Viertelvor Ausgabe 4

Page 1

VIERTEL VOR

das heft fürs nauwieser viertel

# ♠

4

12/04 kostenlos



3 Foto > Mark Kraemer

H

erzlich willkommen zu der 4. Ausgabe von VIERTELVOR. Unser kleines Stadtmagazin wird mittlerweile von einem immer größer werdenden Publikum wahrgenommen. Das bedeutet natürlich auch eine kritischere Auseinandersetzung und wir finden es gut und richtig, wenn unser Magazin zum Diskutieren einlädt. Merkwürdigerweise nahm bei dem letzten Heft niemand Anstoß an den Puff-Bildern – wie wir das vielleicht erwartet hätten – , stattdessen fanden einige (wenige) Leser das „Redbull-verleiht-Flügel“Foto mit der überfahrenen Taube geschmacklos. Wir wollten dabei alles andere als den Wohlgefallen am Tod eines Tieres ausdrücken (wir haben die Taube auch nicht überfahren!), vielmehr auf die Kurzlebigkeit eines Werbeslogans abzielen. Das fällt unter die Rubrik „Satire“. Es ist unserer Meinung nach keineswegs zynisch, die Realität abzubilden! Durchaus kann jedoch der Umgang mit unserer Welt zynisch und geschmacklos sein. Satire ist und war dabei schon immer ein probates künstlerisches Mittel, sich mit diesen Mißständen auseinanderzusetzen. Alle bisher erschienenen Ausgaben kann man sich übrigens kostenlos im Buchladen in der Försterstraße oder natürlich bei uns (info@schillingundfreunde.de) besorgen. Solange der Vorrat reicht... viel Spassss! Ralf Leis und Frank Schilling


seite

7

seite

10 seite

36

seite

50

seite

18

seite

66

4

seite

seite

24

seite

40

seite

seite

34

46

58

seite

60


viertelvor 04 inhalt

kurzes

seite

kleinkunst

7 seite

10

von > Ralf Leis

man kommt immer wieder zurück

18

seite

I n t e r v i e w m i t Ta i f o u r D i a n e v o n > M a r t i n H u p p e r t u n d R a l f L e i s

hansiemolezigarettche?

24

seite Fotobericht ausm Pflegeheim St. Johann von > Berthold König und Ralf Leis

veranstaltungsadventskalender

seite

34

M i t Vi e r t e l v o r d i e T ü r c h e n a u f m a c h e n

ins kino gehen macht glücklich

seite

36

Vo r b e r i c h t ü b e r d a s M a x - O p h ü l s - F i l m f e s t i v a l

wie sicher ist das viertel?

5

40

seite Bericht aus dem Bunker in der Schmollerstraße von > Frank Schilling

wenn alles nur noch schön ist

seite

46

von > Judith Liere

der arme herr sähme schreibt aus der nähe von gifhorn

seite

von > Hans Gerhard

das inoffiziellste und subjektivste viertel-mixtape aller zeiten seite 58 v o n > d r. p o p

der kleine punkrocker Ein Schwank von > Germaine Paulus

impressum nachschlag v o n > To s t e k i

seite

64

seite

66

seite

60

50


Auf dem Weg zu Freifrau Schmidt nahm er noch was zu trinken mit. Reklame

6

Reklame

Robert Gernhardt


kurzes

♠ Versteht es!

Ein Appell aus der Blumenstraße. Zwar knapp formuliert, aber inhaltlich schlüssig, unterstützen wir die Aussage voll und ganz.

♠ Der Würfel ist gefallen 7 Offensichtlich hat der Ex-Sparmarkt seine neue Bestimmung nun definitiv als Kleidergeschäft und „Asia-Outletchen“ gefunden. Man kann darüber streiten, ob ... vielleicht ... nicht ... doch ... ein Lebensmittelgeschäft ... wünschenswerter wäre? oder doch ein MiniKulturzentrum? oder eine Riesen-Carrera-Bahn? oder ‘ne gläserne Hippie-Kommune? oder endlich mal ein Plattenladen? Nun ja, wir wünschen euch auf jeden Fall Erfolg.

♠ Giovanni macht wieder ein Fest... Im Ex-Sparmarkt gaben die Macher von „C´est dur la culture“ 2003 ihr Debüt. Seitdem entstehen an wechselnden Orten mit unterschiedlicher künstlerischer Besetzung immer wieder neue löbliche Events – ob Großveranstaltung mit über 1000 Besuchern, Kunstausstellung oder Undergroundparty. „Zwischenspiel im VHS“ – unter diesem Namen geht die erfolgreiche Veranstaltungsreihe am 18.12.2004 im VHS-Zentrum in die vierte Runde. Jazz in all seinen klassischen und modernen Facetten ist dieses Mal Thema und Programm, dass sich über mehrere Räume und Bühnen erstreckt. Wie immer hat die Veranstaltung den Anspruch, neue Impulse der jungen Saarbrücker Kulturszene zu bündeln, Kulturgenuss mit Partyfaktor abseits der bekannten Wege zu bieten, den interkulturellen Austausch zwischen Alt und Jung anzuregen und natürlich jungen saarländischen Künstlern eine Bühne zu geben. Fein!


Reklame

8

Reklame


kurzes

♠ Mitmachen!

Im September 2000 hat der Ausschuss für Bau- und Planungswesen beschlossen, die im Rahmen des „Lokale Agenda 21 Prozesses“ vom Fachforum „Stadt und Landschaft gestalten“ entwickelten Pläne zur Neugestaltung des Landwehrplatzes in das Zuschussprogramm „Sanierung Nauwieserviertel“ aufzunehmen. Dass das Ganze nicht unter Ausschluss der Öffentlichkeit passiert, sondern das Konzept Transparenz und eine rege Bürgerbeteiligung vorsieht, ist löblich. Bürger, Politik, Verwaltung und Interessenvertreter sollen durch das Beteiligungskonzept frühzeitig in das Projekt mit eingebunden werden, um eine höhere Akzeptanz zu erzielen. Anlässlich des 3. Landwehrplatzforums im September 2004 wurde ein Modell von insgesamt 4 vorgeschlagenen von der versammelten Bürgerschaft mehrheitlich zur weiteren Bearbeitung empfohlen. In den folgenden Foren soll dieses nun in seiner Detailausgestaltung diskutiert werden. Für weitere Informationen gibt’s an der Saarbahnhaltestelle Landwehrplatz eine sehr hübsche InfoBox, man kann sich mit Fragen zu dem Projekt auch direkt ans Stadtplanungsamt wenden: U l r i c h H e i m a n n , Te l : 9 0 5 - 4 1 6 7 , > > u l i . h e i m a n n @ s a a r b r u e c k e n . d e

9

♠ 15 Jahre lecker Koffein Dem Café unseres Vertrauens möchten wir an dieser Stelle herzlich zum Geburtstag gratulieren. 15 Jahre hat das Ubu Roi mittlerweile auf dem Buckel. Trotz des pubertären Alters, kurzzeitigem FIP-Verlust und Wespenplage hält König Ubu den Kurs – hoffentlich noch lange! Darauf einen doppelten Milchkaffee...

♠ VIERTELVOR online Unser tapferes Stadtmagazin ist jetzt auch online vertreten und zwar bei den Kollegen vom sehr empfehlenswerten Kulturserver urbanculture.de. Dort sind neben Fakten, Entstehungsgeschichte und den beteiligten Personen auch eine Auswahl von Artikeln und Beiträgen der veröffentlichten Hefte nachzulesen. > > w w w. u r b a n c u l t u r e . d e


kleinkunst

10


11

von > Ralf Leis

M

an kann sich denken, dass sich ne Menge Leute drüber aufregen, über die Kritzeleien, die Tags, die Aufkleber, die Graffitis. Tatsächlich scheint es eine Manie von den Kids mit den dicken Eddings zu sein, keine einfarbige Fläche zu dulden. Von Akne der Städte ist die Rede. Allerdings gibt es meiner Meinung nach einen Unterschied zwischen den Edding-Tags, die überall hingedingst werden, wie Hunde ihr Revier markieren und den subtileren kleinen Kunstwerken, die teilweise einfach große Klasse sind. (Street-Art nennt man das, hab ich gehört). Bei näherem Hinsehen kann man durchaus Talent, Stil und Humor erkennen. Deshalb wollen wir diesen anonymen Künstlern hier mal ein kleines Denkmal setzen. Die überall auftauchenden SchneemannAufkleber habe ich jedenfalls ins Herz geschlossen – allemal mehr als sämtliche bescheuerten Autoaufkleber dieser Welt...


12


â™ Willkommen zur Ausstellung der anonymen KĂźnstler im freien Raum. Entgegen den massenwirksamen Charaktereigenschaften von Werbeplakaten oder den wenig subtilen Politparolen sind in diesem Fall die zu transportierenden Informationen eher ideologiefrei und geheimnisvoll...

13


♠ Taxidriver (Robert de Niro wurde auch schon von andern erkannt), Kreidewespen, Ratten-

schatten und Päckchenzettelpilze – Ausdruck urbaner Reflektion – rätselhaft, sinnfrei, sich selbst erklärend, oder ideal passend.

14


15


Das Teefachgeschäft in Saarbrücken Maria Backes Cecilienstraße 4 66111 Saarbrücken Tee-lefon: 0681/390 43 53 Tee-lefax: 0681/390 43 41 eMail: info@tee-atelier.de www.tee-atelier.de Reklame

Reklame

16

Reklame


Reklame

17

Reklame

Reklame


viertel forward präsentiert: taifour diane, stürmer beim 1.fc saarbrücken und viertelbewohner. von > Martin Huppert und Ralf Leis

man kommt immer wieder zurück O

rtstermin Mingo Due, Nauwieser Viertel, das Wohnzimmer von Taifour Diane oder Bruder Tai, wie er hier genannt wird. Unser Interviewpartner kommt gut gelaunt aber leicht verspätet, weil er noch einen verletzten Kollegen mit Essen versorgte. Da Diane nicht nur im Viertel isst, sondern auch hier wohnt, ist es höchste Zeit, den sympathischen Guineaner unseren Lesern vorzustellen. Beginnen wir zunächst mit seiner höchst abwechslungsreichen Karriere als Profifußballer.

