SR-10_Arbeitslosenversicherung_I_Allgemeiner_Teil

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Sozialrecht SR 10

Ilse Leidl-Krapfenbauer/Martina Richter

Arbeitslosenversicherung I Allgemeiner Teil

INHALT Sozialpolitische Ausgangslage 3 Kurzer geschichtlicher Überblick 4 Organisation des Arbeitsmarktservice 5 Daten zur Arbeitslosenversicherung 9 Versicherter Personenkreis 12 Allgemeine Leistungsvoraussetzungen 13 Beantwortung der Fragen 18

Inhaltliche Koordination der Skriptenreihe: Josef Wöss

Stand: Jänner 2016

Dieses Skriptum ist für die Verwendung im Rahmen der Bildungsarbeit des Österreichischen Gewerkschaftsbundes, der Gewerkschaften und der Kammern für Arbeiter und Angestellte bestimmt.


Wie soll mit diesem Skriptum gearbeitet werden?

Anmerkungen

Zeichenerklärung Frage zum Lernstoff im vorigen Abschnitt (vergleichen Sie Ihre eigene Antwort mit der am Ende des Skriptums ange­ gebenen).

Anmerkungen: Die linke bzw. rechte Spalte jeder Seite dient zur Eintra­ gung persön­ licher Anmerkungen zum Lernstoff. Diese eigenen Notizen sollen, gemeinsam mit den bereits vorge­ gebenen, dem Verständnis und der Wiederholung dienen.

Arbeitsanleitung – Lesen Sie zunächst den Text eines Abschnitts aufmerksam durch. – Wiederholen Sie den Inhalt des jeweiligen Abschnittes mit Hilfe der ge­ druckten und der eigenen Randbemerkungen. – Beantworten Sie die am Ende des Abschnitts gestellten Fragen (möglichst ohne nachzu­sehen). – Die Antworten auf die jeweiligen Fragen finden Sie am Ende des Skrip­ tums. – Ist Ihnen die Beantwortung der Fragen noch nicht möglich, ohne im Text nachzusehen, arbeiten Sie den Abschnitt nochmals durch. – Gehen Sie erst dann zum Studium des nächsten Abschnitts über. – Überprüfen Sie am Ende des Skriptums, ob Sie die hier angeführten Lernziele erreicht haben.

Lernziele Nachdem Sie dieses Skriptum durchgearbeitet haben, sollen Sie – wissen, was für die Arbeitslosenversicherung bestimmend ist; – die Entwicklung dieses Zweiges der sozialen Sicherheit kennen; – die Dimension dieses sozialen Risikos kennen und seine Bewältigung verstehen; – Kenntnis vom versicherten Personenkreis haben und – über die grundsätzlichen Leistungsvoraussetzungen Bescheid wissen.

Viel Erfolg beim Lernen!

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Sozialpolitische Ausgangs­lage

Anmerkungen

Arbeitslosigkeit tritt immer dann auf, wenn es auf dem Arbeitsmarkt zu einem Über­angebot an Arbeitskräften kommt, wenn also für die Arbeits­ suchenden zu wenig offene Stellen angeboten werden. Die Gründe dafür sind vielfältiger Natur; und man unterscheidet im Allgemeinen zwischen  saisonaler Arbeitslosigkeit, die bei jahreszeitlichen Nachfrageschwan­ kungen gegeben ist (Baugewerbe, Fremdenverkehr, Verarbeitung agra­ rischer Produkte);  struktureller Arbeitslosigkeit, wenn es zu Veränderungen im wirtschaft­ lichen Gefüge kommt (Niedergang bestimmter Berufe und Branchen); und  konjunktureller Arbeitslosigkeit im Zusammenhang mit allgemeinen wirtschaftlichen Problemen in einer Volkswirtschaft.

Ursachen von Arbeitslosigkeit

Allen diesen Formen ist eines gemeinsam: die Arbeitslosigkeit resultiert aus einer fehlenden Nachfrage nach Arbeitskräften und tritt somit unabhän­ gig vom Willen der betroffenen ArbeitnehmerInnen ein. Soweit Arbeitslosigkeit von dem/der Arbeitslosen selbst verursacht wird, spricht man von frei­williger Arbeitslosigkeit, ein Umstand, der dann im System der sozialen Sicherheit entsprechend Berücksichtigung findet. Als gesellschaftliches Phänomen stellt Arbeitslosigkeit ein so genanntes so­ ziales Risiko dar und es gehört zu den Aufgaben der Gesellschaft, die/den Einzelne/n bei Eintritt des Risikofalles durch entsprechende Maßnahmen abzusichern. Die Bewältigung des Risikos Arbeitslosigkeit erfolgt dabei in dreifacher Weise:  Unterstützung des/der Arbeitslosen bei der Suche nach einem neuen Arbeitsplatz ­(Arbeitsvermittlung),  Gewährung einer Geldleistung zur Überbrückung des Lohn-/Gehalts­ ausfalles (Arbeitslosenleistung) und  Durchführung arbeitsmarktpolitischer Maßnahmen zur Verhinderung des Eintritts von Arbeitslosigkeit bzw. zur Reduzierung der Dauer der Arbeitslosigkeit (Arbeitsmarktförderung).

Bewältigungsstrategien

Gerade beim Risiko der Arbeitslosigkeit darf sich die Schutzmaßnahme nicht nur auf die Garantie eines bestimmten Mindesteinkommens bei Ein­ tritt des Versicherungsfalles (Arbeitslosenleistung + Bedarfsorientierte Min­ destsicherung), die Vermittlung und die Arbeitsmarktförderung beschrän­ ken. Es ist jedenfalls notwendig, die Ursachen von Arbeitslosigkeit zu be­ kämpfen. Eine moderne und verantwortungsbewusste Wirtschaftspolitik muss sich daher jedenfalls um eine möglichst hohe Quote an existenzsi­ chernder Beschäftigung bemühen. 1. Wie wird das Risiko Arbeitslosigkeit bewältigt?

