Leander März
ANLEITUNG ZUR
GEHÄSSIGKEIT Ein satirischer Ratgeber
Bibliographische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliographie, detaillierte bibliografische Daten sind im Internet unter http://dnb.d-nb.de abrufbar. ISBN 978-3-945181-04-1 Alle in diesem Buch enthaltenen Angaben und Daten wurden vom Autor nach bestem Wissen wiedergegeben und von ihm und dem Verlag mit größtmöglicher Sorgfalt überprüft. Dennoch sind inhaltliche Fehler nicht völlig auszuschließen. Daher erfolgen alle Angaben usw. ohne jegliche Verpflichtung oder Garantie des Verlages bzw. des Autors. Autor und Verlag übernehmen keinerlei Verantwortung und Haftung für etwa vorhandene inhaltliche Unrichtigkeiten, etwa bei Zitaten oder Quellen. Der Inhalt des Buches ist rein satirisch und nicht als Verhaltensempfehlung oder Beratung zu verstehen. Verlag: Vivita Verlag, Scheßlitz Lektorat: Laura Strack, Bochum Umschlaggestaltung und Illustration: Peter Esser Illustration, Düsseldorf Satz: Thomas Auer, www.buchsatz.com, Innsbruck Druck: CPI Books GmbH, Leck Agentur: Dr. Gestmann & Partner, Bonn Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes in der jeweils geltenden Fassung ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Alle Rechte vorbehalten © 2014 Vivita Verlag Printed in Germany Besuchen Sie uns im Internet: www.gehaessigkeit.de ISBN 978-3-945181-04-1
Leander M채rz Anleitung zur Geh채ssigkeit Ein satirischer Ratgeber
Inhalt Vorwort ............................................................................................................................................7 Mehr Empörungsspaß in der Abwertungs-Community
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Gehässigkeitsregel 1: Bauen Sie auf Eigeninitiative im Schwarm. ................................................13 Gehässigkeitsregel 2: Nehmen Sie einen Täter, der tief fallen kann.
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Gehässigkeitsregel 3: Wehren Sie sich, denn er ist verkommen und böse.
..........................41
Gehässigkeitsregel 4: Vergessen Sie nie: Die Moral ist auf Ihrer Seite. .....................................54 Gehässigkeitsregel 5: Erklären Sie Mitleid für Verrat. ..............................................................................69 Gehässigkeitsregel 6: Sprechen Sie Ihr eigenes Recht. Gehässigkeitsregel 7: Schicken Sie ihn weit weg.
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Vom Ketzerprozess zum Möhrenkuchen Quellen
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Leseempfehlungen .......................................................................................................... 131
Vorwort Was haben Wulff, Lanz und die große Schar der Castingkandidaten gemeinsam? Ihre Demontage ist unser Vergnügen! Lernen Sie hier, wie Sie sich am Niedergang anderer erfreuen und dabei wahre Gemeinschaft erleben können. Sieben einfache Regeln – nützlich für Weltgeschichte wie Online-Foren – verschaffen Ihnen Einlass zu jeder öffentlichen Abwertungsorgie. Moral muss dabei kein Hindernis sein. Im Gegenteil: Sie können sie zu Ihrer schärfsten Waffe machen! Dieses Buch ist kein Ratgeber im klassischen Sinne, es will Ihnen nicht wirklich etwas beibringen. Vielmehr deckt es den Verachtungsdiskurs unserer Tage auf und führt ihn durch ein Spiel mit Leserzitaten, Werten und Weltanschauungen ad absurdum. Diese anarchische Verknüpfung von Fällen und Quellen, von der kleinen Gemeinheit bis hin zum großen Verbrechen ist das persönliche “Heilmittel” des Autors für das Leiden an und unter der kollektiven Gehässigkeit.
