exzellente Grauschattierungen und Pastelltöne sowie höchste Detailtreue sind. Und: Die frei verfügbare HP Click Drucksoftware kann von allen Mitarbeitern im Team verwendet werden,

Sichere Lösung für Arbeitsgruppen © HP Inc.

um problemlos ganze Dokumenten- oder andere umfangreiche »Darstellungen« zu drucken. www.hp.com

[Umrisse]


Deutscher Ausschuss für Mauerwerk Kompetenzpool und Forschungsmotor als Gründungsziel

[Nachrichten

Die Baubranche hat eine neue Plattform, auf der das zusammenläuft, was für die Anwendung des modernen Mauerwerksbaus relevant ist: Der Deutsche Ausschuss für Mauerwerk (DAfM) wurde vor kurzem in Berlin gegründet, und zwar von mehr als 30 Mitgliedern, deren Spektrum von Wissenschaftlern und Baustoffherstellern über Bauingenieure, Händler und Verarbeiter bis hin zu Bauaufsicht und Bauherren reicht. Die Mitglieder der Gründungsversammlung wählten Dr. Ronald Rast von der Deutschen Gesellschaft für Mauerwerks- und Wohnungsbau (DGfM) zum Vorsitzenden des DAfM-Vorstands, seine Stellvertreter sind Michael Hölker vom Bundesverband Deutscher Baustoff-Fachhandel (BDB) und Prof. Dr.-Ing. Carl-Alexander Graubner von der Technischen Universität Darmstadt, Institut für Massivbau. Wichtiges Ziel ist es, so der DAfM-Vorstand, die Wissenschaft und Anwendungsforschung auf dem Gebiet des Mauerwerksbaus zu fördern, um daraus wiederum anwenderfreundliche Richtlinien und praxisnahe Ausführungsregelungen zu gewinnen. »Der Deutsche Ausschuss für Mauerwerk ist das Kompetenzgremium für den Mauerwerksbau. Es geht in erster Linie darum, das Bauen mit Ziegeln, Kalk-

Gründungsmitglieder und Vorstand der neuen Plattform © Deutscher Ausschuss für Mauerwerksbau

sandsteinen, Porenbeton- und Leichtbetonsteinen ständig weiter zu optimieren. (...) Das im DAfM formierte Know-how nutzen wir, um relevante Kriterien für den Mauerwerksbau von morgen zu definieren und so neue Qualitätsdimensionen für diese insbesondere für den Wohnungsbau so wichtige Bauart zu erreichen«, so Dr. Ronald Rast. Der DAfM, gegründet als gemeinnütziger Verein, will seine Arbeits- und Forschungsergebnisse mit anderen Verbänden, Organisationen und Institutionen austauschen – gerade auch, um die Optimierung von be-

stehenden Merkblättern und die Schaffung neuer Richtlinien und Schriftenreihen in interdisziplinärer Kooperation zu gewährleisten. www.dgfm.de/dafm

Korrosionsschutz aus Kartoffelstärke Forschungs- und Entwicklungsprojekt zweier Fraunhofer-Institute Allein in Deutschland werden jährlich 100.000 t an Beschichtungsstoffen für den Korrosionsschutz produziert, wobei der Anteil biobasierter, umweltfreundlicher Lösungen bisher gering ist, da sie meist zu teuer sind oder aber den Anforderungen nicht standhalten können. Forscher des Fraunhofer-Instituts für Angewandte Polymerforschung IAP haben sich nun in Kooperation mit dem Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik und Automatisierung IPA dieser Lücke angenommen und entwickeln eine kostengünstige Beschichtung auf Basis nachwachsender Rohstoffe. Das heißt, durch den Einsatz modifizierter Kartoffelstärke ließ sich ein Weg finden, um eine nachhaltige und vor allem preis-

[Umrisse]

werte Alternative zur Praxisreife führen zu können. »Im Bereich Farben und Lacke wurde Stärke bis jetzt meist nur als Additiv verwendet. Wir haben nun mit der Stärke als Hauptkomponente einer wasserbasierten Dispersion vielversprechende Haftungsergebnisse erzielt«, so Christina Gabriel, Fraunhofer IAP in Potsdam-Golm. Im Fokus der Forschung stehen Farben und Lacke für und damit die Beschichtung von Metallen im Innenraum, wie zum Beispiel Aluminium, das für Feuertüren, Computergehäuse oder Fensterrahmen genutzt wird. Am Fraunhofer IPA werden im Übrigen auch jene Tests vorgenommen, in denen die Langzeitstabilität überprüft wird. In einem nächsten Schritt sollen dann Kor-

rosionsbeständigkeit und Haftfestigkeit der modifizierten Stärke auf unterschiedlichen Metalluntergründen untersucht werden. Darüber hinaus werden neue »Rezepturen« erprobt, um die Eigenschaften der Beschichtungen noch weiter zu optimieren. »Neben dem bisher getesteten Aluminium sollen mit Stahl und verzinktem Stahl zwei weitere wichtige Gebrauchsmetalle getestet werden«, so Gabriel. »Unsere Untersuchungen zeigen, dass Stärkeester mit ihren guten Filmbildungs- und sehr guten Haftungseigenschaften auf verschiedenen Materialien das Potential besitzen, zukünftig eine hervorragende Alternative zu erdölbasierten Filmbildnern darzustellen.« www.fraunhofer.de

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Luftblasen als Dämmung

Nachrichten

]

