Viertelvor Ausgabe 10

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VIERTELVOR

Das Heft fürs Nauwieser Viertel

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10 07/2009 kostenlos

Nauwieserfest-Programm im Innenteil


......................................................................... D E U T S C H E E R S TA U F F Ü H R U N G IN DER REIHE

<ECHTZEIT>

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Michel van der Aa

Johann Wolfgang von Goethe

DAS BUCH DER UNRUHE

faust

mit Klaus Maria Brandauer Vorstellung am 30. Oktober 2009, SST

12. September 2009, SST

......................................................................... M U S I C A L - U R A U F F ÜH R U N G

Frank Nimsgern

PHANTASMA 7. November 2009, SST

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Engelbert Humperdinck

......................................................................... D E U T S C H E E R S TA U F F Ü H R U N G

PeterLicht

DIE GESCHICHTE MEINER EINSCHÄTZUNG AM ANFANG DES DRITTEN JAHRTAUSENDS 27. September 2009, sparte4

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HÄNSEL UND GRETEL

Bertolt Brecht

19. Dezember 2009, SST

MANN IST MANN 14. November 2009, AFW

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BALLETT

DAS WEIHNACHTSSTÜCK IM SST

L. Frank Baum

DER ZAUBERER VON OZ U R A U F F ÜH R U N G

CASA AZUL von Marguerite Donlon im Rahmen des „N.O.W. dance Saar“-Tanzfestivals 9. Oktober 2009, AFW

15. November 2009, SST

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Elfriede Jelinek

DIE KONTRAKTE DES KAUFMANNS 15. November 2009, sparte4

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SST: Staatstheater, AFW: Alte Feuerwache

0049 (0) 681 – 3092 486

nach dem Drehbuch von Peter Märthesheimer und Pea Fröhlich für Rainer Werner Fassbinder 11. September 2009, AFW

26. September 2009, SST

T:

LOLA

DIE HOCHZEIT DES FIGARO

kasse@theater-saarbruecken.de

Wolfgang Amadeus Mozart

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SCHAUSPIEL

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Saarländisches Staatstheater Premieren 2009

OPER


Erste Ausgabe vom August 2003

Willkommen zur 10. Ausgabe von VIERTELVOR!

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a wir es hier mit einer Jubiläumsausgabe zu tun haben, soll das aktuelle Titelbild eine kleine Reminiszenz an das erste Heft darstellen, das im Juli 2003 erschienen ist – die guten alten Kaugummiautomaten, auch für sie werden die Zeiten offensichtlich härter. Nach den bisherigen zehn Ausgaben kann ich zusammenfassend sagen, dass ich sehr dankbar bin, so viele interessante Leute kennengelernt zu haben, deren Bekanntschaft ich wohl nur dank des Heftes gemacht habe. Da taten sich mit jedem Viertelvor doch immer wieder erstaunliche neue Türen auf, obwohl man denkt, seine Pappenheimer zu kennen. Sehr inspirierend. Was das aktuelle Heft angeht, waren wir freudig überrascht von der regen Teilnahme an unseren beiden Mitmach-Aktionen „Dein liebstes Problem im Nauwieserviertel“ und dem Viertel-Album von André Mailänder. Bei der Problem-Umfrage kamen innerhalb von 3 Wochen über 100 Zettel zurück und von André ließen sich insgesamt über 120 Models ablichten. Diese Fotostrecke wäre eigentlich ein Sonderheft wert und auch sie beweist, dass man zwar viele, aber noch lange nicht alle netten Leute im Viertel kennt! viel Spassss! Ralf Leis

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Inhalt

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kurzes

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mein liebstes problem von Ralf Leis und Purk Reuleaux

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die letzten ihrer art Die Geschichte vom Buchladenkollektiv, von Stefanie Baehr und Ralf Leis

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das viertelalbum Fotografien von André Mailänder

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programm nauwieserfest Das Fest der Feste

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der sammler Interview mit Axel Späth, von Stefanie Baehr und Ralf Leis

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the generation after next von Véronique Verdet, Illustrationen von Marc „Mieps“ Misman

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kellner, philosoph und heisse luft von Markus Spohn

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teile des ganzen von Stefan „Ede“ Grenner

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impressum WerWieWas

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nachschlag präsentiert von Ursel und Norbert Jungmann

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Kurzes ♠

20 Jahre Gemüsemädels

Janny & Tina wünschen wir nachträglich alles Gute zum 20jährigen! Seit 1989 werden hier frisches Obst und Gemüse zusammen mit herbherzlicher guter Laune an den Mann und die Frau gebracht. Das kleine Lädchen in der Nauwieserstraße hat nun schon einige Höhen und Tiefen durchlebt und auch immer mal wieder zu kämpfen gehabt. Mittlerweile sind die beiden Schwestern aus dem Viertel aber nicht mehr wegzudenken. Ihren Mittagstisch bieten die beiden mittlerweile seit ca. 6 Jahren an, ein leckerer Geheimtipp mit Augenmerk auf gesunde frische Zutaten. Sehr geschätzt werden ebenfalls das hausgemachte Pesto und die Marmelade. Seit längerem haben sie ihren Gemüseladen mit einem originellen Gerüst geschmückt, über dessen Ästhetik man streiten kann, das ihrer Beliebtheit aber keinen Abbruch getan hat.

Happy End... in der Seilerstraße.

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Kurzes

Der alte Zausel... hat mal wieder Recht.

Zusammenrücken

Claude Oliver Rudolph muss sich seinen Container mittlerweile mit Leonard Cohen teilen. Was für eine lustige Kombination.

Übrigens, ...

wir finden die Re-Sozialisation von ehemaligen Suchtkranken begrüßenswert. Und wir finden es auch durchaus in Ordnung, dass dies im Viertel statt findet. Insofern ist die absurde Mobilmachung gegen die Eröffnung des Awo-Second-Hand-Buchladens „Lese-Viertel“, Ecke Förster-/Blumenstraße, in dem Ex-Junkies zur beruflichen Wiedereingliederung beschäftigt sind, wohl nur als hysterisch zu bezeichnen. Hatte man erwartet, dass plötzlich aidsverseuchte DrogenZombie-Horden durchs Viertel wanken, kleine Kinder fressen und Geschäfte plündern? Oder ging’s schlicht und ergreifend um Sozialhygiene in unserem schicken, liberalen Viertel...? Ätzend. Reklame

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das liebste problem von Purk Reuleaux und Ralf Leis

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Kollektivgeführte Buchläden trifft man eigentlich nur noch ausgestopft im Museum an. Dass sich ausgerechnet der buchladen in der Försterstraße bester Gesundheit erfreut, grenzt an ein kleines Wunder, ist aber letztlich kein Zufall... von Stefanie Baehr und Ralf Leis, Foto von Ralf Leis

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von links: Erlend Beth, Marika Klein, Anette Mantwill, Frank Peters und Paul Philippi

die letzten ihrer art M

arika stöhnt leicht auf, „achje, der ganze Politkram, das ist schon so lange her, das hat doch mit der heutigen Situation gar nix mehr zu tun.“ Bei dem ersten Vorgespräch zu dieser Reportage ist ihr anzumerken, dass das alte Klischee vom „linksalternativen Buchladenkollektiv“ etwas nervt. Die Schwerpunkte des buchladens liegen offensichtlich nicht mehr im politischen Bereich bzw. Anstreben der Weltrevolution. Den „Sissy-Effekt“ nennt es Paul dann auch lachend, „das Politische haftet uns einfach an, wir werden zumindest medial oft darauf reduziert.“ Dabei geht es ihm eher darum, einen professionellen Job zu machen sowie – und das gilt wohl für alle – Kollektivgedanke und Arbeitssituation unter einen Hut zu kriegen. „Wobei man als ,Kollektivmitglied‘ auch heute noch gerne mal mit ,Kommunist‘ verwechselt wird“, wie Marika belustigt erzählt. Für unser Gespräch ist die komplette Besetzung anwesend: Ur-buchladen-Mann Erlend Beth, Marika Klein und Anette Mantwill, die beide gerade ihre 30jährige Kollektiv-Mitgliedschaft gefeiert haben, sowie die beiden „Neuen“, Paul Philippi und Frank Peters, die allerdings Was bisher geschah... 1970- Mensa-Büchertisch der sogenannten 1973 „ad-hoc-Gruppe“ (Basisgruppe an der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Uni SB) 1973 Eröffnung des „politischen buchladens“ GbR (Erlend Beth und Ralf Paul) in der Dudweiler Straße 69

auch schon seit 23 bzw. 19 Jahren dabei sind. Nachdem wir es uns nach Geschäftsschluss im Wintergarten des Ladens gemütlich gemacht haben, gilt es erst einmal, die Fakten zu sortieren. 36 Jahre Geschichte plus Vorgeschichte erfordert etwas Konzentration. Vom Raubdruck zum Geschenkpapier Gegründet wurde der politische buchladen, wie er damals noch hieß, 1973 – fünf Jahre nach ’68. In einer Zeit, als es großen Bedarf an neuen politischen Büchern gab, Verlage aus dem Boden geschossen waren und in vielen Städten der Republik neue Buchläden und Vertriebsstrukturen entstanden. Linkes Bildungsgut sollte jedermann zugänglich gemacht werden. Dazu gehörte auch, Raubdrucke von Schriften herzustellen und zu vertreiben, die zu dieser Zeit nur schwer auf normalem Wege aus Bibliotheken oder aus dem Buchhandel zu beschaffen waren. Vorläufer des Ladens war ab 1970 der Mensa-Büchertisch der sogenannten ad-hocGruppe (Basisgruppe der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Uni Saarbrücken). 1975 Christa Wennberg fängt im buchladen als erste Azubildende an 1976 Beschlagnahmung „Wie alles anfing“ von Bommi Baumann 1977 Umzug in die Johannisstraße 3 und Namensänderung in „der buchladen“. Besetzung: Erlend Beth, Ralf Paul und Christa Wennberg 17