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Kurzer geschicht­licher Überblick

Anmerkungen

Arbeitslosen­ versicherung erst nach 1918

Die Arbeitslosenversicherung gehört zu jenen Zweigen der sozialen Sicher­ heit, die auf einen verhältnismäßig kurzen Bestand zurückblicken. So gab es bis nach dem Ersten Weltkrieg bei Verlust des Arbeitsplatzes keine staat­ liche Unterstützung. Die Betroffenen waren auf die Hilfe der Gesellschaft und auf kärgliche Fürsorgeleistungen angewiesen. Das galt nicht nur für Österreich, sondern auch für die meisten anderen Länder. Wie die meisten Einrichtungen der sozialen Sicherheit hatte daher auch die staatliche Arbeitslosenversicherung ihren Ursprung in gewerkschaftlichen Selbsthilfe­ein­rich­­tungen. Erst um die Jahrhundertwende wurde die Not­ wendigkeit einer institutionalisierten Abhilfe für den Fall der Arbeitslosig­ keit erkannt. In der Folge gewährten auch einige Städte und Gemeinden Zuschüsse an diese gewerkschaftlichen Unterstützungskassen nach dem Muster der belgischen Stadt Gent, die als Erste zu diesem Zweck öffentliche Mittel zur Verfügung stellte (Genter System). Die erste staatliche Maßnahme zu Gunsten Arbeitsloser erfolgte 1918 unter Staats­sekretär Ferdinand Hanusch. Diese fürsorgerechtlich gestaltete Maß­ nahme wurde 1920 durch eine gesetzliche Regelung in Form einer Pflicht­ versicherung abgelöst. Dieses Arbeitslosenversicherungsgesetz erfasste alle krankenversicherten ArbeiterInnen und Angestellten in Gewerbe, Han­ del, Industrie und Verkehr – es galt also nicht für die ArbeitnehmerInnen in der Landwirtschaft und im Haushalt – und sah als Leistung eine zeitlich begrenzte Arbeitslosenunterstützung vor. Voraussetzung war die Erfüllung einer Anwartschaft und die Gefährdung des Lebensunterhalts. Die Finan­ zierung erfolgte vorschussweise durch den Staat, doch war eine Deckung des Aufwandes zu je einem Drittel durch die ArbeitnehmerInnen, deren ArbeitgeberInnen und den Staat vorgesehen. Ähnlich der heutigen Situation im Bereich des Sozialversicherungsrechts war auch die Arbeitslosenversicherung zu Beginn ihrer Entwicklung in Form der Selbstverwaltung organisiert und ist erst 1935 in die ausschließ­ liche staatliche Verwaltung übernommen worden. Seit der Einrichtung des Arbeitsmarktservice im Jahre 1994 ist wieder eine Trendwende eingetreten. Anlässlich der Besetzung Österreichs durch das nationalsozialistische Hit­ lerdeutschland kam es zur Einführung reichsdeutscher Regelungen, und mit Ausbruch des Zweiten Weltkrieges wurde das Versicherungssystem aufgegeben. Angesichts des totalen kriegswirtschaftlichen Einsatzes aller verfügbaren Arbeitskräfte kam dieser Regelung der Arbeitslosenfürsorge keine große Bedeutung zu. Mit der Errichtung der Zweiten Republik wurde die Arbeitslosenunter­ stützung wieder auf eine versicherungsrechtliche Basis gestellt, doch war die Gefährdung des Lebensunterhalts nach wie vor eine wesentliche An­ spruchsvoraussetzung. Die Ausgangsbasis des geltenden Arbeitslosenver­ sicherungsrechts bildet das Bundesgesetz vom 22. Juli 1949, BGBl. Nr. 184, betreffend die Arbeitslosenversicherung, das endgültig eine umfassende Neuregelung mit wichtigen zeitgemäßen Verbesserungen brachte. Es baut auf dem Grundsatz der Pflichtversicherung auf. Beim zeitlich begrenzten Arbeitslosengeld wird von der Bedürftigkeitsvoraussetzung Abstand ge­ nommen, während die von einer Bedürftigkeit abhängige Notstandshilfe als Leistung mit Fürsorgecharakter keiner zeit­lichen Begrenzung unterwor­ fen wird. In der Zwischenzeit wurde das Arbeitslosenversicherungsgesetz vielfach novelliert und bereits zweimal wiederverlautbart. Grundlage des gelten­ den Rechts ist das Arbeits­losenversicherungsgesetz 1977 (AlVG).

Gesetzliche Regelungen 1920

Organisation

Unterbrechung durch das NS-Regime

Neuregelung nach 1945

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Organisation des Arbeitsmarktservice

Anmerkungen

Mit 1. Juli 1994 wurde die Arbeitsmarktverwaltung aus der staatlichen Verwaltung herausgelöst und in eine Selbstverwaltungseinrichtung, das Arbeitsmarktservice (AMS), umgewandelt. Nach § 1 des Arbeitsmarktser­ vicegesetzes ist das Arbeitsmarktservice ein Dienstleistungsunternehmen des öffentlichen Rechts mit eigener Rechts­persönlichkeit.

Neuorganisation 1994

Das AMS ist somit eine eigene Rechtsperson, ähnlich den einzelnen Sozial­ versicherungsträgern, und untergliedert sich in neun Landesorganisationen und dem Bedarf entsprechend in eine Vielzahl von regionalen Organisati­ onseinheiten auf Bezirksebene,2015 gab es 104 regionale AMS-Geschäfts­ stellen. Organigramm des AMS

Gliederung des AMS

Arbeitsmarktservice Österreich t

t

t

t

t

t

t

t

t

AMS Bgld.

AMS Ktn.

AMS NÖ

AMS OÖ

AMS Slbg.

AMS Stmk.

AMS Tirol

AMS Vlgb.

AMS Wien

t

t

t

t

t

t

t

t

t

regionale Geschäftsstellen

z. B. AMS Gänserndorf Die Durchführung der Aufgaben des AMS obliegt auf Bundes-, Landesund Regionalebene den geschäftsführenden Organen – dem Vorstand auf Bundesebene, den LandesgeschäftsführerInnen auf Landesebene und den LeiterInnen der regionalen Geschäftsstellen auf regionaler Ebene – die bei der Umsetzung der Arbeitsmarktpolitik durch Geschäftsstellen unterstützt werden. Wichtige Grundsatzbeschlüsse wie z. B. die jährlichen Zielvor­ gaben an das AMS und die Budgetbeschlüsse treffen auf allen Ebenen sozialpartnerschaftlich besetzte Aufsichtsgremien. Auf Bundesebene ist ­ dies der Verwaltungsrat, auf Landesebene das Landesdirektorium und auf regionaler Ebene der Regional­beirat.