Weitergehende Forschungsarbeiten der Empa Die Rechnung ist einfach: Je besser ein Gebäude gedämmt ist, desto weniger Heizwärme verpufft im Winter – und desto weniger Energie muss eingesetzt werden, um eine angenehme Raumtemperatur zu erreichen. Traditionell werden die dämmenden Schichten aber auf die fertig errichteten Mauern oder Wände aufgebracht, wobei vermehrt auch Ziegelsteine zur Anwendung kommen, die selbst über dämmende Funktionen verfügen: Dämmziegelsteine bieten einen gangbaren Kompromiss zwischen mechanischen und thermischen Eigenschaften, sind in der Regel jedoch deutlich dicker als gewöhnliche »Bausteine«. Forscher der Eidgenössischen Materialprüfungs- und Forschungsanstalt (Empa) haben nun in Dämmziegeln Perlit durch Aerogel ersetzt, einen extrem porösen Festkörper, der sehr hohe wärmedämmen-

de Eigenschaften aufweist und gleichzeitig Temperaturen bis zu 300 °C aushält. Es ist kein unbekannter Werkstoff für die Forscher: Sie haben damit bereits einen Hochleistungsdämmputz entwickelt, der es unter anderem erlaubt, historische Bauten energetisch zu sanieren, ohne sie in irgendeiner Form optisch zu beeinträchtigen. Das heißt, aus den Aerogel-Partikeln wurde eine pastenartige Mischung kreiert, die als Füllmaterial für den Ziegelstein dient – und so war der »Aerobrick« geboren. Ein Vergleich zeigte, dass eine Wand aus Perlit-Ziegelstein ca. 35% dicker sein muss als eine aus Aerobricks, um die gleichen Dämmwerte zu erzielen. Eine herkömmliche Mauer hätte also ca. 2 m dick zu sein, um genauso gut zu dämmen, wie die lediglich 20 cm dünne Aerobrick-Alternative. Summa summarum ist der Aerobrick mit

Dicken bei gleichen Dämmwerten: Aerobrick, Perlit- und konventioneller Ziegelstein © Eidgenössische Materialprüfungsund Forschungsanstalt

einer gemessenen Wärmeleitfähigkeit von gerade einmal 59 mW/m² K zurzeit der am besten dämmende Ziegelstein der Welt. www.empa.ch

Bauen für die Hygiene Broschüre des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung Jährlich erkranken in Deutschland bis zu 500.000 Patienten an Krankenhausinfektionen, ca. 10.000 Menschen sterben sogar daran. Der Schutz vor Krankenhauskeimen ist aber auch eine bauliche Frage: Was trägt zu hygienesicheren Untersuchungsund Behandlungsräumen bei? Wie müssen Betriebsabläufe räumlich organisiert sein? Welche Anforderung ist an das Material im Hygienebereich zu stellen? Diese Fragen beantwortet nun eine neue Broschüre der Forschungsinitiative Zukunft Bau, herausgegeben vom Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR).

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Sie vermittelt also praktisches Wissen zu Strategien und Planungsempfehlungen für die Bereiche der Operation, der Notfallund Intensivmedizin. Aufgezeigt wird, wie baulich-funktionelle Abläufe im Krankenhaus hygienesicher optimiert, sinnvolle Materialien eingesetzt und dadurch neue Gebäudestrukturen effizient und nachhaltig gestaltet werden können. Darüber hinaus sind hier Ergebnisse einer Umfrage zur baulichen Krankenhausstruktur in Deutschland graphisch prägnant dokumentiert. Resultierend aus einem interdisziplinären Forschungsprojekt unter der Leitung von Dr. Wolfgang Sunder, Institut für Industriebau und Konstruktives Entwerfen der Technischen Universität Braunschweig, sowie Professorin Petra Gastmeier, Charité Berlin, waren an ihrer Erarbeitung zahlreiche Klinikbetreiber, Planer, Materialhersteller und Ausstatter beteiligt. Und: Sie steht kostenfrei zur Verfügung, und zwar in gedruckter oder eben digitaler Form. www.forschungsinitiative.de www.bbsr.bund.de

Resultat eines Forschungsvorhabens © Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung

[Umrisse]


Grabkammerverschluss in Cheops-Pyramide Ingenieurwissenschaftliche Erkenntnisse aus Kassel

[Nachrichten

Nachbau der Fallsteinkammer © Andreas Fischer

Hightech vor 4.500 Jahren: Um die Grabkammer des Pharao Cheops mit tonnenschweren Granitblöcken zu verschließen, brauchte es dank eines geschickt designten Mechanismus nur zwei Personen – wie Prof. Dr.-Ing Uwe Dorka im Februar an der Universität Kassel anhand eines 1:1-Nachbaus zu demonstrieren vermochte. Mit dieser Vorführung lieferte Dorka wichtige Erkenntnisse zum Verschlussmechanismus in der sogenannten Fallsteinkammer im Herzen der Pyramide: dem einzigen Zugang zur Grabkammer des Cheops, der nach seiner Beisetzung durch das Herunterlassen dreier Granitblöcke versiegelt wurde. »Das Verschließen der Grabkammer war ein bedeutender ritueller Akt, der einen angemessenen Ablauf verlangte.