„Irgendwann wollten wir besser an die Leute herankommen“ erzählt Erlend, „und so entstand die Idee, einen Laden in der Stadt zu betreiben.“ Erster Standort des politischen buchladens war die Dudweilerstraße 69. Neben den Klassikern des Sozialismus bestand das Sortiment vor allem aus den Gebieten kritische Ökonomie, Philosophie, Politik, Geschichte. Krimis und Belletristik fehlten komplett – mit Ausnahme von ein paar Arbeiterromanen mit Titeln wie „Aufstand im Wedding“... Gern schauten auch die Herren vom Staatsschutz mal vorbei. 1976 lief z.B. eine bundesweite Beschlagnahmung von Bommi Baumanns „Wie alles anfing“. Das Buch erschien anschließend neu – herausgegeben von ca. 300 Einzelpersonen und Betrieben aus dem Buchhandel, darunter natürlich auch der politische buchladen. Die letzte Beschlagnahmung fand 1986 statt: Die Konfiszierung der Zeitschrift „Radikal“ bescherte dem buchladen absurderweise ein Ermittlungsverfahren wegen „Unterstützung einer terroristischen Vereinigung“, was dann allerdings nicht weiter verfolgt wurde. Mit dem Umzug in die Johannisstraße 3 im Jahre 1977 wurde das „politische“ im Namen gestrichen und der Schritt vom Experiment zur „richtigen“ Buchhandlung vollzogen. Marika: „Wir haben den Namen auch deshalb geändert, weil wir nicht unter einem Image leiden und deshalb als inkompetent gelten wollten“. Die vorher relativ lose Gruppe begann, den Laden als berufliche Perspektive zu sehen und das Sortiment wurde um Belletristik, Frauenliteratur und Kinderbücher erweitert. Nachdem der Laden in der Johannisstraße 1982 kündigungsbedingt geräumt werden musste, entschied man sich, im Nauwieserviertel zu bleiben und die schlechtere Lage in der Försterstraße in Kauf zu nehmen – was auch prompt 1978 Marika Klein steigt als Azubi ein. Saarbrücker taz-Initiative im buchladen. 1979 Anette Mantwill steigt als Azubi ein. Ralf Paul verlässt das Kollektiv in Richtung Schuldienst. 1980 Beschlagnahmung „Asterix und das Atomkraftwerk“ 18

einen kräftigen Umsatzeinbruch mit sich brachte. 1992 dann eine interne Revolution, als der Computer Einzug hielt. Anette hatte sich schon länger damit beschäftigt, die anderen wollten lieber bei ihren alten Katalogen bleiben. Paul: „1987 auf der Buchhändlerschule wurde noch über Vor- und Nachteile von Computern in Buchläden diskutiert. Standard war es, im Verzeichnis lieferbarer Bücher (VLB) nachzuschlagen.“ Wie funktioniert ein Kollektiv? 1982 in eine GmbH umgewandelt, funktionierte der Laden nach wie vor nach dem Gleichheitsprinzip. Und das tut er immer noch: Anteilseigner wurden alle Beschäftigten zu gleichen Teilen, Entscheidungen nach dem Konsensprinzip getroffen, und es gab gleichen Lohn für alle. Da damals Geschäftsführer bestimmt werden mussten, wurden diese kurzerhand per Würfel ermittelt. Lustigerweise traf es die beiden Azubis Marika und Anette. Der Steuerberater war entsetzt... Ursprünglich wurden die einzelnen Aufgaben wie Buchführung, Einkauf usw. nach dem Rotationsprinzip verteilt – so wie es früher korrekt war. Mittlerweile hat jeder sein eigenes Ressort und alle sind mit der festen Verteilung von Kompetenzen zufrieden. Bücher werden nach wie vor gemeinsam ausgesucht, wobei es auch keine Spezialisierung auf Sortimentsbereiche gibt. Ausnahme: Paul, der sich aus eigenem Interesse auf Kinder- und Jugendbücher spezialisiert hat. Von dem Laden leben können sie alle nur in Kombination mit zweitem Standbein oder dazuverdienendem Lebenspartner. Vom Umsatz könnte der Laden drei Leute ernähren, da sie aber zu fünft sind, bleibt für jeden eine Arbeitszeit von ca. 30 Stunden pro Woche. 1982 Umzug in die Försterstraße, Umwandlung in GmbH. Anteilseigner sind alle Beschäftigten zu gleichen Teilen. Die Geschäftsführer werden per Würfel ermittelt. Es trifft die beiden Azubis... 1983 Volkszählungsboykott – letztes Aufbäumen gegen neue Technologien. 1. Buchladenfest im Förster-Juz.


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1 „der politische buchladen“ in der Dudweilerstraße 2 Erlend sucht den „Aufstand im Wedding“ 3 Büchertisch auf dem Altstadtfest 1977, links Ralf Paul, rechts Erlend

4 Erlend Beth vs. Berufsverbot 5 1978: Ralf Paul verteilt die Nullnummer der taz ganz stilecht mit Bart, Parka und Pfeife. Links im Hintergrund Anette Mantwill 6 1977: der buchladen in der Johannisstraße 3

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„Wir sind sozusagen überbesetzt“ grinst Erlend und Anette ergänzt: „Marika und ich hatten uns damals gleichzeitig beworben. Das Bewerbungsgespräch fand im Bingert statt, und da man sich nicht entscheiden konnte, stellten sie uns einfach beide ein.“ Diese Überbesetzung wird aber auch gutgeheißen, denn jeder kann flexibel bleiben. Außerdem ist die Arbeit gemütlich (bis auf 14 Tage vor Weihnachten...) und hat was von Wohnzimmer, das wollen sie sich nicht nehmen lassen. Klingt nach Traumjob, oder? „Nun ja,“ meint Frank, „ich finde das Kollektiv toll, die Arbeits- und die daraus resultierende Lebensqualität, außerdem mag ich natürlich die Bücher. Aber für mich ist der große Haken das Finanzielle, das sitzt mir oft im Nacken.“ Beratung war nicht vorgesehen Erlends persönlicher Traumjob wäre mittlerweile eher Schiffsbaurestaurator. Das hat sich aber erst später herauskristallisiert. Ihm ging es bei der Gründung des buchladens nur sekundär um die Bücher, wichtig war für ihn die Politik. „Der buchladen war immer ein Bewegungsladen. Wir waren in der Anti-AKW, Friedensund Frauenbewegung aktiv. Mittlerweile ist der Kontakt zur Szene abgerissen. Sogar von den Leuten von attac werden wir ja schon gesiezt.“ (Allgemeine Heiterkeit) Frank: „Als ich damals zum ersten Mal im buchladen war, wollte ich mir nur die taz kaufen. Ich fand die Leute hier arrogant, so guruhaft und fühlte mich als Kunde einfach schlecht behandelt.“ Erlend lacht: „Ja, so war das damals. Beratung war nicht vorgesehen, Aufklärung im Laden ja, Beratung nein.“ Frank: „Da war damals wohl eine gewisse Coolheit Trend, das Bewusstsein, zur politischen Avantgarde zu gehören.“

Diese Coolheit ist seit langem einer sehr sympathischen, entspannten Professionalität gewichen, die aber niemals anbiedernd wirkt. Da wird dann notfalls auch mal von einem Buch abgeraten. Und Beratung gehört selbst bei Erlend inzwischen dazu. Auch der Anspruch an Vollständigkeit besteht nicht. Zwar wurde die Revolution vertagt, aber man verkauft trotzdem nicht alles und trifft die Auswahl der Bücher im politisch-moralischen Sinn. Es findet sich im buchladen keine Esoterik, keine sexistische Literatur, kein Dieter Bohlen, kein Stephen King, kein Henry Miller, am Anfang gab es noch nicht mal Charles Bukowski (der ist aber mittlerweile rehabilitiert). Auf die Frage, was Stephen King von Harry Potter unterscheidet, antwortet Frank: „Ganz einfach, Harry Potter führen wir, weil Paul Fan davon ist. Wir entscheiden oft einfach nach eigenem Geschmack, das macht auch den persönlichen Stil des buchladens aus.“ Marika ergänzt: „Ein Vorteil des Ladens ist, dass die Leute hier eine überschaubare Auswahl vor sich haben, mit einem Stil und guter Sortierung.“ Sehr vieles hat sich über die Jahre verändert, und es ist in der Tat eine eindrucksvolle Leistung, dass sie den Laden nun schon so lange in gleicher Besetzung am Leben erhalten haben. „Viele Ideale von damals habe ich ganz einfach nicht mehr, das stört mich aber auch nicht.“ sagt Erlend, „Dass wir politisch nicht verbohrt und wandlungsfähig geblieben sind, ist ein Hauptgrund, warum der Laden nach so langer Zeit noch existiert.“ Ein gewisser Stolz ist ihnen zu Recht anzumerken, und es ist weniger die Tatsache, dass es den Laden noch gibt, als dass er in dieser Form, sehr professionell und absolut nicht angestaubt funktioniert. Hut ab. ♠

1984 Eröffnung des Antiquariats in der Försterstraße 9. 2. Buchladenfest

1988 4. Buchladenfest 15 Jahre u.a. mit Adele Haas (Eva & Adele)

1985 3. Buchladenfest

1989 Einrichtung des Frauenzimmers

1986 Beschlagnahmung der Zeitschrift „Radikal“. Paul Philippi beginnt seine Umschulung im buchladen

1990 Frank Peters beginnt Umschulung

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1991 „Tatort“ wird im „buchladen“ gedreht


