Nr. 3/2023 Das Magazin der Veterinärmedizinischen Universität Wien und der Gesellschaft der Freunde der Veterinärmedizinischen Universität Wien
Ringvo r zur univ lesung ersitäre n Erinner ungsku ltur a
Wissensgewinn Forschung bringt wichtige Erkenntnisse für die Zukunft
Grundlagenforschung Pionierarbeit an der Vetmeduni ab Seite 14
b Seite
8
Karrierewege: Forschung ist eine faszinierende Reise
Sehnenheilung: Neue Professur für Physiologie
Wachtel-Teenager: Abhärtung in der Wildtierphysiologie
Verrückt nach Zucker: Massenspektroskopie in der Biochemie
Seite 30
Seite 40
Seite 34
Seite 44
2
Editorial
vetmed #3/2023
Impressum Herausgeberin, Medieninhaberin und Verlegerin: Veterinärmedizinische Universität Wien und Gesellschaft der Freunde der Veterinärmedizinischen Universität Wien 1210 Wien, Veterinärplatz 1 T +43 1 25077-0 www.vetmeduni.ac.at ISSN: 2663-1814
Petra Winter Rektorin
Mit rund 800 Professor:innen und wissenschaftlichen Mitarbeiter:innen zählt unsere Vetmeduni zu den großen Forschungseinrichtungen Österreichs. Dass wir im aktuellen „Shanghai-Ranking“ wieder einen Platz im internationalen Spitzenfeld erreicht haben, bestätigt diese Aussage: Weltweit liegen wir im Bereich „Veterinary Sciences“ auf Platz elf unter den insgesamt 5.000 untersuchten Universitäten, in Europa gar auf Platz sechs. Dieser Erfolg ist ohne exzellente Wissenschafter:innen und die Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses nicht möglich. Erwähnen möchte ich hier nur exemplarisch unser ResearchMentoring-Programm, bei dem 17 Mentees der Vetmeduni ein Jahr lang die Möglichkeit erhalten, ihre fachlichen und persönlichen Kompetenzen durch die Unterstützung von zwölf Mentor:innen zu erweitern. Zudem ermöglicht unser internes Forschungsförderungsprogramm Top Vet Science herausragenden Forscher:innen die Durchführung eines Projekts, das Grundlagenforschung und veterinärmedizinische Anwendung verbindet. Diese Anwendung der Forschungsergebnisse in der veterinärmedizini-
schen Praxis ist ein zentrales Anliegen unserer Universität. Genauso wichtig ist uns die Weitergabe des Wissens an die nächste Generation an Veterinärmediziner:innen im Rahmen der forschungsgeleiteten Lehre und der Wissenstransfer in die Gesellschaft. Letzteres geschieht etwa in Form von jährlich über 1.000 wissenschaftlichen Veröffentlichungen, bei Symposien, die von unseren Expert:innen organisiert werden, oder bei publikumswirksamen Events wie Science-Slams, Vorträgen an Volkshochschulen oder Workshops bei den KinderUnis in Wien, Graz und Innsbruck. All diese Anliegen, Ziele und Herausforderungen in Forschung, Lehre und Wissenstransfer haben wir in unserem aktuellen Entwicklungsplan 2030 zusammengefasst. Dieser Entwicklungsplan wird die neue Leitlinie unseres Handelns als Universität und ist zugleich die Grundlage für die nächste Leistungsvereinbarung, die wir mit dem Wissenschaftsministerium für die Jahre 2025 bis 2027 abschließen werden. Mit diesem Ausblick auf eine spannende Zukunft wünsche ich Ihnen eine inspirierende Lektüre unseres neuen VETMED Magazins!
Verantwortlich für den Inhalt: Thomas Zauner Redaktion und Produktionsleitung: Stephanie Scholz Mitarbeiter:innen dieser Ausgabe: Michael Bernkopf, Alexandra Eder, Clara Ginther, Corinna Gleichweit, Nina Grötschl, Astrid Kuffner, Frauke Lejeune, Franz Michlmayr, Doris Sallaberger, Stephanie Scholz, Laura Schuh, Veronika Steiner, Thomas Zauner Redaktionsbeirat: Christine Aurich, Claudia Bieber, Clara-Maria Eltschka, Clair Firth, Christine Schwab-Schusser, Birgit Strobl, Graham Tebb Lektorat: Laura Zechmeister Design: Matthias Moser Druck: Druckerei Janetschek GmbH, Brunfeldstraße 2, 3860 Heidenreichstein www.janetschek.at Offenlegung: Offenlegung nach § 25 Mediengesetz: Medieninhaberin (Verlegerin): Veterinärmedizinische Universität Wien, Veterinärplatz 1, 1210 Wien, Rektorin: Petra Winter Das VETMED erscheint dreimal jährlich. Abgabe gratis. Auflage: 6.000 Stück. Erscheinungsort: Wien. Bei Adressänderung wenden Sie sich bitte an: communication@ vetmeduni.ac.at
gedruckt nach den Richtlinien des Österreichischen Umweltzeichens Druckerei Janetschek GmbH · UW-Nr. 637
Foto Winter: Doris Kucera/Vetmeduni, Foto Totholzhaufen: Thomas Suchanek/Vetmeduni
Exzellente Wissenschaft
Blattlinie: VETMED – Das Magazin ist die offizielle Zeitschrift der Veterinärmedizinischen Universität Wien (Vetmeduni). Thematische Schwerpunkte sind in erster Linie die universitären Bereiche Forschung, Lehre und Dienstleistung sowie andere veterinärmedizinisch bzw. gesellschaftlich relevante Themen. Für namentlich gekennzeichnete Beiträge sind die jeweiligen Verfasser:innen verantwortlich.
Auf dem Totholzhaufen am Campus wächst ein Hopfen (Humulus lupulus), der als Nahrung für die Raupen des Tagpfauenauges (Aglais io) dient. Außerdem ist die Totholzpyramide ein wichtiger Lebensraum für viele Tiere wie beispielsweise Spitzmäuse (Soricidae), Balkenschröter (Dorcus parallelipipedus) oder Erdkröten (Bufo bufo).
4
vetmed #3/2023
Inhalt 2 2
Editorial Impressum
Campus News 6
Kurz notiert
8
Im Hörsaal gegen das Vergessen Die Vetmeduni hat eine Ringvorlesung zur NS-Vergangenheit gestartet 12 13
VetmedRegio Sustainable Development Goals Schwerpunkt
Grundlagenforschung 16 Motor für Innovation Ein Gespräch mit Otto Doblhoff-Dier, Vizerektor für Forschung und internationale Beziehungen 20 Sechs Hände gegen Krebs Im Department für Biomedizinische Wissenschaften arbeiten drei DOCFellows an Krebstherapie
14
Forschung bringt Fortschritt. Die Departments der Vetmeduni verfolgen dabei unterschiedliche Ansätze und Methoden
40
Valeria Marasco beschäftigt sich mit Lebenszyklusstrategien
22
Das angreifbare Sexleben der Kokzidien Im Department für Pathobiologie sagt man schweinischen Darmparasiten den Kampf an 24 Wer hilft wem und warum? Im Department für Nutztiere und öffentliches Gesundheitswesen in der Veterinärmedizin wird Hilfsbereitschaft analysiert 26
Mit allen vier Pfoten fest auf dem Boden Im Department für Kleintiere und Pferde untersucht man das hündische Pendant zu Alzheimer 28
Geparden, Leoparden, Wildkatzen Im Department für interdisziplinäre Lebenswissenschaften wird die angeborene Immunantwort beforscht
44
Zucker ist Alba Hykollaris Spezialgebiet
34
Janina Burk-Luibl testet den Widerstand von Sehnen
vetmed #3/2023
5
30 Karrierewege Klara Klein ist Biomedizinerin und arbeitet derzeit in einem Start-upUnternehmen. Ihre Forschungsreise begann an der Vetmeduni
Fundraising 33 Spenden für den „Catwalk“ Arthrose-Forschung und -Behandlung bei Katzen unterstützen
Studieren 38 39
Neugierde und Hinterfragen gehören zum Alltag von Biomedizin-Alumna Klara Klein
Unser Cover Von der Fragestellung zum Erkenntnisgewinn führt oft ein langer Weg. Dabei steht vor allem der Wissensgewinn im Vordergrund. Forschende der Vetmeduni beschäftigen sich mit vielen Fragestellungen, deren zukünftiger Nutzen nicht immer gleich erkennbar ist. Im Schwerpunkt dieser Ausgabe stellen die Departments einige ihrer Projekte vor.
Forschen Fotos Marasco, Hykollari und Burk-Luibl: Michael Bernkopf/Vetmeduni, Fotos Forschung: Thomas Suchanek/Vetmeduni, Foto Klein: Robert Wawrzinek
30
Alumni-Splitter HVU-Kommentar
34
Zelltraining zur Sehnenheilung Janina Burk-Luibl ist die neue Professorin für Physiologie mit Schwerpunkt regenerative Medizin 40
Abhärtung für Wachtel-Teenager Wie Wildtiere auf widrige Umweltveränderungen reagieren, das untersucht Valeria Marasco als neue Assistenzprofessorin für Wildtierphysiologie 42 Bild der Ausgabe Forschung an STAT5-Proteinen gegen Blutkrebs 44 Verrückt nach Zucker Alba Hykollari und Massenspektroskopie: ein Dreamteam in der bioanalytischen Chemie
Service 46 Bibliothek Neuerscheinungen sowie Neuigkeiten aus unserer Universitätsbibliothek 47
Vetmeduni-Alumni
Diese und ältere Ausgaben des VETMED Magazins online unter: www.vetmeduni.ac.at/ vetmedmagazin
6
Campus News
Kurz notiert
vetmed #3/2023
Text: Nina Grötschl
Förderung
VetVirbac-Stipendien 2023 vergeben Das Vet Stipendium – Vet Virbac dient der Förderung von Studierenden des Diplomstudiums Veterinärmedizin, die ihr zehnwöchiges Praktikum aus dem gewählten Modul (VM1) der vertiefenden Ausbildung bei einem/einer Instruktor:in im Bereich Wiederkäuer-, Geflügeloder Schweinemedizin in Österreich absolvieren und dafür zusätzliche Ausgaben für Wohnen und Leben in diesem Zeitraum übernehmen müssen. Die Höhe eines einzelnen Vet Stipendiums – Vet Virbac beträgt 1.000 Euro.
Sponsoring
Das Wolfsforschungszentrum der Vetmeduni freut sich über einen neuen Sponsor. Die Windkraft Simonsfeld AG hat mit Oktober 2023 eine Firmenpatenschaft für Amarok, einem nordamerikanischen Grauwolf, übernommen und wird so zu einem wichtigen regionalen Partner. Das auf die Stromproduktion aus Windenergie spezialisierte Unternehmen und die weltweit einzigartige Forschungseinrichtung sind beide im niederösterreichischen Ernstbrunn (Bezirk Korneuburg) angesiedelt. Vizerektor Jürgen Rehage (li.) mit den Stipendiat:innen sowie Arno Edlinger (General Manager Virbac) und Hermann Kahlbacher (Product Manager Virbac).
Lesen Sie hier mehr dazu:
Wissensvermittlung
Seminarreihe am Wilhelminenberg Das wissenschaftliche Kolloquium der Forschungsinstitute des Departments für Interdisziplinäre Lebenswissenschaften der Vetmeduni behandelt Themen und Fragen im Sinne der gemeinsamen Interessen. Die aktuelle Veranstaltungsreihe läuft noch bis Ende Jänner 2024. Neben dem Seminar von Ludwig Huber (Leiter des Departments für Interdisziplinäre Lebenswissenschaften) mit dem Titel „Wie gut verstehen wir, wie Hunde uns verstehen?“ widmet sich unter anderem Alba Hykollari (Forschungsinstitut für Wildtierkunde und Ökologie) den immunmodulatorischen Produkten von Egeln.
Informationen zu den Seminaren finden Sie hier:
Foto Wolf Science Center: Thomas Suchanek/Vetmeduni, Foto VetVirbac-Stipendien: Thomas Suchanek/Vetmeduni
Windkraft Simonsfeld unterstützt Wolf Science Center (WSC)
vetmed #3/2023
Campus News
7
Für die Zukunft alles Gute! Martina Patzl (Institut für Immunologie)
Sustainability
Nachhaltigkeitstag an der Vetmeduni Die Veterinärmedizinische Universität Wien hat es sich zur Aufgabe gemacht, ihren positiven Beitrag zum Umweltschutz zu leisten, und ist Mitglied der Allianz Nachhaltige Universitäten in Österreich. Unter dem Motto „Nachhaltige Lebensmittelversorgung und tierärztliche Verantwortung?“ lud der Nachhaltigkeitsbeirat der Universität am 17. Oktober zum ersten Nachhaltigkeitstag an der Vetmeduni. Bei einer Keynote zum österreichischen AgrarErnährungssystem in der Klimakrise, interessanten Impulsreferaten und einer spannenden Podiumssession kamen zahlreiche Mitarbeiter:innen der Vetmeduni im Festsaal der Universität zusammen, um gemeinsam Resümee über die bisherigen Aktivitäten im Bereich der nachhaltigen Universität zu ziehen und insbesondere die Rolle und Verantwortung der Vetmeduni in Klimafragen im Schwerpunktthema der Lebensmittelversorgung zu diskutieren.
Top platziert
Foto Veterinary Ethics: Thomas Suchanek/Vetmeduni
Shanghai-Ranking Die Veterinärmedizinische Universität Wien erreichte im Studienfach-Ranking „Global Ranking of Academic Subjects 2023“ wieder einen Platz unter den Besten. Mit dem weltweiten Platz elf im Bereich „Life Sciences“/„Veterinary Sciences“ ist die Vetmeduni weiterhin fixer Bestandteil des internationalen Spitzenfelds. Für das renommierte Hochschul-Ranking wurden über 5.000 Universitäten weltweit in 55 akademischen Fächern verglichen.
Remigius Chizzola (Institut für Tierernährung und funktionelle Pflanzenstoffe) Renate Edlhofer (Institut für Parasitologie) Norbert Nowotny (Institut für Virologie) Event
Veterinary Ethics Conference 2023 Von 27. bis 29. September 2023 veranstaltete die Abteilung Ethik der Mensch-Tier-Beziehung des Messerli Forschungsinstituts (MFI) der Vetmeduni den internationalen Kongress zum Thema „Veterinary Ethics“. Im Festsaal der Veterinärmedizinischen Universität Wien kam ein interdisziplinäres Fachpublikum zusammen, um sich auszutauschen. In zahlreichen Panels diskutierten die Teilnehmer:innen disziplinübergreifend, wobei Debatten über jüngste Entwicklungen in der empirischen als auch normativen Ethik geführt sowie aktuelle und zukünftige Potenziale ethischer Standards und Verhaltenskodizes erörtert wurden. Herwig Grimm (Leiter der Abteilung Ethik der Mensch-Tier-Beziehung des MFI) und Svenja Springer (ebenfalls MFI) organisierten die Tagung.