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Anmerkungen

Organe und deren Zusammensetzung Sozialpartnerschaftlicher Beirat

Hauptamtliche Leitung

Bundesebene – Bundesgeschäftsstelle – AMS Österreich

Vorstand

2 Vorstandsmitglieder

Verwaltungsrat 3 RegierungsvertreterInnen 3 Arbeitgeber- und 3 ArbeitnehmervertreterInnen (bei Personalrichtlinien auch 1 PersonalvertreterIn)

Landesebene – Landesgeschäftsstelle des AMS

Landesgeschäftsführung

Landesdirektorium

1 GeschäftsführerIn und 1 StellvertreterIn

6 Mitglieder (LGfIn und LGfStvIn sowie je 2 AG- und ANVertreterInnen)

Bezirksebene – regionale Geschäftsstelle des AMS regionale Geschäftsstellenleitung 1 GeschäftsstellenleiterIn

Regionalbeirat 5 Mitglieder (GstlIn und je 2 AG- und AN-VertreterInnen)

Die Bestellung der jeweiligen LeiterInnen erfolgt beim Vorstand der Bun­ desgeschäftsstelle durch den Verwaltungsrat für die Dauer von 6 Jahren nach vorheriger Ausschreibung und Genehmigung durch den/die Bun­ desministerIn für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz. Auch die Lan­ desgeschäftsführerInnen und ihre StellvertreterInnen werden vom Verwal­ tungsrat für 6 Jahre bestellt. Die Bestellung der LeiterInnen der regionalen Geschäftsstellen erfolgt hingegen unbefristet durch das Landesdirektorium nach Anhörung des Regionalbeirates.

Bestellung

Aufgaben der einzelnen Organe Bundesgeschäftsstelle

Bundesgeschäftsstelle (BGS) Zu den Aufgaben des Verwaltungsrates gehören:  Überwachung der Geschäftsführung des Vorstandes und der Landesge­ schäftsführerInnen  Festlegung der arbeitsmarktpolitischen und finanziellen Grundsatzent­ scheidungen,  Erlassung von Richtlinien für die Gestaltung der Arbeitsverträge,  Bestellung und Widerruf der Bestellung von Vorstandsmitgliedern und LandesgeschäftsführerInnen sowie deren StellvertreterInnen,  Erlassung und Änderung der Geschäftsordnung und  Behandlung der dem Verwaltungsrat vorbehaltenen Geschäftsfälle. 6


Der Vorstand führt hingegen unter eigener Verantwortung die laufenden Ge­ schäfte des AMS, bereitet die Entscheidungsgrundlagen für den Verwaltungs­ rat vor, hat an dessen Sitzungen teilzunehmen und ist ihm berichtspflichtig, beschließt die Geschäftseinteilung und vertritt das AMS nach außen.

Anmerkungen

Landesgeschäftsstelle (LGS)

Landesgeschäftsstelle

Dem Landesdirektorium obliegt die Überwachung der Geschäftsführung der LandesgeschäftsführerInnen sowie der LeiterInnen der (regionalen und fachlichen) Geschäftsstellen. Es hat im Rahmen der zugeteilten finanziellen Mittel unter Zugrundelegung des arbeitsmarktpolitischen Schwerpunkt­ programms auf Landesebene die arbeitsmarktpolitischen und finanziellen Grundsatzentscheidungen zu treffen, über die Einrichtung regionaler Ge­ schäftsstellen und sonstiger Serviceeinrichtungen zu entscheiden und die LeiterInnen der regionalen Geschäftsstelle zu bestellen. Bei der Besetzung der Funktion der LeiterInnen der Landesgeschäftsstellen kommt ihm ein Anhörungsrecht zu. Die Aufgaben des Landesgeschäftsführers/der Landesgeschäftsführerin liegen darin, die laufenden Geschäfte zu führen, das AMS des jeweiligen Bundeslandes nach außen zu vertreten und die regionalen Geschäftsstellen zu betreuen und deren Arbeit zu koordinieren. Er bzw. sie ist an die vom Landesdirektorium vorgegebenen Schwerpunkte gebunden und diesem gegenüber berichtspflichtig. Regionale Geschäftsstelle (RGS)

Regionale Geschäftsstelle

In Umsetzung der Richtlinien der Bundes- und Landesorganisation hat der Regional­beirat die Grundsatzentscheidungen im Bereich der regio­ nalen Geschäftsstelle zu treffen. Ihm kommt ein Vorschlagsrecht gegenüber der Landesorganisation zu, bei der Bestellung der LeiterIn der regionalen Geschäftsstelle ist er anzuhören und er hat ein Anhörungsrecht, wie bei­ spielsweise bei Sanktionen auf Basis von § 10 AlVG (Sperre des Arbeits­ losengeldes, z.B. bei Nichtannahme einer zumutbaren Beschäftigung). Weiters sind die RegionalbeirätInnen auch bei der Erstellung der Arbeits­ programme der regionalen Geschäftsstellen mit einzubeziehen. Dem Leiter/Der Leiterin der regionalen Geschäftsstelle untersteht die Führung der Geschäfte unter Beachtung der Bundes- und Landesrichtlinien sowie der vom Regionalbeirat getroffenen Grundsätze und Schwerpunkte. Grundsätzlich erfordern die Entscheidungen in den sozialpartnerschaftlich besetzten Beiräten (Verwaltungsrat, Landesdirektorium, Regionalbeirat) ein Anwesenheitsquorum von zwei Drittel der Mitglieder und die ein­ fache Mehrheit.

Entscheidungserfordernisse

Eine qualifizierte Mehrheit (2/3 + 1 Mitglied) ist bei folgenden Ver­wal­ tungs­rats­entscheidungen erforderlich:  Erlassung und Änderung der Geschäftsordnung,  Festlegung der Finanzordnung,  Abschluss von Kollektivverträgen und Richtlinien,  Festlegung der Präliminarien,  Wahl der Vorsitzenden des Verwaltungsrates,  Bestellung der LandesgeschäftsführerInnen und deren StellvertreterInnen,  vorzeitige Beendigung von Vertragsverhältnissen von Vorstandsmitglie­ dern und von LandesgeschäftsführerInnen. Damit soll erreicht werden, dass keine Gruppe im drittelparitätisch besetz­ ten Verwaltungsrat überstimmt werden kann. Durch die Geschäftsführung kann aber das Anwesenheitsquorum erhöht und über die aufgezählten Fälle hinaus und für bestimmte Entscheidungen im Landesdirektorium oder im Regionalbeirat eine qualifizierte Mehrheit erforderlich gemacht werden. 7