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1 Marika beim Versprühen von Revolutionsromantik

4 1985: Büchertisch auf der Messe „Energie & Umwelt“

2 Antiquariat in der Försterstraße 9

5 Legendär auch die Buchladenfeste im Förster-Juz. Hier zum 15jährigen Jubiläum 1988 6 Die Szene macht einen drauf: Adele Haas mit Hans Husel

3 1983: Christa Wennberg, Marika, Anette und Erlend

1992 Der PC hält Einzug 1993 Christa geht (in Richtung Toskana). Bau des Wintergartens. Das Antiquariat kehrt zurück ins Stammhaus. 5. Buchladenfest 1994 Wöchentliche Kollektiv-Sitzung wird abgeschafft

1995 Nach 22 Jahren Diskussion wird Geschenkpapier eingeführt... 1997 „der buchladen“ im Internet 1998 6. Buchladenfest „25 Jahre Buchladen“ 2006 33 Jahre der „buchladen“, 7. Buchladenfest im Förster-Juz 21


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viertelalbum Fotografien von AndrÊ Mailänder

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programm nauwieserfest Grußwort

Willkommen beim Nauwieser Fest 2009

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ie Initiative Nauwieser Fest, unterstützt durch den Rockstar e.V., hat es erneut geschafft, ein attraktives Fest auf die Beine zu stellen. Ich habe gerne die Schirmherrschaft dafür übernommen, denn gerade diese Veranstaltung ist Jahr für Jahr ein Spiegel der kulturellen Vielfalt unserer Stadt. Zur besonderen Wirkung des Festes trägt auch das unverwechselbare Flair des Nauwieser Viertels bei. Wir sind seit Jahren darum bemüht, dieses zentral gelegene Stadtviertel in seiner Grundsubstanz zu bewahren und die Fortentwicklung der Wohnnutzung voranzutreiben. Die neu gestalteten Straßen und kleinen Plätze, der Kirchgarten an der Johanneskirche und der neu gestaltete Landwehrplatz sind Beispiele dieser erfolgreichen Bemühungen. Die Besucherinnen und Besucher des Nauwieser Festes erwartet auch diesmal ein anspruchsvolles Bühnen- und Straßenmusikprogramm mit vielen renommierten Künstlern und Gruppen, aber auch mit vielen jungen Musikerinnen und Musikern aus der Saarbrücker Nach-

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wuchs-Szene, die sich gerne einem großen Publikum präsentieren. Erneut wird es ein Kinderprogramm geben. Ich bedanke mich sehr herzlich bei den Organisatoren des Nauwieser Festes, die sich immer wieder der Herausforderung stellen, den unterschiedlichsten Kunst- und Kulturformen „eine Bühne zu geben“ und damit mit großer Treffsicherheit ein Fest der besonderen Art schaffen, ein Fest, das die spezifische Lebensart des Viertels widerspiegelt und gleichzeitig unsere Stadt von einer besonders liebenswerten Seite zeigt. Allen Besucherinnen und Besuchern wünsche ich viel Spaß und interessante Unterhaltung beim Nauwieser Fest 2009. Saarbrücken, im Mai 2009

Charlotte Britz Oberbürgermeisterin


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programm Freitag 31.07.09

Samstag 01.08.09

hauptbühne max-ophüls-platz:

hauptbühne max-ophüls-platz:

p 19.00 Uhr

p 16.00 Uhr

Jelly Toast

Green Wave

Ska, Reggae, Funk und Punk aus dem Saarland.

Psychedelic Rock aus Saarbrücken.

p 20.15 Uhr

p 18.00 Uhr

The Bandgeek Mafia

NNP

Ska, Punk und Hardcore aus Trier.

Melodischer Punkrock aus dem Saarland.

p 21.30 Uhr

p 19.00 Uhr

Hungry

Sir Moron And The Villains

Klassischer Punkrock mit Rock’n’Roll und melodischem Hardcore aus Saarlouis.

Indie und Britpop von der Saar.

p 22.30 Uhr

Spy Vs. Spy

Far From Finished

Die saarländischen Surf-Helden.

p 20.00 Uhr

Streetpunk, Rock’n’Roll aus Boston/USA. p 21.15 Uhr

bleistift, nauwieserstr: p 20.00 Uhr

Beatnicky & The Soulraiders Original Vintage Soul aus dem Saarland.

Crippled Flower Garden

p 22.30 Uhr

Elektrischer Gitarrenrock vom Feinsten.

Alias Caylon

antiquitätenladen, nauwieserstr:

Indie Rock meets Pop Punk meets Post Hardcore aus Flensburg.

p 20.00 Uhr

Memphis

bleistift, nauwieserstr:

Rock und Pop-Covers auf der Akkustik-Gitarre.

p 20.00 Uhr

Crocodile Cowboys

karateklub meier, nassauerstr: p 21.30 Uhr

Rock und Blues von der Saar.

Die Fahrt von Holzminden nach Oldenburg

antiquitätenladen, nauwieserstr:

Trio-Coverband, legendär & kultig!

Live Musik

p 20.00 Uhr Künstler werden noch bekannt gegeben.

karateklub meier, nassauerstr: p 21.30 Uhr

The Torpedo Molecules Live Musik

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Von links: Die Fahrt von Holzminden nach Oldenburg, Crippled Flower Garden, Little Town Blues Band, The Hic-A-Doo-Las


nauwieserfest Sonntag 02.08.09 hauptbühne max-ophüls-platz: p 17.30 Uhr

sonstiges:

Teddypickers

Bücherflohmarkt

Klasse Indie Rock aus dem Saarland.

Samstag von 14.00 Uhr bis 19.00 Uhr im Hinterhof des Buchladens in der Försterstraße. Interessierte melden sich bitte bis zum 25. Juli unter 0681-31171 beim Buchladen an.

p 19.00 Uhr

Chinaski Jugend Jupiter Jones-Frontmann Nicki solo. p 20.15 Uhr

CD- und Schallplattenbörse

Entspannter akustischer Pop und Rock aus Trier.

Samstag ab 13.00 Uhr und Sonntag ab 11.00 Uhr auf dem Max-Ophüls-Platz.

p 21.30 Uhr

Kinderprogramm

Botanica „Punkrock-Kammermusik fürs 21. Jahrhundert“ aus New York.

Samstag und Sonntag abwechslungsreiches Kinderprogramm mit Luftkissen und Kinderschminken auf dem Spielplatz Nauwieser Platz.

mono, ecke nauwieser/cecilienstr:

Kinderfest

Foodcoma

p 16.00 Uhr

The Hic-A-Doo-Las Das Spy Vs. Spy-Nebenprojekt liefert knackigen Surf-Sound vor dem Mono.

kurze eck, nauwieser str: p 17.30 Uhr

Unter dem Motto „Zirkus SOSini“. Samstag von 14.00 bis 20.00 Uhr und Sonntag von 13.00 bis 18.00 Uhr im Innenhof des SOS Ausbildungs- und Beschäftigungszentrums zwischen Seilerstraße und Nauwieser Platz (Eingang Nummer 9).Während die Eltern über das Fest schlendern, können Kinder im Alter von 3 bis 10 Jahren etwas Spannendes erleben.

Live Musik Künstler werden noch bekannt gegeben.

bleistift, nauwieserstr: p 17.00 Uhr

The Consorrows Junges Duo zwischen abgehobenem Progressive Rock und seichter Akustikmusik.

Außerdem natürlich wie jedes Jahr ein großes und abwechslungsreiches Angebot an Essens-, Getränke-, Schmuck- und sonstigen Ständen auf dem Max-Ophüls-Platz, in der gesamten Nauwieserstraße und einem Abschnitt der Cecilienstraße.

schirmherrschaft: p 20.00 Uhr

Little Town Blues Band Das Repertoire der Band huldigt Legenden wie Eric Clapton, Stevie Ray Vaughan, Gary Moore.

p Charlotte Britz, Oberbürgermeisterin der Landeshauptstadt Saarbrücken und p Christa Piper, Bezirksbürgermeisterin

karateklub meier, nassauerstr: p 21.30 Uhr

Power & Die Nerven Rock meets Post Punk meets Powerpop.