18 Winter 1990, New York: der 18jähirge Taifour

Diane landet bei seinem Onkel in New York, da er für sein eigentliches Ziel Frankreich kein Visum bekam. „Ich habe jedes Wochenende im Park trainiert. Dort hat mich ein Jamaikaner entdeckt und für seine Amateur-Mannschaft verpflichtet. Eines Tages fragte er mich, ob ich nicht Profi werden wollte und arrangierte ein Probetraining bei den Colorado Foxes in Denver. Die haben nach einem Tag Training gesagt, du bleibst hier! Meine Eltern waren damit nicht sehr einverstanden, weil ich noch so jung war. Irgendwie habe ich sie aber überzeugt, denn mit dem Geld, das ich dort verdiente, konnte ich auch der Familie in Guinea helfen.“

„Die Liga war natürlich nicht so stark wie hier, aber für mich war es aufregend, zwischen Afrika und Amerika ist schon ein großer Unterschied. Bei Heimspielen hatten wir zwischen 1000 und 1500 Zuschauer, nur beim Finale waren es mehr. Dort hat mich dann ein Spielerberater, der gerade in den USA im Urlaub war, entdeckt und nach Leverkusen vermittelt.“

1991-1993, Denver: Taifour Diane wird zweimal Meister und einmal Pokalsieger mit den Colorado Foxes. Zudem steht er zweimal im Allstar Team und wird einmal Most Valueable Player (Vergleichbar mit Fußballer des Jahres).

1994-2002: Diane kommt bei Bayer Leverkusen nur zu einem Bundesligaspiel. Er versucht in der Saison 95/96 zum ersten mal sein Glück beim FCS, hat aber Verletzungspech und zieht weiter nach Gladbach. Auch dort kommt er nicht richtig zum Zug und geht schließlich 1997 nach Homburg, wo er in der Regionalliga in 31 Spielen 17 Tore schießt. Durch die „Fusion“ zwischen Homburg und Saarbrücken im folgenden Jahr wechselt Diane ein zweites Mal nach Saarbrücken. Aber auch aus diesem Gastspiel entwickelt sich keine innige Leidenschaft und so wechselt er wieder. Diesmal nach Aachen, wo er drei Jahre bleibt.

Kann man den amerikanischen Fußball mit dem deutschem vergleichen?

„Eugen Hach war damals noch Co-Trainer bei Waldhof Mannheim und wollte mich dorthin


19


holen. Dann ist er aber als Cheftrainer nach Aachen, die damals in die 2. Liga aufgestiegen waren. Ich habe ihn angerufen und so kam ich nach Aachen. Das war bis jetzt die längste und wohl auch schönste Zeit meiner Karriere.“

21.03. 2004: Der FCS spielt gegen die Amateure des 1.FC Kaiserslautern nur 3:3. Bei den Fans schwindet der Glaube an den Aufstieg in die 2. Liga und ihr Zorn entlädt sich vor allem an einem Spieler: Taifour Diane.

Sommer 2002 – Winter 2003: Kein neuer Vertrag in Aachen und ein Autounfall bedeuten 20 eineinhalb Jahre Leidenszeit für Taifour Diane.

Sie haben bei ihrem dritten Anlauf in Saarbrücken nicht gerade als Publikumsliebling begonnen. „Ja, das war schwer. Ich habe 4 Spiele mitgemacht, meiner Meinung nach auch ganz ordentlich, denn nach eineinhalb Jahren Verletzungspause kommt die Fitness nicht von heute auf morgen zurück. Ich habe ein paar Fehler gemacht, weil ich auf der falschen Position gespielt habe. Im Sturm waren Sambo Choji und Günther Thibaut gesetzt. Ich habe es im Mittelfeld versucht, das hat nicht gepasst. Weil wir nicht erfolgreich waren, haben sich die Fans einen rausgesucht – und das war ich.

„Das war eine schwierige Zeit, weil ich anfangs dachte, das wird vielleicht nichts mehr. Kein Vertrag, der Unfall, 8 Monate Führerschein weg, dann die Operation: Kreuzband, Meniskus, im Knie war alles kaputt. Aber meine Eltern haben mir Mut gemacht, und dann habe ich gesagt, ok, ich versuche es noch einmal…“ 10.11.2003: Hach wird neuer Trainer beim 1.FC Saarbrücken, nachdem Horst Ehrmantraut entlassen wurde. In der Winterpause verpflichtet er zum Unmut vieler Fans Taifour Diane. Wie kam der dritte Wechsel nach Saarbrücken zu Stande? „Den Kontakt hat Uli Sude (Dianes Trainer in Homburg, später Trainer in Saarbrücken. Anm. d. Red.) hergestellt, der ein guter Freund von Herrn Ostermann, unserem Präsidenten, ist. Eugen war Trainer und der kannte mich ja aus Aachen. Nach 2 Wochen Probetraining waren dann alle überrascht, ich selber auch, dass das Knie gehalten hat. Ich war einfach froh, wieder auf dem Fußballplatz zu stehen.“

24.04.2004: In Saarbrücken dreht sich das Trainerkarussell in einer ganz neuen Variante. Der Nachfolger ist der Vorgänger des amtierenden Trainers: Auf Hach folgt Ehrmantraut. Wie war das für Sie, als der Trainer ging, der sie verpflichtet hatte? „Ehrmantraut hat mich nicht gekannt und anfangs war es sehr schwer für mich, da ich überhaupt keine Chance bekam. Aber ich habe mir immer gesagt, hab Geduld, mach dein Training und beweise, dass du noch spielen kannst und irgendwann klappt es dann. Aber nichts ist


passiert. Ich war kurz davor zu wechseln. Der Verein hat mich fünf Tage freigestellt. Ich bin nach Katar geflogen, um dort ein Probetraining zu absolvieren und wollte auch dort bleiben, aber dann ließ mich Saarbrücken nicht gehen.“ 19.09.2004: Nach misslungenem Saisonstart in der 2.Liga wird der FC immer stärker und schlägt den Aufstiegsaspiranten Eintracht Frankfurt mit 3:0. Zweifacher Torschütze: Taifour Diane, der bei Saisoneröffnung noch von den eigenen Fans ausgepfiffen wurde. Hat sich das angedeutet, dass Sie in diesem Spiel ihre lang ersehnte Chance bekommen? „Ich war total überrascht. Mit Marco Laping hatte sich ein Abwehrspieler verletzt und der wird dann normalerweise durch einen Abwehrspieler ersetzt. In der Pause hat mir der Co-Trainer ein Zeichen gegeben, dass ich mich warm machen soll. Ich hab mich umgeschaut, ob noch jemand hinter mir steht, aber er meinte tatsächlich mich. Das hat mich sehr gefreut – für harte Arbeit wird man immer belohnt.“ Als Sie das erste Tor geschossen haben, hat Sie fast die gesamte Mannschaft in Richtung Fan-Block geschoben. Wie ist das Verhältnis innerhalb der Mannschaft? „Nach den Niederlagen zu Beginn der Saison war die Stimmung in der Mannschaft nicht so gut. Bei einem Mannschaftsabend haben wir uns gesagt, dass wir zusammenste-

hen müssen. Seitdem ist der Teamgeist stärker. Als ich dann das Tor gemacht habe, haben sich die Jungs gefreut, weil jeder gesehen hat, dass ich im Training alles gab, obwohl ich wusste, dass ich bei dem Trainer kaum Chancen hatte. Das war sehr wichtig für mich, weil ich gemerkt habe, die Mannschaft steht hinter mir.“ Gibt es besondere Freundschaften zu an- 21 deren Spielern? „Ich verstehe mich mit allen. Privat treffe ich mich mit Caruso, Henry Heeren oder Peter Eich, aber wie gesagt ich, ich komme mit allen sehr gut aus.“ Und wie ist das Verhältnis zum Trainer mittlerweile? Bestimmt besser! (lacht) „Ja. Ein Vier-Augen-Gespräch haben wir noch nicht gehabt, aber er versucht jetzt offener mit mir umzugehen. Er weiß, dass ich mehr kann, also hoffe ich, dass ich gesund bleibe und dann sehen wir mal was kommt.“ 03.10.2004: Einmal ist keinmal, denkt sich Taifour Diane und lässt beim 2:0 Sieg gegen Köln den nächsten Doppelpack folgen. Bei seiner Auswechslung kurz vor Spielende wird er von den Fans gefeiert. Was ist das für ein Gefühl, wenn dieselben Fans, die vor wenigen Wochen noch gepfiffen haben, Sie plötzlich feiern? „Ich denke, das war nur ein Teil der Fans, der mich damals ausgepfiffen hat. Ich glaube,


die richtigen Fans wissen, dass ich fußballerisch nicht schlecht bin. Es gibt Spiele, wo es mal nicht so gut läuft – ein richtiger Fan würde dann hinter dir stehen. Das tut schon weh, aber ich bin Profi und im Fußball ist es manchmal so 22 und manchmal so.“ Informieren Sie sich, was in den Medien und im Internet über Sie geschrieben wird? „Also, da bin ich ganz weg von. Als Eugen Hach noch Trainer war, gab es sehr viel negative Kritik, das hat mir nicht gefallen. Und als Hach weg war, hat sich niemand mehr für mich interessiert. Sportbild habe ich immer gelesen, das ist ein ganz anderes Level als die Saarbrücker Zeitung.“ Themenwechsel. Nachdem wir seinen sportlichen Werdegang kennen, interessiert uns natürlich noch, wie ein guineanischer Fußballprofi fern seiner Heimat lebt. Wie sind Ihre Erfahrungen mit Rassismus in Deutschland? „Als ich ganz neu in Deutschland war, hat mich ein Gegenspieler versucht zu provozieren. Ich verstand zwar noch kein Deutsch, aber „Nigger“ habe ich verstanden und ihm eine Kopfnuss verpasst. Ich bekam direkt die rote Karte (lacht). Man hört schon gewisse Dinge auf dem Sportplatz, aber ich denke, die Gegner

wollen ja auch gewinnen und die glauben, das hilft ihnen… Außerhalb der Stadien habe ich zum Glück noch kein Problem mit Rassismus gehabt. Ich komme mit jedem klar.“ Was gefällt Ihnen an Saarbrücken? „Saarbrücken ist eine renommierte Stadt, man kann gut ausgehen, die Menschen sind nett und man sagt hier ja auch: Wenn man weg geht, kommt man immer wieder zurück! Wegen der Nähe zu Frankreich und Luxemburg ist die Mentalität hier im Saarland schon anders. “ Warum wohnen Sie im Nauwieserviertel? „Mingo hat mir die Wohnung besorgt. Ich bin ja oft hier und kann in der Stadt alles zu Fuß erreichen. Und das Stadion ist auch nicht so weit weg.“ Wie sieht der typische Tagesablauf im glamourösen Leben eines Fußballprofis aus? „Haha, ganz normal. Morgens aufstehen, das Training beginnt meistens um 10. Dann Mittagessen bei Mingo, am liebsten Pasta mit viel Salat. Der Trainer sagt immer, kein Weißbrot, keine Butter essen und auch keine Cola trinken, aber das klappt nicht immer. Nachmittags ist dann meistens noch mal Training. Ich versuche profihaft zu leben, normal zu essen und auszugehen. Außerdem spiele ich gerne Tennis und höre Musik oder gehe Tanzen…“