Anmerkungen

Durch die aufgezeigte Gliederung, Besetzung der einzelnen Or­ gane des AMS und deren Aufgabenverteilung wurde eine bessere Einbindung der am Arbeitsmarktgeschehen unmittelbar beteilig­ ten gesellschaftlichen Gruppen erzielt. Während bei der konkreten Umsetzung der arbeitsmarktpolitischen Vor­ gaben auf L ­ andes- und Bezirksebene in den Organen Arbeitnehmer- und ArbeitgebervertreterInnen gleichgewichtig agieren und dem/der Landes­ geschäftsführerIn bzw. dem/der LeiterIn der Geschäftsstelle ein Dirimie­ rungsrecht zukommt, ist auf Bundesebene eine drittelparitätische Beset­ zung gegeben, womit auch die öffentliche Hand in Person von Ministerien­ vertreterInnen Mitwirkungs-, Mitentscheidungs- und Mitverantwortungs­ aufgaben hat. Eine auf die Erreichung von Vollbeschäftigung ausgerichtete aktive Arbeits­ marktpolitik kann daher nicht nur von ArbeitnehmerInnenseite getragen werden, sondern hat auch von Arbeit­geberInnen- und Regierungsseite die erforderliche Unterstützung zu erhalten. 2. Wie ist das Arbeitsmarktservice strukturiert?

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Daten zur Arbeitslosen­ versicherung

Anmerkungen

Die folgende Tabelle zeigt die Zahl der LeistungsbezieherInnen von Ar­ beitslosengeld und Notstandshilfe im Jahresvergleich. Es ist zu erkennen, dass die Zahl der LeistungsbezieherInnen seit den 1980er Jahren bis zum Jahr 2005 stetig angestiegen ist. Mit der verbesserten Arbeitsmarkt- und Wirtschaftslage ging in den Jahren 2005 bis 2008 sowohl die Zahl der Leis­ tungsbezieherInnen von Arbeitslosengeld als auch von Notstandshilfe zu­ rück. Im Jahr 2009 ist ein markanter Anstieg aufgrund der Wirtschafts- und Finanzkrise zu verzeichnen, im Jahr 2010 und 2011 hat sich die Situation zu­ mindest bei den ALG-BezieherInnen wieder leicht entspannt, die Zahl der NH-BezieherInnen ist jedoch stetig angestiegen. Im Jahr 2014 ist aufgrund der angespannten wirtschaftlichen Entwicklung und der damit verbunde­ nen schwierigen Lage auf dem Arbeitsmarkt die Zahl der Leistungsbeziehe­ rInnen wieder deutlich angestiegen.

Entwicklung

Im Jahr 1980 war das Verhältnis von Frauen und Männern als Leistungs­ bezieherInnen in der ALV noch relativ ausgeglichen, in den 80er und 90er Jahren waren vermehrt Männer von Arbeitslosigkeit betroffen, jedoch ist auch die Zahl der Bezieherinnen stetig gestiegen. Momentan sind rund 61% der BezieherInnen von Arbeitslosengeld und Notstandshilfe Männer. LeistungsbezieherInnen

LeistungsbezieherInnen in der Arbeitslosenversicherung Jahresdurchschnitt 1980, 1990, 2000, 2005–2014 Jahr 1980

Arbeitslosengeld

Notstandshilfe

Frauen

Männer

Insg.

Frauen

Männer

Insg.

17.932

16.991

34.923

3.292

3.135

6.427

1990

43.475

54.439

97.914

22.738

21.382

44.120

2000

43.968

63.988

107.956

34.926

40.003

74.929

2005

52.839

76.563

129.402

39.430

57.082

96.512

2006

49.705

71.264

120.969

37.404

54.403

91.807

2007

48.863

65.605

114.468

35.045

50.137

85.182

2008

48.903

64.568

113.471

32.038

46.393

78.431

2009

57.536

88.778

146.314

35.354

55.856

91.210

2010

54.027

77.177

131.204

37.573

60.358

97.931

2011

53.637

71.342

124.979

39.158

59.072

98.230

2012

55.239

75.979

131.217

42.063

63.069

105.132

2013

57.935

82.752

140.687

47.641

72.634

120.276

2014

60.247

84.007

144.253

55.320

85.458

140.778

Quelle: Arbeitsmarktservice Österreich

Die durchschnittliche Höhe des Arbeitslosengeldes pro Tag betrug im Jahr 2014 für Frauen 26,30 € und für Männer 31,60 €, die Durchschnittsleistung bei der Notstandshilfe betrug 2014 21,20 € für Frauen und 25,20 € für Männer.

Durchschnittsleistungen 2014

Vor den 1980er Jahren prägten steigende Beschäftigungszahlen und eine niedrige Arbeitslosenquote das Bild am österreichischen Arbeitsmarkt. Die Arbeitslosenquote ergibt sich aus der Zahl der vorgemerkten Arbeitslosen dividiert durch das Arbeitskräftepotenzial (= Anzahl der unselbstständig Erwerbstätigen + Anzahl der vorgemerkten Arbeitslosen). Ab den 1980er Jahren ist analog zur Zahl der LeistungsbezieherInnen eine Trendwende bei der Arbeitslosigkeit zu verzeichnen. Die folgende Tabelle zeigt, dass die ­Anzahl der registrierten Arbeitslosen und damit auch die Arbeitslosen­ 9


quote bis 2005 stetig anstieg, sich bis 2008 wieder erholte, ehe die Krise im Jahr 2009 die Anzahl wieder in die Höhe steigen ließ (auf 7,2%). Nach einer leichten Erholung am Arbeitsmarkt zwischen 2010 und 2011 ist die Arbeits­ losenquote wieder angestiegen und lag im Jahr 2014 bei 8,4%, also deutlich über dem Niveau des Krisenjahres 2009.