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programm nauwieserfest Grußwort Unter den Festen im Saarland nimmt das Nauwieser Fest eine exponierte Stellung ein. Es ist der besondere Charme des Viertels und seiner Menschen – geprägt durch die kulturelle Vielfalt, nachbarschaftliche Toleranz, das Miteinander der Generationen und soziales Engagement – der diese Anziehungskraft ausübt. Das Fest ist mit der Zeit größer und vielleicht ein Stück professioneller geworden, aber nach wie vor ist es einzigartig, und man muss dabei sein. Auch dieses Jahr haben die Organisatoren ein Programm zusammengestellt, das zur Szene passt und Publikum anlocken und begeistern wird. Dem Team, den Künstlernnen und Künstlern, denen, die Stände betreiben und allen Helferinnen und Helfern gilt unser Dank. Ich hoffe, dass im nächsten Jahr der Landwehrplatz ins Nauwieser Fest integriert wird und wünsche allen ungetrübten Festgenuss. Ihre

Christa Piper, Bezirksbürgermeisterin

Jelly Toast Sieben willenlos offbeat-süchtige Musikanten, die den Ska kräftig mit Funk, Reggae und Punkrock mixen. Sie spielen gerne schnell und manchmal auch langsam, aber immer schön dreckig, bitte. Drum kommt, schreit und tanzt mit ihnen! Infos: www.jelly-toast.de Fr, 19.00 Uhr, Hauptbühne Max-Ophüls-Platz

The Bandgeek Mafia Ebenso rockende wie abwechslungsreiche Mischung aus Ska, Punk und Hardcore aus Trier. Infos: www.myspace.com/thebandgeekmafiatrier Fr, 20.15 Uhr, Hauptbühne Max-Ophüls-Platz

Hungry Gegründet im Jahre 2000 in Saarlouis, verbinden Hungry eindrucksvoll klassischen Punkrock mit Rock’n’Roll und melodischem Hardcore – „Bastardized Punkrock“. Infos: www.myspace.com/hungryrocks Fr, 21.30 Uhr, Hauptbühne Max-Ophüls-Platz

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Far From Finished Die Band aus Boston/USA sind in Saarbrücken keine Unbekannten mehr. Bei mehreren Auftritten konnten die Amerikaner bereits unter Beweis stellen, wie gut ihre extrem eingängige Mischung aus Streetpunk, Rock’n’Roll live funktioniert. Ein Muss für alle Fans von Bands wie Social Distortion oder den Dropkick Murphys! Infos: www.farfromfinished.com Fr., 22.30 Uhr, Hauptbühne Max-Ophüls-Platz

Green Wave 1975 starteten die Saarbrücker Psychedelic Rocker mit dem Slogan „Die letzte Rockband vor der Grenze“. Sie erspielten sich im Laufe der Jahre als Liveband bei vielen Veranstaltungen einen Freundeskreis, der weit über die saarländischen Grenzen hinausreichte, bis hin ins Amsterdamer Melkweg. Infos: www.green-wave.de Sa, 16.00 Uhr, Hauptbühne Max-Ophüls-Platz

NNP Melodischer Punkrock trifft auf emotionalen Hardcore – die Saarländer sind seit 1992 ein Garant für energiegeladene Liveshows. Infos: www.newnoiseproject.com Sa, 18.00 Uhr, Hauptbühne Max-Ophüls-Platz

Sir Moron And The Villains Indie und Britpop von der Saar. Ihre Livequalitäten durften die jungen Herren schon im Vorprogramm von angesagten Bands wie den Ting Tings oder Art Brut unter Beweis stellen. Erstaunlich frisch und very british! Infos: www.myspace.com/sirmoronandthevillains Sa, 19.00 Uhr, Hauptbühne Max-Ophüls-Platz

Spy Vs. Spy Spione wie du und ich, die sich der Mission verschrieben haben, an das Crime-Flair alter TV-Action/Krimi-Serien zu erinnern und totgeglaubte Helden wie Magnum oder Sledge Hammer durch ihre Musik wiederauferstehen zu lassen. Das Ganze serviert in groovigstem Surf-Punk-Gewand. Infos: www.myspace.com/spiongegenspion Sa, 20.00 Uhr, Hauptbühne Max-Ophüls-Platz 37


programm nauwieserfest Beatnicky & The Soulraiders Original Vintage Soul der Motown-, Stax- und Atlantic-Ära sind die Eckpfeiler der siebenköpfigen Formation um Frontfrau Beatnicky. (U.a. mit Ex-Thee Cherylinas, -Furdelux, -bossa’68, -Apemen). Erste eigene Stücke reihen sich nahtlos an Klassiker von Tom Jones, Supremes, Otis Redding, Nancy Sinatra. Infos: www.myspace.com/beatnickysoulraiders Sa, 21.15 Uhr, Hauptbühne Max-Ophüls-Platz

Alias Caylon Indie Rock meets Pop Punk meets Post Hardcore. Die Flensburger liefern den richtigen Sound für Fans von Bands wie At The Drive In oder Against Me!, überzeugen aber genauso in ruhigeren Momenten. Infos: www.myspace.com/aliascaylon Sa, 22.30 Uhr, Hauptbühne Max-Ophüls-Platz

Chinaski Jugend Jupiter Jones-Frontmann Nicki solo, nur mit Akustik-Gitarre bewaffnet. Ein bisschen Jupiter Jones, ein bisschen Heldenmusik, ein bisschen was Eigenes. Infos: www.myspace.com/chinaskijugend So, 19.00 Uhr, Hauptbühne Max-Ophüls-Platz

Foodcoma Das Quartett aus Trier zelebriert entspannten Akustik-Pop: Leichte und doch ausgefeilte Percussion, wundervolle Gitarrenmelodien und eine warme, Seelen umschmeichelnde Stimme erinnern an Jack Johnson. Infos: www.foodcoma.de So, 20.15 Uhr, Hauptbühne Max-Ophüls-Platz

Botanica Knappe Gitarrenakkorde, Minimal-Schlagzeug, Wurlitzer EPiano, eine raue, ausdrucksstarke Stimme zwischen John Cale, Elvis Costello und Matt Johnson – und schon ist man drin im Botanica-Sound. Düstere, staubtrockene, epische, beißende und sexy Musik. Infos: www.botanicaisaband.com So, 21.30 Uhr, Hauptbühne Max-Ophüls-Platz

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wünscht allen viel Spaß auf dem Nauwieser Fest. Feiern, wo Saarbrücken ganz besonders ist.

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der sammler

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Briefmarkensammeln. Nicht gerade das Hobby mit dem höchsten Glamour-Faktor, aber muss es immer gleich BaseJumping, Eisschwimmen oder Deep Water Soloing sein? Für die Ausschüttung von Endorphinen kann auch der Erwerb von kleinen selbstklebenden Papierchen sorgen. Mit dem zuständigen Spezialisten im Viertel, Axel Späth, haben wir uns unterhalten. von Stefanie Baehr und Ralf Leis, Fotos von Ralf Leis

S

eit 33 Jahren betreibt Axel Späth das Geschäft in der Cecilienstraße – an exponierter Stelle direkt am Eingang zum Nauwieserviertel. Mit gerade mal 20 Jahren übernahm er es von seinem Vorgänger und versorgt seitdem die Sammler-Gemeinde mit den neuesten (oder ältesten) Sonder-Briefmarken, Münzen oder Postkarten mit historischen Saarbrücker Stadtansichten. In Zeiten des schnelllebigen MedienOverkill ein angenehm entschleunigtes Business. Axel Späth stammt ursprünglich aus dem fernen Hannover, ist aber schon sehr lange und mit Herz und Seele Viertler. Außerdem ein überaus angenehmer und natürlich auch fachkundiger Gesprächspartner. Herr Späth, was ist eigentlich ihr Hobby? Briefmarkensammeln ist ja schon ihr Beruf... (Lacht) Ich habe mein Hobby zum Beruf gemacht! Als Schüler der Oberrealschule am Landwehrplatz, dem heutigen Otto-Hahn-Gymnasium, war ich Kunde in diesem Geschäft, das damals schon existierte. Es ist eins der ältesten saarländischen Briefmarkengeschäfte. Nach dem Gymnasium hab ich eine Ausbildung als Kaufmann im Groß- und Außenhandel gemacht und nach meiner Lehre war der Vorbesitzer im Rentenalter. Über diesen Weg hab ich praktisch das Geschäft mit 20 Jahren übernommen.

Wie kommt man dazu, mit so jungen Jahren ein Geschäft zu übernehmen? Ich hatte immer Spaß an Briefmarken und Münzen, hatte mir auch schon ein bisschen Fachwissen angeeignet, und die Chance war einmalig, dass der Mann grad in Rente gehen wollte. Ich hatte im Kfz-Gewerbe meinen Kaufmann gelernt, und in der Zeit war das damals schwierig, d.h. nach meiner Lehre bin ich arbeitslos geworden, und das war der Aufhänger, sich selbstständig zu machen, das hat gut gepasst. Wissen Sie noch, um welches Objekt es ging, als Sie zum ersten Mal hier vor der Theke standen, „die Blaue Adenauer“ oder so? Ich hatte mir als Sammelgebiet Deutschland auserkoren, und da die alten deutschen Marken sehr teuer waren, hab ich mein Geburtsjahr als Beginn meiner Sammlung genommen. Es ging damals um das Thema 125. Geburtstag von Heinrich von Stephan, dem Mitbegründer des Weltpostvereins, und weil die 5 Tage nach meinem Geburtstag erschienen war, musste ich die unbedingt haben. Die Marke war gottseidank nicht ganz so teuer und so konnte ich sie dann hier in diesem Geschäft erwerben. Nochmal zurück zu Ihrem Werdegang. Wie hat es Sie aus Hannover hierher verschlagen? Die berühmten Continental-Reifenwerke 43


haben ihren Stammsitz in Hannover, und mein Vater war dort beschäftigt. Als die Conti in Saargemünd damals das Zweigwerk errichtet hat, war er als Abteilungsleiter mit dabei. So hat es uns ins Saarland verschlagen... und ich würd sagen, es war auch gudd so. Und seit wann sind Sie Viertler? Ab 1982 habe ich dann hier im selben Haus gewohnt, in dem ich mein Geschäft habe, ich konnte also morgens praktisch in Hausschuhen die Treppe runtergehen. Nachdem ich vor 15 Jahren geheiratet habe und unsere beiden Kinder zur Welt kamen, wurde die Wohnung hier im Haus zu klein und wir mussten umdenken. Hier in der Cecilienstraße wurde ich dann nach 3 Jahren Suche endlich fündig. Ich hatte so lange gesucht, weil ich im Viertel bleiben wollte. Sie stehen hier am Eingang zum Viertel, und übernehmen sozusagen eine Pförtnerrolle. Wer kommt und geht so den ganzen Tag? Ja gut, über die Jahre kennt man natürlich schon die Leute, die im Viertel wohnen und wenn ich gerade in der Tür stehe, ist auch immer ein Schwätzchen drin. Insgesamt ist das natürlich sehr gemischt hier. Ansonsten hab ich natürlich, da es nicht an jeder Ecke Briefmarken- und Münzfachgeschäfte gibt, ein großes Einzugsgebiet, da kommt heut einer aus Neunkirchen, morgen einer aus Saarlouis. In meiner Branche hab ich natürlich nicht so viel mit den Leuten aus dem Viertel zu tun wie ein Lebensmittelmarkt, weil natürlich 44