Alle Informationen zur Veterinary Ethics Conference finden Sie hier:
Reinhold Erben (Abteilung Physiologie und Pathophysiologie)
Wir gratulieren! Theresa Harm (ehem. Abteilung für Lebensmittelmikrobiologie) zum Würdigungspreis des Bundesministeriums für Bildung, Wissenschaft und Forschung 2023 Harald Pothmann (Universitätsklinik für Wiederkäuer) zur bestandenen DiplomatePrüfung des European College of Bovine Health Management (ECBHM) Daniela Klein-Jöbstl (Universitätsklinik für Wiederkäuer) zur Ernennung zur neuen Präsidentin des European College of Bovine Health Management (ECBHM) Chris Walzer (Forschungsinstitut für Wildtierkunde und Ökologie) zur Ernennung zum Commissioner der Lancet-PPATS-Kommission zur Prävention von Virusübertragungen Sara Miranda (Institut für Tierzucht und Genetik) zum Oral Presentation Award der ÖGAI
8
Campus News
vetmed #3/2023
Im Hörsaa gegen das Verge Text: Marlene Groihofer
W
„das ist eine Chance, um unsere Werte als Institution zu festigen.“
Erinnern aus Verantwortung Zehn Vorlesungstermine mit zehn Vortragenden sind geplant – dabei werden Biografien beleuchtet, Erinnerungsformen untersucht und die Frage gestellt: Was braucht es, um die Verbrechen der NS-Zeit in Zukunft zu verhindern? Historikerin Lisa Rettl hat den Auftakt gemacht und ihre Arbeit vorgestellt: In einem vierjährigen Projekt hat Rettl zur Geschichte der Universität im Nationalsozialismus geforscht. Mit ihrem Team hat sie dafür ab 2014 die Archive durchforstet: „Als wir gekommen sind, hat das hier im Haus für gemischte Gefühle gesorgt“, erinnert sie sich,
Archivfotos: Privatarchiv Familie Schwartz
Die Vetmeduni hat eine Ringvorlesung zur universitären Erinnerungskultur gestartet. Das Ziel: die Auseinandersetzung mit der NS-Vergangenheit – insbesondere der eigenen.
as passierte 1938 mit jüdischen Studierenden an der Vetmeduni? Und: Kam es nach 1945 an der Uni zur „Entnazifizierung“? Fragen, die Studierende Anfang Oktober an Historikerin Lisa Rettl stellen konnten – im Rahmen der neuen Ringvorlesung zum Thema „Vom (Ver-) Schweigen zum Erinnern: Universitäten und ihr Umgang mit Verfolgung und Ausgrenzung 1933–1945“. Jeden Dienstag ab 17 Uhr geht es in diesem Wintersemester um die Geschichte der Vetmeduni im Austrofaschismus und Nationalsozialismus. Außerdem werden auch andere Unis und ihr Umgang mit Erinnerungskultur beleuchtet. „Mit dieser Vorlesung wollen wir in einen offenen Dialog treten“, sagt Rektorin Petra Winter,
vetmed #3/2023
al
Campus News
Ringvorlesung
„Vom (Ver-)Schweigen zum Erinnern“
Karl Weininger studierte von 1929 bis 1935 an der Wiener Tierärztlichen Hochschule und erlebte dort bereits Antisemitismus.
Der jüdische Student Karl Weininger und seine Mitstudenten der Veterinärmedizin, Nachman Nagel und Sigmund Fleischer, vor der Lehrkanzel für Bakteriologische Hygiene unter Prof. Josef Schnürer, 1933.
essen „manche haben sich gefreut. Andere haben von Nestbeschmutzung gesprochen.“
Foto Handlbauer: Marlene Groihofer/Vetmeduni
9
Die NS-Zeit an den österreichischen Universitäten aufarbeiten – das sei erst ab den 1990er-Jahren ins Rollen gekommen, so der Zeithistoriker Alexander Pinwinkler, der die Ringvorlesung fachlich und als Moderator begleitet. „Aber: Die neuen Generationen stehen dem Themenfeld des Erinnerns offener gegenüber.“ Fest steht, dass auch die Vetmeduni, früher Wiener Tierärztliche Hochschule genannt, „von 1933 bis 1945 alles andere als ein unpolitischer Ort“ gewesen sei, so Pinwinkler: „Im Gegenteil. Die Nationalsozialist:innen fanden an der damaligen Hochschule viele
Ich bin hier, weil ich mich sehr für das Thema interessiere. Ich finde es wichtig, dass die schlechten Teile der österreichischen Geschichte immer wieder in Erinnerung gerufen werden. Sofie Handlbauer Studentin Veterinärmedizin
Wie können Institutionen ihre NSVergangenheit aufarbeiten, auch im universitären Bereich? Darum geht es bis 23.1.2024 jeden Dienstag um 17 Uhr im Hörsaal G. Die Vorträge gibt es auch online zum Nachsehen, unter: www.vetmeduni.ac.at/erinnern Eine digitale Plattform für das Gedenken „Erst Ende der 1980er-Jahre brach der Opfermythos an den österreichischen Unis auf. Dann entwickelte sich auch an der Universität Graz eine Erinnerungspolitik“, sagt Historiker Marco Jandl. Er ist Projektmitarbeiter am Centrum für Jüdische Studien an der Universität Graz. Jandl hat die Website „UniGraz_1585– tomorrow“ zur Geschichte der Uni Graz samt Schwerpunkt NS-Zeit erarbeitet. Mit digitaler Karte, interaktiver Zeitleiste und Biografien verfolgter Uni-Angehöriger. „Gedenken findet heute vielfach im digitalen Raum statt, genauso aber braucht es Bücher, Mahnmale oder künstlerische Interventionen.“ Derzeit werden an der Uni Graz offline Stolpersteine für vertriebene Studierende und Lehrende verlegt – online kann man die Biografien dazu nachlesen. Die Videoaufzeichnung der Ringvorlesung von Marco Jandl am 12. Dezember 2023 steht seit kurzem auf der Website der Vetmeduni zur Verfügung. Mehr Info: 1585-tomorrow.uni-graz.at
Vorlesung Universitäre Erinnerungskultur am Beispiel der Digital Public History: Die Website UniGraz_1585–tomorrow und deren Verschränkung mit dem öffentlichen Raum 12.12.2023 • Marco Jandl
10
Campus News
vetmed #3/2023
„Hallo, ich bin der Enkelsohn!“ Historikerin Lisa Rettl hat Biografien jüdischer Studierender der NS-Zeit an der heutigen Vetmeduni recherchiert. Darunter auch jene von Karl Weininger. Plötzlich hat sich sein Enkel aus Israel gemeldet.
VETMED: Wie haben Sie von Lisa Rettls Buch über jüdische Studierende der NS-Zeit an der Wiener Tierärztlichen Hochschule erfahren?
Roy Schwartz: Ich habe online zum Namen meines Großvaters recherchiert und dabei bin ich auf das Buch gestoßen. Ich habe es bestellt, obwohl ich kein Deutsch spreche und habe Lisa Rettl kontaktiert. Seitdem sind wir in Verbindung. Wie haben Sie Ihren Großvater in Erinnerung? Schwartz: Ich war zehn Jahre alt, als er verstorben ist. Wenn ich an ihn denke, sehe ich ihn mit Kaffee und Zigarette bei Tisch sitzen. Er war ein ruhiger, großer, kräftiger Mann. Er war eine Respektsperson. Hat Ihr Großvater je von seiner Zeit in Wien, von seiner Zeit an der Tierärztlichen Hochschule erzählt?
Schwartz: Er hat nicht viel darüber gesprochen. Er hat die Dinge mit sich selbst ausgemacht, nicht geklagt. Vor der Emigration nach Israel machte er mit meiner Mutter Halt in Wien. Er zeigte ihr auch die Vetmeduni. Sie hat erzählt, dass er bei diesem Wien-Besuch sehr glücklich war. Er hat die Stadt sehr gern gehabt. Sie selbst sind seit letztem Jahr nun auch österreichischer Staatsbürger. Wieso haben Sie sich dazu entschieden? Schwartz: Ich habe über die Vetmeduni und Lisa Rettl erfahren, dass NS-Verfolgte und deren direkte Nachkommen einen Antrag darauf stellen können. Für mich hat das sentimentale Gründe. Jeder fragt mich nun, warum bist du auch Österreicher? Und dann kann ich von meinem Großvater erzählen. Wie wichtig ist in Ihren Augen Erinnerungsarbeit wie nun jene an der Vetmeduni? Schwartz: Sie ist sehr wichtig und notwendig. Wie man durch die jüngsten entsetzlichen Ereignisse in Israel sieht: Antisemitismus führt heute noch zu Gräueltaten. Abschließend noch einmal zu Ihrem Großvater: Sie scheinen ja ein großes Interesse von ihm geerbt zu haben – jenes für die Tiermedizin? Schwartz: Ja, ich arbeite als Systemanalytiker, aber im Herzen bin ich Tierarzt! Schon als Kind hat mich ein Büchlein meines Großvaters über Tierkrankheiten fasziniert. Wenn ich heute fernsehe, dann meist Dokus oder TierarztSerien. Das muss ich in den Genen haben!
Biografie
Karl Weininger Karl Weininger studierte von 1929 bis 1935 an der Wiener Tierärztlichen Hochschule Veterinärmedizin. Er war Teil der dortigen jüdischen Studentenverbindung und wurde noch vor dem „Anschluss“ Zeuge antisemitischer Übergriffe. Karl Weininger ist nahe Czernowitz, in der heutigen Ukraine und damaligen Habsburgermonarchie, geboren. Nach seinem Studium wurde er von Rumänien aus ins Ghetto Olgopol in Transnistrien deportiert, das er überlebte. Danach war er in Rumänien als Tierarzt tätig und im Jahr 1962 emigrierte Karl Weininger mit seiner Familie nach Israel, wo er seinen Beruf noch 16 Jahre lang ausübte.
Foto Roy Schwartz: Frauke Lejeune/Vetmeduni, Foto Weininger: Privatarchiv Familie Schwartz
Karl Weininger ist einer von 42 jüdischen Studierenden, die Historikerin Lisa Rettl für ihr Buch über jüdische Studierende und Absolventen der Wiener Tierärztlichen Hochschule (siehe unten rechts) porträtiert hat. Durch Zufall hat dieses Buch 2021 Karl Weiningers Enkelsohn entdeckt. Roy Schwartz − im Bild oben mit Rektorin Petra Winter (rechts) und Gabriele Flekna (links), Vorsitzende des Arbeitskreises für Gleichbehandlungsfragen − lebt in Israel in der Nähe von Tel Aviv. Mittlerweile ist er – durch die Erinnerungsarbeit an der Vetmeduni – sogar österreichischer Staatsbürger.
vetmed #3/2023
Campus News
Ringvorlesung
Anhänger:innen, die sich schon vor dem ‚Anschluss‘ mit dem NS-Gedankengut identifizierten.“ Aus Lisa Rettls Recherche entstanden sind zwei Bücher über die Wiener Tierärztliche Hochschule im Nationalsozialismus. Eines davon, „Jüdische Studierende und Absolventen der Wiener Tierärztlichen Hochschule 1930–1947: Wege – Spuren – Schicksale“, widmet sich insbesondere den Biografien jüdischer Studierender. Ab 1938 waren sie von der Tierärztlichen Hochschule ausgeschlossen. Dass diesen jüdischen Studierenden nun auch im Rahmen einer Vorlesung gedacht worden ist, sei enorm wichtig, sagt Lisa Rettl: „Es macht einen Unterschied, ob man Menschen als Statistik sieht oder ob man sich ihrer Namen und Geschichten erinnert.“ Denn: „In der Geschichte geht es nicht um Jahreszahlen. Es geht immer um Menschen.“
Wie konnte es zu so viel Gewalt kommen? Das interessiert mich. Außerdem wollte ich etwas mehr über die Geschichte unserer Uni erfahren. Die Vorlesung ist eine gute Gelegenheit, beides zu verknüpfen. Leopold Drążyk Student Biomedizin und Biotechnologie sowie Gitarre
Fotos Drążyk, Traxler: Marlene Groihofer/Vetmeduni
Historikerin Lisa Rettl geht der Frage nach, wer die jüdischen Studierenden der Wiener Tierärztlichen Hochschule waren und was mit ihnen geschah. Neben zahlreichen biografischen Skizzen finden sich eine umfassende Familienbiografie über den Tiermedizinstudenten Wilhelm Marbach sowie drei weitere ausgewählte Lebensgeschichten: über Hermine Allgayer, die ihr Studium auf Grund ihrer Einstufung als „jüdischer Mischling“ beenden musste; über Joseph Tyndel, der sein Studium 1938 gar nicht erst beginnen konnte, und über Edmund Weissberg, dessen Vertreibungsgeschichte schon vor dem „Anschluss“ im März 1938 zum Abschluss kam.
Lisa Rettl: Jüdische Studierende und Absolventen der Wiener Tierärztlichen Hochschule 1930‒1947; Wege ‒ Spuren ‒ Schicksale Wallstein Verlag, 2018
Menschen Gesicht und Namen geben Michael Schimanski ist Amtstierarzt in Hannover und ehrenamtlicher Veterinärhistoriker. Gemeinsam mit seinem verstorbenen Freund und Kollegen Georg Möllers hat er eine Datenbank zum Gedenken an die Nazi-Opfer im Feld der Tiermedizin angelegt. Ab 1939 durften jüdische Tiermediziner:innen ihren Beruf nicht mehr ausüben – auch nicht in Österreich. 165 jüdische Tiermediziner und eine Tiermedizinerin der NS-Zeit sind aktuell in der Datenbank zu finden. „Das Gedenken an die Opfer darf nicht nachlassen.“ Mehr Info: bundestieraerztekammer.de/ns-schicksale/
Vorlesung Von der Doktorarbeit zur Datenbank: Erinnerung an jüdische Tiermediziner im Nationalsozialismus 16.01.2024 • Michael Schimanski
Buchtipp
Geschichte jüdischer Studierender an der Vetmeduni
11
Auch in der medizinischen Branche haben wir eine Verantwortung, uns bewusst zu machen, welche Fehler in der Vergangenheit gemacht wurden. Als Laborleiter etwa hat man auch eine ethische Pflicht. Diese Vorlesung ist eine gute Vorbereitung für die Studierenden. Sebastian Traxler Student Biomedizin und Biotechnologie
Sensibilisieren mit Kunst Im Alten AKH in Wien stand ab 1903 ein jüdischer Betpavillon. 1938 wurde er von den Nationalsozialist:innen im Novemberpogrom geschändet. Im Nachkriegsösterreich wurde ein Transformator darin untergebracht – für Strom für die frühere psychiatrische Klinik Narrenturm. Mittlerweile gehört der Pavillon zur Universität Wien. Künstlerin Minna Antova fertigte ab 1998 Entwürfe für das „vergewaltigte Gebäude“ als Gedenkort an. „Marpe Lanfesch“ heißt der Pavillon heute, hebräisch: Heilung für die Seele. „Erinnerungsarbeit braucht Mut, Neugierde und Freude“, sagt Minna Antova. Wichtig dabei: „Das Einfühlen. Damit kommt auch die Solidarität.“ Und: „Gedenktafeln und Fakten reichen nicht aus. Wir müssen sinnlich berührt werden, damit wir zu intellektueller Erkenntnis kommen.“ Vorlesung Konstruktion und De-Konstruktion von Gedächtnis im öffentlichen Raum: Künstlerische Interventionen als Beiträge zur akademischen Erinnerungskultur 23.01.2024 • Minna Antova
12
Campus News
VetmedRegio
vetmed #3/2023
Text: Veronika Steiner
Tirol
One-HealthSymposium in Innsbruck
Niederösterreich
Forschung spielerisch erleben Die eigenen Fähigkeiten im Vergleich zu Hunden und Wölfen testen, mittels Blackbox die Welt aus Vogelaugen sehen, die Herkunft eines Fischfilets analysieren und Messgeräte und Sensoren in einer Stallsimulation auf die Probe stellen – das alles konnten Besucher:innen bei den vier Stationen der Vetmeduni beim diesjährigen Forschungsfest Niederösterreich. Die interaktiven Stände des Konrad-Lorenz-Instituts für Vergleichende Verhaltensforschung, des FFoQSI (Austrian Competence Centre for Feed and Food Quality, Safety & Innovation), der Österreichischen Vogelwarte und des Forschungsprojekts HOLSTEIN gaben spannende Einblicke in ihre Arbeit und sorgten bei Klein und Groß für so manchen Aha-Effekt.