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Mehr Empörungsspaß in der Abwertungs-Community Können Sie sich noch an die Zeit erinnern, als viele im Land es mit einem Außenminister Guido Westerwelle nicht mehr aushalten mochten? Falls Sie sich nicht mehr erinnern, dann vielleicht wegen der vielen aufregenden Empörungsaffären, denen wir uns seitdem in dichter Folge hingeben durften und über die wir „Welli „glatt für zwei Jahre in seinem Amt vergessen haben. Verständlich, wie ich finde – wir waren mit „Guttis“ Frisur, Philipp Rösler und Markus Lanz beschäftigt, auch Peer Steinbrück wollte versorgt sein. Bischof Tebartz flog schwungvoll aus der First Class, und wer über seinen Rauswurf abstimmte, konnte zur Belohnung einen BMW gewinnen!1 Und dann erst der Wirbel um Hape Kerkelings Facebook-Seite! Der Schlawiner hatte sie missbraucht, sich schützend vor Christian Wulff zu stellen. Wulff – von ihm wird hier exemplarisch öfter einmal die Rede sein. Denn wo sonst zeigt sich die Inbrunst, mit der wir soziale Demontage betreiben, schöner? Die Online-Leserforen der großen Nachrichtenmagazine – wahre Lustorte unserer Lästerleidenschaft – bringen es in diesen Zitaten auf den Punkt: „Pfui!!!“2 „Schmarotzer!“ „Schon diese schäbige Brille.“ 1 Über diese und viele andere attraktive Gewinnchancen später mehr! 2 Zitate stammen, wo nicht anders gekennzeichnet, aus Leser-Kommentarforen zu besonders viel besuchten Online-Artikeln – insbesondere von SpiegelOnline und Bild.de Eine Liste der verwendeten Artikel und Foren findet sich im Anhang.
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Anleitung zur Gehässigkeit: Ein satirischer Ratgeber
„Ein verlogener, unwürdiger, gieriger Charakterzwerg.“ „Widerlich. Ein wahrer Asozialer!“ „Er hat sich am deutschen Volk vergangen.“ Für so einen kannten viele damals nur einen Ort: „Ins Gefängnis mit ihm!“ Oder besser gleich: „Zur Hölle mit ihm!“ Doch unsere lange Liebschaft mit dem Ehepaar aus Hannover zeigt auch unsere Fähigkeit, nach heftiger Empörungswelle wieder in unseren Anfangszustand zurückzugleiten3: Kurz nach seiner Wahl hielten 58 Prozent der Deutschen Wulff für den richtigen Präsidenten. Ein Jahr später, Dezember 2011, wurden daraus innerhalb weniger Tage 75 Prozent und schließlich 90 Prozent entschiedener Gegner, die Wulffs Rücktritt forderten – und von denen nicht wenige ihre alten Schuhe zum Schloss Bellevue trugen. Nach zwei Jahren begann die Ablehnung zu sinken, nach drei Jahren, im Dezember 2013, hatten wir uns wieder auf den Ursprungszustand eingependelt: 58 Prozent fanden, er hätte doch Bundespräsident bleiben sollen. Aber keine Sorge – altersmilde sind wir nicht geworden, denn nun fragen wir: „Was bildet sich der Herr Staatsanwalt eigentlich ein, unsere Steuergelder in diesem sinnlosen Prozess zu verschleudern? Er sollte lieber arbeiten gehen.“ 3 Vgl. u.a. Locker & Streicher: Biogenesis Evolution Homeostasis. Springer. Berlin Heidelberg 1973