Herunterlassen der Steine © Andreas Fischer

Für den gottgleichen Cheops wurde dazu extra ein Mechanismus neu entwickelt, der zu jener Zeit einen magischen Eindruck gemacht haben muss«, so Dorka. Doch wie wurden die Steine nach der Beisetzung, auf engstem Raum und ohne Maschinen, herabgelassen? Nach Dorkas Untersuchungen liegt das Geheimnis in einer geschickten Führung der Hanfseile, die die Blöcke umschlingen und sie an der Aufhängung halten: Die Reibung zwischen Seil und Blöcken ist dadurch so hoch und die Quader werden so stark gebremst, dass zwei Personen ausreichen, um sie kontrolliert abzulassen. Walzen oder andere bewegliche Teile waren nicht nötig. Das heißt, die drei jeweils 2,50 t schweren Granitblöcke hingen an vier Seilen, die über Rundhölzer liefen. Derartige Rundhöl-

zer findet man in der älteren Pyramide von Meidum, wo sie unbeweglich gelagert sind und Kupferbleche das Holz vor Beschädigungen durch die Seile schützten. Anders als häufig angenommen, waren demnach keine großen Kräfte nötig, um die Steine herabzulassen. Die Messungen ergaben nur wenige 100 N an den Seilenden. »Wir haben gezeigt, dass man den Mechanismus praktisch nur auslösen muss. Den Rest besorgt das geniale Design der damaligen Schreiber. Die konnten mit ihren Schlüsseltechnologien offensichtlich exzellent umgehen«, so Dorka. www.uni-kassel.de

Zukunftsbeton vor Patentierung Fördermittel für Universität Duisburg-Essen Stabiler und zugleich wärmedämmender Beton: ein Traum für Ingenieure, Architekten und natürlich Hausbesitzer, der jetzt wahr geworden ist, denn das Institut für Massivbau der Universität Duisburg-Essen (UDE) hat einen solchen Beton erfunden und zum Patent angemeldet. Mit dem sogenannten Hochleistungsaerogelbeton ist es den UDE-Forschern gelungen, ein Baumaterial zu entwickeln, das

[Umrisse]

erstmals hohe Druckfestigkeit und eine geringe Wärmeleitfähigkeit vereint. »Damit können Außenwände anders geplant und gestaltet werden«, so Prof. Dr.-Ing. Martina Schnellenbach-Held, Lehrstuhl für Massivbau. »Außenwände werden in Zukunft einschalig aus einem Material ohne zusätzliche Wärmedämmung herstellbar sein.« Die Jury des Förderprogramms »NRW-Patent-Validierung« hat das überzeugt: Das

Land Nordrhein-Westfalen (NRW) und die Europäische Union unterstützen die Weiterentwicklung dieses Werkstoffs mit 200.000 €. Die Wissenschaftler setzen nun alles daran, ihren Beton so schnell wie möglich marktreif zu machen. »Dazu gehört auch eine größere Anwendungspalette, etwa biegebeanspruchte Bauteile wie Stürze, Unterzüge und Deckenplatten«, so Schnellenbach-Held. www.uni-due.de

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Auszeichnung für Mobilitätskonzept

Nachrichten

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Bundesweite Vorreiterrolle der Nassauischen Heimstätte »Nassauische Heimstätte? Kenne ich.« Mit diesen Worten begrüßte Bundesumweltministerin Dr. Barbara Hendricks den Vertreter der Unternehmensgruppe Nassauische Heimstätte/Wohnstadt auf der Bühne in Berlin: Im Rahmen der »mobil gewinnt. Fachtagung und Preisverleihung« nahm Nachhaltigkeitsbeauftragter Felix Lüter vor kurzem aus den Händen der Bundesumweltministerin sowie des Bundesverkehrsministers Christian Schmidt einen der drei Hauptpreise in der Kategorie »Großbetrieb« entgegen. Weitere Preisträger in ebenjener Kategorie sind die MV Werften Wismar GmbH und die Alnatura Produktions- und Handels GmbH. Die Sieger bekamen jeweils eine Urkunde, einen Pokal, 2.000 € und eine Skulptur sowie die Chance auf eine finanzielle Förderung durch das Bundesverkehrsministerium, mit deren Hilfe die geplanten Maßnahmenvorhaben realisiert werden sollen.

Preisträger mit Bundesumweltministerin und Bundesverkehrsminister © Walter Vorjohann/Nassauische Heimstätte Wohnungs- und Entwicklungsgesellschaft mbH

Die Jury lobte die Unternehmensgruppe Nassauische Heimstätte/Wohnstadt vor allem für den ganzheitlichen Ansatz, denn nicht nur einzelne Maßnahmen, sondern ein abgestimmtes Bündel verschiedener Angebote sind für die vielfältigen Mobilitätsbedarfe der Mitarbeiter vorgesehen. So sollen unter anderem induktiv aufladbare Pedelecs sowie E-Lastenräder an

den Hauptstandorten des Unternehmens bereitgestellt werden. Und: Sowohl die Räder als auch die elektrisch und gasbetriebenen Pool-Pkws stehen den Mitarbeitern dienstlich und zudem außerhalb der Kernarbeitszeiten ebenso privat als Mietoption zur Verfügung. www.mobil-gewinnt.de www.naheimst.de

Kompetenz im Gesundheitsbau Vierter Standort in Deutschland von ATP Nach einer dreijährigen Übergangsphase übernahm ATP architekten ingenieure, einer der führenden Integralen Planer in Europa, zu Jahresbeginn 100 % der Gesellschaftsanteile der vormaligen Haid + Partner GmbH in Nürnberg – und verstärkt damit seine Kompetenz in den Sparten Medizin, Pflege und Rehabilitation. Dieser Zusammenschluss hat, so die Initiatoren, Potential, denn beide Büros sind ISO-9001zertifiziert, wobei Haid + Partner vor allem im Bereich des Gesundheitsbaus unter Führung von Prof. Haid Qualitätsstandards gesetzt hat.

