Umrisse 4/2021

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Intelligente Materialien neu gedacht Im Juni 2021 erschien das jüngste Buch »Things Fall Together. A Guide to the New Materials Revolution« des mit zahlreichen Preisen ausgezeichneten amerikanischen Wissenschaftlers, Designers und Informatikers Skylar Tibbits, der seit vielen Jahren zu den Möglichkeiten von wandel- und programmierbarer Materie forscht. Der nachfolgende Beitrag ist eine Rezension dieses Buches von Prof. Blaine Brownell, Direktor der School of Architecture am UNC Charlotte College of Arts + Architecture in North Carolina. Brownell forscht selbst zu Materialien und ist Autor von vier Büchern zum Thema »Transmaterial«. Der Beitrag wurde ursprünglich am 23. Juni 2021 in »Architect – The Journal of the American Institute of Architects« veröffentlicht (architectmagazine.com/technology/rethinking-smart-materials). Der Abdruck in deutscher Sprache erfolgt mit freundlicher Genehmigung des Autors und der Redaktion des Magazins.

Buchcover © Princeton University Press

Ein kühner Blick in die Zukunft sich selbst konstruierender und programmierbarer Materie Viele Menschen sind in intelligente Materialien »verliebt«. Wann immer der Begriff »smart« zur Beschreibung einer Technologie verwendet wird – wie beispielsweise für Polymere mit Formgedächtnis oder für thermochrome Beschichtungen –, wird damit eine hohe Funktionalität, Fortschritt und Intelligenz suggeriert. Der deutsche Architekt Axel Ritter1 hat intelligente Materialien als »hochentwickelte Materialien, die intelligent auf ihre Umgebung reagieren«, definiert. Genauer gesagt als »Materialien, Stoffe und Produkte, [die] veränderbare Eigenschaften haben und die Fähigkeit besitzen, ihre Form oder Farbe als Reaktion auf physikalische und/oder chemische Einflüsse wie zum Beispiel auf Licht, Temperatur oder das Anlegen eines elektrischen Feldes in reversibler Weise zu modifizieren«.

Den Autoren Michelle Addington und Daniel Schodek2 zufolge geht die erste kommerzielle Verwendung des Begriffs »intelligentes Material« (smart material) auf das Jahr 1992 zurück, als er zur Beschreibung von Skiern verwendet wurde. Mit der zunehmenden Verbreitung der Bezeichnung ist ihre Bedeutung jedoch immer nebulöser geworden. Heute gibt es Smart Homes, Smartphones und smarte Autos − um nur einige Beispiele für die weitverbreitete Verwendung zu nennen.

Das hat dazu geführt, dass sich das Verständnis des Begriffs »intelligente Materialien«, insbesondere angesichts der zunehmenden Anwendungen und der Vorteile dieser Stoffe, kontinuierlich weiterentwickelt. In seinem gerade bei der Princeton University Press erschienenen Buch »Things Fall Together. A Guide to the New Materials Revolution« stellt Skylar Tibbits eine zukunftsweisende Sicht darauf vor, welche gedanklichen Ansatzmöglichkeiten sich im Umgang mit diesen Materialien bieten und in welcher Weise der Designbereich davon profitieren kann.

Darstellung einer biomolekularen Selbstorganisation, ausgehend von Strukturen wie dem Poliovirus oder einem Tabakpflanzenvirus © Skylar Tibbits/Arthur Olson/Autodesk

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