Lieblingsmusik? „Ich bin R’n’B Fan, vor allem R. Kelly und Salsa höre ich auch ganz gerne.“ Gehen Sie auch im Viertel aus? „Ja, es gefällt mir gut hier. Viele kleine Cafés, man kann im Sommer draußen sitzen und essen, z. B. am Nauwieserfest. Das macht Spaß, da kann man mal andere Leute sehen als die Kameraden, Frauen anschauen (lacht)…“ Haben Sie sich schon Gedanken über die Zeit nach dem Ende Ihrer Karriere gemacht? „Ja, ich habe gerade meine C-Lizenz als Trainer gemacht, weil ich beim Fußball bleiben will. Ich möchte auch noch die A-Lizenz machen und dann im Jugendbereich oder bei einem Amateurverein zunächst als Co-Trainer arbeiten.“ Hier in Deutschland? „Hier wäre mir am liebsten. Später könnte ich dann nach Guinea gehen und den Jungs

dort helfen. Aber momentan will ich erst mal hier Erfahrung sammeln.“ Haben Sie noch viel Kontakt nach Guinea? „Ich fliege in der Sommer- und der Winterpause hin und telefoniere öfter mit meinen Eltern. Ich habe noch zwei Brüder in Deutschland, Mönchengladbach und Dortmund. Der eine spielt in der Landesliga Fußball, der andere ist kein guter Fußballer (lacht)…Am Anfang hatte ich oft Heimweh, aber mittlerweile ist Deutschland so was wie meine zweite Heimat.“ Wie ist eigentlich Ihr Spitzname Schneeflöckchen enstanden? „Das kam von meinem Berater Norbert Pflippen. Als ich das erste mal in Deutschland war, fragte er mich, ob ich wüsste, was Schneeflocken sind. Als dann der erste Schnee fiel, hat er mir die Flocken gezeigt und seitdem hat er mich Schneeflöckchen genannt.“

23

Salon

VALENTE Giuseppe Pascale

Nauwieserstraße 9 • Tel: 06 81 / 3 65 71 Di - Fr: 8.00 -18.00 Uhr • Sa: 8.00 -14.00 Uhr

Beachten Sie unsere Tages-Specials! Cecilienstraße 5 / 66111 Saarbrücken Tel.: 06 81 / 93 88 20 9 Reklame

Reklame


Maria Schieler *geb. 1933 Magd seit 14 Jahren im Pflegeheim

24

Albert Leidinger *geb. 1935 Bergmann seit 14 Jahren im Pflegeheim


reingeschaut haben wir. ins pflegeheim st.johann. in der försterstrasse.

hansiemolezigarettche? S

ie gehören zum Viertel dazu, man kennt sie, zumindest manche und vom Sehen: Die Bewohner des Pflegeheims St. Johann. Albert und Maria zum Beispiel, zwei der prominentesten, hat wohl jeder Gast der Ubu Roi- oder Café Schrill-Terrasse schon erlebt, vor allem die Raucher unter uns. Viele haben ihre Stammplätze im Viertel, an denen man sie täglich antrifft und wo sie hingehören wie Denkmäler. Was steckt hinter diesen Menschen? Wie sind ihre Lebensumstände? Wie sieht’s in diesem Pflegeheim eigentlich aus? Fragen, denen wir bei unserem Kurzbesuch mal nachgegangen sind. Zwar macht Neonlicht einen beträchtlichen Teil der Heim-Atmosphäre aus und versprüht eher den Charme eines Krankenhauses, aber das Innere entspricht interessanterweise überhaupt nicht den vermoderten Vorstellungen, die man gerüchteweise schon vernommen hat. (Jedenfalls hat uns kein Bewohner heimlich Zeichen gemacht, ihn dort rauszuholen). Seit 1965 werden im Pflegeheim behinderte und nichtbehinderte Senioren untergebracht, verteilt auf 5 Etagen und 75 Plätze in ganz adretten Ein- und Zweibettzimmern (Albert und Maria teilen sich als Pärchen ein Doppelzimmer). Hier also mal ein kleiner Einblick in die Welt der Unglamourösen...

Dankeschön an die Damen und Herren Bewohner und Betreuer des Pflegeheims für die Unterstützung.

Fotografien von >Berthold König

Te x t v o n > R a l f L e i s

25


Lieselotte Baum / *geb. 1936 / Schneiderin / seit 4 Jahren im Pflegeheim 26

Maximilian Borde / *geb. 1945 / Autoschlosser / seit 11 Monaten im Pflegeheim


Gerhard Minas / *geb. 1933 / Kaufmann / seit 10 Monaten im Pflegeheim 27

Caroline Porn / *geb. 1934 / Metzgerei-Verk채uferin / seit 5 Monaten im Pflegeheim


28

Jede Etage verf端gt 端ber einen Aufenthaltsraum, der als sozialer Mittelpunkt dient.


29

Gegen Neonlichtkrankenhausatmosphäre helfen mÜglicherweise Stoffpuppen...


30

Einige der Bewohner sind im Viertel durchaus bekannt.


31

Eine Besch채ftigungstherapeutin bietet Freizeitgestaltung in Form von Tischspielen, Ausfl체gen, Backen, Werken und Gymnastik an.


CD • DVD Vinyl – Bestellservice – Importe – Neu- und Secondhandware – Ankauf und Tausch Nauwieserstraße 32-34 66111 Saarbrücken Telefon 06 81 / 938 70 09 Mobil 0177 / 299 88 31 sonicrecords@t-online.de www.sonicrecords.de Reklame

Reklame

32

24 Stunden – die Säulen des Viertels Martin-Luther-Straße 21

Reifen- und Reparaturservice rund ums Kfz vom Meisterbetrieb Holger Galgenmüller Tel. 3 98 444 Reklame


d e sig n v o n

33

FUTONROOM

GmbH

g i b t’s b e i

schlafen | wohnen | schenken N a u w i e s e r v i e r t e l | C e c i l i e n s t ra ß e 4 | 6 6 1 1 1 S a a r b r ü c k e n 0 6 8 1 - 3 7 2 3 8 5 | f u t o n r o o m @ w e b. d e Ö f f n u n g s z e i t e n : M o n t a g - F re i t a g 1 0 - 1 9 U h r | S a m s t a g 1 0 - 1 6 U h r Reklame


13-16/12/04 kino 8 1/2 Göttingen International Film Festival 2004

17/12/04 Gasthaus Bingert: Richtig gute lateinamerikanische Musik mit „Boias Trias“

18/12/04 „C’est dur la culture!“ präsentiert:

34

„Zwischenspiel im VHS“

23/12/04 Hellmut Tanzkapelle Nauwies 02 & Sedlmeir VIERTEL

VOR em

p f ie h lt


veranstaltungsadventskalender

SOS-M端tterzentrum Vorweihnachtliches Basteln und Second-Hand-Projekt Info: 0681/936 52 81

35

31/12/04 Hellmut Silvester Trash! Heldenhafte Hits von Captain Frank, Tomb und Frau Deluxe

17-23/01/05 Max-Oph端lsFestival

31/12/04 Gasthaus Bingert: Silvesterparty


36

ins

S

kino

gehen

eit einem Jahr gibt es eine neue Regelung für die Juroren der „Oscar“-Preisverleihung: Die Filmebewerter der bedeutendsten Auszeichnung der Filmwelt müssen ihre Urteile seitdem in den Kinos fällen, und nicht mehr zu Hause vor dem eigenen Fernseher. Denn davor war es üblich gewesen, ihnen die zu bewertenden Filme per Videokassette oder DVD zuzusenden – damit sich die Filmkundigen die Streifen bequem im Homekino anschauen konnten. Durch die neue Regelung werden die Kritiker also zum Kinogang gezwungen, die großen Hollywoodstudios begründeten diese Maßnahme mit dem Hinweis, dass die Regelung eine Präventivmaßnahme gegen das Raubkopierertum sei. Für den einen oder anderen Filmebewerter eine ungemütliche Regelung, denn wer geht schon gern aus dem Haus, um sich Filme anzusehen?

macht

Die Saarbrücker beispielsweise. Das Filmfestival Max Ophüls Preis zog in den vergangenen Jahren immer mehr Zuschauer an, in diesem Jahr fast 24.000. Vergleiche mit Hollywood scheinen sich schon wegen der verschiedenen Größenordnungen zu verbieten, und doch gibt es auch Gemeinsamkeiten: Denn auch in Saarbrücken sitzen die Juroren in den Kinos, sie werden sich auch 2005 im „CineStar“, im „Filmhaus“ und im „Kino achteinhalb“ zusammen mit anderen Filmbegeisterten die Plätze teilen. Dahinter steckt nicht nur wirtschaftliche Notwendigkeit, sondern auch eine besondere Philosophie des Filmfestivals Max Ophüls Preis: Filmexperten und Laien, Filmschaffende und Fans werden eben nicht voneinander getrennt, sondern kommen miteinander in Kontakt, tauschen sich aus, lassen sich von ihrer gemeinsamen Faszination für Filme anstecken.


Lomo-Fotos mit freundlicher Genehmigung von > J o a c h i m Tr a p p

glücklich Erste Anzeichen der Filmbegeisterung werden in der „Blauen Stunde“ am 7. Januar 2005 sichtbar, Festivalpässe, Einzelkarten und der Festivalkatalog können hier erworben werden, die minutiöse Planung der filmischen Hochleistungswoche kann beginnen. Zehn Tage später, am 17. Januar, gibt es dann erstmals was zu sehen, das Festival ist eröffnet, Popcorn und Eröffnungsfilm inklusive. Anschließend folgt eine prall gefüllte Festivalwoche, mit Langfilmen und Kurzfilmen, Dokumentationen und Experimentalfilmen, es wird spannend, lustig, schnell, bunt, nachdenklich, verrückt und melancholisch. Aber kein Ophüls-Besucher ist dazu gezwungen, allein über das Erlebte zu sinnieren: „Lolas Bistro“ in der „Garage“ ist nur einer von vielen Anlaufpunkten für professionelle und freizeitliche Filmverrückte. Am 23. Januar geht es dem Ende zu; nach der Abschluss-

feier in der „Garage“ am 22. Januar und der Kür der Gewinnerfilme am 23. im Staatstheater verschwinden auch die Juroren wieder aus dem Stadtbild Saarbrückens. Das Filmfest ist vorbei. Wer sich trotz des kalten Winters aus der behaglichen Wärme der eigenen vier Wände geschält hat, kann sich glücklich schätzen, denn auch im Januar 2005 wird das Fazit wieder lauten: Rausgehen lohnt sich, Bequemlichkeit wird bestraft. Der private Filmsessel kann ruhig für eine Woche unbesetzt bleiben, denn: Ins Kino gehen macht glücklich, und das gilt nicht nur für Filmjuroren! Benjamin Klaußner