Anmerkungen

Arbeitslosenquote

Anzahl der unselbstständig Beschäftigten, der vorgemerkten ­Arbeitslosen, Arbeitslosenquote und Anzahl der offenen Stellen, 1980, 1990, 2000, 2005–2014

1980 1990 2000 2005

Unselbstständig Beschäftigte 2.779.237 2.928.662 3.133.738 3.230.286

Vorgemerkte Arbeitslose 53.161 165.795 194.314 252.654

Arbeitslosenquote 1,9% 5,4% 5,8% 7,2%

Gemeldete offene Stellen 36.470 55.622 35.495 26.209

2006

3.280.878

239.174

6,8%

32.912

2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014

3.344.039 3.388.632 3.339.064 3.360.258 3.421.748 3.465.454 3.482.995 3.503.400

222.248 212.253 260.309 250.782 246.702 260.643 287.207 319.357

6,2% 5,9% 7,2% 6,9% 6,7% 7,0% 7,6% 8,4%

38.214 37.498 27.165 31.009 32.310 29.422 26.383 26.320

Jahr

Quelle: Hauptverband; Arbeitsmarktservice Österreich; Bundesministerium für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz Arbeitslose nach Altersgruppen

Betrachtet man die Arbeitslosenzahlen nach Altersgruppen (nachfolgende Tabelle) kann man erkennen, dass seit dem Jahr 2000 die Zahl von arbeits­ suchenden Personen (registrierte Arbeitslose inklusive Schulungsteilneh­ merInnen) in allen Alterskohorten gestiegen ist am stärksten bei den Ju­ gendlichen und jungen Menschen bis 24 Jahre. Die Zahl der Personen über 50 Jahre, die arbeitslos sind, ist besonders in den letzten Jahren sehr stark angestiegen. Dies hängt zum Teil mit der demografischen Entwicklung (es gibt immer mehr ältere Menschen) aber auch mit der schwierigen Lage von Älteren am Arbeitsmarkt zusammen. Die Arbeitslosigkeit dieser Alters­ gruppe steigt stärker an, als die Beschäftigung. Wenn ältere Menschen von Arbeitslosigkeit betroffen sind, dauert diese auch tendenziell länger an als bei jüngeren Menschen, gesundheitliche Beeinträchtigungen verlängern die Dauer der Arbeitslosigkeit abermals. Weiters weisen besonders gering qualifizierte Personen, Frauen und Mi­ grantInnen ein höheres Arbeitslosenrisiko auf. Die Dynamik am Arbeits­ markt ist in Österreich relativ hoch: 2014 waren 922.387 Personen zumin­ dest einen Tag von Arbeitslosigkeit betroffen, im Jahr 2000 waren es noch 688.873 Personen.

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Anmerkungen

Arbeit Suchende (inkl. Schulungs-TeilnehmerInnen) Jahresdurchschnittsbestände nach Altersgruppen, 2000–2014 Jahr

15–19 Jahre

20–24 Jahre

25–49 Jahre

50 und älter

2000 2001 2002

11.507 12.625 15.238

23.990 26.720 32.128

140.875 149.808 168.790

46.527 46.321 51.695

2003

17.649

36.057

174.885

52.971

2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014

19.087 20.803 21.283 20.490 20.061 23.871 25.104 23.392 22.440 22.319 22.400

36.921 39.600 38.541 34.644 33.304 43.892 42.997 40.599 42.877 46.962 50.247

179.889 188.689 185.096 170.730 161.018 199.254 196.510 185.931 195.648 213.859 231.484

50.628 52.151 51.758 49.037 48.378 57.354 59.361 60.013 66.281 77.583 90.543

Quelle: Arbeitsmarktservice Österreich

Im internationalen Vergleich lässt sich in Österreich immer noch eine relativ gute Entwicklung hinsichtlich der Arbeitslosigkeit feststellen. Die Arbeitslosenquoten sind im Vergleich zum EU-Schnitt deutlich günstiger und auch seit 2008 waren die Auswirkungen der Krise bei den Arbeitslosen­ zahlen in Österreich nicht so stark ausgeprägt wie in anderen Ländern. (An­ merkung: Die Berechnung der Arbeitslosenquote im EU-Vergleich unter­ scheidet sich zur nationalen Registerarbeitslosenquote. Die EU-Berechnung fußt auf Befragungsergebnissen und schließt im Unterschied zur nationalen ALQ auch geringfügig Erwerbstätige und Selbstständige mit ein.)

Internationaler Vergleich

Arbeitslosigkeit im internationalen Vergleich, 2000, 2005, 2010–2014 2000

2005

2010

2011

2012

2013

2014

EU-28

8,9%

9,0%

9,6%

9,6%

10,5%

10,8%

10,2%

Österreich

3,6%

5,2%

4,4%

4,2%

4,3%

4,9%

5,6%

Deutschland

7,9%

11,2%

7,0%

5,8%

5,4%

5,2%

5,0%

Dänemark

4,3%

4,8%

7,5%

7,6%

7,5%

7,0%

6,6%

Griechenland

11,2%

10,0%

12,7%

17,9%

24,5%

27,5%

26,5%

Niederlande

3,1%

5,3%

4,5%

4,4%

5,3%

6,7%

7,4%

Vereinigtes Königreich

5,4%

4,8%

7,8%

8,1%

7,9%

7,6%

6,1%

USA

4,0%

5,1%

9,6%

8,9%

8,1%

7,4%

6,2%

Japan

4,7%

4,4%

5,0%

4,6%

4,3%

4,0%

3,6%

Quelle: Eurostat

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Versicherter Personenkreis

Anmerkungen

Für den Fall der Arbeitslosigkeit sind nach § 1 AlVG versichert:  ArbeitnehmerInnen, die bei einem/einer oder mehreren Arbeitgebe­ rInnen beschäftigt sind,  Freie DienstnehmerInnen,  Lehrlinge,  HeimarbeiterInnen,  HochschulabsolventInnen während der vorgeschriebenen Praxiszeit (ausgenommen VolontärInnen),  EntwicklungshelferInnen,  selbstständige PecherInnen,  Personen, die an einem Verwaltungspraktikum teilnehmen,  Personen, die in einem Ausbildungsverhältnis zur evangelischen Kirche A. B. und H. B. teilnehmen sowie nicht definitiv bestellt geistliche Amts­ träger dieser Kirchen. Die Arbeitslosenversicherung ist eine Pflichtversicherung ohne Rücksicht auf die Staatsbürgerschaft. Ausnahmen

Von der Pflichtversicherung ausdrücklich ausgenommen sind:  pragmatisierte Bedienstete der Gebietskörperschaften und  geringfügig beschäftigte ArbeitnehmerInnen oder HeimarbeiterInnen.

Geringfügigkeits­ grenzen

Die Beurteilung der Geringfügigkeit erfolgt nach dem ASVG, wobei die Geringfügigkeitsgrenze derzeit (2016) brutto € 415,72 monatlich bzw. €   31,92 täglich beträgt.