nicht jeder hier Briefmarken oder Münzen sammelt. Man kennt teilweise die Geschäftsleute, die zwischendurch schnell mal was einkaufen... oder wenn ich in die Mittagspause gehe und ich seh grad die Frau Schmitt vom Käseladen da stehen...hallo, wie gehts...also, die sammelt auch keine Briefmarken, das ergibt sich natürlich. Unterhaltsam ist es doch bestimmt hier? Auf jeden Fall. Früher allerdings, als der Kirchgarten noch nicht so gestaltet war wie heute, haben wir hier viele Drogendealer gehabt, Überfälle, Schlägereien, da floss schon mal Blut. Man musste öfter die Kontaktpolizisten in der Karcherstraße anrufen, die haben dann so manches geschlichtet. Sie würden also das alte Klischee vom „gefährlichen Viertel“ bestätigen? Das hat sich ja mittlerweile gelegt, aber früher war das gerade hier am Kirchgarten sehr geballt. Die Klientel, die da verkehrt hat und immer mal wieder versucht, sich breit zu machen, hat auch gemerkt, dass einige der Anwohner ein Auge drauf haben. Das heißt, wenn eine Gruppe mit ‘ner Kiste Bier und drei Hunden ankommt, weist man schon mal höflich auf die Gartenordnung hin. Wir brauchen hier keine Hunde, hier spielen Kinder und Alkohol trinken ist in diesem kleinen Garten nicht erlaubt, geht doch bitte runter an die Saar oder sonstwo hin. In der Regel klappt das auch. 1976 haben Sie den Laden übernommen, da waren Sie 20 und die Punkrevolution be-


gann. Wie haben Sie das erlebt, als plötzlich junge Menschen mit grünen Haaren im Viertel rumgeturnt sind? Naja, man hat manchmal gestaunt und auch mal hinterher geguckt, aber ich hatte da eigentlich nie Probleme mit. Damals am Gymnasium gabs ja auch vor den Punkern schon andere Bewegungen. Ich glaub, jede Zeit hat so ihre Modeerscheinungen. Ich hab da nie Probleme mit gehabt. Stichwort Sammler. Kann man die typologisieren? Stimmt das Klischee vielleicht, dass das alles Nerds sind, so verhuschte Stubenhocker, um mal provokant zu fragen? Kann man so nicht sagen. Was sich stark gewandelt hat, speziell mit Briefmarken, da fehlen uns jetzt wirklich ein bisschen die jungen Sammler. Die Jugend hat halt mit Briefmarken nicht mehr so viel am Hut, die nehmen ihr Geld für Handyrechnungen in die Hand, oder Computerspiele. Was schade ist. Ein gesunder Mix von beidem, den modernen Medien und dem altehrwürdigen Briefmarkensammeln wäre nicht verkehrt, denn ich kann eigentlich nur sagen, durch Briefmarkensammeln ist noch niemand dümmer geworden. Wenn man sich mal mit Hintergründen beschäftigt, z.B. meine Briefmarke vom Herrn von Stephan, wer war das überhaupt, ah ja, der damalige Postmeister und Mitbegründer des Weltpostvereins, da kommt man natürlich erst drauf, wenn man das mal im Lexikon nachschlägt.

Unsere nächste Frage haben Sie damit schon beantwortet, ob es Nachwuchsprobleme gibt bei der Kundschaft... Also, das ist sehr schade. Bei Münzen ist es gottseidank anders, da hat sogar der Euro noch mal einen Schub gegeben. Da hab ich doch auch viele junge Sammler. Das finde ich toll, während – es ist leider wirklich so – manch ein junger Briefmarkensammler als Außenseiter abgestempelt wird, was mir sehr leid tut. Es wär ja schade, wenn diese Jugendlichen heimlich Briefmarken sammeln müssten, aber das ist leider schon ein wenig so. Was macht den Reiz einer Briefmarke aus? Ja gut, eine Briefmarke kann man sehen als ein Stück Geschichte oder als Kapitalanlage – wenn man die richtigen Sachen kauft mit kleinen, hochwertigen Auflagen. Und es gibt natürlich die reinen Hobbysammler, die meinetwegen auch nur Briefmarken von eingehenden Briefen ablösen, also praktisch nichts investieren außer hin und wieder ein Album für 5 Euro und munter die Marken nebeneinander stecken und ihre Freude daran haben. Das geht in alle Richtungen. Was fasziniert Sie vom ästhetischen Gesichtspunkt gesehen an den Marken? Ja, es gibt natürlich auch die Motivsammler. Einer interessiert sich für Schiffe oder Eisenbahnen, einer ist Vogelkundler. Da kommen Leute hierher und fragen gezielt: „Ei, gibt’s was Neues mit Loks?“ Da sag ich: „Moment, Belgien 45


hatte grad ne neue Marke, da war ne schöne, alte Lokomotive drauf.“ Ob die jetzt aus Belgien kommt oder aus Frankreich, das stört nicht, die sammeln gezielt dieses Motiv. Gibts da auch verpönte Sachen? Was geht gar nicht, vielleicht selbstklebende Briefmarken? Naja, es ist natürlich eine moderne Sache, man braucht sie nicht mehr anzufeuchten, zieht sie ab, klebt sie auf den Brief, für den Postbenutzer also eindeutig eine schöne Sache, für die Sammler eine Doppelbelastung, weil es die Marken parallel oft noch in nassklebend gibt, und da sie sich in Feinheiten unterscheiden, braucht der Sammler, der wirklich komplett sein will, natürlich beide. Manch einer nörgelt schon drüber...aber kauft sie dann doch. Angenommen, es gäbe eine Sonderbriefmarke aus dem Viertel. Würde Ihnen da ein Motiv einfallen? 46

Da gäbs mehrere Möglichkeiten, eine belebte Straße, vielleicht mit einem Straßencafé. Wenn man da mal nen Rundgang machen würde, ich glaub, da könnten wir gleich eine Serie mit 10 Marken entwickeln. Gibts bei Ihnen auch seltenes, antiquarisches Bildmaterial über Saarbrücken? Also, ich erleb es in erster Linie über historische Ansichtskarten, dass ich an alte Bilder komme. Ich muss auch sagen, dass ich privat sammle, den Ortsteil St. Johann gezielt, und habe ich da auch eine große Sammlung zusammen. Zum Hundertjährigen der Johanniskirche habe ich dort eine Menge Karten ausgestellt, und zwar nur von der Johanniskirche. Von einer Karte, wo die Tür noch nicht eingebaut war, wo man die Arbeiter noch sieht...das war die erste, die ich habe und auch die älteste... (Holt die Karte aus einem Ordner, siehe Bild links) Von wann ist die Aufnahme? ...von 1898. Da sieht man, dass die Kirchentüren noch nicht eingebaut sind, das Rathaus steht noch nicht, das ist ja erst später angefangen worden....also, die Kirche war noch ein bisschen unfertig. Was gibts aus Ihrer Sicht noch zum Viertel zu sagen? Also, vieles ist ja schon von anderen Leuten in diesem Heft gesagt worden. Mich fasziniert die schnelle Erreichbarkeit von allen Geschäften und Läden, dass man hier alles mögliche direkt vor der Tür hat. Wenn man abends mal noch schnell aufn Bier raus will, muss man überlegen, in welche Kneipe gehste jetzt, lieber da hin oder lieber dort hin... Man hat auf relativ kleiner Fläche eine große Vielfalt, das gefällt mir wirklich sehr gut. Und dass es viele Leute im Viertel gibt, mit denen man gut klar kommt. Jeder hat ein Hallo, einen Gruß über, was ich mir in der Bahnhofstraße oder so nicht vorstellen kann, da ist man einer unter tausend...aber hier: Mal hier ein Nicken, mal da ein Winken...


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Viele befürchten ja, dass diese kleinen Lädchen, die auch (oder sogar vorwiegend) als Kommunikationszentren funktionieren, langsam verschwinden. Richtig, ja. Gerade hier in der Ecke...der Buchhändler Hofstätter hat aufgehört und dort, wo jetzt der kleine Futon-Room drin ist, war seit Ewigkeiten mein alter Bekannter Brück mit seiner Braun- und Remington-Vertretung, der fehlt mir auch irgendwie. Also um solche Geschäfte tut es mir natürlich leid. Ich gehe mal davon aus, dass der eine oder andere Hausbesitzer möglicherweise eine Miete verlangt, die man nicht mehr erarbeiten kann. Oder auch diese großen Märkte, die sich überall breit machen und den Kleinen das Wasser abgraben. Wenn man die Riesen-Auswahl bei Thalia sieht, und beim Hofstätter hätte man vieles bestellen und drei Tage warten müssen. Ich konnte immer drei Tage warten, aber es denken nicht alle Leute so. Vielleicht hilft da manchmal nur, dass die Läden mal ein Jahr leer stehen bleiben, dass die Hausbesitzer auch lernen und das doch wieder zu einigermaßen erschwinglichen Mieten führt und dass sich das Ganze über die Schiene noch mal erholt. Aber um Sie müssen wir uns keine Gedanken machen? Sie haben wahrscheinlich Ihre Stammkundschaft... Die hab ich, ja. Man merkt natürlich auch die Wirtschaftskrise und eine Kaufzurückhaltung der Leute. Ich mache das aber wieder wett: Es kommen zur Zeit viele Leute rein, die Geld brauchen, die dann mal eine schöne Gold- oder Silbermünze hier anbieten. Ist zwar traurig, wenn man eigentlich... ja...der Nutznießer von 48