Filmfestival Max Ophüls Preis: vom 17. – 23.01.’05 Weitere Infos unter >>www.max-ophuels-preis.de

37


Nauwieserstraße 19 66111 Saarbrücken Telefon 0681/3906600 Telefax 0681/3906680 www.schreinerei-ott.de Reklame

Reklame

38

Sabine Abraham Visagistin & Linergistin ®

Visageline Conture Make-up ®

Beratung und Termine: 0681- 859 12 92 0173-320 32 68 info@visageline.de

bis 23. Dezember:

20% Try-out-Bonus

Praxis Visageline / Lebacher Straße 45 / 66113 Saarbrücken / www.visageline.de Reklame


Nauwieserviertel // Cecilienstraße 31 // 66111 Saarbrücken // 06 81-3 55 33 Reklame

39

ICAN’TEVENREMEMBERWHATITWASICAMEHERETOGETAWAY FROMICAN’TEVENREMEMBERWHATIT WASICAMEHERETOGETAWAYFROMICAN’T EVENREMEMBERWHATITWASICAMEHERETOGETAWAYFROMICAN’TEVENREMEM MBERWHATITWASICAMEHERETOGETAWAYFROMICAN’TEVENREMEMBERWHATI TWASICAMEHERETOGETAWAYFROMICAN’TEVENREMEMBERWHATITWASICAME MEHERETOGETAWAYFROMICAN’TEVENREMEMBERWHATITWASICAMEHERETOG ETAWAYFROMICAN’TEVENREMEMBERWHATITWASICAMEHERETOGETAWAYFRO MICAN’TEVENREMEMBERWHATITWASICAMEHERETOGETAWAYFROMICAN’TEVE NREMEMBERWHATITWASICAMEHERETOGETAWAYFROMUBUROI

Reklame


wie sicher ist das 40


viertel? sicherheit ist in der heutigen zeit ein vielbemühtes wort. wir haben uns mal umgeschaut, wo’s uns im falle eines supergaus hinverschlägt: möglicherweise in den bunker in der schmollerstrasse. der ist bombensicher. von > Frank Schilling

41


42 ♠ Schon beim Eintreten fühlt man ein klaustrophobisches U-Boot-Gefühl in sich aufsteigen. Nicht vergessen: Die Kopfhöhe beachten!

B

♠ In den Fluren kann man sich ein bisschen hinsetzen und warten.

unker Schmollerstraße, Ecke Brentanostraße, der mit dem Torbogen und der äußerst farbenfrohen Bemalung. Getreu unserer Maxime, Unendecktes aufzudecken und brennenden Fragen auf den Grund zu gehen, ist dieses Bauwerk Ziel, weiter in den Mikrokosmos des Viertels vorzudringen. Es ist Freitag Morgen neun Uhr, wir sind verabredet mit Herrn Ochs von der örtlichen Feuerwehr. Er ist der Mann mit dem Schlüssel und den Fakten. Passend zu unserer Expedition setzt Regen ein, von dem wir zwar im Bunker gar nichts mehr mitbekommen, aber er verleiht der ganzen Situation genau die richtige Atmosphäre. Als erstes bittet Herr Ochs uns darum, wenn wir

doch eine Reportage über den Bunker machen, zwei Gerüchte auszuräumen. Erstens, der Bunker wird nicht als Weinlager genutzt und zweitens, es gibt keine reservierten Plätze und damit wird die Sache ernst. Herr Ochs öffnet eine der drei Stahltüren und führt uns in die Schleusenanlage des Schutzraumes. Der Raum ist mit einem Spiegelsystem zur Einlasskontrolle für den Bunkerwart und einer Dusche zur Dekontaminierung der Schutzsuchenden ausgestattet. An dieser Stelle wird uns klar, wenn es mal kracht, wird es hier schon eng. Aber wir werden beruhigt, denn das Saarland ist pro Kopf überdurchschnittlich mit Schutzraumplätzen versorgt. Und die Viertelschutzanlage bietet immer-


43 ♠ Es gibt Neuner-, Zwölfer- und Fünfzehnerzimmer. Alle relativ sparsam eingerichtet. Nacht, Johnboy!

♠ 9 Dusch- und WC-Räume müssen reichen für insgesamt 800 Menschen, denen der Bunker Platz bietet.

hin 800 Plätze für 28 Tage. Somit ist sie ein Schutzraum der Kategorie 1. Aha. Wir dringen weiter vor in die Katastrophenherberge und bemerken, dass an diesem Ort alles, wirklich alles auf das Wesentlichste reduziert ist. Räume mit 9 Pritschen – eher die Ausnahme – wechseln mit Zwölfer- und Fünfzehner-Unterkünften. Die Küche, natürlich eine für alle, ist auch überraschend großzügig eingerichtet – es gibt eine grosse Kochplatte. An Gelegenheiten zur Hygiene mangelt es nicht, es gibt verteilt auf drei Etagen jeweils drei Dusch- und WC-Räume für eben 800 Frauen und Männer. Die überall verteilt herumstehenden Klappsitzgarnituren mit Handgepäckablage fallen auf. Schönes Mö-

bel für den Flur einer Wohnung, so zum Telefonieren, aber hier bedeutet das wohl Warten und nochmals Warten. Nicht das stumpfe Licht oder die hohe Luftfeuchtigkeit beeinflussen die Gefühle, es ist auch nicht kalt an diesem durch den Sommer angewärmten Ort aus Stahlbeton. Es ist die Kargheit und der knapp bemessene Raum, die uns sagen: raus hier! Als würde man die Schwere der Wände und Decken auf sich spüren. Herr Ochs führt uns unbeirrt weiter, durch die Etagen vorbei an Brauch- und Trinkwassertanks, zwei Dieselgeneratoren, die für die Unabhängigkeit der Schutzvorrichtung sorgen. Die Scheiße wird im Ernstfall mittels Überduck auf


44


45

♠ Ein schönes Accessoire ist das Not-Telefon, dessen

Hörer alleine schon 2 Kilo wiegt. ♠ Oben die BunkerBeschallungsanlage und die Küche mit der großen Kochplatte, auf der das Abendessen gezaubert wird.

die Straße gepumpt – na klar, wen interessiert denn dann sowas noch? Ein graues Ventil, sichtbar an der Außenwand in der Schmollerstraße, zeugt von dieser pragmatischen Lösung. Pragmatisch und bombensicher, so wie das Telefon, dessen Hörer allein zwei Kilo wiegt, so soll diese Einrichtung sein. Sie wurde im zweiten Weltkrieg gebaut und nicht an falscher Stelle, die Schule gegenüber wurde von einer Bombe getroffen. Nach dem Krieg durch die französische Kommandantur zum Gefängnis umgenutzt und wieder aufgegeben, wurde die Anlage dann in den Sechziger Jahren in den heutigen Zu-

stand versetzt. Erhalt und Wartung wird vom Technischen Hilfswerk und einem Ingeneurbüro gewährleistet. Unsere Bunkerführung geht jetzt dem Ende zu, wir kommen in einen der beeindruckensten Räume, wenn auch kein Schutzraum. Nach dem Passieren der 2,50-Meter-Decke der dritten Ebene gelangen wir in den gemauerten Dachstuhl, der erleichternd hoch und sakral wirkt. Hier ist wieder trotz betonbewährtem Dach ein leichter Luftzug und das Außen zu spüren. Wir danken Herrn Ochs für die informative Führung.


wenn

alles nur noch

von > Judith Liere

46

M

anchmal wünschte ich, der Sommer wäre schon vorbei. Es gibt etwas, was mir diese Jahreszeit immer wieder aufs Neue verdirbt: Pärchen. Im Sommer verlassen sie ihre Sofas und Betten und gehen raus zum Knutschen. Am liebsten tun sie das direkt vor meinen Augen. Wälzen sich in Parks auf mitgebrachten Picknickdecken, sitzen in Eiscafés und füttern sich gegenseitig vom „Coppa d' amore“, dem Eisbecher für zwei, bleiben auf der Straße Händchen haltend stehen und schauen sich verliebt an, wenn ein Kinderwagen vorbeirollt. Und führen mir damit ständig vor Augen, dass jeder Mensch hier anscheinend seinen perfekten Gegenpart gefunden hat. Außer mir. Ich weiß, dass es äußerst unsexy ist, sich als frustrierte Einzelperson über glückliche Paare zu empören. Aber an manchen Tagen schreit es geradezu aus mir heraus: „Pärchen verpisst euch, keiner vermisst euch!“ Kuscheln unterm Plaid

Ja, verdammt, natürlich bin ich gefrustet. Als Alleinstehende steht man eben oft allein da.

Beispielsweise im Supermarkt. Gern am Samstagvormittag. Wo man dann niemanden hat, dem man zurufen kann: „Schatz, wir könnten doch heute abend mal wieder schön Ratatouille kochen. Wir haben doch noch den schönen Wein von Ulla und Klaus im Regal. Das wäre doch mal eine schöne Gelegenheit.“ Dann werfen sie zwei Packungen „Tricolor-Paprika-Mix“ in ihren gut gefüllten Einkaufswagen, während ich die „Ein Teller“-Raviolidose in mein Körbchen neben die Wodkaflasche lege. Bei Pärchen ist immer alles schön. Und immer Wein. Und immer gibt es befreundete Pärchen, mit denen man abends schön zusammenhockt, schön kocht, schön Wein trinkt. Man geht ja auch nicht mehr aus, abends, als Pärchen. Lieber schön vorm Fernseher sitzen, auf dem Sofa, zu zweit gekuschelt unter einem schönen „Plaid“, das man gemeinsam samstags bei Habitat gekauft hat. „Guck mal, Schatz, wie schön, ein Plaid, da können wir uns abends schön beim Fernsehen drunterkuscheln.“ Vielleicht haben sie es auch im Manufaktum-Katalog bestellt. Da gibt’s auch viele schöne Sachen.


