Interview_Finanztrends

April 2005

Freie Finanzberatung: Zwischen Konzentration und neuen Optionen Interview mit Vordenker Oliver W. Schwarzmann Frage: Wie wird sich die freie Finanzdienstleistung in 2005 entwickeln? Schwarzmann: Der Markt für freie Finanzberatungsunternehmen wird auch in 2005 den laufenden Konzentrationsprozess weiterführen. Hohe Qualifizierungsanforderungen, steigende Haftungsverantwortung, wachsende Research- und Verwaltungskosten sowie fallende Provisionen schwächen Einzelberater und Kleinvertriebe, stärken gleichzeitig die institutionellen, rationell arbeitenden Konzern- und Großvertriebe.

Frage: Gibt es Veränderungen in der Beratung? Schwarzmann: Die Beratungskultur wird durch viele Entwicklungen neu definiert: Standen bisher Effektargumente und Produktlösungen im Vordergrund, geht es nun um den Entwurf einer individuellen und anpassungsfähigen Life-Finance-Strategie. Der Beratungsaufwand inklusive Zeitaufwand pro Kunde wird sich dadurch drastisch erhöhen. Dabei fordert der Kunde verstärkt unabhängige Marktkompetenz, die durch transparente Researchexpertisen belegt werden muss. Die Qualitäts-Rating- und Test-Welle aus dem Konsum erreicht auch den Finanzmarkt.

Frage: Welche Beratertyp hat Zukunft? Schwarzmann: Natürlich gibt es derzeit eine starke Qualifizierungswelle, die richtig ist. Allerdings: Erstens, die meisten Kunden können Qualifizierungen gar nicht bewerten, und zweitens, immer mehr Kunden recherchieren selbst, bauen Eigenkompetenz auf. Wir können in unseren groß angelegten Umfragen bei Investoren nachweisen, dass ein Beratungstyp gefragt ist, den ich „Adviser“ nenne: Dieser ist ein Generalist mit Anschluss zu einem spezialisierten Expertennetzwerk; der mit unabhängigen Researchdaten berät, szenarische Zukunftsstrategien entwirft und Produkte empfiehlt. Zudem hat er durch seine Kompetenz einen gewissen öffentlichen

Bekanntheitsgrad, sei es durch Vorträge, Veröffentlichungen, etc. Marketing in eigener Person wird zum entscheidenden Erfolgsfaktor. Denn: Experte ist nur, wer als Experte wahrgenommen wird.

Frage: Wie entwickelt sich der Altersvorsorgemarkt? Schwarzmann: Auch das big business der Finanzberatung wandelt sich. Die Nachfrage nach Altersvorsorge wird anders gestellt: Sicherung und Steigerung der unmittelbaren Zukunftsqualität stehen im Vordergrund und lösen das traditionelle, finale Fernzielsparen ab. Der Altersvorsorgemarkt geht quasi auf in einem lebenslangen und aktiven Coachingprozess, ergo: Das Beratungspotenzial wird größer und intensiver. Gleichzeitig nimmt aber auch der Verdrängungswettbewerb zu. Gewinnen wird der, der Anlagestrategie und Zukunftsqualität privilegiert zu kombinieren weiß.

Frage: Wie wirkt sich dabei die demografische Entwicklung aus? Schwarzmann: Die demografischen und gesellschaftlichen Effekte zeigen bereits Wirkung: Neue, spezialisierte Zielgruppen rücken in das Zentrum der Finanzberatung: Frauen, Kids und Jugendliche sowie Senioren. Wir müssen uns vom traditionellen Bild des Sparers, des Versorgers und der sparenden Familie verabschieden. Es gibt viele neue Lebensstile und Lebensformen, darauf muss sich die Finanzberatung einstellen. Da gibt es noch jede Menge Nachholbedarf und viel, viel Potenzial.

Frage: Wo liegt also die Zukunft für freie Finanzberater? Schwarzmann: Die Zukunft der freien Finanzberatung wird sich an drei wesentlichen Fragen entscheiden: Die erste Zukunftsfrage ist die nach dem effektivsten Marktzugang, denn Kunden gewinnen und halten durch intelligentes Marketing und kreativen Service wird zunehmend bedeutender und teurer, zudem ist der Kundenzugang erschwert wegen Vermehrung der Vertriebskanäle, steigender Ansprüche durch den massiven Individualisierungstrend und der Zunahme des Verdrängungswettbewerbs. Die zweite Zukunftsfrage ist die nach rationellen und zugleich innovativen Vertriebsformen, da sich trotz Margendruck das Produktangebot und die Kundenbeziehung weiter differenzieren und spezialisieren werden. Und die dritte Zukunftsfrage ist die nach der Beratungsqualität, die als wichtigstes Unterscheidungsmerkmal die Marktposition des jeweiligen Beratungsunternehmens definieren wird.

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