so einer Krise ist, aber andererseits kann ich nur sagen, derjenige, der mir die Münze bringt und dem ich einen fairen Preis dafür gebe, dem ist geholfen. Und jemand, der Angst um sein Papiergeld hat, möchte vielleicht gern wieder eine Silber- oder Goldmünze kaufen, weil er da mehr Sicherheit sieht, dem kann ich die Münze anbieten und der ist dann auch froh. Also hab ich den Verkäufer und den neuen Käufer zufrieden gestellt. Es schichtet sich immer mal wieder um. Es gab zum Beispiel eine Zeit, da haben die Leute wie verrückt Telefonkarten gesammelt, und da wurde auch sehr viel Geld investiert. Es gab damals z.B. eine Karte für 12 DM, die wurde irgendwann für 1.100 Mark gehandelt. Und das ist total kaputt gegangen. Auch da wieder: Sie konnten den Hals nicht voll kriegen. Es gab alle drei Tage neue Telefonkarten und dann sagt der Sammler irgendwann: „Nee. Also ausrauben lass ich mich nicht!“ ...direkt ein Geschäft draus gemacht... ...Richtig, und damit ist das ganze Sammelgebiet gestorben. Da wurde praktisch ja auch viel Geld verbrannt, ähnlich wie bei den Aktien. Klar, bei Telefonkarten im kleineren Stil, aber für jemanden, der nicht viel Geld in der Tasche hat und so was gekauft hat.... ei, wenn der 500 Mark verloren hat, weil die Karten auf einmal keiner mehr wollte, für den konnte das ja auch viel Geld sein. Also man hat schon im Laufe der Jahre einige Höhen und Tiefen erlebt, manches kommen und gehen sehen, aber das Grundgeschäft, also Briefmarken, Münzen, das hat sich eigentlich immer durchgesetzt. Ok, schönes Schlusswort. Vielen Dank für das Gespräch! ♠


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the generation after next von Véronique Verdet, Illustration von Marc „Mieps“ Misman

„Na, endlich!“ schreien die Kinder ihre Erleichterung heraus, als der Bus nach einer gefühlten endlosen Fahrt ihr Ziel erreicht: das Feriencamp Nr. 345 982...

D

ie Clique verbringt hier, wenn auch nicht unbedingt freiwillig, die Sommerferien. Auf dem recht übersichtlichen, ehemaligen Festplatz des Viertels ist ein Zeltlager errichtet worden. „Wenn ick nischt sofort duschen kann, drehe ick durch.“ Mille-Diva hasst es, Bus zu fahren. Da die Züge aber schon seit einer Ewigkeit nicht mehr bis hierher fahren, blieb ihr und den anderen nichts anderes übrig. Die bundesweite Initiative heißt „Back to the Roots“. Kinder und Jugendliche sollen auf eigene Faust die Heimat ihrer Ahnen kennen lernen und anschließend einen ausführlichen Onlinebericht inklusive einer Zukunftsprognose schreiben. Niko-Junior, Mille-Divas großer Bruder, wäre gerne Protokollführer gewesen, jedoch seine familiär bedingte und allseits wohl bekannte Geschwätzigkeit hat ihn disqualifiziert. Protokollführen würde Luisa-die-Zierliche, da sind sich alle schnell einig geworden.

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Das wahre Ziel des Programms ist es, möglichst viele Menschen dazu zu bewegen, die entlegensten Regionen der Republik neu zu bevölkern und somit die aus allen Nähten platzende Hauptstadt zu entlasten. Das Lager ist fabelhaft. Der einst kahle Platz hat sich seit einigen Jahrzehnten in einen wahren Dschungel verwandelt. Überall wuchern wilde Pflanzen. Knotige, kinderarmdicke Baumwurzeln ragen aus dem Asphalt. Die Fassaden der Häuser, die den Platz säumen, sind unter der schweren Last des Efeus kaum zu erkennen, hier und da stehen noch rostige Bänke. Die Kinder sind begeistert: das Ganze ist eine Art urbaner Wald geworden. Bis auf Mille-Diva, die über einen ausgeprägten Sinn für Ordnung und Hygiene verfügt und sich strikt weigert, auch nur einen Fuß unter die improvisierte und zugegeben stark gewöhnungsbedürftige Dusche zu setzen. Die vehementen Beschwerden ihrer Freunde können sie schließlich dazu bewegen, sich auch endlich mal zu waschen. Nach einer unruhigen und spannenden ersten Nacht in der fremden Umgebung marschiert die Clique mit einer alten Stadtkarte be-


waffnet zum ersten Mal los, um das Viertel ihrer Großeltern zu erkunden. Zufällig, denn die Karte erweist sich schnell als absolut sinnlos: Sämtliche Straßenschilder sind verschwunden, so mancher Gasseneingang ist zugemauert worden, entdecken die Kinder nach einer recht ergebnisarmen, dennoch mühsamen Wanderung das große, im Vergleich zu vielen anderen gut erhaltene Stadthaus von Anna-Sophies Familie. Die Jungs haben einige Schwierigkeiten, die mit Graffiti sowie uralten Plakaten vollständig bedeckte Eingangstür aufzumachen. Diverser Unrat muss erst entfernt werden, das morsche Holz ist im Laufe der Jahre aufgequollen. Nach einer rapiden Inspektion der beinahe völlig leer stehenden Räume entdecken sie den viel versprechenden, dunklen und niedrigen Speicher. Kleider, alte Spielsachen, erstaunliche Möbel, unzählige vergilbte Sportzeitungen, gar ein alter Kaugummiautomat liegen herum. „Hey, schaut mal her! Was ist denn das?“ Aus der dunkelsten Ecke des Speichers zieht Niko-Junior eine kleine, seinem lauten Stöhnen nach ziemlich schwere Kiste hervor.

Niko-Junior trägt den Vornamen seines Großvaters, eines berühmten Managers, dem man seiner Zeit, möchte man den endlosen Erzählungen auf diversen Familienfesten Glauben schenken, die außergewöhnlichsten Veranstaltungen in der Region zu verdanken hatte. Die Kiste ist aus Aluminium, auf der Vorderseite klebt ein Schild. Obwohl die Tinte schon stark verblasst ist, kann man entziffern: „VIERTELVOR I-X“ „Sag mal, spinnst du, Junior? Warte, warte! Lass mich mal!“ Anna-Sophie ist die unangefochtene, wenn auch unausgesprochene Chefin der Bande. Der Speicher befindet sich auf dem ehemaligen Familiensitz ihrer Großeltern Anna und Ralf, also gehört ihr das Privileg, die Kiste als Erste unter die Lupe zu nehmen. Die anderen Kinder schauen gespannt zu, wie Anna-Sophie den Deckel mit einiger Mühe hochklappt. Fein säuberlich sortiert kommen kleine, bunte Hefte zum Vorschein. Auf jedem steht in Großbuchstaben „VIERTELVOR“. „Viertel vor was?“ fragt ihr kleiner Bruder 51


Jakob-der-Draufgänger. „Weiß ich nicht, warte doch!“ antwortet Anna-Sophie ein wenig gereizt. Sie nimmt einige Hefte aus der Kiste und verteilt sie an ihre Freunde. Gespannt fangen die Kinder an zu blättern. „Hey, das ist doch der Laden hier um die Ecke, oder?“ Luisa-die-Zierliche zeigt den Anderen ein Foto, auf dem ein alter Mann mit Hut vor einem großen Schaufenster voller leerer Weinflaschen steht. „Hm, schwer zu sagen. Könnte sein." erwidert Jakob-der-Draufgänger und blättert weiter in seiner Ausgabe. „Laut Stadtkarte ist es einfach nicht realistisch. Schau Dir doch mal das Fenster genauer an.“ meint Paula, der schnippische jüngste Sprössling einer Juristendynastie. „Die Karte ist eh völlig sinndezimiert!“, kontert wie üblich wortgewandt Jakob-der-Draufgänger. Es wird still auf dem Speicher. Die Kinder schauen sich die verwirrenden Bilder an. Eindeutig sind es Fotos aus dem Viertel, wo die Ferienfreizeit statt findet, dennoch ist es kaum wieder zu erkennen. Laut dieser Hefte war hier einmal ein buntes Fleckchen voller Leben 52

mit Käsegeschäften, Hunde-Fotomodellen, Weinhändlern, Bestattungsinstituten, Schnickschnack-Läden, Buchhandlungen, Cafés und Bars. Wo ist das alles geblieben? „Sag mal, von wann sind denn diese Hefte?“. Paula fragt Anna-Sophie, ohne hoch zu schauen. „Nun ja, da steht „07/09“. Also sind sie vermutlich bis 2009 herausgekommen. Warum sind sie bloß alle von hier weggegangen?“ denkt sie laut nach. „Bestimmt wegen PAX-4“, sagt Luisa-dieZierliche. „PAX-4? Was soll das sein?“ fragt Anton-derKluge. „Na, ja, so genau weiß ich das auch nicht, aber Oma Sarah hat mal erzählt, dass man damals PAX-4 viel einfacher in der Hauptstadt bekommen konnte als hier.“ „Quatsch! PAX-4 haben früher ALLE bekommen, überall.“, entgegnet Niko-Junior. „Möglicherweise, aber warum sind sie dann alle umgezogen?“, fragt Paula in die Runde. Darauf weiß keiner zu antworten. „Hey, Anna-Sophie, schau mal, der Herausgeber, das müsste doch Euer Opa sein, oder?“ fragt Anton-der-Kluge.