Tirol
Kuhgesundheit mit Kinderaugen begreifen Interessierte Kinder hatten Anfang September im Rahmen der Kinder-Sommer-Uni Innsbruck erstmals die Gelegenheit, Antworten auf sämtliche Fragen rund um Rindergesundheit und das Berufsfeld Veterinärmedizin zu bekommen. Im Workshop „Aus eins wird vier! Wunderwelt Rindermagen“, den die Vetmeduni-Außenstelle in Tirol eigens organisiert hat, wurden die Jungforscher:innen auch selbst im Labor aktiv und analysierten mit großem Eifer Pansensaftproben und die darin enthaltenen Mikroben.
Foto Niederösterreich: Dominik Kiss/Vetmeduni, Foto Tirol: Lorenz Khol/Vetmeduni
Unter dem Titel „One Health Tirol. Gemeinsam für gesunde Menschen und Tiere“ luden die Vetmeduni und die Meduni Innsbruck am 18. Oktober 2023 erstmals gemeinsam nach Innsbruck ein. Die Expert:innen beider Universitäten und der AGES präsentierten aktuelle Forschungsergebnisse und diskutierten, wie der transdisziplinäre Ansatz in Zukunft noch stärker in Wissenschaft und Lehre eingebunden werden kann. Eröffnet wurde das Symposium von LandeshauptmannStellvertreter Josef Geisler und den Vizerektor:innen der Unis, Christine Bandtlow und Jürgen Rehage.
vetmed #3/2023
Campus News
Sustainable Development Goals
13
Text: Veronika Steiner
SDG 3 Schwerpunkt Gesunde Tiere: Nach „Gesundes Land“ und „Gesunde Nahrung“ widmet sich die Vetmeduni mit ihrer SDG-Kommunikation zu „Gesundheit und Wohlergehen“ in der zweiten Jahreshälfte den Aspekten „Gesunde Tiere“ und der Frage „Was ist überhaupt gesund?“. Im Zentrum der veterinärmedizinischen Forschung und Lehre steht dabei der One-Health-Gedanke, der mittels Social-Media-Kampagnen, Podiumsdiskussionen, Vorträgen und Veranstaltungen einer breiten Öffentlichkeit präsentiert wird.
Foto Studio: Michael Bernkopf/Vetmeduni, Foto Huber: Privat, Foto Joachim: Thomas Suchanek/Vetmeduni, Foto Silbermayr: Michael Bernkopf/Vetmeduni, Foto Steinrigl: Ulli Wieser
VetmedTalk
Behind the scenes: Moderator Bernhard Weingartner im Studio.
Wie können wir uns und unsere Haus- und Nutztiere vor Parasiten schützen? Weshalb ist die Stechmücke das gefährlichste Tier der Welt? Und was ist der Unterschied zwischen Vektoren, Zecken und Parasiten? Diese und viele weitere Fragen beantworteten Expert:innen beim dritten VetmedTalk „Gesunde Tiere – Zecken, Zoonosen & Co“. Neben Einblicken in ihre Forschung informierten sie über aktuelle Entwicklungen, was die Verbreitung von Parasiten und Vektoren und die von ihnen übertragenen Krankheiten betrifft. Auch der One-HealthAspekt wurde thematisiert und welchen Beitrag die Veterinärmedizin, aber auch wir als Gesellschaft leisten können, um Gesundheit und Wohlergehen für Menschen, Tiere und unsere Umwelt sicherzustellen.
Jetzt anschauen!
VetmedTalk
VetmedTalk vom 7. September 2023 zum Thema „Gesunde Tiere – Zecken, Zoonosen & Co“ mit den Expert:innen Nikolaus Huber, Katja Silbermayr, Anja Joachim und Adi Steinrigl
Expert:innen im Zitat
Nachhaltige Gesundheit für Mensch und Tier kann es nur geben, wenn wir es als Gesellschaft auch schaffen, die Natur und ihre Ökosysteme gesund zu erhalten. Das betrifft Land-, Wasser- und Rohstoffnutzung, das menschliche Vordringen in bisher unberührte Lebensräume, aber auch unseren Konsum.“ Nikolaus Huber Öffentliches Veterinärwesen und Epidemiologie, Vetmeduni
Zecken und Mücken können Krankheitserreger übertragen, aber sie sind auch Teil der Natur. Wir sollten sie deshalb da tolerieren, wo wir es können, und die Situation, wo wir das nicht können, entsprechend analysieren und dann verantwortungsbewusst handeln.“ Anja Joachim Institut für Parasitologie, Vetmeduni
Wir kriegen die Parasiten einfach nicht los. Um unsere Haustiere gesund zu halten, müssen wir sie auch vor Parasiten schützen. Für mich ist deshalb Parasitenschutz eine Form von Tierschutz.“ Katja Silbermayr Boehringer Ingelheim RCV GmbH & Co KG
Trotz aller neuen Erkenntnisse und Entwicklungen im Bereich von Infektionserkrankungen ist Panik nicht angebracht. Wichtig ist, die Situation gut im Auge zu behalten, Entwicklungen zu kontrollieren, sich zu informieren und dann entsprechend zu handeln.“ Adi Steinrigl AGES ‒ Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit
14
Schwerpunkt Grundlagenforschung
vetmed #3/2023
vetmed #3/2023
Grundlagenforschung Schwerpunkt
15
Foto: Thomas Suchanek/Vetmeduni
So funktioniert Forschung Wissenschaftliche Erkenntnisse legen den Grundstein für medizinischen Fortschritt und Innovation. Aber wie genau funktioniert Wissenschaft? Zu Beginn jeder neuen Erkenntnis stehen forschungsleitende Fragen. Gibt es in einigen Fällen schon Vermutungen oder Hypothesen, wohin der Weg führen soll, sind andere Forschungsansätze eher explorativ angelegt. Forschung geht zudem oftmals mit dem Stand der Technologieentwicklung einher. So eröffnen neue Methoden in Big Data, Imaging und 3D-Forschung neue Wege für die Wissenschaft, insbesondere im Bereich der Veterinär- oder Biomedizin. Auf den folgenden Seiten präsentieren die Departments der Vetmeduni jeweils ein Forschungsspezialgebiet. Text: Stephanie Scholz
16
Schwerpunkt Grundlagenforschung
Zu Beginn jeder neuen Erkenntnis stellen sich Wissenschafter:innen Fragen, die im Zuge der Forschung beantwortet werden sollen. Welche bahnbrechenden Entwicklungen sich daraus zukünftig ergeben, kann bei Grundlagenforschung am Anfang unklar sein.
vetmed #3/2023
vetmed #3/2023
Im Gespräch
Grundlagenforschung Schwerpunkt
Interview: Nina Grötschl • Fotos: Thomas Suchanek/Vetmeduni
„Grundlagenforschung ist der Motor für Innovation, der Fortschritt vorantreibt und Wachstum und Entwicklung fördert.“ Ao. Univ.-Prof. Dr. Otto Doblhoff-Dier, Vizerektor für Forschung und internationale Beziehungen, im Gespräch über die Bedeutung und das Potenzial der Grundlagenforschung an der Vetmeduni.
Foto Doblhoff-Dier: Christian Steinbrenner/Vetmeduni
VETMED: Welche Bedeutung nimmt die Grundlagenforschung für die Vetmeduni ein?
Otto Doblhoff-Dier: In den Forschungsbereichen an der Vetmeduni ermöglicht es die Grundlagenforschung, das Verständnis der zu Grunde liegenden Prinzipien und Mechanismen ständig zu erweitern. Grundlagenforschung an unserer veterinärmedizinischen Universität dient im Besonderen dazu, Krankheitsmechanismen (besser) zu verstehen, neue Therapien zu entwickeln, Tiergesundheit und Wohlbefinden zu fördern sowie übertragbare Krankheiten – Zoonosen – im Sinne von One Health eindämmen zu können und damit die Gesundheit von Mensch und Tier zu schützen. Warum ist dieser Forschungsbereich für Innovation so wichtig und wodurch kann die Universität im globalen Wettbewerb punkten? Doblhoff-Dier: Die Grundlagenforschung schafft neues Wissen und Verständnis, zeigt
17
Innovationspotenziale durch unerwartete Entdeckungen auf und ermöglicht den Technologietransfer neuer Erkenntnisse in den Anwendungsbereich. Zudem sichert Grundlagenforschung langfristig die Wettbewerbsfähigkeit in einer sich ständig verändernden Welt. Sie ist der Motor für Innovation, der Fortschritt vorantreibt. Die Besonderheit: Die Vetmeduni kann die Grundlagenforschung in Kombination mit angewandter klinischer
Jetzt nachschauen! „VetmedTalk“ zur Grundlagenforschung vom 27.11.2023
18
Schwerpunkt Grundlagenforschung
vetmed #3/2023
Wie gelingt es, das Potenzial der Grundlagenforschung dahingehend effizient und gewinnbringend für die Gesellschaft auszuschöpfen?
„Man muss Neues machen, um etwas Neues zu sehen.“ Georg Lichtenberg Physiker, Schriftsteller und Naturforscher 1742–1799
Doblhoff-Dier: Dazu ist eine gezielte Herangehensweise und die Förderung der Zusammenarbeit zwischen Wissenschafter:innen, Forschungseinrichtungen, der Industrie sowie politischen Entscheidungsträger:innen notwendig. Dies kann zum Beispiel durch Forschungsförderung und -priorisierung erreicht werden. Regierungen, Stiftungen und Forschungsorganisationen können diese Förderung so ausrichten, dass sie die drängendsten gesellschaftlichen Herausforderungen anspricht. Derartige Forschungsprojekte erfordern allerdings meist langfristige Engagements. Um die Forschungsziele der Universität nachhaltig verfolgen zu können, muss neben der Universitätsfinanzierung auch eine ausreichende Dotierung der Förderorganisationen auf nationaler und europäischer Ebene gewährleistet sein. Welche Maßnahmen braucht es noch?
Zukunftsorientiert
Interne Förderprogramme Neben der zielgerichteten Nachwuchsförderung und der Profilbildung im Rahmen der Profillinien ist es der Vetmeduni ein großes Anliegen, Grundlagen- und klinische Forschung für neue Lösungsansätze zu verbinden. Mehr Information zu den Förderprogrammen der Vetmeduni:
Forschung direkt am Tierpatienten umsetzen. Dies gibt uns die Möglichkeit, mit vielen Kooperationspartnern aus Forschungsinstitutionen und Industrie national und international zu kooperieren. Welche Benefits ergeben sich durch die Vernetzung der verschiedenen Forschungsbereiche? Doblhoff-Dier: Die Grundlagenforschung ist die Basis für viele Projekte mit Anwendungscharakter. Insgesamt trägt die Verschränkung mit translationaler und angewandter klinischer Forschung dazu bei, wissenschaftliche Erkenntnisse in die Praxis umzusetzen und die Gesundheitsversorgung der Patienten nachhaltig zu verbessern. Dieser Ansatz beschleunigt Innovationen und bietet Patienten optimierte Behandlungsoptionen durch verbesserte Diagnoseverfahren, Behandlungen und Therapien. Grundlagenforschung an der Vetmeduni orientiert sich auch an den gesellschaftlichen Herausforderungen unserer Zeit.
Doblhoff-Dier: Die Förderung von Kooperation und Austausch zwischen Forschenden aus verschiedenen Disziplinen kann dazu beitragen, neue Einsichten und Lösungsansätze zu entwickeln. Die Umsetzung von Grundlagenforschung in innovative Technologien und Anwendungen erfordert Mechanismen und Ressourcen für den Technologietransfer. Universitäten und Forschungseinrichtungen können so noch enger mit der Industrie und den Unternehmen zusammenarbeiten. Last but not least braucht es auch die Bildung und Öffentlichkeitsarbeit, um das Verständnis für Forschungsprojekte in der Gesellschaft zu fördern und die Skepsis gegenüber der Wissenschaft abzubauen. Denken wir an die Zukunft: Wie gelingt es der Vetmeduni, das Forschungsfeld Grundlagenforschung zukunftsfit zu halten, und wie kann der wissenschaftliche Nachwuchs für Basic Science begeistert werden? Doblhoff-Dier: Wir versuchen, unsere Nachwuchswissenschafter:innen bestmöglich zu
vetmed #3/2023
unterstützen und weiterzubilden. Dafür bietet die Vetmeduni zahlreiche interne Förderprogramme an (Anm. d. Red.: siehe Kasten links). Ich möchte an dieser Stelle einige Beispiele nennen: Die Initiative „Top Vet Science“ ermöglicht herausragenden Forschenden die Durchführung eines Projekts, das exzellente Grundlagenforschung und veterinärmedizinische Anwendung verbindet. Unser neu ins Leben gerufenes One-Health-PhD-Programm richtet sich an Studierende, die an der Schnittstelle zwischen tierischer und menschlicher Gesundheit, Lebensmittelsicherheit und ökologischer Nachhaltigkeit forschen wollen. Und Kollaborationsprojekte von jungen Wissenschafter:innen aus unterschiedlichen Binnenstrukturen werden an der Vetmeduni durch den „Start-up Networking Seed Grant“ gefördert.
Grundlagenforschung Schwerpunkt
Setzt man sich mit Grundlagenforschung auseinander, stößt man unweigerlich auch auf das Thema Tierschutz. Wie sieht die Strategie der Vetmeduni dahingehend aus? Doblhoff-Dier: Grundlagenforschung kann maßgeblich dazu beitragen, das Verständnis von Tierverhalten, Gesundheit und Wohlbefinden zu vertiefen. Dies ist wichtig, um in Folge bessere Standards für die Tierhaltung und den Tierschutz zu entwickeln. Im Bereich der Forschung am Tier bedeutet dies konkret, dass ethische Standards eingehalten und vermehrt verbesserte bzw. alternative Forschungsmethoden im Sinne der 3R (Refinement, Reduction, Replacement) entwickelt und angewendet werden müssen.