Urs Klipfel und Andreas Rieser © Gregor Rauschmeir/ATP architekten ingenieure

Geleitet wird der nunmehr vierte deutsche ATP-Standort unter dem Namen ATP Haid architekten ingenieure in typischer Doppelführung durch Architekt und Stadtplaner Urs Klipfel und Bauingenieur Dr. Andreas Rieser. Derzeit in Planung sind unter anderem der Neubau der Zentralen Medizini-

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schen Funktionen (ZMF) der Universitätsmedizin Rostock sowie der sechste Bauabschnitt des Klinikums Passau mit Einrichtungen für Diagnose, Therapie und Pflege sowie Reha und Tagesklinik. www.nuernberg.atp.ag www.atp.ag

[Umrisse]


Wechsel in Geschäftsführung Veränderungen bei Lahmeyer Deutschland

[Nachrichten

Zum 1. Januar 2018 hat German Halcour mit Erreichen seines 65. Lebensjahres sein Amt als Sprecher der Geschäftsführung der Lahmeyer Deutschland niedergelegt, bleibt dem Unternehmen aber vorerst als Berater erhalten. Seine Aufgaben übernehmen nun Michael Bergmann und Michael Lebsanft. Lahmeyer Deutschland, eine Tochtergesellschaft der Lahmeyer International, ging im April 2017 aus den beiden Gesellschaften Lahmeyer Berlin und Lahmeyer RheinMain hervor, basierend auf dem Ziel, die Lahmeyer-Kompetenzen im Bereich Infrastruktur zu bündeln. Nachdem German Halcour bereits 2001 die Funktion des Geschäftsführers der Gesellschaft in Bad Vilbel übernommen hatte, wurde er 2017 zum Sprecher der Geschäftsführung für das fusionierte Unternehmen berufen. Sein gemeinsamer Weg mit Lahmeyer geht jedoch noch weiter zurück. Bereits 1982 nach seinem Studium des Bauingenieurwesens an der Technischen Universität Darmstadt und seinem Debüt in kleineren Planungsbüros startete er bei Lahmeyer.

German Halcour © Lahmeyer Deutschland GmbH

Michael Lebsanft © Lahmeyer Deutschland GmbH

Bis 1992 begleitete er hier mehrere große nationale und internationale Industrie- und Infrastrukturprojekte als verantwortlicher Projektleiter. Bis auf eine Unterbrechung in den Jahren 1992–1999 war er in verschiedenen leitenden Funktionen bei Lahmeyer tätig. Michael Bergmann war 1997–2008 in der Berliner Niederlassung als Projekt- und Abteilungsleiter Infrastruktur tätig. Ende

Michael Bergmann © Lahmeyer Deutschland GmbH

2008 wechselte er zur Ingenieurgesellschaft Nordwest, wo er die Berliner Niederlassung leitete. 2014 kehrte er wieder zurück und wurde 2017 in die Geschäftsführung von Lahmeyer Deutschland berufen. Michael Lebsanft begann 2008 bei Lahmeyer Rhein-Main. 2013 übernahm er die Führung der Abteilung Flughäfen und wurde Mitglied der Geschäftsleitung. www.lahmeyer-deutschland.de

Vertiefung der Leistungsführerschaft Übernahme der roda-Gruppe durch Lamilux Lamilux hat zum 1. Januar 2018 die rodaGruppe übernommen, die aus den Firmen roda Licht- und Lufttechnik GmbH mit Sitz in Langenau und Isernhagen-Kirchhorst sowie der Emmericher E.M.B Products AG besteht. Damit wächst das Rehauer Familienunternehmen um ca. 120 Beschäftigte. Die drei roda-Niederlassungen sind jetzt zu 100 % Lamilux-Töchter, wobei die bisherigen Geschäftsführer unverändert im Amt bleiben: bei roda Nord Bernd Kaemmerer und Jens Hartung, bei roda Süd Alfred Bosch und Frank Eberhardt sowie Burkhard Weyers als E.M.B-Vorstand. Seit 1986 ist roda ein europaweit renommierter Hersteller und Monteur hochwertiger Rauchund Wärmeabzugsgeräte, industrieller Lüftungsanlagen, Tageslichtsysteme und lichtdurchlässiger Fassadentechnik. Der Zusammenschluss beider Unternehmen setzt die solide und substantielle Entwicklung der Lamilux-Gruppe fort und soll die Leistungsführerschaft als Premium-

[Umrisse]

Firmengelände in Rehau © Lamilux Heinrich Strunz Holding GmbH & Co. KG

anbieter im Bereich Tageslichtsysteme und Problemlöser für individuelle und maßgeschneiderte Konzepte von Rauch- und Wärmeabzugsanlagen weiter unterstreichen. »Mit roda haben wir einen starken Partner gewonnen«, so Lamilux-Geschäfts-

führer Dr. Heinrich Strunz sicher. Mit dem Portfolio des Herstellers könne man sich unter anderem im Bereich Lüftungstechnik maßgeblich verstärken. »Dadurch bauen wir unsere etablierte Stellung im Markt weiter aus.« www.lamilux.de

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Cupboard Love Ausstellung im Gewerbemuseum Winterthur bis 22. April; Di–So 10–17 Uhr, Do 10–20 Uhr.

Termine

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Gewerbemuseum Winterthur Kirchplatz 14, CH – 8400 Winterthur Tel.: 00 41/52/2 67 51 36

Ausstellungen Angelo Bucci. Architekt in Sao Paulo Ausstellung in der Galerie des Departments Architektur der Universität Siegen bis 28. März; Mo–Fr 7–20 Uhr, Sa 7.30–12 Uhr.