„Stimmt, du hast recht, das ist Opa Ralf. Lustig, ich dachte er wäre von Anfang an Fußballmanager gewesen.“ „Also, ich kapiere das echt nicht. Es sah doch ganz nett aus hier!“ Jakob-der-Draufgänger legt sein Heft zur Seite und schaut fragend seine Freunde an. „Pfff, ganz nett! Nicht mal 'ne U-Bahn gibt’s hier! Öde!“ meint Mille-Diva, die sehr gerne und so oft wie möglich mit der U-Bahn fährt. „Ich denke, das hängt eher mit den Gruben zusammen. Damals sind ganze Dörfer zusammengekracht hier in der Gegend. Vielleicht ist es einfach zu gefährlich geworden.“ sagt Anna-Sophie. „Gruben?“ Was ist denn das?“ fragt Luisadie-Zierliche. „Keene Ahnung, so 'ne Art Bodenschatz, glaube ich“ antwortet Jakob-der-Draufgänger. „Auf jeden Fall nehmen wir die Kiste mit ins Lager“ entscheidet Anna-Sophie und sammelt die Hefte wieder ein. Luisa-die-Zierliche macht die ganze Zeit Fotos und Notizen. Ihr gefällt das große, leere Haus mit den riesigen Bäumen vor der Tür. Hier ist es so unfassbar ruhig. „Ich würde gerne hier bleiben.“, denkt sie

laut nach. „Sag mal, spinnst du jetzt völlig?“ Mille-Diva kann es nicht fassen. „Das ist doch die totale Einöde hier!“ „Lass sie doch, Diva. So ist unsere Luisa. Träumen, träumen, träumen. Keiner von uns bleibt hier. Keine Sorge! So, jetzt müssen wir aber los. Es gibt bald Essen und der Chef sagte, heute kochen wir die Spezialität seiner Ur-Oma: Lyonner mit krummen Bärchen.“ „Krumbieren meinst Du“ sagt ein wenig höhnisch Niko-Junior. „Blödsinn, Crumb-Beers sagt man.“, meint Anton-der-Kluge. „Nee, Grummbeerschen heißt das.“, erwidert Jakob-der-Draufgänger. „Ich hätte sowieso lieber wieder Tripplelappes oder Verlobte mit Speck!“ „Och nee, ick dachte heute gibt’s endlich wieder 'ne Curry!“, jammert Mille-Diva und macht sich mit den Anderen auf den Weg zurück ins Camp. Luisa-die-Zierliche bleibt ein paar Schritte zurück, sie weiß ganz genau, was sie in ihre Zukunftsprognose schreiben wird. ♠

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Nauwieserstraße 48

Billard / Dart Öffnungszeiten: Mo-Fr 16.00 - 1.00 Uhr Sa- So 18.00 - 1.00 Uhr Reklame

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kellner, philosoph und heisse luft von Markus Spohn, Illustration von Ralf Leis

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nd du kannst auch mehrere Teller gleichzeitig tragen?“ Ich nickte. „Siehst mir gar nicht danach aus, eher wie so ein Philosoph! Und noch was: Falls du drogenabhängig bist und hier in die Kasse greifst, bekommst du in der ganzen Stadt keinen Job mehr!“ In der ganzen Stadt, nicht schlecht. Die ganze Stadt hat immerhin nur 3,5 Millionen Einwohner. Aber der Pate mit dem weißen Trenchcoat hatte gesprochen. Die Philosophensache gefiel mir allerdings, obwohl ich mich in meiner Berufsehre als Barmann und Kellner etwas gekränkt fühlte. Philosoph, Philosoph ging es mir durch den Kopf. Was machen Philosophen eigentlich? Von was lebt der Philosoph? Liegt er ganz old school in einem Fass, sitzt auf einer Säule oder brütet im dunklen Kämmerchen? Wandelt er kopfschüttelnd über das Angesicht der Erde? Oder sitzt er Latte Macchiato trinkend mit seinem MacBook in dem Kaffee um die Ecke? Oder er kellnert! Kellner und Philosoph, drogenabhängig und kriminell. Sehr romantisch. Würde man Studenten der Philosophie fragen, was man nach ihrem Studium machen kann, würden sie wahrscheinlich antworten: Alles! Mit Allem kann man jederzeit Alles machen. Was heißt kann? Man muss, nein, man will. Deshalb kellnern Philosophen ja auch für 5,50 brutto. Alles steht dir offen, man nennt die Erde deshalb ja auch Planet der Möglichkeiten. Bedenkt man nun, wieviele Planeten es gibt, multiplizieren sich diese Möglichkeiten ins Un56

endliche. Interplanetary, interplanetary, interplanetary music. Musik und Philosophie! Wo alle nichts mehr erklären können, fängt die Musik an. Sounds good! Sags in Tönen, wenn du's nicht in Worten sagen kannst. Viele Musiker philosophieren trotzdem. In Worten. Vor ein paar Jahren kam das Isle Of Wight Konzert von Miles Davis als DVD auf den Markt. Neben der unglaublichen Musik gab es dazu Kommentare, Analysen und Liebeserklärungen an die Kunst des großen Trompeters von ehemaligen Mitmusikern und Kollegen. Carlos Santana schwadronierte in seit Jahrzehnten gewohnter Weise von kosmischem Bewusstsein, kosmischem Orgasmus und allerlei anderen kosmischen Schweinereien. Kritiker ließen sich natürlich nicht lumpen, das ihrer Meinung nach unerträgliche Geschwätz von Santana zu monieren. Aber was, wenn er recht hat? Er sitzt da, mit seinem Batik-T-Shirt, seiner unstylishen PRS Gitarre, spielt kurz das Hauptthema von „In A Silent Way“, spielt es noch nicht mal besonders gut, hört auf zu spielen und redet von kosmischer Liebe. Er schaut dabei die ganze Zeit sehr relaxed, straight und etwas naiv in die Kamera. Carlos Santana, was macht dich so ausgeglichen? Something about him is dead serious. And what's so funny about love, peace and understanding? Die erste Band, die ich „meine eigene“ nannte, war in der Tat Santana. Ich war 12 und


brauchte ein Geburtstagsgeschenk für meine ältere Schwester. Es gab in St. Ingbert in der Kaiserstraße einen Laden namens Emma, der neben Kleidung auch Schallplatten führte. Ich hatte vorher noch nie eine Schallplatte gekauft. Ich kannte nichts und interessierte mich auch nicht für aktuelle Musik. Zwei, drei Platten, Geschenke von Freunden, nannte ich mein eigen. Eine der drei Schallplatten war von Louis Armstrong. Damals spielte ich Trompete und ein guter Kumpel meinte zu recht, man müsse als Trompeter etwas von Louis Armstrong haben. Dem ersten Trompeter, dem eigentlichen Erfinder dieses Instruments, dem ersten Superstar, dem Nestor aller modernen Musik. Die Platte, die er mir schenkte, hieß: „This is Louis Armstrong Satchmo 70“ mit Aufnahmen der legendären Hot Five und Hot Seven, eine Musik, die ich erst Jahrzehnte später in ihrer Schönheit und Komplexität zu schätzen lernte. Doch zurück zu Santana. Ich stand in besagtem Laden und wusste überhaupt nicht, was ich tun sollte. Ich fing an zu schwitzen. Leichte Panik kroch in mir hoch. Unmöglich, jetzt einfach wieder unverrichteter

Dinge abzuhauen. Ich ging zum erstbesten Stapel Platten, kramte ein bisschen, zog die „Santana I“ heraus, ging zur Kasse, bezahlte und das war's. Ab diesem Zeitpunkt war ich „Fan“. Jeder hatte damals seine Band. Bei meinem Banknachbarn aus der Schule war es ELO. Wir trafen uns oft nachmittags, spielten uns gegenseitig unsere wachsende Sammlung vor und ließen kein gutes Haar an der jeweils anderen Gruppe. Ich hasste den Geigen- und CelloSound des Electric Light Orchestra – heute für mich schwer nachvollziehbar – mein Freund hasste die ausufernden Solos von Santana. Eigentlich so eine Art Punk Attitüde, obwohl er mit Punk nicht das geringste am Hut hatte. Ich bezweifle, dass 1978 in St. Ingbert irgend jemand wusste, was das überhaupt war: Punk? Die Tote Hose in Rohrbach gab es noch nicht. Glaube ich zumindest. In dem Film Taxi Driver, einem der ästhetischen Impulsgeber der Punkbewegung, gibt es einen schönen Dialog zwischen dem Taxifahrer Travis Bickle und seinem Kollegen, dem Wizard. Travis, total depremiert, will von dem Wizard 57