19
Grundlagenforschung
Forschungsprojekte
In allen fünf VetmeduniDepartments widmet man sich unter anderem der Gundlagenforschung. Lesen Sie auf den Seiten 20 bis 29 mehr über Krebsfrüherkennung und -therapie, einzellige Darmparasiten, Hilfsbereitschaft bei Schweinen, alternde Hunde sowie Immunantwort bei wilden Katzenartigen.
Schwerpunkt Grundlagenforschung
20
Im Gespräch
vetmed #3/2023
Interview: Astrid Kuffner • Fotos: Thomas Suchanek/Vetmeduni
Sechs Hände gegen Krebs Steckbrief
Melanie Allram Name des Projekts: The Role of RNAs in biomolecular condensation of leukemia fusion oncoproteins Gruppe: Institut für Medizinische Biochemie Betreuer: F. Grebien Studium: Bachelor und Master an der FH Campus Wien in Molekularer Biotechnologie
Steckbrief
Jonatan Kendler Name des Projekts: Unraveling the interplay of CDK6 and STAT5B in NPM/ALK-driven transformation to define therapeutic vulnerabilities Gruppe: Institut für Pharmakologie und Toxikologie Betreuerin: K. Kollmann Studium: Biotechnologie an der Universität für Bodenkultur Wien (BOKU)
Gleich drei DOC-Fellows werden in den kommenden zwei Jahren am Department für Biomedizinische Wissenschaften an neuen Hebeln für Krebstherapie und -früherkennung arbeiten. Im Interview sprechen sie über ihre Motivation und wie sie das anerkannte und hoch kompetitive DOC-FellowshipProgramm der Österreichischen Akademie der Wissenschaften unterstützt.
VETMED: Sie arbeiten im Rahmen des DOC-Fellowships der Österreichischen Akademie der Wissenschaften alle drei in der Krebsforschung. Wie stellen Sie sich Krebs eigentlich vor, wenn Sie im Labor wichtige Puzzlesteine zum Verständnis der Krankheit und künftiger Therapien entwickeln?
Melanie Allram: Die Statistiken sprechen für sich – trotz immenser Verbesserungen in der Behandlung verlieren immer noch zahlreiche Menschen ihr Leben auf Grund schwerwiegender Krebserkrankungen. Darin finde ich meine Antriebskraft. Myint Myat Khine Aung: Krebs ist für mich wie eine Maschine in einer Fabrik, die eine Fehlfunktion hat. Die Zellen wachsen unkontrolliert und das beeinflusst die normale biologische Funktion. Diese fehlgesteuerte Maschine bewirkt, dass die falschen Produkte produziert und weitere Prozesse gestört werden, was sich auf den gesamten Körper auswirkt. Wir müssen diese Maschine stoppen und reparieren. Das macht mich gedanklich wohl zur Chefmechanikerin. Jonatan Kendler: Krebs ist eine höchst komplexe Krankheit. Mit meiner Arbeit im Labor versuche ich, einen Beitrag zum Verständnis
und zu zukünftigen Therapien zu liefern. Ich arbeite an einer Krebsart, die besonders Kinder betrifft. Diese Tatsache macht mir einmal mehr die Dringlichkeit bewusst, bessere Therapielösungen zu finden. Ohne auf die Details einzugehen, wollen wir die Bandbreite der Forschung beleuchten. Welches Tool, welchen spezifischen Ansatz verwenden Sie? Kendler: Ich arbeite mit verschiedenen Mausmodellen, mit denen wir die Tumorentstehung unter unterschiedlichen Voraussetzungen besser untersuchen können. Allram: Ich arbeite an sogenannten FusionsOnkoproteinen. Viele Forschende versuchen die Frage zu beantworten, was diese besonderen Proteine innerhalb einer Zelle verändern. Ich will wissen, mit welchen Bestandteilen von Zellen die Fusions-Onkoproteine zusammenspielen, um die Entstehung von Leukämie zu begünstigen.
vetmed #3/2023
Grundlagenforschung Schwerpunkt
21
Für mich geht das in die richtige Richtung: von der frühen Diagnose über das Management der Krankheit bis hin zur Behandlung. Kendler: Die Grenzen von Grundlage und Anwendung sind fließend. Wir machen Forschung, die jemandem zu einer besseren Behandlung verhelfen kann – auch wenn es bis dahin vielleicht noch Jahre dauert. Allram: Die Beiträge der Grundlagenforschung zur Entwicklung von neuen Therapieansätzen, die dringend gebraucht werden, werden oft nicht gesehen. Mir als Wissenschafterin erlaubt das DOC-Fellowship kreativ zu sein, biologische Prozesse von Grund auf verstehen zu lernen und Ideen zu verfolgen, selbst wenn diese anfangs oft mit Misserfolgen verbunden sind. Wo spüren Sie persönlich die Vorteile des DOC-Fellowships?
Steckbrief
Myint Myat Khine Aung Name des Projekts: Untersuchung von Krankheitsmechanismen und Identifizierung therapeutischer Angriffspunkte in neuartigen präklinischen Modellen für STAT5Binduzierte γ-δ-T-ZellLymphome Gruppe: Institut für Medizinische Biochemie Betreuerin: H. Neubauer Studium: Integrated Masters an der University of Glasgow in Immunologie
Aung: Ich arbeite unter anderem mit Mäusen an einer seltenen, aber aggressiven Krebsform. Wir haben am Institut ein erstes robustes Mausmodell für STAT5BN642H-induzierte γ-δ-T-Zell-Lymphome entwickelt und werden mittels Gen-Editing, also dem Werkzeug CRISPR-Cas9, molekulare Abhängigkeiten erforschen. Wir entfernen schrittweise verschiedene Gene und schauen, ob die Krankheit noch ausbrechen kann. Im Umkehrschluss erfahren wir so hoffentlich, welche Gene für die Krebsentstehung essenziell sind. Sie verfolgen mit Unterstützung des DOCProgramms Ihr Doktorat. Ein wichtiger Schritt in einer Forschungskarriere. Warum haben Sie sich für die Grundlagenforschung entschieden? Aung: Grundlagenforschung schafft das Fundament für das Verständnis der Mechanismen von Krebserkrankungen. Erst wenn man diese Mechanismen identifiziert hat, kann man gezielt Therapien entwickeln.
Allram: Bei diesem prestigeträchtigen und kompetitiven Programm dabei zu sein, verschafft mir mehr Zeit für meine Forschung – sonst ein limitierender Faktor. Aung: Die finanzielle Unterstützung gibt mir mehr Zeit, um mein Projekt zu beenden und möglichst gute Resultate zu bekommen. Ein weiterer Vorteil ist sicher das Netzwerk aus Gleichgesinnten. Wir besuchen Seminare und Konferenzen mit anderen und ehemaligen Fellows. Kendler: Wir hatten hier das erste Mal in der Karriere die Möglichkeit, ein Proposal für unsere Forschung zu schreiben und Funding für ein eigenes Projekt zu bekommen. Allram: Ein erster Schritt in Richtung Unabhängigkeit. Aung: Einmal im Monat gibt es zudem ein Get-together, die „Happy Hour“, die im Sommer am Biotop am Campus stattfand. Da können wir über die guten und die schlechten Zeiten im PhD sprechen. Glücklicherweise sprechen wir nicht nur über die Arbeit …
22
Schwerpunkt Grundlagenforschung
vetmed #3/2023
Kokzidien sind einzellige Darmparasiten. Eine ihrer Arten, Cystoisospora suis, befällt ausschließlich Saugferkel, was in der Schweinezucht für Probleme sorgt. Das Team rund um Anja Joachim und Teresa Cruz Bustos erforscht die VERMEHRUNGSMECHANISMEN VON CYSTOISOSPORA SUIS mit dem Ziel, diese noch im Darm der Tiere zu unterbinden. Krankheit und Durchseuchung könnten so verhindert werden. Text: Uschi Sorz • Grafik: Matthias Moser
Das angreifbare Sexleben der Kokzidien Forschungsziele
Impfung und Innovation Das Cystoisospora suisProjekt hat die Forscherinnen ihrer Vision nähergebracht: einer Impfung, die die Oozystenbildung von vornherein verhindert. In einem Nachfolgeprojekt wird nun das diesbezügliche Potenzial ausgetestet. Auch innovative neue Arzneien und verbesserte Diagnostik könnten Anwendungen sein. Andere Vorhaben drehen sich weiterhin um Grundlagen: Was veranlasst Zellen, die aus der asexuellen Vermehrung hervorgehen, sich zu sexuellen Stadien zu entwickeln? Welche Signale senden Gameten aus, um zueinanderzufinden? Solche Mechanismen zu verstehen ist Voraussetzung für die angewandte Forschung.
U
m Nachwuchs zu zeugen, müssen sich männliche und weibliche Geschlechtszellen vereinen, das kennen wir alle aus der Biologie. Auch bei sehr einfachen Lebewesen wie einzelligen Parasiten ist das so. Eizellen und Spermien besitzen sie zwar nicht, auch keine Geschlechtschromosomen, aber sie bilden Geschlechtszellen aus, sogenannte Gameten. Große, unbewegliche weibliche Makrogameten und kleine männliche Mikrogameten, die sich mit Hilfe von Geißelfortsätzen auf diese zubewegen. Bei den Kokzidien – Einzellern, die Durchfallerkrankungen auslösen – ist die sexuelle Vermehrung allerdings nur ein Teil eines komplexen Entwicklungszyklus. Wiewohl ein für die Infektionsausbreitung entscheidender. Kokzidienarten spezialisieren sich meist auf einen bestimmten Wirt, etwa Hühner, Hunde oder Kälber. Cystoisospora suis befällt den Darm neugeborener Ferkel. Die Krankheit stört ihre Entwicklung, sie bleiben klein und kümmerlich. In der Schweinezucht ist das ein nicht zu unterschätzendes Problem. „Die Ferkel sterben in der Regel nicht daran, aber man kann unterschiedlich große nicht in derselben Abferkelzone lassen“, sagt Anja Joachim. Sie ist Professorin an der Vetmeduni und leitet das Institut für Veterinärparasitologie. „Die Gewichtsunterschiede können einige Kilos betragen und es gibt eine aggressive Hackordnung zwischen großen und kleinen
Schweinen.“ Sie zu trennen ist aber nicht der einzige Aufwand für die Halter. Cystoisospora suis ist hochinfektiös und selbst durch Desinfektionsmittel und sorgfältige Reinigung nur schwer loszuwerden. Zudem wird der entzündete Darm der Tiere anfälliger für bedeutend gefährlichere Erreger.
Flaschenhalsprinzip Es gibt aber noch mehr Gründe, warum sich die Wissenschafterin für den mikroskopisch kleinen Schweineparasiten interessiert: „Erkenntnisse über Cystoisospora suis könnten auch für die Erforschung verwandter Parasiten wegweisend sein. Zum Beispiel desjenigen, der Toxoplasmose verursacht.“ Ähnliche Entwicklungsstufen durchlaufen zudem die für Malaria verantwortlichen Parasiten, die Plasmodien. Ein Konzept, das in der Malariaforschung gerade vorangetrieben wird, steht auch im Mittelpunkt von Joachims Arbeit: das Flaschenhalsprinzip. Es bedeutet, den Erreger dort zu bekämpfen, wo er in seiner molekularen Struktur eine für seine Entwicklung zentrale und zugleich gut angreifbare Stelle besitzt. Bei Cystoisospora suis haben sich die sexuellen Vermehrungsphasen als Flaschenhals herausgestellt. Sie sind ausschlaggebend für die Ausbildung des Infektionsstadiums, der sogenannten Oozyste. Der verhängnisvolle Kreislauf beginnt, sobald sich ein Ferkel durch den Kontakt mit Ver-
ng hru me r e V en elle zell exu Darm s A in
sel wird Stoffwech umgestellt
Sexuelle Verme h außerhalb der Wi rung rtszellen
Sexuelle Vermehrung Umw elts Ooz tadium yste :
1
Stationärer Makrogamet (weibliche Zelle) mit tyrosinreichen Proteinen (1) für die spätere Oozystenwand 2
1
Cystoisosporose: Infizierte Ferkel entwickeln Verdauungsstörungen, Durchfall und Abmagerung.
Foto: Thomas Suchanek/Vetmeduni
schmutzungen eine versporte Oozyste einverleibt hat. In seinem Dünndarm löst sich die Oozystenhülle auf und die in ihr enthaltenen Cystoisospora suis-Erreger breiten sich aus. „Zuerst durchlaufen sie zwei ungeschlechtliche Vermehrungsphasen und teilen sich explosionsartig“, erklärt Joachim. „Im Anschluss bilden sich sexuelle Vorläuferzellen aus, die sich zu Mikro- und Makrogameten entwickeln und dann zu befruchteten Zellen verschmelzen, den Zygoten. Diese bekommen mit Hilfe eines Strukturproteins eine robuste Hülle und wandeln sich zu Oozysten.“ Zum ansteckenden Stadium reifen die Oozysten, nachdem der Durchfall sie nach draußen verfrachtet hat. Die Stallwärme hilft dabei nach.
Im Kot infizierter Tiere können die Oozysten auf Grund ihrer Eigenfluoreszenz unter UV-Licht nachgewiesen werden.
Einzigartige Analysemethode
geschafft, dass sie zu Geschlechtszellen ausreifen, die fusionieren und Oozysten bilden.“ Anhand des zweistufigen Verfahrens konnte die Forschungsgruppe nachweisen, dass die asexuelle und die sexuelle Vermehrung strikt getrennt ablaufen. Die asexuelle Teilung geschieht im Inneren der Darmzellen, den Wirtszellen, die dabei zerstört werden. Die Gameten verschmelzen außerhalb davon im Hohlraum des Darms. „In diesem Abschnitt befinden sich keine Wirtszellen mehr. Unsere Labormethode macht sich das zunutze und ermöglicht sehr differenzierte Analysen.“ Die sexuellen Stadien, die keine Wirtszellen brauchen, seien nämlich wesentlich weniger komplex als die vorhergehenden, was verzerrende Überschneidungen genetischer Informationen verhindere.
Das Besondere an der Vetmed-Forschung: Es ist dem Team um Anja Joachim und Teresa Cruz Bustos gelungen, diese Stadien im Labor zu züchten, um sie dort mit molekulargenetischen Werkzeugen zu untersuchen. Die zu Grunde liegende Methode hat das Institut für Veterinärparasitologie in zwanzigjähriger Arbeit entwickelt. „Wir haben im Reagenzglas aus Dünndarmzellen und Parasiten sexuelle Vorläuferzellen kultiviert und es in der Folge
Nicht zuletzt sind diese Stadien aber auch deshalb gute Angriffspunkte, weil ihre Zahl gering ist. Das Team hat sich bereits die Wirkung künstlicher Antikörper auf einige Proteine angesehen, die hier eine Rolle spielen. Experimente mit dem für die Oozystenhülle nötigen Strukturprotein, dem Gametenfusionsprotein und dem Protein, das für die Geißelbewegung der Mikrogameten sorgt, waren vielversprechend.