Universität Siegen Galerie Department Architektur Paul-Bonatz-Straße 9–11, 57068 Siegen Tel.: 02 71/7 40-29 59

Braun Design. Original und Abbild Ausstellung im Deutschen Design Museum in Kronberg im Taunus bis 31. März; Di–Sa 11–17 Uhr.

Deutsches Design Museum Förderkreis Braun Sammlung e.V. Westerbachstraße 23 c, 61476 Kronberg im Taunus Tel.: 0 61 73/30-22 44

SOS Brutalismus. Rettet die Betonmonster! Ausstellung im Deutschen Architekturmuseum (DAM) in Frankfurt am Main bis 2. April; Di–So 10–18 Uhr.

Deutsches Architekturmuseum Schaumainkai 43, 60596 Frankfurt am Main Tel.: 0 69/2 12-3 63 18

Form folgt Paragraph Ausstellung im Architekturzentrum Wien bis 4. April; täglich 10–19 Uhr.

Architekturzentrum Wien Museumsplatz 1, A – 1070 Wien Tel.: 00 43/1/5 22 31 15

Hoch hinaus! Wege und Hütten in den Alpen Ausstellung im Alpinen Museum in München bis 8. April; Di–So 10–18 Uhr.

Alpines Museum Praterinsel 5, 80538 München Tel.: 0 89/21-22 40

Ausstellung im Schweizerischen Architekturmuseum (SAM) in Basel bis 6. Mai; Di–So 10–17 Uhr.

Schweizerisches Architekturmuseum Steinenberg 7, CH – 4001 Basel Tel.: 00 41/61/2 61 14 13

Jasper Morrison. Thingness Ausstellung im Grassi Museum für Angewandte Kunst in Leipzig bis 6. Mai; Di–So 10–18 Uhr.

Grassi Museum für Angewandte Kunst Johannisplatz 5–11, 04103 Leipzig Tel.: 03 41/2 22 91 00

Baubionik. Biologie beflügelt Architektur Ausstellung im Staatlichen Museum für Naturkunde in Stuttgart bis 6. Mai; Di–Fr 9–17 Uhr, Sa–So 10–18 Uhr.

Staatliches Museum für Naturkunde Rosenstein 1, 70191 Stuttgart Tel.: 07 11/89 36-0

Cloud ‘68. Smiljan Radićs Sammlung Radikaler Architektur Ausstellung im Department Architektur der Eidgenössischen Technischen Hochschule (ETH) Zürich bis 18. Mai; Mo–Fr 8–20 Uhr.

ETH Zürich Stefano-Franscini-Platz 5, CH – 8093 Zürich Tel.: 00 41/44/6 33 29 36

Wohnungen, Wohnungen, Wohnungen! Ausstellung im Architekturmuseum der Technischen Universität München in der Pinakothek der Moderne in München bis 21. Mai; Di–So 10–18 Uhr, Do 10–20 Uhr.

Architekturmuseum der Technischen Universität München in der Pinakothek der Moderne Arcisstraße 21, 80333 München Tel.: 0 89/2 38 05-0

Georg Eisler. Welt-Anschauung

Universal. Reclams Jahrhundertidee

Ausstellung im Museum der Moderne in Salzburg bis 8. April; Di–So 10–18 Uhr, Mi 10–20 Uhr.

Ausstellung in der Deutschen Nationalbibliothek in Leipzig bis 3. Juni; Di–So 10–18 Uhr, Do 10–20 Uhr.

Museum der Moderne Salzburg Mönchsberg 32, A – 5020 Salzburg Tel.: 00 43/6 62/84 22 20

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Bengal Stream. Die vibrierende Architekturszene von Bangladesh

Futuro. A Flying Saucer in Town Ausstellung in der Neuen Sammlung in der Pinakothek der Moderne in München bis 3. Juni; Di–So 10–18 Uhr, Do 10–20 Uhr.

Die Neue Sammlung in der Pinakothek der Moderne Arcisstraße 21, 80333 München Tel.: 0 89/2 38 05-0

Budapest, Wien: Parallele Stadträume aus dem 20. Jahrhundert Ausstellung im sogenannten Ringturm in Wien bis 8. Juni; Mo–Fr 9–18 Uhr.

Wiener Städtischer Versicherungsverein Schottenring 30, A – 1011 Wien Tel.: 00 43/50/3 50-2 12 24

Klaus Kinold, Hans Döllgast, Rudolf Schwarz Ausstellung im Archiv für Baukunst in Innsbruck bis 9. Juni; Mo–Fr 10–13 Uhr.

Archiv für Baukunst Lois-Welzenbacher-Platz 1, A – 6020 Innsbruck Tel.: 00 43/5 12/57 15 67

Germaine Krull. Métal Ausstellung in der Sammlung Moderne Kunst der Pinakothek der Moderne in München bis 10. Juni; Di–So 10–18 Uhr, Do 10–20 Uhr.

Pinakothek der Moderne Sammlung Moderne Kunst, Arcisstraße 21 80333 München Tel.: 0 89/2 38 05-0

Alleskönner. Peter Behrens zum 150. Geburtstag Ausstellung im Museum für Angewandte Kunst (MAK) in Köln bis 1. Juli; Di–So 10–17 Uhr.