Sonderformen

Grundsätzlich handelt es sich bei der Arbeitslosenversicherung um eine gesetzliche Pflichtversicherung, doch es gibt eine Ausnahme für eine frei­ willige Arbeitslosenversicherung:  Selbstständige Erwerbstätige, die der Pflichtversicherung nach dem GSVG unterliegen oder gemäß § 5 GSVG von dieser Pflichtversicherung ausgenommen sind.

An- und Abmeldung

Durch den engen Zusammenhang zwischen Krankenversicherung und Arbeitslosen­ versicherung gelten die An- und Abmeldung arbeitslosen­ versicherungspflichtiger Personen zur gesetzlichen Krankenversicherung gleichermaßen auch als Meldung zur ­Arbeitslosenversicherung. Die Mel­ depflicht trifft grundsätzlich den/die ArbeitgeberIn. 3. Welcher Personenkreis ist in der Arbeitslosenversicherung erfasst?

4. Wer ist von der Arbeitslosenversicherung ausgenommen?

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Allgemeine Leistungs­ voraussetzungen

Anmerkungen

Um eine Leistung aus der Arbeitslosenversicherung beanspruchen zu kön­ nen, müssen grundsätzlich folgende Voraussetzungen erfüllt werden:

Voraussetzungen

Der/Die LeistungswerberIn muss  der Arbeitsvermittlung zur Verfügung stehen und  die Anwartschaft erfüllt haben. Der Arbeitsvermittlung steht zur Verfügung, wer  eine Beschäftigung aufnehmen kann und darf,  arbeitsfähig,  arbeitswillig und  arbeitslos ist. Der/Die Arbeitslose kann eine Beschäftigung aufnehmen, wenn er/sie für die Aufnahme einer auf dem Arbeitsmarkt üblicherweise angebote­ nen Stelle zeitlich in der Lage ist (= Verfügbarkeit, d. h. zumindest für 20 Wochenstunden bzw. 16 Stunden bei Betreuung von Kindern bis zum 10. Lebensjahr der Vermittlung zur Verfügung zu stehen). Die Aufnahme einer Beschäftigung von ausländischen ArbeitnehmerIn­ nen muss aufenthaltsrechtlich erlaubt sein. Als arbeitsfähig gilt, wer nicht invalide bzw. berufsunfähig im Sinne der für ihn/sie in Betracht kommenden Vorschriften des ASVG ist. Bestehen Zweifel an der Arbeits­fähigkeit, so hat sich der/die Arbeitslose über Auf­ forderung des Arbeitsmarktservice einer ärztlichen Untersuchung zu un­ terziehen. Wird diese Untersuchung verweigert, gibt es für die Dauer der Weigerung keinen Leistungsbezug aus der Arbeitslosenversicherung.

Arbeitsfähigkeit

Arbeitswilligkeit wird hingegen angenommen, wenn der/die Arbeitslose bereit ist  eine vom Arbeitsmarktservice vermittelte zumutbare Beschäftigung an­ zunehmen oder  sich zum Zwecke beruflicher Ausbildung nach- und umschulen zu las­ sen oder  an einer Maßnahme zur Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt teil­ zunehmen oder  von einer sonst sich bietenden Arbeitsmöglichkeit Gebrauch zu machen  und auch sonst alle Anstrengungen unternimmt, eine nach den persön­ lichen Fähigkeiten zumutbare Beschäftigung zu finden (Eigeninitiative).

Arbeitswilligkeit

Zumutbar ist eine Beschäftigung, wenn sie  den körperlichen Fähigkeiten angemessen ist,  angemessen (Kollektivvertrag oder ortsüblich) entlohnt ist,  die Gesundheit und Sittlichkeit nicht gefährdet,  nicht in einem von Streik oder Aussperrung bedrohten Betrieb erfolgen soll,  in angemessener Zeit erreichbar ist oder eine entsprechende Unterkunft am Arbeitsort zur Verfügung steht  und wenn gesetzliche Betreuungsverpflichtungen eingehalten werden können.

Zumutbarkeits­ regelung

Zumutbare Wegzeit  Die zumutbare tägliche Wegzeit (hin und zurück) beträgt bei Vollbe­ schäftigung jedenfalls 2 Stunden.

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Anmerkungen

 Wesentlich längere Wegzeiten sind nur dann zumutbar, wenn sie auf­

grund des Wohnortes üblich sind oder besonders günstige Arbeitsbe­ dingungen (Firmenbus, Betriebskindergarten etc.) geboten werden.  Bei Teilzeit (unabhängig vom Ausmaß der Teilzeit) ist eine tägliche Weg­ zeit von 11/2 Stunden zumutbar. Berufsschutz  In den ersten 100 Tagen: Die Vermittlung in einem anderen Tätigkeits­

bereich ist nur möglich, wenn die künftige Beschäftigung im bisherigen Beruf nicht wesentlich erschwert wird.

Entgeltschutz  In den ersten 120 Tagen: Die Beschäftigung in einem anderen Beruf oder

in Teilzeit ist nur zumutbar, wenn das Entgelt 80 % der letzten Bemes­ sungsgrundlage für das ALG beträgt.  Für die restliche ALG-Bezugsdauer: Die Beschäftigung in einem ande­ ren Beruf oder in Teilzeit ist nur zumutbar, wenn das Entgelt 75 % der letzten Bemessungsgrundlage für das ALG beträgt. Entgeltschutz nach Teilzeit  Besonderer Entgeltschutz: Wenn im maßgeblichen Bemessungszeit­raum mindestens die Hälfte der Beschäftigungszeit auf Teilzeitbeschäfti­ gung (weniger als 75 % der Normalarbeitszeit) entfällt: Das Entgelt muss mindestens die letzte Bemessungsgrundlage erreichen.  Umfang und Ausmaß der Teilzeitbeschäftigung muss dem AMS jedoch nachgewiesen werden. Wenn dieser Nachweis mit zumutbaren Bemühungen nicht möglich ist, genügt die Glaubhaftmachung. Arbeitslosigkeit

Als arbeitslos gilt, wer nach Beendigung seines Beschäftigungsverhältnisses keine neue Beschäftigung gefunden hat. Nicht arbeitslos ist demnach, wer u. a.  in einem Dienstverhältnis steht,  selbstständig erwerbstätig ist,  in Ausbildung steht (gilt nicht bezüglich Um- und Nachschulungen),  Lehrbeauftragte während der Semester- und Sommerferien. Die Ausübung einer geringfügigen Beschäftigung schließt Arbeitslosigkeit nicht aus. Die Aufnahme der Tätigkeit ist dem AMS zu melden.