Beweglicher Mikrogamet (männliche Zelle) mit Fusionsproteinen (1) für das Verschmelzen der Gameten sowie Dyneinen (2) für die Geißelbewegung
Teamwork
Forschungserfolg Den Parasitologinnen Anja Joachim (rechts) und Teresa Cruz Bustos (links) ist es gelungen, Cystoisospora suisVermehrungsstadien im Labor zu züchten, um sie in der Folge mit molekulargenetischen Werkzeugen zu untersuchen.
24
Schwerpunkt Grundlagenforschung
vetmed #3/2023
Schweine gelten als sehr SOZIALE TIERE. Wie hilfsbereit sie gegenüber einander sein können, beschäftigt aktuell Wissenschafter:innen vom Institut für Tierschutzwissenschaften und Tierhaltung der Vetmeduni. Text: Stephanie Scholz • Grafik: Matthias Moser
Wer hilft wem und warum? „Holt mich hier raus!“ Gefördert wird das österreichisch-deutsche Forschungsteam durch den Österreichischen Wissenschaftsfonds (FWF) sowie die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG). Am Hof Medau der Vetmeduni werden im Frühjahr 2024 insgesamt 200 Schweine teilnehmen, die gleiche Anzahl wird im FBN in Deutschland getestet.
E
ine schachbrettgroße Öffnung mit Gitter in der Wand, daneben ein Türchen. Ein Schwein auf der einen Seite, auf der anderen seine neun Sozialpartner in der Heimatbucht. Geöffnet werden kann das Türchen nur aus der Heimatbucht. Forschende des Instituts für Tierschutzwissenschaften und Tierhaltung (ITT) entwickelten gemeinsam mit Kolleg:innen rund um Liza Moscovice vom Forschungszentrum für Nutztierbiologie (FBN), Deutschland, dieses Hilfsparadigma, um zu testen, ob und wem Schweine in der Not helfen. In der ersten Woche des Forschungsprojekts hatten alle Schweine täglich Zeit, sich mit den Boxen und Türgriffen vertraut zu
machen. Geholfen wurde den Tieren dabei allerdings nicht, es wartete auch keine Belohnung hinter der Tür. „Schweine spielen gerne und sind sehr erkundungsfreudig. Sie lernen: ‚Wenn ich mit dem Rüssel den Griff anhebe, kann ich die Tür öffnen und hinein‘“, beschreibt Jean-Loup Rault, Leiter des ITT. Von 75 Schweinen lernten 74 das Türöffnen. „Aus reiner Neugierde“, sagt Rault. Dann begann der eigentliche Test: Ein Schwein wurde aus der Gruppe in eine der zwei identen Boxen gebracht, die Türchen zur Heimatbucht verschlossen. Für das Tier im kurzzeitigen Exil zwar eine ungefährliche, aber unangenehme Situation, denn Schweine sind ungern allein. Eine Kamera dokumentierte das darauffolgende Verhalten. Die anderen Tiere konnten ihrem normalen Tagesgeschehen folgen, fressen, zu ihren Artgenossen gehen oder sich mit dem gefangenen Schwein beschäftigen. „Nicht nur Menschen zeigen prosoziale Verhaltensweisen, auch Tiere helfen bedrängten Artgenossen“, erklärt Rault. Zu den Mechanismen sei jedoch noch wenig bekannt. Auch sei unklar, inwieweit Tiere und Menschen emotionale oder kognitive Anpassungen teilen, die Prosozialität fördern.
Motivation, zu helfen Die Tiere der Studie reagierten unterschiedlich. Einige der kurzzeitig Isolierten protes-
Foto: Frank Hormann/Fotoagentur Nordlicht
Forschung
vetmed #3/2023
tierten lauthals über die neue Raumaufteilung, zeigten Stresssignale wie Quieken oder drückten gegen die Tür. Andere waren offensichtlich nicht beunruhigt und schliefen in der Box ein. Mehr als zwei Drittel der Schweine wurden innerhalb weniger Minuten von ihren Artgenossen befreit. Besonders interessant: Exilanten, die sich beschwerten, wurden schneller befreit. „Wir haben viel Variation bei den Helfern. Manche helfen immer, manche nie. Manchmal gibt es reziprokes Helfen. Das ist interessant für uns, denn es wirft die Frage auf: ‚Warum gibt es Unterschiede und warum helfen manche Schweine und andere nicht?‘“, so Rault. Nur 44 Prozent betätigten sich als Retter – meist geschickte Türöffner. In einer Folgestudie wollen die Forscher untersuchen, wie stark die Hilfsbereitschaft je Individuum ausgeprägt ist, wem und warum die Schweine überhaupt helfen – oder eben nicht. Dazu werden zunächst die Reaktionen der Tiere auf die Situation, ihre Persönlichkeiten und sozialen Beziehungen in Erfahrung gebracht. Die Analyse von Hormonen aus dem Speichel sowie die Herzfrequenzvariabilität, gemessen durch einen Bauchgurt, sollen in einem zweiten Teil Aufschluss über physiologische Veränderungen während des Helfens bzw. Nichthelfens geben.
Foto: Michael Bernkopf/Vetmeduni
Sensibilität für emotionalen Zustand Die Analyse des helfenden Verhaltens könnte dazu beitragen, spannende Erkenntnisse über Schweine oder auch andere Tiere zu gewinnen, so Rault: „Es könnte mit Empathie zusammenhängen. Sie sehen das Unwohlsein und wollen helfen.“ Dies würde eine Sensibilität für das Wohlergehen von Artgenossen bedeuten, möglicherweise sogar emotionale Selbstregulierung – helfen, ohne selbst in Panik zu verfallen. Rault räumt ein, dass es sich hierbei um Hypothesen handele. Es könne auch sein, dass die Schweine rein aus Neugierde statt aus Sorge um das andere Schwein handeln. „Wir müssen eine Vielzahl von Tests und Kontrollen durchführen, um Erklärungen für das helfende Verhalten zu finden.“
25
Studie
Hilfsbereitschaft bei Schweinen
„Wir testen die Tiere in Gruppen. Wir haben zehn Schweine und bringen eines in eine Box, die an die Heimatbucht angrenzt, aber die Tiere durch eine Tür voneinander trennt, die nur von der Bucht aus geöffnet werden kann“, erklärt Jean-Loup Rault vom Institut für Tierschutzwissenschaften und Tierhaltung. Die Forschungsfragen dabei sind: • Wer hilft? • Wem? • Warum? • Welche physiologischen Veränderungen gibt es im Zusammen hang mit helfendem Verhalten?
Gruppenzusammensetzung • 10 Schweine • eine soziale Gruppe • die Hälfte sind Wurfgeschwister Alter: 4 Wochen bei Beginn der Studie Dauer: Studie mit Beobachtung über 4 Wochen, danach Rückkehr in die landwirtschaftliche Herde Versuchsanordnung Aufbau: 3 × 3 Meter große Heimatbucht und zwei identische Boxen an den Enden der Bucht: • Fenster (Netz) (1), durch das sich die Schweine gegenseitig sehen, hören und riechen können • Tür mit Griff (2), der es den Schweinen ermöglicht, die Tür von außen zu öffnen (die Box kann nicht von innen geöffnet werden) Ablauf: • 5 Tage lang hatten die Schweine jeweils 1 Stunde lang Zeit, sich selbst beizubringen, die Tür zu öffnen • Ein Schwein wird aus der Gruppe genommen und in eine der identischen Boxen gesetzt Dauer: 15 Minuten oder bis ihm von den Artgenossen geholfen wird Kontrolle: andere Box bleibt als Kontrollbedingung leer bzw. wird im Wechsel verwendet
1
2
26
Schwerpunkt Grundlagenforschung
vetmed #3/2023
Der Alltag hat für Hunde jeden Alters Herausforderungen. Mit steigendem Alter steigen auch die Hürden. Woran das liegt, untersucht ein Forschungsteam der Ambulanz für PHYSIKALISCHE MEDIZIN UND REHABILITATION. Text: Stephanie Scholz • Fotos: Thomas Suchanek/Vetmeduni
Mit allen vier Pfoten fest auf dem Boden
Z Für die Studie, die von Barbara Bockstahler geleitet wird, werden noch Hunde gesucht, die folgende Voraussetzungen erfüllen: Alter: mind. 1 Jahr Gewicht: mind. 10 kg Gesundheit: • Keine orthopädischen oder neurologischen Vorerkrankungen • „Normaler“ Körperbau (z. B. keine Dackelmischlinge, keine brachycephalen Rassen) Kontakt:
CDS-FWF@vetmeduni.ac.at
ielstrebig läuft Lilo den Raum ab. In einer Ecke liegt ein kleiner Stapel Matten. Lilo zögert kurz und untersucht sie interessiert. Ein weiterer Schnüffler, dann kehrt sie erwartungsvoll zu ihrer Besitzerin Christiane Lutonsky zurück. Lilo ist eine von aktuell 49 Hunden, die an einer FWF-geförderten Studie teilnehmen. Ziel ist herauszufinden, welchen Einfluss das kognitive Dysfunktionssyndrom (CDS) bei älteren Hunden auf die posturale Stabilität hat. Es gilt als das canine Pendant zum menschlichen Alzheimer. In der Studie lösen die Hunde Aufgaben, die Aufschluss über geistige und körperliche Fähigkeiten geben. Dazu kommen eine tiermedizinische Untersuchung sowie eine Ganganalyse, um Lahmheiten zu erkennen bzw. diese auszuschließen und zu testen, ob die Hunde orthopädisch gesund sind. „Ältere Hunde mit CDS erkennen ihre Besitzer:innen nicht, sind desorientiert, stehen plötzlich herum oder starren vor sich hin“, erklärt Studienleiterin Barbara Bockstahler. „Pathohistologische Untersuchungen wiesen Veränderungen im Gehirn nach, die vergleichbar mit jenen bei an Alzheimer erkrankten Menschen sind.“ Eine weitere Parallele: Sowohl Patient:innen mit Alzheimer als auch alternde Hunde haben eine verminderte posturale Stabilität.
Laut den Forschenden beschreibt posturale Stabilität die Fähigkeit, während verschiedenen Körperpositionen und Aktivitäten die Balance zu halten oder wiederherzustellen. Eine Verminderung der posturalen Stabilität erschwere alltägliche Herausforderungen wie beispielsweise über Treppen oder Hindernisse zu steigen, könne aber auch Indikator für Erkrankungen wie das kognitive Dysfunktionssyndrom oder orthopädische bzw. neurologische Beeinträchtigungen sein. Die Hunde der Studie sind in drei Gruppen eingeteilt: jung und gesund, alt und gesund sowie alt und dement. Lilo gehört zur ersten Gruppe. Ihre Besitzerin Christiane Lutonsky ist Doktorandin und wissenschaftliche Mitarbeiterin der FWF-Forschungsstudie. Heute steht für Lilo „Fernsehen“ auf dem Programm. Auf einem Bildschirm werden Menschen und Hunde mit unterschiedlicher Mimik gezeigt, dazwischen Kontrollbilder. Dabei muss die dreijährige Mischlingshündin ruhig stehen bleiben. Mittels einer Druckmessplatte im Boden wird laufend ihr Körperschwerpunkt bestimmt, dessen Schwankungen den Forschenden verrät, wie stabil sie steht. „Man geht davon aus, dass Emotionen, aber auch erschwerte Bedingungen wie das Stehen auf einer Schrägen die Stabilität beeinflussen“, sagt Bockstahler.
Lilo schaut aufmerksam die Bilder an, ihre Ohren zeigen unterschiedliche Reaktionen, je nachdem, was ihr gezeigt wird. Mit Hilfe von Standmessungen auf Druckmessplatten (Posturographie) kann dabei ihre posturale Stabilität anhand des Körperschwerpunkts (CoP, schwarzer Pfeil im Bild) laufend beobachtet und beurteilt werden.
Hunde können als Modell zur Erforschung der AlzheimerErkrankung herangezogen werden. Im FWF-Projekt wird untersucht, wie sich ihre Haltungsstabilität durch unterschiedliche Faktoren verändert, entweder durch das Alter oder durch weitere erschwerte Bedingungen wie hier auf einer Schrägen mit einer Sichtschutzbrille.
28
Schwerpunkt Grundlagenforschung
Text: Pamela Burger, Stephanie Scholz • Grafik: Matthias Moser
Pamela Burger erforscht mit der Gruppe Populationsgenetik und Artenschutz am Forschungsinstitut für Wildtierkunde und Ökologie neueste Erkenntnisse der Immunantwort bei wilden Katzenartigen.
vetmed #3/2023
vetmed #3/2023
Grundlagenforschung Schwerpunkt
29
vetmed #3/2023
Karrierewege
31
Die Biomedizinerin KLARA KLEIN arbeitet als Senior Scientist beim Start-up Cutanos. Zu Studienbeginn hatte sie noch keine genaue Vorstellung vom Berufsbild Forscherin. Mit dem Einstieg an der Vetmeduni erlernte sie die notwendigen Skills und ihre Karrierestrategie wurde immer klarer. Interview: Astrid Kuffner • Foto: Robert Wawrzinek
Karr ier wege e-
Forschung ist eine faszinierende Reise VETMED: Wussten Sie schon immer, dass Sie Wissenschafterin werden wollen?
Klara Klein: Schon in der Schule habe ich mich für Naturwissenschaften, vor allem für Biologie, interessiert. Gleichzeitig hatte ich immer den Wunsch, etwas zu tun, das einen positiven Einfluss auf die Gesellschaft hat. Ich habe zuerst Humanmedizin studiert und gemerkt, dass mir die Forschung mehr liegt als die Klinik. Deshalb habe ich nach einem Studium gesucht, das mir erlaubt, frühestmöglich Laborerfahrung zu sammeln. Das Bachelorstudium Biomedizin und Biotechnologie an der Vetmeduni war dafür genau das Richtige und war somit der erste Schritt für meinen Karriereweg als Forscherin. Was hat Ihnen am Bachelorstudium an der Vetmeduni besonders gefallen? Klein: Der Vorteil an diesem Studium war, dass ich früh sogenannte „Wet Lab Skills“ erlernen konnte, also praktische Laborerfahrung. Im Rahmen von „Projektmitarbeiten“ hatte ich schon als Bachelorstudentin die
Möglichkeit, direkt mit erfahrenen Wissenschafter:innen an laufenden Projekten zu arbeiten. Worin liegt für Sie der Reiz an der Tätigkeit als Forscherin? Klein: Es ist eine faszinierende Reise des ständigen Hinterfragens, des Umkehrens von Konzepten und der Vertiefung in unbekannte Mechanismen. Die Forschung erfordert Leidenschaft, Neugier, aber auch einen guten Anteil Frustrationstoleranz. In meinem Spezialgebiet reizt mich vor allem die Aussicht, dass die eigene Arbeit einmal Patient:innen helfen könnte. Worauf haben Sie sich im Laufe Ihrer Ausbildung spezialisiert? Klein: Kurz gesagt, ich habe mich auf Immunologie spezialisiert und bin fasziniert von der komplexen Rolle unseres Immunsystems. Meine Motivation war und ist es, zu einem besseren Verständnis des Immunsystems beizutragen und neue Ansätze zu entwickeln,
Steckbrief
Klara Klein Fachgebiet Immunologie Positionsbeschreibung Senior Scientist Derzeitiger Standort Wien
32
Karrierewege
vetmed #3/2023
um unser Immunsystem so zu modulieren, dass wir Krankheiten besser therapieren können.
entwickeln, wenn Dinge einmal nicht wie geplant funktionieren. Aber man lernt nie aus und ich erweitere ständig meine Skills.