Museum für Angewandte Kunst An der Rechtschule, 50667 Köln Tel.: 02 21/2 21-0

Balanceakte. 200 Jahre Radfahren Ausstellung im Verkehrszentrum des Deutschen Museums in München bis 22. Juli; täglich 9–17 Uhr.

Deutsches Museum Verkehrszentrum Am Bavariaring 5, 80339 München Tel.: 0 89/21 79-3 33

Deutsche Nationalbibliothek Deutscher Platz 1, 04103 Leipzig Tel.: 03 41/22 71-3 24

[Umrisse]


wire 2018 Open Codes. Leben in digitalen Welten

ZKM Zentrum für Kunst und Medien Lorenzstraße 19, 76135 Karlsruhe Tel.: 07 21/81 00 12 00

Bas Princen. Image and Architecture

Messe Düsseldorf GmbH Messeplatz, 40474 Düsseldorf Tel.: 02 11/45 60-01

Stone+tec 2018 Internationale Fachmesse für Naturstein und Steintechnologie in Nürnberg vom 13. bis 16. Juni; Auskünfte und Anmeldung:

NürnbergMesse GmbH Messezentrum, 90471 Nürnberg Tel.: 09 11/86 06-0

Ausstellung im Vitra Design Museum in Weil am Rhein bis 5. August; täglich 10–18 Uhr.

Vitra Design Museum Charles Eames Straße 1, 79576 Weil am Rhein Tel.: 0 76 21/7 02 32 00

Gustav Peichl. 15 Bauten zum 90sten Ausstellung im Museum für angewandte Kunst (MAK) in Wien bis 19. August; Di 10–22 Uhr, Mi–So 10–18 Uhr.

MAK Wien Stubenring 5, A – 1010 Wien Tel.: 00 43/1/7 11 36-0

Stiftung Bauhaus Dessau Gropiusallee 38, 06846 Dessau-Roßlau Tel.: 03 40/65 08-2 50

Erster Fachkongress »Holz, Bau, Wirtschaft« (HBW) und damit zu Fragen von bauwirtschaftlichen Ansätzen und Prozessen in Planung, Produktion und Baubetrieb beim Holzbau in Salzburg vom 16. bis 17. Mai; Auskünfte und Anmeldung:

forum-holzbau Bahnhofplatz 1, CH – 2502 Biel Tel.: 00 41/32/3 27 20 00

FBC 2018 Achtes internationales Holzbau-Forum namens »Forum Bois Construction« (FBC) in Dijon, Frankreich, vom 11. bis 13. April; Auskünfte und Anmeldung:

Le Pont – Brücken 2018

Cutting World 2018 Fachmesse für professionelle Schneidtechnik in Essen vom 17. bis 19. April; Auskünfte und Anmeldung:

Messe Essen GmbH Norbertstraße, 45001 Essen Tel.: 02 01/72 44-0

Tube 2018 Internationale Rohr-Fachmesse in Düsseldorf vom 16. bis 20. April; Auskünfte und Anmeldung:

Veranstaltung mit Ausstellungen, Konferenzen, Vorträgen, Diskussionen, Besichtigungen etc. unter dem Titel »Sharing Heritage« in (ganz) Europa bis 31. Dezember; Auskünfte und Anmeldung:

HBW 2018

forum-holzbau Bahnhofplatz 1, CH – 2502 Biel Tel.: 00 41/32/3 27 20 00

Messen

Europäisches Kulturerbejahr 2018

Deutsches Nationalkomitee für Denkmalschutz bei der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien Spandauer Damm 22–24, 14059 Berlin Tel.: 0 30/3 20 91-7 72

Tagungen

Carl Fieger. Vom Bauhaus zur Bauakademie Ausstellung in der Stiftung Bauhaus in Dessau bis 31. Oktober; Di 10–22 Uhr, täglich 10–17 Uhr.

Veranstaltungen

[Termine

Ausstellung im ZKM Zentrum für Kunst und Medien in Karlsruhe bis 5. August; Mi–So 10–18 Uhr.

Internationale Fachmesse für Draht und Kabel in Düsseldorf vom 16. bis 20. April; Auskünfte und Anmeldung:

Erstes deutsch-französisches Brückenbau-Symposium (samt Exkursion) der Verlagsgruppe Wiederspahn in Luxembourg vom 5. bis 6. Juni; Auskünfte und Anmeldung:

Verlagsgruppe Wiederspahn mit MixedMedia Konzepts Biebricher Allee 11 b, 65187 Wiesbaden Tel.: 06 11/98 12 92-0

Wettbewerbe Deutscher Ingenieurbaupreis 2018 Würdigung für hervorragende Ingenieurleistungen und damit überzeugende Lösungen in puncto Baukultur, Energieeffizienz und Nachhaltigkeit, Einreichungstermin ist der 26. April; Auskünfte und Anmeldung:

Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung Referat A 2 Straße des 17. Juni 112, 10623 Berlin Tel.: 0 30/1 84 01-0

Bayerischer Denkmalpflegepreis 2018 Auszeichnung für Bauherren für die von ihnen erhaltenen und sanierten Gebäude und (baulichen) Strukturen, Einsendeschluss ist der 4. Mai 2018; Auskünfte und Anmeldung:

Bayerische Ingenieurekammer-Bau Schloßschmidstraße 3, 80639 München Tel.: 0 89/41 94 34-0

HolzbauPlus 2018 Bundeswettbewerb zur Würdigung von Bauwerken aus nachwachsenden Rohstoffen, (letzter) Bewerbungstermin ist der 31. August; Auskünfte und Anmeldung:

Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe e.V. Hofplatz 1, 18276 Gülzow-Prüzen Tel.: 0 38 43/69 30-0

Messe Düsseldorf GmbH Messeplatz, 40474 Düsseldorf Tel.: 02 11/45 60-01

[Umrisse]

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] Bücher

Architekt in München

Dramaturgie des Raums

All jene, die in München nach einer (bezahlbaren) Unterkunft suchen, haben es zweifelsohne sehr, sehr schwer, dürften aber wohl kaum vor größeren Herausforderungen stehen als frühere Generationen, zeichnet(e) sich die bayerische Landeshauptstadt doch schon immer durch einen Mangel an Wohnraum zu erschwinglichen Preisen aus – und zwar trotz mancher Eingemeindungen und einiger weitflächigerer Siedlungen jüngeren und älteren Datums, da sich mit deren Realisierung letztlich nur eine Aus- oder Verlagerung von Problemen an die Peripherie erzielen ließ. Wer freilich durch das mehr oder minder enggefasste Zentrum der Isarmetropole streift, weil er künftig dennoch in einer Altbauwohnung zu leben hofft oder sich einfach für Gebäude aus den 1910er bis 1930er Jahren zu begeistern vermag, wird nun beinahe unweigerlich auf Häuser und Ensembles stoßen, die von überzeugender Qualität sind und zudem von einem einzigen Architekten stammen – nämlich von Otho Orlando Kurz. In Anbetracht seiner Bedeutung und der Bandbreite seines Œuvres – neben Kirchen, Industrieanlagen, Kraftwerken und Hotels hat er ca. 50 Wohnbauten in und um München verwirklicht, die sich bisher (überwiegend) erhalten haben, wie zum Beispiel der sogenannte Amerikanerblock in Neuhausen oder der Moll-Block im Westend – bleibt es im Grunde erstaunlich, dass erst jetzt eine angemessene Würdigung von Person und Werk erschienen ist, die Veröffentlichung in der Reihe »… fast vergessene Baumeister« in Ausgabe 1∙1997 dieser bzw. ihrer Vorgängerzeitschrift (einmal) unterschlagend. Und es handelt sich um ein Buch, das hohe bis höchste Ansprüche erfüllt, indem es mit sach- und fachkundigen Texten, historischen und aktuellen Fotos sowie mit extra angefertigten Grundrissen und Fassadenansichten aufwartet, die verdeutlichen, wie und warum Kurz »die Architektur der Stadt in neue Ausdrucksformen zu überführen« wusste – und weshalb die von ihm erarbeiteten Lösungen gerade heute Beachtung verdienen (sollten). Michael Wiederspahn

»Raumdramaturgie« ist der schlichte, anspruchsvolle Titel eines wahrlich opulenten Buchs des Architekten Holger Kleine, der an der Hochschule RheinMain in Wiesbaden als Professor für künstlerisch-konzeptionelles Entwerfen lehrt. Die Dramaturgie des Raums ist ein Thema, das ihn schon lange beschäftigt: in der eigenen Arbeit als Architekt und als Lehrender. Es ist interessant zu wissen, dass Kleine nicht nur Architektur, sondern auch Musikwissenschaften an der Technischen Universität Berlin und der Cooper Union in New York studiert hat. Später arbeitete er in den Büros von Eisenman Architects und Sauerbruch Hutton Architekten. 1999 gründete er das Büro Holger Kleine Architekten in Berlin, das er seit 2010 gemeinsam mit Jens Metz als Kleine Metz Architekten führt. Es geht um die Inszenierung von Architektur in diesem Buch, das sich in vier Kapitel gliedert. Im ersten wird historische Architektur vorgestellt, nämlich drei »Scuole Grande« in Venedig, die Kleine als archetypisch für die Inszenierung von Räumen beschreibt. Die venezianischen Versammlungshäuser hatten ihre Hochzeit im 16. Jahrhundert und umfassten Gebäude von geistlichen und karitativen Korporationen, Zünften, Gilden und Landsmannschaften. »Leidenschaft baut mit trägen Steinen ein Drama auf.« Ein Satz Le Corbusiers, der dem Buch vorangestellt ist. Von der Leidenschaft venezianischer Architekten erzählt der Autor, Kleine beschreibt die Bauten sehr detailliert und illustriert sie mit sehr guten Architekturfotografien und vielen Architekturzeichnungen – und richtet sich damit ausdrücklich an jene Leser, die selbst »schon einmal von Leidenschaften gepackt wurden«. Das müssen nicht zwingend Architekten oder Innenarchitekten, sondern können auch, wie er formuliert, »Liebhaber von Räumen« sein. Die Wirkung von Räumen auf den Menschen ist Kleines Thema, und er zieht seine Beispiele nicht nur aus der Architektur, sondern auch aus der Musik und dem Theater, dem Kino und der Performance. Das zweite Kapitel ist »Dramaturgische Modelle« überschrieben. Hier beschäftigt er sich mit Fragen der Dramaturgie in den verschiedenen Künsten und vermittelt Grundlagenwissen. Wenn Kleine sich hier etwa mit dem Begriff der »Montage« auseinandersetzt, dann hat man Ähnliches

Sebastian Multerer, Julian Wagner: Otho Orlando Kurz. Park Books, Zürich 2017. 160 S., 182 Abb., geb., 38 €.