Souvenirpostkarten von > Ludwig Schmidtpeter

schön ist 47

Steter Kampf mit dem Hüftgold Ausgehen ist was für Menschen, die auf der Suche sind. Menschen wie mich. Bei denen ist nichts schön. Bei denen heißt es samstags nachmittags ganz dreckig schwitzen im FitnessStudio, denn mit dem Hüftgold kriegt man garantiert keinen ab. Danach erniedrigt man sich am Telefon, um irgendeine entfernte Freundin, die auch Alleinseierin ist, davon zu überzeugen, dass sie unbedingt mit ausgehen muss. Ist das geschafft, verbringt man zwei harte Stunden im Bad, um sich zur begehrenswertesten Frau dieser Nacht zu verkleiden. Dabei macht man das erste Bier auf. Wein ist ja für Pärchen. Allerdings macht Bier dick, also doch lieber Wodka. Prost. Dann muss der Samstagvorabend alleine bei „Wetten dass…“ oder Musiksendern vor dem Fernseher verbracht werden, bis es endlich ein Uhr ist und man das Haus verlassen kann. Je später man kommt, desto besser. Man wirkt cooler, und außerdem sind die meisten Typen dann schon angetrunken. Das macht es einfacher. Und dann kommt dieses ganze Jagdverhalten. Dieses ganze arm-

selige Auschecken, Anpirschen, Ansetzen, Zubeißen, Auffressen, Verdauen, Nachhause gehen. Und am nächsten Morgen wieder die Gewissheit, das völlig Falsche gegessen zu haben. Nicht schön, das alles. Gar nicht schön. Schön ist anders. Pärchen hingegen wachen sonntags auf, knutschen trotz Mundgeruch, haben schönen Morgen-Sex und schlafen dann noch mal ein. Danach gibt es entweder schön Frühstück im Bett, oder sie gehen schön brunchen. Sie machen die Tür ihrer schönen Dreizimmerwohnung auf und gehen Hand in Hand auf die Straße. Vorbei an einer verkaterten Alleinstehenden, die in die viel zu helle Sonne blinzelt und gerade aus irgendeiner fremden Wohnung mit verschmierter Mascara auf dem Weg in ihr EinZimmer-Apartment ist. Und einfach nur neidisch ist. Auf Euer Glück. Ihr Arschlöcher.

Quellennachweis: UniSPIEGEL Besucht auch das Online-Feature von Ludwig Schmidtpeter auf >> www.urbanculture.de


Reklame

48

Reklame


49

Reklame


der arme herr sähme schreibt aus der nähe von gifhorn von > Hans Gerhard

50

20. August Sehr geehrte Frau Fürst, sehr geehrter Herr Fürst, seien Sie aus der Landpension Hof Güthe zu GroßDenkte, aus der Sie diese Zeilen erreichen, ganz herzlich gegrüßt. Ich habe das gutbürgerliche Etablissement als Basislager, wenn Sie so wollen, meiner kleinen Expedition gewählt, weil es inmitten der in dieser Jahreszeit übrigens in voller Blüte stehenden Gifhorner Heide zentral gelegen ist, und weil, ich gestehe es freimütig, es meinen seit meiner Arbeitsunfähigkeit leider bescheidener gewordenen finanziellen Mitteln eher entspricht als ein $Sternehotel“. Zu einem Spaziergang durch den idyllischen Ort selbst hatte ich leider noch keine Zeit. Meine Anreise war strapaziöser als gedacht, diverse Bahnverspätungen warfen mich in meinem Zeitplan unbarmherzig zurück, so dass ich unter anderem gezwungen war, ab dem Gifhorner Hauptbahnhof (der Name täuscht leider) bis hierher ein Taxi zu nehmen, da der letzte Bus bereits am frühen Nachmittag abgefahren war und natürlich nicht auf mich warten konnte. Leider wurde mir außerdem versichert, dass es für mich keine Möglichkeiten gäbe, die beträchtlichen Kosten ersetzt zu bekommen, was meine Laune, wie Sie verstehen werden, nicht gerade verbesserte. Schließlich war das von mir vorbestellte Zimmer bereits anderweitig vermietet (gut, es war der Familie Güthe natürlich nicht zuzumuten, bis zum frühen Abend meiner Ankunft zu harren und ihren Geschäftsbetrieb quasi stillstehen zu lassen), weshalb ich – vorläufig – nicht im Haupthaus des Hofes, sondern in einem Nebengebäude, einem ehemaligen Unterstand für landwirtschaftliches Gerät, residiere, der zurzeit in ein zweites Wohnhaus umgebaut wird. Machen Sie sich jedoch bitte um Himmels Willen keine Sorgen, Wände und Türen sind bereits vorhanden, nur zum Duschen bin ich wenigstens für die nächsten zwei Nächte auf einen morgendlichen Gang ins Haupthaus verwiesen.

Wie dem auch immer sei, nun, da ich angekommen bin, wird mich nichts mehr davon abbringen, (mindestens) drei Flaschen des edlen Tropfens, der mich letztlich hierher geführt hat, aufzutreiben und zurück ins heimatliche Nürnberg zu verbringen, und ich freue mich bereits sehr darauf, liebe Familie Fürst, Ihnen demnächst ein Glas anbieten zu können, vielleicht auf Ihrer herrlichen Terrasse? Mein Plan sieht vor, zunächst in diversen, noch zu ermittelnden, lokalen Wirtshäusern unverfänglich einzukehren, und im Gespräch mit einigen Ortsansässigen allmählich herauszufinden, welche Bauern der Umgebung noch nach alten Rezepten – womöglich schwarz? Das wäre ein echtes Abenteuer! – jenen typischen Holunderschnaps brennen, der seit nunmehr siebzehn Jahren nicht mehr im Handel erhältlich ist, der mir aber, wie ich Ihnen berichtete, vor etwa zwanzig Jahren während meiner Studienzeit in Hannover begegnete und seitdem unvergesslich ist. Erinnern Sie sich noch, lieber Herr Fürst, dass Sie bei unserem letzten Zusammentreffen vor meiner Reise, am letzten Dienstag, zu mir sagten: Und wagen sie es nicht, Herr Sähme, ohne eine Flasche von diesem Wunderwasser zurückzukommen? Nun, seien Sie unbesorgt: schon bald werde ich fündig geworden sein. In der Hoffnung, dass Sie die schönen Tage dieses Sommers genauso genießen wie ich, verbleibe ich wie immer mit den allerbesten Wünsche auch für Ihre Kinder Ihr Friedemann Sähme 31. August Sehr geehrte Frau Fürst, sehr geehrter Herr Fürst, bitte gestatten Sie mir, Sie wiederum aus dem sommerlichen Niedersachsen recht herzlich zu grüßen und Ihnen in aller Kürze den Stand der Dinge hinsichtlich meiner Mission, wenn Sie mir die Anmaßung er-


lauben, zu schildern, denn, es gibt, und ich hoffe, mich nicht zu weit aus dem Fenster zu lehnen, – endlich – gute Nachrichten. Ja, tatsächlich hat es den Anschein, dass meine langen, zum Teil Kräfte zehrenden Wanderungen durch die Orte der Umgebung endlich einem Erfolg zustrebten, aber alles der Reihe nach. Zunächst nämlich musste ich mit einer gewissen Enttäuschung registrieren, dass sich die Kontaktaufnahme mit den Einheimischen durchaus problematisch gestaltete. In vielen Gaststätten, die ich in den Dörfern der Umgebung aufsuchte, kam ich überhaupt nicht mit den anderen Gästen ins Gespräch. Es ist wohl ein eigenbrötlerischer Menschenschlag hier im tiefen Niedersachsen, gegenüber dem Fremden zunächst misstrauisch. Oft saß ich abendelang allein an wuchtigen Holztheken, vor der Tageszeitung und einem Härke Pilsener, an das ich mich zuerst nur schwer gewöhnen konnte, während um mich herum zumeist ältere Männer in kleinen Grüppchen an den Tischen saßen, wenig sprechend, zumeist eher trübselig auf ihre Gläser oder aus dem Fenster in die Dämmerung blickend. Eines Abends, ich muss gestehen, ich hatte bereits zwei Biere genossen, statt nur eines (wie Sie wissen, erlaubt mein Gesundheitszustand nicht mehr die Ausschweifungen der Jugend) versuchte ich schüchtern, mich an einem Gespräch zwischen anderen Gästen zu beteiligen, ich hatte aus meiner Position aus einige Diskursbrocken aufgeschnappt, es ging wohl um die große Zahl zumeist russischer Spätaussiedler in und um Gifhorn herum, deren Anwesenheit in Übergangslagern die angestammte Bevölkerung wohl als Irritation empfinden mag, ein Phänomen, das wir ja bereits seit der Völkerwanderung kennen, wie ich in aller Bescheidenheit auch anmerkte, ohne meinen Platz zu verlassen, über die Grenzen der Tische hinweg, was aber auf nicht uneingeschränkt fruchtbaren Boden fiel, vielleicht war der Zeitpunkt für den großen histo-

rischen Kontext der Problematik einfach noch nicht gekommen. Tatsächlich geriet die Diskussion etwas ins Stocken, die drei Herren, die ich angesprochen hatte, murmelten etwas untereinander, dass ich nicht verstand, und als ich mich erhob, mein zweites Glas etwas unsicher in der Hand haltend, merkte ich bereits, dass der Augenblick meiner eigentlich nicht unhöflich gemeinten Einmischung wohl ungünstig gewählt war. Nicht, dass die drei Herren, zwei in meinem Alter, einer wohl etwas jünger, mir mit Worten zu verstehen gegeben hätten, dass sie auf meine Ansichten, was die Spätaussiedler betraf, keinen Wert legten, aber sie schienen mir gar nicht richtig zuzuhören, als 51 ich auf Theoderich und Etzel zu sprechen kam, das Grab in Ravenna, fern der Heimat und doch nicht, und bald erklärte einer der drei, dass es nun wohl Zeit sei zu gehen, und er und seine Begleiter zahlten und gingen, ohne, dass wir uns auch nur vorgestellt hätten. Nun, sehr geehrte Frau Fürst, sehr geehrter Herr Fürst, diese Anekdote, mit der ich Sie hoffentlich nicht gelangweilt habe, mag Ihnen illustrieren, dass ich durchaus mit einigen Anlaufschwierigkeiten zu kämpfen hatte. Gleichwohl, wie ich bereits anfangs angekündigt habe, ist es mir mit Hilfe einer gewissen Beharrlichkeit inzwischen gelungen, Fortschritte zu erzielen. Denn heute Nachmittag, als ich von wieder einmal vergeblichen Versuchen, in Groß Denkte und einigen umliegenden Ortschaften Holunderpflanzungen aufzuspüren, sei es in der freien Natur oder in den Gärten der zahlreichen noch bewirtschafteten Höfe, in meine bescheidene Bleibe zurückgekehrt war (leider noch im Unterstand, da das Haupthaus noch immer voll belegt ist, aber machen Sie sich bitte keine Sorgen, zwar werden sich die Bauarbeiten noch um etwa vier Tage verzögern, aber dafür stört mich im Moment auch kein Lärm), da traf ich auf die treffliche Frau Güthe beim Bewässern der Blumen des Vor-