Erfüllung der Anwartschaft

Neben dem Erfordernis der  Vermittelbarkeit,  Arbeitsfähigkeit,  Arbeitswilligkeit und  Arbeitslosigkeit muss entsprechend dem Versicherungsprinzip auch noch eine bestimmte Anwartschaft erfüllt sein.

Große Anwartschaft

Bei erstmaliger Inanspruchnahme einer Leistung aus der Arbeitslosen­ versicherung muss der/die LeistungswerberIn in den letzten 24 Monaten vor der Antragstellung (so genannte Rahmenfrist) zumindest 52 Wochen arbeits­losenversicherungspflichtige Beschäf­tigung nachweisen (große An­ wartschaft).

Kleine Anwartschaft

Bei wiederholter Geltendmachung einer Leistung wird verlangt, dass zu­ mindest 28 Wochen arbeitslosenversicherungspflichtige Beschäftigung in­ nerhalb der letzten 12 Monate vorliegen (kleine Anwartschaft), wenn nicht neuerlich die große Anwartschaft erfüllt wird.

Ausnahmeregelungen

Für Jugendliche gilt eine Sonderregelung: Jugendliche Arbeitslose, die das Arbeitslosengeld vor Vollendung des 25. Le­bensjahres beantragen, haben die Anwartschaft auch bei erstmaliger 14


Inanspruchnahme des Arbeitslosengeldes erfüllt, wenn sie innerhalb der letzten 12 Monate vor der Beantragung insgesamt 26 Wochen versiche­ rungs­pflichtige Zeiten nachweisen können.

Anmerkungen

Um in Einzelfällen Härten hintanzuhalten, wurden neben den Zeiten ei­ ner arbeitslosenversicherungspflichtigen Beschäftigung u.a. nachstehende Zeiten diesen Beitragszeiten gleichgestellt (Ersatzzeiten):  Zeiten des Präsenz-, Ausbildungs- oder Zivildienstes oder des Bezuges von Kinderbetreuungsgeld, wenn innerhalb der Rahmenfrist mindestens 14 Wochen sonstige Anwartschaftszeiten liegen,  Zeiten eines Wochengeldbezuges,  Zeiten eines Krankengeldbezuges,  krankenversicherungspflichtige Lehrzeiten.

Ersatzzeiten

Die oben angeführten Zeiten gelten grundsätzlich nur als Anwartschafts­ zeit, soweit es sich um inländische Beschäftigungs- und Ersatzzeiten han­ delt. Handelt es sich um Beschäftigungszeiten im Ausland, die ihrer Art nach im Inland arbeitslosenversicherungspflichtig wären, sind sie inlän­ dischen Zeiten gleichzuhalten, wenn zwischenstaat­liche Abkommen die Gegenseitigkeit verbürgen. Das gilt selbstverständlich im Verhältnis zu al­ len EU- und EWR-Mitgliedsstaaten und darüber hinaus gegenüber Israel, Liechtenstein und der Schweiz.

Regelung bei Beschäftigung im Ausland

Die Rahmenfrist von 24 bzw. 12 Monaten bei der Beurteilung der Erfüllung der Anwartschaft kann durch eine Reihe von Tatbeständen, die im AlVG erschöpfend aufgezählt sind, verlängert werden.

Rahmenfrist­ erstreckung

Eine Erstreckung dieser Fristen – um maximal fünf Jahre – wird vor allem durch folgende Zeiten bewirkt:  arbeitslosenversicherungsfreie Beschäftigung,  bei Meldung als Arbeitsuchende/r beim Arbeitsmarktservice,  Dauer eines Abfertigungsbezuges,  Präsenz-, Ausbildungs- oder Zivildienst (soweit nicht Ersatzzeit),  Dauer einer beruflichen Ausbildung oder Rehabilitationsmaßnahme,  Dauer Weiterbildungsgeldbezug. Darüber hinaus verlängert sich die Rahmenfrist um Zeiträume u. a.  des Bezuges von Kranken- oder Wochengeld,  des Aufenthaltes in einer Heil- oder Pflegeanstalt,  des Bezuges einer Invaliditäts-, Berufsunfähigkeits- oder Erwerbsunfähigkeitspension,  einer krankenversicherungspflichtigen Erwerbstätigkeit nach dem GSVG oder BSVG,  des Bezuges von Kinderbetreuungsgeld. Berechnungsbeispiel für die Anwartschaft mit Rahmenfristerstreckung: Eine Angestellte trat am 1. 1. 2015 in eine Firma ein und wurde zum 31. 3. 2015 ordnungsgemäß gekündigt. Sie stellte am 1. 4. 2015 einen Antrag auf Arbeitslosengeld. Hinsichtlich ihrer Vordienstzeiten konnte sie arbeitslo­ senversicherungspflichtige Arbeitsverhältnisse in der Zeit vom 1. 6. 2003 bis 30. 11. 2013 sowie vom 25. 8. 2014 bis 30. 9. 2014 nachweisen. In Bezug auf die Erfüllung der Anwartschaft ergibt sich in diesem Fall fol­ gende Lösung:  Erstmalige Inanspruchnahme = große Anwartschaft Beurteilungszeitraum (Rahmenfrist) 1. 4. 2013 bis 31. 3. 2015 21. 4. 2013 bis 30. 11. 2013.............................................................. 244 Tage 25. 8. 2014 bis 30. 9. 2014................................................................2 37 Tage 21. 1. 2015 bis 31. 3. 2015................................................................2 90 Tage Gesamt 371 Tage Mit 371 Tagen wäre die Anwartschaft erfüllt, da zumindest 364 Tage nach­ gewiesen werden müssen. 15


Anmerkungen

Würde es sich z. B. bei der Zeit vom 25. 8. 2014 bis 30. 9. 2014 um eine Ausbildungszeit handeln, dann lägen in der Rahmenfrist nur 334 Tage. Allerdings käme es in unserem Beispiel zu einer Rahmenfristerstreckung um diese Zeit, so dass sich der Fristbeginn auf den 23. 2. 2013 verschieben würde. Da in dieser Zeit ein arbeitslosenversicherungspflichtiges Beschäfti­ gungsverhältnis bestand, wäre die Anwartschaft wieder erfüllt.  Wiederholte Inanspruchnahme = kleine Anwartschaft

Beurteilungszeitraum (Rahmenfrist) 1. 4. 2014 bis 31. 3. 2015 25. 8. 2014 bis 30. 9. 2014................................................................ 237 Tage 21. 1. 2015 bis 31. 3. 2015................................................................ 290 Tage Gesamt

127 Tage

Mit 127 Tagen wäre die Anwartschaftsvoraussetzung von 196 Tagen ver­ fehlt. Ein Leistungsanspruch ist aber trotzdem gegeben, da die Arbeitslose die große Anwartschaft erfüllt. 5. Wann gilt ein/e Arbeitslose/r als arbeitsunfähig?