70]

schon gelesen – aber selten im Zusammenhang mit Architektur. Alle Künste, inklusive der Architektur, so Kleine, wollen »Aufmerksamkeit«. Die Möglichkeiten, Aufmerksamkeit zu schaffen, sind vielfältig: Punkte, Kreise, Spiralen, Schächte, Umkreisungen, Pyramiden und Bögen. Man findet sie ebenso in der venezianischen Architektur wie in Filmen von Robert Altman oder in der Literatur von Tschechow und Beckett. In jenem Kapitel gelingt Kleine nicht weniger als eine anschauliche Geschichte der Dramaturgie in Kunst und Kultur – mit besonderen Sternfahrten in den historischen Architekturdiskurs von Vitruv, Leon Battista Alberti, Andrea Palladio über Le Corbusier bis in die Gegenwart. Der dritte Teil des Bandes widmet sich »Raumdramaturgien der Gegenwartsarchitektur«. 18 zeitgenössische Bauten seit den 1960er Jahren hat Kleine ausgewählt, die er analytisch dokumentiert und anhand von Fotografien und Zeichnungen darstellt. Seine Auswahl sei subjektiv, meint der Autor – und dennoch sind einige echte Klassiker darunter, wie unter anderem die Berliner Philharmonie von Hans Scharoun, das IIT-Studentencenter in Chicago von Rem Koolhaas oder die Therme in Vals von Peter Zumthor. Das vierte Kapitel ist schließlich von eher praxisorientiertem Charakter: eine Darstellung der Parameter und Dimensionen von Raumdramaturgie als Werkzeug des Architekten. Es sind 20 solcher Parameter, die Kleine hier in Begriffen wie »Gefüge«, »Proportionen« oder »Rhythmen« klassifiziert und erläutert. Alles in allem ist dem Autor mit »Raumdramaturgie« ein Grundlagenwerk gelungen: ein Buch, das es so, zumindest im deutschen Sprachraum, noch nicht gegeben hat. Es könnte sehr verschiedene Leser finden – und genau das zeichnet seine Überlegungen aus. »Es geht überall um Komposition, Proportion, um Folgerichtigkeit und deren Gegenteil, also die Schönheit der Überraschung; es geht um Kontrast und Einheit«, zitiert Kleine den Pianisten Alfred Brendel – wissend, dass Architektur sich kaum losgelöst von ihren benachbarten Disziplinen betrachten lässt. Marc Peschke Holger Kleine: Raumdramaturgie. Typologie und Inszenierung von Innenräumen. Birkhäuser Verlag, Basel 2017. 296 S., zahlr. Abb., geb., 69,95 €.

[Umrisse]


Herausgeber

Dipl.-Ing. Michael Wiederspahn Vorstandsmitglied AIV Wiesbaden

Chefredaktion Dipl.-Ing. Michael Wiederspahn mwiederspahn@verlagsgruppewiederspahn.de

Verlag

VERLAGSGRUPPE W I E D E R Smit MixedMedia P A Konzepts HN

Biebricher Allee 11 b 65187 Wiesbaden Tel.: 06 11/84 65 15 Fax: 06 11/80 12 52 www.verlagsgruppewiederspahn.de Anzeigen

Monika Kriester Zur Zeit gilt die Anzeigenpreisliste vom Januar 2018.

Christina Neuner

Satz und Layout

Fotos Titel und Inhalt

Pestalozzi-Quartier in Hamburg-St. Pauli © Jochen Stüber Pestalozzi-Quartier in Hamburg-St. Pauli © Jochen Stüber Pestalozzi-Quartier und Entertainmenthaus in Hamburg-St. Pauli © Jochen Stüber Entertainmenthaus in Hamburg-St. Pauli © Jochen Stüber wagnisArt in München © Julia Knop wagnisArt in München © Michael Heinrich Ersatzneubau in Oberammergau © Henning Köpke/OBB-Experimenteller Wohnungsbau Modellprojekt in Hof © Henning Köpke/OBB-Experimenteller Wohnungsbau Modernisierung in Würzburg © Henning Köpke/OBB-Experimenteller Wohnungsbau Energetisches Nachbarschaftsquartier in Oldenburg © Jens Gehrcken Energetisches Nachbarschaftsquartier in Oldenburg © Machleidt GmbH Collegium Academicum in Heidelberg © Drexler Guinand Jauslin Architekten Cubity in Frankfurt am Main © Thomas Ott/Unternehmensgruppe Nassauische Heimstätte/Wohnstadt Passivhäuser in Frankfurt-Niederrad © Thomas Rohnke/Unternehmensgruppe Nassauische Heimstätte/Wohnstadt

Druck

Schmidt printmedien GmbH Haagweg 44, 65462 Ginsheim-Gustavsburg

Erscheinungsweise [Umrisse] und Bezugspreis Zeitschrift für Baukultur erscheint 6 x pro Jahr. Einzelheft: 9,50 € Doppelheft: 19,00 € Jahresbezugspreis: 57,00 € Abonnement Ausland: 63,00 €

[Impressum

[Umrisse] Zeitschrift für Baukultur ISSN 1437 - 2533 18. Jahrgang Ausgabe 1∙2018 www.umrisse.de Die Zeitschrift und alle in ihr enthaltenen Beiträge und Abbildungen sind urheberrechtlich geschützt. Alle Rechte, insbesondere das der Übersetzung in fremde Sprachen, vorbehalten. Kein Teil dieser Zeitschrift darf ohne schriftliche Genehmigung des Verlages in irgendeiner Form reproduziert oder in eine von Maschinen verwendbare Sprache übertragen werden. Mit Ausnahme der gesetzlich zugelassenen Fälle ist eine Verwertung ohne Einwilligung des Verlages strafbar.


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