Seit 2022 arbeiten Sie als Senior Scientist im Start-up Cutanos. Sie haben also die Universität verlassen. Was war dafür ausschlaggebend?
Woran arbeiten Sie bei Cutanos?
Klein: Mit Abschluss des Doktorats stellt sich natürlich die Frage nach der weiteren Zukunft. Da langfristige Perspektiven an der Universität nicht immer gegeben sind, habe ich mich nach Berufsoptionen außerhalb der Uni umgeschaut. Mir war es wichtig, in der Forschung zu bleiben. Ich wollte meine bisherige Expertise einbringen, ausbauen und mich gerne mehr auf die angewandte Forschung konzentrieren. Was unterscheidet die Arbeit im Start-up von der Forschung an der Uni? Klein: Die Arbeit im Start-up ist im Grunde ähnlich wie das, was ich schon von der Universität gewohnt war. Der Fokus der Forschung hier liegt, statt in den Details der Grundlagenforschung und dem Publizieren, auf der möglichst raschen Entwicklung angewandter Therapieansätze. Ich bin für ein bestimmtes Projekt verantwortlich, plane eigenständig Experimente und führe sie mit Unterstützung des Teams durch. Die Daten werden analysiert, interpretiert und dann unseren Investor:innen und Kooperationspartner:innen kommuniziert. Darüber hinaus habe ich die Möglichkeit, umfassender involviert zu sein. Das spornt mich besonders an, meine Fähigkeiten weiterzuentwickeln. In einem kleinen Unternehmen trägt man schneller mehr Verantwortung und es entsteht ein größeres Gemeinschaftsgefühl. Hat Sie die Ausbildung auf das Start-up-Leben vorbereitet? Klein: In meinem aktuellen Job wurden definitiv meine Fähigkeiten gesucht. Während meiner Ausbildung habe ich gelernt, meine Forschung verständlich zu vermitteln, kritisch zu denken und neue Strategien zu
Klein: Es dreht sich alles um die Entwicklung innovativer, zielgerichteter Immuntherapien. Wir haben ein kleines Molekül entdeckt, das spezifisch an Langerhans-Zellen, einen Subtyp von dendritischen Zellen in der Oberhaut, bindet. Unsere Plattformtechnologie ermöglicht es, verschiedene Antigene oder Wirkstoffe an dieses Molekül anzukoppeln. Durch eine minimalinvasive Anwendung über die Haut können diese gezielt zu den LangerhansZellen transportiert werden. Unser Immuntherapieansatz hat Potenzial für die Entwicklung von Impfstoffen sowie in der Therapie unterschiedlicher Erkrankungen, inklusive Allergien und Autoimmunerkrankungen. Haben Sie als Frau in Ihrem bisherigen Karriereweg (noch) mit stereotypen Vorurteilen zu tun gehabt? Klein: Ich selbst hatte das Glück, keine direkte Diskriminierung erlebt zu haben. Ich habe während meiner Ausbildung zumeist in frauendominierten Laboren gearbeitet und auch weibliche Vorgesetzte gehabt. Ich bin dankbar für diese Vorbilder und denke dennoch, dass es in puncto Gleichstellung – insbesondere in Führungspositionen – noch viel Arbeit gibt. In dem Zusammenhang möchte ich auch den Dokumentarfilm „Picture a scientist“ aus dem Jahr 2020 von Ian Cheney und Sharon Shattuck erwähnen, der die Geschlechterdiskriminierung in der Wissenschaft thematisiert. Wie sieht ein gewöhnlicher Arbeitstag bei Ihnen aus oder gibt es den nicht? Klein: Meine Arbeit findet entweder im Labor oder im Büro statt. Die Experimente müssen natürlich vorher genau geplant und anschließend analysiert und präsentiert werden. Einen festgefahrenen Arbeitsablauf gibt es jedoch nicht. Wir haben häufig dynamische Diskussionen, Troubleshooting- und Brainstorming-Sessions im Team. Das bringt Abwechslung und macht den Arbeitsalltag nie langweilig.
Wordrap mit
Klara Klein Ich war an der Vetmeduni … … von 2011 bis 2014 (BSc) und von 2017 bis 2022 (PhD). Mein Tipp an Absolvent:innen der Vetmeduni: Sucht euch etwas, das euch Freude bereitet. Forschung kann frustrierend sein, aber solange ihr Motivation, Leidenschaft und Neugierde behaltet, ist es ein toller Beruf. Sucht euch die richtigen Labore und Mentor:innen, indem ihr euch mit anderen über ihre Erfahrungen austauscht. Wenn möglich, macht ein Praktikum im Ausland – für mich war das eine unvergessliche und prägende Erfahrung. Mein Lieblingsort an der Vetmeduni … … war die Küche am Institut für Pharmakologie und Toxikologie, besonders beim Mittagessen oder bei Meetings mit meinen Kolleg:innen. Die meiste Zeit habe ich aber vor dem Durchflusszytometer verbracht.
vetmed #3/2023
Fundraising
33
Kater „Cookie“ am „Catwalk“: Die Druckmessplatte misst die exakte Kräfteverteilung der vier Pfoten.
Am „Catwalk“
Schmerzende Gelenke früh erkennen Helfen Sie, um Lahmheiten bei Katzen frühzeitig zu erkennen!
Foto: Thomas Suchanek/Vetmeduni
Arthrosen sind bei älteren Katzen eine häufige Erkrankung – über 80 Prozent der älteren Katzen leiden an schmerzhaften Gelenksabnutzungen. Da Katzen jedoch dazu neigen, Schmerzen und Lahmheiten zu verbergen, ist eine Diagnose besonders schwierig und nicht selten bleibt die Krankheit unerkannt. Orthopädische, neurologische und bildgebende Untersuchungen reichen oft nicht aus, um Auffälligkeiten bei Bewegungen festzustellen. Um eine eindeutige und frühe Diagnose stellen zu können, werden dringend objektive gemessene Werte von typischen Bewegungen von gesunden Katzen benötigt. Es gibt bisher nur Daten von gesunden Katzen, die auf einer ebenen Fläche gehen. Mit Oktober 2023 startete die Vetmeduni eine Studie, mit der sich nur wenige Universitäten beschäftigen: An gesunden Katzen
werden die typischen Bewegungsabläufe objektiv gemessen. Die exakte Kräfteverteilung auf den vier Pfoten wird beim Bergauf- und Bergabgehen sowie beim Springen auf einer Druckmessplatte in unserer Universitätsklinik aufgezeichnet. Diese Werte dienen zukünftig als Referenzwerte, womit sich Auffälligkeiten bei Bewegungen frühzeitig feststellen lassen können. Auch wenn Katzen den Schmerz hervorragend verbergen können – die Druckmessplatte wird sie aufdecken können. Sind Sie Katzenhalter:in und möchten mit Ihrer Katze an unserem Forschungsprojekt teilnehmen? Nähere Informationen finden Sie auf der Website der Universitätsklinik für Kleintiere.
Forschungsprojekt Katzen: www.vetmeduni.ac.at/ kleintierchirurgie/kleintierorthopaedie-weichteilchirurgie/katzenstudie
Forschung unterstützen Bereits mit 50 Euro können Sie einen wertvollen Beitrag leisten, damit schmerzhafte Arthrosen frühzeitig erkannt und behandelt werden können. Jetzt spenden! Sie können bequem online spenden: www.vetmeduni.ac.at/ spenden
Spendenkonto: Veterinärmedizinische Universität Wien / IBAN: AT43 2011 1800 8098 1000 / Verwendungszweck: „Katzen-Arthrose“
34
Forschen
vetmed #3/2023
JANINA BURK-LUIBL, neue Professorin für Physiologie, hat ihren Schwerpunkt in
regenerativer Medizin mit dem Einsatz von multipotenten Vorläuferzellen in der Orthopädie. In der Petrischale versucht sie, die Bedingungen einer verletzten Sehne möglichst naturgetreu nachzustellen, um biologische Therapeutika für den Einsatz optimal vorzubereiten. Text: Astrid Kuffner
• Fotos: Michael Bernkopf/Vetmeduni
Zelltraining zur Sehnenheilung D Von der Klinik ins Labor: Die Patienten bestimmen den Forschungsbedarf.
as Forschungsobjekt ist fast nicht unfallfrei auszusprechen, also nehmen wir lieber die gängige Abkürzung. Janina Burk-Luibl, Veterinärphysiologin mit Fachgebiet Regenerationsmedizin, arbeitet im Bereich Orthopädie mit multipotenten mesenchymalen Stromazellen (kurz MSC). Für ihre Versuche verwendet sie Vorläuferzellen, die aus fast jedem Gewebe entnommen werden können. Im konkreten Fall stammen ihre MSC aus dem Fettgewebe, weil das verschiedene Vorteile bringt. Obwohl es ihr vordergründig um die Heilung von Sehnenverletzungen bei Pferden geht, hat sie bei ihren In-vitroVersuchen MSC von gleich vier Spezies am Start: Pferd, Mensch, Schaf und Hund. Diese unterscheiden sich in den Details, aber wenn sich Erfolge zeigen, könnten die Ergebnisse von Nutzen für alle Wirbeltiere sein.
Alle Axolotl jetzt? Die Vision der regenerativen Medizin hat große Hoffnungen geweckt. Werden sich Tiere und Menschen also bald ein Beispiel
an Eidechse und Axolotl nehmen, die ganze Körperteile nachwachsen lassen können? Der Idee einer raschen Wunderheilung muss die Forscherin eine Abfuhr erteilen. Herkömmliche Medikamente sind oft Moleküle mit bestimmten Andockstellen. Schon in diesem Fall ist es eine komplexe Aufgabe, eine gezielte, intendierte Wirkung zu erreichen. Bei den biologischen Therapeutika, mit denen sie arbeitet, muss man beachten, „dass diese leben und reagieren. Wir versuchen, die Zellen für die Regeneration am Einsatzort Sehnenverletzung vorzubereiten. Es kann dennoch sein, dass sie sich dort anders verhalten als in der Petrischale“. Die Veterinärphysiologin (40) erforscht speziell die Kontextabhängigkeit der MSC, also welchen Einfluss die Umgebung auf die Wirkung der multipotenten mesenchymalen Stromazellen hat: „Das ist eine Nische, die noch zu wenig beachtet wird. Wir untersuchen, wo sich die MSC wohlfühlen und ‚trainieren‘ sie für ihre Regenerationsaufgabe. Wir bemühen uns, die In-vitro-Modelle
vetmed #3/2023
Forschen
35
36
Wordrap mit
Janina Burk-Luibl Hund oder Katze? Ich bin ein Hundemensch. Was werden Sie an Deutschland vermissen? Meine Familie nahe Gießen und auch die Stadt Leipzig. Was wissen die meisten Menschen nicht über Pferde? Entgegen dem Sponti-Sprichwort können Pferde gar nicht kotzen!
Forschen
vetmed #3/2023
möglichst naturgetreu zu gestalten.“ Im Labor arbeitet sie mit 3D- und dynamischen Zellkulturen oder mit Ko-Kulturen, in denen auch andere Zelltypen vorkommen, die das Milieu in einer verletzten Sehne bereichern. Erst mit diesen Vorerfahrungen sollte ein verletztes Tier experimentell behandelt werden: „Ich bin überzeugt davon, dass die regenerative Zelltherapie Potenzial hat. In einigen Bereichen, wie mit hämatopoetischen Stammzellen in der Humanmedizin, die sich zu Blutzellen differenzieren, ist sie bereits gut etabliert.“ Die große Hürde beim Transfer von In-vitroExperimenten zu klinischen Studien mit aussagekräftigen Ergebnissen sieht sie – nach wie vor – in geringen Fallzahlen. Ein gutes Kollektiv mit einheitlichem Krankheitsbild zusammenzustellen ist in der Tiermedizin schwieriger als in der Humanmedizin. Bald wird sie dennoch die Ergebnisse einer verblindeten Studie zur Feldtherapie von Sehnenerkrankungen veröffentlichen. Unter den Physiolog:innen „bin ich sicher sehr interdisziplinär vorgeprägt“. Zuletzt hatte sie eine Forschungsprofessur an der Pferdeklinik der Justus-Liebig-Universität in Gießen (Deutschland) inne. Nun freut sie sich darauf, als Professorin an der Vetmeduni eine Weiterentwicklung in Forschung und Lehre mit anzustoßen: „Ich schätze den Modernisierungswillen hier im Haus, die Bereitschaft, zukunftsweisende Konzepte umzusetzen.“
Mir ist wichtig, dass den Studierenden das ‚Warum‘ der Lerninhalte klar ist. Ich verdeutliche früh, wofür ein Inhalt gelernt werden muss. Das ist in Wien als Konzept schon sehr gut integriert. JANINA BURK-LUIBL
Das Warum hinter den Lehrinhalten Auch hier braucht es einen langen Atem. Das Fach Physiologie ist umfangreich und für die Arbeit von Tierärzt:innen unverzichtbar. Sie engagiert sich bereits in den Arbeitsgruppen zum Curriculum, wo Inhalte aktualisiert und noch besser abgestimmt werden sollen. Seit 2011 hat sie immer wieder – von Grundlagenkursen bis zu Kleingruppen in Pathophysiologie und regenerativer Medizin – unterrichtet und gutes Feedback bekommen: „Oberste Priorität hat das Veterinärwissen, aber ich bringe auch gerne forschungsorientierte Inhalte ein. Mir ist wichtig, dass den Studierenden das ‚Warum‘ der Lerninhalte klar ist. Ich verdeutliche früh, wofür ein Inhalt gelernt werden muss, etwa den
Zusammenhang zu Krankheitsbildern, dem Gesamtorganismus, der Wirkweise von Medikamenten. Das ist in Wien als Konzept schon sehr gut integriert.“ Zudem möchte sie Digitalisierung in der Lehre vorantreiben, wo es sinnvoll ist. Also eine Mischung aus Präsenz und Selbstlerninhalten mit Podcasts, Videos, Arbeitsblättern, geeigneten Settings für kleine und größere Gruppen – wobei es immer die Möglichkeit geben soll, Fragen zu stellen.
Vom OP ins Labor und zurück Janina Burk-Luibl wuchs nahe Gießen in Mittelhessen mit eigenen Tieren, konkret Hund und Pferden, auf. In der Oberstufe
Forschen
37
verfolgen. Für ihre Forschung erweist sich diese Verknüpfung aus Klinikerfahrung und In-vitro-Passion als hilfreich. Beide Denkweisen, Anforderungen, Einschränkungen und Arbeitsalltage zu kennen, erleichtert es, Ergebnisse aus der Forschung in die klinische Anwendung zu überführen. In kleinen Schritten können oft anwendungsnahe Verbesserungen zum Beispiel bei der Aufbereitung des Zellmaterials umgesetzt werden.