6. Wie erfolgt die Anmeldung zur Arbeitslosenversicherung?

7. Was sind die Voraussetzungen, dass Arbeitswilligkeit ge­ geben ist?

8. Was versteht man unter Anwartschaft?

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VÖGB/AK-SKRIPTEN Die Skripten sind eine Alternative und Ergänzung zum VÖGB/AK-Bildungsangebot und werden von ExpertInnen verfasst, didaktisch aufbereitet und laufend aktualisiert.

UNSERE SKRIPTEN UMFASSEN FOLGENDE THEMEN:

Lucia Bauer/Tina Brunauer-Laimer

Damit wir uns verstehen OEA 1

Tipps und Konzepte für Öffentlichkeitsarbeit im Betrieb

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Damit wir uns verstehen

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Die Skripten gibt es hier zum Download:

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Leseempfehlung: Reihe Zeitgeschichte und Politik

Öffentlichkeitsarbeit


Beantwortung der Fragen

Anmerkungen

F 1: Die Bewältigung des Risikos Arbeitslosigkeit erfolgt in dreifacher Weise durch Arbeitsvermittlung, Arbeitslosenleistung und Arbeits­ marktförderung. F 2:

Das Arbeitsmarktservice ist eine einheitliche Rechtsinstitution, die in Landes- und Regionalorganisationen aufgegliedert ist. Die einzelnen Organisationseinheiten werden von hauptamtlichen LeiterInnen ge­ führt, denen sozialpartnerschaftlich bestellte BeirätInnen beigestellt sind.

F 3: F 4:

 ArbeitnehmerInnen,  Freie DienstnehmerInnen,  Lehrlinge,  HeimarbeiterInnen,  HochschulabsolventInnen in praktischer Ausbildung,  EntwicklungshelferInnen,  selbstständige PecherInnen.

Pragmatisierte Bedienstete der Gebietskörperschaften und gering­ fügig beschäftigte Personen.

F 5:

Ein/e Arbeitslose/r ist dann nicht arbeitsfähig, wenn er/sie im Sinne des ASVG als invalide oder berufsunfähig anzusehen ist.

F 6:

Die Anmeldung erfolgt gemeinsam mit der Meldung bei der Kran­ kenversicherung; eine gesonderte Anmeldung ist nicht erforderlich.

F 7: Arbeitswilligkeit setzt die Bereitschaft zur  Annahme einer vermittelten Beschäftigung,  Um- und Nachschulung,  Teilnahme an Wiedereingliederungsmaßnahmen,  Annahme einer sich bietenden Arbeitsmöglichkeit,  selbstständigen Postensuche voraus. F 8: Unter Anwartschaft versteht man in der Arbeitslosenversicherung die Notwendigkeit, innerhalb einer vorgegebenen Rahmenfrist eine bestimmte Anzahl von versicherungspflichtigen Zeiten oder Ersatz­ zeiten nachzuweisen.

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SKRIPTEN ÜBERSICHT SOZIALRECHT

SR-1

Grundbegriffe des Sozialrechts

SR-2

Sozialpolitik im internationalen Vergleich

SR-3

Sozialversicherung – Beitragsrecht

SR-4

Pensionsversicherung I: Allgemeiner Teil

SR-5

Pensionsversicherung II: Leistungsrecht

SR-6

Pensionsversicherung III: Pensionshöhe

SR-7

Krankenversicherung I: Allgemeiner Teil

SR-8

Krankenversicherung II: Leistungsrecht

SR-9

Unfallversicherung

SR-10

Arbeitslosenversicherung I: Allgemeiner Teil

SR-11

Arbeitslosenversicherung II: Leistungsrecht

SR-12

Insolvenz-Entgeltsicherung

SR-13

Finanzierung des Sozialstaates

SR-14

Pflege und Betreuung

SR-15

Bedarfsorientierte Mindestsicherung

Die einzelnen Skripten werden laufend aktualisiert.

ARBEITSRECHT

AR-1 AR-2A AR-2B AR-2C AR-3 AR-4 AR-5 AR-6 AR-7 AR-8A AR-8B AR-9 AR-10 AR-11 AR-12 AR-13 AR-14 AR-15 AR-16 AR-18 AR-19 AR-21 AR-22

Kollektive Rechtsgestaltung Betriebliche Interessenvertretung Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates Rechtstellung des Betriebsrates Arbeitsvertrag Arbeitszeit Urlaubsrecht Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall Gleichbehandlung im Arbeitsrecht ArbeitnehmerInnenschutz I: Überbetrieblicher ArbeitnehmerInnenschutz ArbeitnehmerInnenschutz II: Innerbetrieblicher ArbeitnehmerInnenschutz Beendigung des Arbeitsverhältnisses Arbeitskräfteüberlassung Betriebsvereinbarung Lohn(Gehalts)exekution Berufsausbildung Wichtiges aus dem Angestelltenrecht Betriebspensionsrecht I Betriebspensionsrecht II Abfertigung neu Betriebsrat – Personalvertretung Rechte und Pflichten Atypische Beschäftigung Die Behindertenvertrauenspersonen

GEWERKSCHAFTSKUNDE

GK-1 GK-2 GK-3

Was sind Gewerkschaften? Struktur und Aufbau der österreichischen Gewerkschaftsbewegung Geschichte der österreichischen Gewerkschaftsbewegung von den Anfängen bis 1945 Die Geschichte der österreichischen Gewerkschaftsbewegung von 1945 bis heute

GK-4

Statuten und Geschäftsordnung des ÖGB

GK-5

Vom 1. bis zum 18. Bundeskongress

GK-7

Die Kammern für Arbeiter und Angestellte

GK-8

Die sozialpolitischen Errungenschaften des ÖGB

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