52

gartens und ich begann, sie – ich versichere Ihnen, vollkommen ohne Hintergedanken – in ein Gespräch zu verwickeln, einfach, um mal wieder eine menschliche Stimme zu hören. Frau Güthe ließ sich, wie ich den Eindruck hatte, zunächst nur ungern bei ihrer Beschäftigung stören, vielleicht, weil sie fürchtete, von mir nach dem Stand der Umbauarbeiten an meiner Bleibe befragt zu werden (wie gesagt, es verzögert sich alles), aber als ich ihr lediglich mein Leid klagte, will sagen, über den enttäuschenden Stand meiner Nachforschungen referierte, da versuchte sie, die gute Seele, mich zu trösten und wusste zu meiner Überraschung zu berichten, dass ihr Sohn Markus, der gerade seinen Grundwehrdienst bei einer Einheit sog. Feldjäger absolviere, neulich in wohl übermäßiger Weise mit Holunderschnaps in Berührung gekommen sei, und zwar anlässlich seines Aufenthalts auf einem nahegelegenen Truppenübungsplatz, in dem dortigen $Mannschaftsheim“. Da endlich, liebe Frau Fürst, lieber Herr Fürst, dämmerte es mir. Ich hatte all die Zeit an der falschen Stelle gesucht! Aber natürlich – wo sollte der Holunder besser reifen, als auf einem von Landwirtschaft weitestgehend unberührtem Gelände, von den meisten Menschen unbeachtet? Es ist kein Geheimnis, dass Truppenübungsplätze trotz der militärischen Nutzung letzte Refugien der Natur darstellen, mit einer überraschenden Vielfalt an Flora und Fauna. Was also läge näher als die Vermutung, dass die Betreiber eines dortigen Mannschaftsheimes mitunter durch die Heide streifen, um verschiedene, im Überfluss heranreifende Beeren zu pflücken und daraus einen Schnaps zu destillieren, von dem sie ihren jungen Gästen zu fortgeschrittener Stunde sicher auch anbieten werden? Jetzt, liebe Familie Fürst, da ich auf diese heiße Spur gestoßen bin, wird mich nichts mehr aufhalten. Gleich morgen in aller Frühe wird mich ein Überlandbus in das beschauliche Soltau transportieren, von wo aus

ich auf Schusters Rappen via Fallingbostel auf den Truppenübungsplatz vorstoßen werde. Dort, dessen bin ich sicher, wird meine Reise endlich ihren krönenden Abschluss finden. In der festen Gewissheit, schon bald erfolgreich mit mehreren Flaschen des besten Holunderschnapses der Welt – ich übertreibe nicht, glauben Sie mir –, zurückzukehren, und Ihre, sehr verehrter Herr Fürst, eindringliche Bitte zu erfüllen, verbleibe ich, wie immer mit den besten Wünschen, Ihr Friedemann Sähme P.S.: Ich weiß, dass Ihre Zeit nur knapp bemessen ist und will mich um Himmelswillen nicht aufdrängen, aber über eine kurze Antwort von Ihnen würde ich mich sehr freuen, gerne auch auf einer Postkarte. Die Adresse finden Sie anbei auf einer Visitenkarte meiner Gastgeber. Sähme September Sehr geehrte Frau Fürst, sehr geehrter Herr Fürst, leider diesmal – noch – keine guten Nachrichten aus Niedersachsen. Meine Expedition auf dem Truppenübungsplatz Bergen-Hohne hat sich als Fehlschlag herausgestellt, jedoch zumindest in der Folge auch sein Gutes gehabt, aber, Sie verzeihen meine Erregung, alles der Reihe nach. Vor drei Tagen also, wie ich Ihnen bereits avisiert hatte, erhob ich mich noch vor der Morgensonne und begab mich nach einer einfachen Toilette – immer noch im Haupthaus, leider – zum Busbahnhof zu Gifhorn (ich hatte also bereits einige Kilometer Frühmarsch), wo ich glücklich das Gefährt nach Soltau erreichte. Nach einer kleinen Stärkung in der dortigen Bahnhofsgaststätte (ich saß allein mit der Bedienung, offenbar eine Spätaussiedlerin, so dass eine Unterhaltung nicht möglich war), brach ich kurz vor Mittag nach Fallingbostel auf, über verschlafene Landstrassen, vorbei an


Feldern und gelegentlich winzigen Weilern. Die hiesige Landschaft ist, sobald man die unberührte Heide verlässt, nachgerade trübselig, den menschlichen Bedürfnissen nahezu vollständig untergeordnet, aber ich ließ mich nicht deprimieren oder entmutigen, sondern marschierte munter fürbaß, wobei mir mein getreuer Wanderstock treffliche Dienste leistete. Auch die unerbittlich steigenden Temperaturen vermochten mir nichts anzuhaben, ich war nur leicht bekleidet und hatte überdies eine kleine Feldflasche mit Wasser befüllt. Nun, langer Rede kurzer Sinn, schon bald hinter Fallingbostel eröffnete sich mir die Zufahrtsstraße zum Truppenübungsplatz BergenHohne. Die zahlreichen Hinweisschilder konnten mich trotz ihres martialischen Inhalts (Lebensgefahr!) nicht abschrecken, hatte ich mir doch vorgenommen, mich erstens von nichts und niemandem von meinem Ziel fernhalten zu lassen und zweitens, nicht von befestigten Wegen abzuweichen und so das Mannschaftsheim zu erreichen, dessen Lage mir zwar nicht ganz klar war, aber ich war zuversichtlich, mich durchfragen zu können, denn welchem Soldaten würde dieser Ort unbekannt sein? Von Kontrollen blieb ich unbehelligt, tatsächlich gab es gar keine Wachposten, wie der Laie es sich vorstellen mag, das Militärgelände geht sozusagen nahtlos (bis auf die Hinweisschilder) in den zivilen Landschaftsbereich über. Leider musste ich schon sehr bald feststellen, dass es gar nicht so einfach war, einen oder mehrere Soldaten in ein Gespräch zu verwickeln, wie es meine Absicht gewesen war. Zwar wurde ich wohl gelegentlich von Lastwagen, auch Panzern überholt, als ich auf der breiten Hauptstraße zwischen hohem Kiefernwald einher marschierte, doch auf mein Winken wurde nicht reagiert, und von Fußvolk war weit und breit nichts zu sehen, vielleicht gehört diese Truppengattung inzwischen der Vergangenheit an. Da ich so – wieder einmal – auf mich selbst und meinen

Instinkt angewiesen war, lief ich einfach weiter auf dem Asphalt, Kilometer um Kilometer, bis mir klar wurde, dass dies zwar die Hauptstraße sein musste, selbige aber letztlich nur einen Bogen um das eigentliche Übungsgelände beschrieb und dass die Versorgungseinrichtungen einschließlich meines Zieles jenseits der Kiefernwälder zu meiner Linken sich befinden mussten. So entschloss ich mich, nach einigem Zögern, aufs Geratewohl einer etwa fünfzig Meter breiten Schneise durch das Gehölz zu folgen, die sich einen langen, zunächst sanften Anstieg hinan warf, wobei ich mich allerdings nicht, wie Sie sich denken können, auf dem gelben, merkwürdig bewuchsfreien Untergrund selber, sondern ganz am Rande, ganz an der Baumgrenze bewegte, um dort etwas leichteren Tritt zu erlangen. So arbeitete ich mich sicher eine Stunde oder mehr durch den Wald, in dem festen Wissen, dass diese Strecke, offensichtlich von Menschenhand angelegt, irgendwohin führen musste, wo man mir weiterhelfen konnte. Doch wie erstaunt war ich, als sich nach mehreren Kilometern, da Wald und Schneise urplötzlich endeten, keine Ansiedlung oder auch nur provisorisches Feldlager zeigten, sondern eine offene Heidelandschaft, wie sie nur diese Gegend, und auch nur abseits der gewöhnlichen Tourismusgebiete zu bieten vermag. Unter der sich allmählich senkenden blutroten Sonne (ich muss auf meinem Marsch mein Zeitgefühl komplett eingebüßt haben) schmiegte sich die in der Dämmerung rostfarbene Erika samten an die kleinen Hänge eines Hochplateaus und umspülte mehrere Baumgruppen, auch einzelne Birken, die ihr frisches, helles Grün zu dem wunderbaren Gemälde, diesem unvergleichlichen Panorama beisteuerten. Ich übertreibe nicht, wenn ich Ihnen mit immer noch zitternden Fingern berichte, dass sogar eine Gruppe Rehe am Fuße der Senke stand und äste oder den scheuen Blick gen Himmel richtete, keine einhundert Meter von mir,

53


54

dem Staunenden, entfernt. Und dort drüben, am Waldesrand, nur wenige Schritte nach links hinüber, grüßte mich ein prächtiger Holunder mit einladend wippenden Zweigen, seine kleinen, reifen, fast schwarzen Beeren freigiebig Mensch und Tier gleichermaßen anbietend. Freudetrunken schwebte ich durch den nun etwas frischeren Abendwind dem übermannshohen Strauche entgegen, ich kostete die Früchte und fühlte mich meiner Bestimmung so nahe wie nie. Ich wollte nur ein paar Minuten rasten, mein Paradies im Blick, im Schatten des lieben Gewächses, aber als ich erwachte, war es bereits stockdunkel, und es regnete in Strömen. Von mir zunächst unbemerkt, war ein veritabler Sommersturm über die Gegend um Fallingbostel hereingebrochen und traf mich nun mit aller Macht, tatsächlich hatte mich weniger der Regen als plötzlicher Donner aufgeschreckt. Verwirrt sah ich mich um, aber der Weg, die Schneise, war nicht mehr auszumachen, und ich bekam es, wie Sie sich wohl vorstellen werden, gehörig mit der Angst zu tun. Starke Kopfschmerzen plagten mich, eine Rückkehr schien unmöglich, schon bald war ich nass bis auf die Haut. Doch just in diesem Moment der vollkommenen Ratlosigkeit vernahm ich aus der Ferne laute Motorengeräusche, die näher zu kommen schienen. Durch das nasse Heidekraut und den Schlamm, in den sich der helle Sand inzwischen verwandelt hatte, versuchte ich, mir mehr schlecht als recht einen Weg in die mir unverhofft verheißene Richtung zu bahnen, allein, bei Dunkelheit sind auch laute Geräusche oft nur schwer zu verorten, so dass ich gar nicht wusste, ob ich mich nicht sogar von ihnen entfernte, auch stolperte ich mehrfach, fiel aber auf dem durchtränkten Untergrunde weich, so dass mir außer kleineren Blessuren nichts geschah, seien Sie unbesorgt. Es war ein glückliches Geschick, dass ich mich gerade wieder einmal mühsam aufgerappelt hatte, als