Rückkehr nach Wien
traf sie für sich die Entscheidung, dass ihr Wunschberuf jedenfalls „die Arbeit mit dem Kopf und den Händen vereinen sollte“. In der Tiermedizin wollte sie zunächst Chirurgin werden, arbeitete als Studierende im Fachbereich mit und absolvierte Praktika in Pferdekliniken. Das universitäre Umfeld, geprägt vom intensiven Kontakt mit Studierenden, gefiel ihr. Die Faszination für ihr Spezialgebiet Regenerationsmedizin erwachte beim Besuch eines Wahlpflichtfachs. Für die Dissertation wechselte sie deshalb in ein Labor an der Universität Leipzig. Ihren Doktorvater, Großtierchirurg Walter Brehm, bezeichnet sie heute als ihren Mentor. Dank erfolgreich eingeworbener Drittmittel konnte sie zudem rasch eigene Forschungsideen
Sport für Stammzellen: Im Dehnungsbioreaktor werden Sehnenkonstrukte täglich trainiert, ähnlich wie in der Rehabilitation bei Patienten.
An die Vetmeduni bringt sie neben dem Schwerpunkt MSC-Zelltherapie und -physiologie viele Erfahrungen mit verschiedenen Arbeitsgruppen an unterschiedlichen Standorten mit. An der Pferdeklinik ergänzt sie die Arbeitsgruppe von Professorin Florien Jenner sehr gut und auch die räumliche Nähe erleichtert eine Zusammenarbeit. Auch wenn sie sich in der Petrischale mit der Regeneration von Sehnen befasst, kann sie sich vorstellen – je nach Expertise vor Ort –, auch andere Krankheitsbilder und Organsysteme zu beforschen. Am Institut für Physiologie will sie ihr Wissen um naturgetreue In-vitroModelle einbringen und den Fokus so nicht nur auf Mausmodelle richten: „Wenn wir translationsnahe Forschung anstreben, ist die Maus noch sehr am Anfang des Prozesses und für vieles gar nicht so repräsentativ, gerade in der Orthopädie.“ Wien kennt sie bereits aus ihrer Postdoc-Zeit 2017, als sie am Department für Biotechnologie der Universität für Bodenkultur Wien forschte. Sie freut sich über die Rückkehr und darauf, länger bestehende Arbeitsbeziehungen wieder besser pflegen zu können. Die neue Physiologie-Professorin ist ein deklarierter Stadtmensch: „An Wien mag ich besonders die Donau mit ihren hunderten Badestellen und ich liebe das Essen.“ Kaiserschmarren, Schnitzel und Tafelspitz gehen ihr ganz leicht über die Lippen.
38
Studieren
vetmed #3/2023
Alumni-Splitter Ehrung
Ehrung
Auf Grund der hohen Qualität beider Arbeiten geht der Farm Animal Award 2023 zu gleichen Teilen an: Victoria Drauch und Carlotta De Luca.
Für das Jahr 2023 wird Natascha Leitner für ihre Arbeit mit dem Companion Animal Award ausgezeichnet.
Victoria Drauch „Salmonella Infantis in chicken – Tenacity, Virulence and Immune Response“ Victoria Drauch studierte Veterinärmedizin in Wien mit Spezialisierungen in Geflügelmedizin und öffentlicher Gesundheit. Nach Abschluss des Diplomstudiums begann sie ihr PhD-Studium an der Geflügelklinik und widmete sich dem Bakterium Salmonella (S.) Infantis, welches global eine rasante Ausbreitung in Geflügelmastbeständen zeigt und durch zoonotisches Potenzial vermehrt zu Krankheitsausbrüchen beim Menschen führt. Die Ergebnisse ihrer Arbeit sind grundlegend für einen gezielteren Desinfektionsmitteleinsatz zur Bekämpfung von S. Infantis und zeigen erstmalig virulenz- und wirtsspezifische Unterschiede auf. Darüber hinaus liefern sie einen essenziellen Ausgangspunkt für weiterführende Studien und sind ein wichtiger Beitrag für erhöhte Lebensmittelsicherheit.
Companion Animal Award 2023
Natascha Leitner „The Role of Lipid Droplet Formation in canine Osteosarcoma“ Natascha Leitner studierte Veterinärmedizin in Wien und arbeitet am Institut für Morphologie in der Arbeitsgruppe Histologie. Hier forscht sie an Lipidtröpfchen in Tumorzellen, deren pathophysiologische Bedeutung im Hundeosteosarkom noch nicht geklärt ist. Im Rahmen ihrer Dissertation mit dem Titel „The Role of Lipid Droplet Formation in canine Osteosarcoma“ konnte gezeigt werden, dass Lipidtröpfchen mit bestimmten assoziierten Proteinen (Perilipinen) in Hundeosteosarkomen vorhanden sind. Die Tumorzellen wurden als dreidimensionale In-vitro-Sphäroidzellkulturen gezüchtet, welche einem Mikrotumor in vivo weitgehend entsprechen. Sie konnte beweisen, dass diese Sphäroidzellkulturen für die weitere Erforschung dieser Zellorganellen bestens geeignet sind.
Carlotta De Luca „Fowl adenovirus capsid proteins as broad-protective subunit vaccines against inclusion body hepatitis (IBH) and hepatitis-hydropericardium syndrome (HHS)“ Carlotta De Luca schloss 2016 ihr Studium der Veterinärmedizin an der Universität Padua, Italien, ab. Nach einem einjährigen Praktikum im Labor für Vogelpathologie der Universität Padua wechselte sie an die Universitätsklinik für Geflügel und Fische der Vetmeduni, wo sie promovierte. In ihrer Dissertation stellt sie das neuartige Konzept der rekombinanten chimären Proteine vor, die Epitope aus verschiedenen krankheitsinduzierenden Serotypen des Geflügel-Adenovirus zusammenführen sollen, um das Schutzspektrum von Subunit-Impfstoffen zu erweitern. Die Arbeit untersucht zudem die zelluläre und humorale Immunantwort von Hühnern nach Immunisierung mit solchen Antigenen.
Weitere Informationen und Updates zu Stipendien und Preisen unter: www.vetmeduni.ac.at/studium/ studienorganisation/stipendienpreise-foerderungen
Foto Drauch: Marcelo de Jesus Ramires, Foto De Luca: Victoria Drauch/Vetmeduni, Foto Leitner: Privat
Farm Animal Award 2023
vetmed #3/2023
Studieren
39
Kommentar der Hochschüler:innenschaft der Veterinärmedizinischen Universität Wien (HVU)
Auszeichnung
Begabtenstipendien 2023 Für das Diplomstudium Veterinärmedizin gehen die Begabtenstipendien 2023 an:
Nicole Lautner 4. Studienjahr
Marlene Schmidt 6. Studienjahr
Foto Lautner: Privat, Foto Schmidt: Fabian Dachs, Foto Son: Elmar Erwin Ebner, Foto HVU: HVU
Viola Son 5. Studienjahr
Ein guter Start ins neue Semester? Für rund 2.500 Studierende war es dieses Wintersemester wieder so weit: Beginn des Studienjahres. Für manch älteres Semester eine wiederkehrende Routine und für viele Studierende eine Zeit voller Herausforderungen, aber auch Erfolge. Dass zum Studieren nicht nur das Studieren von Büchern, sondern viel mehr dazugehört, wird von Außenstehenden gerne übersehen. Von einem Termin zum nächsten hetzend, versucht man oft, den dicht gedrängten Stundenplan zu meistern. Ohne Frage bieten sich durch die verschiedenen Außenstellen sehr viele Möglichkeiten zur Weiterbildung und Lehre, der logistische Aufwand, der damit verbunden ist, darf aber auch nicht übersehen werden. Und im ganzen Trubel wird dann leider das Wesentliche übersehen. Nämlich seine Stärken zu fördern und sich auf das Leben nach dem Studium vorzubereiten. In diesem Sinne bitten wir alle Studierenden, nicht den Fokus zu verlieren. Haltet euch immer vor Augen, warum ihr Veterinärmedizin studiert. Es ist ein großartiges und vielfältiges Studium, das euch nach dem Abschluss wirklich viele Möglichkeiten bietet und Türen in ganz unterschiedliche Richtungen öffnet. Wir hoffen, dass eurem zukünftigen Berufswunsch nichts im Weg steht!
Für Absolvent:innen Die Alumni-Karte der Gesellschaft der Freunde der Veterinärmedizinischen Universität Wien bietet Alumni viele Vorteile und ist kostenlos.
Der HVU-Vorsitz (Ludwig, Magdalena und Thomas) rät allen Studierenden, im oft hektischen Studienalltag nicht den Fokus zu verlieren.
40
Forschen
vetmed #3/2023
Abhärtung für Wachtel-Teenager VALERIA MARASCO, neue Assistenzprofessorin für Wildtierphysiologie, erforscht, wie
Wildtiere auf widrige Umweltveränderungen reagieren. Gerade im Wachstum sind sie nicht nur verletzlich, sondern auch physiologisch formbar. Resilienz und Lebenszyklusstrategien werden im Klimawandel auch für Nutztiere an Bedeutung gewinnen. Text: Astrid Kuffner
• Fotos: Michael Bernkopf/Vetmeduni
V Wordrap mit
Valeria Marasco Was vermissen Sie an Italien? Da habe ich eine lange Liste, an die ich nicht zu denken versuche ... Oje. Was mögen Sie denn an Wien? Es ist eine großartige Stadt – von der Kultur über die Infrastruktur bis hin zur Natur. Die Rax ist nur eine Stunde entfernt. Ich habe mit Wandern und Klettern in Schottland begonnen und freue mich darauf, es meiner kleinen Tochter zu zeigen.
aleria Marasco, neue Assistenzprofessorin für Wildtierphysiologie am Forschungsinstitut für Wildtierkunde und Ökologie (FIWI), brennt für Feldforschung: „Ich bin so gerne draußen. Ein Tier ganzheitlich in seiner Nische zu beobachten, kann man nicht zu 100 Prozent simulieren“, schwärmt sie. Natürlich: Das Verhalten der Lebewesen ist nur begrenzt vorhersagbar, es gibt eine Menge Zwänge, der Zeitaufwand ist hoch, die Logistik aufwändig …, deswegen hat sie auch viel Forschung im Labor gemacht, wo Experimente und Langzeitstudien einfacher durchzuführen sind. Eine Wildtierforscherin braucht aber immer einen Plan B und C. Seit sie denken kann, hat die Süditalienerin immer gerne Tiere beobachtet. Aufgewachsen in einer Küstenstadt mit Katzen, Hunden, Ameisen und Spinnen als Anschauungsobjekt. Sie studierte Environmental Biology an der Universität Bologna und im Master Wildlife Management in Florenz. Ähnlich wie ein Zugvogel durchquerte sie Europa weiter von Süd nach Nord für den PhD an der University of Glasgow und landete als Marie-Curie-Postdoctoral-Fellow 2017 am Konrad-Lorenz-Institut für Vergleichende Verhaltensforschung (KLIVV) in Wien.
Aufwachsen und überleben Die Ökophysiologin erforscht im breiteren Kontext, wie Tiere auf Veränderungen in
ihrer Umwelt reagieren und wie verschiedene Einflussfaktoren ihren Lebenszyklus beeinflussen. Gerade in der Jugend sind Organismen nicht nur vulnerabel, sondern eben auch formbar: „Wie Jungtiere aufwachsen und welchen Stressoren sie ausgesetzt sind, bestimmt ihr weiteres Leben mit, wie ihren Alterungsprozess oder ihren Fortpflanzungserfolg. Ich will mit interdisziplinären Ansätzen verstehen, welche Plastizität Tiere in Hinblick auf Umweltveränderungen haben. Wie sie Resilienz aufbauen und wieweit sie sich etwa an den Klimawandel anpassen können.“ Dazu sammelt sie Daten: vom Molekül über die Physiologie und den Stoffwechsel bis hin zur Langzeitbeobachtung des Gesamtorganismus. Eine zentrale Erkenntnis ihrer bisherigen Forschungsarbeit ist, dass Jungvögel, die mit widrigen Einflüssen umgehen mussten, später im Leben resilienter waren. Sie konnten mit Veränderungen umgehen und hatten Anpassungen entwickelt. In Schottland erforschte sie sesshafte, asaisonale Vögel, die keine jahreszeitenspezifischen Muster zeigen. In Wien ging sie erstmals der Frage nach, ob Zugvögel, die für ihre Langstreckenflüge viel Energie brauchen, ihre Physiologie anpassen können, um einen schlechten Start ins Leben auszugleichen. Am KLIVV hatte sie mit der Gemeinen Wachtel (Coturnix coturnix) gearbeitet: „Ein gutes Modell zu finden, war eine Herausforderung. Die Wachteln zeigen auch in Gefangenschaft
vetmed #3/2023
Forschen
41
Wachtel-Variationen: Je nachdem, wie Jungvögel aufwachsen, können sie später im Leben widerstandsfähiger gegen Herausforderungen werden.
Meine Tätigkeit als Forscherin erlaubt es mir, täglich Neues zu lernen und mich dabei manchmal immer noch wie damals als Kind bei meinen Naturbeobachtungen zu fühlen. VALERIA MARASCO
die Anpassungen in Physiologie und Verhalten, ziehen aber nicht weg. So können wir die Einflüsse des Aufwachsens ab dem Ei gut studieren.“ Es zeichnet sich ab, dass es nicht darum geht, Jungtiere in Watte zu packen. Eine gewisse Abhärtung scheint ihnen gut zu bekommen. Am FIWI will Marasco künftig mit ihren Kolleg:innen die Themen Plastizität und Sensitivität vergleichend bearbeiten: „Vögel und Säugetiere haben mehr gemeinsam, als wir denken. Winterruhe und Zugverhalten sind unterschiedliche Strategien, erfordern aber als physiologische Anpassung das Einlagern von Reserven. Beide Gruppen regulieren ihre Körpertemperatur, was sie besonders empfindlich gegenüber hohen Temperaturen macht.“
Transfer in die angewandte Veterinärmedizin Der Job als Forscherin erlaubt ihr, „täglich Neues zu lernen und mich dabei manchmal
immer noch wie damals als Kind bei meinen Naturbeobachtungen zu fühlen“. Neben der Begeisterung für Feldforschung will sie in der Lehre vermitteln, dass Grundlagenforschung eine gute Schule ist. Zum Beispiel für das Design von Experimenten und weil sie Wissen generiert, das auch in Wildlife Management, Schutzstrategien oder Tierwohl einfließen kann. Valeria Marasco hat auch in Schottland an einer Veterinärmedizinischen Fakultät geforscht, was sie als wunderbare Verknüpfung zur angewandten Forschung sieht. Im Kontext von „One Health“ plant sie einen Ökophysiologie-Kurs, der die Reaktion von Wildtieren auf Umweltveränderungen und dabei ablaufende physiologische Prozesse beleuchtet. Mit der zentralen Frage, wie basale Mechanismen und flexible Strategien auch für Farmtiere genutzt werden könnten. Mehr Resilienz werden in Zukunft nämlich viele Lebewesen brauchen.
42
Forschen
Bild der Ausgabe
vetmed #3/2023
vetmed #3/2023
Forschen
MEIN FORSCHUNGSPROJEKT IN 2.000 ZEICHEN
43
Jetzt gewinnen!
