[Umrisse] 5-6/2020

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Die Zukunft der HOAI – 2. Teil1 Auswirkungen auf die und in der Praxis

Baurecht

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Vorbemerkung Was bringt die neue HOAI? Ab dem 01.01.2021 wird die HOAI 2021 die HOAI 2013 ablösen. Bekanntlich ist die aktuell gültige Fassung der Honorarordnung für Architekten und Ingenieure europarechtlich unter die Räder gekommen (EuGH-Urteil vom 04.07.2019), und der Gesetzgeber ist gefordert, mit einer europarechtskonformen Neufassung zu reagieren. Das Gesetzgebungsverfahren ist noch nicht abgeschlossen, die Referentenentwürfe des Bundeswirtschaftsministeriums (BMWi) liegen jedoch vor, und es ist zu erwarten, dass diese weitgehend unverändert das Gesetzgebungsverfahren überstehen.

Was bleibt?

Autor

Der vorgelegte Referentenentwurf ist evolutionär, nicht revolutionär. Die HOAI 2021 wird ebenfalls nur »Preisrecht« enthalten. Dies bedeutet, dass in der HOAI weiterhin nicht der Rechtsgrund der Vergütung geregelt, sondern ausschließlich die Höhe der Vergütung bestimmt wird. Ob eine Vergütung dem Grunde nach geschuldet ist, ist unter einer zukünftigen HOAI 2021 ebenfalls nach allgemeinem Vertragsrecht zu beurteilen. Auch im Übrigen muss man die HOAI 2021 nicht völlig neu lernen: Die Grundstruktur (1. Teil: Allgemeine Vorschriften; 2. Teil und die fortlaufenden Teile: Leistungsbilder; Anhang: auf die Leistungsbilder bezogene Beschreibung von Leistungsphasen, Grundleistungen und Besonderen Leistungen in den Anlagen 1–15) bleibt erhalten. Das System der Honorarermittlung nach den hergebrachten Honorargrundlagen (anrechenbare Kosten, Honorarzone, lineare Interpolation, Zuschläge, Abschläge) wird fortgeführt. Auch der Anwendungsbereich der HOAI im Bereich der anrechenbaren Kosten zwischen 25.000,00 € bis 25.000.000,00 € (§ 35 Abs. 1 HOAI 2021, Leistungsbild: Gebäudeplanung) bleibt gleich. Die Gelegenheit, auf gestiegene Baukosten zu reagieren und den Anwendungsbereich der HOAI nach oben zu erweitern, blieb hingegen ungenutzt. Man wird auch zukünftig bei höheren Baukosten auf die in der Privatwirtschaft nicht verbindlichen Fortschreibungstabellen (RifT) zurückgreifen müssen. Was soll die HOAI 2021 leisten? »Kern der aktuellen Novellierung ist die baufachliche Überarbeitung der Leistungsbilder und die Aktualisierung der Honorartafelwerte. Die in der HOAI festgelegten Leistungsbilder sind überwiegend am Stand der Technik der Planungsprozesse und Büroabläufe der 80-er Jahre des letzten Jahrhunderts ausgerichtet. Der Wandel der Berufsbilder und die fachlichen sowie rechtlichen Entwicklungen machen es erforderlich, die Leistungsbilder in den einzelnen Disziplinen anzupassen.

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Prof. Dr. Gerald Süchting Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht, Süchting Rechtsanwälte Partnerschaftsgesellschaft mbB, Berlin

Die Planungsprozesse und Büroabläufe der HOAI 1976 waren durch Zeichnungen mit der Hand am Reißbrett, Berechnungen mit Rechenschieber, Leistungsbeschreibungen per Schreibmaschine, Kommunikation mittels Brief und Telefon gekennzeichnet. Die Planungswirklichkeit fast 40 Jahre später zeichnet sich hingegen durch den Einsatz des PC zu Beschreibungen und Berechnungen des Planungsprozesses, CAD (computer-aided-design), E-Mail, Telefon, EU-weite Ausschreibungen und Vergaben über elektronische Plattformen aus. Auch haben sich die Anforderungen an die Planungsaufgaben gewandelt: Aspekte der Nachhaltigkeit, des Klima- und Umweltschutzes haben eine hohe Bedeutung gewonnen. Zudem sind die Ansprüche an Kosten- und Terminsicherheit stark gestiegen. Und die Administration der Planungsprojekte durch Architekten und Ingenieure muss deutlich höheren Haftungsansprüchen standhalten.« (Referentenentwurf des BMWi, S.1). Dies im Referentenentwurf beschriebene Anforderungsprofil dürfte freilich eher die Planungswirklichkeit der Neunzigerjahre des letzten Jahrhunderts und des Anfangs des neuen Jahrtausends beschreiben, erreicht jedenfalls nicht ganz den aktuellen Stand. Die Planungstechnologie BIM kommt in dieser Zielsetzung nicht vor, die besonderen städtebaulichen Anforderungen der Transformation zu menschengerechten Städten, die erheblich höher gewichtete Gebäudetechnik (TGA, »smart building«) und der beginnende Einsatz künstlicher Intelligenz bei Planung und Bauausführung bleiben unerwähnt. Auffallend ist, dass in den Katalogen für die Grundleistungen und Besonderen Leistungen in den Leistungsbildern Gebäudeplanung, Tragwerksplanung und Technische Gebäudeausrüstung die »3-D- oder 4-D-Gebäudemodellbearbeitung (Building Information Modelling BIM)« nur wie bisher in der HOAI 2013 in der Leistungsphase 2 knapp mit einem Spiegelstrich erwähnt wird. Gerade hier hat die Rechtswissenschaft und Vertragspraxis seit Inkrafttreten der HOAI 2013 einiges geleistet, das in einer auf die Zukunft gerichteten Vergütungsordnung berücksichtigt gehörte. Zu erwähnen sind die vorzüglichen Anregungen, welche die Bundesarchitektenkammer und der Ausschuss der Verbände und Kammern der Ingenieure und Architekten für die Honorarordnung (AHO) e. V. im Einzelnen für die Beschreibung von Grundleistungen und Besonderen Leistungen ausformulierten. Dazu findet sich jedoch in der HOAI 2021 kein Wort, das über die HOAI 2013 hinausginge – als sei seit 2013 nichts passiert.

Was ist neu? Das Gebot der HOAI 2013, innerhalb des Anwendungsbereichs der Vergütungsordnung ein Honorar nur innerhalb der Mindestsätze und Höchstsätze zu vereinbaren, entfällt zukünftig. Unter der Geltung der HOAI 2021 bilden die Tabellenwerte nur noch einen – abdingbaren! – Orientierungsrahmen für Vergütungsvereinbarungen, geben jedoch keine verbindlichen Leitlinien vor, innerhalb nur derer ein Planerhonorar wirksam vereinbart werden kann. Dieser Orientierungsrahmen ist nur dann verbindlich, wenn Bauherr und Planer keine anderen Vereinbarungen getroffen haben. Das ist die aufregendste Neuerung – § 7 Abs. 1 HOAI 2021 wird lauten:

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