mich die Scheinwerfer erfassten, denn, so wurde mir später berichtet, der Kampfpanzer Leopard 2 hat doch einen beträchtlichen Bremsweg, und überdies sollten wohl nur wenige Momente später die konventionellen Lichtquellen zugunsten eines neuartigen Infrarotnachtsichtgerätes ausgeschaltet werden, und wer weiß, ob ich dann noch rechtzeitig erkannt worden wäre. Aber, Sie sehen, meinem kleinen Abenteuer war ein glückliches Ende beschieden, laut Auskunft der Soldaten verfehlte mich das Geschützrohr des Panzers um einen guten Meter. Die Truppe verbrachte mich in einem Geländewagen nach ihrem Stützpunkt, genauer gesagt, in das Lazarett, wo ich nach einer Untersuchung die Nacht verbrachte und am nächsten Morgen sogar neu eingekleidet wurde, mit einer alten Uniform, da sonst nichts vorhanden war, und meine Kleidung war durch Regen, Schlamm und Dornen ganz und gar unbrauchbar geworden. Auch meines treuen Wanderstocks war ich leider verlustig gegangen. All das und die ärztliche Diagnose (dazu später mehr) trug natürlich nicht gerade zu meiner Erheiterung bei, und meine Enttäuschung wuchs ins Unermessliche, als ich feststellen musste, dass sich meine Wirtin, die gute Frau Güthe, wohl geirrt haben musste: nachdem ich das Mannschaftsheim mit Billigung der mich begleitenden Soldaten (ich galt offiziell immer noch als festgenommen, aber der Kommandeur, eigentlich ein sehr freundlicher Herr, teilte mir mit, dass es wohl bei einer Geldstrafe bleiben werde) betreten hatte, wurde mir knapp beschieden, dass dort kein Holunderschnaps ausgeschenkt werde und dass das Lieblingsgetränk der Soldaten ein Likör sei, auf dessen Ursprungsfrucht sein Name $Kleiner Feigling“ wortspielerisch verweist – die Feige. Eine Verwechslung! Sie können sich meine Enttäuschung ausmalen, liebe Familie Fürst! All die Strapazen umsonst, und ich muss mich noch glükklich schätzen, nicht für einen Spion gehalten worden


Reklame

Reklame

55

Reklame


56

zu sein (mein Wissen um die Spätaussiedler behielt ich bei der Unterhaltung wohlweislich für mich). Ich war, alles in allem, sehr geknickt, als ich in meinen Uniformteilen, genauer gesagt, Hemd, Hose und Stiefel, von den wenigen Passanten nicht schlecht bestaunt, nach Groß Denkte und auf den Hof Güthe zurückkehrte. Aber, wie ich bereits am Anfang angedeutet habe, alles hat sein Gutes im Leben. Denn aufgrund meines missglückten Abstechers nach Bergen-Hohne musste ich gestern auf Anweisung des Militärarztes einen Internisten in Gifhorn aufsuchen, übrigens kein Grund zur Besorgnis, lediglich ganz leichte Herzrhythmusstörungen, die mit Medikamenten beherrscht werden können, und im Wartezimmer machte ich ganz unerwarteter Weise die Bekanntschaft einer Mitpatientin, einer Frau Liebherr. Frau Liebherr ist eine ältere Dame, etwa in meinem Alter, von sehr gewinnendem Wesen, die sich auch nicht von der Uniform, von der ich mich inzwischen gar nicht mehr trennen mag, verschüchtern ließ. Das Wichtigste jedoch, liebe Familie Fürst, ist: Frau Liebherr stammt aus Lagesbüttel. Nun mag Ihnen das als nichts Besonderes erscheinen, aber lassen Sie mich ausführen, dass in Lagesbüttel, einem kleinen Dorf im hiesigen Umland, wie Frau Liebherr erzählte, ganz exquisiter Spargel angebaut wird. Auch dies bedeutet für sich genommen noch nichts, aber mir, während ich meiner Behandlung, beziehungsweise Untersuchung harrte, war sofort eines klar: Spargelernte in Niedersachsen, das bedeutet Knochenarbeit im lehmigen Boden, das bedeutet die gesamte Dorfgemeinschaft auf den Knien, mit dem Stecheisen bewaffnet, von Morgens früh bis Abends spät das weiße Gold mühsam der Börde entringend...und wie anders sollten diese wackeren Männer und Frauen des Abends ihren Ernteerfolg feiern, als mit Holunderschnaps? Aus eigenem, womöglich illegalem Anbau? Ich habe mich während meines Aufenthaltes, der nun doch schon einige Zeit währt und sicher noch andau-

ern wird, mit der Mentalität der Hiesigen vertraut gemacht, und glauben Sie mir, ich weiß, wovon ich rede. Zwar wollte Frau Liebherr, als ich ihr meine Erkenntnis auf den Kopf zusagte, mir nicht recht folgen, aber ich lasse mir die süßen Geheimnisse dieser Region nicht länger durch beharrliches Schweigen vorenthalten, das habe ich Frau Liebherr auch mitgeteilt, wenn auch in etwas weniger direkten Worten, aber ich glaube, sie hat mich verstanden, denn sie senkte den Blick, was für mich wiederum nur Bestätigung war. Jedenfalls breche ich noch zur Stunde nach Lagesbüttel auf, um mir einen ersten Eindruck von meinem neuen Einsatzgebiet zu verschaffen, und dann werde ich meine Kreise immer enger ziehen, und wenn es tatsächlich bis zur Spargelernte im nächsten Frühjahr dauern sollte. Sehr geehrte Frau Fürst, sehr geehrter Herr Fürst, ich versichere Ihnen, dass ich auch fürderhin genauestens Bericht erstatten werde, darf Sie aber aus Sicherheitsgründen bitten, Ihre Antwort, sollten Sie in den nächsten Monaten die Zeit dazu finden, ab sofort postlagernd nach Gifhorn zu senden, da ich meine Zelte bei Güthes abzubrechen gedenke und noch kein neues Quartier gefunden habe. Ich habe mich zu diesem Schritt nicht nur deshalb durchgerungen, um der Strafverfolgung aufgrund des unglücklichen Zwischenfalls im Felde der Ehre zu entgehen, sondern auch, um rasch und unauffällig verlegen zu können, sollte ich in aller Eile zu neuen Punkten der Erkenntnis aufbrechen müssen. Wenn Sie mir schrieben, würde mich das mehr freuen als alles andere, ich muss nun schließen, da die Sonne nicht mehr lange lächeln wird, wünschen Sie mir in der Schlacht, wie ich auch Ihnen, alles Gute, F.S. PS: Ich lasse von mir hören. Mehr von Hans Gerhard, seines Zeichens Poetry Slam-Master, gibt’s bei >> www.urbanculture.de


Reklame

Reklame

57

FineMusic [and art]

Der Spezialist: Rock / Pop / Soul / Lounge / Soundtracks Spitzenservice: Titelsuche / Postversand / Bestellservice

Dudweiler Straße 24 / Ecke Kaiserstraße 66111 Saarbrücken Tel: (0681) 9 58 19 70 Fax: (0681) 9 58 19 73 E-Mail info@finemusic.de Reklame

...mehr als nur CD.


F

ür alle, die noch verzweifelt auf der Suche nach wunderbaren Weihnachtsgeschenken sind, bieten wir hier die kleine Viertelvor-Geschenk-Ideen-Zone. Wir präsentieren euch das ultimative Viertel-Mixtape. Wem das Tape nicht gefallen sollte, können wir beruhigen: Is nix Schlimmes, Ihr habt nur keinen Geschmack...

das inoffiziellste und subjektivste viertel-mixtape aller zeiten v o n > d r. p o p

VIERTELVOR präsentiert:

das inoffiziellste und subjektivste viertel-mixtape aller zeiten

58

zusammengestellt von dr.pop

Also, Platten oder CD’s besorgen, Cassette kaufen (C90), Cover ausschneiden, Tape aufnehmen (unbedingt auf die Reihenfolge achten und nicht übersteuern!). Wer das nicht hinkriegt, kann uns auch ‘ne C 90-Cassette geben und hoffen, dass wir’s bis Weihnachten schaffen, euch das Tape zu überspielen.


Seite A 1) Curtis Mayfield – move on up Jedes Mixtape sollte mit einer Hammernummer anfangen. Und schon beim Aufstehen gilt: Es geht immer nur nach oben!

3) Nino Ferrer – Mirza Für den Rucksackfranzosen in uns wird es langsam Zeit für ein französisches Frühstück. Gern auch etwas später. Außerdem möchte ich alle Hundebesitzer grüßen.

2) King Khan – on the streets where I live Nach dem Aufstehen geht es jetzt erst mal raus auf die Straßen des Viertels.

4) Phönix – too young Wir beiben frankophil und tanzen uns langsam ein. Aber bitte nicht in der Übersetzung verlieren.

3) High Llamas – checking in checking out Zeit, ein coffeinhaltiges Heißgetränk zu trinken und schauen was so geht…

5) Dizzee Rascal – fix up look sharp So langsam wird es Zeit sich hübsch für den Abend zu machen, denn…

4) Winson – Wovon lebt eigentlich Peter? Immer die selben Leute in den Etablissements der Koffeinmafia. Da fragt man sich doch, wie die ihre Penunzen verdienen.

6) Sonic Youth – kool thing … hier im Viertel sind wir doch alle coole Dinger. Nicht wahr, Jugend des Schalls…

5) Nouvelle Vague – Marian Ein Lied für den Laden mit der freundlichsten Schaufensterdeko im Viertel.

7) The Roots – seed 2.0 Apropos Schall. Überproportional häufig anzutreffende Spezie im Nauwieser Viertel: (Punk-) Rock-Fan.

6) Superpunk – Man kann einen ehrlichen Mann nicht auf seine Knie zwingen Zeit für das Motto des Tages!

8) Stereohools – Karateklubmeier Und wo treffen die sich alle? Richtig, unterm Elvis-Altar.

7) Ellen Alien – Stadtkind Das Viertel ist zu dörflich? Quatsch! Im Lied bitte Berlin durch Viertel ersetzen und Ende der Diskussion.

9) Steakknife – it's my life A propos Punkrock: Wessen Leben ist das eigentlich?

8) Steely Dan – doctor wu So, schon spät geworden. Schnell noch’n Whiskey auf der Dachterrasse und das Viertel von oben bei Nacht betrachtet.

10) Die Goldenen Zitronen – 0.30 Uhr gleiches Ambiente Womit wir bei austauschbaren Kneipengespräche wären. Niemals besser festgehalten als in diesem Lied.

9) Jonathan Richman – I'm straight Wenn’s dann abends wieder mal nicht bei einem Getränk geblieben ist, hier die Versicherung, dass mit uns alles ok ist.

11) Dsico – I wanna be sedated Nicht vergessen, es ist Samstagabend. Da ist man Verführungen nicht abgeneigt.