STAT5B in Blutbildung und Blutkrebs
Foto leukämische Blasten: Sebastian Kollmann/Vetmeduni, Foto Kollmann: Michael Bernkopf/Vetmeduni, Foto Federpennale: Anne Hermine
Forscher: Sebastian Kollmann ∙ Abteilung: Institut für Pharmakologie und Toxikologie
Ich betreibe hämatopoetische Grundlagenforschung mit Fokus auf dem JAK-STATSignalweg, welcher essenziell in der Blutbildung und oft in Leukämiepatienten überaktiviert ist. Mein Hauptaugenmerk liegt dabei auf zwei Vertretern dieses Signalwegs: STAT5A und STAT5B (spezifische Zellproteine) – gemeinsam auch als STAT5 bezeichnet. Die gewonnenen Erkenntnisse aus meiner Forschung versuche ich, auf Erkrankungen, meist Leukämien, umzumünzen, um neue diagnostische und therapeutische Ansätze zu entwickeln. STAT5 spielt eine entscheidende Rolle in der Entwicklung verschiedener Zelltypen, im Zellwachstum und wirkt auch als Treiber für Leukämien. STAT5A und STAT5B wurden bisher im Blutsystem als gleichwertig angesehen. Wir fanden jedoch heraus, dass STAT5A und STAT5B keine redundanten Rollen im Blutsystem und in Leukämien spielen, und dass bestimmte Zytokine nur STAT5B und nicht STAT5A aktivieren, wohingegen andere Zytokine beide STAT5Proteine einschalten. Dieses Ergebnis zeigt uns, wie wichtig es ist, verschiedene Zelltypen und auch Leukämien getrennt zu betrachten. Meine Forschung an STAT5B läuft weiter. Es gibt unzählige Aspekte, die wir (noch) nicht verstehen, und auch etliche Hürden, die es für erfolgreiche Therapien zu überwinden gilt. Aktuell widme ich mich der schützenden Wirkung von STAT5B vor verschiedenen Stressoren in Blutstammzellen.
In einem weiteren Projekt untersuchen meine Kolleg:innen und ich die aktivierende STAT5B-Mutation, STAT5B N642H. STAT5B N642H wurde meist in Patienten mit T- oder NK*Zellerkrankungen gefunden und in T-ZellLeukämien bereits als Treiber identifiziert. Die Rolle von STAT5B N642H in NK-Zellen ist jedoch noch unerforscht. Wir haben ein Mausmodell generiert, in welchem diese Mutation spezifisch nur in NK-Zellen vorkommt. Diese Mäuse zeigen vermehrt NK-Zellen, aber nur ein Drittel der Tiere entwickelt eine aggressive NK-Zell-Leukämie im fortgeschrittenen Alter. Wir möchten nun im Detail herausfinden, wie STAT5B N642H genau zur Krankheitsentstehung beiträgt und welche Mechanismen vor dieser Erkrankung schützen. * NK-Zellen: Natürliche Killerzellen
Sebastian Kollmann ist Postdoc am Institut für Pharmakologie und Toxikologie. Speziell fokussiert er sich auf den JAK-STATSignalweg in hämatopoetischen Stammzellen, myeloproliferativen Neoplasmen und myeloischen Leukämien.
Foto links: Ansicht von leukämischen Blasten im Blut (mittels H&E-Färbung) einer STAT5BN642Hgetriebenen, aggressiven NK-Zell-Leukämie.
Gewinnfrage beantworten und ein VetmeduniFederpennal aus recycelten Fahnen und Bannern der Wiener Designerin Anne Hermine gewinnen! Gewinnfrage In welchem der folgenden Forschungsfelder arbeiten die in dieser Ausgabe vorgestellten neuen (Assistenz-)Professorinnen nicht? a) Verhaltensbiologie b) Glykobiologie c) Wildtierphysiologie d) Regenerationsmedizin in der Orthopädie Mitmachen Antworten können bis 26. Jänner 2024 an communication@ vetmeduni.ac.at geschickt werden. Alle korrekten und zeitgerecht abgegebenen Antworten nehmen an der Verlosung teil. Auflösung der letzten Ausgabe: Bei der Anfertigung einer Antibiotika-Resistenztestung wird ein Antibiogramm eingesetzt.
44
Forschen
vetmed #3/2023
Verrückt nach Zucker ALBA HYKOLLARI, Spezialistin für Glykobiologie, ist neue Assistenzprofessorin für
Biochemie – Bioanalytische Chemie an der Vetmeduni. Mittels Massenspektroskopie baut sie Brücken vom Bruchteil eines Organismus in Probenform hin zu großen Zusammenhängen wie Stress, Allergien, Infektionen und Winterschlaf. Dafür wird sie weiterhin zwischen dem Wilhelminenberg und dem Campus in Floridsdorf pendeln. Text: Astrid Kuffner
• Fotos: Michael Bernkopf/Vetmeduni
W Wordrap mit
Alba Hykollari Der beste Platz für Zucker ist … … im Guglhupf!
enn Proteine die Bausteine des Lebens sind, was sind dann Zuckermoleküle? Für Alba Hykollari, Biochemikerin mit Spezialgebiet Glykobiologie, sind sie „wahrscheinlich deren beliebteste Begleiter“. Sie binden als Makromoleküle an Proteine, markieren sie, bieten Andockstellen, alarmieren das Immunsystem oder können Erreger verstecken. Oft wirken sie wie Aushängeschilder, weil sie an der Oberfläche von Zellen präsentiert werden. Sie machen etwa den Unterschied bei Blutgruppen und spielen bei Allergien eine Rolle. Sie kommen in Protozoen ebenso vor wie im Wirbeltier: „Parasiten haben sehr verrückte Zuckerstrukturen“, weiß die neue Assistenzprofessorin für Biochemie – Bioanalytische Chemie, die seit 2021 bereits das Biochemie-Labor des Forschungsinstituts für Wildtierkunde und Ökologie (FIWI) auf dem Wilhelminenberg leitete.
Hat das von Ihnen am häufigsten verwendete MassenspektroskopieGerät einen eigenen Spitznamen? Nein, ich sage immer nur: Ich arbeite mit der Masse.
Eine Brücke zwischen Lebenswelt und Technologie
Albanisch ist ihre Muttersprache. Haben Sie ein Lieblingssprichwort? Meine Mama hat immer gesagt: Der schöne Tag zeigt sich am Morgen.
Doch wie fanden sie und ihr Spezialgebiet zusammen? Zunächst war Musikerin eine Joboption, Medizin wäre ihre zweite Idee gewesen. Ein Lokalaugenschein im Fach Lebensmittel- und Biotechnologie an der Universität für Bodenkultur Wien machte sie
sicher. Damals besuchte sie noch das ORG in Eisenstadt mit musischem Schwerpunkt (Klavier und Gitarre): „Mit 19 Jahren möchte man manchmal nicht mehr machen, was man vorher gemacht hat. Mich hat der Stundenplan mit Chemie, Mikro- und Molekularbiologie, Maschinenbau, Zellbiologie und Physik gepackt und diese Mischung begeistert mich bis heute. Biotechnologie ist für mich eine Brücke zwischen Lebenswelt und Technologie.“ Nach dem Postdoc wechselte sie 2018 von der BOKU in die Proteomics-Einheit der VetCore Facility der Vetmeduni. Sie kannte das Team bereits, weil sie Proben für ihre Dissertation dort gemessen hatte. Die High-EndGeräte und Möglichkeiten der Bioanalytik sind dort State of the Art. Ihr Arbeitsmittel ist die Massenspektrometrie, „die sehr sensitiv und zuverlässig Moleküle in niedriger Konzentration nachweisen kann“. Als sie im März 2021 das Biochemie-Labor des FIWI übernahm, erweiterte sie ihre Vorliebe für Zucker um die häufig benötigte Fettsäureanalytik, die Suche nach Metaboliten sowie die entsprechende Beratung.
Rückschlüsse aus Proben ziehen Die Kunst besteht darin, aus dem Bruchteil eines Organismus – also Proben aus Muskeln,
vetmed #3/2023
Forschen
45
Die Mischung aus Chemie, Mikro- und Molekularbiologie, Maschinenbau, Zellbiologie und Physik begeistert mich bis heute. Biotechnologie ist für mich eine Brücke zwischen Lebenswelt und Technologie. ALBA HYKOLLARI
Effekten des Winterschlafs zu beantworten.“ Alba Hykollari und ihr Team bereiten die Proben entsprechend auf: Vom Muskel zum Molekül ist es nämlich ein weiter Weg. „Wir arbeiten uns in Pilotstudien von der Hypothese und dem Vergleich von Versuchs- und Kontrollgruppen vor hin zum Nachweis des passenden Moleküls und liefern validierte Ergebnisse. Die Zusammenhänge werden indirekt durch die statistische Auswertung unserer Daten gewonnen“, so die 40-jährige Assistenzprofessorin.
Modellbau einmal anders: Biochemikerin Alba Hykollari kommt der Funktion von Zuckermolekülen mittels Massenspektrometrie auf die Spur.
Blut, Harn, Zellen, Haaren etc. – mehr über seinen Zustand zu erfahren. Das Ergebnis einer Massenspektrometrie ist ein Diagramm der Bestandteile und ihrer Anteile. Mittels In-vitro-Experimenten versucht sie dann, Rückschlüsse auf die biologische Bedeutung zu ziehen, also ob Moleküle etwa infizierte Tiere von nichtinfizierten Tieren unterscheiden können, oder wie Zucker interagiert: „Die Kooperationen am FIWI sind nie Routine, sondern oft Methodenentwicklung. Gemeinsam mit den Kolleg:innen machen wir uns auf die Suche nach geeigneten Markern, um Fragen zu Stress oder den
Durch die Professur verändert sich ihr Forschungsfeld nicht, aber sie möchte Kooperationen innerhalb der Vetmeduni ausweiten und vertiefen. In der Lehre wirkt sie bei Labordiagnostik-Übungen für Veterinärmediziner:innen und im Studiengang Biomedizin mit. Sie will vom Grundlagenkurs bis zum Masterstudium für ihr Fach begeistern. Deshalb steht neben dem technischen Aspekt auch der eigentliche Nutzen diverser Quantifizierungsmethoden im Mittelpunkt. „Ich arbeite gerne mit praktischen Beispielen“. Wenn sie nicht im Labor steht und die Geräte bändigt, verbringt sie am liebsten Zeit mit ihren beiden Töchtern, geht gerne schwimmen oder kocht Marmelade ein. In der Musik hat sie „mit Begeisterung die Seiten gewechselt. Ich höre heute lieber zu: in der Oper und im Musikverein“.
46
Service
vetmed #3/2023
Bibliothek Text: Franz Michlmayr und Werner Hirschmugl
Praxisleitfaden Hund und Katze Der Praxisleitfaden Hund und Katze bietet einen guten Überblick über die verschiedenen Fachgebiete in der Kleintierpraxis. Symptomatik, klinische Untersuchung, Diagnostik und Therapie aller relevanten Erkrankungen von Hund und Katze werden ausführlich beschrieben. Für diese Auflage haben Fachtierärzt:innen die Inhalte in den Bereichen Anästhesie, Erkrankungen des Atmungsapparats, Dermatologie, Endokrinologie, Ernährung, Erkrankungen des Gastrointestinaltrakts, Infektionskrankheiten, Kardiologie, Klinische Pathologie/Labordiagnostik, Neurologie, Notfall- und Intensivmedizin, Onkologie, Ophthalmologie, Orthopädie, Parasitologie, Reproduktionsmedizin, Toxikologie, Urologie, Zahnheilkunde und Zytologie auf den aktuellen Stand gebracht. Ein Wirkstoff- und ein Sachverzeichnis ergänzen die Inhalte.
Ich möchte tiergestützt arbeiten! Dieser Titel bietet einen sehr guten Einstieg in die tiergestützte Arbeit. Diplom-Pädagogin Caroline Kohlmey aus Berlin leitet seit mehr als 20 Jahren Kinder- und Jugendeinrichtungen und kann daher auf umfassende Erfahrungen zurückgreifen. Sie beschreibt praxisnah die Wirkungen von Hunden, die Lernerfahrungen durch Tiere, die Voraussetzungen für die Arbeit und die Einsatzmöglichkeiten in der Kinder- und Jugendarbeit, aber auch deren Grenzen. In 25 Fallbeispielen berichtet sie aus ihrem Alltag. Ergänzend ist das Dokument „Hundesprache verstehen“ online verfügbar, es kann auf der Homepage des Ernst Reinhardt Verlags unter www.reinhardt-verlag.de heruntergeladen werden.
Neues aus der Bibliothek
Open Access – freier Zugang zu wissenschaftlicher Literatur Open Access bezeichnet den kostenfreien und offenen Zugang zu wissenschaftlicher Literatur und wissenschaftlichen Informationen im Internet. Als öffentliche Einrichtung fördert die Vetmeduni Open Access, um den freien Zugriff auf Forschungsergebnisse ihrer Wissenschafter:innen sicherzustellen. Die Universitätsbibliothek unterstützt und berät in enger Abstimmung und Kooperation mit dem Büro für Forschungsförderung und Innovation (FFI) die Wissenschafter:innen der Vetmeduni bei der Veröffentlichung ihrer Forschungsergebnisse in Open Access. Unter anderem ermöglichen die Finanzierung von Publikationsabkommen mit Verlagen und die Einrichtung des Open-Access-Fonds, dass Universitätsangehörige Open-AccessArtikel in renommierten Zeitschriften kostenfrei publizieren können. Auf dem institutionellem Repositorium Phaidra, welches von der UB betreut wird, können in Open Access veröffentlichte Artikel von jeder und jedem abgerufen werden.
Online-Zugang zu Open Access www.vetmeduni.ac.at/ universitaetsbibliothek/services/ open-access
Ingo Nolte (Hrsg.): Praxisleitfaden Hund und Katze 4., komplett überarbeitete und erweiterte Auflage, 2023
Caroline Kohlmey: Ich möchte tiergestützt arbeiten! Einstieg in die pädagogische und soziale Praxis mit Hund, 2023
Online-Zugang zu Phaidra https://phaidra. vetmeduni.ac.at
Foto: Ernst Hammerschmid/Vetmeduni
vetmed #3/2023
VetmeduniAlumni
Service
Wir gratulieren unseren neuen Absolvent:innen ganz herzlich! Alle Bilder der Sponsionsfeiern sowie weitere Informationen für Alumni unter: www.vetmeduni.ac.at/alumni
47
P.b.b. Österreichische Post AG / Firmenzeitung PTA Zul.-Nr. 15Z040393 F Abs.: Veterinärmedizinische Universität Wien, Veterinärplatz 1, 1210 Wien
E RGÄ NZ U NGSFUT T ERMIT T E L
CATHROSAN
COSMO (8), springt wieder auf seinen Lieblingsplatz
JETZT
NEU!
Ergänzungsfuttermittel für Katzen Zur Unterstützung der Gelenkgesundheit und Bewegungsfreude – exklusiv beim Tierarzt und in unserem Online-Shop.
08 00/66 55 320 (Kostenfreie Service-Nummer) www.vet-concept.com