Lebenshilfe, wie soll es weitergehen? Die Antwort: „You wanna know what your problem is? You think too much.“ Er sei jung, solle sich nicht so viele Gedanken machen, einfach ein bisschen rumficken, dann wird das schon wieder. Travis daraufhin total konsterniert: „That's the dumbest shit I've ever heard.“ Ein unglaublicher Dialog. Musik und Philosophie, Religion und Jugendbewegung, Zen und Kapitalismus gehen auf engstem Raum Hand in Hand wie weiland SPD und SED. Einen ähnlich philosophisch-idealistischen Ansatz propagiert seit Jahren das Magazin 11Freunde, indem es versucht, Fußball und Popkultur in Deutschland miteinander zu verbinden. Eine schöne Idee, aber ein Besuch in jedem beliebigen deutschen Stadion beweist: Der Samen fällt auf steinigen Tribünenboden. Doch es muss ja nicht immer gleich der große Wurf sein. Eine schöne, wahrscheinlich unbewusste Geste des FC Union Berlin – absolut unverdächtig popkultureller Anwandlungen – war das Warmlaufen der Mannschaft vor der Max Schmeling Halle circa zwei Stunden vor Beginn des diesjährigen Bob Dylan Konzerts. Ein Typ hinter mir meinte, jetzt könne man sich ja Autogramme von Dylan und den Spielern des FC Union besorgen. Eine so blauäugige wie utopische Bemerkung. Denn der Alte gibt keine Autogramme und von den anderen will man keins – noch nicht. Vielleicht in ein paar Jahren. Aber St. Pauli wird aus denen wohl eher nicht mehr. Warum aber immer St. Pauli? Warum muss jeder Punk St. Pauli-Fan sein? War eine der Prämissen von 77 nicht: Individualität, kein Bestandteil sein. Ein paar Jahrzehnte später ist es für einige wenige von Vorteil, dass niemand mehr ein Bestandteil von irgend etwas ist, denn nur so lässt es sich leicht herrschen. Marx und Engels waren Philosophen, man hat ihnen Denkmäler gebaut und Straßen nach ihnen benannt. Sie waren out nach dem Mauerfall, sind wieder in seit der Bankenkrise. Wie Toto, die als die französische Band Phoenix getarnt, derzeit ein phänomenales Comeback feiern. Wer aus dem Saarland kommt, weiß, dass französische Bands so 58

klingen und so aussehen. C'est très bon. Alles ganz normal. Wenn es eine Nation gibt, die gerne philosophiert, dann die französische. Über Wein, Käse und guten Fußball. Der Franzose sagt auch gern und oft: „C'est la vie.“ Aber das klingt nicht fatalistisch, eher: Man muss es nehmen wie es kommt. Was zufällig kommt! Der Zufall scheint eine der wenigen Konstanten im Leben zu sein. Er bringt dich von Punkt A nach Punkt B. Du wirst Pirat oder Fußballer, Bundespräsident oder Kellner, mehr Lover oder mehr Fighter. Eben wundert man sich noch über Leute, die exzessiv in der Nase bohren, und zwanzig Jahre später gehört man selber dazu. Wie und warum, kann dir keiner erklären. Manche Dinge gehen weg und kommen wieder. Menschen tauchen auf und verschwinden für immer. So leicht wie ein Sommerwind. „The summerwind is blowing in from across the sea...“ Summerwind ist und bleibt mein Lieblingstitel von Frank Sinatra. Mitte der Neunziger hatte ich für zwei Jahre in einer WG gewohnt. Sechs Leute. So etwas wollte organisiert sein. Jeder/jede Mitbewohner/in hatte einen Kochtag, und wer rechnen kann, weiß, dass es dann an einem Tag nichts zu essen gab. Wie dem auch sei: Mein Tag war der Montag. Ein kosmischer Zufall wollte, dass ich die letzten zwanzig Jahre montags fast immer frei hatte. Ein Tag, den Milliarden anderer Menschen zu Recht verfluchen, hätte mein Lieblingstag sein können. Ich und ein paar hundertausend Friseure entspannt auf der Sonnenseite des Lebens! Doch traumatischer Chemieunterricht, immer zwei Doppelstunden am Montagmorgen, hatten den Wochenbeginn für mich scheinbar auf immer verseucht. Kochen, kaltes Bier, laue Frühlingsluft vom Balkon, „Summerwind“ von der Mixkassette und nette WG-Mitbewohner beim Abendessen sind dafür verantwortlich, dass ich seither montags nicht mehr nur an faschistische Chemielehrer denke. Jedoch: Die Naturwissenschaften, die Physik, die Mathematik bleiben der große Feind, die dunkle Seite der Macht, schlimmer als eine bis zu den Zähnen bewaffnete Legion. Apropos


Legion. Ich kann den strategischen Ablauf der Schlacht von Cannae – die Schlacht, in der die Römer von den Karthargern unter Hannibal vernichtend geschlagen wurden – mit Brotkrümeln auf dem Küchentisch nachstellen. So geschehen in besagter WG im Jahr 1996. Die halbmondförmige Aufstellung der zahlenmäßig unterlegenen karthargischen Infanterie, die Überlegenheit der Kavallerie Hannibals auf den Flügeln, die Zangenbewegung, der Angriff in den Rücken des römischen Hauptheeres. Zack, zack. Aus dem ff. Dieses Kunststück gehört zu einer Liste von ca. 20 Angeberpunkten, die ich mir im Lauf meines Lebens zusammengestellt habe, um sie in passenden, aber auch sehr gern in unpassenden Momenten abzurufen. Viele Menschen – Feuilletonisten und Militärs seien hier nur stellvertretend genannt – bestreiten mit so einer Power-Angeber-Liste ihren Lebensunterhalt. Ich als Philosoph und Kellner lehne das natürlich ab. So etwas nennt man wohl monetäre Naivität. Auch sogenannte Lebenskünstler müssen an später denken. Besonders intensiv an das immer näher rückende Später denkt man natürlich, wenn das sowieso knappe Geld mal wieder sehr knapp ist. Wie war das noch gleich während des Zivildienstes? Und wie wird es sein – auf der anderen Seite? Bringt mir dann auch irgendeine Rotznase jeden Tag um halb elf ein zu kaltes Mittagessen in einer Alu-Verpackung? Bekommt man keinen Nachtisch, weil die ausgehungerten jungen Leute selbigen verspeist haben? Wenn man sich über die hohen Preise beschwert, werde ich dann auch von einer biestigen AWO-

Tussi angeschnauzt: „Was denken sie denn, wir sind doch hier nicht die Wohlfahrt!“ Muss ich mittags immer spazieren gehen, obwohl ich dazu überhaupt keine Lust habe? Schade, dass ich nix vom Krieg erzählen kann. Ich könnte vielleicht etwas erfinden. Wie ich in den Dschungeln Mittelamerikas gegen die Contras gekämpft habe, in Afghanistan zusammen mit den damals noch heldenhaften Mudschaheddin gegen den bösen Russen. Niemand wird mir glauben. Ein besonders beliebter Pflegefall während meiner Zivildienstzeit war ein alter Typ, der im zweiten Weltkrieg bei der Waffen-SS und direkt danach in Afrika bei der Fremdenlegion war. Um „Neger“ abzuschlachten, wie er so nett meinte. So ein Arschloch werde ich nicht sein. Ich werde ein korrektes Arschloch sein. So ein „Iggy-Pop-Pflegefall“. Meine persönliche Allmacht-RentnerVision. Wenn der Zivi mit dem Essen reinkommt, drahtig Dehnungsübungen machen. Vor ihm nervös rumtänzeln! What's up little asshole? Doch was soll das Geschwätz. Wir haben ja noch so viel Zeit. Die Sonne geht unter über den Straßen der Stadt, die zum Teil immer noch nach preußischen Kriegsverbrechern benannt sind. Die Luft riecht nach Benzin und U-Bahn. Der Wind weht einen Fender Rhodes Sound und viel heiße Luft von der benachbarten Straßenseite zu mir herüber. Mein Siegelring glänzt im Licht der Straßenbeleuchtung. Die ersten Sterne funkeln am Himmel. Der Kühlschrank funktioniert. Lasst euch nicht verarschen, Freunde! Niemals! Tonight's The Night. ♠ 59


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impressum ♠ Herausgeber, Gestaltung, Redaktion:

Ralf Leis Schmollerstraße 5 66111 Saarbrücken ralf@leis-kommunikation.de www.leis-kommunikation.de ♠ Konzept, Idee:

Ralf Leis und Frank Schilling ♠ Mitwirkende

– danke, Sie warn bezaubernd! ♠ André Mailänder ♠ Marc „Mieps“ Misman ♠ Markus Spohn ♠ Purk Reuleaux ♠ Stefanie Baehr ♠ Stefan „Ede“ Grenner ♠ Véronique Verdet ♦ Auflage: 7.500 ♦ Druck: repa druck, Ensheim

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♦ Für Anzeigenschaltung fordern Sie bitte

unsere Mediadaten an: 0681-965 23 28 oder info@leis-kommunikation.de ♦ Die bereits erschienenen Ausgaben von

VIERTELVOR sind kostenlos erhältlich im buchladen in der Försterstraße – solange Vorrat reicht! ♥ Danke

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ausdrücklicher Genehmigung der Autoren oder des Herausgebers.


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Nachschlag von Ursel und Norbert Jungmann, langjährige ehemalige Besitzer des Gasthauses „Zum Adler“

clochardbohnen Zutaten: 1 kg grüne Bohnen (gefroren oder frisch), Bohnenkraut, Petersilie, Schnittlauch, Knoblauch nach Geschmack, ca. 200 g Schinken gekocht, 1 ganzer Camembert, Rahm, Milch, Öl oder Butter, Gouda (oder Bergkäse) gerieben. Rezept: Bohnen mit den Kräutern in einer Schüssel mischen, würzen mit Salz und Pfeffer (wenig). Schinken in Würfel schneiden. Camembert mit etwas Öl/Butter in einer Kasserolle schmelzen lassen, Rahm/Milch dazu, so dass eine sämige Sauce entsteht. Pfeffern. Die gewürzten Bohnen lagenweise in eine Auflaufform geben, Schinken und geriebenen Käse (auch lagenweise) dazu. Zum Schluss eine Lage Bohnen, Sauce darüber geben und im Backofen (ca. 200°) überbacken. Wenn die Bohnen köcheln, den Rest des geriebenen Goudas darüber streuen und goldgelb überbacken. Am besten zusammen mit grünem Salat servieren. Guten Appetit!

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nauwieser 19 Kultur- & Werkhof

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