10) Ton Steine Scherben – Wenn die Nacht am tiefsten ist Damit wir gut schlafen können, beruhigen wir unser politisches Gewissen und freuen uns aufs Wochenende.

12) Wynder K. Frog – I'm a man Und wer verführt werden will, soll tanzen. Am besten zu diesem Stück. Für alle Djs, die das Viertel beschallen

59

Seite B 1) Betty Wright – clean up woman Während wir noch wohlig träumend im Bett liegen, räumen die Putzfrauen die Reste des letzten Abends weg. Danke! 2) Beastie Boys – pow Nach ´ner harten Nacht ist das Aufstehen wie das Lied. Geht gut los und dann fängt das Schwanken doch an.

13) The Smiths – there's a light that never goes out Wer schön getanzt hat, ist jetzt vielleicht mit jemandem zusammen, dem er das allerromantischste Liebeslied vorspielen kann. 14) Johnny cash – I see darkness Für alle anderen, noch ein Lied, das hoffentlich Trost spendet, von einem der das Licht gesehen hat.


der kleine punkrocker – ein schwank von > Germaine Paulus

Es war einmal ein kleiner Mann der hörte sich gern Punkrock an Er lebte in der großen Stadt die mehr als bloß zwei Brücken hat

Das Viech, pikiert und leicht beleidigt – war es doch als Spuk vereidigt! – ließ Rauch entsteh’n und Nebelschwaden, zur Sicherheit auch ein paar Maden

Die Stadt, die immer schläft, hieß sie Doch für den Kleinen schlief sie nie Manchmal war sie gar zu wach Das machte sonntags ziemlich schwach

Drauf knurrte es im Grabeston, zwischen Bass und Bariton: „Ich bin der Geist des Rock’n’Roll und ich verlange Wegezoll!“

So kam es einst, es war recht kalt, dass unser Kleiner stand im Wald Wie kam er her? Er konnt’s nicht sagen Er hatte nicht mal einen Wagen

„Hast du denn eine Konzession?“ fragt unser Held im selben Ton, verschränkt die Arme vor der Brust (ein Shirt der Cramps macht selbstbewusst)

Er gähnte lang, sah sich dann um und fühlte sich ein bisschen dumm Denn er sah keinen Menschen mehr, nur ein Mehrwegflaschenheer

Der Geist, beschämt, im Laut nun klein bekennt: „Ich weiß nicht, eher ... nein.“ Das macht den Punkrockbuben frech Er geht aufs Ganze: „Was’n Pech!

Die Party war wohl schon vorbei – dem Punkrocker war’s einerlei! Mist, wo bin ich? dachte er und: So ‘ne Kacke, Akku leer!

Dann antworte auf diese Frage: Wo lebt Elvis dieser Tage?“ „Elvis, pah! Der ist doch tot!“ lügt der Geist und wird knallrot

Wo sind bloß all die Leute hin? Und was klebt da an meinem Kinn? Verirrt, verdreckt und nicht mobil, das war selbst ihm dann doch zuviel

Der Held lacht laut, zeigt einen Finger grinst dazu, und dann, dann ging er Der Geist des Rock’n’Roll jedoch fiel in ein depressives Loch

Er jammerte und maulte los – darin war er richtig groß – als plötzlich und mit viel Getöse ein Viech erschien, das guckte böse

Die Quote in den Sand gesetzt wurd’ er zum Bluesrock strafversetzt Trotz Yogakurs und Therapie verzieh er das dem Punkrock nie

Doch das konnt’ unsern Held nicht schocken, tat er doch täglich kräftig rocken Er grüßte knapp und fragte dann: „Hast du vielleicht ein Handy, Mann?“

Und die Moral von der Geschicht‚ Verleugne Elvis Presley nicht Ein jeder weiß, dass dann und wann ein König steckt in jedem Mann

60


61

„I’m dead“


62

Reklame


In guten Händen! Cordula Wennekers

R

Hebamme, Heilpraktikerin

Im Viertel links oben Dudweilerstr. 51 66111 Saarbrücken Tel: 0681/51775 www.saar-partei.de Offen: Montag und Mittwoch von 14 bis 18 Uhr Freitag von 10 bis 14 Uhr

RR Schwanger und fit

(Fitnesskurs für werdende Mütter) RR Rückbildungsgymnastik

(Beckenboden-Training nach B. Cantieni) RR Babymassagekurs (nach F. Leboyer)

Quienstraße 20a 66119 Saarbrücken 0681 / 37 49 02 corduwen@web.de

Reklame

Reklame

63

Zum Bleistift Nauwieserstraße 48

Billard / Dart Öffnungszeiten: Mo-Fr 16.00 - 1.00 Uhr Sa- So 18.00 - 1.00 Uhr

Dudweiler Straße 49 /// 66111 Saarbrücken Tel: 06 81 / 3 58 82 Fax: 06 81 / 390 75 80 Mobil: 01 71 / 865 90 10 www.fahrschule-saar.com Reklame

Reklame


impressum ♦ Idee, Konzept, Gestaltung, Redaktion, Herausgeber: schillingundfreunde Ralf Leis und Frank Schilling Schmollerstraße 5 66111 Saarbrücken > r.leis@schillingundfreunde.de > f.schilling@schillingundfreunde.de www.schillingundfreunde.de ♦ Auflage:

10.000 Stck ♦ Druck:

repa druck, Ensheim ♦ Nächste Ausgabe von VIERTEL VOR erscheint Anfang Juli 2005 zum Nauwieserfest . Für Anzeigenschaltung fordern Sie bitte unsere Mediadaten an: > info@schillingundfreunde.de ♠ Mitwirkende (danke, sie warn bezaubernd!):

64 ♠ Helene Bunge – hat alle Schneemann-Fotos aufm Gewissen.

♠ Hans Gerhard – wenn er schreibt, dann richtig! ♠ Berthold König – ist um’s Eck gegangen und hat sich im Pflegeheim umgesehen. ♠ Ralf Leis – hat den Viertelvor-Blaumann an. ♠ ♠ ♠ ♠ ♠

Judith Liere – hat’s nach Spiegel Online nun auch ins Viertelvor geschafft. Martin Huppert alias dr.pop – kennt sich aus mit Mussigg und Fußball. Germaine Paulus – schreibt nicht nur elegante Poesie. Frank Schilling – hat den andern Viertelvor-Blaumann an. Ludwig Schmidtpeter – hat die Pärchen im Auge. (mehr davon auf >>www.lu-x.de)

♥ Danke für Feedback, Inspiration, Korrekturlesen, Geldeintreiben, Mutmachen, Aushalten, Stressglätten, Transkripieren, Mittrinken: Andrea, Anna, Britta, Fredl, Herrn Heimann, Henriette Schwarze, Mark Kraemer, Ralf, Véronique, Vincent und besonders: Mazze Gaspers und dem unbekannten Schneemannkünstler. ♥ Ebenso bedanken wir uns bei unseren Anzeigenkunden, die dieses Projekt ermöglicht haben. ♥ ...und nicht vergessen: Elvis wird am 8. Januar 70 Jahre. Wir gratulieren, wo immer du steckst! ♦ Alle Rechte vorbehalten. Abdruck nur mit ausdrücklicher Genehmigung der Autoren oder den Herausgebern. ♦ Die bereits erschienenen Ausgaben von VIERTELVOR sind kostenlos erhältlich im Buchladen in der Försterstraße und natürlich bei uns: info@schillingundfreunde.de ♣ Im Gedenken an Gregor Braun (1958 – 2004)

#1

#2

#3


65

3

1

a k t v a n n e l l e b a e r c h e n

4

10

13

15

16

t r a r u h d f o e c i n d s a n a r u

22

das massive viertelvorsommerrätsel

25

30

31

33

38

des rätsels lÜsung aus heft 3

50

54

57

62

von > Undine LĂśhfelm

19

43

47

60

2

5

u r i n i e r e n m u e n c h e n

34

39

6

r i e s e n r a e d e r a e t h e r

51

h e b r o n o c k e r r a t n u l l

17

23

44

55

7

c u t s t r h i s t o e r c h e n

18

26

32

40

48

52

63

8

k n e t e n e r o e r t e i l e n

24

41

45

61

9

h a l b h a n d n a u w i e s x

20

35

58

11

l v a u m k i p p e n z l o t y

21

27

36

42

49

53

64

12

14

o h r e n s c h m a l z u e b e l

56

59

u r n e n e c h o p l o e r r e

28

37

46

g e f o e h n t t h u n f i s c h n

29

o f

e n l k e m h e


nachschlag

gefüllter truthahn galopula

E

in griechisches Jahr geht zu Ende und damit wir es alle gut rum kriegen und jeder etwas von den Griechen gelernt hat, hier noch mal volle Pulle ein Rezept aus dem alten Europa. Das Lernmaterial stiftete diesesmal Frau Apostolidou, die gute Seele der Taverne Tosteki.

1 Truthahn von ca. 5 kg 1 große Zwiebel fein gehackt 250 g Hackfleisch vom Rind 250 g Hackfleisch vom Schwein 25 g gekochter Schinken 1 EL fein gehackter frischer Salbei 200 ml trockener Weißwein 100 g feine Suppennudeln 200 g Reis 80 g Rosinen 100 g Pinienkerne 100 g Apfelstücke 300 g gekochte oder gebackene Kastanien 66 200 g Butter 200 ml Mavrodaphne (roter Likörwein) frischer gemahlener schwarzer Pfeffer

Den Truthahn ausnehmen und die Innereien beiseite stellen. Die Flügelspitzen stutzen, den Hals kürzen. Den Truthahn waschen und mit Salz und Pfeffer einreiben. Für die Füllung die Innereien klein schneiden und in Öl mit Zwiebeln, Hackfleisch und Schinken anbraten. Salbei mit Wasser aufkochen, den Weißwein zufügen und das Fleisch damit ablöschen. Nudeln, Reis, Rosinen, Pinienkerne und Apfelstücke zufügen, Wasser aufgießen und alles 15 Minuten kochen. Zuletzt Kastanien unterrühren und abschmecken. Den Backofen auf 180° C vorheizen. Den Truthahn mit der Masse füllen, in einem großen Bräter platzieren und im vorgeheizten Ofen 1,5-2 h bakken. Die Butter zerlassen, mit Wasser verrühren und den Truthahn alle 10 Minuten damit einpinseln. Den fertigen Truthahn auf einer Platte anrichten, den Bratensaft mit Likörwein verrühren, aufkochen und über den Festbraten gießen.

„∑U

RU

∑UR

U“


Nauwieserviertel Saarbr端cken



Turn static files into dynamic content formats.

Create a flipbook
Issuu converts static files into: digital portfolios, online yearbooks, online catalogs, digital photo albums and more. Sign up and create your flipbook.