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Wir wüssten auch schon wo, denn: „Wo bleibt die Strafe für die BILD-Redakteure und ihre gnadenlose Hetze?“ Ich frage weiter: Wieso ist eigentlich Markus Lanz noch auf freiem Fuß? Er müsste sich doch längst für „Wetten dass …“ verantworten, knöpfte sich stattdessen aber Sahra Wagenknecht vor. Dagegen setzten wir uns in einer bundesweiten Lanz-raus-Petition 230.000 Mal zur Wehr. Dieter Nuhr petitierte gegen Petitionen, und – keine Sorge – wurde dafür von uns nicht geschont! Sollten Sie niemanden der Genannten mehr kennen, machen Sie sich nichts draus. Das beweist nur den Erfolg unserer gemeinsamen Bemühungen, ganz abgesehen davon, dass sich ständig neue, mitreißende Fälle auftun. Dabei muss es gar nicht immer bis zum biographischen Knick im Leben des Betroffenen kommen: Entscheidend sind unser Spaß und Gemeinschaftsgefühl auf dem Weg dahin! Überhaupt wird uns unter heutigen Bedingungen etwas Genügsamkeit abverlangt. Konnte bei der Hinrichtung eines gewissen Ravaillac im 17. Jahrhundert die aufgebrachte Menge noch Stücke aus dem Angeklagten herauslösen und als Souvenir mit nach Hause nehmen4, müssen wir uns heute5 mit dem zufrieden geben, was in der seligen Zeit nur Vor- und Nachspiel war: öffentlicher Hohn, ein wenig üble Nachrede und die ins Gesellschaftlich-Soziale verlagerte Demontage des Angeklagten. Klingt wenig – kann aber Spaß machen! Vorausgesetzt Sie halten sich dabei an die sieben Gehässigkeitsregeln, mit denen Sie – guten Gewissens! – wahre Orgien der Gehässigkeit feiern können. Diese Regeln lernen Sie hier! 4 Vgl. u.a. Roland Villeneuve: Grausamkeit und Sexualität. Berlin 1988 5 Vgl. Steven Pinker: The better angels of our nature. 2011, Penguin
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Müssen wir dafür das Rad neu erfinden? Zum Glück nicht. Was uns in Jahrhunderten zu manchem – mitunter blutigem – Highlight des menschlichen Miteinanders verholfen hat6, lernen Sie nun in gesellschaftskonformer Weise anzuwenden. Sie werden zu Meistern der gewaltfreien Grausamkeit und Experten des zeitgemäßen sozialen Lynchens (‚Social Lynching‘): Der Lynchvorgang ist nicht physisch und wird im spontan vernetzten Schwarm vollzogen – gerne über alle gesellschaftlichen Gräben hinweg –, denn gemeinsam ist’s am schönsten! Schon kann es losgehen. Sie brauchen nur noch einen geeigneten Kandidaten7, der seine Abwertung und Ächtung so richtig verdient hat. Keine Angst: Der findet sich! Die große politische Bühne, quasi der ‚öffentlich-rechtliche Sektor‘ des Rufmeuchelns, ist hierfür ja nur eine mögliche Quelle. In eigens zu diesem Zweck geschaffenen Institutionen, so genannten Castingshows, werden geeignete Anwärter kaserniert und für regelmäßige Demontagespiele herangezogen. Als dritte Arena steht Ihnen Ihr privates Umfeld zur Verfügung. Hier lässt sich doch sicher jemand finden …! Die Frage nach der Schuld oder Unschuld des jeweiligen Ächtungskandidaten ist für Sie dabei nicht wirklich relevant. Auch dieser Ratgeber befasst sich nicht mit Wahrheitsfindung. Es geht ausschließlich darum, wie wir mit jemandem umgehen, dessen Schuld oder Unwürdigkeit wir für wahrscheinlich halten. Also, schreiten wir zur Tat!
6 Vgl. u.a. Wolfgang Sofsky: Traktat über die Gewalt. S. Fischer Verlag, 1996 7 Der Einfachheit halber verwende ich – außer im Kontext einiger spezifischer Beispiele – im Folgenden stets die männliche Form zur Bezeichnung von Ächtungskandidaten, Lesern, Journalisten und anderen. Hierfür bitte ich um Ihr Verständnis. Weibliche Vertreterinnen jeder dieser Gruppen sind stets mit gedacht.
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